Quellenkunde zur indischen Geschichte bis 1858

15. Frühe europäische Quellen und Quellen aus der Zeit der East India Companies

1a. Zum Beispiel: Roteiro da viagem de Vasco da Gama em 1497


hrsg. von Alois Payer

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Zitierweise / cite as:

Payer, Alois <1944 - >: Quellenkunde zur indischen Geschichte bis 1858. -- 15. Frühe europäische Quellen und Quellen aus der Zeit der East India Companies. -- 1a. Zum Beispiel: Roteiro da viagem de Vasco da Gama em 1497. -- Fassung vom 2008-06-08. -- http://www.payer.de/quellenkunde/quellen1501a.htm                

Erstmals publiziert als:

Hümmerich, Franz <1868 - >: Vasco da Gama und die Entdeckung des Seewegs nach Ostindien ; auf Grund neuer Quellenuntersuchgen dargest. -- München: C. H. Beck, 1898. -- XIV, 203 S. ; 24 cm. -- S. 168 - 189

Erstmals hier publiziert: 2008-06-08

Überarbeitungen:

Anlass: Lehrveranstaltung FS 2008

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Abb.: Karte von Calicut
[Quelle: U.S. Army Map Service, 1955-, NC 43-3. -- Online: http://www.lib.utexas.edu/maps/ams/india/nc-43-03.jpg. -- Zugriff am 2008-06-08. -- Public domain]

37. Am Dienstag — es war der 24. besagten Monats — fuhren wir von hier [Malindi] weg mit dem Lotsen, den uns der König gab, nach einer Stadt, die Calicut [Kozhikode / കോഴിക്കോട്]  heißt; von selbiger Stadt hatte der König Kenntnis,1 und wir fuhren nach Osten, um sie zu erreichen. Und hier läuft die Küste nach Nord und Süd, dieweil das Land hier eine riesige Einbuchtung macht und eine Meerenge; und in selbiger Einbuchtung gibt es, wie wir hörten, viele Städte von Christen und Mauren und eine Stadt, die Cambaya [Khambhat] heißt, und sechshundert Inseln, die man kennt, und wo das rote Meer ist und das Haus von Mekka. Und am folgenden Sonntag kam wieder der Polarstern in Sicht, den wir seit langem nicht mehr gesehen hatten, und an einem Freitag — es war der 17. Mai2 — sahen wir ein hohes Land, und es war dreiundzwanzig Tage her, dass wir kein Land gesehen hatten, obwohl wir immer in diesen Tagen vor dem Wind gingen, so dass das Mindeste, was wir bei dieser Überfahrt machen konnten, sechshundert Leguas [1 Légua antiga  = 6179,74 m] wären. Und es mochte von uns bis zum Lande zu der Zeit, wo wir selbiges sahen, acht Leguas sein, und daselbst warf man das Senkblei und fand fünfundvierzig Faden, und selbige Nacht machten wir Fahrt nach Südsüdost, um uns von der Küste zu entfernen, und am folgenden Tag fuhren wir, um sie zu erreichen, und kamen ihr doch nicht so nah, dass der Lotse das Land sicher erkennen konnte, und das wegen der vielen Regengüsse und Gewitter, die es in selbigem Land und auf selbiger Fahrt und Küste gab, wo wir fuhren. Und am Sonntag fuhren wir nah an Gebirgen vorbei, die oberhalb der Stadt Calicut liegen, und fuhren an selbige so nah heran, bis dass der Lotse, den wir an Bord hatten, sie erkannte und sagte, dass dies das Land wäre, wo wir hinwollten. Und an selbigem Tag kamen wir nachmittags zu ankern, zwei Leguas unterhalb selbiger Stadt Calicut, und das, weil es dem Lotsen wegen einer Stadt, die dort lag, und die [S. 169] Capuá heißt,3 schien, als ob es Calicut wäre, und unterhalb selbiger Stadt4 liegt eine andere, die Pandarane heißt, und wir warfen längs der Küste Anker, ungefähr anderthalb Leguas vom Lande entfernt. Und nachdem wir so vor Anker lagen, kamen vom Lande vier Barken auf uns zu, und selbige kamen, um zu erfahren, wer wir wären, und nannten und zeigten uns Calicut. Und desgleichen am anderen Tage kamen wieder selbige Barken zu unseren Schiffen, und der Kommandant schickte einen der Verbannten nach Calicut, und die, mit denen er fuhr, führten ihn hin, wo zwei Mauren von Tunis wohnten, die kastilianisch und genuesisch sprechen konnten, und der erste Gruß, den sie ihm zuriefen, war der: "Hol dich der Teufel! Wer hat dich hierher gebracht?" Und sie fragten, was wir so weit in der Ferne suchten, und er antwortete ihnen: "Wir kommen Christen und Gewürze suchen." Sie sagten zu ihm: "Warum schickt der König von Kastilien nicht her und der König von Frankreich und die Signoria von Venedig?" Und er gab ihnen zur Antwort, dass der König von Portugal es nicht leiden wolle, dass sie herschickten, und sie sagten, dass er gut daran täte. Dann bewirteten sie ihn und gaben ihm Weizenbrot mit Honig zu essen, und nachdem er gegessen hatte, kam er zurück zu den Schiffen, und mit ihm kam einer von besagten Mauren,5 und als selbiger an Bord trat, waren seine ersten Worte: "Willkommen, willkommen! Viel Rubinen, viel Smaragden! Danket Gott auf den Knien, dass er euch in ein Land gebracht hat, wo des Reichtums so viel ist!" Wir waren so überrascht, dass wir ihn sprechen hörten und doch nicht glauben wollten, dass es so weit von Portugal einen Menschen geben könnte, der unsere Sprache verstände.

1 Durch Pedro de Covilhão, der 1487 im Auftrag Joãos II die Handelsstädte von Malabar besucht hatte (Barros, Dec. I, Liv. III, c. V).

2 Freitag war der 18. des Monats.

3 Der Ort wird sonst Capocate genannt, so bei Castanheda, Hist. do descobr., Liv. I. c. XIII, und Correa, Lendas, Bd. I, S.71. So heißt er auch auf den Karten. Er liegt nördlich von Calicut.

4 Also noch weiter nördlich als Capocate.

5 Moncaide nennen ihn die Historiker.

38. Besagte Stadt Calicut ist christlich; selbige Christen sind Menschen von brauner Farbe, und ein Teil von ihnen geht mit großem Bart und langem Haar, und andere tragen das Haar kurz geschnitten und andere glatt abgeschoren und tragen auf dem Wirbel Haarbüschel1 zum Zeichen, dass sie Christen sind, und dazu Schnurrbärte, und sie tragen die Ohren durchbohrt und viel Gold darin und gehen vom Gürtel nach oben nackt, und nach unten tragen sie sehr feine Baumwollentücher, und die so gekleidet gehen, sind die Angesehensten, indem dass die anderen sich kleiden, wie sie können. Die Frauen in selbigem Land sind im allgemeinen hässlich und klein von Gestalt und tragen am Halse viel Goldschmuck und an den Armen viele Armbänder, und an den Zehen tragen sie Ringe mit kostbaren Steinen. Alle diese Leute sind von gutmütigem Charakter und weicher Gemütsart, nach dem Schein zu urteilen, und sind Menschen, die nach dem ersten Eindruck wenig wissen, und sie sind sehr lüstern.

1 Das Kondubi. Vgl. die Bilder bei van Linschoten, Reysgeschrift u. s. w.

39. Zu der Zeit, wo wir in selbiger Stadt Calicut ankamen, hielt sich der König fünfzehn Leguas1 entfernt von dort auf, und der Kommandant schickte ihm dahin zwei Leute, durch die er ihm sagen ließ, dass ein Gesandter des Königs von Portugal da sei, und dass er Briefe von selbigem zu überbringen habe, und dass, wenn er befehle, dass er sie ihm dahin bringen würde, wo er wäre. Und als selbiger König besagte Meldung von dem Kommandanten erhielt, belohnte er die Leute, die sie ihm überbrachten, mit sehr guten Tuchstoffen. Und er ließ ihm sagen, dass er sehr willkommen sei, und dass er sogleich nach Calicut kommen würde, wie er denn [S. 170] auch wirklich sogleich, mit vielem Volk hinter sich her, nach Calicut aufbrach. Und er schickte uns durch besagte zwei Leute einen Lotsen, der uns zu einem Orte bringen sollte, der Pandarane heißt, unterhalb der Stelle, wo wir das erste Mal Anker geworfen hatten, während wir jetzt vor der Stadt Calicut lagen, weil es dort einen guten Hafen gäbe, und dass wir dort vor Anker gehen sollten, weil dort, wo wir lägen, schlechter Hafen und felsiger Grund wäre, wie es in der Tat auch war, und dass die Schiffe, die nach selbigem Lande kämen, gewöhnlich dort ankerten, weil sie dort sicher wären. Und der Kommandant befahl auf diese Botschaft vom König hin, und weil wir auch nicht gut lagen, dass wir sogleich unter Segel gingen, und wir machten uns auf, in selbigem Hafen zu ankern. Und wir fuhren nicht soweit hinein, wie der Lotse, den uns der König schickte, gewollt hätte. Und nachdem wir in besagtem Hafen angelegt und uns verankert hatten, kam Nachricht vom König, dass er schon dort in der Stadt wäre, und er schickte einen Mann, der Bale heißt — selbiger ist wie ein Burghauptmann, dieweil er beständig zweihundert Mann mit sich führte, die mit Schwertern und kleinen Schilden bewaffnet sind — selbigen schickte er nach besagter Stadt Pandarane, um mit dem Kommandanten dahin zu gehen, wo der König sich befand, und noch andere vornehme Würdenträger. Und an dem Tag, wo die Nachricht kam, war es schon spät, und der Kommandant wollte nicht mehr aufbrechen. Und am anderen Morgen — es war Montag den 28. Mai — ging der Kommandant, um mit dem König zu sprechen, und nahm dreizehn von seinen Leuten mit, und unter selbigen war auch ich. Und wir gingen alle sehr schön angezogen und nahmen Bombarden in den Booten mit und Trompeten und viele Flaggen, und als der Kommandant an Land kam, war besagter Burghauptmann zur Stelle mit vielen Bewaffneten bei sich und anderen ohne Waffen, und selbige empfingen den Kommandanten mit vieler Freude und Gastlichkeit, wie Leute, die sich freuten uns zu sehen. Und selbige sind gleich im Augenblick schlagfertig, dieweil sie besagte Waffen gezogen in den Händen tragen. Dort brachten sie dem Kommandanten eine Sänfte für Männer, worin hierzulande die vornehmen Leute sich tragen lassen, und Kaufleute müssen, wenn sie selbige haben wollen, eine bestimmte Abgabe dafür an den König bezahlen. Und der Kommandant setzte sich hinein, und es trugen ihn abwechselnd sechs Menschen, und wir machten uns mit all diesen Leuten hinter uns drein nach Calicut auf, und von hier1 gingen wir nach einer Stadt, die Capuá heißt. Dort brachte man den Kommandanten zur Rast in das Haus eines angesehenen Mannes, und sie ließen für uns Essen herrichten, und es war Reis mit viel Butter und sehr guter gekochter Fisch. Und der Kommandant wollte hier nicht essen, und nachdem wir anderen gegessen hatten, schiffte der Kommandant sich auf einem Flusse ein, der nahe hier vorbeifloss, und selbiger geht zwischen Meer und Festland die Küste entlang. Und es waren zwei Barken, worin wir uns einschifften, und selbige waren miteinander verkoppelt, damit wir zusammenfahren könnten, außer vielen anderen Barken, worin viel anderes Volk fuhr. Von dem, was am Lande herlief, rede ich schon gar nicht; es war zahllos; und das kam all nur, um uns zu sehen; und auf besagtem Fluss mögen wir ungefähr eine Legua gefahren sein, und wir sahen dort viel plumpe und große Schiffe; selbige waren auf trockenes Land gezogen, in Anbetracht des Hafens, den es hier nicht gibt. Und nachdem wir wieder gelandet waren, kehrte der Kommandant in seine Sänfte zurück, und wir gingen unseres Weges, und die [S. 171] Menschen waren so massenhaft, die kamen, um uns zu sehen, dass ich sie nicht zählen konnte. Und so wie die Frauen aus den Häusern herauskamen, mit den Kindern auf dem Arm, so liefen sie hinter uns drein. Hier nahmen sie uns mit zu einer großen Kirche, in der folgende Dinge waren:

1 Vgl. oben S. 42, Anm. 4.

2 d. h. von Pandarane.

