Religionskritisches von Friedrich Engels

Programm der blanquistischen Kommuneflüchtlinge <Auszug> (1874)

von

Friedrich Engels


Herausgegeben von Alois Payer (payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Engels, Friedrich <1820 - 1895>: Programm der blanquistischen Kommuneflüchtlinge <Auszug>.  -- (Flüchtlingsliteratur ; II). -- 1874. -- Fassung vom 2004-12-27. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/engels02.htm 

Erstmals publiziert: 2004-12-26

Überarbeitungen:

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Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library


Erstmals erschienen in:

"Der Volksstaat" Nr. 73 vom 26. Juni 1874


Kritische Ausgabe:

Karl Marx <1818 - 1883 >,  Friedrich Engels <1820 - 1895>: Werke / herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. --  Berlin: Dietz-Verlag. -- Bd 18. --  1962.


Flüchtlingsliteratur

II.

Programm der blanquistischen1 Kommuneflüchtlinge <Auszug>


Abb.: Louis Auguste Blanqui [Bildquelle: http://www.library.northwestern.edu/spec/siege/images/PAR00464.JPG. -- Zugriff am 2004-12-27]

|S. 531| Es geht also wieder los, und zwar alsbald. Diese Hoffnung auf sofortige "Revanche der Kommune" ist nicht bloße Flüchtlingsillusion, sie ist notwendiger Glaubensartikel bei Leuten, die sich mit Gewalt in den Kopf setzen, "Männer der Tat" zu spielen zu einer Zeit, wo es in ihrem Sinn, dem Sinn des revolutionären Losschlagens, absolut nichts zu tun gibt. Einerlei. Da es losgeht, scheint ihnen "der Moment gekommen, dass alles in der Flüchtlingschaft, was noch Leben in sich hat, sich erkläre". Und somit erklären uns die 33, dass sie sind

  1. Atheisten,
  2. Kommunisten,
  3. Revolutionäre.

Unsere Blanquisten haben mit den Bakunisten2 das gemein, dass sie die am allerweitesten gehende, extremste Richtung vertreten wollen. Weswegen sie auch, beiläufig gesagt, obwohl in den Zielen jenen entgegengesetzt, dennoch in den Mitteln oft mit ihnen zusammengehen. Es handelt sich also darum, in Beziehung auf den Atheismus radikaler zu sein als alle andern.

Atheist zu sein, ist heutzutage glücklicherweise keine Kunst mehr. Der Atheismus ist so ziemlich selbstverständlich bei den europäischen Arbeiterparteien, obwohl er in gewissen Ländern oft genug beschaffen sein mag wie der jenes spanischen Bakunisten, der sich dahin erklärte: an Gott zu glauben, das sei gegen allen Sozialismus, aber an die Jungfrau Maria, das sei ganz was andres, an die müsse ein ordentlicher Sozialist natürlich glauben. Von den deutschen sozialdemokratischen Arbeitern kann man sogar sagen, dass der Atheismus bei ihnen sich schon überlebt hat; dies rein negative Wort hat auf sie keine Anwendung mehr, indem sie nicht mehr in einem theoretischen, sondern nur noch in einem praktischen Gegensatz |S. 532| zum Gottesglauben stehen: Sie sind mit Gott einfach fertig, sie leben und denken in der wirklichen Welt und sind daher Materialisten. Dies wird in Frankreich auch wohl der Fall sein. Aber wenn nicht, so wäre doch nichts einfacher, als dafür zu sorgen, dass die prachtvolle französische materialistische Literatur des vorigen Jahrhunderts massenhaft unter den Arbeitern verbreitet würde, jene Literatur, in der der französische Geist nach Form und Inhalt bisher sein Höchstes geleistet hat und die - den damaligen Stand der Wissenschaft berücksichtigt - dem Inhalt nach auch heute noch unendlich hochsteht und der Form nach nie wieder erreicht worden ist. Aber das kann unsern Blanquisten nicht passen. Um zu beweisen, dass sie die Allerradikalsten sind, wird Gott, wie 17933, durch Dekret abgeschafft:

"Die Kommune möge auf ewig die Menschheit befreien von diesem Gespenst des vergangenen Elends" (Gott), "von dieser Ursache" (der nichtexistierende Gott eine Ursache!) "ihres gegenwärtigen Elends. - In der Kommune ist kein Platz für den Pfaffen; jede religiöse Kundgebung, jede religiöse Organisation muss verboten werden."

