Der Borobodur (Java, 9. Jhdt.) -- Monument des Bodhisattvaweges
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Zitierweise / cite as:
Kompendium des Bodhisattvatrainings (Siksâsamuccaya) / aus dem Sanskrit übersetzt von Simone Krämer und Sabine Schwind. -- Fassung vom 22. November 1997. -- URL: http://www.payer.de/mahayana/siksa.htm. -- [Stichwort].Sântideva <8. Jh. n. Chr>:
Letzte Überarbeitung: 22. November 1997
Anlaß
: Lehrveranstaltung "Texte des Mahâyâna-Buddhismus", Universität Tübingen WS 1997/98©opyright: Dieser Text steht der Allgemeinheit zur Verfügung. Eine kommerzielle Verwertung ist untersagt.
Der buddhistische Mönch S'ântideva [sprich: Schantideva] (gestorben um 730 n. Chr.) ist der Legende nach ein Königssohn aus Südindien. Er wirkte in der Klosteruniversität Nâlandâ (Bihar, Indien). Er behandelt die 'Laufbahn' eines Bodhisattva in zwei Werken: dem S'iks.âsamuccaya [sprich: Schikschasamutschaja], und dem Bodhicaryâvatâra [sprich: Bodhitscharjavatara]. Zum S'iks.âsamuccaya gibt es einen ausführlichen, hochinteressanten Kommentar, der nicht von S'ântideva stammt.
Verwendete Ausgabe:
S'iks.âsamuccaya / ed. by P. L. Vaidya. -- Darbhanga : Mithila Institute of Post-Graduate Studies and Research, 1961. -- (Buddhist Sanskrit Texts ; 11). -- [Im Wesentlichen Wiedergabe des Textes in der Ausgabe von Cecil Bendall, Bibliotheca Buddhica, vol 1, 1897 - 1901]S'ântideva:
Eine andere deutsche Übersetzung in:
Mahâyâna-Buddhismus : die zweite Drehung des Dharma-Rades. -- München : Diederichs, ©1990. -- ISBN 3-424-01016-2. -- S. 175 - 178Schumann, Hans Wolfgang <1928 - >:
(1) Wenn mir und den anderen Schrecken und Leid nicht angenehm sind, wodurch zeichnet sich dann die eigene Person aus, daß ich nur mich hüte und nicht den anderen?
(2) Wer das Leid beenden will und das Glück überschreiten möchte, muß zunächst die Wurzel des Vertrauens festigen und dann sein Denken fest auf die Erleuchtung ausrichten.
(3) Eifriges Praktizieren der Unterweisung ist nach dem Mahâyâna die Pflicht eines Bodhisattva, deshalb soll er die Grundpfeiler der Lehre kennen um Verfehlungen zu vermeiden.
(4) Das Hergeben der Freuden der eigenen Person und des im Verlauf der drei Zeiten erworbenen Wohls für alle Wesen, dies ist Schutz, in dem das Fortschreiten der Läuterung liegt.
(5) Zum Wohl der anderen Wesen soll alles, angefangen mit der eigenen Person, hergegeben werden. Wenn etwas nicht zuvor gehütet wurde, wie kann es dann eine Wohltat sein? Was ist die Gabe wert, an der man keine Freude hat?
(6) Deshalb soll man im Interesse der anderen Wesen die eigene Person usw. hüten, indem man sich an den heilsamen Freund hält und die Sûtras vor Augen hat.
(7) Worin besteht in diesem Fall das Hüten der eigenen Person? Es besteht darin, das nicht dem Ziel dienliche aufzugeben. Wie wird dies erreicht? Indem man sich aller ziellosen Unrast enthält.
(8) Dies gelingt stets durch Achtsamkeit. Achtsamkeit ergibt sich aus tiefer Hingabe. Diese tiefe Hingabe erwächst aus dem glühenden Eifer, den das Erkennen der Erhabenheit der inneren Ruhe nach sich zieht.
(9) Der Gesammelte erkennt die Dinge, wie sie wirklich sind, so sagte der Weise. Indem man sich vom äußeren Treiben abwendet, verharrt der Geist bei der inneren Ruhe.
(10) Unter allen Umständen beständig sein und sich mit freundlicher Gesinnung und verbindlichen Umgangsformen anständigen Leuten zuwenden, so (aber) verschafft man sich Akzeptanz.
