HBI weltweit

4. Philippinen

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Eine andere Perspektive: Die Philippinen, ein wichtiger Teil Asiens


4.1. Das International Rice Research Institute (IRRI)


4.13. Fallstudie: Agrare Intensivierungsprogramme in Mittel-Java und Probleme ihrer Realisierung (bis 1975)


von Margarete Payer


Zitierweise / cite as:

Payer, Margarete <1942 - >: HBI weltweit. -- 4. Philippinen. -- 4.13. Fallstudie: Agrare Intensivierungsprogramme in Mittel-Java und Probleme ihrer Realisierung (bis 1975). -- Fassung vom 1997-02-20. -- URL: URL: http://www.payer.de/hbiweltweit/weltw413.html. -- [Stichwort].

Letzte Überarbeitung: 1997-02-20

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Vorbemerkung: Folgende Fallstudie zur Frühgeschichte der grünen Revolution auf Java wurde hier aufgenommen, weil sie immer noch gut viele der Grundprobleme aufzeigt. Die Ursprüngliche Fassung war eine Seminarreferat im Jahr 1977.


Indonesien mußte 1974 immer noch schätzungsweise 1 Mio t oder 7% des Gesamtkonsums an Reis einführen. In ähnlichen Größenlagen schwankte seit Jahren der Reisimport: Indonesien konnte sich nicht selbst mit dem Grundnahrungsmittel Reis versorgen.

Nun kann man sich fragen, warum sich Indonesien mit Reis selbst versorgen will. Daneben, daß Nahrungsmittelselbstversorgung in Entwicklungsländern beinahe ein Statussymbol ist, kann man folgende Gründe angeben:


Eine Steigerung der agrarischen Nahrungsmittelproduktion ist grundsätzlich auf zwei Weisen möglich:

  1. Ausweitung der Anbauflächen (Extensivierung)
  2. Steigerung des Jahresertrages der Anbauflächen (Intensivierung)

Ausweitung der Anbauflächen wäre für das in den Außeninseln sehr schwach kultivierte Indonesien keine Schwierigkeit, hat aber alle Probleme der Transmigrasi. Zur Ausweitung der Anbauflächen gehörte die in Südsumatra durch die nationale Erdöl- und Erdgasgesellschaft im Aufbau befindliche, sehr kapitalintensive (5000 $ pro ha) Reisfarm in einer vorgesehenen Größe von 20.000 ha. In Java und besonders in Mitteljava ist eine Ausweitung der Anbauflächen praktisch nicht mehr möglich: in Mitteljava ist 78% der Gesamtfläche agrarisch genutzt!

Wünscht man also in Java eine Steigerung der agrarischen Produktion, bleibt nur eine Steigerung des jährlichen Ertrages pro Flächeneinheit übrig.

Warum aber will man überhaupt eine solche Steigerung auf Java? Warum nicht lieber nur Reisfarmen z. B. auf Sumatra? An rationalen Gründen könnte man vor allem eine mögliche Einkommensverbesserung der Bauern nennen, die unter bestimmten Bedingungen aus einer Ertragssteigerung resultieren könnte. Sonst könnte man u. U. noch sagen, daß die Selbstversorgung gesichert sein soll, da sie billiger ist als Fremdversorgung: die Landbewohner haben kein Geld, Nahrungsmittel einzukaufen. Doch dies müßte erst noch nachgerechnet werden. Tatsache ist, daß eine Eigenversorgung durch Ertragssteigerung von Reis je Flächeneinheit seit etwa 1950 Ziel Indonesiens war. Trotzdem lag in Indonesien der Hektar-Ertrag weit unter dem z. B. Taiwans.

Im Folgenden ist nur von Reis die Rede. Das soll aber nicht vergessen lassen, daß neben Reis auch Mais und Maniok angebaut werden.


Wie kann man den jährlichen Ertrag von Reis pro Flächeneinheit intensivieren?

Beides ist durch Fortschritte in der landwirtschaftlichen Forschung ermöglicht worden, die man hoffnungsvoll als grüne Revolution bezeichnete.


Warum braucht es aber so etwas wie die grüne Revolution? Wäre es nicht einfach möglich, z. B. den traditionellen Reis (richtiger: die Tausende von traditionellen Reissorten) besser zu bebauen, besser zu düngen, um dadurch den Ertrag zu steigern?

Eine solche Ertragssteigerung ist möglich, sie hat aber relativ enge Grenzen:

Die traditionellen Tausende von Reissorten auf Java, die man unter der Gruppenbezeichnung Indica-Reis zusammenfassen kann, haben u. a. folgende Eigenschaften:

Düngung fördert aber bei diesen Arten vor allem den Stengel- und Blattwuchs, nicht den Körnerertrag. Ja, dadurch, daß die schwachen Stengel mehr in die Höhe schießen, knickt die Ernte leichter um und der Ertrag sinkt sogar wegen der Düngung.