Und diese Forderung, die Leute par ordre du mufti4 in Atheisten zu verwandeln, ist unterzeichnet von zwei Mitgliedern der Kommune, die doch wahrlich Gelegenheit genug hatten, zu erfahren, dass erstens man ungeheuer viel auf dem Papier befehlen kann, ohne dass es darum ausgeführt zu werden braucht, und zweitens, dass Verfolgungen das beste Mittel sind, missliebige Überzeugungen zu befördern! Soviel ist sicher: Der einzige Dienst, den man Gott heutzutage noch tun kann, ist der, den Atheismus zum zwangsmäßigen Glaubensartikel zu erklären und die Bismarckschen Kirchenkulturkampfgesetze5 durch ein Verbot der Religion überhaupt zu übertrumpfen.


Erläuterungen:

1 Blanquisten: Anhänger von Louis Auguste Blanqui

"Louis Auguste Blanqui (* 1805 in Puget-Théniers; † 1881 in Paris), französischer, revolutionärer und sozialistischer Theoretiker wurde 1805 als Sohn des Jean-Dominique Blanqui in Puget-Théniers im Departement Alpes Maritimes geboren. Er studierte Rechtswissenschaften und Medizin, fand aber schon bald im politischen Engagement seine Berufung.

Sein intellektueller und politischer Werdegang wurde durch die Theorien François Noël Babeufs, Charles Fouriers und Claude-Henri Comte de Saint-Simon beeinflusst.

Blanqui wirkte am Sturz Karls X. in der Julirevolution von 1830 mit. Von 1831 an organisierte er republikanische und sozialistische Geheimbünde und war der Führer der geheimen 'Gesellschaft der Jahreszeiten'. Er wurde 1839 verhaftet und wegen der Beteiligung an einem fehlgeschlagenen Aufstand gegen den 'Bürgerkönig' Louis Philippe - einen Enkel Karls X - zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach 9 Jahren wurde er aber begnadigt und trat noch im selben Jahr als Wortführer der Linken im Pariser Juliaufstand von 1848 in Erscheinung. Daraufhin wurde er erneut verhaftet und zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Dort entwarf eine eigene sozialistische Theorie, in deren Zentrum erstmals die Idee von der Diktatur des Proletariats stand: "Frankreich voller bewaffneter Arbeiter, das ist der Sozialismus". Nach seiner Freilassung und erneuten Verurteilung und Inhaftierung in den Jahren 1861-1865 begab er sich ins Exil nach Belgien, um von dort seinen Kampf weiter zu führen. Nach der Generalamnestie des Jahres 1869 kehrte er nach Frankreich zurück.

Schon 1870 beteiligte er sich an der Organisation der Aufstände, die zur Gründung der Pariser Kommune führten. Im Oktober 1870 stand er dann für kurze Zeit an der Spitze der Übergangsregierung. Nach der blutigen Niederschlagung der Kommune kam Blanqui erneut ins Gefängnis bis er schließlich 1879 wiederum begnadigt wurde.

Kurz vor seinem Tod schrieb er sein Hauptwerk, die "Critique sociale", die aber erst im Jahr 1885 posthum veröffentlicht wurde.

