Religionskritisches von Adolf Glaßbrenner

Herrn Buffey's Wallfahrt nach dem heiligen Rocke (1845)

von Adolf Glassbrenner


herausgegeben von Alois Payer (payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Glaßbrenner, Adolf <1810 - 1876>: Herrn Buffey's Wallfahrt nach dem heiligen Rocke : Genrebild.  -- 1845. -- Fassung vom 2004-07-29. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/glassbrenner01.htm      

Erstmals publiziert: 2004-07-29

Überarbeitungen:

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Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library


Ursprünglich erschienen:

Brennglas, Adolf: Herrn Buffey's Wallfahrt nach dem heiligen Rocke : Genrebild. -- Hamburg : Verlags-Comptois, 1845

Wieder abgedruckt in:

Glaßbrenner, Adolf <1810 - 1876>: Unterrichtung der Nation : ausgewählte Werke und Briefe in drei Bänden ; mit zeitgenössischen Illustrationen / Adolf Glassbrenner. Hrsg. von Horst Denkler ... -- Köln : Informationspresse Leske, 1981. -- 3 Bde. -- Bd. 1. -- ISBN 3-434-00431-9. -- S. 246 - 275


"Adolf Glaßbrenner bürgerlich: Georg Adolph Glasbrenner; weiteres Pseudonym: A. Brennglas (* 27. März 1810; † 25. Oktober 1876 in Berlin) war ein deutscher Humorist und Satiriker.

Nachdem er mit 14 Jahren das Gymnasium verlassen musste und eine kaufmännische Lehre begann, beschloss er 1830 Journalist und freier Schriftsteller zu werden. Seit 1832 war er Herausgeber des "Berliner Don Quixote". Wegen politischer Anspielungen wurde er ein Jahr später mit einem fünfjährigen Berufsverbot belegt. Daraufhin wurde er Verfasser sehr erfolgreicher Groschenhefte, die meist im Berliner Dialekt erschienen. Wegen seiner politischen und sittlichen Satire wurde er immer wieder zensiert und bis zum Ausbruch der Revolution ausgewiesen. Ab 1850 gab er in Hamburg humoristische Zeitschriften heraus. Erst 1858 kam er wieder nach Berlin und verlegte seit 1868 die " Berliner Montagszeitung"."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Gla%DFbrenner. -- Zugriff am 2004-07-29]


Motto:

Zum neuen Jahre Glück und Heil!
Auf Weh' und Wunden gute Salbe!
Auf groben Klotz ein grober Keil!
Auf einen Schelmen anderthalbe!

Goethe



Abb.: Heiligenbildchen vom Heiligen Rock, 1844 [Bildquelle: http://www.antiquariat-grundmann.de/Luxuspapier/Andachtsgraphik/Andachtsbildchen/Wallfahrt_-_DE/wallfahrt_-_de.html. -- Zugriff am 2004-07-29]


Ein Wirthshaus in Berlin.


Polizeischreiber Preiße (sitzt hinter einem hohen Glase Weißbier und lies't die Zeitung). Nanu wird's Dag! Die Wallfahrten nach den heiljen Rock nehmen immermehr überhand. Dausende1 ziehen hin, um den heiligen Rock zu sehen un lassen sich....

Lebrecht Knubberbacke.... Ausziehen.

Polizeischreiber Preiße (fortfahrend). . . .von den Bischof vor Jeld von allen Übeln kuriren und von allen Sünden freisprechen.

Frischer. Und da sagen Sie: nanu wird's Tag? Nun wird's Nacht! müßten Sie sagen.

Herr Buffey. Sie entschuldjen, deß ich mir reinmische. Was is'n des vor'n Rock?

Polizeischreiber Preiße. Sie sagen: Christussen seiner, den ihm seine Mutter, die Jungfrau Maria, aus Lammwolle jewebt hat, wie er noch Kind war, un der mit ihm jewachsen is.

Herr Buffey. Was? I, Sie spaßen jehorsamst! Der Rock ooch jewachsen? Na, denn muß et wirklich en heiljer sind, denn meinen Willem hab' ich nu schon den siebenten Rock machen lassen müssen, weil er alle an de Schultern auswachst. Un der Junge nimmt doch noch tagtäglich an Alter zu!

Polizeischreiber Preiße. Die Nichte von den rühmlichst bekannten Erzbischof Droste von Vischering3 hat nich jehen können, hat nach den Dom von Trier müssen hinjedragen werden, un kaum is se da, un hat den heilijen Rock an den Zippel berührt, hastenichjesehen! jeht se lustig 'rum, als ob se in ihren janzen Leben keene krumme Beene jehabt hätte.

Herr Buffey (verwundert). Kaum zu jlooben!

Frischer. Kaum! Man muß es sehen, um zu glauben!

Herr Buffey (zu Preiße). Sie entschuldjen, Herr Preiße, Herr Polizeischreiber: hat se an Hühneroogen jelitten, wie mein Freund Proppen?

Lebrecht Knubberbacke. Ne, Hühneroogen waren es nich,obschon die in ihrer Umjcbung sehr beliebt sind, weil man mit diese Oogen nischt sieht. Sie litt am Kopp, un dieses Übel hatte sich ihr mit Hilfe des Reimmatismus uf de Beene jeworfen, so deß se durchaus nich vorwärts kommen konnte, was in unsern lieben Vaterlande keine janz eijenthümliche Krankheitserscheinung is. Nu hatte ihr ihr Onkel zwar Etwas unter den Fuß jejeben, aber deshalb konnte se erscht recht nich jehen, bis se den heiljen Rock berührt hatte, da jing es!

Herr Buffey. Ich kenne zu wenig Chemmie, Viehsiek nennt man Des, um zu wissen, ob die Lammwolle den Reimatisch nach sich zieht, aber zieht se den Reimatisch nach sich, so hätte müssen en Andrer von die Nichte lahme Beene jekrigt haben, durch Berührung!

Lebrecht Knubberbacke. Ne,Herr Buffey, vondes Heilje, scheint mir, verstehen Sie nischt, weil Sie Allens zu sehr als Materialist auffassen.

Herr Buffey (etwas hitzig). Wie sagen Sie? Materialist? Ich? Sie entschuldjen: ich bin Rentier!5 Ich habe Intressen, weil ich früher eine kleine Tabagie6 und ein noble jeu du Billardt7 hatte, und hinten ein Jartenverjnügen, wodurch ich mir mit der Zeit ein Capptal jemacht, welches mir so viel drägt, wie ich anständig brauche, un welches sicher steht, weil ich mir uf keene jefährlichen Jeschichten wie Eisenbahnen un Runkelrüben un derjleichen einlasse, weil ich nich speculire, nennt man des!

Lebrecht Knubberbacke. Eben weil Sie nich speculiren, sind Sie Materialist un fassen des zum Beispiel mit den katholschen Reimmatismus janz falsch auf. Sehen Se mal, so 'ne heilje Relieke10 nimmt alle Übel der Welt uf un behält se für sich, ohne was wieder abzujeben.

Frischer. So wie die Mönche alle Sünden der Welt durch die Ohrenbeichte in sich aufnehmen, ohne jemals selbst zu sündigen, (ruft.) Kellner, einen Bittern!

Polizeischreiber Preiße. Mir noch'ne Weiße!

Frischer. Übrigens, so die Herren nach vier Wochen wieder hier versammelt sein wollen, will ich ihnen meine erlebten Wunder beim heiligen Rocke mittheilen. Freitag reise ich nach dem Rhein und besuche auch Trier an der Mosel.

Herr Buffey. Leiden Sie ooch an de Beene? Frischer. Nein, auch nicht am Kopf, aber ich reise doch hin. Ich habe neulich von einem Minister geträumt, er sei ein Gens-d'arme,und will nun sehen, ob ich diese Sünde loswerden kann.