Weiters brauchen die in Indonesien üblichen Indica-Arten bis zur Reife 155 bis 165 Tage und sind sehr lichtabhängig: während der bewölkungsreichen Monsunzeit ist eine Ausreifung nicht möglich. Aus der Wachstumsdauer ergibt sich, daß pro Jahr und Feld theoretisch bestenfalls 2¼ Ernten möglich sind (9 Ernten in 4 Jahren), durch die Lichtabhängigkeit ist die Erntemöglichkeit noch weiter eingeschränkt. Faktisch erreicht man zwei Ernten pro Jahr.


Durch große Erfolge bei Weizen und Mais angeregt, gründeten 1960 die Ford Foundation und die Rockefeller Foundation auf den Philippinen in Los Baños bei Manila das International Rice Research Institute (IRRI).

Schon vier Jahre nach Beginn der Forschungsarbeit wurde 1966 die Sorte IR-8 freigegeben, die einen kräftigen Halm hat, und bei der hohe Stickstoffdüngung den Körnerertrag steigert, nicht das Blattwachstum. Außerdem ist diese Sorte unabhängig von der Sonnenbestrahlung; dadurch wird die Aussaat unabhängiger von der Jahreszeit. Die Reifedauer beträgt nur ca. 120 Tage, eine Einspaarung von 35 bis 45 Tagen pro Saat; deswegen sind mehr Saaten und Ernten möglich. An Nachteilen von IR-8 sind zu nennen: die sehr große Anfälligkeit gegen Krankheiten und Schädigung durch Insekten. Die Anwendung von IR-8 führte also zu folgenden Folgelasten: Düngung, chemische Bekämpfung der Krankheiten, Insektizide. Die geringere Beblattung macht außerdem eine erhöhte Unkrautbekämpfung notwendig.

Auf IR-8 folgten weitere Entwicklungen. im Winter 1974/75 gelang die Züchtung der Sorten IR-28, IR-29, IR-30, die schon eine sehr gute Resistenz gegen Krankheiden und Insektenschädigung hatten. Allerdings ist diese Resistenz so, daß Krankheiten und Schadinsekten sich durch selektive Mutation anpassen und man in kurzen Abständen neue Sorten züchten muß (in den USA mußte man die Weizensorten alle fünf Jahre wechseln). Geschmacklich boten zumindest die frühen IR-Sorten auch Probleme.

Die ertragreichen Neuzüchtungen von Getreidesorten nennt man High Yielding Varieties (HYV).


Soviel nur kurz zu den agrarbiologischen Grundlagen. Kehren wir nach Indonesien zurück, bevor wir uns den Problemen zuwenden, die sich aus der Anwendung von HYV ergeben.

In Indonesien gab es zur agrarischen Ertragssteigerung seit 1959 (also noch vor den Möglichkeiten der grünen Revolution für Reis) die sogenannten BIMAS-Programme (BMAS = Bimbingan Masal = Führung/Anleitung der Massen) und ihre Vorprogramme. Bis 1975 konnte man 5 Hauptphasen von BIMAS unterscheiden:

  1. Reisproduktionsplan 1959 bis 1962: Mit Ausnahme der Kredite liegen also alle Maßnahmen rein im agrarbiologischen Bereich

    Erfolg: Ertragssteigerungen blieben weit unter den aufgewendeten Kosten des Programms.

  2. Agricultural Extension Service der landwirtschaftlichen Hochschule Bogor (Westjava) ab 1963/64. Motto panca usaha -- fünf Anstrengungen:[Kursiv = Neuerung gegenüber vorhergehenden Programmen]
    1. bessere Bewässerungskontrolle
    2. ausgewähltes (traditionelles) Saatgut
    3. Anwendung von Dünger und Insektiziden
    4. verbesserte Bodenbearbeitung
    5. stärkere nachbarschaftliche Zusammenarbeit
    Je 50 bis 75 Bauern wurden durch einen besonders darauf vorbereiteten studentischen Berater angeleitet.

    Erfolg: Ertragsteigerungg 1964/65: 25 - 30% auf 11.000 ha Naßreis-Fläche (sawah).

