Computervermittelte Kommunikation
Kapitel 2: Kommunikationsprotokolle
von Margarete Payer
mailto: payer@hdm-stuttgart.de
Zitierweise / cite as:
Payer, Margarete <1942 -- >: Computervermittelte Kommunikation. -- Kapitel
2: Kommunikationsprotokolle. -- Fassung vom 2003-10-19. -- URL: http://www.payer.de/cmc/cmcs02.htm. --
[Stichwort].
Erstmals veröffentlicht: 1995
Überarbeitungen: 1997-06-23; 1999-05-03 [Revision]; 2001-04-19
[Revision]; 2003-10-19 [Kleine Änderungen]
Anlass: Lehrveranstaltungen an der HDM (früher: HBI) Stuttgart
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Kommunikation von Tüpfli's
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Zur Inhaltsübersicht von Margarete
Payer: Computervermittelte Kommunikation.
Motto
In the beginning there was CHAOS
Then the greater gods descended and begat STANDARDS
And each begat a new STANDARD
And man worshipped the STANDARDS
and said, "Give us more, give us more".
So the gods begat more STANDARDS,
and more, and more:
And lo, there was CHAOS once more |
Encyclopedia Galactica, AD 20085
2.0. Übersicht
- 2.1. Definition
- 2.2. Arten von Protokollen
- 2.3. Standardisierungsorganisationen
- 2.3.1. ITU-T -- International Telecommunication Union
Telecommunication
- 2.3.2. ISO -- International Organization for
Standardization
- 2.3.3. IEEE -- Institute of Electrical and Electronic
Engineers
- 2.3.4. ETSI -- European Telecommunication Standard
Institute
- 2.3.5. CEN/CENELEC -- Comité Europeen de Normalisation
/ Comité Europeen de Normalisation Électrotechnique
- 2.3.6.CEPT -- European Conference of Post and
Telecommunication Administrations
2.1. Definition
Ein Protokoll ist ein Regelwerk (set of
standards), das eine fehlerarme computervermittelte Kommunikation (CMC = computer mediated
communication) auf einer der folgenden Ebenen ermöglicht:
- von Nutzer zu Nutzer (user-to-user communication): Anwendung zu
Anwendung
- von Computer zu Computer (computer-to-computer communication):
Kommunikations-Subsystem zu Kommmunikations-Subsystem
- von Computer zum Daten-Kommunikations-Netzwerk (computer- to-network
communication)
- von Netzwerk zu Netzwerk (network-to-network communication)
|
2.2. Arten von Protokollen
Standards
- proprietäre Standards, geschlossene Systeme (closed systems):
herstellereigene Standards, Standards von Firmen- bzw. Industrieverbänden
- offene Systeme (open systems interconnection): ein ideales offenes System
sollte mindestens enthalten:
- offene Publikation: d.h. kostenfreier Zugang zu den Normen
- offenes Eigentum: keine Lizenzgebühren oder dgl.
- offene Entwicklung: d.h. die Entwicklung soll nicht irgendwelchen exklusiven Gruppen
vorbehalten sein
Weil die Internetprotokolle diese Forderungen faktisch erfüllen, die ISO-Protokolle
aber nicht, haben sich die nicht-legalen Internetprotokolle faktisch gegenüber den
legalen ISO-Protokollen durchgesetzt.
Standards
- de facto Standards: Standards, die sich durch die Verbreitung und
Annahme durchgesetzt haben (z.B: Internet-Protokolle)
- de jure Standards: rechtliche Standards: von einer national oder
international zur Standard Setzung autorisierten Organisation (mit Gesetzes- oder
Verordnungs-Charakter)
2.3. Standardisierungsorganisationen
2.3.1. ITU-T -- International Telecommunication Union --
Telecommunication
Der Vorläufer der ITU-T wurde schon 1865 gegründet, um den internationalen
Telegraphenverkehr zu normieren. 1947 wurde es eine Behörde der UNO.
1956 bis Februar 1993 war der Name des heutigen ITU-T: CCITT -- Comité
Consultatif de Télegraphique et Téléphonique = Consultative Committee for International
Telegraph and Telephone
ITU-T (bis Februar 1993: CCITT) ist ein Committee der UN Organisation International
Telecommunications Union (ITU).