Brauer Pansch (der bisher still aber aufmerksam zuhörte): Da können wir vielleicht zusammen reisen, denn meine Hyacinthe will ooch hin.

Herr Buffey (verwundert). Ihre Hyacinthe? Die riecht woll nich?

Brauer Pansch. Meine Frau will ooch nach Trier.

Herr Buffey. Ach so! Worummen?

Brauer Pansch (verschämt lächelnd). I nu ... se hat sonne Idee, sie... jenug, sie will hin. Sie hat schon mehrere Bäder mit meinen Cousin, einen Medizindoctor besucht, aber ... he, he, he! Sehen Se mal, wir haben keene Kinder, un da macht sich des Reisen leichter als wenn wir welche hätten, (zu Frischer). Wenn Sie Freitag bestimmt nach den Rhein abreisen, denn will ich mir bis dahin einzurichten suchen, weil meine Frau mit mir erst Dienstag abfahren wollte.

Herr Buffey. Hören Se mal...

Commis12 Peschke (eintretend). Ju'n Abend, ju'n Abend, meine Herren und Damen, Letztere abwesend! Was hört mein erstauntes Ohr? (Zum Kellner). Eine Blonde aus der Kruke!13 (Zu den Gästen). Sie wollen nach dem alten Vater Rhein, den sie nicht haben sollen, ob sie wie gierje Raben?14 I is es die blitzblaue Möglichkeit! Dahin, dahin zieht mich mein Beruf! Dahin, dahin möcht' ich mit Dir, mein dicker Brauer ziehen! wie meine Cousine Mignon15 sagte, als se noch bei Jöthens diente. Ich reise nämlich für mein Haus, weil mein Haus zu groß is, um selbst zu reisen.

Herr Buffey. Na des wird hübsch. (Aufstehend, mit Pathos). Ich will ooch hin, meine Herren! Ooch nach Trier!!

Commis Peschke. Bitte, setzen Se sich!

Herr Buffey. Danke verbindlichst! (Er setzt sich). Na was sagen Sie dazu? Wir Alle zusammen, des kann unterhaltend werden, interessant Meinen Willem nehm' ich nämlich ooch mit, der stört uns nich, wenn wir unter uns sind, weil der dumme Junge jar nich des Maul ufdhut, wenn er nich von mir in der Erziehung strenge jefragt wird. Ich will mal sehen, ob ihn vielleicht 'ne weite Reise en Bischen Jrips beibringt, denn von die Fahrt nach Leipzig, welche ich neulich mit de Eisenbahn auf ihm machte — wollt' ick sagen: auf ihm mit de Eisenbahn . . . (heftig) auf de Eisenbahn mit ihm machte, da hat er noch nich Viel wechjekriegt, obschon er im Hotel de Pologne17 an eenen Disch mit de Literatur jesessen hat. Er hat die janze Table d'hôte18 über nischt als jejessen, un sich jar nich um de Literatur jekümmert, so viel ick ihm ooch in de Rippen jestoßen habe.

Frischer. Ein ächter Deutscher! Lassen Sie ihn doch bei unseren Zeitungen anstellen! Die bekümmern sich auch um jede Degenscheide von Militair, um jeden Fidelbogen von Virtuosen, um jeden Schornsteinbrand und um jedes Butter-Kellertreppen-Hinuntergefalle, aber von der Literatur, der größten Macht unserer Zeit, ziehen sie sich so ängstlich zurück, als ob sie bisse! Und wenn sie gar einmal davon reden, so wählen sie die unpopulärsten, einflußlosesten Dinge, besprechen Werke über egyptische Ruinen, über ausgegrabene Scherben, über classische Nachttöpfe und allenfalls über antike Tragödien wie Antigone19, Gräfin Hahn-Hahn20, Medea21, der gestiefelte Kater22 und pietistische Ergießungen. O es ist eine moderne Tragödie, das Aufführen der antiken! Ich will eine ganze Woche lang von trocknem Brode leben, aber vor faulem Fleische hab' ich einen rein menschlichen Widerwillen.

Commis Peschke (hat die Speisekarte in der Hand). Lassen Se sich doch Karbonade23 geben.

Frischer (ihn von der Seite betrachtend). Das ist allerdings sehr trocknes Brod, aber doch immer noch besser als das faule Fleisch und das Leder eines gestiefelten Katers.

Herr Buffey (zu Frischer). Sie sprechen sehr jelehrt aber... Ich habe Ihnen verstanden. Ich freue mir darauf, wie wir uns unterwejens von Dieses und Jenes unterhalten werden, denn ich bin ein Liebhaber von Ansichten, un eben darum is es mir lieb .... (macht eine sehr ernste Pause) . . . wenn ich .... mir über Dieses oder Jenes aussprechen kann, mittheilen!

Commis Peschke. Über dieses kann ich allenfalls ooch ein Wort mitreden, aber über Jenes weiß ich nicht so recht Bescheid. Lebrecht Knubberbacke. Na fahren Sie denn nu Alle zusammen, meine Herrschaften?

Commis Peschke. Ja, vor Schreck!

Lebrecht Knubberbacke. Wenn Sie ooch mit zusammen fahren, denn wär' des möglich. Aber Sie reiten ja.

Commis Peschke. Ich, reiten?

Lebrecht Knubberbacke. Na ja, reiten Sie denn nich Muster nach dem Rhein?

Commis Peschke. Ja, aber wenn ich Muster reite, denn is des der einzige Fall, wo ich Sie nich aufsitzen lassen kann.

Lebrecht Knubberbacke. Na wenn ich mir von Ihnen Verstand verspreche, da könnt' ich doch wo aufsitzen.

Brauer Pansch. Nu aber mal jleich an's Werk: wer Allens die Wallfahrt mitmacht, damit ich es meine Frau berichten kann, denn es is 'ne herzensjute nachsichtje Frau, aber sie hat zuweilen ihre Ansichten, un es is ihr nich Jeder janz einjal.

Commis Peschke. Des soll mir lieb sein, wenn ich ihr nich ejal bin. Also zählen wir! Ich bin Ich, ferner! Herr Frischer Zwee, Sie un Ihre Jattin Drei....

Brauer Pansch. Viere!

Commis Peschke. Ach richtig, bei dieser Jelegenheit zählen Sie ooch mit. Also Viere: Herr Buffey, von seine Zinsen, un sein Sohn Anderthalben, macht Fünf un en halb, un im Fall Herr Lebrecht Knubberbacke mitfährt, sind wir Siebentehalb Personen. Uf Sie, Herr Polizeischreiber Preiße, is woll nich zu rechnen, nich mal mit Kettenrechnung, denn wenn Een Zahn in unsre jroße Staats-Schreibe-Maschine fehlt, det stört unjeheuer.

Polizeischreiber Preiße. Mein Commissarjus verreist in diesen Tagen selber, weshalb ich nich mitkann, selbst wenn mein jejenwärtiger Vermöjenszustand sich über Siebzehn Silberjroschen beliefe, was indessen keineswejes der Fall is. Ich habe schon nach Spanien jeschrieben, ob ich nich Finanzminister da werden könnte. Während Sie nach Trier reisen, seh' ick mir im Bureau meinen alten Rock an, von den ick Ihnen versichern kann, daß er fabelhaft alt is. An Wolle erinnert er sich kaum mehr, der Sammt uf'n Kragen un uf de Umschläge is nach Manchester jereist un hat da höllisch Haare lassen müssen; die Brust des Rockes hat in dem Maaße abjenommen als de Taschen an Ausdehnung jewonnen haben; aber die Sympathie mit mir und der Welt hat er sich bewahrt, denn abgesehen davon, daß es ihm an Knöppen fehlt: auch er hat vom Schicksal sein Fett weggekriegt, un seine moderne Zerrissenheit kann durch keine alte Lappalien verbessert werden.

