Internationale Kommunikationskulturen

13. Kulturelle Faktoren: "Aberglauben" und Religion

4. Zum Beispiel: Religionen in Indien
1. Teil 1: Religionen nebeneinander und miteinander
1. Hinduismus oder Hindureligionen


von Margarete Payer

mailto: payer@hdm-stuttgart.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Margarete <1942 - >: Internationale Kommunikationskulturen. -- 13. Kulturelle Faktoren: "Aberglauben" und Religion. -- 4. Zum Beispiel: Religionen in Indien. -- 1. Teil 1: Religionen nebeneinander und miteinander. -- 1. Hinduismus oder Hindureligionen. -- Fassung vom 2001-07-27. -- URL: http://www.payer.de/kommkulturen/kultur13411.htm. -- [Stichwort].

Erstmals publiziert:

Überarbeitungen:

Anlass: Lehrveranstaltung, HBI Stuttgart, 2000/2001

Unterrichtsmaterialien (gemäß § 46 (1) UrhG)

©opyright: Dieser Text steht der Allgemeinheit zur Verfügung. Eine Verwertung in Publikationen, die über übliche Zitate hinausgeht, bedarf der ausdrücklichen Genehmigung der Herausgeberin.

Dieser Text ist Teil der Abteilung Länder und Kulturen von Tüpfli's Global Village Library


0. Übersicht


 


1. Einleitung



Abb.: "Om" (©Corel)

Webportale:

Zum Hinduismus siehe auch die ausführlichen Materialien und Texte in

Tüpfli's Global Village Library -- Murr Memorial Library. -- URL: http://www.payer.de/hindlink.htm

 


Abb.: Indische Staaten und Unionsterritorien mit einem Bevölkerungsanteil von über 50% Hindus (Census 1991)

Bevölkerungsanteil der Hindus (%) (Census 1991)
Indien
82.00%
 
 
Staat / Unionsterritorium (UT)
 
Himachal Pradesh
95.90%
Dadra & Nagar Haveli (UT)
95.48%
Orissa
94.67%
Madhya Pradesh
92.80%
Gujarat
89.48%
Haryana
89.21%
Andhra Pradesh
89.14%
Rajasthan
89.08%
Tamil Nadu
88.67%
Daman And Diu (UT)
87.76%
Tripura
86.50%
Pondicherry (UT)
86.16%
Karnataka
85.45%
Delhi (UT)
83.67%
Bihar
82.42%
Uttar Pradesh
81.74%
Maharashtra
81.12%
Chandigarh (UT)
75.84%
West Bengal
74.72%
Sikkim
68.37%
Andaman & Nicobar Is. (UT)
67.53%
Assam
67.13%
Goa
64.68%
Manipur
57.67%
Kerala
57.28%
Arunachal Pradesh
37.04%
Punjab
34.46%
Meghalaya
14.67%
Nagaland
10.12%
Mizoram
5.05%
Lakshadweep (UT)
4.52%

Census of India 1991 [Quelle: http://www.censusindia.net/cendat/datatable23.html. -- Zugriff am 2001-07-20]

Größere Zweige des Hinduismus
Zweig Anhänger
Vaishnava 580 Mio.
Shaiva 220 Mio.
Neohindus, Reformhindus 22 Mio.
Vîrashaiva (Lingayat) 10 Mio.

[Zahlen sind teilweise unzuverlässig!. -- Quelle: http://www.adherents.com/adh_branches.html. -- Zugriff am 2001-06-09]


Abb.: In den Hindureligionen bilden Vorstellungen und Tabus zu Reinheit/Unreinheit eine zentrale Rolle: Zutritt zum Tempel ist in Bali für Frauen während der Menstruation verboten (Bali)


2. Die verschiedenen religiösen Loyalitäten eines Hindu


Zum Verständnis des Folgenden ist es hilfreich, sich zunächst die wichtigsten religiösen Loyalitäten eines Hindu klar zu machen.

Ein Hindu pflegt normalerweise Loyalitätsbeziehungen zu folgenden Gottheiten:

  1. zur Kuladevatâ
  2. zur Istadevatâ [Ishtadevata]
  3. zur Grâmadevatâ

 


3. Hindureligionen und Formen hinduistischer Religiosität


25. Freedom of conscience and free profession, practice and propagation of religion.

(1) Subject to public order, morality and health and to the other provisions of this Part, all persons are equally entitled to freedom of conscience and the right freely to profess, practise and propagate religion.

(2) Nothing in this article shall affect the operation of any existing law or prevent the State from making any law-

(a) regulating or restricting any economic, financial, political or other secular activity which may be associated with religious practice;

(b) providing for social welfare and reform or the throwing open of Hindu religious institutions of a public character to all classes and sections of Hindus.

Explanation I.- The wearing and carrying of kirpans shall be deemed to be included in the profession of the Sikh religion.

Explanation II.- In sub-clause (b) of clause (2), the reference to Hindus shall be construed as including a reference to persons professing the Sikh, Jaina or Buddhist religion, and the reference to Hindu religious institutions shall be construed accordingly.

The Constitution of India,  Art 25

Theologisch gesehen gibt es den Hinduismus vielleicht gar nicht, wohl aber gibt es ihn heute als Selbst- und Fremdidentifikation: zunächst einmal sind in diesem soziologischen -- und auch im rechtlichen Sinne (Verfassung, Artikel 25, Explanation II) -- Hindus alle die, die einheimischen Nichtstammesreligionen anhängen, also auch Buddhisten, (Jaina's) und Sikh's. Im engeren Sinne sind Hindus diejenigen aus dieser Gruppe, die sich nicht selbst ausdrücklich als Nicht-Hindus ausgrenzen, das sind besonders Buddhisten und heutzutage auch Sikhs.

Aus der Sicht von Dalits [Harijans, Unberührbaren] schaut eine Einteilung der Hindureligionen (Betonung auf der Mehrzahl!) so aus:

"It is hence evident that Hinduism consists of different religions. The fallacious concept of `One Hindu Religion' is entirely baseless and arises from ulterior motives desiring to suppress non-Vaishnava faiths."

[Quelle:Dom, Hadwa: Myth of One Hindu Religion Exploded. -- URL: http://dalitstan.org/books/mohr/mohr2.html. -- Zugriff am 2001-07-23]

Nach dem Indologen Axel Michaels besteht der Hinduismus aus drei Hindureligionen und vier Formen hinduistischer Religiosität. Die Formen der Religiosität können in allen Hindu-Religionen vorkommen.

Michaels, Axel <1949 - >: Der Hinduismus : Geschichte und Gegenwart. -- München : Beck, ©1998. -- ISBN 3406441033. -- S. 37. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}

Von Hindu-Religion spricht Michaels, wenn die Zugehörigkeit aufgrund sozio-religiöser Kriterien erkennbar ist. 

"Die Einteilung des Hinduismus in drei Hindu-Religionen ist eine in Indien selbst getroffene Kategorisierung. Sie entspricht den Unterteilungen ritueller Praktiken in 

Die nachfolgend beschriebenen Religiositätsformen sind hingegen oszillierende Stränge religiöser Betätigungen, nicht aber Religionen."

[Michaels, Axel <1949 - >: Der Hinduismus : Geschichte und Gegenwart. -- München : Beck, ©1998. -- ISBN 3406441033. -- S. 39. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]


4. Formen hinduistischer Religiosität


4.1. Ritualismus


"Ritualismus: häufige und teilweise aufwendige Rituale, in der Regel unter Mithilfe von Priestern. 

Neben 

zu zählen."