(11) Menschen aber, die den Buddha-Anhänger gering schätzen und bei denen er keine Akzeptanz findet, werden bestimmt an Orten wie der Hölle schmoren als würden sie, von Asche bedeckt, auf dem Feuer gekocht.
(12) Mit der Aussage des Buddha im Ratnamegha-Sûtra ist die Quintessenz der Pflicht (eines Bodhisattva) formuliert: er muß unbedingt alle Anstalten unterlassen, die das Mißfallen der Wesen erregen (könnten).
(13) Das Hüten der eigenen Person geschieht durch Medizin, Kleidung usw. Der Verblendete aber, der dies selbstsüchtig nutzt, begeht eine Verfehlung.
(14) "Eifrig gute Taten begehen und bei allem das richtige Maß kennen", wer sich an diesen Trainingspunkt hält, der tut sich nicht schwer damit, seine Genießbarkeit zu bewahren.
(15) Man bewahrt sein Wohlergehen, indem man sich von der Gier danach befreit, daß die Reifung (der Taten) zu eigenem Gunsten geschieht. Im nachhinein soll man eine Tat weder bedauern noch damit prahlen.
(16) Reichtum und bevorzugte Behandlung sollen einen abschrecken, Überheblichkeit soll man grundsätzlich vermeiden. Der Bodhisattva soll zuversichtlich sein und Zweifel in bezug auf die Lehre fallen lassen.
(17) Der Genuß der eigenen Person (für andere) wird förderlich sein, wenn sie geläutert wurde. Der Genuß eines wahrhaft Vollendeten, der sich hingibt, ist für die Wesen vergleichbar dem von poliertem Reis.
(18) Wie von Unkraut überwachsenes Getreide durch Krankheitsbefall umknickt anstatt zu gedeihen, so wird der von Befleckungen übersäte Anhänger des Buddha keinen Fortschritt erzielen.
(19) Was bedeutet Reinheit der eigenen Person? Sie besteht im Läutern von schlechten Taten und Befleckungen. Wer aber diesbezüglich keine Anstrengungen macht, der wird in die niederen Daseinsbereiche eingehen. So ist es durch die Aussage des Buddha belegt.
(20) Zügelt Eure Ungeduld und verinnerlicht, was Ihr gehört habt, dann nehmt Eure Zuflucht im Wald, gebt Euch der Sammlung hin und übt Euch in der Meditation über die Zustände des Leichnams und anderen.
(21) Indem man sich der Läuterung durch den rechten Lebensunterhalt (unterzieht), wird man (für andere) zum reinen Genuß. Wenn (alle) Aktivitäten (dem Wissen um) Hohlheit und Mitgefühl entspringen, wird das Verdienst gereinigt.
(22) Was ist zu tun? Es gibt sehr viele Bedürftige, aber sehr wenig, um diesen Bedarf vollständig zu decken. Dann muß dieses wenige vermehrt werden.
(23) Was bedeutet Wachstum der eigenen Person? (Es bedeutet) das Zunehmen von Kraft und Energie. Das Zunehmen der Genießbarkeit (geschieht) durch Freigebigkeit, die (wiederum) Hohlheit und Mitgefühl entspringt.
(24) Zunächst müßt Ihr Euch anstrengen, Entschlossenheit und Hoffnung zu stärken, dann das Mitgefühl über alles andere stellen und schließlich danach streben, das Wohlergehen (der Wesen) zu vermehren.
(25) Man soll sich an die Grundsätze für einen angemessenen Lebensstil halten. Verehrung ist grundsätzlich nur mit Hingabe (sinnvoll). Man sollte sich jederzeit in Vertrauen, liebender Güte und der Vergegenwärtigung Buddhas, des Dharma und des Sangha üben.
(26) Das Geschenk der Lehre, das frei ist von weltlichen Motiven, ist für die Wesen in allen Lebenslagen von Nutzen. Zusammenfassend gesagt ist die auf das Erwachen ausgerichtete Geisteshaltung die Voraussetzung für das Wachstum des karmischen Verdienstes.
(27) Verwirklichung erreicht man, indem man sich völlig (auf den Pfad) einläßt und gewissenhaft (in allen erforderlichen Punkten) Verzicht leistet. Ferner indem man sich ohne Unterlaß in Achtsamkeit, Geistesgegenwart und heilsamen Nachdenken übt.