Kulturen von Arbeit und Kapital

Teil 3: Kapitaleignerkulturen

6. Asiatische Beziehungsnetzwerke

8. Indien: Familiendynastien


von Margarete Payer

mailto: payer@payer.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Margarete <1942 - >: Kulturen von Arbeit und Kapital. -- Teil 3: Kapitaleignerkulturen. -- 6. Asiatische Beziehungsnetzwerke. -- 8. Indien: Familiendynastien. -- Fassung vom 2008-11-17. -- URL: http://www.payer.de/arbeitkapital/arbeitkapital030608.htm           

Erstmals publiziert: 2005-10-11

Überarbeitungen: 2008-11-17; 2005-11-20 [Ergänzungen]

Anlass: Lehrveranstaltung an der Hochschule der Medien Stuttgart, Wintersemester 2005/06 und WS 08/09

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Republik Indien
Republic of India
भारत गणराज्य


0. Übersicht



1. Alte Familiendynastien


Seit der Unabhängigkeit (1947) hat Indien mit unterschiedlichen Methoden versucht seine Wirtschaft zu entwickeln. Jawaharlal Nehru, der erste Ministerpräsident, etablierte eine Planwirtschaft mit Fünf-Jahresplänen nach sowjetischem Muster mit einer Abschottung nach außen. 1955 verstaatlichte die Regierung das Transportwesen, die Energieunternehmen und Lebensversicherungen. Nehrus Tochter Indira Gandhi verstaatlichte u. a. die Banken (1969) und behinderte die Privatwirtschaft mit restriktiven Gesetzen, insbesondere wurde 1973 der Außenhandel und die Möglichkeit ausländischer Investitionen noch mal erschwert. Man spricht von einem bürokratischen Sozialismus. 1973 wurde ebenfalls die Nationalisierung privater Unternehmen einschließlich Versicherungswesen, Stahl- und Kohleunternehmen vorangetrieben. 1991 setzte auf Druck des IMF eine leichte Liberalisierung in der Binnenwirtschaft und dem Außenhandel ein, auch ausländische Unternehmen konnten ins Land kommen. Im Prinzip kann man sagen, dass ab den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts die indische Privatwirtschaft sich national und auch international durchzusetzen begann, obwohl sie immer noch an bürokratisches Diktat (man benötigt Lizenzen und in manchen Branchen ist die Beteiligung von Ausländern sehr eingeschränkt) gebunden ist. Auch die Politik der BJP (Bharatiya Janata Party), die nationalistische Hindupartei, die 1998 die Wahlen zum Parlament gewonnen hatte, konnte sich mit ihren Forderungen nach Einschränkungen des Außenhandels und ausländischer Investitionen nicht durchsetzen. In der Zeit der Planwirtschaft gab es praktisch keinen Wettbewerb in der Wirtschaft, weshalb man sich mit mittelmäßigen aber hochpreislichen Produkten zufrieden gab. Um die Lizenzen zu erhalten, setzte man Korruptionsgelder ein.

Inzwischen haben indische Firmen im Bereich IT, Chemie und Pharmazie weltweit wirtschaftliche Erfolge. Trotz der Bankenkrise in den USA, der Stärke der Rupie gegenüber dem Dollar und dem Zahlen von höheren Löhnen im Inland haben Indiens Offshorer im IT-Bereich im letzten Quartal 07 große Gewinne gemacht.

[vgl.: Desai, Rajiv: Indian business culture : an insider´s guide. - Oxford u.a. : Butterworth-Heinemann, 1999. - ISBN 9-810-09327-6. - S. 24 ff.] [vgl.: Halbzeit für die Regierung Manmohan Singhs : politische Dividenden der wirtschaftlichen Dynamik Indiens. - In: Neue Zürcher Zeitung. - Internat. Ausg. - 2006-12-05. - S. 6] [vgl.: Indiens Offshorer wachsen weiter zweistellig. - In: Computerwoche.de. - 2008-01-23. - http://computerwoche.de/1853481. - Zugriff am 2008-06-23]

Die jetzige Regierung plant in ihrem Fünfjahresplan (Beginn im April 2007) ein jährliches Wirtschaftswachstum von 9%, was aber nur eingehalten werden kann, wenn eine Reihe von Hemmnissen abgebaut werden können. Daher sind umfangreiche Modernisierungen geplant.

Die wichtigsten Hemmnisse liegen in der maroden Infrastruktur:

Die jetzige Regierung versucht die Infrastruktur mit Projekten in Public-Private-Partnership zu verbessern. Zusätzlich verspricht man sich von der Errichtung von Sonderwirtschaftszonen große Erfolge. Diese Vorhaben beziehen sich auf den städtischen Bereich. Im ländlichen Bereich ist so etwas nicht vorgesehen, dabei fehlen dort grundlegende Dienstleistungen (Wasser, Strom, Kanalisation, öffentlicher Transport, Bildung, Gesundheitsfürsorge, Telefonanbindung). Das betrifft 600 Millionen Menschen.

Wieweit die jetzige Finanzkrise die Vorhaben der Regierung beeinträchtigt oder beeinträchtigen wird, ist nicht abzusehen. Die indische Finanzwirtschaft ist zwar nicht betroffen, da indische Banken bei den weltweiten Spekulationen nicht mitmachen durften, aber man muss damit rechnen, dass Offshoring-Aufträge zurückgehen.

