Religionskritisches von Charles Darwin

Über Gott und das Leiden der Tiere (1860, 1876)

von

Charles Darwin


Herausgegeben von Alois Payer (payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Darwin Charles <1809 - 1882>: Über Gott und das Leiden der Tiere.  -- 1860, 1876. -- Fassung vom 2005-01-27. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/darwin01.htm     

Erstmals publiziert: 2005-01-21

Überarbeitungen: 2005-01-27 [Verbesserungen]

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Quellenangaben siehe unten



Abb.: Charles Darwin mit seinem ältesten Sohn William. -- Daguereotypie. -- 1842

[Bildquelle: Desmond, Adrian J. <1947 - > ; Moore, James <1947 - >: Darwin. -- München ; Leipzig : List, 1992. -- 864 S. ; 24 cm. -- Originaltitel: Darwin (1991). -- ISBN 3-471-77338-X. -- Abb. 31]

"Darwin, Charles Robert, Naturforscher, geb. 12. Febr. 1809 in Shrewsbury als Sohn des Arztes Rob. Waring Darwin, gest. 19. April 1882 in Down bei Beckenham, studierte seit 1825 in Edinburg Medizin, dann in Cambridge Naturwissenschaft, besonders Geologie und Botanik, und erhielt hier 1831 den ersten akademischen Grad. In demselben Jahre schloss er sich der fünfjährigen Expedition des Beagle unter Kapitän R. Fitzroy an, besuchte Brasilien, die Magalhãesstraße, die Westküste Südamerikas und die Inseln der Südsee und kehrte im Oktober 1836 nach England zurück. Seit 1842 lebte er auf seinem Landsitz Down bei Beckenham in Kent und bekleidete hier die Stelle eines Grafschaftsmagistrats. Nachdem er 1837-38 eine Reihe von geologischen Arbeiten veröffentlicht hatte, deren erste die geologische Tätigkeit der Regenwürmer betraf, ließ er 1839 das Tagebuch seiner Beobachtungen (»Journal of researches in natural history and geology«, neue Ausg. 1860) als dritten Teil der von Fitzroy herausgegebenen Beschreibung der Expedition folgen, und 1845 erschien dasselbe Werk selbständig als »Voyage of a naturalist round the world« (deutsch von Dieffenbach, Lond. 1844; von V. Carus, 1875, 2. Aufl., Stuttg. 1892; von Helrich, Gießen 1893). Die zoologische Ausbeute der Reise wurde von Owen, Waterhouse, Gould, Bell und Jenyns bearbeitet und, von Darwin mit einer Einleitung versehen, als »Zoology of the voyage of H. M. S. Beagle« (1840-48, 5 Bde.) herausgegeben. Eine neue Ausgabe erschien 1884 u. d. T.: »Natural history and geology. Voyage of H. M. S. Beagle« Hatte schon die 1842 veröffentlichte Schrift über den Bau und die Verbreitung der Korallenriffe (3. Aufl. 1889; deutsch, Stuttg. 1876) neben der zoographischen auch eine geologische Bedeutung als erste plausible Erklärung der Formen und Entstehungsweisen der Korallenriffe gehabt, so waren mehrere andre Arbeiten Darwins ausschließlich der Geologie, vorzüglich Südamerikas, gewidmet. Dahin gehören: »Geological observations on volcanic islands« (1842); »Geological observations on South America« (1846; 2. Aufl., mit dem vorigen, 1876). Als geschickter Zoolog und Paläontograph sowie als glücklicher und gewandter Experimentator zeigte sich Darwin in seinen Untersuchungen über die Rankenfüßer (»Monograph of pedunculated and sessile Cirripedia«, 1851-53, 2 Bde.); denselben folgten: »On fossil Balaenidae« (1854) und später Untersuchungen über die Bewegungen der Schlingpflanzen, über den Di- und Trimorphismus von Linum, Lythrum und Primula und über die Befruchtung der Orchideen durch Insekten (»On the various contrivances by which British and foreign orchids are fertilized«, 1862; deutsch von Carus, 2. Aufl., Stuttg. 1877; »The movements and habits of climbing plants«, 1865, 2. Aufl. 1875; deutsch von Carus, das. 1876). Diesen Arbeiten folgte das Werk über den Ursprung der Arten (»On the origin of species by means of natural selection«, 1859; deutsch von Bronn, 2. Aufl., Stuttg. 1863; nach der 6. Aufl. deutsch von Carus, 7. Aufl., das. 1883; deutsch von Seliger in »Meyers Volksbüchern«, Leipz. 1902), das, bald darauf in fast alle lebenden Kultursprachen übersetzt, eine völlige Revolution und neue Epoche für die Naturforschung anbahnte. Darwin hatte die erste Anregung zur Verfolgung der Frage über den Ursprung der jetzt lebenden Arten des Tier- und Pflanzengeschlechts während seiner Reise um die Welt erhalten. Gewisse Tatsachen der geographischen Verbreitung organischer Wesen und namentlich die nahe Verwandtschaft gewisser heute lebender Bewohner Südamerikas mit den daselbst ausgestorbenen Tieren erschienen ihm nur durch die Annahme einer Abstammung der jetzigen, wenn auch vielfach veränderten Lebewesen von den frühern erklärlich, und er erkannte, dass der damals noch von allen Koryphäen der Naturforschung festgehaltene Lehrsatz von der Konstanz oder Unveränderlichkeit der Arten unhaltbar sei. Er begann nunmehr Studien über die Veränderlichkeit von Haustieren (namentlich Tauben) und Kulturpflanzen unter dem Einfluss der Züchtung und sammelte mit großer Umsicht die unendlichen Beobachtungsreihen, die für ihre weitgehende Veränderlichkeit Anhaltspunkte lieferten. Es war ihm dabei klar geworden, dass in der lebenden Natur ein Faktor tätig sein müsse, der, in analoger Weise wieder Einfluss der künstlichen Züchtung wirkend, aus den überall freiwillig entstehenden Varietäten der Tiere und Pflanzen diejenigen mit besondern Charakteren versehenen Formen (Arten) hervorzüchtet, welche die andern überleben. Dieses Prinzip erkannte er in der »natürlichen Auslese« durch den »Kampf ums Dasein« (s. Darwinismus). Er bezeichnete sein Werk als einen Vorläufer und ließ die ausführenden Kapitel mit den Belegen in einer Reihe von Spezialwerken folgen. »Variation of animals and plants under domestication« (1867, 2 Bde.; deutsch von Carus, 2. Aufl., Stuttg. 1873); »The descent of man and on selection in relation to sex« (1871, 2 Bde.; deutsch von Carus, 5. Aufl., das. 1900, und von Seliger, in »Meyers Volksbüchern«, Leipz. 1902); »Expression of the emotions in men and animals« (1872; deutsch von Carus, 4. Aufl., Stuttg. 1884); »Insectivorous plants« (1875; deutsch von Carus, das. 1876); »The effects of cross-and self-fertilisation in the vegetable kingdom« (1876); »The power of movement in plants« (1880, 2. Aufl. 1881; deutsch von Carus, das. 1881); »The formation of vegetable mould through the action of erdworms« (1881; deutsch von Carus, das. 1882).

