Religionskritisches von Helene von Druskowitz

Pessimistische Kardinalsätze

von Helene von Druskowitz


herausgegeben von Alois Payer (payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Druskowitz, Helene von <1856 - 1918>: Pessimistische Kardinalsätze <Teilausgabe>. -- Fassung vom 2007-11-21. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/druskowitz01.htm

Erstmals publiziert: 2007-11-21

Überarbeitungen:

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Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library

Erstausgabe:

Druskowitz, Helene von <1856 - 1918>: Pessimistische Kardinalsätze : ein Vademekum für die freiesten Geister / von Erna (Helene von Druskowitz). -- Als Manuskript gedruckt. -- Wittenberg : Herrose & Zimsen, [o.J.]. -- Online: http://de.wikisource.org/wiki/Pessimistische_Kardinals%C3%A4tze. -- Zugriff am 2007-11-21


"Helene von Druskowitz (* 2. Mai 1856 in Hietzing bei Wien; † 31. Mai 1918 in Mauer-Öhling; eigentlich Helena Maria Druschkovich) war eine österreichische Philosophin, Literatur- und Musikkritikerin. Druskowitz war die zweite promovierte Philosophin überhaupt. Von ihren Zeitgenossen mit Hohn und Spott überzogen, publizierte sie meist unter männlichem Pseudonym.

Leben

Da in ihrer Jugend für ein Mädchen kein Universitätsstudium möglich war, durchlief Helene von Druskowitz erst den klassischen Bildungsweg einer höheren Tochter und wurde am Konservatorium in Wien zur Pianistin ausgebildet. 1874 zog sie gemeinsam mit ihrer Mutter nach Zürich, wo Frauen bereits seit 1867 zum regulären Studium zugelassen waren. Nach ihrem Studium der Philosophie, Archäologie, Germanistik, Orientalistik und modernen Sprachen wurde sie als erste Österreicherin und als zweite Frau nach Stefania Wolicka als Philosophin promoviert.

Nach ihrem Studium arbeitete Druskowitz als Dozentin für Literaturgeschichte an verschiedenen Universitäten. 1881 lernte sie Marie von Ebner-Eschenbach kennen, die sie in ihren literarischen Zirkel aufnahm.

1884 lernte Druskowitz Rainer Maria Rilke, Lou Andreas-Salomé und Friedrich Nietzsche kennen. Erst von ihm begeistert, wurde sie nach dem eingehenden Studiums seines Werkes und Analyse seiner Einstellung gegenüber Frauen („Ein Mann, der Tiefe hat [...] muß das Weib als Besitz, als verschließbares Eigentum, als etwas zur Dienstbarkeit Vorherbestimmtes auffassen“; „Das Weib soll nicht fortfahren, sich durch Aufklärung zu kompromittieren“; „Allen rechten Frauen geht Wissenschaft gegen die Scham“) zu seiner schärfsten Kritikerin und sprach ihm in Moderne Versuche eines Religionsersatzes von 1886 jegliche philosophische Qualifikation ab.

Als Intellektuelle und Lesbierin war Druskowitz eine gesellschaftliche Aussenseiterin. Sie setzte sich in ihren Schriften für die absolute Gleichberechtigung der Geschlechter ein, vertrat jedoch einen konsequenten Differenzfeminismus. 1886 starb ihr Bruder und 1888 ihre Mutter. Druskowitz geriet mehr und mehr in Alkohol- und Drogenprobleme. Nachdem sich 1891 ihre langjährige Lebensgefährtin, die Sängerin Therese Malten, von ihr trennte, geriet sie in eine existenzielle Krise und rutschte endgültig in den Alkoholismus. Sie wurde 1891 in die Nervenklinik von Mauer-Oehling eingewiesen und kurz darauf entmündigt. Trotz allem schrieb sie weiter und veröffentlichte 1905 ihre polemische Antwort auf die 1900 erschienene und viel beachtete Schrift Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes des Leipziger Neurologen Paul Möbius, Pessimistische Kardinalsätze. Ein Vademecum für die freien Geister, das 1988 unter dem Titel Der Mann als logische und sittliche Unmöglichkeit und als Fluch der Welt wieder aufgelegt wurde.

Helene von Druskowitz starb Ende Mai 1918 an der Ruhr. Ihre letzten 27 Lebensjahre verbrachte sie in der Heilanstalt von Mauer-Oehling.