[vgl.: Milliarden für Indiens marode Infrastruktur : umfangreiche Modernisierungspläne der Regierung. - In: Neue Zürcher Zeitung. - Internat. Ausg. - 2007-03-13. - S. 13]

Es ist besonders zu betonen, dass in Indien ca. 450 der 500 wertvollsten Konzerne ganz oder teilweise im Besitz alter Familiendynastien und einiger Newcomer-Familien sind.

Von den größten alten indischen Industriedynastien (Tata, Birla, Dalmia ...) konnten zwei die Wechselbäder indischer Politik überstehen: Tata und Birla.

Indische Industriedynastien setzen immer noch auf Diversifikation, d.h. sie sind in den unterschiedlichsten Sparten (z.B. Finanz, Chemie, Mobilfunk) engagiert.


1.1. Tata


Tata [Webpräsenz: http://www.tata.com/. -- Zugriff am 2005-10-20 und 2008-10-15]

Tata ist ein 140 Jahre altes Familienunternehmen und heute das größte und älteste Industriekonglomerat Indiens. Gegründet wurde das Unternehmen von Sir Jamshedji Tata (1839 - 1904). Der jetzige Präsident ist Ratan Tata. Er übernahm das Unternehmen 1991. Sein Nachfolger soll Noel Tata werden.


Abb.: Ratan Tata (geb. 1937) (Bildquelle: Wikipedia)

Ratan Tata gilt als ungewöhnlich bescheiden. Er ist in Mumbai in eine Gujarati-sprechende Parsen-Familie hineingeboren. Seit 1962 arbeitete er an untergeordneter Stelle - zusammen mit blue-collar employees - bei Tata Steel in Jamshedpur. Er übergibt einen Großteil seiner Gewinne an philantropische Projekte.

Das ganze Unternehmen hat einen guten Ruf wegen seiner sozialen Verantwortung. So wurde z.B. der frühere jetzt pensionierte Chef von Tata Steel, Jamshed Irani, von seinem Industrieverband in eine Kommission berufen, die Gegenvorschläge zu dem Vorhaben der Politiker, Quoten für staatliche Arbeits- und Studienplätze allen unteren Kasten einzuräumen, entwickeln soll. Schon bisher können wegen der Quotenpolitik, die  seit 60 Jahren besteht,  viele Arbeits- und Studienplätze nicht besetzt werden, weil Bewerber fehlen. Laut Irani liegt der Grund in den mangelnden Bildungschancen der betroffenen Bevölkerung. So schlägt die Kommission vor, dass Unternehmen sich in dem Gebiet, in dem sie tätig sind, um die Grundschulausbildung kümmern sollen. Tata Steel selbst beschäftigt 70% Ureinwohner und Kastenlose. [vgl.: Mitgefühl lässt sich nicht verordnen : der Inder Jamshed Irani kämpft für freiwillige Verantwortung. - In: Neue Zürcher Zeitung. - Internat. Ausg. - 2007-01-08. - S. 9]

Bekannte Bildungseinrichtungen von Tata sind u.a.:


Abb.: Logo®


Abb.: Sir Jamshedji Tata (1839 - 1904), nach ihm wurde die Stadt Jamshedpur genannt.
[Bildquelle: http://www.tata.com/0_about_us/history/index.htm. -- Zugriff am 2005-10-20]

Die Tata-Gruppe hat Unternehmen u.a. in den Bereichen Metallindustrie, Automobilindustrie, Telekommunikation, Softwareindustrie, Energieversorgung, Tourismus, Nahrungsmittel. Einige Beispiele:

[vgl.: Tata-Gruppe. - In: Wikipedia. - 2008-10-09. - http://de.wikipedia.org/wiki/Tata-Gruppe . - Zugriff am 2008-10-15]

"a number of world renowned auto-component companies.

[Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Tata_Group. -- Zugriff am 2005-09-26]


1.2. Birla


Birla [Webpräsenz: http://www.adityabirla.com/. -- Zugriff am 2005-09-26 und 2008-11-17]

Die Familie Birla ist schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts unternehmerisch tätig. Ghanshyamdas Birla unterstützte aktiv Gandhi und die Unabhängigkeitsbewegung. Nach 1947 hatte die Familie gute Kontakte zu Nehru und seiner Tochter Indira Gandhi. Sein Enkel Aditya Vikram Birla war mit der Familie Indira Gandhis befreundet und hatte damit gute Kontakte zur Kongresspartei, so dass er schon lange bevor die Liberalisierung in der Wirtschaft Indiens einsetzte, Unternehmen im Ausland gründen konnte. Der jetzige Chef des Unternehmens Kumar Mangalam Birla setzt die Tradition der Familie fort.

Wichtig ist für die Birla-Familie das starke Engagement im sozialen Bereich vor allem im ländlichen Raum: man kümmert sich u.a. um Gesundheit z.B. durch den Einsatz mobiler Kliniken, um die Bildung z.B. durch die Einrichtung von Schulen und Stipendien, um Witwen und Alte, um Bewässerung ... Gegründet und unterhalten wird das Aditya Birla Centre for Community Initiatives and Rural Development.
 

