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Ersatz von RAK-WB durch AACR2?


von Margarete Payer

(mailto: payer@hbi-stuttgart.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Margarete <1942 - >: Ersatz von RAK-WB durch AACR2?. -- Fassung vom 10. März 1996. -- URL: http://www.payer.de/einzel/ersatz.htm. -- [Stichwort].

Letzte Überarbeitung: 10. März 1996

Anlaß: Diskussion über den Ersatz von RAK-WB durch AACR2 an deutschen Bibliotheken

©opyright: Dieser Text steht der Allgemeinheit zur Verfügung. Eine Verwertung in Publikationen, die über übliche Zitate hinausgeht, bedarf der ausdrücklichen Genehmigung der Verfasserin.


In der letzten Zeit werden immer wieder Stimmen laut, die fordern, man solle die RAK durch die AACR2 ersetzen, um aus der internationalen Isolierung herauszukommen.

Da aber sicher nicht jeder mit den AACR2 entsprechend vertraut ist, sollen hier einige Punkte, die für einen Ersatz sprechen und einige dagegen aufgeführt werden. Auf die unterschiedlichen Ansetzungen möchte ich nicht eingehen, da diese schon ausführlich an anderer Stelle (z.B. in der EG RAK) diskutiert werden.

Was ist gut an den AACR2?

  1. Sämtliche Regeln für die Katalogisierung - auch von Sondermaterialien - sind in einem Werk integriert. Es fehlen allerdings Ordnungsregeln.
  2. Die Vorschriften der bibliographischen Beschreibung sind klar von Einordnungs- und Ansetzungsfragen getrennt. (Bei den RAK-WB hängt bekanntlich die Beschreibung schon von den Ansetzungsregeln ab). Insbesondere wird der Hauptsachtitel streng nach Vorlage abgeschrieben. Wie international üblich gibt es keinen zu ergänzenden Urheber.
  3. Es sind, um den verschiedensten Bibliotheken gerecht zu werden, drei Standards (levels) vorgesehen. Die Standard-RAK-WB-Aufnahme läge zwischen Level 1 und 2. Wissenschaftliche Bibliotheken der USA halten sich im allgemeinen an Level 2, machen also ausführlichere Aufnahmen als wir.
  4. Um den Bedürfnissen der einzelnen Bibliotheksbenutzern gerecht zu werden, hat der Katalogisierer große Entscheidungsfreiheit bei der einzelnen Aufnahme, was sich auf Beschreibung und Eintragungen bezieht.
  5. Fußnoten werden großzügig angewendet: alles, was von der Vorlage her nicht einem eindeutigen Element zugeordnet werden kann, darf in die Fußnoten geschrieben werden (z.B. bei Angaben, die aussehen wie Reihenangaben, aber nicht eindeutig genug sind.)

Was sind Nachteile?