Blanqui starb 1881. Er hatte großen Einfluss auf spätere kommunistische und sozialistische Bewegungen. Seine Anhänger, die Blanquisten, schlossen sich schließlich der Sozialistischen Partei Frankreichs an."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Louis-Auguste_Blanqui. -- Zugriff am 2004-12-27]

2 Bakunisten: Anhänger von Michail Alexandrowitsch Bakunin

"Michail Alexandrowitsch Bakunin (russisch Михаил Александрович Бакунин, wiss. Transliteration Michail Alexandrovič Bakunin; * 30. Mai 1814 in Prjamuchino; † 1. Juli 1876 in Bern) war einer der berühmtesten russischen Anarchisten und Sozialrevolutionäre, als solcher auch über die russischen Grenzen hinaus aktiv.

Lebenslauf

Bakunins Familie gehörte zum unteren Landadel. Mit 15 Jahren wurde Michail Bakunin auf die Artillerieschule nach St. Petersburg geschickt und begann eine Offizierslaufbahn. Auf seine militärische Karriere verzichtete Bakunin jedoch und studierte ab 1838 in Moskau Philosophie. Insbesondere die deutschen Philosophen Fichte, Hegel und Schelling beeindruckten ihn. Im Sommer 1840 ging Bakunin nach Berlin, um dort weiter zu studieren. In Berlin wurde er mit den Ideen Ludwig Feuerbachs und der "Junghegelianer" bekannt und schloss sich ihnen an. Er wurde Materialist und entwickelte revolutionäre Ideen.

Kurze Zeit später zog Bakunin nach Dresden, wo er 1842 unter dem Pseudonym "Jules Elysad" den Aufsatz "Die Reaktion in Deutschland" veröffentlichte.

Anfang 1843 kam er nach Zürich, ein Jahr später zog er nach Paris.

In Paris traf er Karl Marx und Pierre Joseph Proudhon, den Begründer des Syndikalismus. Aus Paris wurde Bakunin 1847 ausgewiesen, weil er sich für die Befreiung Polens einsetzte. Polen war zu der Zeit seit dem Wiener Kongress in eine russische, österreichische und preußische Provinz aufgeteilt. In fast regelmäßigen Abständen kam es in diesen Provinzen im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu verschiedenen Aufständen gegen die jeweilige Fremdherrschaft.

Bakunin kehrte jedoch bereits im Februar 1848 nach Ausbruch der Februarrevolution, die zum Sturz des Bürgerkönigs Louis Philippe von Orléans und zur Ausrufung der zweiten französischen Republik führte, über Brüssel nach Paris zurück. Im Verlauf der sich an diese Revolution anschließenden Märzrevolution in weiteren Staaten Zentraleuropas war Bakunin an verschiedenen revolutionären Aktivitäten und Aufständen in unterschiedlichen Regionen beteiligt, teilweise auch in entscheidender Position.

1849 nahm er als einziger Russe am "Panslawistischen Kongress" in Prag teil, in dessen Gefolge es zum Aufstand der Böhmen gegen die österreichische Fremdherrschaft kam. Sein "Appell an die Slawen" erschien. In dieser Schrift betonte Bakunin, dass die so genannte nationale Frage untrennbar mit der sozialen Frage verbunden sei.

Im Mai 1849 beteiligte er sich gemeinsam mit Richard Wagner und anderen Revolutionären im Zuge der späten Märzrevolution an führender Stelle am Aufstand in Dresden zur Durchsetzung einer sächsischen Republik, dem sogenannten Dresdner Maiaufstand. Nach dessen Niederschlagung konnte er zunächst entkommen, wurde aber wenig später in Chemnitz verhaftet und zunächst in Deutschland, nach seiner Auslieferung an Österreich auch dort zum Tode zu verurteilt. 1851 wurde Bakunin zu lebenslänglicher Kerkerhaft begnadigt und nach Russland ausgeliefert. Zunächst saß er in der Peter-und-Paul Festung ein. 1857 wurde er nach Tomsk, später nach Irkutsk in Sibirien deportiert. In Sibirien lernte er seine Frau Antonia kennen.