Darwins Einfluss auf die Naturforschung war ein so großer, dass man ihn den »Kopernikus oder Newton der organischen Welt« genannt hat. Binnen wenigen Jahrzehnten trat ein Umschwung in den Ansichten, Methoden und Zielen der Naturforscher, vor allen der Zoologen und Botaniker, ein, wie er in der Geschichte der organischen Forschung seinesgleichen nicht hat. Indem Darwin ferner den Menschen als Glied der lebenden Natur reklamierte, hat er zugleich die Menschenwissenschaften in eine lebendige Berührung und Wechselwirkung mit der Naturwissenschaft gebracht, und die genetische Methode, die Verfolgung des Werdenden und der Entwickelung, um das Gewordene besser zu verstehen, ist das Schibboleth der heterogensten Forschungsgebiete geworden. Er hatte die Freude, den vollständigsten Triumph seiner Lehren zu beobachten, und namentlich in Deutschland fand er das früheste Verständnis und begeisterte Anhängerschaft. Der heftige, anfangs von persönlichen Angriffen nicht freie Kampf seiner Gegner war längst verstummt; auch die rücksichtslosesten unter ihnen wurden durch die milde und versöhnliche Form, in der er seine Ansichten verteidigte, entwaffnet. Noch mehr aber gewann er die Geister durch seinen das Fernste verknüpfenden Scharfsinn und seine nie ruhende Vorsicht im Prüfen der eignen Schlüsse, sowie die Herzen durch seine Milde und Gerechtigkeit im Urteil, durch seine Hingebung für die Freunde und durch seine Aufrichtigkeit und Bescheidenheit den eignen Leistungen gegenüber. Eine deutsche Übersetzung von Darwins »Gesammelten Werken«, mit Ausnahme der Monographie über die Cirripeden, besorgte V. Carus (Stuttg. 1875-1888, 16 Bde.; Auswahl in 6 Bdn. 1886). Eine Übersetzung von Darwins »Kleinern Schriften« gab E. Krause (Leipz. 1886) heraus. Vgl. E. Krause, Ch. Darwin und sein Verhältnis zu Deutschland (Leipz. 1886); »Life and letters of Charles Darwin« (von Franeis Darwin, 1887, 3 Bde.; deutsch von Carus, Stuttg. 1887, 3 Bde.; Auswahl in 1 Bd., 1893); »More letters of Ch. Darwin« (hrsg. von Fr. Darwin und A. L. Sewart, Lond. 1903, 2 Bde.); Preyer, Darwin Sein Leben und Wirken (Berl. 1896). Weitere Briefe erschienen 1903, 2 Bde.; 1897 wurde ein Denkmal (von H. Montford) in Shrewsbury errichtet."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


