Stichwort-Skriptum zur Wissenschaftskunde Empirische Kulturwissenschaften

von Alois Payer

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Payer, Alois <1944 - >: Stichwort-Skriptum zur Wissenschaftskunde Empirische Kulturwissenschaften. -- Fassung vom 19. februar 1996. -- URL: http://www.payer.de/ekw/ekwskrip.htm. -- [Stichwort].

Letzte Überarbeitung: 19. Februar 1996

Anlaß : Lehrveranstaltung Wissenschaftskunde Religionswissenschaft / Theologie, HBI Stuttgart, WS 1995/96

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Dieses Skriptum enthält nur einige Stichworte zur Erinnerung, Einzelheiten sind den genannten weiterführenden Ressourcen zu entnehmen.


Übersicht



0. Statt einer Einleitung


Dienstbotenbuch


Dienstbotenbuch


Kinderarbeit in Österreich-Ungarn vor 100 Jahren:
Aus dem "Dienstbotenbuch infolge der Dienstbotenordnung vom 27. Juni 1895" meines Vaters, Josef Payer, geboren. 17. 1. 1884, (legaler !) Eintritt in den Dienst als Knecht bei (dem Bauern) Franz Hutter am 4. Juni 1895, also im Alter von 11 (elf) Jahren!!!

Solche Dienstbotenbücher gehören zu den Quellen empirischer Kulturwissenschaften. Hinter den dürren Zahlen verbergen sich menschliche Schicksale von Weggabe der Kinder als Knechte durch ihre Eltern, nicht vorhandener Kindheit, fehlenden Chancen einer entsprechenden Schulbildung ...


1. Begriffsbestimmung


Empirische Kulturwissenschaften (EKW) = empirische Wissenschaften von der Kultur / den Kulturen.


1.1. Kultur


Weiterführende Ressourcen:

Kulturanthropologie / [hrsg. von] René König ; Axel Schmalfuß. - Düsseldorf ; Wien : Econ, 1972. - 293 S. - (Econ Reader). - ISBN 3-430-15551-7

Nicht: Was ist Kultur?, sondern: Wie wollen wir Kultur für unsere Zwecke definieren?

Edward B. Tylor (1873):

"Kultur ist jenes komplexe Ganze, das Kenntnisse, Glaubensvorstellungen, Künste, Sitte, Recht, Gewohnheiten und jede andere Art von Fähigkeiten und Dauerbetätigung umfaßt, die der Mensch als Mitglied der Gesellschaft erwirbt."

W. E. Mühlmann (1972):

"Kultur ist die Gesamtheit der typischen Lebensformen einer Bevölkerung einschließlich der sie tragenden Geistesverfassung, insbesondere der Werteinstellungen. Die typischen Lebensformen umfassen auch die technischen Grundlagen des Daseins samt ihren materiellen Substraten (Kleidung, Obdach, Werkzeuge und Geräte usw.) und den gestalteten Naturraum als Kulturlandschaft." Sprache nicht vergessen.

C. Kluckhohn und W. H. Kelly (1945):

"Unter Kultur verstehen wir alle jene historisch geschaffenen Lebensmuster, explizit und implizit, rational, scheinbar-rational und nicht rational, die zu einer gegebenen Zeit als potentielle Steuerungen für das Verhalten von Menschen existieren." Lebensmuster = nicht nur die Theorie, wie etwas getan oder gefühlt werden sollte, sondern auch die Praxis, d.h. auch die Muster, denen verbotene und mißbilligte Verhaltensformen in ihrer Ausführung unterliegen wie auch die Muster, denen Verhaltensformen unterliegen, die in Hinblick auf gemeinsame Normen "neutral" sind.

Eine bestimmte Kultur = "ein historisch abgeleitetes System expliziter und impliziter Lebensmuster, das dazu neigt, von allen oder von besonders bezeichneten Mitgliedern einer Gruppe geteilt zu werden."

Zu Kultur gehört also z.B.:

Man kann sprechen von von Kultur

Diese Kulturen können Segmentierungen innerhalb eines größeren kulturellen Rahmens sein.