"Aditya Birla Group is one of India's largest business groups. The corporate management outfit of the group is called Aditya Birla Management Corporation. The group headed by Kumarmangalam Birla (who is worth 3.5 billion US$) and runs operations in more than 15 countries like Malaysia, Australia and Canada.


Abb.: Logo©

It claims to be India's first multinational corporation."

[Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Aditya_Birla_Group. -- Zugriff am 2005-09-26]

"The Aditya Birla Group is India's first truly multinational corporation. Global in vision, rooted in Indian values, the Group is driven by a performance ethic pegged on value creation for its multiple stakeholders. A US$ 7.59 billion conglomerate, with a market capitalisation of US$ 7 billion, it is anchored by an extraordinary force of 72,000 employees belonging to over 20 different nationalities. Over 30 per cent of its revenues flow from its operations across the world. The Group's products and services offer distinctive customer solutions. Its 66 state-of-the-art manufacturing units and sectoral services span India, Thailand, Indonesia, Malaysia, Philippines, Egypt, Canada, Australia and China.

A premium conglomerate, the Aditya Birla Group is a dominant player in all of the sectors in which it operates. Such as viscose staple fibre, non-ferrous metals, cement, viscose filament yarn, branded apparel, carbon black, chemicals, fertilisers, sponge iron, insulators and financial services. It is:

  • The world no. 1 in viscose staple fibre
  • The world's largest single location palm oil produce
  • Asia's largest integrated aluminium produce
  • A globally competitive, fast-growing copper producer
  • The world's third largest producer of insulators
  • Globally, the fourth largest producer of carbon black
  • The world's eighth largest producer of cement, and the largest in a single geography
  • India's premier branded garments player
  • Among India's most energy efficient private sector fertiliser plants
  • India's second largest producer of viscose filament yarn
  • The no. 2 private sector insurance company, and the fourth largest asset management company in India

The Group has also made successful forays into the IT and BPO sectors.

Beyond business

A value-based, caring corporate citizen, the Aditya Birla Group inherently believes in the trusteeship concept of management. Part of the Group's profits are ploughed back into meaningful welfare-driven initiatives that make a qualitative difference to the lives of marginalised people. These activities are carried out under the aegis of the Aditya Birla Centre for Community Initiatives and Rural Development, which is spearheaded by Mrs. Rajashree Birla. "

[Quelle: http://www.adityabirla.com/the_group/index.htm. -- Zugriff am 2005-09-26]

"The roots of the Aditya Birla Group date back to the 19th century in the picturesque town of Pilani, set amidst the Rajasthan desert. It was here that Seth Shiv Narayan Birla started trading in cotton, laying the foundation for the House of Birlas.

Through India's arduous times of the 1850s, the Birla business expanded rapidly. In the early part of the 20th century, our Group's founding father, Ghanshyamdas Birla, set up industries in critical sectors such as textiles and fibre, aluminium, cement and chemicals. As a close confidante of Mahatma Gandhi, he played an active role in the Indian freedom struggle. He represented India at the first and second round-table conference in London, along with Gandhiji. It was at "Birla House" in Delhi that the luminaries of the Indian freedom struggle often met to plot the downfall of the British Raj.

Ghanshyamdas Birla found no contradiction in pursuing business goals with the dedication of a saint, emerging as one of the foremost industrialists of pre-independence India. The principles by which he lived were soaked up by his grandson, Aditya Vikram Birla, our Group's legendary leader.

Aditya Vikram Birla: putting India on the world map


Abb.: Aditya Birla

A formidable force in Indian industry, Mr. Aditya Birla [1943 - 1995] dared to dream of setting up a global business empire at the age of 24. He was the first to put Indian business on the world map, as far back as 1969, long before globalisation became a buzzword in India.

In the then vibrant and free market South East Asian countries, he ventured to set up world-class production bases. He had foreseen the winds of change and staked the future of his business on a competitive, free market driven economy order. He put Indian business on the globe, 22 years before economic liberalisation was formally introduced by the former Prime Minister, Mr. Narasimha Rao and the former Union Finance Minister, Dr. Manmohan Singh. He set up 19 companies outside India, in Thailand, Malaysia, Indonesia, the Philippines and Egypt.

Interestingly, for Mr. Aditya Birla, globalisation meant more than just geographic reach. He believed that a business could be global even whilst being based in India. Therefore, back in his home-territory, he drove single-mindedly to put together the building blocks to make our Indian business a global force.

Under his stewardship, his companies rose to be the world's largest producer of viscose staple fibre, the largest refiner of palm oil, the third largest producer of insulators and the sixth largest producer of carbon black. In India, they attained the status of the largest single producer of viscose filament yarn, apart from being a producer of cement, grey cement and rayon grade pulp. The Group is also the largest producer of aluminium in the private sector, the lowest first cost producers in the world and the only producer of linen in the textile industry in India.

At the time of his untimely demise, the Group's revenues crossed Rs.15,000 crore globally, with assets of over Rs.16,000 crore, comprising of 55 benchmark quality plants, an employee strength of 75,000 and a shareholder community of 600,000.