Commis Peschke. Des is en unheilijer Rock.

Polizeischreiber Preiße. Möglich, aber hinter diesem Rock steckt wenigstens kein Jesuit.

Brauer Pansch. Davon, von Jesuiten, hört un sieht man jetzt so viel. Was versteht man denn eejentlich unter Jesuiten?

Lebrecht Knubberbacke. Jesuiten is, wenn Eener en niederträchtijer Hallunke is, un en frommes Jesicht dazu schneidet.

Herr Buffey (mit weisem Lächeln). Bitte Herr Knubberbacke, Sie irren sich. Sie sprechen da von was Alljemeines: Jesuiten sind aber blos katholisch.

Lebrecht Knubberbacke. Bitte, Herr Rentier Buffey, Sie irren sich, trotz Ihrer Zinsen. Die katholischen Jesuiten haben des voraus, deß se sich so nennen, wie die Apotheker, wenn se wat jejen Fliejen und Mäuse jeben, en Jiftzeichen druf machen, damit de Menschen nich davon jenießen. Unsre protestantischen Jesuiten28 sind aber viel schlimmer, denn die thun so, als ob sie ihren Hunger un Durst un alle ihre Leidenschaften mit Bibelsprüchen stillen, un die dennoch die Welt in die Tinte der Dummheit, der Heuchelei und der Erschlaffung bringen.

Frischer. Das ist nicht wahr! Beide sind nicht werth, den Namen des ewigen Geistes auszusprechen, aber die protestantischen Heuchler erfüllen jede gesunde Natur mit Ekel; die Gesellschaft Jesu29 aber hat einen geistigen Reiz, der sie verführerisch macht und das Wohl der ganzen Welt gefährdet. Mir ist jede Religion, ja jede Confession recht, keine verachte, keine verhöhne ich und wären ihre Irrthümer so offenbar wie die Selbstsucht des Adels, die Bornirtheit der alten Gelehrten, die rohe Charakterlosigkeit der Masse, der erbärmliche Knechtsinn der Mittelklasse und andere Krankheiten, an denen unser Vaterland leidet; —aber die Ausbrüche der Dunkelsucht, des Aberglaubens, der egoistischen Nichtswürdigkeit müssen mit jeder Waffe und also auch mit der schärfsten, mit dem Hohn der Satyre verfolgt werden. Die kleinen konfessionellen Zerwürfnisse gehen uns Nichts mehr an, darüber sind wir hinaus: um die alten Kirchthürme herum fliegen die schwarzen Krähen und Dohlen krächzend und eifernd durcheinander; aber hoch über diesem Treiben erhaben schwebt der Adler des reinen Gottgedankens.

Brauer Pansch. Aber die Jesuiten scheinen mich jetzt wieder mächtig werden zu wollen, wenigstens meint es meine Frau.

Frischer. Ja, ihre Prophezeihung will sich erfüllen. Sie haben selbst gesagt: wie Lämmer haben wir uns eingeschlichen, wie Wölfe haben wir regiert, wie Hunde wird man uns hinauswerfen, aber wie Adler werden wir uns wieder erheben. Wie Menschen werden und wollen sie also niemals sein. Auch unter dem 'Adler' verstehen sie nur die irdische Macht, die Könige und Fürsten unter ihre Gewalt zu kriegen. Kellner eine Flasche vom besten Moselwein, der bei Trier wächst! Wir wollen den Jesuiten ein Pereat30 bringen!

Herr Buffey (sehr erregt). Na wenn mir Eener vor's Jesicht kommt, den will ick Bescheid stoßen. Kellner, für mir ooch 'ne Flasche Mosel: Ich kann des, wenn es wo drauf ankommt, vor's Wohl der Welt zu enthusiasmussen31: ich habe die Mittel dazu! Wir wollen auf unsere Wallfahrt anstoßen!


In Trier, Abends auf der Straße.


Herr Buffey. Na des ist 'ne schöne Jeschichte! Die weite Reise mit alle Strabazen jemacht, un nu keen Jasthof zu finden, wo man en Unterkommen findt, um sich als anständiger Mensch auszuschlafen un zu waschen.

Wilhelm. Vater, mir schläfert!

Herr Buffey. Dummer Junge, mir ooch! Wenn Du jlaubst, det Dein Vater jetzt de Polka danzen möchte, denn irrste Dir jewaltig. Aber man muß was verdragen, davor ist es 'ne Wallfahrt. Sagen Se mal, meine Herrschaften, wat machen wir'n nanu? Sie, Madame Panschen, dhun mir besonders leid, denn so als schönes Jeschlecht in 'ne wildfremde Stadt rumzujehen un keen Unterkommen finden zu können, des is. . . .

Hyacinthe Pansch. Hier in dieses rohe Jedränge sich so stoßen lassen zu müssen, des is für eine Dame von Stande wie ich nich zum Aushalten. Freilich wenn wir noch in's Mittelalter wären, da hätte sich ein Ritter vor mir aufgeopfert, aber heutzutage (die Nase rümpfend) die Männer! Selbst schläfert ihnen, wenn se für einer Dame besorgt sein sollten!

Herr Buffey. I hören Se mal, Madam Panschen, ick will Ihnen jar nich abstreiten, deß Sie nich mehr in's Mittelalter leben, obschon wir villeicht noch mal wieder dahin kommen, aber alleene worum mir als Mensch und preußscher Bürjer nich schläfern soll, des begreif ich nich; darin find' ick durchaus nischt Unhöfliches. Et is möglich, deß en' Ritter von's Mittelalter, der den janzen Dag un de halbe Nacht über soff un raubte, 'ne bess're Constitution hatte, wie se allerweile in Deutschland existiren, aber wenn so'n Raubritter wie ick von de Eisenbahn un von Thurn und Taxissen33 so zusammenjerumpelt wäre, deß ihm so wäre, als wäre jedes Jlied blos an's andre mit en bisken Oblate aneinanderjeklcbt un könnte jeden Oogenblick abfallen, denn würde er nich blos seine Minne, sondern ooch seine Hyacinthe un jedes andre Frauenzimmer verjessen. Aber darum, Madame Panschen, können Se sich doch druf verlassen, det ick weeß, wat ick des schöne Jeschlecht schuldig bin, un daß ich meine Oogen nich eher schließen werde, als bis Ihnen, wie soll ick sagen, um es anständig auszudrücken? — als bis Ihnen der Jott der Träme umjaukelt, heeßt des!

Commis Peschke. Ich bin dem andern Jeschlecht weit mehr schuldig als dem schönen, aber ich werde deshalb doch nicht eher ruhen als bis die holde Panschen schläft.

Lebrecht Knubberbacke. Frau Brauerin, zweifeln Sie nie wieder an die Ritterschaft eines ächten Berliners, Fleischfarbige doppelte Hyacinthe, ich jehe, Ihnen ein weiches Lager zu suchen, auf welches Sie Ihre sämmtlichen Jlieder legen können, un von Morpheussens35 'ne Viertelmetze36 Mohnkörner zu holen, die ich Ihnen in die zarten Behältnisse Ihrer Stirn streuen werde. (Sich verbeugend.) Bis dahin: Aalaf Trier! (im Gehen, zu Frischer). Ne schöne Bolle37, diese Hyacinthe!

Herr Buffey (sich ebenfalls verbeugend, ernst). Aalaf Trier! Uf Wiedersehen, Madam Panschen! (Rufend.) Herr Knubberbacke, nehmen Sie mir mit zu Morpheussens, vielleicht is da noch en Bette vor mir un meinen Sohn Willem übrig, oder wenigstens en Sopha mit 'n Koppkissen! Mein Jeist is müde, un meinen Willem seiner ooch. (Zu Madame Pansch.) Aalaf!