International Telecommunications Union (ITU) hat drei
Hauptsektoren:
- ITU-R für Radiokommunikation: teilt weltweit die
Radiofrequenzen zu
- ITU-T für Telekommunikation
- ITU-D für technische Entwicklungen
Mitglieder der ITU-T sind:
- ca. 200 Staatliche Verwaltungen und Ministerien (staatliche PTTs): sind
als einzige stimmberechtigt, alle anderen haben Beobachter- und Beraterstatus
- ca. 100 anerkannte private Betreiber (z.B: AT&T, MCI, British
Telecom)
- regionale Telekommunikationsorganisationen (z.B. europäische ETSI)
- andere interessierte Organisationen (z.B. Bankinstitute,
Fluggesellschaften)
Offiziell veröffentlicht ITU-T (CCITT) nur Empfehlungen, während ISO (s.u.) Standards
publiziert. Da ITU-T aber eine UNO-Organisation ist, sind ihre "Empfehlungen"
viel verbindlicher als ISO-"Standards". Wer international
Telekommunikationsdienste anbieten will, muss sich an ITU-T-Empfehlungen halten. Die
Übernahme von ISO-Standards unterliegt dagegen der Freiwilligkeit der Betroffenen.
Standards und Empfehlungen des ITU-T/CCITT haben die Form Buchstabe [Punkt] Zahl (z.B.
V.34). Die Buchstaben geben das Gebiet des Standards an. Für uns wichtig sind die
Gruppen:
- I: Diensteintegrierende Netze -- Integrated Services Digital Network
(ISDN)
- V: Datenkommunikation über Telephonnetze:
- V.1 ff.: Grundlagen und allgemeine Festlegungen
- V.10 ff.: Schnittstellen für Modems im Fernsprechband
- V.35 ff.: Breitbandmodems
- V.40 ff.: Fehlersicherung
- V.50 ff.: Übertragungsqualität und Unterhalt
- V.100: Verknüpfung von öffentlichen Daten- und Telefonnetzen -- V.110:
Unterstützung von Datenendeinrichtungen mit V-Schnittstellen durch ein ISD
- X: Öffentliche Datenkommunikationsnetzwerke:
- X.1 ff.: Dienste und Leistungen in Datennetzen
- X.20 ff.: Schnittstellen in Datennetzen
- X.40 ff.: Übertragung, Kennzeichengabe und Vermittlung in Datennetzen
- X.92 ff.: Netzaspekte in Datennetzen
- X.200 ff.: OSI-Modell, Dienste und Protokolle
- X.300 ff.: Zusammenarbeit von verschiedenen Netzen
- X.400 ff.: Nachrichten-Behandlungs-Systeme
- X.500 ff.: Open Systems Interconnection
Alle vier Jahre gibt CCIT/ITU-T einen Satz von Standards heraus. Jeder Jahrgang hat
eine bestimmte Farbe, deshalb spricht man z.B. von Blue Books:
- red: 1960, 1984
- blue: 1964, 1988
- white: 1968, 1992
- green: 1972
- orange: 1976
- yellow: 1980
Seit 1988 werden Standards auch außerhalb dieses Vierjahreszyklus veröffentlicht.
(Pro Jahr veröffentlicht ITU-T ca. 5000 Seiten Empfehlungen).
Weiterführende Ressourcen:
2.3.2. ISO -- International Organization for Standardization
ISO wurde 1946 gegründet und ist eine freiwillige (nicht per Staatsvertrag geregelte)
Organisation mit Sitz in Genf, deren Beschlüsse nicht den Charakter international
verbindlicher Verträge haben. Sie hat als Ziel, internationale Standards zu schaffen.
Stimmberechtigte Mitglieder sind fast alle nationalen normgebenden Institutionen der 89
beteiligten Staaten. Daneben gibt es noch andere Mitglieder mit Beobachter- und
Beraterstatus. ISO ist Mitglied der ITU-T. Im Bereich der Telekommunikation ist ISO für
die Entwicklung von OSI verantwortlich.