[Michaels, Axel <1949 - >: Der Hinduismus : Geschichte und Gegenwart. -- München : Beck, ©1998. -- ISBN 3406441033. -- S. 39. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]


4.2. Spiritualismus


"Spiritualismus: intellektualistische, mitunter atheistische Erlösungslehren, deren Hauptziel die eigene, individuelle Befreiung ist, ohne dass es dazu unbedingt fester religiöser Organisationsformen oder Rituale bedarf, wohl aber oft eines einweisenden spirituellen Lehrers (Guru). Diese Religionsform findet sich besonders ausgeprägt zum Beispiel im 

[Michaels, Axel <1949 - >: Der Hinduismus : Geschichte und Gegenwart. -- München : Beck, ©1998. -- ISBN 3406441033. -- S. 39. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]


4.3. Devotionalismus


Einen guten Eindruck von Hindu-Devotion gibt:

Atmakalyan. -- URL: http://www.atmakalyanindia.com/. -- Zugriff am 2001-07-25

"Devotionalismus: eine meist pastorale, hingebungsvolle, oft mystische Verehrung eines Gottes (und seiner Gefährtin) durch Lieder und mythologische Texte. Bei dieser nahezu von allen Kasten und vor allem von Frauen praktizierten Religionsform sind nicht so sehr Opfer, Ritualismus, Askese oder Wissen gefordert, sondern das Herz, Poesie, Musikalität oder Tanz. Priester sind für die Gottesbegegnung nicht unbedingt erforderlich. Diese Religionsform ist vornehmlich in 

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4.4. Heroismus


"Heroismus: eine polytheistische, militärischen Traditionen verhaftete Religiositätsform mit 

Als Beispiele können der 

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5. Einteilung der Hindureligionen nach Michaels


5.1. Brahmanischer Sanskrit-Hinduismus



Abb.: Om

"Brahmanischer Sanskrit-Hinduismus: 

Diese Religion steht im Vordergrund nahezu aller Abhandlungen über den Hinduismus -- aus zwei Gründen: 

  1. sie erfüllt viele übliche Definitionskriterien für «Religion»: 

  2. sie ist in vielen Regionen Indiens die dominante Religion, die nicht-brahmanische Bevölkerungsgruppen nachzuahmen trachten. 

Durch die weitgehend einheitliche Texttradition sind viele Gemeinsamkeiten in 

Keines dieser Elemente lässt sich jedoch nur aus dem brahmanischen Sanskrit-Hinduismus begreifen, denn beinahe alle Hindus, auch die Brahmanen, gehören zusätzlich einer anderen Religionsgemeinschaft an oder praktizieren Rituale und Feste mindestens einer weiteren Religion, die allein schon dadurch distinkt ist, dass sie in der Regel nicht-brahmanische Priester hat, nämlich: Volksreligionen der Regionen und sozialen Gemeinschaften (Subkaste, Kaste, Stamm)."

[Michaels, Axel <1949 - >: Der Hinduismus : Geschichte und Gegenwart. -- München : Beck, ©1998. -- ISBN 3406441033. -- S. 37f. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]


5.2. Volksreligionen der Regionen und sozialen Gemeinschaften (Subkaste, Kaste, Stamm)


"Volksreligionen der Regionen und sozialen Gemeinschaften (Subkaste, Kaste, Stamm); hinduistische Volks- bzw. Stammesreligionen:

Die Verehrungsformen gelten aus der Sicht des brahmanischen Sanskrit-Hinduismus in vielen Fällen als unrein, so dass die Volksreligionen nicht selten in einer Spannung zum brahmanischen Hinduismus stehen. Im sogenannten populären Hinduismus mischen sich meist volkstümliche Formen des brahmanischen Sanskrit-Hinduismus mit volksreligiösen Anteilen."

[Michaels, Axel <1949 - >: Der Hinduismus : Geschichte und Gegenwart. -- München : Beck, ©1998. -- ISBN 3406441033. -- S. 38. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]


5.3. Gestiftete Religionen


"Gestiftete Religionen: 

Auch 

sind solche Stifterreligionen gewesen, haben sich aber durch Kanonbildung so deutlich und vor allem so früh organisatorisch von der Autorität des Veda und den brahmanischen Priestern abgesetzt, dass sie eine Identität als eigene Religion herausbilden konnten.

Je nach Organisationsform und geographischem Wirkungsbereich können drei sich überschneidende Untergruppen festgestellt werden:


5.3.1. Sektenreligionen


zum Beispiel 


5.3.2. Synkretistische Stifterreligionen



5.3.3. Missionierende Stifterreligionen, «Guruismus»


In Indien entstandene, aber auch im Westen verbreitete, von charismatischen Personen (Gurus) begründete Religionsgruppierungen mit überwiegend englischen, esoterischen Schriften der Gurus: 


[Übersicht über die Hindureligionen nach: Michaels, Axel <1949 - >: Der Hinduismus : Geschichte und Gegenwart. -- München : Beck, ©1998. -- ISBN 3406441033. -- S. 38f. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]


6. Götter


"Die Positionen «Es gibt nur einen Gott» und «Alle Götter sind eins» sind daher in den Hindu-Religionen nicht so weit voneinander entfernt, wie man häufig meint. «Du sollst Dir kein Gottesbild machen, keinerlei Abbild» (Exodus 20,4) kann auch zu dem Schluss führen: Du sollst Dir nicht nur ein einziges Gottesbild machen. ... 

Die Folgen dieses Gottesbegriffs sind in der Volksreligiosität auf Schritt und Tritt spürbar. Fragt man etwa .. in Nepal einen Newar, ob er Hindu oder Buddhist sei, kann es einem passieren, dass er schlicht mit «Ja! » antwortet. Sich auf eine Richtung, auf einen Gott festlegen zu lassen, wäre für ihn eine kleinliche Perspektive des Göttlichen: Er kann Buddha und Siva verehren, ohne in einen Glaubenskonflikt zu geraten. Man verdirbt es sich ungern mit den Göttern, zur Sicherheit verehrt man lieber mehrere. Viele Pilger, die bei Festen einen Tempel aufsuchen, streuen ihre Gaben -- Blumen, Reiskörner, Zinnoberpuder oder Münzen -- auf alle Heiligtümer rundherum. Da kann auch schon mal ein Hydrant etwas abbekommen, nur weil dieser die phallische Form eines Linga hat.

Dieser oszillierende und poröse Äquitheismus zeigt sich in allen Richtungen der Hindu-Religionen."

[Michaels, Axel <1949 - >: Der Hinduismus : Geschichte und Gegenwart. -- München : Beck, ©1998. -- ISBN 3406441033. -- S. 233. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

Webportal:

"Da ein Gott ... nicht absolut gesetzt wird, kann es nur eine relative Hierarchie im Pantheon geben. Es wiederholt sich hier, was auch für die soziale Hierarchie gilt: Nicht Hierarchie, sondern Zentralität ist das bessere Modell. Die Anordnung in [der folgenden] Tabelle ist daher nur eine sanskritisch-brahmanische Version von mehreren möglichen Hierarchien, denn selbst bei einem vergleichsweise homogenen Lokalpantheon kommt es darauf an, welcher Hochgott im Mittelpunkt steht. So ist für einige vishnuitische Traditionen Krishna eine untergeordnete Erscheinungsform Visnus, für andere ist er aber der Hochgott schlechthin -- in einem solchen Maße, dass man wohl besser von Krishnaismus statt Vishnuismus reden sollte. Ähnliches ließe sich von Râma sagen. ...

In der religiösen Alltagswelt stehen oft genug nicht die Hochgötter im Zentrum. Stellt man nämlich die Intensität der Verehrungen einer Gottheit durch die lokale Bevölkerung in den Mittelpunkt, so können selbst in einem Ort wie Deopatan bei Kathmandu, der geprägt ist von einem alles dominierenden Wallfahrtstempel, dem Pashupatinâtha-Tempel, andere Gottheiten die Hauptgottheit des Pilgerortes an Bedeutung weit übertreffen. In Deopatan trifft dies für bestimmte Göttinnen zu, aber auch für Ganescha, Bhairava, Virûpâkscha und den newarischen Nâsadyah, (eine entfernte Form von Nrtyanâtha, dem Gott des Tanzes, alias Siva). Ferner bestimmt der Zeitpunkt (Alltag oder Festtag), welche Form der Hindu-Religiosität im Vordergrund steht. Im Shivarâtrî Fest etwa steht für Stadtbewohner und Pilger Siva-Pashupati im Mittelpunkt, im Alltag aber eher Ganesha oder die Göttin des Stadtteils."

[Michaels, Axel <1949 - >: Der Hinduismus : Geschichte und Gegenwart. -- München : Beck, ©1998. -- ISBN 3406441033. -- S. 237. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

Folgende -- sehr unvollständige -- Liste häufig verehrter Gottheiten gibt einen ersten Eindruck von der verwirrenden Vielfalt.

Bei den Abbildungen von Gottheiten konnten meist keine Quellenangaben gemacht werden, da solche auf den Drucken bzw. Webseiten meist fehlen. Das Zitieren der Bilder bedeutet nicht, dass diese Bilder public domain sind!

The reproduction of images of deities ist mostly without naming of the source, because on most prints and web pages no source is indicated. The citation of those images does not mean, that they are in public domain!