Hyacinthe Pansch. Nein, Herr Rentier, Sie bleiben hier bei mich und meinen Mann. Ich muß einen vernünftigen Beschützer haben, und Ihr Sohn könnte Ihnen bei des Gedrängle unter den rohen Haufen abhanden kommen.

Herr Buffey (sich verneigend). Des is was Anders, des jeht mir an de Ehre als Ritter, wenn ein schönes Jeschlecht was von mir fordert. Als Beschützer muß ick mir zusammennehmen, obgleich mir äußerst müde zu Muthe is. Indessen, wie jesagt, Madam Panschen, vor meinen Willem kann ick als Beschützer nich stehen, weil sich derselbe kaum noch uf de Beene halten kann. Das Einzije, was ihn noch aufrecht erhält, deß is des Interesse, was er an den heiljen Rock nimmt, weswejen ich die janze Reise jemacht habe. Denn Sie müssen wissen, Madame Panschen, mein Sohn is, ohne deß ick ihn als Vater schmeicheln will, sehr dämlich, un nu hab' ich erscht neulich jelesen, daß so 'ne Weltbejebenheit manchmal den jrößten Einfluß uf en bornirten Kopp hat un ihn plötzlich Licht jibt. Villeicht, deß ooch ihn der heiljeRock selbst inschpieriert, nennt man des! Denn wenn er Wunder thut, woran man doch nich zweifeln kann, wenn des Allens, was hier jeschieht in Trier, im Jahre 1844 jeschieht, so muß mein Sohn klug werden. Nicht wahr, Willem? (Streichelt ihm die Wange.) Nich wahr, nach den heiljen Rock sehnst Du Dir sehr? ,

Wilhelm (weinerlich). Ne, Vater, mir schläfert!

Herr Buffey (giebt ihm einen Backenstreich). Schafskopp verdammter! Sehn Se, Madame Panschen, was fängt man nu mit so'nnen dummen Jungen an, der janz incurabel38 is? (Schlägt die Hände zusammen.) Nu hab' ick ooch die weite Reise hierher nach den heiljen Rock jemacht! Ooch umsonst! Ooch umsonst, wie Allens umsonst, was ick nu schon zum endlichen Klugwerden vor diesen Esel von Sohn unternommen habe. Mehr können die Schriftsteller nich mit's deutsche Volk zu thun haben, wie ick mit meinen Sohn! Aber wer einmal Schafskopp ist, der bleibt Schafskopp, un wenn man ihn Zwanzig heilje Röcke überzieht!

Brauer Pansch. Bitte, Herr Buffey, es jibt man Achtzehn!39

Herr Buffey. Achtzehn Stück? I sehn Se mal! Nu, des is 'ne janz anständige Jardrobe; da braucht die Heiligkeit nich mehr in Hemdsärmeln zu jehen. Ich habe man zwee Überröcke, eenen Leibrock vor Jesellschaften, einen Palletho40, un en Mantel un en Schlafrock. Und ick bin zwar nich jerade heilig, aber ick lebe doch ooch, ohne zu arbeeten.

Hyacinthe Pansch. Pansch, ich verbitte mich des, daß Du so was jejen meine Reeljon sagst. Des hier in Trier is der einzije heilje Rock, der ächte, den unsre Kirche hat.

Herr Buffey (verwundert). Ihre Kirche? Also sind Sie katholsch, Ihr Mann ooch?

Brauer Pansch. Ne, meine Hyacinthe blos; wir sind jemischt.

Herr Buffey. I sehn Se mal, des is des Erste, was ich höre! (Gutmüthig.) Nu des schadt nischt, Madam Panschen, ich bin zwar efanjeelsch, aber des schadt nischt! ich dulde! (Mit ernster Entschiedenheit.) Sie sind ein Mensch, Madam Panschen, un ....

Hyacinthe Pansch. Was?

Herr Buffey (fortfahrend). Un es is janz einjal, was ein Mensch vor eine Reljon hat, wenn er man ein juter Mensch is un der Andere ihm duldet! So is es, Madame Panschen (erreicht ihr die Hand). Hier is meine Hand! Wejen de Reljon keine Trennung zwischen uns: ick dulde Ihnen!

Commis Peschke (zurückkehrend). Nanu is Allens abjemacht. Allens da, bis uf Holz un Miethe! sagt der Nagelschmiedjeselle Koofdirwas mit Frau un Sechs Kindern, nachdem von den Verein für die arbeitenden Klassen43 jährlich en Silbersechser uf seinen Theil jekommen war. Allens da: Abendbroot, sojar Ahendbutter, Nachtherberje, Waschnapp un Morjenkaffe!

Hyacinthe Pansch. Na Jott sei Dank! Is der Jasthof weit?

Commis Peschke. Jasthof? Ne, wejen Jasthof, des stört! Jo nich Jasthof, reizende doppelte Hyacinthe. Bei die Zeiten ooch noch? Spaaß, in Trier, alleweile! Ne, ene Scheune is ooch keen Hund! Wenn Se da drüber nachdenken, woruf Sie schlafen werden, denn können Se Heu rathen.

Hyacinthe Pansch. Was, ich auf Heu! Sie sind wohl nich klug, Herr Peschke?

Commis Peschke. I nu, es jeht! Ich will Ihnen sagen, anjenehme Bier-Hyacinthe, man trägt sich mit der Meinung rum, Alexander von Humboldt44 wäre en jrößerer Jelehrte als ich, indessen bin ich doch nich so auf den Kopp jefallen, um nich hier, in Trier, einzusehen, deß ich für mein Jahrhundert noch viel zu viel Verstand habe.

Hyacinthe Pansch (zu den Andern). Is des wahr, daß ich in einer Scheune die Nacht zubringen soll und wahrscheinlich unter Krethi und Plethi?

Frischer. Gott ist überall, Frau Pansch, auch in der Scheune verläßt er die seinen nicht. Ist's Ihnen indessen angenehmer, die Nacht im Himmelbette, unter seiner Sternendecke zuzubringen, so sparen Sie noch sechs Kreutzer Schlafgeld, denn der liebe Gott gibt all sein Gutes umsonst. Er wuchert nicht, wie gewisse Schurken.

Herr Buffey. Nach Kreutzer wird hier jerechnet?

Frischer. Zuweilen. Kreutzer sind frommes Geld, das auch zugleich an die allgemeine Noth erinnert.

Herr Buffey. Na kann man denn da ooch was zu essen kriejen in die Scheune? Un wenn man ooch noch so fromm is um den heiljen Rock, so kann man doch im Jrunde nich aus Frömmigkeit verhungern. Wenn ick so Bratkartoffeln mit Karmenade haben könnte, die würden mir sehr schmeicheln. Nich wahr, Willem?

Wilhelm. Ja, Bratkartoffeln, un denn nachher jleich zu Bette, Vater!

Herr Buffey. Ja hat sich wat zu betten! Zu Scheune, Schafskopp! Du kannst Dir freuen, dat Du mal uf Heu schlafen kannst. Denn des kenn' ick noch aus meine Jugend her, deß ick am liebsten de Landparthieen darum mitmachte, weil ick da uf'n Heuboden schlafen konnte. Na also, meine Herren, wie is es von wejen Abenbrot?

Leberecht Knubberbacke. Wir nehmen unser Souper in einem Weinhause ein, wo es zwar auch sehr voll is und stark jefastet wird von einer heute anjekommenen Prozeßion45, die seit Sechs Dagen unterwejens is, wo man aber doch was kriegt. Nanu aber, bitt' ich, keinen längern Aufenthalt! Wer noch länger zöjert un sich besinnt, der kann jefälligst Hungerpoten saugen, was jetzt en sehr bekanntes un jangbares Land- un Stadtjericht is, bis mal....