Most importantly, his companies earned respect and admiration of the people, as one of India's finest business houses, and the first Indian International Group globally. Through this outstanding record of enterprise, he helped create enormous wealth for the nation, and respect for Indian entrepreneurship in South East Asia. In his time, his success was unmatched by any other industrialist in India.

That India attains respectable rank among the developed nations, was a dream he forever cherished. He was proud of India and took equal pride in being an Indian.

Under the leadership of our Chairman, Mr. Kumar Mangalam Birla, the Group has sustained and established a leadership position in its key businesses through continuous value-creation. Spearheaded by Grasim, Hindalco, Indian Rayon, Indo Gulf Fertilisers and companies in Thailand, Malaysia, Indonesia, the Philippines and Egypt, the Aditya Birla Group is a leader in a swathe of products — viscose staple fibre, aluminium, cement, copper, carbon black, palm oil, insulators, garments. And with successful forays into financial services, telecom, software and BPO, the Group is today one of Asia's most diversified business groups.

Vist our special section that traces the life of Mr. Aditya Vikram Birla. [sehenswert!]

[Quelle: http://www.adityabirla.com/the_group/heritage.htm. -- Zugriff am 2005-09-26 und 2008-11-17]


2. Newcomer


2.1. Lakshmi N. Mittal (1950 - )


Als Beispiel für Newcomer diene die Stahldynastie Mittal [Webpräsenz: http://www.arcelormittal.com/. -- Zugriff am 2008-11-03]:

Lakshmi N. Mittal
 


Abb.: Lakshmi N. Mittal (1950 - )

[Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Lakshmi_Mittal. -- Zugriff am 2005-09-29]

Lakshmi Narayan Mittal (oder Lakshmi Niwas Mittal) stammt aus einer Marwari-Familie, die 1960 nach Kolkata gezogen ist. Dort kaufte der Vater eine kleine Stahlschmelze. Der Sohn machte seinen Bachelor of Commerce und beteiligte sich früh am väterlichen Werk. 1976 kaufte die Familie ein heruntergekommenes Stahlwerk in Indonesien, das von Lakshmi Mittal saniert wurde. Mit dem Kauf der Iron & Steel Company of Trinidad & Tobago machte er sich selbständig. Im weiteren Verlauf kaufte Mittal eine Reihe weiterer Stahlwerke, die im allgemeinen billig zu haben waren, und die er dann resolut sanierte. Insbesondere nutzte er den politischen Umschwung in den Transformationsländern (z.B. in Polen und Kasachstan). Mittal hatte erkannt, wie stark der Bedarf nach Stahl in den aufsteigenden Entwicklungsländer wie z.B. China ansteigen wird.

Seine Werke sind über die ganze Welt verstreut: u.a. in Mexiko, Deutschland (Erwerbung der Hamburger Stahlwerke 1995), China, Kanada, USA, Indien. Der bisher größte Zukauf war bisher der europäische Stahlgigant Arcelor im Jahr 2006, eine sogenannte feindliche Übernahme. Seit dieser Zeit firmiert die Mittalgruppe unter ArcelorMittal.

In 2008 ist ArcelorMittal der größte Stahlproduzent der Welt mit über 320.000 Angestellten in mehr als 60 Ländern. Regiert wird der Konzern von einem Board of Directors (12 unabhängige Direktoren in internationaler Zusammensetzung), dem Lakshmi Mittal vorsteht. Mittal hat ein ausgeklügeltes Controlling eingeführt, das erlaubt, dass jederzeit festgestellt werden kann, in welchem Werk z.B. Probleme auftauchen. Mittal soll ein sehr fordernder Konzernherr sein, der enormen Druck auf seine Angestellten ausübt. Inzwischen haben auch sein Sohn und seine Tochter wichtige Posten in den Entscheidungsgremien erhalten, so dass man zu Recht von einem Familienunternehmen sprechen kann.

Mittal ist einer der reichsten Männer in der Welt, er lebt in Kensington in London in einem der teuersten Häuser Londons, das er mit Marmor ausgekleidet hat. Für die Hochzeitsfeier seiner Tochter soll er 55 Millionen Dollar ausgegeben haben.

2002 war er in einen politischen Skandal verwickelt ("Mittalgate"), indem er der Labour Party eine große Spende zukommen ließ, damit  Prime Minister Tony Blair  zu Gunsten Mittals in Rumänien intervenierte.

[vgl.: Werres, Thomas: Heavy Mittal. - In: Managermagazin. - 2006. 5. - S. 80 - 89]

Da der Konzern sich auch im Rohstoff- und Ölgeschäft und in Hedge-Fonds beteiligt, gilt Lakshmi Mittal als der größte Verlierer in der derzeitigen Finanzkrise (sein Verlust wird auf 30 Milliarden Euro geschätzt). Der Konzern hat inzwischen Einsparmaßnahmen angekündigt (Angestellte entlassen, Energie sparen, u.a.)

[vgl.: Heilmann, Dirk: Der größte Verlierer Lakshmi Mittal. - In: Handelsblatt. - 2008-10-27. - URL: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/management/  . - Zugriff am 2008-11-03]


2.2. Azim Premji (1945 - )


Als Beispiel für Indiens IT-Blüte.