1.2. Empirische Wissenschaften



2. An EKW beteiligte Wissenschaften


2.1. amerikanische Auffassung


Weiterführende Ressourcen:

Vivelo, Frank Robert: Handbuch der Kulturanthropologie. - München : Dt. Taschenbuch Verl., 1988. - 358 S. - (dtv ; 4470). - Einheitssacht.: Cultural anthropology handbook <dt.>. - ISBN 3-12-938320-4

Yahoo: Subject Anthropology and Archaeology
http://www.yahoo.com/Social_Science/Anthropology_and_Archaeology/

In USA: EKW = Cultural Anthropology

Anthropologie (Anthropology)

  1. Physische Anthropologie (physical anthropology)
    • Menschliche Evolution (fossile Belege)
    • Menschliche Bevölkerung, Biologie, Genetik
    • Primatologie (allgemeine tierische und menschliche Verhaltenslehre)
  2. Archäologie (Archeology)
    • prähistorisch
    • historisch (bis in Gegenwart)
  3. Kulturanthropologie (Cultural Anthropology)
    1. Linguistik (Linguistic Anthropology)
      • Ursprung, Entwicklung, Natur der Sprache im allgemeinen und jeder Einzelsprache im besonderen
      • Schwerpunkt: Was ist Sprache und wie funktioniert sie als kulturelles Phänomen
    2. Ethnographie und Ethnologie (cultural anthropology im engeren Sinn = Ethnography, Ethnology)
      1. Ethnographie = Beschreibung von Kulturen
      2. Ethnologie = Vergleichen von Kulturen und auf diesen Vergleichen beruhende allgemeine Aussagen über die Menschheit

      Beinhaltet z.B.:

      • Technologie und materielle Kultur
      • Wirtschaft und Organisation der Arbeit
      • Demographie
      • Politische Organisation
      • Recht
      • Religion
      • Verwandtschaft
      • Ehe und Familie
      • Aufzucht und Sozialisation der Kinder
      • Erziehungswesen
      • Sport und Spiel
      • Ideologie
      • Werte
      • Einstellungen und Symbole
      • Kunst und Musik

2.2. Deutsche Auffassung


Ein übergreifendes Fachgebiet wie Cultural Anthropology existiert in institutionalisierter Form nicht.

Hauptgebiete, die dieses Gebiet abdecken:

  1. Humanethologie (biologische Verhaltenswissenschaft vom Menschen): Fragt u.a. nach Ursachen eines Verhaltens: physiologische Mechanismen, Auslösereize, Individualentwicklung, Selektionswert (wozu dient ein Verhalten?), stammesgeschichtlicher und geschichtlicher Werdegang. Methode des Vergleichens aufgrund von Ähnlichkeiten:
    • Homologie: Ähnlichkeit aufgrund einer gemeinsamen Stammesgeschichte (phyletische Homologie) oder einer gemeinsamen Tradition (Traditionshomologie)
    • Analogie: Ähnlichkeit ohne Verwandtschaft genetischer oder traditionaler Art, sondern z.B. aufgrund ähnlicher Funktion (-> Konvergenzforschung). Deshalb beschäftigt sich Vergleichen in Humanethologie nicht nur mit Primaten!
    • Homoiologie: Analogie, die sich auf der Grundlage einer homologen Struktur entwickelte

    Weiterführende Ressourcen

    Eibl-Eibesfeld, Irenäus: Die Biologie des menschlichen Verhaltens : Grundriß der Humanethologie. - 2., überarb. Aufl. - München ; Zürich : Piper, 1986. - 998 S. : zahlr. Ill. - ISBN 3-492-02687-7

  2. Außereuropäische Ethnologie (Völkerkunde). Teilgebiete z.B. (s.a. oben unter cultural anthropology):
    • Technologie und Ergologie

      Weiterführende Ressourcen:

      Technologie und Ergologie in der Völkerkunde / hrsg. von Walter Hirschberg und Alfred Janata ... - 2. Aufl. - Berlin : Reimer, 1980. - 321 S. ; Ill. - (Ethnologische Paperbacks). - ISBN 3-496-00123-2

      Seiler-Baldinger, Annemarie: Systematik der textilen Techniken. - Basel : Ethnologisches Seminar der Univ. und Museum für Völkerkunde, 1991. - 291 S. : zahlr. Ill. - (Basler Beiträge zur Ethnologie ; 32). - ISBN 3-85977-185-X

