Das erste Gebot

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von Martin Luther



Verantwortlich für die Veröffentlichung: Alois Payer , mailto: payer@well.com)

Zitierweise / cite as:

Luther, Martin <1483 - 1546>: Das erste Gebot. -- Ursprünglich erschienen in:
Luther, Martin <1483 - 1546>: [Der große Katechismus] Deudsch Catechismus. - 1529. -- URL: http://www.payer.de/fremd/luther.htm

[Ich gebe hier den Text in der modernen deutschen Schreibweise angepaßter Form wieder]

Anlaß der On-line-Veröffentlichung: Lehrveranstaltung Der buddhistische Erlösungsweg, Univ. Tübingen, WS 1995/96

Copyright: Es besteht kein Copyright


Das erste Gebot

Du sollst nicht andere Götter haben. (2. Mos. 20,3. 5. Mos. 5,7)


Das ist, du sollst mich allein für deinen Gott halten. Was ist das gesagt, und wie versteht man's? Was heißt einen Gott haben oder was ist Gott? Antwort: Ein Gott heißt das, dazu man sich versehen soll alles Guten und Zuflucht haben in allen Nöten; also, daß einen Gott haben nichts anderes ist, denn ihm von Herzen trauen und glauben; wie ich oft gesagt habe, daß allein das Trauen und Glauben des Herzens beide macht, Gott und Abgott. Ist der Glaube und Vertrauen recht, so ist auch dein Gott recht; und wiederum wo das Vertrauen falsch und unrecht ist, da ist auch der rechte Gott nicht. Denn die zwei gehören zu Haufe, Glaube und Gott. Worauf du nun (sage ich) dein Herz hängst und verlässest, das ist eigentlich dein Gott.

Darum ist nun die Meinung dieses Gebots, daß es fordert rechten Glauben und Zuversicht des Herzens, welche den rechten einigen Gott treffe und an ihm allein hange. Und will so viel gesagt haben: siehe zu und lasse mich allein deinen Gott sein und suche ja keinen andern; das ist: was dir mangelt an Gutem, des versieh dich zu mir und suche es bei mir, und wo du Unglück und Not leidest, kriech und halte dich zu mir. Ich will dir genug geben und aus aller Not helfen, laß nur dein Herz an keinem andern hangen noch ruhen.

Das muß ich ein wenig grob ausstreichen, daß man's verstehe und merke an gemeinen Exempeln des Widerspiels. Es ist mancher, der meint, er habe Gott und alles genug, wenn er Geld und Gut hat, verläßt und brüstet sich darauf so steiff und sicher, daß er auf niemand etwas gibt. Siehe, dieser hat auch einen Gott, der heißt Mammon (Matth. 6,24), das ist, Geld und Gut, darauf er all sein Herz setzt, welches auch der allergewöhnlichste Abgott ist auf Erden. Wer Geld und Gut hat, der weiß sich sicher, ist fröhlich und unerschrocken, als sitze er mitten im Paradies: und wiederum, wer keins hat, der verzweifelt und verzagt, als wisse er von keinem Gott. Denn man wird ihrer gar wenig finden, die guten Mutes sind, nicht trauern noch klagen, wenn sie den Mammon nicht haben: es klebt und hängt der Natur an bis in die Grube. Also auch, wer darauf traut und trotzt, daß er große Kunst, Klugheit, Gewalt, Gunst, Freundschaft und Ehre hat, der hat auch einen Gott, aber nicht diesen rechten, einigen Gott. Das siehst du abermal dabei, wie vermessen, sicher und stolz man ist auf solche Güter, und wie verzagt, wenn sie nicht vorhanden oder entzogen werden. Darum sage ich abermal, daß die rechte Auslegung dieses Stückes sei, daß einen Gott haben heißt: etwas haben, darauf das Herz gänzlich traut.

Item, siehe was wir bisher getrieben und getan haben in der Blindheit unter dem Papsttum: Wenn jemand ein Zahn wehe tat, der fastete und feierte S. Apollonia; fürchtete er sich vor Feuersnot, so machte er S. Lorenz zum Nothelfer; fürchtete er sich vor Pestillenz, so gelobte er sich zu S. Sebastian oder Rochius, und des Greuels unzählig viel mehr, da ein jeglicher seinen Heiligen wählt, anbetet und anruft, in Nöten zu helfen. Hierher gehören auch, die es gar zu grob treiben und mit dem Teufel einen Bund machen, daß er ihnen Geld genug gebe oder zur Buhlschaft helfe, ihr Vieh bewahre, verlorenes Gut wiederschaffe etc., wie die Zauberer und Schwarzkünstler. Denn diese alle setzen ihr Herz und Vertrauen anderswo, denn auf den wahrhaftigen Gott, versehen sich kein Gutes von ihm, suchen's auch nicht bei ihm.