Werk

Druskowitz' frühe Philosophie besteht aus Religionskritik und dem Versuch, die Religion durch eine nicht-religiöse Weltanschauung zu ersetzen. Später, insbesondere durch die Enttäuschung der Bekanntschaft mit dem zunächst von ihr verehrten Nietzsche, wandte sie sich einer pessimistischen Gesellschafts- und Patriarchatskritik zu. Ihr spätes Werk ist geprägt von tiefer Misanthropie. Ihren letzten und heute bekanntesten Text, die pessimistischen Kardinalssätze schrieb sie in der Nervenklinik. Darin malte sie ein schwarzes Bild von der Zukunft der Menschheit, wo Männer die Welt zerstören und Frauen ihnen als „Führerinnen in den Tod“ zudienten. Um diesen Vorgang zu beschleunigen empfiehlt Druskowitz eine konsequente Geschlechterapartheid und - den Frauen - die Homosexualität, um „das Aussterben des menschlichen Geschlechts“ voranzutreiben.

Auch ihre Theaterstücke sind von scharfer Kritik an ihren Zeitgenossen und Zeitgenossinnen geprägt. So kritisiert sie in der Komödie Die Emanzipationsschwärmerin die Frauen, die nur aus „Emancipationsgründen“ an der Universität studierten und dort mit „Konfusen Reden über die Frauenfrage“ den Betrieb störten, um „die Aufmerksamkeit der Männer zu erregen“.

Veröffentlichungen
  • 1882 - Sultan und Prinz
  • 1883/84 - Der Präsident vom Zitherclub
  • 1884 - Percy Bysshe Shelley
  • 1885 - Drei englische Dichterinnen
  • 1886 - Moderne Versuche eines Religionsersatzes
  • 1887 - Wie ist Verantwortung und Zurechnung ohne Annahme der Willensfreiheit möglich?
  • 1888 - Zur neuen Lehre. Betrachtungen.
  • 1889 - Zur Begründung einer neuen Weltanschauung (Zur neuen Lehre)
  • 1889 - Eugen Dühring. Eine Studie zu seiner Würdigung
  • 1889 - Aspasia
  • 1890 - Die Pädagogin
  • 1903 - Philosophischer Rundfragebogen
  • 1905 - Pessimistische Kardinalsätze (1988 unter dem Titel „Der Mann als logische und sittliche Unmöglichkeit und als Fluch der Welt“ neu aufgelegt)"

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Helene_von_Druskowitz. -- Zugriff am 2007-11-21]


1. Kein Gott im gemeinen Sinne.

  1. Es gibt eine Übersphäre, ein höheres Prinzip, wie das nächste Kapitel zeigen wird, allein für die gemeine Vorstellung von Gott würde kein Substrat vorhanden sein, noch ist das, was wir uns logischerweise unter der höchsten Idee vorstellen, mit dem vergleichbar, was der gemeine Theismus in seinem Wahn für glaubwürdig hält.
     
  2. Der Haupterklärungsgrund für die Widersprüche und die Unlauterkeit in der gemeinen Vorstellung von Gott ist die anthropomorphe Ausstattung desselben im männlichen Sinne. Daraus erklärt sich, weshalb man bei seiner Darstellung großartig anfängt und stets elend und kleinmütig schließt. Von wahrer Weisheit und wirklicher Güte, welche seine Verehrer dem Herrgott vindizieren, könnte – man hat es ja selbstredend nur mit einer Art Hypothese zu tun – gar nicht die Rede sein …


    Abb.: Jan van Eyck <1390 - 1441>: Thronender Gottvater (Genter Altar) <Ausschnitt>. --
    vor 1426–1432