Abb.: Azim Premji (1945 - )
[Bildvorlage: http://www.beiersdorff.de/images/wipro/AHP1.JPG. -- Zugriff am 2005-10-20]

Azim Premji, einer der zur Zeit reichsten Inder, musste mit 21 Jahren sein Studium (Electrical Engineering) in Stanford unterbrechen und das Unternehmen seines plötzlich verstorbenen Vaters M. H. Hasham Premji übernehmen. Es handelte sich um ein Pflanzenölunternehmen, das sich unter Azims Regie zu einem Unternehmen für Verbrauchswarengüter entwickelte. Als 1977 IBM von der indischen Regierung gezwungen wurde, seine Niederlassung in Indien aufzuheben, stieg Azim Premji in das Geschäft mit Computerhardware ein, indem er eigene Computer entwickelte. Azim erkannte schnell, dass man zur Hardware auch die nötige Software liefern sollte. Die Firma spezialisierte sich bald auf IT-Produkte und -dienste, bekannt unter dem Firmennamen Wipro (aus: Western India Vegetable Products).

Azim Premji ist schiitischer Muslim (sein Vater hatte die Einladung Jinnahs nach Pakistan zu kommen abgelehnt und ist in Mumbai geblieben). Premji wird als persönlich sehr bescheiden geschildert, er fährt ein Mittelklasseauto, bevorzugt bei Bahnfahrten die 2. Klasse und übernachtet möglichst in guest houses seines Unternehmens und nicht in teuren Hotels. Wie in anderen alten Unternehmerfamilien üblich (sein Großvater war schon Unternehmer : Reishändler in Burma), engagiert er sich stark sozial. Seine Azim Premji Foundation kümmert sich in erster Linie um die Grundschulerziehung vor allem im ländlichen Bereich und ist wohl die größte Stiftung in Indien (mit etwa 1500 Vollzeitkräften), die sich um Grundschulbildung bemüht. Man erreicht etwa zweieinhalb Millionen Kinder in 14 Bundesstaaten. "Premji: Reiche Menschen sollten einen [!] viel höheres Verständnis für die Verantwortung haben, die mit ihrem Vermögen einher geht. `Wohlstand bringt Verantwortung mit sich´. Zeit online: Wie sind Sie selber damit klar gekommen, dass Sie zu den reichsten Menschen Indiens und der Welt gehören? Premji: Die Werte, mit denen man aufwächst, helfen. Eine bestimmte Empfindlichkeit für seine Umgebung. Ein Sinn für Verantwortung, die man früh in seinem Leben erwirbt, und ein Glaube an die Verantwortung für solchen Wohlstand. ... Premji: Man muss auch sagen, dass viele religiöse Menschen zu viel ihrer Ressourcen für den Bau von Tempeln abzweigen. Ich finde ja nicht, dass sie keine Tempel bauen sollten, aber das hat lange Zeit einen zu großen Anteil ihrer wohltätigen Tätigkeiten ausgemacht. Das sollten diese Leute ändern." [Premji, Azim; Interview: Fischermann, Thomas: Keine Ahnung, wie reich ich bin! : Nicht nur in Monaco, auch in Indien wohnen Superreiche. Der Software-Milliardär Azim Premji hält nicht viel von den Neureichen in seinem Land. - 2008. - In: Zeit online. - 2008-09-04. - URL: http://images.zeit.de/text/online/2008/36/interview-premji. - Zugriff am 2008-11-13]

Für Wipro stehen die Werte Human Values, Integrity, Innovative Solutions und Values for Money. Das Unternehmen weigert sich Korruptionsgelder zu bezahlen, so hat der Chef bis zu 20 Monaten gewartet, bis er eine bestimmte Erlaubnis bekam, weil er integer bleiben wollte.

Azim Premji sieht den weltweiten Erfolg in der IT-Welt als Erfolg für Indien: " Though TI is on its way to become the largest export earner for India, I think its contribution is more fundamental. It has transformed our international image from being a land of `snake charmers´ to a land of leaders in Information Technology. Our IT engineers have earned this respect not only in the US, which was the first to spot Indian talent, but in many other countries as well who have opened their doors wide to them. Many successful entrepreneurs in IT all over the world are Indians. This is also an historic opportunity for India to reclaim its earlier glory. In an age where the power of the mind offers a phenomenal new global competitive advantage, we are poised like never before to lead the way."

[Azim Hasham Premji : the man who owns too much. [2002?] - In: Virtualbangalore. com. - URL: http://www.virtualbangalore.com/Ppl/PplPremji.php . - Zugriff am 2008-11-13]

"Azim Premji Foundation

Azim Premji Foundation says it "aims at making a tangible impact on identified social issues by working in active partnership with the Government and other related sections of the society". The Foundation was set up with financial resources contributed by Azim Premji. It "believes that education is the vital element in the development and progress of our nation."

Programmes of the Azim Premji Foundation focus on "creating effective and scalable models that significantly improve the quality of learning in the school and ensure satisfactory ownership by the community in the management of the school". Azim Premji Foundation says it "dedicates itself to the cause of Universalization of Elementary Education in India."