40. Zunächst der Gesamtbau der Kirche ist von der Größe eines Klosters, ganz aus behauenem Stein erbaut, mit Ziegeln gedeckt, und hatte an dem Haupteingang eine Bronzesäule von der Höhe eines Mastes, und oben auf selbiger Säule ist ein Vogel, der ein Hahn zu sein scheint, und noch eine andere Säule von Manneshöhe und sehr dick. Und mitten im Kirchenraum ist eine Kapelle ganz von behauenem Stein, und selbige hatte eine Tür, so groß, dass gerade ein Mensch darin Platz hatte, und eine steinerne Treppe, auf der man zu selbiger Tür hinaufstieg, und selbige Tür war von Bronze, und innen drin war ein kleines Bild, von dem sie sagten, dass es die Mutter Gottes sei, und vor dem Haupteingang der Kirche längs der Wand waren sieben kleine Grabmäler.1 Hier verrichtete der Kommandant sein Gebet und wir anderen mit ihm, und wir traten in besagter Kapelle nicht ins Innere hinein, weil es ihre Gewohnheit ist, nicht in selbige einzutreten, außer nur bestimmte Leute, die Kirchendienst tun; selbige nennen sie Quafees.2 Selbige Quafees tragen Schnüre über die Schulter — es ist die linke Schulter — und unter der Schulter des rechten Armes her, so wie die Diakonen die Stola tragen.3 Selbige spritzten Weihwasser auf uns; sie gaben einem eine weiße Erde, welche die Christen hierzulande gewöhnlich auf Stirn und Brust und um den Hals herum und auf die Ellbogen streichen.4 Selbige Zeremonie machten sie vollständig dem Kommandanten vor und gaben ihm selbige Erde, dass er sich damit bestreiche, und der Kommandant nahm sie und gab sie in Verwahr, wobei er zu verstehen gab, dass er sich später damit bestreichen würde. Und viele Heilige waren sonst noch an die Wände der Kirche gemalt; selbige hatten Heiligenscheine, und ihre Darstellung war fremdartig; denn die Zähne waren so groß, dass sie aus dem Munde einen Zoll hervorstanden, und jeder Heilige hatte vier oder fünf Arme;5 und unterhalb selbiger Kirche war ein großer [S. 172] Teich, der aus behauenen Steinen erbaut war6 wie viele andere, die wir auf dem Weg gesehen hatten.

1 Der Sinn der Stelle ist unsicher. Das "Wort campãa (= campa) kann "Glöckchen" bedeuten, aber auch "Grabstein"". Die portugiesischen Herausgeber halten, ohne indes einen Grund dafür anzugeben, die erste Deutung für wahrscheinlicher. Was mich zu der Übersetzung "Grabstein" veranlasst, ist der Umstand, dass der Venezianer Nicolo di Conti, der in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts fast ein Menschenleben im Osten verbracht hat, die Existenz von Glocken in den Tempeln von Indien diesseits des Ganges bestimmt verneint. (Vgl. Ramusio a. a. O., Ausgabe von 1563, S. 343 E.) Indien diesseits des Ganges müsste freilich auf Südindien beschränkt werden; denn für Gudscherat ist der Gebrauch von Glocken in den Pagoden bezeugt durch Duarte Barbosa, der im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts jene Gegenden bereist hat. Dass für Südindien die Angabe des Nicolo di Conti in der Tat stimmt, macht eine Stelle bei van Linschoten (Histoire de la Navig. c. 44) wahrscheinlich, wo er bei Erwähnung einer Glocke, die in einem Tempel der Coromandelküste in Gebrauch war, ausdrücklich bemerkt, die Priester hätten dieselben von Christen erhalten. Dass nun freilich die Angabe unseres Autors, wonach sich an jenem Tempel in Calicut Grabsteine befanden, richtig wäre, folgt daraus noch lange nicht. Was er in Wirklichkeit sah, beschreibt er nicht genauer; eine bestimmte Deutung vermag ich daher auch nicht zu geben.

2 Castanheda nennt sie Cafres und sagt, dass sie in den Tempeln von Malabar den Dienst der Priester taten. Wahrscheinlich ist auch in unserem Text Quafres zu lesen.

3 Es sind die bekannten Brahmanenschnüre. Vgl. Duarte Barbosa a.a.O., ferner Sonnerat, Voyage aux Indes orientales et à la Chine, Paris 1782, Bd. I, S. 47 f. und sonst.

4 Nach Castanheda wäre es geriebenes Sandelholz gewesen; Sonnerat (a. a. O. Bd. I, S. 46) sagt aber, dass mit Sandelholz nur das runde Zeichen auf der Stirn vor der Mittagsmahlzeit aufgetragen, und dass die hier beschriebene Einreibung mit Asche von Kuhmist vorgenommen werde. Aus dieser Stelle scheint mir übrigens hervorzugehen, dass es sich um einen Tempel der Śiva-Brahmanen handelt (Sonnerat a. a. O.).

5 Castanheda erzählt hier eine Anekdote von Joao de Sá, dem Schreiber der Raphael; derselbe habe sich, als er die Hässlichkeit der gemalten Götzen sah, auf den Knieten liegend, zum Kommandanten gekehrt und leise zu ihm gesagt: "Wenn das da Teufel sind, so bete ich hier zum wahren Gotte".

6 Das Wort "unterhalb" ist ähnlich zu verstehen wie oben S. 168, Kap. 37. Der Teich, der offenbar im heiligen Bezirk drinnen lag, findet sich bei den meisten Hindutempeln. Er dient den Waschungen und Bädern der Brahmanen sowie der Götterbilder. Vgl. Sonnerat a. a. O., S. 221.   

41. Und von hier gingen wir weiter, und beim Eintritt in die Stadt nahmen sie uns mit zu einer anderen, die dieselben oben aufgezählten Dinge enthielt. Hier wuchs die Menge von Menschen, die kamen, um uns zu sehen, derart, dass sie nicht Platz auf dem Weg fanden, und nachdem wir durch selbige Straße ein großes Stück gegangen waren, setzten sie den Kommandanten in einem Hause nieder und auch uns andere mit ihm, wegen der Masse Volkes. Hierher schickte der König, welcher Herr in diesem Lande war, einen Bruder des Bale, und selbiger kam, um mit dem Kommandanten zu gehen, und er brachte viele Trommler und Trompeter und Schalmeienbläser mit und einen Flintenschützen, und der ging, immer schießend, vor uns her, und so trugen sie den Kommandanten mit einer Ehrfurcht, so groß und noch größer als wie sie in Spanien einem König erwiesen werden konnte. Und die Menge Volkes wahr unzählbar, und die Dächer und Häuser standen alle voll, gar nicht zu reden von der Menge, die auf einmal mit uns lief; unter der wenigstens zweitausend Bewaffnete waren. Und je näher wir dem Palaste kamen, wo der König war, umsomehr Volk strömte zu. Und als wir zu dem Palast kamen, erschienen bei dem Kommandanten viele vornehme Würdenträger und große Herren, außer vielen anderen, die schon mit ihm kamen, und es mochte mittags 1 Uhr sein. Als wir am Palaste anlangten, traten wir durch ein Thor in einen sehr großen Hof, und ehe wir bei dem Thore anlangten, wo der König war, kamen wir durch vier Thore, durch die wir uns mit Gewalt drängen mussten, indem wir den Leuten beständig Rippenstöße gaben, und als wir zum letzten Thor kamen, wo der König war, kam von drinnen ein kleiner alter Mann heraus, der eine Art Bischof ist, und der König richtet sich nach ihm in Kirchensachen;1 und selbiger umarmte den Kommandanten am Eingang besagten Tores, und hier am Eingang wurden Menschen verwundet, und wir kamen nur mit Anwendung aller Gewalt hinein.