    Seine Providenzlosigkeit, die Unfähigkeit, seine sogenannte Schöpfung richtig auszustatten, seine Rückständigkeit, die darin zu suchen wäre, dass er tief unter sich geschaffen hat, während jeder Künstler und Handwerker über sich hinaus schafft, müsste Schauder und Entsetzen erregen. Denn die Welt, die wir kennen, ist vom Grundübel beherrscht, ist durch und durch ein Stückwerk. Faul im innersten Kerne, tastet sie sich an dem Strange schmerzvoller Entwicklungsgesetze mühsam weiter und ist im obersten Felde, in dem des Menschen Bewusstseins, derart falsch vorbereitet, so dass die schönere, reinere und mildere Geschlechtshälfte, der Gier und Wollust eines hässlichen, rohen und zu maßlosen Torheiten neigenden Geschlechtes unterworfen bleibt. Zählen wir die Vorstellung von den sogenannten Strafen in einem eingebildeten Jenseits hinzu, so entsteht von Gott das Bild eines bösen Struwwelpeters, der millionenfach selbst die Hölle und ihre Qualen verdienen würde, zu welchen er seine Subjekte verdammt. Nachdem wir Gott als Tor und Betrüger und armen Stümper kennen gelernt haben, begreifen wir kaum mehr, dass er ein metaphysisches Wesen sei oder als solches aufgefasst werde; – um so weniger, als es an und für sich widersinnig ist anzunehmen, dass die Welt, als materielle Einheit, von einem sogenannten metaphysischen Wesen, das sie nicht einmal erkennen kann, erschaffen worden sei.
     


    Abb.: Struwwelpeter
    [Bildquelle: Wikipedia]
     

  3. Das Gesamtwerk von Gott ist ein erbärmliches männliches Machwerk, voll von Schädlichkeit, insbesonders für die Frauenwelt, deren Entwicklung dasselbe stets ungemein gehemmt hat.


    Abb.: Wilhelm Morgner <1891 - 1917>: Schöpfung. --
    1913

     

  4. Nicht weniger schlimm steht es um den philosophischen Monismus mit intellektueller Grundlage, weil dieser alles Gute und Schlechte in Eins verflicht, und bei Aufzählung der Irrtümer der gesamten Welteinrichtung möge man auch die schmachvollsten Fälle hervorheben, ein altweises Gesicht macht …

    Mit unbegreiflicher Seelenruhe lässt derselbe das Böse aus dem Guten hervorgehen und fühlt in seinem optimistischen Wahn kein Bedürfnis, der verbrecherischen Tragikomödie des Daseins ein Ziel zu setzen. Der verderbliche Ausspruch, dass, was dem einen wohl bekomme, dem andern schädlich sei, dürfte jenen Monisten einen kräftige Rüge von seiten der Altruisten, der mildesten Denker, zuziehen, eine noch viel schärfere aber von seiten der psychologischen Denker.
     
  5. Ebenso unerquicklich wie seinen Voraussetzungen ist der Theismus in seinen Nachwirkungen. Er führt zum Krieg, hemmt Völker und Staaten in ihrer natürlichen Entwicklung, ist ein Feind und Unterdrücker des weiblichen Geschlechtes, fördert die Lüge, die Verleumdung und den gemeinen Wahn, fördert jede Untugend, erzeugt die krassesten Ungebilde und begünstigt, wie dies das Treiben des sogenannten hohen Klerus in seiner Hoffart und seinen wählerischen Tafelfesten und des geistlosen, aber allen Vergnügungen und körperlichen Spielen, sowie allen materiellen Freuden mit teuflischer Lust ergebenden vulgären Adels erweist, die schlechtesten Kasten und Einrichtungen.
     
  6. Der normale Geist ist atheistisch. Er führt alle Vorgänge auf frühere zurück und so ad infinitum. In seinen ethischen Handlungen lässt er sich teils durch das innerste Gefühl, teils durch das sittliche Bewusstsein, das sich allmählich konkresziert hat, leiten. Der Atheist ist der eigentliche Philosoph. Er besitzt den Schlüssel zu jener Weisheit und Freiheit, er vermag im Denken bis zu den äußersten Konsequenzen fortzuschreiten, und bei erweiterten Urteil über Leben und Tod Bestimmendes verkünden. Er kann heilig sein nur durch sich selbst und ohne jede Zeremonie, einfach deshalb, weil der die rohe und kindische Vorstellung von »Gott« vollkommen von sich fern hält.


    Abb.: "Zeremonie": Konfirmation. -- Glückwunschkarte, Anfang 20. Jhdt.
     

  7. Der Atheist, wenn konsequent, hat in jedem wichtigen Punkte einen Gegensatz zu dem Gläubigen zu bilden. Beispielsweise hat er die Materie ironisch und skeptisch aufzufassen und ein Feind der blinden und blöden Volksvermehrung und der Eheschließungen zu sein.


    Abb.: Eine Freundin der "Volksvermehrung und der Eheschließungen": Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005 - )
    [Quelle: freies Pressebild: http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/Presse/foto-download,did=69200.html. -- Zugriff am 2007-11-21]


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