Königliche Bibliothek Unter den Linden,
Berlin
(Bundesarchiv, Bild 146-1998-010-27 / CC-BY-SA)
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Zitierweise | cite as: Payer, Margarete <1942 - >: Preußische Instruktionen. -- Fassung vom 2011-06-16. -- URL: http://www.payer.de/preussiche/preussisch01.htm
Erstmals hier publiziert: 2011-06-16
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Die Preußischen Instruktionen [PI][Korrekter Titel: "Instruktionen für die alphabetischen Kataloge der preußischen Bibliotheken vom 10. Mai 1899"] waren etwa hundert Jahre lang das verbindliche Regelwerk für die wissenschaftlichen Bibliotheken Deutschlands und Österreichs (Ausnahme unter den großen Bibliotheken war nur die Universitätsbibliothek Tübingen, die sich seit 1912 an britischen Regeln orientierte z.B. Beachtung von Körperschaften). Um alte Titelaufnahmen aber auch Bibliografien zu verstehen und in moderne Katalogformen zu übertragen, ist eine gewisse Kenntnis der alten Regeln hilfreich. Zusätzlich erklären manche alte Regeln neuere RAK-WB-Regeln [Regeln für die alphabetische Katalogisierung in wissenschaftlichen Bibliotheken]. Da die Regeln zur Wahl der Zugangspunkte - Verfasser oder Sachtitel - und ihrer Ansetzung - , das Wichtigste in der PI sind, soll im Folgenden eine kurze Einführung dazu gegeben werden. Man sollte immer daran denken, dass bei einem Kartenkatalog, dessen Zettel bei der Entstehung des Regelwerks meist mit der Hand geschrieben wurden, die Hauptaufnahme ("Haupteintragung") - also der Zettel, der die ganze Aufnahme enthält - das Entscheidende ist. Zusätzlich wird mit unterschiedlichsten Arten von Verweisungen gearbeitet.
Die bibliografische Beschreibung richtete sich in den wesentlichen Elementen (Sachtitel, Zusätze zum Sachtitel, Verfasserangabe, Personalangaben und Anlass) nach der Ordnung und Wortfolge des Titelblattes (in der Literatur deshalb oft "Titelblattkopie" genannt). Die weiteren Angaben folgten in einer festgelegten Ordnung, die in etwa die vorgeschriebene Reihenfolge der ISBD vorwegnimmt.
Als Vorlage für die Beschreibung wird das Exemplar (also nicht die Manifestation vgl. Functional Requirements for Bibliographic Records [FRBR]) genutzt.
Grundsätzlich bevorzugt die PI die Einordnung unter dem Verfassernamen bzw. einem Personennamen. So kann man selbst unter nicht beteiligten Personen Verweisungen finden, wenn diese im anonymen Sachtitel genannt sind.
Die Grundregel lautet: "Maßgebend für die Einordnung der Schriften ist der Name des Verfassers..." [§ 30] und "Ein Einzelwerk, das die gemeinsame Arbeit von zwei und drei Verfassern ist, wird unter den zuerst genannten Verfasser gestellt; von den übrigen wird verwiesen." [§ 67]
Handelt es sich bei dem Verfasserwerk um eine Übersetzung, wird die Eintragung im Katalog unter dem Verfasser mit dem Originaltitel verlangt, damit man an einer Stelle im Katalog das Original und alle Übersetzungen dazu finden kann. Dazu ist eine Verweisung vom Verfasser mit dem vorliegenden Titel auf den Verfasser mit dem Originaltitel vorgeschrieben.
Beispiel: Darwin, Charles
Die Bewegungen und Lebensweise der kletternden Pflanzen [The Movements and habits of climbing plants, deutsch] von Charles Darwin. Aus d. Engl. übers ...