1 Es ist der Hausbrahmane, der im Hofleben wie in den indischen Dramen eine vielfache Rolle spielt.

42. Der König befand sich in einem kleinen Hofe, rückwärts auf ein Ruhebett hingeworfen, das folgende Dinge enthielt: Eine Decke von grünem Sammet unten und oben darauf ein sehr gutes Kissen und auf dem Kissen ein Baumwollenstoff, sehr weiß und fein, mehr als irgend einer von Leinen, und desgleichen hatte es Polster dieser Art. Und er hatte zur linken Hand ein sehr großes Gefäß von Gold, in der Höhe eines Topfes von ½ Almude [1 Almude = 0,7 Liter], und es war an der Mündung zwei Spannen breit, und es war sehr massiv, wie es schien, und in selbigen Krug spie er die Reste von Kräutern, die die Menschen hierzulande in der Hitze kauen, und selbiges Kraut nennen sie Atambor.1 Und auf der rechten Seite stand ein goldenes Gefäß, soweit ein Mann mit dem Arme reichen konnte, und darin waren besagte [S. 173] Kräuter, und viele Kannen von Silber, und der Himmel oben war ganz vergoldet. Und sobald der Kommandant eintrat, machte er dem König seine Reverenz nach Landesbrauch; selbige ist die Hände ineinanderzulegen und sie zum Himmel aufzuheben, wie die Christen sie gewohnt sind zu Gott zu erheben, und indem sie sie erheben, nehmen sie sie auseinander und schließen die Faust sehr rasch. Und er machte dem Kommandanten mit der rechten Hand ein Zeichen, dass er unten an selbige Estrade kommen solle, wo er sich befand; aber der Kommandant kam ihm nicht nahe, weil die Sitte des Landes ist, dass kein Mensch dem König nahekommt; nur einer seiner Vertrauten kam ihm nahe, der ihm selbige Kräuter gab, und wenn irgend ein Mensch zu ihm spricht, hält selbiger die Hand vor den Mund und steht von ferne. Sobald er dem Kommandanten ein Zeichen gemacht hatte, sah er auf uns andere und befahl, dass wir uns auf eine Bank in seiner Nähe setzen sollten, dafür dass er uns stehen sah, und befahl uns Waschwasser für die Hände zu geben und befahl uns eine Frucht zu bringen, die wie Melonen aussieht, nur dass sie außen rau sind,2 und ebenso befahl er uns eine andere Frucht zu bringen, die wie Feigen ist und sehr gut schmeckt, und wir hatten Leute, die uns selbige zurechtmachten, und der König sah unterdessen zu, wie wir aßen, und lachte zu uns herüber3 und sprach mit selbigem Vertrauten, der an seiner Seite stand und ihm besagte Kräuter zu kauen gab. Und danach sah er den Kommandanten an, der ihm gegenüber saß, und sagte ihm, dass er mit den Leuten, die um ihn waren, sprechen sollte, die hoch in Ehren standen, und dass er selbigen sagen sollte, was er wolle, und dass selbige es ihm sagen würden. Der Kommandant antwortete, dass er Botschafter des Königs von Portugal sei, und dass er ihm eine Botschaft überbringe, und dass er selbige nicht ausrichten würde außer nur ihm. Der König sagte, dass es ganz recht so sei, und ließ ihn sogleich drinnen in ein Gemach führen, und als er darinnen war, erhob sich der König auch von da, wo er war, und ging zu dem Kommandanten, und wir blieben an besagtem Platz. Das mochte so um Sonnenuntergang sein. Und sobald der König sich erhob, kam ein alter Mann, der in selbigem Hof innen war, und hob das Ruhebett auf, und das Silbergerät blieb da.

1 Nach der höchst unwahrscheinlichen Deutung von Berjeau (Calcoen, A Dutch narrative of the second voyage of Vasco da Gama, London  1874, Einl. S. 6) soll atambor eine Verderbnis von tombuldar sein, dem Namen des Pagen, der die Betelbüchse trug. Die richtige Deutung gibt Duarte  Barbosa (a.a.O., S. 286) an die Hand, wenn er sagt, dass im Arabischen der Name für Betel tambul (von skt. tāmbūla) laute. Dass ul im Auslaut zu or wird, ist eine auch sonst vorkommende  Erscheinung (z. B. Mogor = Mogul).

2 Offenbar die Brotfrucht; als solche bezeichnet sie Castanheda.

3 Castanheda erzählt dazu eine Anekdote. Die Entdecker hatten erfahren, dass es nach der Landessitte nicht für anständig galt, beim Trinken den Rand des Gefäßes an die Lippen zu bringen. Sie versuchten daher nach indischer Art das Wasser von oben herunter in den Mund zu gießen, wobei es dem einen in die Luftröhre kam und ihn zum Husten brachte, während der andere es sich ins Gesicht und über die Kleider goss, was die , Heiterkeit des Raja erregte. Diese Sitte des Trinkens hat sich übrigens bei den Portugiesen in Indien eingebürgert. Vgl. darüber van Linschoten, Histoire de la Navigation, c. 31.

43. Als der König dahin kam, wo der Kommandant war, warf er sich auf ein anderes Ruhebett, auf dem viele golddurchwirkte Stoffe lagen, und fragte den Kommandanten, was er wolle. Und der Kommandant sagte ihm, dass er Gesandter eines Königs von Portugal wäre, der Herr über große Länderstrecken sei und sehr reich in jeder Hinsicht, mehr als irgend ein König in jenen Gegenden, und dass seit sechzig Jahren die Könige, seine Vorgänger, jedes Jahr Schiffe auf Entdeckungen ausschickten nach diesen Gegenden, dieweil sie wüssten, dass es in selbigen Gegenden christliche Könige gebe wie sie, und dass sie deswegen befohlen hätten selbiges Land zu entdecken und nicht, weil sie Gold oder Silber brauchten, dieweil sie das so im Überfluss hätten, dass sie es nicht aus selbigem Lande zu holen brauchten. Besagte Kapitäne wären gefahren und gefahren, ein Jahr und zwei, bis ihnen der Mundvorrat ausgegangen sei, und wären, ohne etwas zu finden, nach Portugal zurückgekehrt. [S. 174] Und dass jetzt ein König, der D. Manoel heiße, ihm selbige drei Schiffe habe bauen lassen und ihn als Kommandanten derselben abgeschickt habe und ihm gesagt, dass er nicht nach Portugal zurückkehren solle, bis er ihm nicht selbigen König der Christen entdeckt habe, und dass, wenn er so zurückkehre, dass er ihm den Kopf abschlagen würde, und dass, wenn er ihn fände, dass er ihm dann zwei Briefe übergeben solle, und selbige Briefe werde er ihm am anderen Tage geben, und dass er ihm so mündlich sagen lasse, dass er sein Bruder und Freund sei. Der König antwortete darauf und sagte, dass er willkommen sei, und dass auch er selbigen für einen Bruder und Freund ansehen und dass er ihm Gesandte nach Portugal mitschicken wolle, worauf ihm der Kommandant erwiderte, dass er ihn auch um diese Gnade bitte, dieweil er nicht wagen würde vor dem König, seinem Herrn, zu erscheinen, wenn er nicht einige Leute aus seinem Lande mitbrächte. Diese und noch viele andere Dinge sprachen die beiden drinnen in besagtem Zimmer, und dieweil es schon tief in der Nacht war, sagte der König zu ihm, bei wem er Quartier nehmen wolle, ob bei Christen oder bei Mauren. Und der Kommandant antwortete ihm, weder bei Christen noch bei Mauren, und dass er ihn um die Gnade bäte, ihm ein Quartier für sich geben zu lassen, worin niemand wohne. Und der König sagte, dass er es so befehlen würde, und damit verabschiedete sich der Kommandant vom König und kam wieder zu uns zurück, wo wir untergebracht waren, in einer Veranda, wo ein großer Bronzeleuchter stand, der uns Licht gab, und das mochte 4 Uhr morgens sein. Darauf machten wir uns alle mit dem Kommandanten auf den Weg zum Quartier, und es lief eine Menge Volkes, unzählig, mit uns, und es regnete dermaßen in Strömen, dass die Strassen überschwemmt waren, und der Kommandant wurde von sechs Leuten getragen, und wir gingen so endlos lang durch die Stadt, dass der Kommandant es müde wurde und sich bei einem angesehenen Mauren beschwerte, der Haushofmeister des Königs ist; selbiger aber ging mit ihm, um ihn zum Quartier zu bringen. Und der Maure nahm ihn mit in sein Haus, in einen Hof, der innen drin war; und dort war eine mit Ziegeln gedeckte Estrade, worin viele Teppiche ausgebreitet waren, und zwei Leuchter wie die des Königs, sehr groß, und darauf standen angezündet große eiserne Lampen mit Öl oder Butter, und es waren vier Dochte in jeder Lampe, die viel Licht gaben, und selbige Lampen tragen sie gewöhnlich auch als Fackeln. Und besagter Maure ließ ein Pferd herbringen, damit der Kommandant zu seinem Quartier ritte; und es kam ohne Sattel. Und der Kommandant wollte nicht reiten, und so machten wir uns wieder auf den Weg zum Quartier, und dort waren, als wir ankamen, schon einige von unseren Leuten mit dem Bett des Kommandanten und vielen anderen Dingen, die der Kommandant mitbrachte, womit er dem König ein Geschenk machen wollte.

44. Und am Dienstag hatte der Kommandant folgende Dinge bereit, um sie dem König zu schicken, nämlich: zwölf Stück gestreiften Baumwollenstoffes und vier Kapuzen von Scharlach und sechs Hüte und vier Korallenzweige und einen Ballen Metallbecken, worin sechs Stück waren, und eine Kiste Zucker und vier gefüllte Fässchen, zwei voll Olivenöl und zwei voll Honig. Und dieweil es hier Sitte ist, dass man dem König nichts bringt, ohne es zuerst besagten Mauren, seinen Haushofmeister, wissen zu lassen und dann den Bale, und dieweil der Kommandant es diese wissen ließ, so kamen sie und fingen an über besagtes Geschenk zu lachen und sagten, dass das nichts wäre, um es dem König zu schicken; dass der ärmste Kaufmann, der von Mekka käme, oder ein Inder mehr als das gäbe, und dass, wenn er ihm ein Geschenk machen wolle, dass er ihm irgendwelches Gold schicken [S. 175] solle, dieweil der König dies nicht nehmen würde. Und als der Kommandant das so sah, wurde er ärgerlich und sagte, dass er kein Gold mit sich führe, und ferner, dass er kein Kaufmann, sondern dass er Gesandter sei, und dass er von dem, was er mitführe, von dem ihm gebe; dies sei aber von seinem Gut, nicht von dem des Königs, und dass der König von Portugal, wenn er wieder herschicke, ihm viele andere und viel wertvollere Geschenke schicken würde, und dass, wenn der König Çamolim dies nicht wolle, dass er es an Bord zurückschicken würde: und sie sagten, dass sie selbst es ihm nicht bringen würden noch zugeben könnten, dass man es ihm überhaupt brächte. Und nachdem sie gegangen waren, kamen maurische Kaufleute von dort, und alle sprachen mit Verachtung von besagtem Geschenk, das der Kommandant dem König schicken wollte.

45. Angesichts ihrer Entscheidung, dass er selbiges Geschenk nun nicht mehr schicken konnte, sagte der Kommandant: Da sie nicht wollten, dass er dies Geschenk dem König schicke, so wolle er gehen und mit ihm sprechen, und dann wolle er zu seinen Schiffen zurückkehren, und sie sagten, dass es recht so sei, und dass er sich ein wenig gedulden solle, und dass sie sogleich zu ihm zurückkehren würden, und dass sie dann mit ihm nach dem Palaste gehen würden. Und der Kommandant wartete und wartete selbigen ganzen Tag auf sie, und sie kamen nicht mehr zurück. Und während der Kommandant so saß, voll Zorn darüber, dass er sich unter so phlegmatischen und unzuverlässigen Menschen sah, hätte er Lust gehabt ohne sie zum Palast zu gehen, aber dann hielt er es doch für besser, bis zum anderen Tag zu warten. Und bei all dem hörten wir nicht auf uns die Langeweile zu vertreiben und sangen und tanzten zu den Trompeten und machten uns alles mögliche Vergnügen. Und als es Mittwoch wurde, da kamen morgens die Mauren und holten den Kommandanten zum Palast ab und uns andere mit, und im Palast gingen viele Bewaffnete hin und her, und der Kommandant stand mit denen, die ihn abgeholt hatten, vier starke Stunden vor einem Thor, das man ihnen nicht öffnete, bis der König ihnen sagen ließ, dass sie hereinkommen sollten, und dass er nicht mehr als zwei Leute mitnehmen dürfe; er solle zusehen, wen er mitnehmen wolle. Und der Kommandant sagte, dass er wolle, dass Fernão Martins mit ihm einträte, der die Sprache verstand, und sein Schreiber, obwohl es ihm und uns anderen schien, dass diese Trennung nicht gut sei. Und als er vor dem König stand, sagte selbiger zu ihm, dass er am Dienstag erwartet habe, dass er ihn besuchen würde, und der Kommandant sagte, dass er müde von dem Weg zurückgekehrt sei und darum nicht gekommen ihn zu besuchen. Der König sagte darauf, dass er ihm gesagt habe, er sei aus einem sehr reichen Lande, und dass er ihm nichts mitgebracht habe, und dass er ihm desgleichen gesagt habe, er brächte ihm einen Brief, und dass er ihm selbigen nicht abgebe. Der Kommandant antwortete darauf, dass er nichts für ihn mitgebracht habe, weil er nur gekommen sei, um zu sehen und zu entdecken, und dass, wenn andere Schiffe wieder hierher kämen, er sehen würde, was sie ihm mitbrächten; und was der Brief anlange, von dem er ihm gesagt habe, dass er ihn überbringe, so sei das Wahrheit, und er werde ihm selbigen sogleich übergeben.