Hyacinthe Pansch (im Gehen). Na, wenn ich Das jewußt hätte, herrjeeses, wie säß' ich noch janz stille vor meinen Nippdisch46 in Berlin!

Commis Peschke. Ja, un Wir Abends vor unsere Nippdische im Wirthshaus. (Einen Fremden anrufend.) He da, Sie da! Des is ja hier woll die Mosel, Tochter des freien deutschen Rheins47, wo unsre Reben wachsen? Können Sie mir nich sagen, wo meine stehen?

Der Fremde. Für Sie wachsen nur Reben ohne Blätter und Trauben.

Leberecht Knubberbacke (sieht dem Commis Peschke listig in's Gesicht). Hören Se mal, Sohn des Merkurs48, hier bei Mosels scheinen Se ooch nich uf'n Kopp jefallen zu sind, wie? Diese Antwort war sehr treffend, wenn ooch nich janz so treffend, wie die Ihnen in Aussicht jestellten Früchte. Ne, noch sind se nich uf'n Kopp jefallen, un die Kreuzbraven, Drei Mal ehrlichen Biedermänner, die Pfaffen, werden Ihnen jewiß nischt zum Stolpern in den Weg lejen.

Herr Buffey (ruft.) Willem, wirste hier bleiben? Verloof Dir nicht, Esel, daß Dir nachher Dein Vater wie 'ne Stecknatel an de Mosel suchen kann, wo er nich so Bescheed weeß, wie an de Spree oben bei früher Fleischfreßern in jrüne Aale un Jurkensalat, un unter'n Unterboom hintern Seejerschen Holzplatz bein Halloren Lutzen, wo ick Dir an de Stange zappeln lernen lasse un nach Luft schnappen, denn von Schwimmen wird bei Dir doch nie de Rede sind; denn könnt'ste ja mal wat, un det wäre Dein Ende. Ick bin überzeugt, so wie Du schwimmen kannst, so versaufste aus Consequenz.

Commis Peschke. Da is das Wirthshaus! Herr Buffey. Na, Gott sei Dank! Der Rheinwein is ja woll hier an de Mosel sehr billig, da will ich mir wieder janz neue Lebensjeister ansaufen, denn . ..

Hyacinthe Pansch. Pfui!

Herr Buffey (sich verbessernd). Drinken, drinken, Madame Panschen! Ich dachte nur, weil Sie mir vorher zu Ihren Ritter jewählt haben, deß ich da ooch saufen müßte, denn natürlich: vor'n orndlichen Ritter is Drinken blos die nothwendije Beschaffung, welche zur ersten Stillung des Durschtes erforderlich is, alle anjenehme Zerstreuung über den Durscht natürlicherweise: saufen. Das Wort klingt Ihnen übrijens blos so fürchterlich, Minne, es is. . .

Hyacinthe Pansch. Minne?

Brauer Pansch. Meine Jattin heißt nich Minne, sondern Hyacinthe.

Herr Buffey (mit Sicherheit). Ich sage: Minne, weil ich Ihr Ritter bin, un deß sich des hier so romantisch mit Ihnen zujetroffen hat, des is dieSymparthie mit die Ruinen. Also ich wollte sagen, des Wort Saufen klingt Ihnen blos so fürchterlich, Minne; es is eijentlich viel solider wie Drinken. Denn Sie können doch von keinen Ritter un von keinen anständigen Mann verlangen, deß er jedes Mal seinen Kopp so dämlich wie'ne Henne in de Höhe halten soll, um eenen lumpijen eenzelnen Droppen runterkullern zu lassen, un doch heeßt des uf Hochdeutsch Saufen, während man jetzt oft in de Zeitung liest von: deß uf das Wohl von Den un Den un Des un Des jedrunken is, un ich sage Ihnen, Minne Hyacinthe Pantschen, des Wohldrinken kenn' ich; des is des größte Wohlsaufen, was Se sich denken können. (Sich zu den Andern wendend.) Apropos, ehr wer in de Weinstube jehen, wo is denn unsre Nachtscheune, im Fall der Eene oder der Andere.....

Commis Peschke (während sie in's Haus treten). Die Scheune ist.....

Frischer. Ach, mein Herz lechzt nach einem frischen Trunke dieses goldenen Weines! (Sich umwendend.) Dein Volk, Du schöner Rhein, Du greiser König in ewiger Jugendkraft, und das Deiner glücklichen Tochter kann nicht hinabgezerrt werden, denn der Saft Eurer Reben zeugt gesundes, heiteres Blut und wird absondern das Gift des Teufels, in welcher Gestalt es komme! Hier an der Grenze meines deutschen Vaterlandes will ich das deutsche Volk der Zukunft leben lassen, dem alle Tugenden des heutigen geblieben sind, das aber dessen Bedientennatur abgestreift hat, das alle Wunder verachtet und nur die der ewigen Ordnung und des fortschreitenden menschlichen Geistes verehrt!


Im Weinhause.


Herr Buffey. Ubrijens, ich habe mir des hier weit frommer jedacht in Trier. Des is ja hier beim Wein eine Lustigkeit un eine Lebendigkeit, als ob ...

Frischer. ... ein Constitutions-Fest49 gefeiert würde. Und eine Constitution heilt doch zuweilen die Wunden eines ganzen Volkes, während der heilige Rock nur zuweilen die Wunden Einzelner heilt, die äußerst starken Glaubens sind.

Herr Buffey. Mein Essen vor mir un meinen Willem bleibt sehr lange; hier scheint et Hitze zu kosten, bis Etwas aus den rohen Naturzustand jebracht wird. (Herrn Buffey werden, ohne daß er's bemerkt, sehr verdrießliche Blicke zugeworfen.) Was ich sagen wollte, wat kost't denn der heilje Rock Entree?50

Commis Peschke (leise zu ihm). Sperrsitz 16 Jroschen, Parterre 8, Gallerie 4 Jroschen.

Herr Buffey (laut). Was? Des find' ich verdammt dheuer; da kann man ja in Berlin de schönste Komödie vor sehen, un nich blos Röcke, sondern wo noch Jehalt drinn is, Jeist nennt man des!

Mehrere Stimmen. Maul halten! Werft ihn hinaus! Hinaus mit dem Spötter!

Herr Buffey (blaß vor Schreck). Wie sagen Sie? Meinen Sie mir? Mir, der ich blos um den heiljen Rock herjereis't bin, um zu sehen, ob er meinen Sohn von seiner Dummheit kuriren kann?

Mehrere Stimmen. Lästerer! Hinaus mit ihm!

Herr Buffey (wird nach und nach immer hitziger). Wie sagen Sie? Nach die weite Reise, ohne en warmen Bissen im Leibe zu haben, rausschmeißen? Mir, Rentier?! Is des Dankbarkeit? Is des reljöse Duldung} Ick bin Proteschtant, des iswahr, aber des kann ich sind! Wir haben in unsere Kirchen keene Röcke, die Wunder dhun, un wenn Sie welche in Ihre Kirche haben, so freuen Sie sich darüber, un behalten Sie Ihren wunderlichen Jlooben un lassen Sie uns unsern, wo Jott keen Schneider is, sondern Jott! Ick habe als Proteschtant jefragt, wat der heilje Rock Entree kost, un mir über die hohen Preise jewundert, wo man bei uns janz andere Komödien vor sehen kann. Un wundern kann ick mir, davor bin ick preußscher Unterthan, un in janz Preußen kann sich jeder Unterthan wundern, so ville er will!

Mehrere Stimmen. Hinaus mit dem Lästerer. Er wird immer unverschämter! (Man steht auf und rückt mit drohender Miene immer näher gegen Herrn Buffey.)