6.1. Hochgötter und Hochgöttinnen


6.1.1. Trimûrti -- die Dreifaltigkeit



Abb.: Trimurti -- die göttliche Dreiheit: Brahmâ (Schöpfer), Vishnu (Erhalter), Shiva (Zerstörer)


Abb.: Streigespräch zwischen Brahmâ und Vishnu, wer der größere ist. -- Comic aus der Reihe Amar Chitra Katha. -- ©India Book House


6.1.2. Brahmâ


Webportal: http://dir.yahoo.com/Society_and_Culture/Religion_and_Spirituality/Faiths_and_Practices/Hinduism/Deities/Brahma/. -- Zugriff am 2001-07-25


Abb.: Brahmâ


6.1.3.Vischnu (Vishnu, Visnu)


Webportal: http://dir.yahoo.com/Society_and_Culture/Religion_and_Spirituality/Faiths_and_Practices/Hinduism/Deities/Vishnu/. -- Zugriff am 2001-07-25

Andere Namen bzw. Erscheinungsformen Vishnus: 

Herabkünfte (Inkarnationen) (avatâra):


Abb.: Vishnu, umgeben von seinen 10 Inkarnationen

  1. Matsya (Fisch) 
  2. Kûrma (Schildkröte) 
  3. Varâha (Eber) 
  4. Narasimha (Mann-Löwe) 
  5. Vâmana (Zwerg) 
  6. Parashurâma (Rama mit der Axt) 
  7. Râma

    Webportal: http://dir.yahoo.com/Society_and_Culture/Religion_and_Spirituality/Faiths_and_Practices/Hinduism/Deities/Ram/. -- Zugriff am 2001-07-25


    Abb.: Rama und Sita 

  8. Krishna

    Webportal: http://dir.yahoo.com/Society_and_Culture/Religion_and_Spirituality/Faiths_and_Practices/Hinduism/Deities/Krishna/. -- Zugriff am 2001-07-25


    Abb.: Krishna und Râdha


    Abb.: Krishna Vishvarûpa


    Abb.: Krishna und die Kuhhirtinnen

     
  9. Buddha, 
  10. Kalkin

6.1.4. Schiwa (Shiva, Siva)


Webportal: http://dir.yahoo.com/Society_and_Culture/Religion_and_Spirituality/Faiths_and_Practices/Hinduism/Deities/Shiva/. -- Zugriff am 2001-07-25



Abb.: Shiva


Abb.: Shiva drinking the poision from the conch. Asuras on the left, Devas on the right, and Lakshmi in the middle.



Abb.: Shiva und Parvati

 


Abb.: Shiva heiratet Parvati


Abb.: Shiva als halb Mann, halb Frau, der Ganges entspringt seinem Haupt, vorne der Reitstier Nandi

 
 

andere Namen bzw. Erscheinungsformen: 


6.1.5. Devî -- Göttinnen


6.1.5.1. Devî



Abb.: Phoolan Devi (1957 - 2001), die "Banditenkönigin", von vielen Dalits als Inkarnation der Göttin Durgâ verehrt 

"Die indische «Banditenkönigin» Phoolan Devi ist so ums Leben gekommen, wie sie den grössten Teil ihres Lebens gelebt hatte, mit Gewalt. Bereits als Kind einer armen Bauernfamilie aus der niederen Kaste der Fährleute war sie an einen älteren Ehemann verschachert worden, der sie vergewaltigte. Mit 16 Jahren fiel sie bei einem Überfall auf ihr Dorf in die Hände einer Bande. Deren Anführer machte sie zu seiner Geliebten. Als er ein Jahr später erschossen wurde, übernahm die kleine Frau die Führung der bärtigen Gesellen in den Schluchten des Chambal-Tals, wo verarmte Bauern und Kriminelle sich zu Banden von «Dacoits», Wegelagerern, verbünden. Eine ihrer ersten Handlungen richtete sich gegen Behmai, das Dorf, das die Mörder ihres Geliebten ausgeschickt hatte und wo sie selber von mehreren Männern vergewaltigt worden war. Sie liess 22 der Männer aus einer höheren Kaste in einer Reihe aufstellen und erschiessen. Während dreier Jahre gelang es ihr, sich den Polizeipatrouillen zu entziehen, welche die Chambal-Region durchkämmten.

Von der Legende zum Medienstar

Phoolan Devi erwarb sich den Ruf einer Rächerin für das Unrecht, das die Angehörigen unterer Kasten erleiden. Sie konnte aber auch, ohne Rücksicht auf das Leben Unschuldiger, auf Beutezug gehen. Die Regierung war besorgt darüber, dass die «Banditenkönigin» allmählich zur Legende wurde - versehen mit den Attributen der blutrünstigen Göttin Kali. Sie bot ihr Straffreiheit an. 1983 stellte sich Devi, noch nicht 20-jährig, freiwillig dem Regierungschef des zentralindischen Staats Madhya Pradesh. Doch die Regierung des Nachbarstaats Uttar Pradesh unter Führung von hochkastigen Politikern weigerte sich, die Klagen gegen die «Mörderin von Behmai» niederzuschlagen. Elf Jahre verbrachte Phoolan Devi freiwillig im Gefängnis - es war der einzige Ort, an dem sie sich sicher fühlte. Als sie 1994 entlassen wurde, wurde sie über Nacht zum Medienstar. Eine Biographie über sie diente dem indischen Regisseur Shekhar Kapoor als Vorlage für den Film «Bandit Queen». Doch sie überwarf sich mit Kapoor, und sie entzog sich auch der Unterstützung von Feministinnen wie der Autorin Arundhati Roy, die mit der widerspruchsvollen, von der Erniedrigung und der Gewalt ihrer Jugend gezeichneten Frau nicht zurechtkamen.

Vergeltung der Witwen von Behmai

Phoolan Devi, unsicher und misstrauisch in einer Gesellschaft, die ihr hofierte und gleichzeitig mit Verachtung begegnete, flüchtete sich in die Politik. Für eine Partei unterer Kasten gewann sie 1996 und 1999 einen Sitz im Parlament in Delhi, ausgerechnet in Uttar Pradesh, wo die Mordanklagen gegen sie immer noch hängig waren. Die Gefährdung ihres Lebens durch Racheakte sicherte ihr den Schutz des Zentralregierung; der Einsatz als Politikerin gab ihr Gelegenheit, im Namen der unteren Kasten ihre Stimme zu erheben. Sie sonnte sich im neu gewonnenen Prestige, auch wenn sie im Parlament vor dem abschätzigen Lächeln männlicher Politiker nicht sicher war, dann etwa, wenn sie bei einer Abstimmung den falschen Knopf drückte.

Die Protektion des indischen Staates blieb löchrig. Das Oberste Gericht reduzierte die vier Leibwächter auf einen einzigen Polizeibeamten. Er genügte nicht, als sie am Mittwochmittag beim Eingang zu ihrem Abgeordneten-Bungalow, keinen Kilometer vom Parlament entfernt, von drei Männern ins Visier genommen wurde. Die Vergangenheit hatte sie eingeholt; die 22 Witwen von Behmai, die ihr Rache geschworen hatten, haben blutige Vergeltung geübt."

[Indiens «Banditenkönigin» Phoolan Devi getötet : Die «Rächerin des Unrechts» wird zum Opfer einer Blutrache / By. -- Delhi, 26. Juli. -- In: Neue Zürcher Zeitung. -- Auslandsausgabe. -- 2001-07-27. -- S. 48]

Andere Namen bzw. Erscheinungsformen der Devî: 


6.1.5.2. Pârvatî


Webportal: http://dir.yahoo.com/Society_and_Culture/Religion_and_Spirituality/Faiths_and_Practices/Hinduism/Deities/Parvati/. -- Zugriff am 2001-07-25


Abb: Sri Bramarambha Devi, eine Form von Parvati/Shakti, Srisailam, einer der Shakti-Pîtha, der heiligsten Shakti-Heiligtümer [Bildquelle: http://www.ninadam.com/siva.htm. -- Zugriff am 2001-07-25]


6.1.5.3. Lakshmî


Webportal: http://dir.yahoo.com/Society_and_Culture/Religion_and_Spirituality/Faiths_and_Practices/Hinduism/Deities/Lakshmi/. -- Zugriff am 2001-07-25


Abb.: Lakshmî


6.1.5.4.  Sarasvatî


Webportal: http://dir.yahoo.com/Society_and_Culture/Religion_and_Spirituality/Faiths_and_Practices/Hinduism/Deities/Saraswati/. -- Zugriff am 2001-07-25


Abb.: Sarasvati


6.1.5.5. Göttinnengruppen



6.1.5.6. Flussgöttinnen



6.1.6. Ganescha (Ganesha, Ganesa)


Webportal: http://dir.yahoo.com/Society_and_Culture/Religion_and_Spirituality/Faiths_and_Practices/Hinduism/Deities/Ganesha/. -- Zugriff am 2001-07-25


Abb.: Ganesha


Abb.: Ganesha-Schrein (©Corel)

 


6.1.7. Skanda = Kârttikeya = Subrahmanya


Webportal: http://dir.yahoo.com/Society_and_Culture/Religion_and_Spirituality/Faiths_and_Practices/Hinduism/Deities/Kartikeya/. -- Zugriff am 2001-07-25


Abb.: Kârttikeya


6.2. Volksgottheiten


mit zahlreichen Namen, teilweise identifiziert mit Hochgöttern -- z.B. 