1860-05-22: Brief an Asa Gray

With respect to the theological view of the question. This is always painful to me. I am bewildered. I had no intention to write atheistically. But I own that I cannot see as plainly as others do, and as I should wish to do, evidence of design and beneficence on all sides of us. There seems to me too much misery in the world. I cannot persuade myself that a beneficent and omnipotent God would have designedly created the Ichneumonidae1 with the express intention of their feeding within the living bodies of Caterpillars, or that a cat should play with mice. Not believing this, I see no necessity in the belief that the eye was expressly designed.

 

On the other hand, I cannot anyhow be contented to view this wonderful universe, and especially the nature of man, and to conclude that everything is the result of brute force. I am inclined to look at everything as resulting from designed laws, with the details, whether good or bad, left to the working out of what we may call chance.

Not that this notion at all satisfies me. I feel most deeply that the whole subject is too profound for the human intellect. A dog might as well speculate on the mind of Newton. Let each man hope and believe what he can.


Certainly I agree with you that my views are not at all necessarily atheistical. The lightning kills a man, whether a good one or bad one, owing to the excessively complex action of natural laws. A child (who may turn out an idiot) is born by the action of even more complex laws, and I can see no reason why a man, or other animal, may not have been aboriginally produced by other laws, and that all these laws may have been expressly designed by an omniscient Creator, who foresaw every future event and consequence.

 

But the more I think the more bewildered I become; as indeed I probably have shown by this letter.

Nun zur theologischen Seite der Frage. Dies ist mir immer peinlich. Ich bin verunsichert. Ich hatte nicht die Absicht, atheistisch zu schreiben. Aber ich gebe zu, dass ich nicht so deutlich, wie es andere sehen und wie ich es selbst gerne sehen würde, rings um uns her Beweise für Zweckbestimmung und Güte zu erkennen vermag. Es scheint mir zuviel Elend in der Welt zu geben. Ich kann mich nicht dazu überreden, dass ein gütiger und allmächtiger Gott mit Absicht die Schlupfwespen1 erschaffen haben würde mit dem ausdrücklichen Auftrag, sich im Körper lebender Raupen zu ernähren, oder dass eine Katze mit Mäusen spielen soll. Da ich daran nicht glaube, sehe ich auch keine Notwendigkeit in dem Glauben, dass das Auge bewusst geplant war.

Andererseits kann ich mich keineswegs damit abfinden, dieses wunderbare Universum und insbesondere die Natur des Menschen zu betrachten und zu folgern, dass alles nur das Ergebnis roher Kräfte sei. Ich bin geneigt, alles als das Resultat vorbestimmter Gesetze aufzufassen, wobei die Einzelheiten, ob gut oder schlecht, dem Wirken dessen überlassen bleiben, was wir Zufall nennen könnten.

Nicht, dass mich diese Einsicht im mindesten befriedigte. Ich fühle zutiefst, dass das ganze Problem für den Intellekt des Menschen zu hoch ist. Ebensogut könnte ein Hund über den Geist Newtons spekulieren. jeder Mensch soll hoffen und glauben, was er kann.

Ganz gewiss stimme ich mit Ihnen überein, dass meine Anschauungen keineswegs notwendigerweise, atheistisch sind. Der Blitz tötet einen Menschen, sei er gut oder schlecht, infolge des ungeheuer komplizierten Zusammenwirkens von Naturgesetzen. Ein Kind (das sich später als Idiot entpuppen kann) wird durch das Wirken von noch komplizierteren Gesetzen geboren, und ich vermag keinen Grund einzusehen, warum ein Mensch oder ein anderes Lebewesen ursprünglich nicht durch andere Gesetze hervorgebracht worden sein könnte und dass alle diese Gesetze ausdrücklich von einem allwissenden Schöpfer vorbestimmt sein sollten, der alle künftigen Ereignisse und Konsequenzen vorausgesehen hat.