46. Und darauf sagte der König, was er zu entdecken käme, Steine oder Menschen; und wenn er gekommen sei, um Menschen zu entdecken, wie er sage, warum er nicht etwas mitbrächte. Und dann, dass man ihm gesagt hätte, dass er eine Mutter Gottes von Gold mitführe. Der Kommandant antwortete darauf, dass die Mutter Gottes, die er mitführe, nicht von Gold sei, und wenn sie auch von Gold [S. 176] wäre, dass er sie ihm nicht geben würde, dieweil sie ihn über's Meer geleite und zu seinem Land gebracht hätte. Darauf sagte der König, dass er ihm den Brief geben solle, den er mitbringe. Der Kommandant sagte, dass er ihn um die Gnade bitte, dieweil die Mauren ihm übelwollten und nur das Entgegengesetzte sagen würden, dass er einen Christen rufen lasse, der das maurische Arabisch spräche. Der König sagte, dass es recht sei, und ließ gleich einen jungen Menschen von kleiner Gestalt holen, den sie Quaram1 nannten, und der Kommandant sagte, dass er zwei Briefe mitbrächte; einer sei in seiner Sprache geschrieben und der andere in Maurisch, und den, der in seiner Sprache geschrieben sei, den verstehe er sehr gut, und davon wisse er, dass er sehr gut sei, und den anderen den verstehe er nicht, und da könne ebenso leicht wie er gut sein könne, auch irgend etwas Falsches darin stehen; und dieweil der Christ nicht Maurisch lesen konnte, nahmen vier Mauren den Brief und lasen ihn unter sich, und dann kamen sie und lasen ihn dem König vor; von selbigem Brief war der König sehr befriedigt und fragte den Kommandanten, was für Waren es in seinem Land gebe. Der Kommandant sagte, dass es viel Getreide gebe, viele Tuchstoffe, viel Eisen, viel Bronze, und so nannte er noch vieles andere. Der König fragte ihn, ob er irgend eine Ware mitbringe. Er sagte, dass er von allem etwas als Muster mitbringe, und dass er ihm Erlaubnis geben möchte zu den Schiffen zu gehen und sie ausladen zu lassen, und dass vier oder fünf Mann im Absteigequartier bleiben würden. Der König sagte Nein: er solle gehen, solle alle seine Leute mitnehmen und solle seine Schiffe gut verankern lassen und solle seine Ware an Land bringen und solle sie verkaufen, so gut wie er könne. Und nachdem er sich vom König verabschiedet hattet, kehrte der Kommandant in das Absteigequartier zurück und wir anderen mit ihm, und dieweil es schon spät war, nahm der Kommandant sich nicht mehr die Mühe, es zu verlassen.

1 Vgl. oben S. 47, Anm. 2.

47. Und als es Donnerstag Morgen wurde, brachte man dem Kommandanten ein Pferd ohne Sattel, und der Kommandant wollte nicht darauf reiten und sagte, sie sollten ihm ein Pferd nach Landesart bringen — das sind die Sänften — weil er auf einem Pferd ohne Sattel nicht reiten würde. Darauf brachten sie ihn zum Hause eines sehr reichen Kaufmanns, der Guzerate1 heißt, und selbiger ließ eine solche Sänfte bereit machen, und sobald sie bereit war, machte sich der Kommandant darin sogleich mit vielem Volk auf den Weg nach Pandarane, wo die Schiffe lagen, und wir anderen konnten nicht mitkommen und blieben weit zurück. Und dieweil wir so des Weges gingen, kam der Bale des Weges und eilte an uns vorüber und ging hin, wo der Kommandant war, und wir anderen verfehlten den Weg und gerieten weit ins Land hinein. Und besagter Bale schickte einen Mann hinter uns her, der uns den Weg zeigte. Und als wir in Pandarane ankamen, fanden wir den Kommandanten in einer Herberge, deren es hier an den Wegen viele gab, damit die Reisenden und Fußgänger sich vor den Regengüssen flüchten können. Bei besagtem Kommandanten war der Bale und viel Volks außerdem, und als wir ankamen, sagte der Kommandant dem Bale, dass er ihm ein Boot solle geben lassen, damit wir nach den Schiffen fahren könnten, und er und die anderen erklärten, dass es schon spät sei, wie es denn wirklich schon nach Sonnenuntergang war, und dass er am nächsten Tag fahren könne. Und der Kommandant erklärte, dass, wenn sie ihm nicht sofort ein Boot gäben, dass er dann zum König zurückkehren würde, weil selbiger ihm befohlen habe zu den Schiffen zurückzukehren, und dass sie ihn nur [S. 177] hinhalten wollten, und dass das schlecht von ihnen gehandelt sei, dieweil er Christ wäre wie sie. Und da sie sahen, dass der Kommandant zornig war, sagten sie ihm, dass er nur gehen solle, und dass sie ihm dreißig Boote geben wollten, wenn er so viel brauche. Dann führten sie uns am Strande hin, und der Kommandant, dem das gefährlich schien, schickte drei Leute voraus mit dem Befehl, wenn sie die Boote von den Schiffen fänden und sein Bruder da sei, dass er sich in Sicherheit bringen solle. Selbige gingen und fanden nichts und kehrten um, und uns führten sie nach einer anderen Seite, und wir konnten uns nicht wiederfinden. Danach führten sie uns zum Haus eines Mauren, dieweil es schon tief in der Nacht war, und als wir dort ankamen, sagten sie, dass sie auf die Suche nach den drei Leuten gehen wollten, die nicht mehr zu uns zurückgekommen waren, und sobald sie fort waren, befahl der Kommandant viele Hühner zu kaufen und viel Reis, und wir aßen, obgleich wir sehr müde von dem Laufen während des ganzen Tages waren. Und sie kamen, nachdem sie einmal fort waren, erst am Morgen wieder. Und der Kommandant sagte, dass nach seiner Meinung die Leute gutmütig seien, und wenn sie uns am vorhergehenden Abend nicht hätten gehen lassen, so hätten sie das getan, weil sie glaubten damit etwas Gutes zu tun; trotzdem hatten wir alle sie in schlimmem Verdacht, und sie schienen uns böse darüber, dass wir schon die anderen Tage in Calicut gewesen waren.

1 Ist natürlich kein Eigenname, sondern bezeichnet einen Gudscheraten.

48. Und als sie am andern Tag kamen, sagte der Kommandant, dass sie ihm Barken geben sollten, um zu seinen Schiffen zu fahren, und sie fingen alle an miteinander zu munkeln und sagten, dass er seine Schiffe näher an Land solle kommen lassen, und dass er dann zu seinen Schiffen fahren könne. Der Kommandant sagte, wenn er die Schiffe wolle kommen lassen, dass dann sein Bruder glauben würde, sie hielten ihn gefangen und nötigten ihn mit Gewalt dies zu tun, und dass er dann die Segel aufspannen und nach Portugal zurückkehren würde. Sie erklärten, wenn er die Schiffe nicht nahe an Land kommen ließe, dass er dann nicht auf andere Art auf selbige zurückkehren dürfe. Darauf erklärte der Kommandant, dass der König Çamolim ihn zu seinen Schiffen geschickt habe, und da sie ihn nicht wollten gehen lassen, wie der König befohlen habe, dass er zu selbigem zurückgehen würde, und dass selbiger Christ sei wie er, und wenn er ihn nicht gehen ließe und wollte, dass er in seinem Lande bliebe, dass er es dann sehr gern tun würde. Sie sagten ja, er solle gehen, ließen es aber dann nicht zu. indem dass die Türen, wo wir waren, sogleich alle abgesperrt wurden und viel bewaffnetes Volk innen darin war, so dass keiner von uns hinaus konnte, ohne dass viele Menschen mitgingen. Und dann fingen sie wieder an zu drängen, dass wir ihnen die Segel und Steuerruder herausgeben sollten. Darauf erklärte der Kommandant, dass er ihnen nichts von all dem herausgeben würde, indem dass der König Çamolim ihn zu seinen Schiffen ohne jede Bedingung zurückgeschickt habe; sie sollten mit ihm machen, was sie wollten, er würde nichts davon herausgeben.

49. Während der Kommandant und wir andern alle recht traurig im Herzen waren, wenn wir auch nach außen hin so taten, als ob wir uns nichts aus dem machten, was sie ins Werk setzten, sagte der Kommandant, weil sie denn ihn schon nicht mehr an Bord wollten gehen lassen, sollten sie wenigstens seine Leute da gehen lassen, die vor Hunger hier stürben. Und sie sagten, dass selbige nur bleiben sollten, und wenn sie Hungers stürben, dass sie sich mit ihnen einigen sollten, [S. 178] dass sie darum nichts gäben. Und während wir so saßen, kam einer von den Leuten, die sich am Abend vorher verloren hatten, und sagte dem Kommandanten, das Nicolao Coelho seit dem Abend vorher mit den Booten an Land sei und auf ihn warte. Und sowie er das erfuhr, schickte der Kommandant einen Mann so heimlich wie möglich ab, und das mit größter List, dieweil wir viele Wachen über uns hatten, um dem Nicolao Coelho zu sagen, dass er sogleich von dort abfahren und zu den Schiffen gehen solle, und dass selbige in Verteidigungszustand gesetzt werden sollten. Als selbige Botschaft an Nicolao Coelho gelangte, fuhr er eiligst ab, und sobald er abfuhr, wurden diejenigen, die uns bewachten, benachrichtigt, und in größter Eile machten sie eine Menge Boote klar und fuhren ein Stück hinter ihm her, und als sie sahen, dass sie selbige nicht einholen konnten, kehrten sie dahin zurück, wo der Kommandant war, und sagten ihm, er solle einen Brief an seinen Bruder schreiben, dass er die Schiffe näher an das Ufer brächte, und dass er mehr in den Hafen hereinkäme. Der Kommandant sagte, dass er damit völlig einverstanden sei, dass aber sein Bruder es nicht tun würde; und wenn er es wolle und einwillige es zu tun, so würden diejenigen, die mit ihm führen, nicht einwilligen und keine Lust haben zu sterben, und sie sagten zu ihm, wozu das alles sei: sie wüssten recht gut, dass, wenn er es befehle, dass dann geschehe, was er wolle.