Also verstehst du nun leichtlich, was und wie viel dies Gebot fordert, nämlich das ganze Herz des Menschen und alle Zuversicht auf Gott allein und niemand anders. Denn Gott zu haben, kannst du wohl abnehmen, daß man ihn nicht mit Fingern ergreifen und fassen, noch in Beutel stecken oder in Kasten schließen kann. Das heißt ihn aber gefaßt, wenn ihn das Herz ergreift und an ihm hängt. Mit dem Herzen aber an ihm hängen, ist nichts anders, denn sich gänzlich auf ihn verlassen. Darum will er uns von allem andern abwenden, das außer ihm ist, und zu sich ziehen, weil er das einzige, ewige Gut ist. Als sollte er sagen: was du zuvor bei den Heiligen gesucht oder auf den Mammon und sonst vertraut hast, des versiehe dich alles zu mir und halte mich für den, der dir helfen und mit allem Guten reichlich überschütten will.

Siehe, da hast du nun, was die rechte Ehre und Gottesdienst ist, so Gott gefällt, welchen er auch gebeut bei ewigem Zorn, nämlich, daß das Herz keinen andern Trost noch Zuversicht wisse, denn zu ihm, lasse sich auch nicht davon reißen, sondern darüber wage und hintenansetze alles, was auf Erden ist. Dagegen wirst du leichtlich sehen und urteilen, wie die Welt eitel falschen Gottesdienst und Abgötterei treibt. Denn es ist nie ein Volk so ruchlos gewesen, das nicht einen Gottesdienst aufgerichtet und gehalten habe; da hat jedermann zum sonderlichen Gott aufgeworfen, dazu er sich Gutes, Hilfe und Trost versehen hat. Als nämlich: die Heiden, so ihr Datum auf Gewalt und Herrschaft stellten, warfen ihren Jupiter zum höchsten Gott auf; die andern, so nach Reichtum, Glück oder nach Lust und guten Tagen standen, Herkules, Mercurius, Venus oder andere, die schwangeren Frauen Diana oder Lucina; und so fort. Es machte sich jedermann das zum Gott, dazu ihn sein Herz trug. Also daß eigentlich, auch nach aller heiden Meinung, einen Gott haben heißt trauen und glauben. Aber daran fehlt es, daß ihr Trauen falsch und unrecht ist, denn es ist nicht auf den einigen Gott gestellt, außer welchem wahrhaftig kein Gott ist, im Himmel noch auf Erden (Jes. 44,6). Darum die Heiden eigentlich ihren eigenen erdichteten Dünkel und Traum von Gott zum Abgott machen und sich auf eitel nichts verlassen. Also ist es um alle Abgötterei getan, denn sie steht nicht allein darin, daß man ein Bild aufrichtet oder anbetet, sondern vornehmlich im Herzen, welches anderswohin gafft, Hilfe und Trost sucht bei den Kreaturen, Heiligen oder Teufeln und sich Gottes nicht annimmt, noch so viel Gutes zu ihm versieht, daß er wolle helfen, glaubt auch nicht, daß von Gott komme, was ihm Gutes widerfährt.

Darüber ist auch ein falscher Gottesdienst und die höchste Abgötterei, so wir bisher getrieben haben und noch in der Welt regiert, darauf auch alle geistlichen Stände gegründet sind, welche allein das Gewissen betrifft, das da Hilfe, Trost und Seligkeit sucht in eigenen Werken; vermißt sich, Gott den Himmel abzuzwingen, und rechnet, wie viel es gestiftet, gefastet, Messe gehalten hat etc. Verläßt sich und pocht darauf, als wolle es nichts von ihm geschenkt nehmen, sondern selbst erwerben oder überflüssig verdienen, gerade als müßte er uns zu Dienst stehen und unser Schuldner, wir aber seine Lehensherrn sein. Was ist das anders, denn aus Gott einen Götzen, ja einen Apfelgott gemacht, und sich selbst für Gott gehalten und aufgeworfen? Aber das ist ein wenig zu scharf, gehört nicht vor die jungen Schüler.