Doch je mehr ich darüber nachdenke, desto größer wird meine Verwirrung, wie ich wahrscheinlich schon mit diesem Brief bewiesen habe [... ]

Charles Darwin: Letter to Asa Grey, 1860-05-22. -- In: Darwin Charles <1809 - 1882>: The correspondence of Charles Darwin. -- Cambridge : Cambridge University Press, 1985-93. -- Vol.  8: 1860.  -- 1993. -- S. 224] [Übersetzung: Darwin Charles <1809 - 1882>:Ausgewählte Schriften : Über d. Abstammung des Menschen, d. Ursprung d. Arten u. ihre Erhaltung im Kampf ums Dasein / Ausw., Übers. u. verbindende Texte von Walter von Wyss. -- München : Goldmann, [1967]. --153 S. ; kl. 8°. -- (Goldmanns gelbe Taschenbücher ; Bd. 1929)]

1876: Autobiography

That there is much suffering in the world no one disputes. Some have attempted to explain this in reference to man by imagining that it serves for his moral improvement. But the number of men in the world is as nothing compared with that of all other sentient beings, and these often suffer greatly without any moral improvement. A being so powerful and so full of knowledge as a God who could create the universe, is to our finite minds omnipotent and omniscient, and it revolts our understanding to suppose that his benevolence is not unbounded, for what advantage can there be in the sufferings of millions of the lower animals throughout almost endless time?


This very old argument from the existence of suffering against the existence of an intelligent first cause seems to me a strong one; whereas, as just remarked, the presence of much suffering agrees well with the view that all organic beings have been developed through variation and natural selection.

13. Dass es viel Leiden auf Erden gibt, bestreitet keiner. Man hat das wenigstens soweit es den Menschen betrifft damit zu erklären versucht, dass es seiner sittlichen Besserung diene. Aber die Zahl der Menschen ist wie nichts im Vergleich mit der aller anderen fühlenden Wesen. Diese leiden oft erheblich ohne die Möglichkeit einer sittlichen Besserung. Ein Wesen, das so mächtig und kenntnisreich ist wie ein Gott, der das Universum erschaffen konnte, erscheint unserem begrenzten Geist allmächtig und allwissend, und es beleidigt unser Verständnis, dass sein Wohlwollen nicht unbegrenzt sein soll, denn was für einen Vorteil könnte das Leiden von Millionen niederer Tiere durch fast endlose Zeiten hindurch haben?

Dieses uralte Argument aus der Existenz des Leidens gegen die Existenz einer intelligenten Erstursache scheint mir gewichtig. Dagegen stimmt die Existenz von viel Leid, wie ich oben bemerkt habe, mit der Ansicht überein, dass sich alle Organismen durch Wandlung (Mutation) und natürliche Selektion entwickeln.

[Darwin Charles <1809 - 1882>: The autobiography of Charles Darwin, 1809 - 1882 : with original omissions restored / edited with appendix and notes by his grand-daughter Nora Barlow. -- London : Collins, 1958. -- 253 S. : Ill. ; 22 cm. -- S. 90]

[Übersetzung: Das Christentum im Urteil seiner Gegner / Hrsg. von Karlheinz Deschner. -- Wiesbaden : Limes-Verl., 1969 - 1971. -- 2 Bde. -- Bd. 1. -- 1969. -- S. 287]

Erläuterungen:

1 Schlupfwespen

"Schlupfwespen (Ichneumonen, Ichneumonidae), Familie der Hautflügler, Insekten mit meist dünnem, langgestrecktem Körper, borsten- oder fadenförmigen, vielgliederigen Fühlern, drei Nebenaugen, die Weibchen mit einem oft sehr langen, von zwei seitlichen Klappen umgebenen Legebohrer, der meist frei aus der Hinterleibsspitze hervorragt. Die Weibchen legen ihre Eier in andre Insekten oder deren Eier, Larven, Puppen ab, in denen die fuß- und afterlosen Larven sich entwickeln. Hauptsächlich werden Raupen durch die Larven von Schlupfwespen zugrunde gerichtet, so dass diese im Haushalt der Natur eine sehr wichtige Rolle spielen und durch Vertilgung schädlicher Raupen nützlich werden. Viele Schlupfwespen sind auf bestimmte Insektenfamilien, Gattungen und Arten angewiesen. Die Larven verzehren in Eiern deren ganzen Inhalt, während sie in Larven wesentlich von deren Fettkörper sich nähren, dabei aber das Gedeihen der Wirte so wenig stören, dass diese völlig auswachsen und sich verpuppen. In letzterm Fall schlüpfen dann aus der Puppe des Wirtes statt des letztern eine oder mehrere Schlupfwespen aus. Ebenso häufig erliegt aber die Larve den Parasiten, indem diese sich aus der Haut derselben hervorbohren und die Leiche ihrer Ernährerin mit den alsbald gefertigten Kokons bedecken (s. Tafel »Hautflügler I«, Fig. 3a).