Mitte 1861 konnte Bakunin über den Amur fliehen (Er schrieb an seine Freunde: L'Amour (Amur und Liebe) m'a sauvé). Es gelang Bakunin, nach Nikolajewsk und von dort über Japan weiter nach New York und schließlich nach London zu kommen.

Bakunin blieb auch über seine weitere Lebenszeit ein unruhiger Charakter im Dienst der sozialen Revolution und des Anarchismus: Er ging von London nach Italien, als er von der Revolutionsbereitschaft der Italiener (vgl. Risorgimento) hörte. Dort gründete er 1864 die erste "Fraternité Internationale" (übersetzt: "Internationale Brüderlichkeit"). In Neapel verfasste Bakunin den "Revolutionären Katechismus", eine Zusammenfassung seiner sozialistischen und sozialrevolutionären Ideen. 1867 ging er wieder nach Genf, wo er die "Internationale Arbeiter Allianz" bzw. auch die so genannte internationale "Liga für Friede und Freiheit" gründete, die später der Internationalen Arbeiterassoziation ("Erste Internationale") beitrat. Bakunin selbst wurde jedoch 1872 nach einer Auseinandersetzung mit Marx wegen seiner anarchistischen Ansichten ausgeschlossen. Er ging darauf in den Jura, beteiligte sich an der Jura-Föderation und gründete die "Anti-autoritäre Internationale".

Bakunin ließ sich kurz vor seinem Tod im Tessin nieder. Zu dieser Zeit war er von einer schweren Krankheit gezeichnet und resigniert, da sich seine Erwartung der nahen Revolution nicht erfüllte.

Bakunin ist im Berner Bremgartenfriedhof begraben. Auf seinem Grab steht: "Erinnert euch an den, der sein ganzes Leben eures verbessern wollte."

Wirken und Ideen

Die Hauptbedeutung von Bakunin liegt wohl in folgenden Punkten:

  1. Bakunin gilt als Begründer des kollektivistischen Anarchismus, im Gegensatz zu individualistischen Konzepten wie etwa William Godwin oder Max Stirner und dem Mutualismus von Pierre-Joseph Proudhon.
  2. Mit Bakunin wurde der Anachismus zu einer international organisierten, sozialrevolutionären Bewegung
  3. Bakunin war Repräsentant des antiautoritären Sozialismus

Bakunin trat für die Abschaffung der Ehe, des Erbrechts, des Rechts auf Privateigentum und als Atheist gegen die Religion ein. In seinen Schriften setzte er sich wiederholt mit dem Nationalismus und der sozialen Frage auseinander."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Michail_Bakunin. -- Zugriff am 2004-12-27]

3 1793 wurde in der Pariser Kathedrale Notre Dame feierlich die Göttin der Vernunft als höchstes Wesen an Stelle Gottes erklärt

4 par ordre du mufti: Durch Befehl von oben

5 Bezieht sich auf den "Kulturkampf" (1872 - 1887) des Reichskanzlers Otto von Bismarcks (1815 - 1898) und seine Religionsgesetzgebung, vor allem die sogenannten Maigesetze:

  1. Gesetz über die Vorbildung und Anstellung von Geistlichen vom 1873-05-1
  2. Gesetz über die kirchliche Disziplinargewalt und die Errichtung des Königlichen Gerichtshofes für kirchliche Angelegenheiten vom 1873-05-12
  3. Gesetz über die Grenzen des Rechts zum gebrauch kirchlicher Straf- und Zuchtmittel vom 1873-05-13
  4. Gesetz betreffend den Austritt aus der Kirche vom 1873-05-14

Um die katholischen politischen Kräfte für den Kampf gegen die Sozialdemokratie zu gewinnen, schwächte Bismarck fast alle antikatholischen Gesetze zwischen 1880 bis 1887 ab bzw. hob sie auf.


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