  3. Dieser Agricultural Extension Service wurde zum BIMAS-Programm ausgebaut. Man wollte bis 1966/67 1,4 Mio ha auf diese Weise verbessern (das Ziel wurde auf 480.000 ha zurückgeschraubt). Alle Studenten des 3. Studienjahres aller landwirtschaftlichen Fakultäten wurden zum BIMAS-Einsatz abgeordnet. Jedem Studenten wurden nun 300 bis 350 Bauern zugeordnet (gegenüber 50 bis 75 im Vorläuferprogramm); dadurch ging der erzieherische Aspekt verloren. Den Bauern wurde keine Entscheidungsfreiheit gegeben, ob sie mitmachen wollten; sie mußten das Paket (packet-approach) abnehmen, bestehend aus 25 kg Saatgut, 150 bis 200 kg Dünger, Insektiziden und einem Vorschußkredit auf die Lebenshaltungskosten bis zur Ernte. Die Kosten für dieses Paket mußten sie im Geldwert mit 1% Zinsen je Monat zurückzahlen. Mit der Vergabe auf Kreditbasis wollte man die Bauern unter Druck setzen, sich auch anzustrengen.

    Erfolg: Illegale Verwendung der Mittel, Korruption, ausbleibende höhere Erträge hatten als einzige Folge die Verschuldung der Bauern. Nach diesem Mißerfolg verringerte man die BIMAS-Flächen.

  4. 1968/69 - 1970 folgte das BIMAS GOTONG ROYONG PROGRAMM (gotong-royong = gegenseitige Hilfeleistung [ein alter javanischer Wert]). Nun wurden die neuen HYV IR-5 und IR-8 eingesetzt. Nach den schlechten Erfahrungen mit dem vorhergehenden Program nahm man nun ausländische Firmen (Ciba, Hoechst, Mitsubishi u. a.) unter Regierungskontrakt; diese Firmen garantierten die Verteilung aller Input-Mittel, inklusive des Saatgutes. Da man die Insektenbekämpfung vom Flugzeug aus vornehmen wollte, wurden die betreffenden BIMAS-Flächen von den Behörden festgelegt (1970: 1,5 Mio ha); den betroffenen Bauern blieb keine Wahl: die Flächen mußten ja zusammenhängen, eine bestimmte Größe und Lage haben.

    Erfolg: Es gab wieder Schwierigkeiten bei der Düngemittelversorgung; die Insektenbekämpfung aus der Luft war teilweise ein Mißerfolg und hatte Nachteile für die Fischbestände der Gewäßer (Fisch, ein wichtiger Eiweißlieferant wurde so vergiftet); vor allem hatte der IR-5 Reis einen geringeren Marktpreis als die traditionellen Reissorten (u. a. wegen seines als minderwertig empfundenen Geschmacks), benötigte aber höheren Pflegeaufwand. Die Bauern waren nachhaltig verstimmt, und die Erträge blieben lokal in einigen Fällen bis zu 90% (!) unter den Erwartungen.

    Zunächst war festgelegt worden, daß die Rückzahlung der Kredite in Form von Naturallieferungen (1/6 des Ertrages) erfolgen soll; im Nachhinein wurde dann ein geschätzter Geldbetrag festgesetzt; Ergebnis: erhöhte Verschuldung der Bauern.

    Heftige Kritik und Unruhen bewirkten dann die Übernahme der Verluste durch den Staat im Mai 1970 sowie die Auflösung der Verträge mit den ausländischen Firmen.

  5. Für die Anbausaison 1970/71 errichtete man BIMAS yang disempurnakan (= vervollkomnetes BIMAS), auch BIMAS baru (= neues BIMAS) genannt. Verbreitung der neuen Reissorten IR-20 (verbesserte Resistenz gegen einige Krankheiten sowie Heuschrecken und Reisbohrer) und C-4 neben IR-5. Die Kreditpakete wurden zur Wahl angeboten (kein Zwang). Auch für den Anbau lokaler tradioneller Hochertragssorten war nun Kreditvergabe möglich (BIMAS BIASA = gewöhnliches / normales BIMAS). Zahlreiche Dorfbanken (auch mobile) und Düngerverkaufstellen wurden eingerichtet, der Ausbau des Straßen- und Wegenetzes (zu Verteilung und Absatz) wurde besonders gefördert. Eine besondere Rolle wurde den BADAN USAHA UNIT DESA (= körperschaftliche Anstrengung des Dorfverbandes; B.U.U.D., ein genoßenschaftlicher, lockerer Zusammenschluß benachbarter Dörfer) zugedacht. B.U.U.D. hatte sich seit 1971 im Distrikt Yogyakarta bewährt und sollte seit 1973 gemäß Präsidialerlass überall dort gegründet werden, wo die Voraussetzungen gegeben sind. Nach einer Übergangszeit sollte B.U.U.D. zu echten Dorfgenossenschaften (KOPERASI UNIT DESA) weiterentwickelt werden. Doch 1972/73 kam eine außergewöhnlich lange Trockenzeit; die neuen HYV-Reise sind sehr bewässerungsabhängig; folglich gab es einen großen Rückfall. 1973 gab es dann ganzjährig hohe Niederschläge; dies führte zu einem starken Schädlingsbefall; besonders die HYV hatten deswegen starke Ausfälle. In dieser Lage wurden die B.U.U.D. umfunktioniert zu Eintreibungsstellen für willkürlich festgelegte Abgabequoten von Reis für die staatliche Bevorratungsstelle BULOG (Badan Usaha Logistik) und gerieten dadurch in Mißkredit. So mußte B.U.U.D. erst wieder versuchen, Vertrauen zu gewinnen.