Fig. 3a

Sehr häufig schmarotzen auch Schlupfwespen in andern Schlupfwespen Der Legestachel der Weibchen ist kurz bei den Arten, die frei lebende, glatte Raupen anstechen, dagegen sehr lang bei denjenigen, welche die Raupen in Bohrlöchern aufsuchen.

Man teilt die Schlupfwespen in fünf Gruppen:

  • Ichneumonen (Ichneumones), mit niedergedrücktem, lanzettförmigem, gestieltem Hinterleib, verborgenem Bohrer, sehr bunt, legen in Raupen nur ein Ei, und die Wespe schlüpft aus der Puppe aus;
  • Kryptiden (Cryptides), mit gestieltem Hinterleib und hervortretendem Bohrer;
  • Pimplarier (Pimplariae), mit sitzendem, niedergedrücktem Hinterleib und oft sehr langem Bohrer;
  • Sichelwespen (Ophionidae), mit meist geradstieligem, seitlich zusammengedrücktem Hinterleib und kaum hervorragendem Bohrer;
  • Tryphoniden (Tryphonides), mit sitzendem oder gestieltem, drehrundem, nach hinten etwas verdicktem Hinterleib mit kaum sichtbarem Bohrer oder durch Fühler- und Flügelbildung von den übrigen Gruppen abweichend.

Die Zahl der bekannten Arten beträgt gegen 5000, die über die ganze Erde verbreitet sind.


Fig. 7

Die Kiefernspinnersichelwespe (Anomalon circumflexum L., s. Tafel »Hautflügler I«, Fig. 7), 2-3 cm lang, mit gelbrotem, schwarz gespitztem Hinterleib, rötlichgelben Beinen mit hellern Schenkelringen, schwarzen Hüften, an den hintern mit schwarzen Schenkelspitzen und Schienen, braunroten Fühlern, rotgelb geflecktem Kopf und gelbem Schild, legt ihre Eier in Kiefernspinnerraupen, in denen sich die Larven entwickeln und verpuppen, wenn sich die Raupe verpuppt, so dass sich die Wespe erst aus der abgestorbenen Puppe des Wirtes herausfrisst.

Die Larve von Rhyssa persuasoria schmarotzt in den Larven der Holzwespe, und das Weibchen bohrt seinen Legestachel etwa 6 cm tief in gesundes Holz, um jene Larve zu erreichen.


Fig. 12

Die Ephialtes-Arten (s. Tafel »Hautflügler I«, Fig. 12) dagegen, die ebenfalls ihre Eier in Larven legen, die im Holz wohnen, schieben den Legestachel durch ein Bohrloch ein.

Die Weichwespen (Schlupfwespenverwandten, Brakoniden, Braconidae), kleinere Wespen mit auf dem Rücken verwachsenen zweiten und dritten Hinterleibsringen, langen, geraden, faden- oder borstenförmigen vielgliederigen Fühlern und nur einer rücklaufenden Ader im Vorderflügel.

Die sehr zahlreichen Arten der Gattung Microgaster Latr, (mit sehr kurzem Hinterleib) legen fast sämtlich ihre Eier in Schmetterlingsraupen, besonders in behaarte, aus denen sich die entwickelten Larven herausbohren, um sich sofort in Kokons einzuspinnen, die nach kurzer Zeit Wespen liefern.


Fig. 3

Microgaster nemorum L. (s. Tafel »Hautflügler I«, Fig. 3), 0,75 cm breit, glänzend schwarz. an den Hinterrändern der beiden ersten Hinterleibsglieder licht-, an den Beinen, mit Ausschluss der schwarzen Hinterfüße, rötlichgelb, schmarotzt im Kiefernspinner; in den Mikrogasterlarven aber schmarotzen wieder kleine Pteromalinen.

Vgl. Gravenhorst, Ichneumonologia europaea (Bresl. 1829, 3 Bde.), dazu als Fortsetzung Nees v. Esenbeck, Hymenopterorum Ichneumonibus affinium monographiae (Stuttg. 1834, 2 Bde.); Ratzeburg, Die Ichneumonen der Forstinsekten (Berl. 1844-52, 3 Bde.); Schmiedeknecht, Opuscula ichneumonologica (Blankenburg i. Thür. 1902 ff.)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


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