Learning Curve is a newsletter from the Azim Premji Foundation. The aim behind this Foundation's involvement in schools isn't merely to promote IT-education, but rather to improve the quality of education, often in rural schools.

Citing a recent technology initiative, the Foundation reported: "Think of a single PC with three display terminals, three keyboards and three 'mouses', which can be simultaneously used as if they are three independent computers." This innovative idea from the Azim Premji Foundation is being deployed in the computer aided learnign centre at the Byatarayanapura Higher Primary School in Bangalore South District and in another school. Cost of installation is lower; with a single CPU (central processing unit), the maintainence cost is less. Total cost of ownership -- including power consumption, UPS capacity and battery backup -- is reported as "substantially lower".

Five new titles of educational CDs for Indian schools have also been produced earlier in 2005. They are: Friendly Animals and Journey on the Clouds (English), Swatantra Divas, Fun with Chinchoo in Mathematics and Khel-Mel (Hindi), released in February 2005. This makes the total number of master titles available at 70. There are now 68 titels in Karnataka, 42 for Andhra, 35 for Tamil Nadu and Pondicherry, 18 for Urdu medium schools, six for Orissa, 14 for Gujarat, three for Punjab and one for Kerala.

This Foundation also is involved in computer-based assessment in Andhra Pradesh (50,000 students took part in early 2005); a learning guarantee programme; and a policy planning unit in Karnataka."

[Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Azim_Premji. -- Zugriff am 2005-10-20]

"Wipro Technologies


Abb.: Logo®

Type Public (NYSE: WIT)
Founded
1945
Location
Bangalore  [ಬೆಂಗಳೂರು], India
Key people
Azim Premji, Chairman and Managing Director
Sheela Raj, Vice Chairman and President
Industry Computer Services
Products Computer hardware
Revenue
$1.2 billion USD (2004)
Employees ~29,500 (2004)
Website www.wipro.com [Zugriff am 2005-10-20]

Wipro Technologies, the Global IT Services division of Wipro Limited NYSE: WIT (incorporated 1946, in operation since 1945) is an India-based global IT services, IT solutions and technology services major. It is headquartered in Bangalore, India and is listed on the Bombay Stock Exchange, National Stock Exchange of India and the New York Stock Exchange. As of 2004, it was the 4th largest company in the world in terms of market capitalization in IT services.

With over 44,000 employees and revenues in the excess of US $ 1.2 billion it makes Wipro one of India's major Information Technology companies. Wipro has 54 dedicated development centers across India, Europe and United States, and also has 30 offices in North America, Europe and Asia Pacific.

Azim Premji, Chairman and Managing Director of Wipro is said to have been responsible for expanding and diversifying this company from an FMCG company which made Vanaspati Oil, soaps and other consumer products into a IT services company it is today.

Wipro, along with other Indian IT Services Companys like Infosys and TCS, are spearheading India's booming Business Processing Outsourcing (BPO) sector.

Wipro Limited achieved a PCMM Level 5 and SEI CMM Level 5 certification as an IT Services Company in 1995.

Offices and facilities

Wipro is headquartered in Bangalore  [ಬೆಂಗಳೂರು], India, in a campus spread across 464,000 square feet (43,000 m²). Wipro has 54 dedicated development centers across India, Europe and United States, and also has 30 offices in North America, Europe and Asia Pacific. Wipro's centres in India are spread across Hyderabad [హైదరాబాద; حیدراباد], Bangalore [ಬೆಂಗಳೂರು], Calcutta [কলকাতা], Chennai [ெசன்னை], Gurgaon, Mumbai [मुंबई], New Delhi [नई दिल्ली] and Pune [पुणे].

History

Wipro was set up in the backdrop of the small town of Amalner in Maharashtra in 1945. Primarily an oil factory, the chief products were Sunflower Vanaspati and 787 laundry soap (a by-product of the Vanaspati operations). The company was called Western India Products Limited, with a modest presence in Maharashtra and Madhya Pradesh.

In the 1970s Wipro embarked on an ambitious phase of expansion and diversification.

It was in the early eighties that Wipro made its foray into the Infotech arena. An energetic, committed team of professional R & D and marketing managers came together in Bangalore in 1980. With this began the Wipro Infotech story. In a small lab at the Indian Institute of Science (IISc), the team developed the first Indian 8086 chip.

Wipro has transcended from being a service provider to being a consultant, guide and trusted partner.

Timeline

Wipro Limited was incorporated in 1945 and commenced its operations in 1946. Significant milestones are:

  • 1947: An oil mill and hydrogenated cooking medium plant set up.
  • 1975: Wipro Fluid Power set up to manufacture hydraulic and pneumatic cylinders.
  • 1980: Information technology services for domestic market started.
  • 1983: Software products subsidiary -Wipro Systems Ltd. - established.
  • 1985: Toilet soaps manufacture begins.
  • 1989: Joint venture with GE of US for medical systems, Wipro GE Medical Systems Ltd.
  • 1990: Product software business discontinued; software services begin.
  • 1992: Lighting business established.
  • 1994: Merger of subsidiaries Wipro Technologies Ltd. and Wipro Systems Ltd. with Wipro Ltd.
  • 1998: Relaunch of Wipro identity with Rainbow Flower and positioning statement, "Applying Thought".
  • 1999: Software business reaches SEI certification.
  • 1999: Wipro Net set up by restructuring Wipro Ltd.'s communication services business to address the Internet market.
  • 2000: Listing of Wipro Ltd.'s ADRs on New York Stock Exchange.

[Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Wipro. -- Zuriff am 2005-10-20]

Eine der neuesten Initiativen von Wipro ist das "Green IT program". Die Umwelt soll geschont werden, indem man Energie einspart, z.B. Einsparen von Benzin durch Einführung von virtuellen Arbeitsplätzen bzw. das Abholzen von Wäldern vermeidet, indem man entsprechende Vorschläge für Büros entwickelt.

Für den deutschen Markt werden folgende IT-Dienstleistungen angeboten:

Der Schwerpunkt liegt auf Technologieinfrastrukturleistungen. 25% sind SAP-spezifische Anwendungen. Je nach Aufgabenstellung werden die Dienstleistungen in den Standorten München und Kiel, Bukarest oder in Indien erbracht. Besonderer Wert wird auf gute Kommunikation gelegt, dazu hat man eigene Prozesse entwickelt, so beinhaltet der erste Prozess den Wissenserwerb, d.h. das Kundenbriefing wird dokumentiert und von beiden Seiten mit Unterschrift bestätigt.

[vgl.:  Nijenhuis, Kees ten; Interview: Brunner, Stefan: Die Kunden sind global aktiv - so wie wir auch. - In: Sourcing_Asia. - 1/2. 2008. - S. 20]


 

3. Indien wirbt um die Auslandsinder


Vergleicht man Auslandschinesen mit Auslandsindern, kann man feststellen, dass bei Auslandschinesen sich die Verbindung zur alten Heimat, wenn irgend möglich, durch Geldtransfer nach China auszeichnet. Auslandsinder, die in vielen Staaten der Welt inzwischen zu Wohlstand gekommen sind, sich aber in ihren Sitten und ihrer Religion meist sehr stark nach den Gepflogenheiten der alten Heimat richten (man heiratet z.B. gern einen Partner direkt aus Indien), sind wesentlich weniger an Investitionen in der alten Heimat interessiert. Die indische Regierung versucht deshalb bei den Auslandsindern um Investitionen zu werben, indem sie die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft allerdings ohne Wahlrecht anbietet. Das Angebot gilt aber nur für Inder in Commonwealth-Ländern und den USA. Dort haben Inder oft die Staatsbürgerschaft des neuen Landes übernommen. Diejenigen, die in den arabischen Staaten als Hausangestellte usw. arbeiten, haben indische Staatsbürgerschaft und schicken das mühsam verdiente Geld sowieso ihren Angehörigen in Indien.

Dieses Werben um das Geld der Auslandsinder ist verbunden mit Bestrebungen der nationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP), die die Angst um den kulturellen Selbstverlust bei Auslandsindern ausnutzt, um "Hindu-Politik" durchzusetzen:

"Schöne Geldgrüße aus dem Ausland

Indien hofiert seine ausgewanderten Bürger in der Hoffnung auf mehr finanzielle Unterstützung aus Übersee. Die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft soll nur für Inder in reichen Ländern gelten. Dort haben es viele zu Wohlstand gebracht

von BERNARD IMHASLY

Premierminister und Parlamentarier, Akademiker und Astronauten, Lords aus dem britischen Oberhaus und Millionäre aus Fidschi, amerikanische Filmemacher und Schriftsteller gaben sich in den letzten Tagen in Delhi ein Stelldichein. Was sie verband, war, dass sie aus aller Welt angereist kamen, außer aus Indien, dem Land, aus dem sie alle stammen. Sie vertraten die rund zwanzig Millionen Auslandsinder, die ihr Land in den letzten Jahrhunderten verlassen haben, als Emigranten oder Vertriebene, als Arbeitssklaven und Glücksritter, mit Karriereabsichten oder auf der Flucht vor Armut und Hunger.

Zum ersten Mal hatte das Außenministerium eine Zusammenkunft der Non-Resident Indians (NRI) und Persons of Indian Origin (PIO) organisiert, weil es sich des wachsenden Gewichts bewusst ist, das eine politisch einflussreiche und wirtschaftlich potente Diaspora in einer globalisierten Welt spielt. Sie machen nur zwei Prozent der Milliardenbevölkerung ihres Mutterlandes aus, doch ihre Wirtschaftskraft, die auf 160 Milliarden Dollar geschätzt wird, erreicht über dreißig Prozent des nationalen Wirtschaftsprodukts Indiens.