Herr Buffey (im größten Eifer, die Gefahr verachtend). Un wenn Sie vielleicht jlooben, deß ich aus Knickrigkeit nach des Entree jefragt habe, so irren Sie sich, so is des ein zu beklagendes Mißverhältniß, wie die Staatszeitung51 sagt, heeßt des! Ich lebe von meine Zinsen, ich kann was vor heilje Röcke ausjeben, wenn ich will, un der Beweis is, deß ich deshalb hieher jereist bin, wo man unterwejens von de Eisenbahnen un von Thurn un Taxissen keenen Ducaten vor's Fahren kriegt! (Er wird angefaßt, wild.) Herr, in's Dreideibelsnamen, lassen Sie mir los, oder ick steche Ihnen uf Ihre Wunderbacke 'ne janz vernünftje protestantsche Bremse52, det Sie janz aus de Jejenwart verschwinden, un mindestens fünf Jahrhunderte zurückfliegen sollen!

Frischer (leise zu ihm). Gehen Sie hinaus, Herr Buffey, folgen Sie mir! Denn wenn wir Ihnen beistehen, so werden Jene nur noch giftiger, und vertheidigen können wir uns doch nicht gegen die empörte Masse. Die Gebildeten nehmen zwar keinen Theil, aber der Rohen sind genug, um keinen Knochen an uns ganz zu lassen.

Herr Buffey (fortfahrend, ohne auf Frischer zu hören). Wenn Sie mir als rohe Masse als Einzelnen anfassen un über mir herfallen, so behandeln Sie mir als Opfer, als Märterer nennt man des! un ich werde vor de Jute Sache rausjeschmissen, vor de Aufklärung! (Man zieht ihn lärmend von seinem Sitze fort.) Lassen Sie mir, sag' ich!

Wilhelm (weinend). Vaater! (Schreiend.) Lassen Sie meinen Vaater zufrieden!

Herr Buffey. Stille, Sohn! Ich danke Dir vor Deine Theilnahme, aber misch' Dir nich in confessionelle Anjelejenheiten, dazu biste zu jung un zu dämlich. (Zu der lärmenden Menge, die ihn immer mit dem Rufe Hinaus! unterbricht.) Wenn ick jewußt hätte, deß Sie hier noch so weit zurück sind, deß man sich nich mal mehr wundern kann un nach was erkundjen, denn war' ich jar nich herjereist! Denn war' ich zu Hause in meine vier Pfähle jeblieben, wo man mir mit Respekt bejejnet, als Bürjer, als Rentier, als Wirth! Röcke kann ick mir jenug in Berlin ansehn, dazu brauch' ick nich erscht hierher zu kommen, un wenn Sie jlooben, deß es blos um de Mosel un um den Rhein jeschehen is, so sind Sie schief jewickelt, sag' ich Ihnen! Denn wir haben bei uns de Spree, un de Spree is eben so naß wie der Rhein un de Mosel, un vielleicht noch nasser!

Mehrere Stimmen. Hinaus mit ihm! (Er wird von verschiedenen Seiten angepackt und fortgezogen.)

Herr Buffey (sich mit aller Macht sträubend). Ne ick will noch nich raus! Ick jeh' nachher janz alleene, ohne Ihr Zudhun. Ick habe noch keenen warmen Bissen im Leibe, un habe nich daran jedacht, über Hundert Meilen zu reisen, um hier zu verhungern. (Als er keine Rettung mehr sieht, in höchster Wuth.) Wissen Se, wat Luther von den heiljen Rock sagt? Die janze Jeschichte mit den heiljen Rock is eine Beschei.....(er wird hinausgeworfen).

Mehrere Stimmen. Hinaus mit dem Ketzer! Todtgeschlagen hätte er werden müssen!

Herr Buffey (den Kopf durch die Thür steckend, im größten Zorn). Haben Se wenigstens die Jewogenheit, un schmeißen Sie meinen Sohn ooch raus! Des kommt mir wenigstens als Vater zu, deß mir mein Sohn mitjejeben wird, wenn ich rausjeschmißen werde! Willem, bring' mir meinen Hut un meinen Parrazoll54 mit, un verjeß' Deine Mütze nich. Na mir kommt wieder Eener mit 'ne Wallfahrt!


Auf der Straße.


Herr Buffey. Na wat sagste nu Willem? des is 'ne Verjnüjungs-Reise, die ick eigentlich blos unternommen habe, weil Du so bornirt bist un ick dachte, deß Du vielleicht durch Berührung an den heiljen Rock etwas heiljen Jeist abkriejen könntest. Überjens Wunder scheint er doch zu thun, denn deß mir des als Rentier passirt, deß ich wo rausjeschmissen werde, der ich mir überall als der anständigste und artigste Mensch unter de Sonne benehme, des jeht nich mit rechten Dingen zu. Nanu komm man, Willem, nu wer' ick sehen, det ick unterwejens en paar Salzkuchen oder jeschmierte Schrippen55 ufjable, damit wer wenigstens nich verhungern. Des is noch en wahret Jlück, det ick mir vorher habe beschreiben lassen, wo unsre Nachtscheune is. Denn wenn mir ooch scheint, det ick die Scheune nich werde finden können, weil ick hier zum ersten Mal zum Verjnüjen in Trier bin, so war es doch immer vorsichtig von mir, Berücksichtijung der Verhältnisse, wie de Staatszeitung sagt, weil wir sonst de janze Nacht hätten uf de Straße rumloofen können, oder vielmehr liejen, denn uf Loofen werden sich unsere Beene woll nich mehr lange inlassen, (steht stille.) Wat meenste, Willem, wie jefällt Dir's an de Mosel? Des is en sehr schöner Fluß, so viel hab' ick los, hinreißend schön; er hat eine äußerst schnelle Strömung, aber von't Bette hab'ick nochnischt jespürt. Des nennen se nu eine Dochter von freien, deutschen Rhein, wo en freier deutscher Preuße jleich rausjeschmissen wird, ehr er noch was in Majen hat! Na mir lad't wieder Eener zu 'ne Wallfahrt ein, der kann Jrobheiten besehen. Ick fahre nich mehr Wall, un wenn 'ne janze Jewerbe-Ausstellung von heilje Röcke zu sehen is.


Vor dem heiligen Rocke.



Abb.: Der Heilige Rock zu Trier [Bildquelle: http://www.bistum-trier.de/kiosk/relaunch/rock/rock1.htm. -- Zugriff am 2004-07-29]

Lebrecht Knubberbacke. Ich habe einen fürchterlichen Katzenjammer, aber ick bejreife nich wovon. Jedrunken hab' ick sehr wenig; des muß in de Zeit liejen.

Herr Buffey. Willem, seh' Dir mal Allens an, bis wir rankommen, (zu Hyacinthe Pansch.) Ne ick sage Ihnen, Madam Panschen, wie ick mir heute Nacht un heute Morjen als anständijer Mensch un Vater un Erzieher in die Scheune jeschämt habe, davon haben Sie keenen Bejriff! Sie sind 'ne verheirathe Frau, un ich kann Ihnen Des woll sagen, wie mir Des afficirte, nich wejen mir, sondern wejen meinen Sohn, als Vater, wie da Alles zujing, un wie da die Mannspersonen un die Frauenzimmer durcheinanderlagen, un des Kichern un des Flüstern, un was man da Allens zu.....

Hyacinthe Pansch. Herr Buffey, ich verbitte mich Das!

Herr Buffey. Ja, ich kann mir denken, deß sich Ihre Moralität jejen diese Sittenlosigkeit un niederträchtije Jemeinheit sträubt, die man Prozession nennt. Des Haus, die Familie, die Arbeit wird vernachlässigt un dajejen alle Schändlichkeiten jedrieben, un Des nennen se denn frommes Werk un Jottesjlaube. Na ick müßte mal en Wort mit'n Papst sprechen können, den wollt' ick Bescheid sagen, det ihm Madam Päpsten Thee kochen müßte. Wenn ick nich jloobte, deß vielleicht mein Willem durch den heiljen Rock zu Verstand käme, denn...