  1. Punkt 4 der Vorteile erweist sich in der Praxis der Verbundkatalogisierung als Arbeitshindernis: um zu gleichen Ergebnissen zu kommen, sind die verbindlichen Rule Interpretations der LoC zu nutzen, die vierteljährlich ergänzt werden. Diese Rule Interpretations übersteigen - soweit ich das feststellen kann - in Menge und in diffizilsten Regelungen bei weitem die Festlegungen der deutschen Verbünde.
  2. Obwohl in der Einleitung zu den AACR2 darauf hingewiesen wird, daß Bibliotheken sich nicht auf Haupt- und Nebeneintragungen festlegen müssen, ist das ganze Regelwerk auch nach der (relativ minimalen) Revision von 1988 weitgehend am Kartenkatalog orientiert. (Man beachte die ausführlichen Anweisungen zu Doppelspatien!). Daß es in den USA hervorragende OPACs gibt, hängt m.E. damit zusammen, daß für den OPAC nötige Elemente über die MARC-Formate eingebracht werden.
  3. Die Eintragungsregeln entsprechen den Anforderungen aus den 60er Jahren. Während die RAK versuchen Haupt- und Nebeneintragungen möglichst formal zu regeln und vor allem in neueren Teilen bei Sondermaterialien vereinfachte Lösungen vorschreibt, gehen die AACR2 inhaltlich vor - und für alle Materialien gleich.
    1. Haupteintragungen unter Verfassern: Die Haupteintragung unter dem Verfasser entspricht im allgemeinen den RAK. Darüber hinaus erhält bei einem nicht gemeinschaftlich verfaßten Werk der Hauptverantwortliche die Haupteintragung (so auch der Hauptverantwortliche bei Dias usw.)
    2. Haupteintragungen unter Körperschaften: (Zu beachten ist, daß der Begriff der Körperschaft nicht ganz dem der RAK entspricht, auch Schiffe z.B. sind Körperschaften.) Im Gegensatz zu den RAK, in der ein Urheber nur die Haupteintragung erhalten kann, wenn bestimmte formale Bedingungen erfüllt sind, gehen die AACR2 nur inhaltlich vor: man muß untersuchen, was die Körperschaft getan hat bzw. welche Schriftengattung vorliegt. Z.B. "Werke, die das Ergebnis der kollektiven Tätigkeit einer aufführenden Gruppe als ganzer sind, wo die Verantwortung der Gruppe über die reine Aufführung, Ausführung usw. hinausgeht." (21.1B2e) Dann erhält die Körperschaft die Haupteintragung. Je nach Interpretation der Regeln können erheblich mehr Haupteintragungen unter Körperschaften als nach den RAK entstehen.
    3. Haupteintragung unter Hauptsachtitel bzw. Einheitssachtitel: Alle Werke, die die Haupteintragung nicht unter Verfasser oder Körperschaft erhalten, erhalten die Haupteintragungen entweder unter dem Hauptsachtitel oder -je nach der Interpretation des Katalogisierers - unter dem Einheitssachtitel. In den RAK gibt es (bis auf eine Alternativlösung in RAK-Musik) diese Wahl nicht mehr.

Schlußfolgerung:

  1. Ein Ersatz der RAK-WB durch die AACR2 ist m. E. nicht vertretbar, denn die wesentlich ausführlichere Beschreibung und vor allem die schwierigen Bestimmungen zu den Eintragungen sind enorm arbeitsaufwendig. Das zeigt sich vor allem auch in der Praxis in Bibliotheken der USA: die zu erreichende Quote für Originalkatalogisierer an Titelaufnahmen im Monat liegt in Stanford Green Library bei 50 Titeln im Monat (enthält Katalogisierung nach den AACR2 und Sacherschließung nach LoC), in Washington State Library 95 Titel im Monat; in Berkeley war es der Stolz eines Originalkatalogisierers, im Monat auf 100 Titel zu kommen.
  2. Eine Übernahme von Titeln, die nach AACR2 erfaßt wurden , in unsere RAK-Kataloge ist m.E. (abgesehen von mehrbändigen Werken) problemlos möglich,
    • denn mehr Information schadet nichts
    • andere Haupteintragungen schaden in einem OPAC nichts, solange alle nötigen Eintragungen gemacht sind, wovon man ausgehen kann, da die AACR2 im Prinzip mehr Eintragungen vorsehen.
  3. Das bleibende Problem sind die unterschiedlichen Ansetzungsregeln: hier ist zu überlegen, wie weit eine Angleichung oder ein automatischer Austausch möglich wäre. Am besten wäre es, wenn bei der anstehenden Neufassung der AACR2 und der Neufassung der RAK man zu gemeinsamen Entwicklungen käme. Aber das ist schon fast ein Vorgriff auf den Vortrag von Frau Münnich, die zusammen mit einer Vertreterin der LoC auf dem Bibliothekartag in Erlangen dieses Thema aufgreifen wird.

Wer wichtige Teile zur bibliographischen Beschreibung und zu den Eintragungsregeln der AACR2 in einer deutschen Arbeitsübersetzung lesen möchte, der findet eine solche in Tüpfli's Global Village Library: http://www.well.com/user/payer/publink.html#AACR2


ENDE

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