Zwar gibt es immer noch arme PIOs, etwa in den ehemaligen britischen Kolonien der Karibik, wo indische Vertragsarbeiter im 19. Jahrhundert auf Plantagen angesiedelt wurden, nachdem das Parlament in London den Sklavenhandel aus Afrika abgeschafft hatte. Doch die große Mehrheit der Emigranten hat es zu Wohlstand gebracht. Die Sikhs in British Columbia waren vor hundert Jahren als Holzfäller angeheuert worden, heute residiert einer ihrer Nachfahren als Minister für Naturschätze in Ottawa. Noch erfolgreicher waren die vielen tausend Studenten, die mit Stipendien in die USA gelockt wurden und sich dort als Ingenieure, Ärzte und Manager niedergelassen haben. Die US-Inder weisen heute das höchste Pro-Kopf-Einkommen aller ethnischen Gemeinschaften aus, zweimal so hoch wie jenes der europastämmigen Mehrheit. Die Nachfahren der Patel-Bauernkaste aus Gujerat etwa beherrschen heute rund die Hälfte aller Motels entlang der amerikanischen Fernstraßen, was diesen den Namen "Potels" eingetragen hat. Im letzten Jahr immatrikulierten sich 67.000 Inder an amerikanischen Universitäten, zum ersten Mal mehr als Studenten aus China und Taiwan.

Bei den Heimatinvestitionen liegen die Auslandsinder allerdings weit hinter jenen der Auslandschinesen. Die indische Regierung möchte mit der stärkeren Anbindung der Diaspora mindestens einen Bruchteil der 22 Milliarden Dollar mobilisieren, die Chinesen im Exil jährlich in Richtung Beijing zurückfließen lassen. Es gibt inzwischen eine Reihe von rechtlichen Lockmitteln, die NRI-Investitionen den Weg ebnen sollen. Beim Auslandsinder-Kongress kündigte Premierminister A. B. Vajpayee zudem an, dass Personen indischen Ursprungs in Zukunft die Doppelstaatsbürgerschaft eingeräumt werden soll. Die nationalistische BJP verfolgt damit auch parteiideologische Ziele. Sie hat in den großen Exilländern USA und Großbritannien mit Erfolg die latente Angst vor dem kulturellen Selbstverlust geschürt, den viele Hindus in der Fremde verspüren. Mit einer religiös verbrämten und oft chauvinistischen Rhetorik des nationalen Stolzes wirft die BJP den entwurzelten Auslandsindern einen emotionalen Anker aus, der sich auch finanziell auszahlt. Heute gehören amerikanische und britische "Freunde der BJP" zu den wichtigen Geldgebern der Partei. Erst kürzlich wurde publik, dass eine amerikanische NGO seit Jahren Millionen von Dollar für Hindu-Organisationen sammelt, die in den jüngsten Unruhen in Gujerat eine unrühmliche Rolle gespielt haben.

Wie so oft in Indien läuft aber auch hier die Rhetorik der Realität davon. Die Doppelstaatsbürgerschaft beschränkt sich auf indischstämmige Bürger der sechs reichsten Commonwealth-Länder plus der Vereinigten Staaten. Und sie wird nicht in die Aushändigung eines nationalen Passes münden, sondern in eine Identitätskarte, die dem Inhaber freies Wohn- und Besitzrecht, aber kein Wahlrecht einräumt. Dies ließ beim Diaspora-Kongress ein deutliches Unbehagen zurück, vor allem unter den Delegierten aus Afrika und dem Mittleren Osten, die sich als "arme Verwandte" der reichen Onkel aus den westlichen Industriestaaten fühlen. Dabei kommt der weitaus größte Kapitalfluss nicht von den mehreren tausend indischen Softwareunternehmern aus dem Silicon Valley, sondern von den Köchen, Krankenschwestern und Buchhaltern, die in den arabischen Staaten ihr Geld verdienen. Während diese mit ihren Postschecküberweisungen ihre Familien zu Hause ernähren, halten sich potenzielle Investoren zurück, wenn sich das Heimweh nicht mit dem nüchternen Gewinnkalkül in Deckung bringen lässt.

Anders als China hat Indien seine diesbezüglichen Rahmenbedingungen kaum attraktiver gemacht. Während die Regierung im Kongresspalast in Delhi ihre Auswanderer hofierte, drängten sich nur einige Kilometer weiter, vor den Botschaften der klassischen Einwandererländer USA, Kanada und Australien, hunderte von Indern in der Hoffnung auf eine Einreise- und Arbeitsbewilligung. Mehrere hunderttausend verlassen jährlich ihre Heimat, weil sie im Ausland bessere Chancen sehen, auf einen grünen Zweig zu kommen. Allein in die USA emigrierten in den letzten zwei Jahren 246.000 Personen, darunter rund 60.000 Computerspezialisten.

Die Gründe für die Emigration sind dieselben, die viele Auslandsinder davon abhalten, ihr Geld - oder gar ihre Familien - wieder in der alten Heimat anzusiedeln: staatlicher Schlendrian, Korruption, Rechtsunsicherheit, eine desolate Infrastruktur. Dazu kommt, dass die BJP mit dem Auftrumpfen einer Hindu-Identität ebenjene Qualitäten untergräbt, die den Erfolg der Auslandsinder ausmachen. Dieser gründet, sagte einer der bekanntesten Auslandsinder, Nobelpreisträger Amartya Sen, beim Diaspora-Kongress in Delhi, in ihrer außerordentlichen Fähigkeit, sich in einer oft feindlichen multikulturellen Umwelt anzupassen, als Minderheit ihre Eigenart zu behalten, ohne jene der anderen in Frage zu stellen."

[Quelle: Bernard Imhasly. -- In: taz. -- ISSN 0931-9115. -- 2003-01-20]


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