Religionskritisches von Aloys Blumauer

Gebet eines Freimaurers (1782)

von Alois Blumauer


Herausgegeben von Alois Payer (payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Blumauer, Aloys <1755-1798>: Gebet eines Freimaurers. -- 1782. -- Fassung vom 2004-09-22. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/blumauer02.htm

Erstmals publiziert: 2004-09-22

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Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library


Gebet eines Freimaurers

O du, dessen Weisheit diesen weiten
Weltenkreis aus Nichts hervorgebracht,
Dessen Stärke ihn für Ewigkeiten,
Dessen Liebe ihn so schön gemacht!

Du, den aller Erdenvölker Zungen
Tausendfach verschieden stets genannt,
Den jedoch bei seinen Huldigungen
Nie ein Volk auf Erden ganz verkannt!

Wesen, das nicht Zeit noch Raum umschränken,
Das nie enden wird, und nie begann,
Das ich nicht in seiner Größe denken,
Nur in seiner Güte lieben kann!

Welchen Namen soll ein Mensch dir geben,
Der dich nicht begreifet — ahndet nur?
Urkraft, Schöpfer, oder Geist und Leben,
Oder Ein's und Alles der Natur?

Doch wie soll ein Wort dich fassen können,
Den kein menschlicher Gedanke misst!
Kein Geschöpf auf Erden kann dich nennen,
Du nur weißt allein es — wer du bist.

Viele zwar der blöden Menschen dachten
Dich in deiner Herrlichkeit zu seh'n,
Wenn sie dich zu ihres Gleichen machten,
Oder sich durch dich vergötterten.

Angetan mit ihren eig'nen Schwächen,
Seh'n sie dich in ihrem stolzen Wahne
Bloß bereuen, zürnen, strafen, rächen,
Und seh'n nichts an dir, als den Tyrann;

Glauben, dass du all' die Millionen
Welten, nur sie zu zertrümmern, schufst,
Und noch täglich ganze Nationen
Bloß zur ew'gen Qual in's Dasein rufst;

Setzen durch ein ewiges Erbittern
Dich mit der Natur in Widerspruch,
Hören deinen Zorn im Erderschüttern,
Und in Donnerwettern deinen Fluch.

Ja sie glauben, dass du nur zur Sünde
Deines Menschen Herz so weich gemacht,
Und, damit er nie die Wahrheit finde,
Den Verstand so hell ihm angefacht;

Wähnen, dass du bloß des Widerstrebens
Wegen zum Genuss den Menschen rufst,
Und die Rosen auf der Bahn des Lebens
Nur der spitzen Dornen wegen schufst.

Welch ein Bild! — verzeih, was ich empfinde;
(Denn kein Zug von diesem Bild ist dein)
So ein Gott, und wenn es bei mir stünde,
Möcht' ich selbst als dein Geschöpf nicht sein.

Doch noch and're, die sich nicht getrauen
Dich, wie die, zu sich herabzuzieh'n,
Glauben dann, dich durch und durch zu schauen,
Wenn sie sich zu dir hinauf bemüh'n;

Ringen ängstlich von der schweren Bürde
Dieser Menschlichkeit sich zu befrei'n,
Und vergessen, dass die höchste Würde
Eines Menschen sei — ein Mensch zu sein.

Blind für das, was ihnen in der Nähe
Die Natur in tausend Wundern zeigt,
Richten sie den Blick nach einer Höhe,
Welche nie ein Menschenaug' erreicht.

Gleich den Riesen, wähnen sie vermessen
Schon dir nah, mit dir vertraut zu sein,
Wollen sich mit deiner Größe messen,
Ach! und sind — für diese Welt zu klein;

Nennen hier auf Erden leben — schlafen,
Und den Körper ihrer Seele Grab,
Und vergessen, dass, der sie geschaffen,
Ihnen auch zur Arbeit — Hände gab;

Streben deine Plane zu durchspähen,
Und zu seh'n dein göttlich Angesicht,
Ach, und kennen sich, und übersehen
Selbst die Spanne ihres Lebens nicht.

D'rum, o Gott, bewahre vor dem Wahne
Mich, der stolz sich bis zu dir erhebt,
Lehre mich, wie man nach deinem Plane
Hier in diesem Erdentale lebt.