6.3. Wächter des Universums



6.4. Halbgötter der Epen



6.5. Gestirnsgötter



6.6. Götterfeinde, Dämonen



6.7. Göttliche Tiere und Pflanzen



6.8. Niedere Götter, Geister



[Übersicht in Anlehnung an: Michaels, Axel <1949 - >: Der Hinduismus : Geschichte und Gegenwart. -- München : Beck, ©1998. -- ISBN 3406441033. -- S. 235. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]


Schiwa (Shiva)


Abb.: Shree Basaveshwara, the reviver of the Veerashaiva ( Lingayats) religion. Shree Basaveshwara was born in a brahmin family, to Madarasa and Madalambe in 1131 AD in Bagewadi. Madarasa was the chief of Bagewadi, now known as Basavanna Bagewadi is in Bijapur district, Karnataka, India. It is observed that Basaveshwara was an incarnation of Nandi the vehicle of lord Shiva, as Madalambe gave birth to a son after observing the Nandivrata. Basaveshwara had a sister Akkanagamma and a brother Devaraja.



Advaita-Vedânta


 


Was bedeutet diese Vielfalt: in sehr vielen Fällen ist es eher eine echte Vielfalt des Angebotes, als eine trennende Vielheit von exklusiven, die anderen ausschließenden Religionen und Denominationen. Es gibt allerdings auch Denominationen mit einem Entweder-Oder Standpunkt. Häufiger ist allerdings vermutlich der Sowohl-als-auch Standpunkt.

Es ist durchaus nicht unüblich, dass Anhänger verschiedenster Hindureligionen und Denominationen in derselben Familie zusammenleben. Dies wird z.B. ideologisch möglich gemacht durch die Unterscheidung îshvara (der eine Gott) und ishtadevatâ (die Gottheit, d.h. Erscheinungsform Gottes, die dem eigenen Geschmack am besten zusagt). D.h. z.B. der eine Gott ist Vishnu, je nach persönlichem Geschmack und Situation verehre ich ihn als Krishna oder Râma usw. Oder auch der eine Gott ist der namenlose Unfassbare, der als Vishnu, Shiva, Göttin usw. verehrt wird.

Wir finden die Einstellung, dass alle Hindureligionen gleich sind, da sie in Wirklichkeit denselben Gott verehren, dass die verschiedenen Religionen -- auch die Nicht-Hindureligionen -- nur verschiedene Wege zum selben Ziel sind. Besonders schön drückt dies der indische Heilige Ramakrishna (1836-1886) aus, der nicht nur verschiedene Hindureligionen, sondern auch Islam und Christentum ausprobiert hatte:

"Ich habe alle Religionsbräuche geübt: den Hinduismus, den Islam, das Christentum, und ich bin auch die Wege der verschiedenen Sekten des Hinduismus gegangen, und ich habe gefunden, dass es derselbe Gott ist, zu dem sie alle streben, wenn auch auf verschiedenen Wegen ... Ihr müsst diese verschiedenen Wege gehen und einmal jede Glaubensform wirklich durchproben. Ich sehe überall Menschen, die sich im Namen der Religion streiten: Hindus, Muslime, Brahmos, Vischnuiten usw. Sie bedenken aber nicht, dass Der, der Krischna genannt wird, ebenso auch Schiwa heißt, und ebenso gut kann er Urkraft, Jesus oder Allah genannt werden und ebenso gut der eine Rama mit seinen tausend Namen. Ein Teich mit vielen Badetreppen. Auf einer schöpfen die Hindus das Wasser in Krügen und nennen es Dschal; auf einer anderen schöpfen die Muslime das Wasser in ledernen Schläuchen und nennen es Pani; auf einer dritten die Christen und nennen es Water. Können wir uns denn vorstellen, dass dieses Wasser nicht Dschal ist, sondern Pani oder Water? Das wäre doch lächerlich! Der Urgrund ist Einer unter verschiedenen Namen, und ein jeder sucht nach demselben Urgrund; nur Klima, Naturanlage und Benennung schaffen die Unterschiede."

Ramakrishna brachte dafür gerne ein schönes Gleichnis:

"Gott ist auf dem Dach. Nun muss man hinaufklettern. Die einen nehmen eine Leiter, die anderen ein Seil oder eine Steintreppe oder eine Bambusstange, andere steigen hinauf nach ihrer Art. Die Hauptsache ist nur eines: dass man auf das Dach hinaufkommt, ob ihr diesen oder jenen Weg nehmt, ist ziemlich gleichgültig. Was man natürlich nicht tun kann, ist, mehrere Arten zugleich verwenden; wenn schon, dann eine nach der anderen. Wenn ihr Gott gefunden habt, dann seid ihr auf dem Dach, und nun versteht ihr, dass man verschiedene Wege nehmen kann, um ihn zu erreichen. Nur dürft ihr keinesfalls meinen, dass die anderen Wege nicht zu Gott führen. Es sind verschiedene Wege auf dasselbe Dach! Ein jeder gehe seinen eigenen Pfad! Wer aber redlich und heißen Herzens Gott sucht - Friede sei mit ihm! Gewiss wird er Ihn finden. Ihr mögt sagen, in einer anderen Religion gebe es doch viele Irrtümer und Aberglauben. Darauf antworte ich: Es mag so sein. Jede Religion hat ihre Irrtümer, jeder denkt, dass nur seine Uhr richtig geht. Es genügt aber, eine heiße Liebe zu Gott zu haben. Es genügt, Ihn zu lieben und sich zu ihm hingezogen zu fühlen. Wisst ihr denn nicht, dass Gott unser innerer Führer ist?"

Diese Anschauung von der Einheit aller Religionen ist zwar verbreitet, öfter aber findet man eine evolutionistische Anschauung, in der alle Religionen -- nicht nur die Hindureligionen -- in ein Entwicklungsschema gebracht werden, und die eigene Auffassung an der Spitze steht. Die anderen Auffassungen sind aber dennoch berechtigt und können recht tolerant behandelt werden, da das Fassungsvermögen der Menschen verschieden ist: man denkt ja in vielen Wiedergeburten, deshalb ist das gegenwärtige Leben nicht von ausschlaggebender Wichtigkeit: wenn also auch nur Anhänger der eigenen Denomination zur Erlösung gelangen können, so bedeutet das für die anderen dennoch nicht ewige Finsternis: sie haben ja noch andere Wiedergeburten vor sich, irgendwann evtl. auch als Mensch, und dann haben sie wieder die Möglichkeit zur Erlösung.

Gegen diese "snobistische" Auffassung einer Entwicklungspyramide hin zur wahren Religion stehen allerdings Auffassungen und Hindureligionen, die die höchste Religion als auch dem Einfachsten und Niedrigsten zugänglich darstellen.