    • Ethnobotanik

      Weiterführende Ressourcen:

      Schultes, Richard Evans: Pflanzen der Götter : die magischen Kräfte der Rausch- und Giftgewächse / Richard Evans Schultes ; Albert Hofmann. - 2. Aufl. - Bern ; Stuttgart : Hallwag, 1987. - 191 S. : zahlr. Ill. - Einheitssacht.: Plants of the Gods <dt.>. - ISBN 3-444-10282-8

    • Ethnomedizin
    • Wirtschaftsethnologie
    • Ethnosoziologie (z.B. Lebenszyklus, Verwandtschaft, Herrschaft, Recht)
    • Religionsethnologie
    • Kunstethnologie
    • Musikethnologie

      Beispiele:

      Janata, Alfred: Musikinstrumente der Völker : Außereuropäische Musikinstrumente und Schallgeräte - Systematik und Themenbeispiele - Wien : Museum für Völkerkunde, 1975. - 320 S. ; Ill.
      [Nach der Systemetik der Musikinstrumente von E. M. von Hornbostel und C. Sachs]

      Musikinstrumente der Welt / Verf.: The Diagram Group ... Gütersloh : Prisma Verl., 1981. - 318 S. : zahlr. Ill. - Einheitssacht.: Musical instruments of the World <dt.>. - ISBN 3-570-05576-0
      [gutes Bildmaterial]

  3. Europäische Ethnologie (Volkskunde, EKW im engeren Sinn)

    Weiterführende Ressourcen:

    Grundriß der Volkskunde / hrsg. von Rolf W. Brednich. - Berlin : Reimer, 1988. - (Ethnologische Papaerpacks)
    [Übersicht über heutige Forschungsfelder in Deutschland]

    Handbuch der schweizerischen Volkskultur / hrsg. von Paul Hugger. - Zürich : Offizin, 1992. - 3 Bde. - ISBN 3-907495-36-5
    [Gibt einen sehr guten Eindruck über Gegenstände und Arbeitsweisen heutiger Volkskunde]

    Großprojekt:

    Atlas der deutschen Volkskunde. 1937-1939. - 6 Lieferungen [ohne Kommentar]
    Atlas der deutschen Volkskunde
    Neue Folge. - 1959 ff.
    [Zitiertitel: ADV, ADV-NF] [Sehr wichtig sind die Erläuterungsbände in der NF]

    Wichtigste Forschungsfelder:

  4. Zu den EKW tragen weiters bei: u.a.

3. Schwierigkeiten im Umgang mit fremden Kulturen


Weiterführende Ressourcen:

Fohrbeck, Karla: «Wir Eingeborenen» / Karla Forbeck ; Andreas Johannes Wiesand. - Reinbeck : Rowohlt, 1983. - 299 S. ; Ill. - (rororo ; 7764). - ISBN 3-499-17764-1

Probleme des Verstehens:

Probleme der Erforschung, z.B.

Beispiele:

Shostak, Marjorie: Nisa erzählt. - Reinbeck : Rowohlt, 1982. - (rororo ; 4978 : neue frau). ISBN 3-499-14978. - bes. S. 283-333. - Einheitssacht.: Nisa : the life and words of a !Kung woman <dt.>

I. Eibl-Eibesfeldt: Fotographieren mit Umlenkspiegel;

Ethnologie der Subkultur Zürichs: Informantenschutz?)


4. Klassifikation von Kulturen nach wichtigsten Techniken und Formen der Nahrungsbeschaffung


(abgewandelt nach G. Lenski)

Nebenlinien:


5. Bibliothekarisches und Dokumentarisches


5.1. Einige Suchstrategien



5.2. Institutionen


5.2.1. Sondersammelgebiete und Spezialbibliotheken


Forschungsstellen: z.B.


5.2.2. Völkerkunde- und Volkskundeinstitute


Völkerkundeinstitute an baden-württembergischen Universitäten:

Volkskundeinstitute z.B. Universität Tübingen: Ludwig-Uhland-Institut


5.2.3. Museen



ENDE