Nie, o Herr, wird sich mein Geist betrüben,
Wenn er dir auch nie in's Antlitz schaut;
Aber immer werd' ich jenen lieben,
Der mir diese schöne Welt gebaut.

Stolz, o Herr, hat manchen meiner Brüder
Hin nach höhern Gegenden gekörnt,
Und der schönsten Menschenkette Glieder
Von dem Pfade der Natur entfernt.

Viele wagten's, Wesen zu bezwingen,
Die ihr blödes Auge gar nicht kennt,
Und die weite Kluft zu überspringen,
Die den Menschen von den Geistern trennt.

O lass nie den Standort mich vergessen,
Wo du mich als Menschen stelltest hin,
Und lass nie mit einer Welt mich messen,
Deren Glied ich nicht geworden bin.

Denn wie kann ich glauben, Herr! mir wäre
Eine Welt von Geistern untertan,
Da ich kaum den meinen in die Sphäre
Meiner Lebenspflichten bannen kann?

Lass auch nie als dein Geschöpf mich wähnen,
Als besäß' ich deine Schöpfungskraft,
Die aus Erde, Blei und Eisenspänen
Nach Belieben Klumpen Gold's sich schafft.

O es gäbe Gold genug hienieden,
Alle Menschen zu befriedigen,
Läge nicht, was Tausenden beschieden,
Oft im Kasten eines Einzigen.

Tausend Arme darben für den Reichen,
Tausend hungern, dass sich Einer nährt,
Und das all' durch Wohltun auszugleichen,
Diese Kunst ist eines Maurers wert.

Aber, Herr, wenn unser Bund den Stempel
Allgemeinen Wohltuns je verliert,
Wenn ein Vatikan aus unser'm Tempel,
Und aus unser'm Schmuck ein Mönchskleid wird;

Wenn wir jemals einen Stein behauen,
Den nur Eigennutz zusammenhält;
Wenn auf das Gebäude, das wir bauen,
Auch nur eine Menschenträne fällt;

O so hemme unsern Bau, verbreite
Schnell Verwirrung über unsern Sinn,
Lass uns unbelohnt, beschämt noch heute
Weg vom Baue dieses Babels zieh'n!

Aber wenn wir nur auf deiner Güte
Weisen Plan bei uns'rer Arbeit schau'n,
Wenn wir jedem Müden eine Hütte —
Und der Tugend eine Freistatt bau'n;

Wenn wir uns bestreben hier auf Erden,
Dass der Weg durch's Leben ebener,
Minder mühsam seine Pfade werden,
Und der schroffen Steine weniger;

Wenn wir nur der Menschheit Wohl zu gründen
Uns bemüh'n nach deinem weisen Plan,
Und den Lohn nur darin finden,
Dass wir Gutes in der Welt getan;

O, so gib, Allvater, unserm Bunde,
Gib ihm Wachstum, Segen und Gedeih'n,
Lass uns hier auf diesem Erdenrunde
Stets die Engel deiner Menschheit sein!

Erläuterung: "Aloys Blumauer ist seit 1782 eifriges Mitglied von verschiedenen Freimaurerorden, die ihre wesentliche gesellschaftliche Funktion darin haben, den Mitgliedern Foren für Kommunikation und Ideenaustausch ohne Klassen- und Standesschranken zu bieten. Manche verfolgen mit den Logen auch das Ziel, einen Vorläufer für eine Akademie der Wissenschaften zu gründen. Der große Naturwissenschaftler und Mineraloge Ignaz von Born gründet 1782 die Wiener Elite-Loge „Zur wahren Eintracht" und ihr tritt eine große Zahl hervorragender Schriftsteller Österreichs bei, neben Blumauer auch Johann Baptist Alxinger, Joseph Franz Ratschky, Gottlieb Leon, Joseph von Retzer, Tobias Gebler, Joseph von Sonnenfels. Für diese Loge und die Loge „Zur Wahrheit" verfasst Blumauer meist für besondere festliche Gelegenheiten eine Menge von Freimaurergedichten, Trinkliedern und Reden." [Quelle: http://homepage.boku.ac.at/duerr/Blumauer.pdf. -- Zugriff am 2004-09-22]


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