Verweisung (eine allgemeine) dazu:
Darwin, Charles
Die Bewegungen und Lebensweise der Kletternden Pflanzen
s. Darwin: The Movements and habits of climbing plants [deutsch]
Um dem Benutzer bei der Suche behilflich zu sein, fasst die PI bestimmte Schriften einer Verfassers zu Gruppen zusammen. Diese sog. Gruppenschriften werden innerhalb der Ordnung der Schriften eines Verfassers vor den Einzelschriften des Verfassers einsortiert. Die Gruppenschriften sind wichtig für die Entstehung des Sammlungsvermerks in der RAK. Man unterscheidet:
In bestimmten Fällen werden Herausgeber, die Vorhandenes erstmalig sammeln und zusammenstellen, wie echte Verfasser behandelt. Es gibt dann keinen Nachweis unter dem Sachtitel! Man spricht von "erweitertem Verfasser". [Man vergleiche dazu die Regeln zu Bibliographien, Wörterbüchern, Katalogen, Werkverzeichnissen u.ä. in den RAK-WB: ein Herausgeber, der solch ein Werk zusammenstellt, gilt als Verfasser. RAK-WB " 601, Anm. 3]. Die PI unterscheidet folgende Fälle:
Grundregel:
"Dieselbe Schrift wird stets unter demselben Titel eingeordnet," d.h. im allgemeinen unter dem ursprünglichen Titel (Originaltitel) "und dieselben Wörter werden stets in derselben Form angesetzt". [§ 181]
Von den vorliegenden abweichenden Sachtiteln oder Wortformen werden im allgemeinen Verweisungen gemacht [§ 183]
damit dieselben Wörter stets in derselben Form angesetzt werden, normiert die PI folgendermaßen:
3.1.1. bei orthografischer Abweichung [§ 210]:
es gilt die heutige Rechtschreibung, die sich im Deutschen nach dem Duden und im Englischen nach Oxford-Englisch orientieren soll.
Beispiel: Centralkatalog > Zentralkatalog
Schiller Gesellschaft > Schiller-Gesellschaft
Catalog > catalogue
Problem: auch Vornamen in Sachtiteln werden entsprechend der Nationalität der Verfasser normiert. Schon in der Anwendungszeit der PI gab es nicht in allen Fällen normierte Formen für deutsche Vornamen: z.B. Cornelia neben Kornelia. Daher wird in § 102 festgelegt, dass in solchen Fällen "f, k, t, ä" statt "ph, c, th, e" genommen werden: also Kornelia.
3.1.2. bei leichter sprachlicher Abweichung [§ 211]:
von leichter sprachlicher Abweichung spricht man bei Wörtern des 18. und 19. Jahrhunderts, nicht etwa bei frühneuhochdeutschen Wörtern.
Es wird die neueste Form genommen: teutsch > deutsch, aber Buochlin > Buochlin, neben Büchlein > Buechlein
3.1.3. bei abgekürzten Ordnungsworten [§ 213]:
abgekürzte Ordnungsworte gelten in ihrer vollen Form: B.G.B. = Bürgerliches Gesetzbuch >Gesetzbuch buergerliches; j´accuse > je accuse
Es gibt drei Ausnahmen:
3.1.4. Zahlen als Ordnungsworte werden in Worten angesetzt, und zwar in der gebräuchlichsten Form der Sprache des Titels: 1870 (in dt. Titel) > achtzehnhundertsiebzig;
1870 (in franz. Titel) > mil-huit-cent-soixante-dix
3.1.5. Zeichen als Ordnungsworte werden in Worten angesetzt: 7,5 cm Kanone > Siebenkommafuenfzentimeterkanone
Nur der Titel selbst darf für die Ordnungsworte herangezogen werden [§ 184], also nicht:
Ausnahme: gibt der Sachtitel nicht genügend Ordnungsworte her, können weitere Wörter aus einem vorhergehenden Anlass genommen werden: "Universitätsbibliothek Tübingen. Orientabteilung. Südasienkatalog" > Suedasienkatalog Orientabteilung Tuebingen Universtitaetsbibliothek
Um den Benutzern die Suche nach einem Sachtitel zu erleichtern, sollte der Benutzer möglichst direkt auf das wichtigste Wort eines Titels zugreifen können. Also muss bei einem alphabetisch sortiertem Katalog dieses Wort an der ersten Stelle stehen (es gab ja noch keinen Google-Schlitz :-)). Wie findet man aber dieses entscheidende Wort? Da man zu Beginn des letzten Jahrhunderts davon ausgehen konnte, dass die Benutzer einer wissenschaftlichen Bibliothek durchgehend eine humanistische Ausbildung hatten, konnte man das Wort nach grammatikalischen Regeln bestimmen. Als erstes Ordnungswort wird das erste von keinem anderen Wort grammatisch abhängige Substantiv genommen, das Substantivum regens. Da aber nicht in allen Sachtiteln solche unabhängigen Worte vorkommen, muss man Titel in gewöhnlicher Form, Titel in Satzform und Titel in gemischter Form unterscheiden.