50. Der Kommandant wollte die Schiffe nicht weiter in den Hafen hereinfahren lassen, dieweil es ihm schien und uns anderen ebenso, dass, wenn selbige weiter hereinführen, dass man sie dann wegnehmen könne, und dass man zuerst ihn töten würde und dann uns, die schon in ihrer Gewalt waren.

Diesen ganzen Tag schwebten wir so in Todesnot, wie ihr gesehen habt, und als es Nacht wurde, waren noch weit mehr Menschen um uns, die nicht wollten, dass wir in einem eingezäunten Raum wären, worin wir waren; und sie brachten uns in einem gepflasterten Hof unter und umgaben uns mit zahllosem Volk, und uns mitten dazwischen, und wir erwarteten, dass sie uns am anderen Tag voneinander trennen oder sonst irgend etwas mit uns machen würden, dieweil wir sahen, das sie erbittert gegen uns waren; trotzdem unterließen wir nicht sehr gut zu essen, soweit das in der Stadt zu haben war. In selbiger Nacht mochten uns mehr als hundert Menschen bewachen, alle bewaffnet mit Schwertern und Streitäxten und Schilden und Bogen und Pfeilen, und sie machten es so, dass, wenn die einen schliefen, die anderen wachten, und so wechselten sie sich die ganze Nacht ab.

51. Und als der andere Tag kam, — es war ein Samstag, der 2. Juni — da kamen besagte vornehme Herren morgens zu uns, und sie kamen schon mit freundlicherem Gesicht und sagten, da der Kommandant dem König gesagt habe, dass er seine Ware an Land bringen würde, so solle er sie ausladen lassen, dieweil es hierzulande Sitte sei, dass alle Schiffe, die dahin kämen, sogleich ihre Ware an Land brächten, und desgleichen die ganze Besatzung, und dass, ehe die Ware nicht vollständig verkauft sei, der Kaufmann nicht an Bord zurückkehre. Der Kommandant sagte ja, er wolle seinem Bruder schreiben, dass er sie ihm schicken solle, und sie sagten, es sei recht so, und sobald die Ware gekommen wäre, würden sie ihn sogleich an Bord gehen lassen. Sogleich schrieb der Kommandant an seinen Bruder, dass er ihm bestimmte Dinge schicken solle, und selbiger schickte sie sogleich. Und sowie sie selbige sahen, liessen sie ihn sogleich zu den Schiffen gehen, und es blieben zwei Leute damit an Land. Und wir waren alle glücklich, dass es so ausgegangen war, und dankten Gott inbrünstig, weil er uns den Händen dieser Menschen entrissen hatten, bei denen keine Vernunft Platz findet, wie wenn sie Tiere wären, [S. 179] dieweil wir wohl wussten, dass, wenn der Kommandant an Bord der Schiffe sei, dass sie dann, wenn auch ein anderer zurückbliebe, ihnen doch nichts tun würden. Selbiger wollte, sowie er an Bord war, für den Augenblick keine Ware weiter an Land schicken. Und fünf Tage darnach ließ der Kommandant dem König sagen, wie er ihn zu seinen Schiffen zurückgeschickt habe, und dass einige von seinen Leuten es nicht hätten erlauben wollen, und dass sie ihn unterwegs einen Tag und eine Nacht aufgehalten hätten, dass seine Ware bereits an Land gebracht sei, wie er befohlen habe, und dass die Mauren daherkämen und sie ihm im Preis drückten; er solle zusehen, was er in der Sache befehle, da er ihm sonst nichts von seiner Ware entrichten könne; dagegen stehe er mit seinen Schiffen ihm zu Diensten. Sogleich ließ der König sagen, dass diejenigen, die das getan hätten, schlechte Christen seien, und dass er sie bestrafen würde. Und er schickte sieben oder acht Kaufleute, um die Ware anzusehen, und damit sie nach Belieben davon kaufen sollten. Und außerdem schickte er einen angesehenen Würdenträger hin mit dem Haushofmeister, der dort bleiben sollte, und ließ sagen, wenn irgend ein Maure käme, so sollten sie ihn töten, ohne dafür irgendwie bestraft zu werden.

52. Besagte Kaufleute, die der König schickte, blieben ungefähr acht Tage an Ort und Stelle, und anstatt zu kaufen, drückten sie die Ware im Preis. Die Mauren kamen nicht mehr zu dem Haus, wo selbige Ware lag, und darüber waren sie so erbost auf uns, dass sie, so oft einer von uns an Land ging, weil sie glaubten, dass sie uns damit ärgerten, vor uns ausspuckten und "Portugal, Portugal" dazu sagten, obwohl sie doch von Anfang an gleich versucht hatten, wie sie uns alle gefangennehmen und töten könnten. Und als der Kommandant sah, dass die Ware hier nicht zu verkaufen war, ließ er es den König wissen und zugleich auch, dass er sie nach Calicut schicken wolle; er möchte zusehen, was er befehle. Als der König selbige Nachricht von dem Kommandanten erhielt, schickte er sogleich den Bale; er solle viele Leute nehmen, die die ganze Ware auf dem Rücken tragen könnten, und sie solle sogleich nach Calicut gebracht werden, und man solle selbige auf seine Kosten bezahlen, und dazu sagte er, dass nichts, was dem König von Portugal gehöre, in seinem Land Kosten tragen solle. Und bei all dem war die Absicht, uns Schlimmes zuzufügen wegen der schlechten Informationen, die er über uns hatte, dass wir Seeräuber wären und auf Raub ausgingen; trotzdem tat er all das in der Weise, wie ihr gesehen habt.

53. An einem Sonntag — es war Johanni, den 24. Juni —, ging die Ware nach Calicut, und während besagte Ware also dort lag, befahl der Kommandant, dass die ganze Mannschaft nach Calicut gehen solle, in der Weise: Von jedem Schiff sollte ein Mann gehen, und wenn selbige zurückkämen, sollten andere gehen, und in der Art könnten alle die Stadt sehen und jeder kaufen, was er wolle. Und selbige Leute wurden von der ganzen christlichen Bevölkerung sehr gut aufgenommen, und alle freuten sich, wenn einer in sein Haus zum Essen oder Übernachten kam, und selbigen gaben sie bereitwilligst von allem, was sie hatten. Und desgleichen kamen viele Leute an Bord der Schiffe, um Fisch für Brot zu verkaufen, und sie wurden sehr freundlich bei uns aufgenommen, und viele andere kamen mit ihren Kindern und kleinen Buben, und der Kommandant ließ ihnen zu essen geben. All das geschah, um Frieden und Freundschaft mit ihnen zu schließen, und damit sie gut von uns sprächen und nicht schlecht. Und es waren ihrer so viele, dass sie uns lästig wurden, dieweil es oft schon tiefe Nacht war und wir sie von Bord nicht wegbringen konnten. Und daran ist die Masse Menschen schuld, die es im Lande [S. 180] gibt, und die Lebensmittel, die sehr knapp sind; und wenn es sich einmal traf, dass ein paar von unseren Leuten gingen, um Segel auszubessern, und Zwieback mitnahmen, dann hängten sich soviele an sie, kleine Buben wie erwachsene Männer, dass man ihnen selbigen aus der Hand nahm und sie selber schließlich nichts davon zu essen bekamen. Wir kamen alle, soviel wir auf den Schiffen waren, zu zwei und zwei oder zu drei und drei an Land, und jeder nahm sich von dem, was er hatte, mit, also Armbänder und Kleider und Zinn und Hemden, jeder, wie er es hatte, und sie verkauften, wenn sie es auch nicht so gut verkauften, wie wir bei unserer Ankunft in Monçobiquy [Mosambik] gehofft hatten die Sachen loszuschlagen; denn ein sehr feines Hemd, das in Portugal dreihundert Real wert ist, gaben sie hier für zwei Fanão, die in selbigem Lande dreißig Real gelten; freilich ist der Wert von dreißig Real hierzulande hoch; und wie sie die Hemden billig gaben, so gaben sie auch die anderen Sachen billig, um irgend etwas aus selbigem Lande als Muster mitzunehmen. Und sie kauften von dem, womit man in der Stadt handelte, Gewürznelken und Zimt und Edelsteine, und nachdem so jeder gekauft hatte, was er wollte, kehrte er zu den Schiffen zurück, ohne dass irgend jemand ihm etwas in den Weg legte. Und als der Kommandant sah, dass dies Volk so gutmütig war, beschloss er in selbigem Lande einen Faktor zurückzulassen mit der Ware und einen Schreiber mit ihm und noch bestimmte Leute außerdem. Und als die Zeit nahe war, wo wir abfahren mussten. schickte der Kommandant ein Geschenk in Bernstein an den König und schickte ihm außerdem Korallen und noch vieles andere und ließ ihm sagen, dass er nach Portugal zurückkehren wolle; ob er einige Leute an den König von Portugal mitschicken wolle. Er werde einen Faktor hier lassen und einen Schreiber mit bestimmten anderen Leuten mit der Ware, und er schicke ihm selbiges Geschenk und bitte, dass er an den König, seinen Herrn, ein Bahar Zimt, dann eins von Gewürznelken und so von jedem anderen Gewürz, das er wolle, als Probe schicken möchte, und dass der Faktor Geld schaffen und es ihm, wenn er wolle, bezahlen werde.

54. Nachdem selbige Botschaft des Kommandanten hinkam, wo der König war, vergingen zuerst vier Tage, bevor er ihn sprechen konnte, und als derjenige, der selbige Botschaft überbrachte, eintrat, wo der König war, sah er ihn mit bösem Blick an und fragte ihn, was er wolle, und er richtete ihm den Auftrag des Kommandanten aus in der oben beschriebenen Art und sagte, dass er ihm besagtes Geschenk schicke. Der König sagte, dass man das, was er ihm bringe, an seinen Haushofmeister geben solle, und wollte es nicht ansehen. Und er erklärte, sie sollten dem Kommandanten sagen, da er abfahren wolle, dass er ihm erst sechshundert Scherafinen1 geben und dann abfahren solle, und dass es so Sitte des Landes sei und Sitte derjenigen, die dahin kämen. Darauf sagte Diogo Diaz. der besagte Botschaft überbrachte, dass er mit selbiger Antwort zu dem Kommandanten zurückkehren wolle. Und sobald er aufbrach, brachen bestimmte Leute mit ihm auf, und als sie zu dem Hause kamen, wo die Ware in Calicut lag, legten sie Leute zu ihnen hinein, die sie bewachten, dass sie nicht das Haus verließen, und desgleichen liessen sie sofort in der ganzen Stadt bekannt machen, dass keine Barke an Bord der Schiffe fahren sollte. Und sobald sie sahen, dass sie gefangen waren, schickten sie einen Negerbuben, der bei ihnen war. fort, dass er längs des Strandes sehen sollte, ob er einen fände, der ihn zu den Schiffen brächte, und dass er sagen [S. 181] solle, dass sie auf Befehl des Königs gefangen seien. Und selbiger ging an das Ende der Stadt, wo Fischer wohnten, und einer davon fuhr ihn für drei Fanão, und das, weil es tiefe Nacht zu werden anfing, und man sie von der Stadt aus nicht sehen konnte, und sobald man ihn an Bord gebracht hatte, fuhr er sogleich wieder ab, ohne sich länger aufzuhalten; und das geschah an einem Montag — es war der 13. August 1498.