Abb.: Wahlfahrtsprozession nach Trier zum Heilgen Rock, 1844 [Bildquelle: http://redaktion.trier.de/praefectus/trier?set_tourismushttp://www.trier.de/tourismus/chronik.htm. -- Zugriff am 2004-07-29]

Hyacinthe Pansch. Na hören Se mal, Herr Buffey, deß er jrade Verstand verbreitet, das jlaube ich nicht, obgleich ich Katholikin bin.

Herr Buffey. So? Sie jlauben nich? Na, en Versuch kann wenigstens nicht schaden, (sich umwendend.) Sagen Se mal, Herr Knubberbacke, wer is'n der Priester da mit de rothe Nase, der eben ufschließt?

Lebrecht Knubberbacke. Der hat de Reliquien unter sich; des is der Reliqueur.

Herr Buffey. So, na ja, so sieht er ooch aus. So, nanu wollen wir näher treten. Willem, halte Dir an meinen Rock feste, denn sonst verlierste Dir hier in de katholische Kirche! Nanu seh 'mal, da hängt er! Wie alt is der heilje Rock?

Commis Peschke. Über Achtzehnhundert Jahre.

Herr Buffey (die Hände zusammenschlagend). Herrjeeses! Über Achzehnhundert Jahre alt, un noch nich de Motten rinjekommen!

Lebrecht Knubberbacke. Ja, des is natürlich, er wird alle Vierteljahre mit Spieke60 einjeschmiert.

Herr Buffey. Un wo bleibt er denn so lange, wenn er nich ausgestellt is?

Lebrecht Knubberbacke. De Röcke werden alle in de Klöster ufjehoben, dazu sind de Klöster da.

Herr Buffey. Et is 'ne Art Palletho, aber wat et vor Zeug is, des hab' ick noch nich rauskriejen können.

Commis Peschke. Dummes Zeug!

Herr Buffey. Ob es Buckskin is oder Casemir, darüber bin ich noch in theologischen Zweifel. Wenn ick man erscht janz nah' ran könnte, denn wollt' ick mir schon überzeugen, aber daran hindern mir die Priester un des dumme Volk, wat davor steht. Überjens täusch' ick mir, oder sind 'ne Masse Federn uf den Rock? Mir kommt et so vor. Er sollte mal bekehrt werden. Et wird doch woll noch 'ne Bürschte anzuschaffen sind.

Lebrecht Knubberbacke. Auskloppen wär' noch besser, aber denn müßte ihn Arnoldi63 anhaben.

Commis Peschke. Fuslig scheint er mir ooch zu sind. Na des hat er wohl noch vom Kloster mitjebracht. Er besitzt übrigens keine Naht, det wissen Sie doch, Herr Ritter Buffey-Rentmanndes von Tabagie auf Zinsenburg?

Herr Buffey. Keene Naht? I Sie sind woll verrückt! Er kann doch nich mit die runterbammelnde Ärmel so jewachsen sind. Mir scheint er drei Mal jenäht zu sein, wenigstens, denn sonst hätte sich der Schneider doch woll en Patent druf jeben lassen.

Commis Peschke. Na, kennen Sie die janze Lejende nich von diesen heiljen Rock?

Herr Buffey. Ne!

Commis Peschke. Die is so: den Rock, wo noch das Blut von de Kreuzijung dran war, jehörte Herodessen, der ihn an einen alten Schacherjuden vor'n Dhaler un sechs Silberjroschen verkoofte, der ihn ihm aber wiederbrachte, weil er ihn nich reene kriejen konnte. Nu wird der Rock in't Meer jeschmissen, wo ihn sogleich en Wallfisch verschlingt, weil er ihn vor'n jroßen Kulbarsch hielt. Des war wahrscheinlich derselbe Wallfisch, in den Jonas drei Dage Chamberjarnie68 wohnte, un der leider alle solche Heiligkeiten wieder ausjespieen hat. Diesen Rock behielt er indessen acht Jahre bei sich, obschon er alle Dage Bittersalz69 einnahm, bis der König Önde oder Horrende,70 einer der drei Söhne des Königs Eigel der 72ste zu Trier, auf seiner Wasserparthie nach dem heiljen Lande mit Mann und Maus unterjeht, weil die Ritter sehr im Sturm waren. Horrende wird alleene jerettet un tritt bei einen Fischer janz nackend in den Dienst als Fischerknabe. Beide jehen eines Dages angeln, un der Wallfisch beißt an den Zopp an, laßt sich fangen, un wird von den heiljen Rock operirt, den sich nu König Horrende anzieht, damit er zurückkehren kann, wat ohne Rock unanständig jewesen wäre. Der Rock macht ihn mit een Mal unverwundbar, so deß er alle Schlachten jewinnt, un so zieht er jejen de Heiden un jejen die falschen Tempelherren — wozu jetzt der Rock nich mehr benutzt wird — un erobert sich zujleich seine Liebste, die schöne Könijin Bride, un eben als er sich mit ihr vermählen will, kommt mit een Mal en Engel dazwischen und lispelt uf Himmlisch: davon später! Eure Majestät werden vom Höchsten ersucht, Allerhöchst jefälligst neun Jahre zu warten. Nu jiebt et wieder Mord un Dodtschlag jejen die armen Heiden, die damals noch so dumm waren, nich bejreifen zu können, deß des reine, niemals von seinen Priestern entweihte Christenthum janz alleine zur Seligkeit führt. Nu wie die neun Jahre um sind, un Horrende mit seinen Jejenstand', de Breiden, eben zum dritten Mal ufjeboten is, so kommt wieder der Engel un sagt: contre-ordre! Siederfen sich niemals verehlichen, sondern haben sich, bei Vermeidung höherer Jewalt, in spätestens vierzehn Dagen uf Ihr Ende vorzubereiten, indem Sie jefälligst sterben werden. Uf Wiedersehen!! Ich empfehle mich Ihnen jehorsamst, atje!

Herr Buffey. Des is 'ne sehr interessante Lende, Lejende wollt' ich sagen!

Commis Peschke. Seit der Zeit darf Keener, der en heiljen Rock anhat, heirathen.

Herr Buffey. Aber deß sich der janz unnähtije Rock seit de frühste Fabelzeit bis uf de heutje erhalten hat, des bleibt horrende! deß er nich entzwee jejangen is un de Motten nich rinjekommen sind, des versteh' ich noch immer nich, des faß' ich nich, weil es jejen meine Erfahrung als Bürjer streit, un jejen meinen jesunden Menschenverstand.

Lebrecht Knubberbacke. I, Herrjees, Herr Buffey: Motten können in den heiljen Rock eijentlich jar nich reinkommen, denn, des wissen Sie ja, die Motten dränglen sich immer blos dahin, wo Licht is. Un wenn nu ooch so'n alter Rock wirklich ent-weejeht: wat die Mönche Allens zusammenflicken, davon haben Sie jar keenen Begriff! Sehn Se mal, wie er des vorletzte Mal ausjestellt wurde,74 da küßten nich blos all die Dausende Priester un Menschen an den Rock, wie in Polen un Rußland die Leibeijenen ihre Besitzer, sondern da verkoofte die Kirche ooch lauter kleene Lappen von den heiljen Rock als Sündenablaß un Talismann jejen Unjlück.

Frischer. Und all' die alten Lappen sind jetzt zu Papier zerstampft, auf welchem gegen Trug und Lug gekämpft wird.