Erstes Ordnungswort wird das Substantivum regens, zu dem eine einfache Präposition gehören kann. [§ 187ff.]
Archäologische Zeitung > Zeitung archaeologische
Im neuen Reich > Reich neuen
De natura deorum > Natura deorum
Die weitere Ordnung regelt sich nach den übrigen wesentlichen Wörtern: die zu dem Substantivum regens gehörigen Attribute ergeben die weiteren Ordnungsworte und zwar in der im Titel gegebenen Reihenfolge unter Berücksichtigung der grammatischen Abhängigkeit
Schriften des Rheinischen Museums für Philologie > Schriften Museum Rheinischen Philologie
Wenn vorausgehende Wörter von mehreren folgenden gleichzeitig abhängen, gilt von diesen nur das erste als erstes Ordnungswort [§ 201]:
Preußens Trauer und Glanz > Trauer Preussen Glanz
laut § 202 handelt es sich dabei um:
Erfahrungsgemäß machen Appositionen und Komposita in Titeln in gewöhnlicher Form Schwierigkeiten. § 193: " Von zwei appositionell neben einander stehenden, nicht ein Kompositum bildenden Substantiven wird das zweite OW." Das erste Substantiv bezeichnet man als Bestimmungswort, das zweite als Grundwort, da das erste Substantiv das zweite näher bestimmt.
Die Substantive müssen im gleichen Kasus stehen: Eine Sammlung schweizerische Käsesorten > Kaesesorten Sammlung schweizerische
Es müssen Substantive sein: Die Zahl Zehn > Zehn Zahl. Aber: Im Jahr zehn > Jahr zehn
Die Substantive müssen unverbunden neben einander stehen: Gasthaus Sonne > Sonne Gasthaus. Aber: Gasthaus zur Sonne > Gasthaus Sonne
Wenn zu den Appositionen noch zusätzliche Attribute treten, erhält man folgende Reihenfolge der Ordnungsworte: Grundwort, appositionelles Substantiv, etwaige Attribute dieses Substantivs, etwaige Attribute des Grundwortes: Goethes Heidelberger Freundin Helene Dorothea Delph > Delph Freundin Goethe Heidelberger Helene Dorothea
Im Sinne der PI gelten als appositionelle Verhältnisse:
Komposita gelten als ein Wort [§ 194], das ist unabhängig davon, ob zwischen den Worten Bindestrich oder Leerzeichen stehen [vgl. die Regeln in RAK-WB § 203]: Fischer Taschenbücher > Fischer-Taschenbuecher. Aber: The Dublin and Edinburgh Mathematical Journal > Journal Dublin Edinburgh mathematical (ein Adjektiv gehört zum letzten Substantiv)
Kein Kompositum vorliegt vor, wenn es sich bei dem verbindenden Strich um einen Streckenstrich handelt: Strecke Köln-München > Koeln Muenchen Strecke [! nach RAK-WB: "Strecke Köln-München".
Die gleiche Regel gilt für Gegenstriche: Der Kollisionsfall Sophie-Hohenstaufen > Sophie Hohenstaufen Kollisionsfall [!nach RAK-WB: "Kollisionsfall Sophie-Hohenstaufen"].
Gemäß § 195 gelten auch als kompositionsbildend:
Bei Titeln in Satzform wird unter Übergehung des Artikels das erste Wort Ordnungswort. Für die weitere Ordnung ist die vorgegebene Reihenfolge zu nehmen.