1 Vgl. oben S. 50, Anm. 2.

55. Über selbige Nachricht waren wir alle recht traurig, dieweil wir erstens ein paar von unseren Leuten in der Gewalt der Feinde sahen, und dann wegen des großen Hindernisses, das damit unserer Abfahrt in den Weg trat, und dann kränkte es uns auch sehr, dass ein christlicher König so schmählich an uns handelte, dem man von dem Seinigen Geschenke gemacht hatte, und andererseits legten wir ihm wieder nicht so große Schuld bei, wie wir Grund gehabt hätten ihm beizulegen, weil wir bestimmt wussten, dass die Mauren, die hier wohnten, die Kaufleute von Mekka und vielen anderen Gegenden waren, die uns kannten, dass wir diesen sehr unbequem waren, und dass selbige dem König sagten, wir wären Seeräuber, und sobald wir anfingen nach selbigem Lande zu fahren, würde kein Schiff mehr von Mekka oder Cambaya oder Indien oder von anderswo nach seinem Lande kommen können, so dass er keinen Gewinn mehr, daraus ziehen würde, und wir würden ihm auch nichts geben, sondern ihm eher noch nehmen, und dadurch könne sein Land zugrunde gerichtet werden ; und abgesehen von diesen Geschichten gaben sie ihm noch viel, viel Geld dafür, dass er uns gefangen nähme und tötete, damit wir nicht nach Portugal zurückkehren könnten. Dies erfuhren die Kapitäne durch einen eingeborenen Mauren, der ihnen entdeckte, was geplant war, indem dass er den Kapitänen sagte, sie sollten nicht von den Schiffen weg an Land gehen, besonders der Kommandant nicht. Und abgesehen davon, dass selbiger Maure es sagte, sagten es zwei Christen, dass, wenn die Kapitäne an Land gingen, dass man ihnen die Köpfe abschlagen würde, weil der König es so mit denen mache, die zu selbigem Lande kämen und ihm nicht Gold gäben.

56. In dieser Lage waren wir. Und am folgenden Tag kam keine einzige Barke an Bord unserer Schiffe, und am anderen Tag kam ein Boot mit vier Burschen, die Edelsteine zum Verkauf brachten. Und selbige schienen uns mehr im Auftrag der Mauren zu kommen, als um Steine zu verkaufen, und das, um zu sehen, ob man ihnen etwas tun würde. Aber der Kommandant nahm sie gut auf und schickte durch sie einen Brief an diejenigen, die an Land waren. Als sie sahen, dass man ihnen nichts tat, kamen jeden Tag eine Menge Kaufleute und andere, die nicht Kaufleute waren, die aus Neugierde kamen, und alle wurden sehr gut von uns aufgenommen, und wir gaben ihnen zu essen. Und am folgenden Sonntag kamen ungefähr fünfundzwanzig Menschen, und darunter kamen sechs von ihnen, die angesehene Männer waren, und der Kommandant, der sah, dass man ihm für selbige unsere Leute herausgeben könne, die am Lande festgehalten und gefangen saßen, legte Hand an sie und nahm von den anderen geringeren Leuten noch zwölf gefangen, und so, dass er im ganzen neunzehn festnahm, und die andern, die noch blieben, schickte er in einem ihrer Boote an Land und schickte durch sie einen Brief an den maurischen Haushofmeister des Königs, worin er ihm sagen ließ, er solle ihm die Leute, die er gefangen hielte, schicken, und dann würde er die schicken, die er festgenommen habe. Und als sie sahen, dass man Leute von ihnen festgenommen hatte, lief sogleich viel Volks zu ihnen nach dem Warenlager und brachte sie zur Wohnung des Haushofmeisters, und das, ohne ihnen etwas Schlimmes zuzufügen. [S. 182]

57. Mittwoch, den 23. besagten Monats, gingen wir unter Segel, indem wir erklärten, dass wir nach Portugal zurückkehrten, und dass wir hofften sehr bald wiederzukommen, und dass sie dann erfahren würden, ob wir Seeräuber seien. Und wir gingen auf Leeseite von Calicut, ungefähr vier Leguas entfernt, vor Anker, und das wegen des Windes, der von vorne kam, und am anderen Tag fuhren wir dem Ufer zu und konnten Untiefen nicht bezwingen, die vor Calicut lagen, und darauf drehten wir auf offene See bei und warfen angesichts der Stadt Anker. Und am Samstag fahren wir ebenso auf offene See hinaus und ankerten soweit draußen im Meer, dass wir beinahe das Land nicht mehr sahen, und am Sonntag, wo wir vor Anker lagen und auf Wind warteten, kam eine Hochseebarke, die nach uns suchte, und teilte uns mit, dass Diogo Diaz im Palast des Königs sei, und dass sie ihr Wort gäben, sobald er zurückkäme, sie an Bord zu bringen. Und der Kommandant, in der Meinung, dass man sie getötet hätte, und dass, was sie sagten, nur gesagt sei, um uns hinzuhalten, bis sie gegen uns gerüstet hätten, oder bis Schiffe von Mekka gekommen wären, die uns gefangennähmen, sagte ihnen, sie sollten gehen und nicht mehr an Bord kommen, ohne ihm seine Leute oder Briefe von ihnen zu bringen, sonst würde er mit den Bombarden auf sie schießen lassen, und wenn sie nicht sofort zurückkämen mit der Botschaft, so sei er entschlossen denen, die er festgenommen habe, die Köpfe abschlagen zu lassen. Nach all dem kam Wind, und wir segelten die Küste entlang, und bei Sonnenuntergang warfen wir Anker.

58. Wie der König den Diogo Diaz rufen ließ und ihm das Folgende sagte:

Als die Nachricht an den König kam, dass wir nach Portugal abgefahren seien, und er kein Mittel mehr hatte, um durchzusetzen, was er wollte, da dachte er wieder gut zu machen, was er vorher verdorben hatte. Und er ließ den Diogo Diaz rufen, und als selbiger kam, nahm er ihn sehr freundlich auf, was er vorher, wo er ihm das Geschenk brachte, nicht getan hatte, und fragte ihn, warum der Kommandant selbige Leute festgenommen habe. Besagter Diogo Diaz erklärte ihm, weil er nicht wolle, dass sie zu ihren Schiffen zurückkehrten, und weil er sie in der Stadt gefangen halte. Der König sagte, dass er wohl daran getan habe, und fragte dann, ob der Haushofmeister etwas von ihm verlangt habe, womit er zu verstehen geben wollte, dass er nichts von dem wisse, was selbiger getan habe, sondern dass der Haushofmeister es getan habe, damit man ihm etwas gäbe; dann sagte er, gegen besagten Haushofmeister gewandt: "Weiß er nicht, dass ich vor kurzem einen anderen Haushofmeister hinrichten ließ, weil er von Kaufleuten Geld nahm, die nach meinem Lande kamen?" Weiter sagte der König: "Du und die anderen, die hier bei dir sind, geht zu euren Schiffen, und sagt dem Kommandanten, dass er mir die Leute schickt, die er gefangen hält, und dass den Wappenpfeiler, den er am Lande aufrichten wollte, wie er mir sagen ließ, die Leute, welche dich hinbringen, mitnehmen und aufrichten sollen, und außerdem, dass du mit der Ware hier im Lande bleiben sollst." Und ebenso schickte er einen Brief an den Kommandanten, den er dem Könige von Portugal abgeben sollte; und selbiger war von Diogo Diaz auf ein Palmblatt geschrieben, weil alles, was man hierzulande schreibt, auf besagte Blätter kommt, und die Feder, womit sie schreiben, ist von Eisen. In selbigem Brief steht, was folgt:

"Vasco da Gama, Edelmann Eures Hauses, ist nach meinem Lande gekommen, worüber ich mich gefreut habe. In meinem Lande gibt es viel Zimt und viele [S. 183] Gewürznelken und Ingwer und Pfeffer und viele Edelsteine, und was ich von dem Deinigen will, ist Gold und Silber und Korallen und Scharlach."

59. Am Montag Morgen — es war der 27. besagten Monats —, während wir vor Anker lagen, kamen sieben Barken, worin viel Volks kam, und sie brachten den Diogo Diaz und einen anderen, der bei ihm war, und da sie nicht wagten ihn an Bord zu bringen, so setzten sie ihn in das Boot des Kommandanten, das noch am Hinterschiff lag, und die Ware brachten sie nicht, dieweil sie glaubten, dass besagter Diogo Diaz an Land zurückkehren würde. Und als der Kommandant sie glücklich an Bord sah, wollte er nicht, dass sie noch einmal zurückgingen an Land, und gab den Wappenpfeiler denen in der Barke, wie der König ihm befohlen hatte, dass er ihn nämlich an Land schicken solle, und weiter gab er für sie die sechs angesehensten Männer zurück, die er hatte; ebensoviele blieben noch, und er sagte, dass sie ihm am folgenden Tag die Ware bringen sollten; dann würde er sofort die anderen, die noch blieben, herausgeben.

Am Dienstag, während wir morgens vor Anker lagen, kam zu uns ein Maure von Tunis,1 der uns verstand, und sagte, dass sie ihm alles, was er habe, genommen hätten, und dass er nicht wisse, ob sie ihm nicht noch mehr Unheil zufügen würden. In so gefährlicher Lage befinde er sich, und die Eingeborenen behaupteten, dass er Christ sei und im Auftrag des Königs von Portugal nach Calicut gekommen, weshalb er lieber mit ihnen gehen als im Lande bleiben wolle, wo er jeden Tag gewärtig sein müsse, dass sie ihn töteten. Und als es 10 Uhr morgens wurde, kamen sieben Barken mit viel Volks; drei davon hatten auf den Ruderbänken gestreifte Tücher von uns liegen, die an Land geblieben waren, und sie gaben zu verstehen, dass sie damit die ganze Ware brächten. Selbige drei näherten sich den Schiffen, und die anderen vier blieben in der Ferne und näherten sich nicht soweit, dass sie nicht noch ein gut Stück von den Schiffen entfernt gefahren wären, und sie sagten, wir sollten die Leute in unser Boot setzen, und dann würden sie die Ware hineinlegen und würden ihre Leute abholen. Und nachdem wir selbige List durchschauten, rief der Kommandant ihnen zu, sie sollten machen, dass sie wegkämen, und er wolle die Ware nicht, sondern wolle ihre Leute nach Portugal mitnehmen, und sie sollten nur warten; er gedenke bald wieder nach Calicut zu kommen, und dann würden sie sehen, ob wir Seeräuber seien, wie ihnen die Mauren sagten.