Das sei aber den Einfältigen gesagt, daß sie den Verstand dieses Gebotes wohl merken und behalten, daß man Gott allein trauen und sich eitel Gutes zu ihm versehen und von ihm gewarten soll, als der uns gibt Leib, Leben, Essen, Trinken, Nahrung, Gesundheit, Schutz, Friede und alle Notdurft zeitlicher und ewiger Güter, dazu bewhrt vor Unglück und, so etwas widerfährt, rettet und aushilft; also daß Gott (wie genug gesagt) allein der ist, von dem man alles Gute empfängt und alles Unglücks los wird. Daher auch achte ich, nennen wir Deutschen Gott eben mit dem Namen von Alters her (feiner und artiger, denn keine andere Sprache) nach dem Wörtlein gut, als der ein ewiger Quellbrunn ist, der sich mit eitel Güte übergießt, und von dem alles, was gut ist und heißt, ausfließt.

Denn ob uns gleich sonst viel Gutes von Menschen widerfährt: so heißt es doch alles von Gott empfangen, was man durch sein Befehl und Ordnung empfängt. Denn unsere Eltern und alle Obrigkeit, dazu ein jeglicher gegen seinen Nächsten, haben den Befehl, daß sie uns allerlei Gutes tun sollen, also daß wir's nicht von ihnen, sondern durch sie von Gott empfangen. Denn die Kreaturen sind nur die Hand, Röhren und Mittel, dadurch Gott alles gibt, wie er der Mutter Brüste und Milch gibt, dem Kinde zu reichen, Korn und allerlei Gewächs aus der Erde zur Nahrung; welcher Güter keine Kreatur eines selber machen kann. Derhalben soll sich kein Mensch unterstehen, etwas zu nehmen oder zu geben, es sei denn von Gott befohlen, daß man's erkenne als seine Gabe und ihm darum danke, wie dies Gebot fordert. Darum auch solche Mittel, durch die Kreaturen Gutes zu empfangen, nicht auszuschlagen sind, noch durch Vermessenheit andere Weise und Wege zu suchen, denn Gott befohlen hat. Denn das hieße nicht von Gott empfangen, sondern von sich selbst gesucht.

Darauf sehe nun ein jeglicher bei sich selbst, daß man dies Gebot vor allen Dingen groß und hoch achte und in keinen Scherz schlage. Frage und forsche dein eigenes Herz wohl, so wirst du wohl finden, ob es allein an Gott hange oder nicht. Hast du ein solches Herz, das sich eitel Gutes zu ihm versehen kann, sonderllich in Nöten und Mangel, dazu alles gehen und fahren lassen, was nicht Gott ist, so hast du den einigen rechten Gott. Wiederum, hangt es auf etwas anderes, dazu sich's mehr Gutes und Hilfe vertröstet, denn zu Gott, und nicht zu ihm läuft, sondern vor ihm flieht, wenn es ihm übel geht, so hast du einen andern Abgott.

Derhalben, auf daß man sehe, daß Gott solches nicht will in Wind geschlagen haben, sondern ernstlich darüber halten, hat er bei diesem Gebot zum ersten eine schreckliche Drohung, dernach eine schöne tröstliche Verheißung gesetzt, welche man auch wohl treiben soll und dem jungen Volk einbläuen, daß sie es zu Sinne nehmen und behalten:

Denn ich bin der Herr, dei Gott, ein starker Eiferer, der da heimsucht der Väter Missetat an den Kindern bis in's dritte und vierte Glied, die mich hassen. Und tue Barmherzigkeit an viel tausend, die mich lieb haben und meine Gebote halten

(2. Mos. 20,5.6; 5. Mos. 5,9.10)

... [es folgt eine Erläuterung dieser Drohung und Verheißung] ...

Darum laßt uns das erste Gebot wohl lernen, daß wir sehen, wie Gott keine Vermessenheit noch Vertrauen auf irgend ein anderes Ding leiden will, und nicht Höheres von uns fordert, denn eine herzliche Zuversicht alles Guten; also, daß wir richtig und stracks vor uns gehen und alle Güter, so Gott gibt, brauchen, nicht weiter denn wie ein Schuster seiner Nadel, Ahl und Draht braucht zur Arbeit und darnach hinweg legt, oder wie ein Gast der Herberge, Futter und Lager, allein zur zeitlichen Notdurft, ein jeglicher in seinem Stand nach Gottes Ordnung, und lasse nur keines seinen Herrn oder Abgott sein. Das sei genug vom ersten Gebot, welches wir mit Worten haben müssen ausstreichen, weil daran allermeist die Macht liegt, darum daß (wie zuvor gesagt), wo das Herz wohl mit Gott daran ist und dies Gebot gehalten wird, so gehen die anderen alle hernach.


Ende von Luthers Auslegung des ersten Gebots.