Zu den Titeln in Satzform [§ 204] gehören folgende Titelarten:
Titel in gemischter Form [§ 206] bestehen aus einem Titelteil in gewöhnlicher Form und einem in Satzform. Beide Teile werden je nach ihren eigenen Regeln behandelt: Das Lustspiel: Was ihr wollt > Lustspiel was ihr wollt. Aber Infinitivsätze, die attributiv bei einem Substantiv stehen, werden nach den Regeln für die Titel in gewöhnlicher Form behandelt: Die Kunst, sich und Andern die Karte zu schlagen > Kunst schlagen sich andern Karte
Die Regeln zur Ansetzung von Verfassernamen sind in den §§ 78 - 170 zu finden. Im Folgenden sollen neben den Grundregeln nur einige wichtige Regeln, die von den Ansetzungsregeln der RAK-WB von 1983 abweichen, erwähnt werden.
"Derselbe Verfasser wird stets unter demselben Namen eingeordnet." [§ 78] Das gilt im Gegensatz zur anglo-amerikanischen Tradition auch für Pseudonyme: eine Verknüpfung von Pseudonym und wirklichem Namen ist verlangt.
Sincerus, Pacificus [Pseud.] s. Schleiermacher, Friedrich
Clemens, Samuel Langhorne [Wirkl. Name] s. Twain, Mark [Pseud.]
"Der Verfasser wird unter seinem urspünglichen und vollständigen Namen eingeordnet, wenn sich nicht eine andere Benennung im Gebrauche durchgesetzt hat." [§ 79] Wenn also für die heutige Gemeinsame Normdatei zur Unterscheidung der Personennamen auf alle Vornamen zurückgegriffen wird, kann man sich auf alte Verzeichnisse nach PI beziehen. Man muss nur beachten, dass deutsche Vornamen normiert wurden: Jung, Karl Gustav
Von nicht berücksichtigten Namen und Namensformen werden dann Verweisungen verlangt, wenn man die Ansetzungsform sonst nicht findet. Zu beachten ist, dass man z.B. bei bekannten Namen des Altertums das Wissen um die lateinische Form vorausgesetzt hat: Horatius ohne Verweisung von Horaz, Orazio usw.
Ordnungswort wird der persönliche Name und zwar in der gebräuchlichsten normierten Form derjenigen Sprache, in der Autor zumeist geschrieben hat. Hat der Autor einen Beinamen, wird der bekannteste hinzugefügt. [§ 91 ff.] Wie die mittelalterlichen Namen werden auch Namen der Neuzeit behandelt, die nach mittelalterlicher Form gebildet sind, also Papstnamen, Namen regierender Fürsten und Namen von Mitgliedern regierender Häuser:
Walther von der Vogelweide > Walter von der Vogelweide ( "von der " wird bei der Ordnung übergangen: das weiß man! Muss also nicht gekennzeichnet werden.)
Alexander I. Papa (geordnet wird: Alexander Papa I.)
Alexander Prinz von Hessen (geordnet wird: Alexander Hessen)
Der Familienname wird Ordnungswort [§ 107], Vornamen in normierter Form werden nachgestellt.
Bei Familiennamen, denen Präfixe vorausgehen, gilt das "Herkunftsprinzip": es wird gefragt, woher der Name stammt und nicht die Person.
Von den Präfixen (meistens Präpositionen und Artikel) werden nicht zum Namen gezogen:
Zum Namen gezogen werden:
Instruktionen für die alphabetischen Kataloge der preußischen Bibliotheken : vom 10. Mai 1899. - 2. Ausg. in der Fassung vom 10. August 1908, unveränd. Nachdr. - Wiesbaden : Harrassowitz, 1975. - X, 179 S.
Fuchs, Hermann: Kommentar zu den Instruktionen für die alphabetischen Kataloge der preußischen Bibliotheken. - 5., unveränd. Ausg. - Wiesbaden : Harrassowitz, 1973. - 302 S. - ISBN 3-447-00274-3. [Dieser Kommentar spielte eine große Rolle bei der Regelanwendung, da es sich teilweise um eine Weiterentwicklung der alten Regeln handelt.]
Rusch, Gerhard: Einführung in die Titelaufnahme. - 4., unveränd. Aufl. - München : Verl. Dokumentation, 1972. - 423, XVI S. - 2 Bände in einem mit einem Lösungsheft. - ISBN 3-7940-4118-6 [Das grundlegende Lehrbuch zu den PI mit vielen Beispielen, Aufgaben und Lösungen]