Bisher bin ich in dieser Einleitung zu unserem Thema vorwiegend auf die Vielheit und dissoziierende Kraft der Hindureligionen eingegangen. In den Hindureligionen steckt allerdings auch eine starke integrative Kraft: immer wieder wurden viele lokalen Eigentümlichkeiten in die überlokalen und überregionalen religiösen Traditionen absorbiert. Die wichtigsten Mechanismen dabei sind Inklusion, die Übernahme von ursprünglich fremden Elementen, und die Identifikation von z.B. regionalen oder lokalen Gottheiten mit einer Gestalt der großen Hindureligionen, wie z.B. Vishnu. Die Hindureligionen trugen und tragen auch zur Integration von Nicht-Hindu-Gruppen in die gesamtindische Gesellschaft bei. Dies geschieht durch Hinduisierung und insbesondere Sanskritisierung: die Nicht-Hindus übernehmen z.B. Vegetarismus, soziale Vorschriften, Götter, Riten und Mythen, wie sie in der Sanskrit Literatur definiert sind und von Brahmanen vertreten werden. Eine solche Sanskritisierung kann zu einer Hebung des sozialen Ansehens der betr. Gruppe führen. So gesehen sind die Sanskrit Hindureligionen die integrierende große Tradition, die selber ständig verändert wird durch regionale und lokale "kleine" Traditionen.


Gurus und Sâdhus



Abb.: Shivaitischer Sâdhu (©Corel)


Zum Beispiel: Sathya Sai Baba



Abb.: Sathya Sai Baba [Bildquelle: http://www.sathyasai.org/images/withletters.gif. -- Zugriff am 2001-07-14]

Webpräsenz: http://www.sathyasai.org/. -- Zugriff am 2001-07-14

Webportal: http://directory.google.com/Top/Society/Religion_and_Spirituality/Hinduism/Spiritual_Personalities/Sathya_Sai_Baba/. -- Zugriff am 2001-07-14


Abb.: Lage des Ashram Brindavan (© MS Encarta)

"Religiöse Abhilfe findet sich im [zu Bangalore] nahe gelegenen Ashram Brindavan. Hausherr Sai Baba, dem am 23. November dieses Jahres ein Stadion voller Anhänger zum 75. Geburtstag gratulierte, nennt sich ohne falsche Bescheidenheit Bhagwan-der Noble, der Heilige, der Erhöhte, kurzum: Gott. Kein Wunder, dass er sich selbst zu Ehren einen Tempel mit klassizistisch-orientalischen Kuppeln hat errichten lassen (wer als Gott sonst noch neben ihm steht, kümmert Sai Baba wenig, weswegen Menschen aller Konfessionen zu ihm pilgern). Der Ashram ist so streng bewacht wie der Techno-Park. In beiden Fällen obliegt die Verantwortung für die Sicherheit pensionierten Offizieren der indischen Armee, steif-schlanken Asketen, die in einem merkwürdigen Gegensatz zu den barocken architektonischen Manifestationen ihrer jeweiligen Arbeitgeber stehen.

Sai Baba dürfte der politisch einflussreichste Guru Indiens sein. Zum Geburtstag wartete ihm eine Galerie von Ministern und Philistern auf. Der Wundertätige ist zwar schon mehrfach des Betrugs entlarvt worden -- seine Materie-Ist-EnergiePhilosophie erwies sich als billiger Zaubertrick --, neuerdings jedoch geriet er abermals in unrühmliche Schlagzeilen. Eine Reihe ehemaliger Verehrer haben ihn des sexuellen Missbrauchs bezichtigt und Medien in Australien, Schweden, London und München orale Details anvertraut. Der Skandal sickerte - wie so oft - zuerst ins Internet. Für wahre Gläubige kein Grund zur Skepsis, denn der Guru lehrt, dass »wir nicht ins Internet, sondern ins innere Netz blicken sollten«. Zudem sei jede Handlung des Babas ein »Lehren« - was Unverständigen falsch oder verwerflich erscheinen mag, wird zweifellos trotzdem seinen rechten Grund und Sinn haben. Dem Erfolg des aus ärmlichen Verhältnissen in die Sinnstiftungselite aufgestiegenen Sektenführers wird diese Kontroverse wenig anhaben können. Das gerade fertig gestellte Shri Sai Baba Institute of Higher Learning, ein gigantischer » When-Xanadu-meets-Stalin-Bau«, setzt den Errungenschaften des Heiligen ein philanthropisches Denkmal. Sai Baba scheint die okkulten Bedürfnisse der Ersten Welt ebenso effizient zu befriedigen wie der Techno-Park die professionellen."

[Trojanow, Ilija <1965 - >: Der Sadhu an der Teufelswand : Reportagen aus einem anderen Indien. -- München : Sierra, ©2001. -- ISBN 3894051299. -- S. 108f. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

"Zu den herausragenden Gestalten der indischen Guru-Szene, deren Wirken auch im Westen immer spürbarer wird, gehört sicherlich Sathya Sai Baba (SSB), der allein schon durch seine äußere Erscheinung wohl den größten Wiedererkennungswert aller Gurus besitzen dürfte. Von kleiner und gedrungener Figur, die ein bis auf die Füße fallendes, rot-oranges Gewand noch unterstreicht, wird sein massiger Kopf von einer für indische Verhältnisse höchst ungewöhnlichen Kraushaar-Frisur im Afro-Look umrahmt. Wie viele andere Gurus, die sich in ihrer je besonderen Weise exponieren, hat auch »Baba« nicht nur Freunde und Anhänger; im Gegenteil. »Wahrscheinlich ist heute niemand in ganz Indien mehr umstritten als Bhagawan Sri Sathya Sai Baba«, meint ein Anhänger; »für Millionen von Gottergebenen ist Er ein Avatar, der die Kräfte der Allwissenheit, Allgegenwart und Allmacht offen zeigt. Von anderen wird er als Scharlatan bezeichnet, dessen Name allein schon harte Kontroversen hervorruft« (>Darshan< Material Ausberg, Hamburg).

Wer ist nun dieser umstrittene, unter dem angenommenen Namen »Sathya Sai Baba« (= der, der in Wahrheit Sai Baba ist) bekanntgewordene indische Guru? Eine kritische Biographie scheint bisher noch nicht vorzuliegen. Und die zugänglichen, aus seinem engeren Umfeld stammenden Materialien bieten nur wenige historisch verlässliche Daten, da sie ein Bild von ihm zeichnen, das im wesentlichen der Kategorie »Heiligenlegende« zuzurechnen ist.


Abb.: Lage von Puttaparthi (©MS Encarta)

Demzufolge wurde er am 23. November 1926 als viertes von fünf Kindern im Hause eines Pedda Venkapa Raju und seiner Frau Easwarama Raju in Puttaparthi, Distrikt Anantapur im Staate Andra Pradesh, geboren; er erhielt den Namen Ratnakaran Sathyanarayan Raju, wobei »Raju« die Kaste der Familie bezeichnet.

Die Geburt selbst soll von merkwürdigen Zeichen begleitet gewesen sein. So wird etwa berichtet, dass im Hause aufgehängte Musikinstrumente von alleine zu spielen begannen und sich eine Kobra unter der Liege des Neugeborenen ringelte, ohne dem Kind etwas zu tun (vgl. H. Murphet, 60 f.). Zudem gilt der Geburtsmonat November (karthika) den Hindus als heilig, eine Zeit der besonderen Verehrung des Gottes Shiva.

Seine Schulzeit begann in der kleinen Dorfschule in Puttaparthi und wurde später auf der Mittelschule (»high school«) in Uravakonda, etwa 90 km nordwestlich von Puttaparthi, fortgesetzt. Der kleine Sathyanarayan soll dabei weniger am Lehrstoff als am Singen religiöser Lieder (bhajans) und am Laienspiel interessiert gewesen sein. Noch vor seinem 14. Lebensjahr verließ er die Schule. Obwohl »klüger als seine Lehrer« und mit »göttlichen Fähigkeiten ausgestattet« (Murphet, 63), ist von irgendwelchen qualifizierten Schulabschlüssen nichts bekannt.

Das Jahr 1940 brachte, den Berichten seiner Anhänger zufolge, wohl einige Ereignisse, die die Weichen für Sathyanarayans künftige Laufbahn als Guru und »Wunderheiliger« stellten. Am 8. März dieses Jahres erlitt er wahrscheinlich eine Art Anfall (manche vermuten die Ursache in einem Skorpionstich), als dessen Folge er ein merkwürdiges Benehmen an den Tag legte. Unmotiviertes Weinen und Lachen wechselte mit Phasen lauten Singens, Textrezitationen mit Zeiten völliger Geistesabwesenheit. Als keine Besserung eintrat, bemühten die Eltern, da sie ihren Sohn für besessen hielten, einen Exorzisten, was allerdings auch keinen Erfolg hatte.