1 Der Maure Monçaide.

60. An einem Mittwoch — es war der 29. besagten Monats August — beschloss der Kommandant, im Hinblick darauf, dass wir bereits gefunden und entdeckt hatten, wonach wir gefahren waren, Gewürze sowohl wie Edelsteine, und weil wir doch nicht in Frieden und Freundschaft mit den Bewohnern von dem Lande Abschied nehmen konnten, mit den anderen Kapitänen abzufahren und die Leute, die wir bei uns hatten, mitzunehmen, dieweil selbige bei der Rückkehr nach Calicut die Freundschaft vermitteln könnten, und so gingen wir ohne Verzug unter Segel und traten unseren Weg nach Portugal an, alle sehr froh, dass wir das Glück gehabt hatten, etwas so Grosses zu finden, wie wir gefunden hatten. Am Donnerstag um Mittag, während wir in Windstille ungefähr eine Legua unterhalb Calicut fuhren, kamen ungefähr siebzig Barken mit zahllosem Kriegsvolk auf uns los, und sie trugen vorn Brustpanzer von rotem Stoff, doppelt genommen, wie sehr starke Lederkoller. Ihre Waffen für Körper, Hände und Kopf sind.......1 Und als sie unseren [S. 184] Schiffen auf einen Bombardenschuss nahegekommen waren, wurde sofort vom Schiffe des Kommandanten auf sie geschossen und ebenso von den anderen Schiffen. Und sie mochten so anderthalb Stunden hinter uns dreinfahren. Während sie so hinter uns herfuhren, brach ein Gewittersturm über uns herein, der uns auf offene See hinaustrieb, und als sie sahen, dass sie nichts mehr machen konnten, wandten sie sich nach dem Lande zurück. Und wir fuhren weiter des Weges.

1 Der Kopist macht auf eine Lücke im Text mit den Worten aufmerksam: "Wie diese Waffen aussahen, ist dem Verfasser des Buches in der Federspitze stecken geblieben."

61. Von selbigem Lande Calicut, das Hochindien heißt, kommen die Gewürze, die im Westen und Osten und in Portugal gegessen werden und desgleichen in allen Ländern der Welt. Desgleichen kommen von selbiger Stadt, Calicut mit Namen, viele Edelsteine aller Art; d. h. von eigenen Erzeugnissen gibt es in besagter Stadt nur folgende Gewürze: Viel Ingwer und Pfeffer und Zimt, obwohl selbiger nicht so fein ist wie der von einer Insel, welche Cillão1 heißt; selbige ist von Calicut acht Tagereisen entfernt; all dieser Zimt geht nach besagter Stadt Calicut und nach einer Insel, die sie Meleca2 nennen, von wo die Gewürznelke zu selbiger Stadt kommt. Hier laden die Schiffe von Mekka die Gewürze und bringen sie nach einer Stadt, die im Gebiet von Mekka ist, die Judeá3 heißt, und von selbiger Insel bis dorthin brauchen sie vor dem Winde fünfzig Tage, weil die Schiffe selbigen Landes nicht mit Seitenwind fahren, und dort laden sie aus und zahlen dem Grossultan ihren Zoll; und von da laden sie die Gewürze in kleinere Schiffe und bringen sie durch das rote Meer nach einem Ort, der nah bei S. Katharina am Sinai liegt und Tuuz4 heißt, und auch hier bezahlen sie wieder Zoll; hier laden die Kaufleute selbige Gewürze auf Kamele, die sie für vier Cruzados jedes Kamel mieten, und bringen sie nach Kairo in zehn Tagen, und dort bezahlen sie wieder Zoll. Und auf selbigem Wege nach Kairo werden sie oft von Räubern überfallen, die es hierzulande gibt; selbige sind Beduinen und andere. Dort laden sie die Gewürze von neuem in Schiffe um, die auf einem Fluss gehen, der Nil heißt und aus dem Lande des Erzpriesters Johannes in Niederindien kommt, und auf selbigem Fluss gehen sie zwei Tage, bis sie zu einem Orte kommen, der Roxete5 heißt. und hier zahlen sie wieder Zoll; und nun lädt man sie von neuem auf Kamele und bringt sie in einer Tagereise nach einer Stadt, die Alexandria heißt; selbige ist Seestadt. Nach besagter Stadt Alexandria kommen die Venezianer und Genueser Galeeren selbige Gewürze holen, und der Grossultan6 bekommt von den Gewürzen, wie man berechnet, sechsmalhunderttausend Cruzados Zoll; davon gibt er jedes Jahr zehntausend an einen König, der Cidadim7 heißt, um damit gegen den Erzpriester Johannes Krieg zu führen. Und selbiger Titel Grossultan wird für Geld gekauft, dieweil er nicht vom Vater auf den Sohn übergeht.

1 Ceylon ist gemeint.

2 Meleca ist Malacca.

3 Dschidda [جدّة‎] ist gemeint.

4 Tuuz ist Suez.

5 Rosette [رشيد‎] an der westlichen Nilmündung.

6 Der Mamlukensultan in Kairo. Die Angabe, dass der Titel mit Geld gekauft werde, ist unrichtig; die großen Geschenke, die der Sultan bei  seinem Regierungsantritt den Mamluken machen musste, mögen zu einer derartigen Auffassung der Anlass gewesen sein. (Vgl. Weil, Geschichte der Chalifen, Bd. 5.)

7 Eine Erklärung des Wortes vermag ich nicht zu geben.

Ich kehre zur Schilderung unserer Reise zurück.

62. Während wir so längs der Küste fuhren, mit Rücksicht auf den Wind, der nur schwach war, mit dem Landwind aufs Meer und mit dem Seewind dem Lande zu, warfen wir bei Tag in der Windstille immer Anker. An einem Montag — es war der 10. September —, während wir so die Küste entlang kreuzten, schickte [S. 185] der Kommandant durch einen der Leute, die wir mitnahmen — selbiger schielte auf einem Auge — einen Brief an den König Çamolim, der auf Maurisch von einem Mauren geschrieben war, der mit uns fuhr. Selbiges Land, wo wir besagten Mauren mit dem Brief aussetzten, nennen sie Compia1 und den König dort Biaquolle2; selbiger hat Krieg mit dem König von Calicut. Und am anderen Tag, während wir in Windstille gingen, kamen Barken an Bord, die Fische führten, und ihre Bemannung kam ohne alle Furcht auf unsere Schiffe herauf. Am folgenden Samstag — es war der 15. besagten Monats — fuhren wir an Inseln vorbei, die ungefähr zwei Leguas vom Land entfernt waren: dort setzten wir ein Boot aus und richteten einen Wappenpfeiler auf besagter Insel auf, dem man den Namen S. Maria gab,3 und das, weil der König gesagt hatte, sie sollten drei Wappenpfeiler aufrichten und sollten einem den Namen S. Gabriel geben und dem anderen S. Raphael und dem anderen S. Maria, so dass wir mit diesem alle drei aufgerichtet hatten, nämlich den ersten setzten wir am "Strom der guten Vorbedeutungen" — und es war der S. Raphael — und den zweiten in Calicut — das war der S. Gabriel — und dann besagten letzten, S. Maria. Hier kamen ebenfalls viele Barken zu unseren Schiffen mit Fisch, und der Kommandant gab ihnen Hemden und nahm sie freundlich auf und fragte sie, wenn sie gern einen Wappenpfeiler hier haben wollten, so wolle er ihn auf selbiger Insel aufrichten. Sie sagten darauf, dass sie ihn sehr gern haben wollten, und dass, wenn wir ihn aufrichteten, dass sie dann sicher wissen würden, dass wir Christen seien wie sie. Und darauf fuhr er hin und richtete selbigen Wappenpfeiler in bester Freundschaft auf.

1 Vgl, oben S. 53, Anm. 3.

2 Eine Erklärung des Wortes vermag ich nicht zu geben, doch scheint es mir nicht unmöglich, dass hier ein Missverständnis vorliegt. An der betreffenden Stelle ist nämlich, unfern der Küste, auf modernen englischen Karten ein Fort Baicull verzeichnet. Ein derartiger Irrtum, Verwechslung des Herrschernamens mit dem des Landes, würde nicht vereinzelt dastehen. Wird doch allgemein in den portugiesischen Quellen des 16. Jahrhunderts der Name des narasinha auf sein Land übertragen (Viganagara, port. Bisnagar) und dasselbe als Reich Narsinga bezeichnet.

3 Die Inselgruppe, die nach dem Wappenpfeiler den Namen der Inseln von S. Maria erhielt, liegt bei Bacanor. Vgl. die Karte der indischen Küste bei van Linschoten, Reysgeschrift.

63. Und in selbiger Nacht gingen wir mit Landwind unter Segel und fuhren weiter unseres Wegs, und am folgenden Donnerstag — es war der 19. besagten Monats — fuhren wir an einem sehr anmutigen, gebirgigen Lande mit guter Luft vorüber, das an der Küste sechs kleine Inseln hatte: hier warfen wir ganz nahe am Land Anker und setzten ein Boot aus, um Wasser und Brennholz einzunehmen, das für die Überfahrt ausreichen sollte, die wir anzutreten gedachten, sobald es uns die Winde gestatteten, wie wir wünschten. Und als wir an Land kamen, fanden wir einen jungen Burschen, der mit uns in einen Fluss hineinfuhr und uns einen Wasserplatz zeigte mit sehr gutem Wasser, das zwischen zwei Felsen hervorkam. Selbigem Manne gab der Kommandant ein Barret und fragte ihn, ob er Maure sei oder Christ; er sagte, dass er Christ sei, und als wir ihm sagten, dass wir auch Christen seien, da freute er sich sehr. Und am anderen Tag kam in der Frühe ein Boot zu uns mit vier Menschen, und sie brachten viele Kürbisse und Gurken. Darauf fragte der Kommandant, ob es in selbigem Lande dort Zimt oder Ingwer oder irgend ein anderes Gewürz gebe; sie sagten, dass es Zimt in Menge gebe, aber dass es kein anderes Gewürz gebe. Sogleich schickte der Kommandant zwei Leute mit ihnen an Land, um ihm eine Probe davon zu bringen, und selbige nahmen sie mit zu einem Gehölz, wo es zahllose Bäume davon gab, und von besagten Bäumen schnitten sie [S. 186] zwei große Äste ab, mit dem Laub daran, und wir fuhren mit den Booten, um Wasser einzunehmen, und fanden selbige zwei Leute mit den Zimtästen, die sie mitbrachten, und mit ihnen kamen schon ungefähr zwanzig Menschen, die dem Kommandanten viele Hühner brachten und Kuhmilch und Kürbisse; und sie sagten dem Kommandanten, er solle selbige zwei Leute mit ihnen schicken, weil sie ein Stück von hier entfernt eine Menge getrockneten Zimt hätten; und sie könnten selbigen ansehen und eine Probe davon mitbringen. Nachdem wir Wasser eingenommen hatten, kehrten wir zu den Schiffen zurück, und sie versprachen, dass sie am anderen Tag an Bord kommen und dem Kommandanten ein Geschenk mit Kühen, Schweinen und Hühnern machen wollten. Als es anderen Morgens hell wurde, sahen wir nahe am Land zwei große Barken, die ungefähr zwei Leguas von uns entfernt sein mochten, wir nahmen aber keine Notiz davon. Wir fuhren an Land, um Wasser einzunehmen, solange die Flut stieg, so dass wir in den Fluss einfahren konnten, und während wir schon unterwegs waren und das Brennholz schlugen, schien es dem Kommandanten, wie wenn besagte Barken größer wären, als es ihm anfangs vorgekommen war. Sogleich befahl er, dass wir alle in die Boote einstiegen und zum Essen führen, und dass, sobald wir gegessen hätten, wir in den Booten hinfahren und sehen wollten, ob es Mauren oder Christen seien. Und sobald besagter Kommandant auf sein Schiff gekommen war, schickte er sogleich einen Matrosen in den Mastkorb, der auslugen sollte, ob noch weitere Schiffe in Sicht kämen, und selbiger Matrose sah auf Seeseite, ungefähr sechs Leguas von uns entfernt, acht Schiffe, die in Windstille gingen, weshalb der Kommandant sogleich die Schiffe in Grund zu bohren befahl. Und sie fuhren, da der Wind ihnen günstig war, unter Wind, so schnell sie konnten, und als sie soweit vorwärts wie wir gekommen waren, — immerhin mochte es von uns bis zu ihnen noch zwei Leguas sein — so dass wir glaubten, dass sie uns sehen könnten, fuhren wir auf sie los. Und als sie sahen, dass wir auf sie losfuhren, fingen sie an rückwärts dem Lande zuzusteuern, und dem einen brach, noch ehe es an Land kam, das Steuer, und diejenigen, die darauf fuhren, warfen sich in das Boot, das sie am Hinterschiff mitführten, und fuhren an Land. Und wir fuhren näher an das Schiff heran und enterten und fanden darin nichts als Lebensmittel und Waffen, und die Lebensmittel waren Kokosnüsse und vier Krüge mit Palmzuckerkäsen, und alles andere war Sand, der als Ballast ging: die anderen sieben liefen absichtlich auf, und wir fuhren mit den Booten hin und schossen sie in den Grund.