    Die Grundlage des B.U.U.D. Entwicklungsbverbandes ist der Begriff UNIT DESA (= Dorfverband), zu dem sich 3 bis 6 Dörfer zusammenschließen mit dem Ziel einer überdörflichen Wirtschaftseinheit. Voraussetzung dafür sind eine entsprechende Gesamtnaßreisfläche, entsprechende Bewässerungsanlagen sowie die verkehrsmäßige Erschlossenheit.Ziel ist ein über das ganze Land gezogenes Netz von landwirtschaftlichen Betriebsgenossenschaften, die letztlich alle Funktionen vereinigen:

    Der Zusammenschluß zu einem B.U.U.D. erfolgt nach Beratung und Beschlußfassung der beteiligten Gemeindeorgane unter starker Mitwirkung der Landwirtschaftsbeamten.

    Die Regierung entschied, daß vorläufig die bisherigen Intensivierungsorganisationen (BIMAS-Kreditabteilung der Volksbank, Düngemittelvertrieb, landwirtschaftlicher Beratungsdienst) noch nicht voll im B.U.U.D. zu integrieren sind. Nur die örtliche Reisaufbereitung wird von Anfang an von den Organisationen selbst übernommen. Dazu sind Trockenanlagen und Trockenplätze, Lagerräume und Reismühlen erforderlich; dies bedeutet aber hohe Investitionen. Ein weiteres Problem ist die Schulung sachkundiger Mitarbeiter.


Erfolg der Intensivierungsprogramme: Hektarertragssteigerung von 26 Doppelzentner pro Hektar Anfang der 60er Jahre auf 36 Doppelzentner pro Hektar 1972. Die HYV liegen in ihrem Ertrag unter gleichen Bedingungen ca. 10 bis 20% über den lokalen Höchsleistungssorten. Die Anbauintensität wurde aber erhöht von zwei Anbauperioden pro Jahr auf fünf Anbauperioden in zwei Jahren. Der Bedarf an Kunstdünger und Pfanzenschutzmitteln ist enorm, und mußte zum Großteil durch Importe gedeckt werden. Man begann aber mit dem Bau von zwei großen Düngemittelfabriken. Die Entwicklung neuer Düngemethoden (Lehmknöllchen) erlaubt nach ihrer Einführung ca. 40% Düngemittelersparnis bei gleichzeitig höherer Wirksamkeit. Die Verteilung von Dünger, Pflanzenschutzmitteln und Saatgut erfordert einen Ausbau des Straßennetzes. Bewässerungsanlagen müssen gebaut werden: große Staudämme, Rückhaltebecken, Verteileranlagen, Erosionsbekämpfung durch Aufforstung. So schafft die Intensivierung, wenn sie gelingt, Arbeitsplätze im sekundären sektor (chemische Industrie, Straßenbau, Bewässerungsbau, Verkehr).

Seit 1971 bemüht man sich in Java auch um Intensivierung bei Mais, Sojabohnen, Erdnüssen sowie Baumwolle.


Die Intensivierungsprogramme stellen viele Fragen:

Dies sind nur einige der Fragen, vielleicht nicht einmal die wichtigsten.


Weiterführende Ressourcen:

Burger, Gotthard: Agrare Intensivierungsprogramme in Mittel-Java und Probleme ihrer Realisierung. -- In: Geographische Rundschau. -- 27, 4 (April 1975). -- S. 151 - 168

Hauser, Jürg A. <1942- >: Die grüne Revolution : Werden, Fortschritt und Probleme. -- Zürich [u.a.] : Atlantis, 1972. -- 203 S. : Ill. -- Zugl. Zürich, Universität Habil. -- [Ausgezeichnete Arbeit; obwohl veraltet, immer noch lesenswert]


Zu Kapitel 4.2.: Zur Landeskunde der Philippinen