Am Morgen des 23. Mai rief Sathyanarayan Familienmitglieder und Freunde zusammen und beschenkte sie mit Blumen und Süßigkeiten, die er »durch eine bloße Bewegung seiner Hand« soeben aus der Luft »materialisiert« hatte. Daraufhin strömten die Nachbarn herbei, die auf gleiche Weise süße Reisbällchen bekamen. Der wütende, mit einem Stock bewaffnete Vater drängte sich zu ihm vor und schrie: »Das muss aufhören! Bist du ein Geist oder ein Verrückter? Sage es mir!« Als Antwort gab der Junge folgende »Offenbarung«: »Ich bin Sai Baba. Ich gehöre zur Apastamba Sutra, der Schule des Weisen Apastamba, und stamme aus der spirituellen Linie des Bharadvaja. Ich bin Sai Baba. Ich bin gekommen, um alle Sorgen von euch fernzuhalten. Bewahrt eure Häuser sauber und rein.« (Fanibunda, Vision, 3) (Apastamba gilt als der Verfasser eines dharmashastra/Gesetzbuch, und Bharadvaja wird von den Hindus als einer der sieben mythischen, dem Kopf des Gottes Brahma entsprungenen rishis [= Seher] verehrt, die den Brahmanismus begründet haben sollen.)

Die Erwähnung des Namens »Sai Baba« schien auf die Anwesenden wie elektrisierend zu wirken. Man beschloss, den Jungen zu einem in der Nähe wohnenden, »fachkundigen« Anhänger des 1918 verstorbenen Sai Baba von Shirdi zu bringen, um die Sache überprüfen zu lassen. Der betreffende Fachmann erklärte die ganze Angelegenheit zu einem Fall geistiger Verwirrung und gab den Rat, den Jungen in eine Anstalt zu bringen. Dieser reagierte daraufhin mit den Worten: »Ja, es ist eine geistige Verwirrung, aber wessen? Sie können den wahren Sai, den Sie verehren, nicht erkennen!«, und soll dabei begonnen haben, »Heilige Asche«, die er »aus der Luft materialisierte«, im Raum zu verstreuen (N. Kastur, Sathyam Shivam Sundaram II).

Der 20. Oktober 1940 markiert für die »Baba«-Gläubigen einen weiteren Einschnitt auf dem Wege ihres Guru. An diesem Tage habe er sich von seiner Verwandtschaft losgesagt und seine Rolle als Familienmitglied »Sathyanarayan« mit den Worten beendet: »Ich gehe jetzt; ich gehöre nicht mehr zu euch. Ich muss meine Aufgabe erfüllen; meine devotees warten auf mich.« Als sein Vater ein Zeichen für die Echtheit seiner Behauptung verlangte, ließ er sich eine Handvoll Jasminblüten geben, die er in die Luft warf. Auf den Boden gefallen, sollen diese dann den Namenszug »SAI BABA« in seiner Muttersprache Telugu gebildet haben (Fanibunda, Vision, 3).

Um nun den speziellen Bezug und Hintergrund dieser Legendenberichte etwas besser zu verstehen, sind einige Hinweise auf den von Sathyanarayan Raju in Anspruch genommenen Sai Baba von Shirdi nötig. Shirdi ist ein kleines Dorf am Godavari-Fluss im Ahmednagar-Distrikt/Maharashtra, östlich von Bombay.

Die familiäre Herkunft des Shirdi-Baba und die Umstände seiner Geburt (Ort und Datum) liegen im dunkeln. »Baba hat seinen devotees in Shirdi das Geheimnis seiner Geburt oder sein Leben aus der Zeit, bevor er nach Shirdi kam, nie enthüllt.« (Fanibunda, 2) Die indische Anglistin und Shirdi Baba-Anhängerin Mani Sahukar vermutet, dass Sai Baba wahrscheinlich in den 30er Jahren des vorigen Jh. als Kind brahmanischer Eltern im indischen Nizam zur Welt gekommen, von diesen aber bald ausgesetzt und dann von einem moslemischen Fakir aufgenommen worden sei. Historisch zu belegen ist, so M. Sahukar, dass er als 16jähriger das erste Mal für vier Jahre nach Shirdi kam, danach für einige Zeit verschwand und 1859 wieder in dieses Dörfchen zurückkehrte, wo er ohne Unterbrechung bis zu seinem Tode 1918 blieb (Sai Baba - The Saint of Shirdi, 16).

Sein Leben lang hauste Sai Baba in der verlassenen, halbverfallenen Dwarka (= Gnaden)-Moschee, nachdem er, bald nach seiner Ankunft in Shirdi, aus einem kleinen Hindu-Tempel vertrieben worden war. Als ein charakteristisches Kennzeichen dieses Guru wird in den vorliegenden Berichten sein merkwürdiges Pendeln zwischen Hinduismus und Islam gesehen. M. Sahukar etwa schreibt: »Der Heilige von Shirdi verwirrte seine Bewunderer. Keiner konnte herausfinden, ob er Hindu oder Moslem war. Er kleidete sich wie ein Moslem und trug gleichzeitig die Kastenzeichen eines Hindu. Wenn die Hinduvertreter stolz darauf waren, dass Baba gemäß der hinduistischen Tradition ständig ein heiliges Feuer brennen hatte, so mussten sie andererseits widerwillig zugestehen, dass er in einer Moschee lebte. Er zitierte den Koran und erfreute seine moslemischen Verehrer, die sich andererseits mit seiner umfassenden Kenntnis hinduistischer shastras nicht abfinden mochten. (. . .) Dass Rama (der Gott der Hindus) und Rahim (der Gott der Moslems) ein und derselbe seien, war seine ständige Rede im Kreis seiner Anhänger.« (Sai Baba - The Saint of Shirdi, 18 f.)

Die überlieferten Lehren und religiösen Vorstellungen des Shirdi Baba waren jedoch eindeutig hinduistisch geprägt, wodurch auch sein Selbstverständnis als Guru bestimmt wurde. Er predigte »Gott« als das formlose Absolute (brahman), das identisch sei mit dem Selbst (atman) des Menschen. Erlösung erreiche der Mensch durch das »Realisieren« des Selbst auf dem Wege der Erkenntnis, dass er das »Göttliche« in sich trage. Dazu verhelfe die liebende Hingabe an einen Guru, der schon als »Gottrealisierter« gelte (in diesem Falle an ihn selbst). »Surrender to the Guru, trust the Guru fully - Guru is all the Gods« wird als sein Lieblingsausspruch tradiert. »Wenn ein devotee mir sein ganzes Leben übergibt, braucht er um Körper und Seele keine Angst mehr zu haben; . . . werft alle Lasten auf mich, ich werde sie tragen.« (Sai Baba - The Saint of Shirdi, 23) Noch deutlicher wird sein Selbstverständnis als Verkörperung des »Göttlichen« durch seine Identifikation sowohl mit männlichen als auch mit weiblichen Gottheiten bzw. mit androgynen Gottheiten. Sai Baba sagte von sich: »Ich bin Gott. Ich bin Mahalaxmi. Ich sitze da in der Moschee und verkünde die Wahrheit. (. . .) Ich bin Laxmi Narayan. Warum an den Ganges pilgern? Haltet eure Hände an meine Füße - hier fließt der Ganges.« (Sai Baba - The Saint of Shirdi, 60)

So war es denn ganz folgerichtig, dass er im Laufe der Zeit eine große Anhängerschar gewann, besonders auch aufgrund von Wundertaten und Wunderheilungen, die man ihm zuschrieb oder selbst erlebt haben wollte. Es wird berichtet, dass er z. B. seine Öllampen zeitweise mit Wasser betrieb, wie Christus einen Sturm stillte, den Elementen der Natur gebot und Kranke mit der Asche seines ständig brennenden Feuers heilte.

Am 15. Oktober 1918 stirbt der Shirdi Baba in seiner Moschee. Ein Hinweis von ihm, dass er sich acht Jahre nach seinem Tode erneut inkarnieren würde (wie von Sathya Sai Baba und seiner Bewegung behauptet), findet sich in den entsprechenden Materialien nicht. Dagegen verehren seine Anhänger heute zwei andere Personen gleichsam als Nachfolger: den 1870 geborenen und im Dezember 1941 verstorbenen Kasinath Govinda Upasani Shastri, genannt Sri Upasani Baba Maharaj, und die seitdem amtierende, 1914 geborene »Heilige Mutter« Sati Godavari Mataji. Der Name Sathya Sai Baba taucht in diesem Zusammenhang nirgends auf.