64. Am anderen Morgen, während wir vor Anker lagen, kamen sieben Leute in einer Barke zu uns und sagten, dass selbige Schiffe von Calicut gewesen seien, und dass sie uns gesucht hätten, und wenn es ihnen gelungen wäre, uns gefangen zu nehmen, dass sie uns alle getötet haben würden. Am anderen Tag, nachdem wir von hier abgefahren waren, kamen wir zwei Bombardenschüsse weiter, als wo wir zuerst gelegen hatten, zu ankern, bei einer Insel, auf der sie uns sagten, dass es Wasser gebe.1 Sogleich schickte der Kommandant den Nicolao Coelho in einem bewaffneten Boote ab, um zu sehen, wo der Wasserplatz wäre, und selbiger fand auf besagter Insel einen Kirchenbau in großem Haustein, der von den Mauren zerstört worden war, wie die Bewohner des Landes erzählten; nur die Kapelle stand noch, mit Stroh gedeckt, und sie beteten zu drei schwarzen Steinen, die mitten im [S. 187] Kapellenraum standen. Und ferner fanden wir jenseits selbiger Kirche einen Wasserbehälter von Stein, ebenfalls künstlich hergestellt, worin wir soviel Wasser fanden, wie wir brauchten, und ganz oben auf der Insel war ein großer Teich von vier Ellen Tiefe, und ferner fanden wir gegenüber selbiger Kirche eine Bucht, in der wir die Berrio und das Schiff des Kommandanten reinigten; die Raphael ging nicht an Land wegen der unten beschriebenen Übelstände.

1 Die Insel Angediva oder Angadeepa lat. 14° 45' long. 74° 10' (vgl. Thornton, Gazetteer of India, London 1857), auf der König Manoel 1505 durch Francisco d'Almeida eine Festung bauen ließ, die  1506 wieder geschleift wurde.

65. Eines Tages, während wir uns auf der Berrio am Ufer befanden, kamen zwei große Barken in der Art von Fusten auf uns los, die zahlloses Volk trugen, und sie kamen gerudert und bliesen Trompeten und schlugen Trommeln, und die Toppen waren beflaggt, und es lagen zu ihrem Schutz noch weitere fünf längs der Küste hin. Und ehe sie zu den Schiffen kamen, fragten wir die, welche wir bei uns hatten, was für Menschen und was für Volk dies sei. Sie sagten uns, wir sollten sie nicht an Bord kommen lassen, dieweil sie Seeräuber seien und kämen, um uns gefangen zu nehmen, wenn sie könnten. Die Bewohner selbigen Landes, die bewaffnet führen, bestiegen in aller Freundschaft die Schiffe, und wenn sie drinnen wären und fänden sich in der Lage dazu, dann legten sie Hand an das Schiff. Und als sie auf einen Bombardenschuss nahe gekommen waren, wurde von der Raphael auf sie geschossen und desgleichen vom Schiff des Kommandanten. Sie fingen an zu rufen "Tambaram", womit sie sagen wollten, dass sie Christen seien, weil die Christen selbigen Landes Gott Tambaram1 nennen, und als sie sahen, dass man sich daran nicht kehrte, begannen sie nach dem Lande zu zu fliehen, und Nicolao Coelho fuhr in einem Boote ein Stück hinter ihnen her, bis sie ihm vom Schiff des Kommandanten ein Flaggenzeichen gaben, dass er umkehren solle.

1 tamburān (T. M.) Herr; als solcher: 1. Gott (christlich und muhamedanisch), 2. König.

Am anderen Tag, während die Kapitäne mit vielen Leuten an Land waren und besagte Berrio reinigten, kamen zwei kleine Barken und brachten ungefähr zwölf gut gekleidete Männer, und sie brachten dem Kommandanten als Geschenk ein Bündel Zuckerrohr, und selbige fingen, sowie sie an Land kamen, an den Kommandanten zu bitten, dass er sie die Schiffe ansehen liesse. Der Kommandant, dieweil es ihm schien, als ob sie zur Spionage kämen, fing an sich über sie zu ärgern. Indem kamen noch zwei andere Barken mit ebensoviel Leuten, und dieweil sie sahen, dass der Kommandant ihnen kein Entgegenkommen zeigte, sagten sie denen, die kamen, dass sie nicht an Land gehen und umkehren sollten. Und sie selbst stiegen ebenfalls wieder ein und fuhren hinter ihnen her.

66. Während das Schiff des Kommandanten gereinigt wurde, kam ein Mann im Alter von vierzig Jahren, der sehr gut venezianisch sprach, von oben bis unten in Leinen gekleidet und mit einem sehr guten Turban auf dem Kopf und einem Stutzsäbel im Gürtel, und sowie er ausstieg, ging er sogleich hin und umarmte den Kommandanten und die Kapitäne und fing an zu erzählen, dass er Christ sei und aus der Levante stamme, und dass er ganz jung in selbiges Land gekommen sei, und dass er bei einem Fürsten lebte, der vierzigtausend Mann zu Pferd halte, und der Maure sei, und er sei ebenfalls Maure, aber im Herzen sei er ganz Christ, und während er in dessen Hause gewesen wäre, sei man gekommen und habe ihm gesagt, dass in Calicut Leute wären, die niemand verstehen könnte, und dass sie von oben bis unten bekleidet gingen, und als er das gehört hätte, habe er gleich gesagt, selbige Leute könnten nur Franken sein; denn so nennt man uns hier in selbigen Gegenden. Darauf habe er um Erlaubnis gebeten, dass sein Herr ihn gehen [S. 188] ließe uns besuchen, und wenn man ihn nicht gehen ließe, so würde er vor Kummer sterben, und darauf habe sein Herr ihm gesagt, er solle gehen und sagen, dass, wenn wir irgend etwas von seinem Lande brauchten, dass er es uns geben würde, und er biete uns Schiffe und Lebensmittel an, und ferner, wenn wir in seinem Lande bleiben wollten, so würde ihn das sehr freuen. Als der Kommandant ihm seinen Dank dafür aussprach, dieweil es ihm schien, dass alles richtig sei, sagte er weiter, er bäte den Kommandanten um die Gnade, dass er ihm einen Käse gebe, den er einem Kameraden schicken wolle, der an Land zurückgeblieben sei, dieweil er selbigem versprochen habe, dass, wenn alles gut ginge, dass er ihm dann ein Zeichen geben würde, damit er sich nicht weiter beunruhige. Darauf ließ ihm der Kommandant einen Käse und zwei mürbe Brote geben. Er blieb an Land und sprach soviel und so vielerlei, dass er dann und wann in Widersprüche geriet. Darauf ging Paulo da Gama zu den Christen des Landes, die ihn gebracht hatten, und fragte sie, wer selbiger Mann sei. Sie sagten, dass es der Kaperkommandant sei, der gekommen wäre, um uns hier anzugreifen, und dass er seine Schiffe mit viel Kriegsvolk an Land habe. Und als sie dies und was sie außerdem noch verstanden, in Erfahrung gebracht hatten, nahmen sie ihn fest und führten ihn auf besagtes Schiff, das an Land gezogen war, und fingen an ihn durchzupeitschen, damit er gestände, ob der Kommandant der Kaperschiffe, der hinter ihnen her sei, er wäre, und warum er gekommen wäre. Er gestand uns, dass er wüsste, wie im ganzen Lande die Stimmung gegen uns sei, und dass viele Bewaffnete rings um uns herum in den Buchten lägen, dass aber niemand wage uns anzugreifen, und dass sie noch auf vierzig Segel warteten, die gerüstet würden, um uns anzugreifen, dass er aber nicht wüsste, wann sie uns angreifen würden. Von sich sagte er auch jetzt nur das, was er von Anfang an gesagt hatte. Darauf wurde er drei- oder viermal gefragt, und wenn er es auch nicht klar sagte, so merkten wir doch aus Andeutungen — und er gestand ein —, dass er gekommen war, um die Schiffe anzusehen, um Mannschaft und Bewaffnung, die wir führten, kennen zu lernen.

67. Auf selbiger Insel waren wir zwölf Tage und aßen viel Fisch, den die Bewohner uns zum Verkauf brachten, und viel Kürbisse und Gurken; auch brachten sie Barken mit grünem Zimtholz, und selbiges Holz trug noch sein Laub. Und nachdem wir die Schiffe rein hatten und Wasser eingenommen, soviel wir brauchten, und das erbeutete Schiff zerstört hatten, fuhren wir an einem Freitag ab — es war den 5. Oktober.

Ehe das Schiff zerstört wurde, boten sie dem Kommandanten tausend Fanão, und er erklärte, dass er es nicht verkaufen würde, weil es von seinen Feinden sei, und dass er es unter allen Umständen verbrennen wolle.


Zu: 1. Zum Beispiel: Gaspar Correa <16. Jhdt.>: Lendas de India, erste Reise Vasco da Gamas nach Indien.