Mitglieder von ISO sind z.B.:
- ANSI -- American National Standards Institute: [Webpräsenz: http://www.ansi.org. -- Zugriff am
2001-04-19]. ANSI ist
die Standardisierungsorganisation der USA (entspricht dem deutschen DIN). ANSI entwirft
die Standards nicht selbst, sondern publiziert und verbreitet Standardentwürfe und
Standards. Ein für Bibliotheken wichtiger ANSI Standard ist Z39.50 "Information
Retrieval Service Definition and Protocol Specification for Library Applications
Standard".
- BSI -- British Standard Institute [Webpräsenz:
http://www.bsi-global.com/. -- Zugriff am
2001-04-19]
- DIN -- Deutsches Institut für Normung [Webpräsenz: http://www.din.de. -- Zugriff am
2001-04-19]
- SNV -- Schweizerische Normenvereinigung [Webpräsenz:
http://www.snv.ch/. -- Zugriff am
2001-04-19]
- AFNOR -- Association Francaise de Normalisation
[Webpräsenz: http://www.afnor.fr. -- Zugriff am
2001-04-19]
- NEN -- Nederlands Normallisatie-Instituut [Webpräsenz:
http://www.nen.nl . -- Zugriff am
2003-10-19]
- JISC -- Japanese Industrial Standards Committee
[Webpräsenz: http://www.jisc.org/ -- Zugriff am
2001-04-19]
Die Aktivitäten von ISO werden gegliedert in:
- TC -- Technical Commitee: z.B. TC97 behandelt Computer and
Information Processing
- SC -- Subcommittee eines Technical Commitee: z.B: TC97/SC15
behandelt Datenstrukturen und Kennsätze und wird bei der Schweizer Normenvereinigung
geführt
- WG -- Working Group eines Subcommitee: z.B. TC97/SC15/WG1
behandelt Disketten
Ein ISO Standard durchläuft eine Reihe von teils lange dauernden
Zuständen:
- WD: Working Document
- CD: Commitee Document, erstellt von einer Working Group (WG).
Bis vor kurzem als DP -- Draft Proposal bezeichnet
- DIS: Draft International Standard, hat Zustimmung des
Subcommitee (SC)
- IS: International Standard, hat Zustimmung des Council
- Wird nach Fertigstellung eines Standards eine Erweiterung geschaffen, so
erhält diese den Zusatz AMD (früher ADD)
Neben Standards gibt es noch Technical Reports (TR). Sie
kommentieren Standards, haben aber nicht Standardcharakter.
Weiterführende Ressourcen:
2.3.3. IEEE -- Institute of Electrical and Electronic Engineers
IEEE ist eine Organisation in den USA, die auch Standards für die Datenkommunikation
entwickelt. Diese Standards werden dem ANSI zur Billigung und Erhebung zum US-Standard
vorgelegt. Auch dem ISO werden die Standardentwürfe vorgelegt. Die Committees von Project
802 entwerfen vor allem Standards für den Physical und den Data Link Layer des
OSI.
Viele der IEEE 802 Standards sind auch ISO 8802 Standards (z.B. IEEE 802.3 = ISO 8802.3).
Weiterführende Ressourcen
2.3.4. ETSI -- European Telecommunication Standard Institute
Auf Betreiben der Europäischen Kommission 1988 gegründet. Mitglied sind Verwaltungen
der EU, europäische PTT's, Hersteller und Forschungsinstitute. Standards = ETS --
European Telecommunication Standards. Bisher vor allem Standards für ISDN und Mobile
Kommunikationsverfahren.
Weiterführende Ressourcen:
2.3.5. CEN/CENELEC -- Comité Europeen de Normalisation / Comité
Europeen de Normalisation Électrotechnique
Vereinigungen der europäischen Mitglieder von ISO bzw. IEC (International
Electrotechnical Committee). Offizielle europäische Standardisierungsorganisationen
im Gebiet der Informationstechnologie.
Weiterführende Ressourcen:
2.3.6. CEPT -- European Conference of Post and Telecommunication
Administrations
Vereinigung der europäischen PTTs sowie Netzwerk-Betreiber aus 43 Ländern.
Weiterführende Ressourcen:
Zum nächsten Kapitel:
Kapitel 3: OSI = Open Systems Interconnection
Model