Nachdem Sathya Sai Baba sich von seiner Familie getrennt und selbständig gemacht hatte, begann seine Anhängerschar in den 40er Jahren stetig zu wachsen, besonders aufgrund der umlaufenden Wunderberichte.


Abb.: Eingang zur darshan hall, Prashanti Nilayam, Puttaparthi [Bildquelle: http://www.sathyasai.org/images5/kulwt3.JPG. -- Zugriff am 2001-07-14]

Im November 1950 konnte er in Puttaparthi sein eigenes Prashanti Nilayam (= Wohnstätte des großen Friedens) genanntes Zentrum beziehen, das im Laufe der Zeit zu einem wichtigen Ort in der »heiligen« Geographie Indiens wurde. War bis dahin der Name Sathya Sai Baba zunächst nur in seiner engeren Heimat ein Begriff, so machten verschiedene, in den 50er Jahren unternommene Reisen zu den »heiligen Stätten« des Nordens ihn auch dort bekannt.

Der Sommer 1963 brachte eine weitere »Offenbarung«, die im Hinblick auf sein Selbstverständnis diejenige von 1940 noch übertraf. Am 29. Juni dieses Jahres erlitt »Baba« wiederum einen Anfall, dessen äußere Anzeichen sein enger Vertrauter und Biograph N. Kasturi so beschreibt: »Das Gesicht wurde schief, die Muskeln zogen den Mund auf die linke Seite, . . . die Zunge hing heraus. Das linke Auge schien die Sehkraft verloren zu haben.« (Sathyam, 79) Das einsetzende Koma (ein Arzt diagnostizierte »tuberkulöse Meningitis«) dauerte eine Woche. Am achten Tag besserte sich der Zustand, und »Baba« trat vor eine große Menge seiner Anhänger, denen er mitteilte, er sei in Wirklichkeit gar nicht krank gewesen, sondern habe diesen Zustand nur stellvertretend für einen sehr kranken devotee auf sich genommen, um diesen zu heilen. Gleichzeitig kündigte er die Enthüllung eines Geheimnisses an, das er von Anfang an für sich behalten habe: Er sei nämlich die Verkörperung des Hindu-Gottes Shiva und seiner Shakti (das personifizierte weibliche Element Shivas). Außerdem »offenbarte« er, dass es insgesamt drei »Sai-Inkarnationen« in der Tradition des Bharadvaja geben würde, wobei er seinerzeit in der Gestalt des Sai Baba von Shirdi nur Shakti allein verkörpert habe, jetzt als Sathya Sai Baba sowohl Shiva als auch Shakti repräsentiere und in einer zukünftigen, unter dem Namen »Prem Sai«, im Manya Distrikt/Karantaka stattfindenden Inkarnation dann noch einmal als Shiva allein gegenwärtig sein werde (Fanibunda, Vision, 10). Inzwischen beansprucht »Baba« nicht nur eine Inkarnation von Hindu-Göttern, sondern auch eine von Jesus Christus zu sein. Die Begründung dafür sieht der indische Kenner der Guru-Szene Vishal Mangalwadi im sprunghaften Anwachsen der Zahl westlicher Anhänger (The World of Gurus, 151). Seine jetzige Inkarnation soll 96 Jahre dauern, wobei sein Körper jedoch jung und frisch bleibt.


Abb.: Sathya Sai Baba's Füße [Bildquelle. http://www.sathyasai.org/images2/BABA25.JPG. -- Zugriff am 2001-07-14]

1968 erklärte »Baba«, dass es seine Mission sei, den spirituellen Glanz Indiens wiederherzustellen; er wolle in seinen Anstrengungen nicht nachlassen, bis dieses Ziel erreicht sei. Indien solle dabei jedoch nur als Zugpferd dienen, um schließlich die ganze Menschheit spirituell zu erneuern. Alle Nationen der Welt seien quasi Eisenbahnwaggons, Indien die Lokomotive und »Baba« der Lok-Führer (Mangalwadi, 151).

Allmählich begann sich die Bewegung zu etablieren und zu strukturieren. Es wurden verschiedene Komitees und Trusts gebildet; Dienstgruppen für Frauen und Männer gegründet; Schulen, Hospitäler und Colleges in Betrieb genommen und die entsprechenden nationalen und internationalen Konferenzen abgehalten.

Am 6. Mai 1972 stirbt »Babas« Mutter Easwarama in Puttaparthi. Damit beginnt eine institutionalisierte Verehrung der »Heiligen Mutter« mit dem festen, alljährlich zelebrierten Gedenktag am 6. Mai.

Einen gewissen Höhepunkt bzw. eine Konzentration erreichte die Entwicklung mit der am 1. Oktober 1976 in Prashanti Nilayam erfolgten Proklamation der »Sai-Religion«, einer »Religion der Liebe«, verstanden als die Zusammenfassung der Substanz aller Religionen, einschließlich Judentum, Christentum und Islam, da deren »Gründer« ebenfalls »das Gute wollten« und »von Liebe erfüllt« waren (Fanibunda, Vision, 108).

Den devotees trug »Baba« zum Schluss seiner Ansprache auf: »Wenn Ihr, die Ihr Mitglieder der Sathya-Sai-Organisation geworden seid, nach der Religion des Sathya Sai und seiner Organisation gefragt werdet, so solltet Ihr den Mut und die Entschiedenheit haben, mit einer Stimme zu sagen: Das Wesentliche aller Religionen ist die Religion der Sathya-Sai-Organisation.« (Fanibunda, Vision, 109)"

"»Babas« Wunderwerk

Als charakteristisches Kennzeichen des Kultes, hier verstanden als das Beziehungsgeflecht zwischen dem Guru und seinen Anhängern, müssen wohl die angeblichen »Wunder« gelten, von denen »Baba«-Gläubige ständig, aber auch Außenstehende hin und wieder berichten. Zwar wird vom Guru und seinen Funktionären auf der einen Seite versucht, die Bedeutung dieser »Mirakel« herunterzuspielen und sie als Nebenprodukte seiner eigentlichen »Mission« darzustellen; andererseits sollen sie jedoch durchaus als äußere Zeichen auf »Babas« behauptete »Göttlichkeit« hinweisen.

Die »Wunder« gehören verschiedenen Kategorien an. Quantitativ dürfte das Produzieren von »heiliger Asche« (vibhuti) wohl an erster Stelle stehen. Sodann folgen das Materialisieren von Objekten (z. B. Schweizer Uhren und Lingams aus Stein oder Gold) durch eine »bloße Handbewegung« und das »Heilen« von »unheilbar Kranken«; sogar Totenauferweckungen sollen schon vorgekommen sein (esotera 1/86, 20). Der indische Wissenschaftler und spätere »Baba«-Anhänger Dr. S. Bhagvatam überliefert ein besonderes Wunder:

Bhagvatam, seinerzeit Direktor des All India Institute of Science/Bangalore, ging eines Tages (1959) mit »Baba« am Ufer des Chitravati-Flusses spazieren. Nachdem der Guru ihn aufgefordert hatte, sich irgendwo im Sand niederzusetzen, mokierte sich »Baba« über die »allwissenden«, kritischen Wissenschaftler, die jedoch große Ignoranz hinsichtlich der Weisheit alter Hindu-Schriften zeigten. Als Bhagvatam andeutete, dass sich z. B. der große R. Oppenheimer intensiv mit der Bhagavad-Gita beschäftigt hätte, fragte »Baba«: »Möchten Sie ein Exemplar der Gita?« Dabei warf er Sand in die Luft und sagte: »Hier ist es, halten Sie die Hand auf!« Als der Sand in die Hände Bhagvatams fiel, soll er sich in eine rot eingebundene, druckfrische Ausgabe der Gita in der Telugu-Sprache verwandelt haben (Mangalwadi, The World of Gurus, 154 f.).

Anhänger berichten auch von zahlreichen »parapsychologischen« Phänomenen, die sich über große Entfernungen hin ereignen: Baba-Fotos wären plötzlich mit »heiliger Asche« bedeckt gewesen; auf leeren Briefbögen zeigten sich mitunter handschriftliche Notizen des Guru; von ihm »materialisierte« und auf dem Hausaltar liegende Gegenstände hätten zeitweise einen intensiven Blütenduft.

Für außenstehende Beobachter der Szene ist es nicht ganz einfach herauszufinden, was wirklich hinter diesen »Wundern« steckt bzw. welche Tricks hier angewendet werden. Mangalwadi zitiert zwei professionelle Zauberkünstler aus Indien, Narajan Mathur und L. S. Rao, mit der Bemerkung, die behaupteten »Wunder« seien reine Taschenspielertricks. Mathur habe »Baba« angeboten, ihm für den Rest seines Lebens als Sklave zu dienen, wenn »Baba« ihm den Nachweis erbringen könne, dass seine angeblichen »Wunder« übernatürlich seien. Und ein Komitee der Universität Bangalore zur Untersuchung paranormaler Phänomene habe Sathya Sai Baba wiederholt ersucht, die Authentizität seiner »Wunder« wissenschaftlich untersuchen zu lassen, was auf Seiten des Guru jedoch stets auf Ablehnung stieß.

Im Hinblick auf die Herkunft und Beschaffenheit der »heiligen Asche« liegt jedoch ein Gutachten des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts München vom 17. März 1981 vor. Darin heißt es: »Eine eingehende mikroskopisch-anatomische Untersuchung des Pulvers ergab mit sehr großer Wahrscheinlichkeit >gepulverte Asche von Reisspelzen<. (. . .) Weitere Zusätze (Asche anderer Pflanzen) sind nicht ganz auszuschließen.« Die abschließende Beurteilung: »Die zur Untersuchung vorliegende >Heilige Asche< besteht aus dem aromatisierten und fein gepulverten Verbrennungsrückstand von Reisspelzen.«

Für die »Baba«-Gläubigen selbst gibt es dagegen keinerlei Zweifel daran, dass seine »Wunder« übernatürlich und »göttlich« sind. In den meisten Fällen waren sie denn auch bei ihrer eigenen Bekehrung zum »Baba«-Kult der auslösende Faktor gewesen. Es scheint, als ob die Anhänger des Guru von dessen »Wundern« leben wie von einer Art »prasad«, das ihnen die Teilhabe am »Göttlichen« vermittelt."

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Wallfahrten


"Mit den Füssen beten : In Indien stärken Pilgerschaften eine sakrale Geographie

By. Delhi, 20. Juli [2001]

Selbst der Sicherheitsring, den die Polizei für das indisch-pakistanische Gipfeltreffen um die Luxushotels von Agra und den Tadsch Mahal gelegt hatte, konnte dem Druck nicht widerstehen. Es waren zu viele Personen, die gegen die Absperrungen drängten. Um Mitternacht gaben die Barrikaden plötzlich nach, und der Weg war frei. Tausende von jungen Männern, barfuss, in kurzen Hosen, mit langen Stöcken bewaffnet, bewegten sich, «Jay Shankar!» («Es lebe Shiva!») skandierend, auf das Hotel Amar Vilas zu, das den pakistanischen Präsidenten Musharraf beherbergte. Plötzlich drehte der Zug in eine Seitenstrasse ab. An deren Ende liegt ein kleiner Tempel, und auf dessen Vorplatz verebbte die Bewegung. Die Leute setzten sich in kleinen Gruppen auf den Boden, die lustvollen Ausrufe des Namens Gottes wechselten in ein leises Beten. Viele reihten sich in die beiden Schlangen ein, die sich vor dem Schrein gebildet hatten, andere legten sich zum Schlafen auf den Asphalt nieder, das dünne Lendentuch über Körper und Gesicht gezogen.

Hunderttausende holen heiliges Wasser

Was dem Berichterstatter des Gipfeltreffens von Agra wie ein Saubannerzug vorkam, dessen Zielscheibe der Präsident des Intimfeindes Pakistan sein mochte, war in Wahrheit ein Pilgerzug. Und die mehreren tausend jungen Männer, die den kleinen Shiva-Tempel im Kantonnement von Agra zu ihrer Schlafstätte gewählt hatten, waren nur ein kleiner Seitenarm des Menschenstroms, der sich in der letzten Woche von  Gaumukh aus über ganz Nordindien ergoss. 


Abb.: Lage von Gaumukh (19 km von Gangotri) und Agra (©MS Encarta)

Hunderttausende von jungen Männern und Frauen gingen, nachdem sie an der Quelle des Ganges zwei Messingtöpfe mit dem heiligen «Gangajal» (Gangeswasser) gefüllt hatten, in manchmal wochenlangen Märschen in ihre Dörfer zurück. 


Abb.: Gaumukh, die Gangesquelle am Gaumukh Gletscher [Bildquelle: http://www.esamskriti.com/html/photo.asp?cat=46&description=Gaumukh. -- Zugriff am 2001-07-21]

Auf der Fahrt von Agra nach Delhi begegnete man ihnen zu Hunderten. Immer in ihren orangefarbenen Kleidern, immer mit einem Holzgestell auf der Schulter, mit dem sie die beiden Töpfe balancierten, gingen sie in Einerkolonnen der Strasse entlang Richtung Süden, singend, betend, schweigend.

Allein in Delhi hatte die Regierung 37 Lager aufstellen lassen, und Freiwillige bewirteten die «Shiv Bhakts», die Jünger Shivas. Im Buddha- Jayanti-Park lagerten zu Wochenbeginn 150 000 Menschen, denen die Helfer nicht nur Essen austeilten, sondern auch Verbandstoff für die wunden Füsse. Henna stand gleich kübelweise zur Verfügung, als Sonnenschutz für den Kopf und als Desinfektionsmittel für die Füsse. Und für einmal zeigten sich die Verkehrspolizisten durchsetzungsfreudig, wenn sie an Kreuzungen den Verkehr aufhielten und Gruppe um Gruppe von Pilgern über die Strasse lotsten. Diese schienen überhaupt keine Augen für den Verkehr zu haben.

Die Kastengrenzen werden aufgehoben

Trotz den Tausenden von kleinen Gruppen, die sich in ihrer Aufmachung und mit ihren Töpfen alle glichen, war es eine persönliche Pilgerschaft. Mit dem Wasserholen an der heiligen Quelle erneuert jeder Gläubige seine Beziehung zu Gott. Am Ende wird zu Hause das Fest von «Shiv Chaudas» gefeiert. Im Dorftempel wird das Gangajal über den Shivling, den steinernen Phallus des Gottes Shiva, geleert. Es ist die symbolische Erneuerung der Geschichte vom Dämonen Ravana, dem die Götter einen Shivling geschenkt hatten mit der Auflage, ihn nicht abzusetzen, bis er Sri Lanka erreicht habe. Der Elefantengott Ganesh, der den schweren Stein halten sollte, wenn Ravana einmal austreten musste, legte ihn aber nieder. Ravana musste im Himalaja Gangeswasser holen, um mit der Reinigung des Steins den Ungehorsam auszulöschen.

Das Wasserholen sei ein privater Akt, sagt die Autorin Renuka Narayanan, doch in der hunderttausendfach wiederholten Geste der Wanderung und der allabendlichen Herberge in einem der unzähligen über die Landschaft verstreuten Tempel Nordindiens «liegt auch die Erneuerung einer gemeinsamen sakralen Geographie». Sie hilft, die kulturelle Einheit eines Landes zu festigen. Seine Dörfer und Städte werden von den Pilgern zu einem Netz verwoben. Es ist ein soziales Gewebe, das für die Dauer der Pilgerschaft selbst die stärkste Trennung - die Abgrenzung zwischen den Kasten - aussetzt. «Alle 36 Kasten unseres Dorfes essen, schlafen und baden zusammen», sagte ein Pilger im Buddha-Jayanti-Park. Die Wanderung geht durch Slums und vornehme Viertel, und in den Lagern findet man Geschäftsleute, die neben Tagelöhnern ihr Nachtlager aufschlagen. «Selbst die Muslime aus dem Seelampur-Quartier», so erzählte ein Pilger, «geben uns Fruchtsaft und Verbandstoff.»

In der Aufhebung aller Widersprüche liegt eine Liebeserklärung an Shiva, der selber alle Widersprüche vereint, ist er doch ein Bettler mit einfachem Gemüt und gleichzeitig ein vergeistigter Yogi, dessen Meditation Materie in Geist zu verwandeln vermag."

[Mit den Füssen beten : In Indien stärken Pilgerschaften eine sakrale Geographie / By. -- In Neue Zürcher Zeitung. -- Auslandsausgabe. -- 2001-07-21. -- S. 48]