Herr Buffey. Uf des Futter von den heiljen Rock bin ich doch neujierig, wenn ick erst näher ran kann, (mit wichtiger Miene). Denn des Futter scheint mir bei den Rock die Hauptsache, weil — weil doch allens Heilje nich äußerlich is, sondern inwendig stecht. Halt, jetzt wird en bisken Platz! Nanu, Willem, jeh' mal hin un küsse den Rock! Wollen mal sehen, ob et wat hilft.

Wilhelm. Ne, ick fürchte mir, Vater!

Herr Buffey. Wat? I wo wirste Dir denn vor sonnen dummen Rock fürchten, Schafskopp! Der beißt nich: man janz dreiste anjefaßt, des is de Hauptsache! Na ick sage Dir, wenn De nu nich den Oogenblick hinjehst un küßt den heiljen Rock, denn kriegste en Katzenkopp,76 det de nich weest, zu welche Confession Du jehörst, Theekessel!

Wilhelm (folgt dem väterlichen Befehle ängstlich und kehrt mit weinerlicher Miene zurück.)

Herr Buffey (sehr gespannt). Na biste nu klug?

Wilhelm (mit heruntergezogener Unterlippe). Det weeß ich nich, Vater.

Herr Buffey (milde). I Du bist nich klug, wat wirste denn nich wissen, ob Du klug bist! Warte mal, ick wer Dir mal wat fragen. (Er sieht sich um). Mir fällt man nich jleich was ein! Hören Se mal, Herr Frischer, fragen Sie ihn mal was, aber recht was Schweres, damit ich jleich daraus ermessen kann, ob er klug is.

Frischer. Na wollen einmal sehen. (Wilhelm in's Auge fassend). Sage mir, Wilhelm Buffey, wie wird Deutschland seinen Durst nach Freiheit stillen?

Wilhelm (immer noch weinerlich). Mit baiersch Bier.

Herr Buffey (aufschreiend). Ach, Herrjeeses! (weniger laut). Warum nich jar durch Bischof!78 (Ergreift schnell seinen Sohn bei der Hand und zieht ihn mit sich fort). Nanu komm' man; nu weeß ick, woran ick bin! Bei Dir hilft jar nischt! Ick gloobe, un wenn Du den heiljen Rock, wie der Wallfisch, im Magen hättest, acht Jahre lang, Du würdest nich klug. Un darum von Berlin nach Trier, darum 'ne Wallfahrt, nennt man des! Ick bin eejentlich noch dummer wie mein deutscher Sohn, deß ich noch immer jloobe, er könnte zu Verstand kommen.

Frischer. Trösten Sie sich; es haben viel ältere und höherstehende Menschen weitere Reisen und noch weitere Erfahrungen gemacht, und sind doch nicht klug geworden.

Lebrecht Knubberbacke (im Hinausgehen, sich noch ein Mal umschauend). Merkwürdig: in den katholischen Dom brennen 'ne Menge Lichter, un es is doch nich sehr helle drin.


Auf der Rückkehr.


Herr Buffey. Eijentlich weeß ich nu doch nich, ob der Rock ächt is oder nich.

Frischer. Ächt oder nicht ächt! Mir ist, als müsse ein Ehrenmann aus dem katholischen Priesterstande selbst aufstehen und in gemischter Seelen-Ehe katholischen Eifers und lutherischer Entschiedenheit losdonnern gegen solche Reliquien-Verehrung und gegen alle Umtriebe, welche bezwecken, das Volk durch Finsterniß zur Knechtschaft, Gewissensangst und Verderbtheit zurückzuführen. Dann werden aber nicht nur die heuchelnden Diener der römischen Hierarchie die Presse verdammen, daß sie vor den Augen des Volks solche Lästerungen zu lästern wagt, auch den protestantischen Heuchlern wird angst werden und sie werden ausrufen: macht kein böses Blut; laßt die flüchtige Tagespresse sich nicht befassen mit Dingen, welche theologische Forschung und Weisheit erfordern! Aber die ächte Religion bedarf der theologischen Forschung und Weisheit nicht; sie ist eben Gottes Wort und also klar wie Gottes Wort, wie der menschlich-göttliche Spruch: Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst! Die theologische Forschung und Weisheit haben mehr Unheil über die Welt gebracht, als in Worten auszusprechen ist, weil sie der Widerspruch des Ausrufs Christi waren: Laßt die Kinder (das natürliche Gefühl und den natürlichen Verstand) zu mir kommen, denn solchen ist das Himmelreich! Und wenn jene Römischen schreien werden, daß der duldende Staat die Ausstellung des Trier'schen Rockes mit ernsten und zornigen Worten, mit Witz und Poesie und Hohn verfolgen läßt, so dürfte der duldende Staat antworten: Ihr habt die Preßfreiheit für Euch gewollt, also laßt mindestens die mildere Censur den Andern. Und ferner dürfte er sagen: ich verfolge die Ausgeburten des Protestantismus, den Pietismus, die schnöde Dunkelsucht der Zeloten,80 die Muckerei81 mit ernsten und zornigen Worten, mit Witz und Poesie und Hohn, ja sogar mit den strafenden Gesetzen, warum nicht Eure Ausgeburten mit denselben Waffen? Weiß ich doch, daß ihr listiger, ränkevoller, consequenter, mächtiger und daher gefährlicher seid als die Irrenden und Heuchelnden der andern Glaubensform, welcher wenigstens die freie Wissenschaft zur Seite geht, während Euch die Stabilität im Nacken sitzt und Intriguen gegen jeden schönen Fortschritt der Menschheit in's Ohr flüstert? Sollen wir nicht Alles thun, daß die Jesuiten wieder wie Hunde hinausgejagt werden und sollen wir nicht die Ultramontanen82 über alle Berge wünschen! Aber, rufe ich, und erstaune, daß die ganze kluge Presse meines Vaterlandes diesen einfachen Gedanken noch nicht ausgesprochen hat: was Wunder über die Ausstellung und Anbetung des heiligen Rockes zu Trier; welch' komischer Enthusiasmus für die Polemik gegen solchen gefährlichen Unsinn! Welch Aufschreien gegen Das was gang und gäbe ist, welches Entflammen gegen eine Sünde, die Ihr alle Tage begeht! Leben wir denn in einer andern Welt als in der der Rock-Verehrung? Werft Eure Blicke wohin Ihr wollt: seht Ihr nicht überall heilige Röcke des Aberglaubens, des widersinnigsten Vorurtheils, der inhaltlosesten Sitte, der gemeinsten Menschenseelen-Verrenkung, der schuftigsten Kriecherei? Versündigt Ihr Euch nicht alle Tage gegen die Heiligkeit des Gedankens, der Wahrheit und der göttlichen Menschenrechte durch die Verehrung schnöder Röcke? O Ihr Juden, die Ihr den ganzen Körper voll Schmutz habt und Wehe schreit, wenn Einer unkauscheres Fleisch ißt!


Erläuterungen


"Die Geschichte des Heiligen Rockes, der Tunika Christi, ist von ihren Anfängen bis zum Mittelalter dunkel. Die Frage, ob die Tunika echt oder falsch ist, mag für den heutigen Zeitgenossen ein wichtiges Kriterium sein, kann in der historischen Betrachtung aber nicht eindeutig beantwortet werden.

Sicher bezeugt ist die Geschichte des Heiligen Rockes ab dem 12. Jahrhundert. So war das Datum 1. Mai 1196 Anlass für die Bistumswallfahrt 1996. Vor 800 Jahren fand die Weihe des Hochaltars im damals neu errichteten Ostchor des Trierer Domes durch Erzbischof Johann I statt, der in diesem Altar den Heiligen Rock eingeschlossen hatte. Wie der Heilige Rock nach Trier kam und ob das Gewand Christi echt ist, ist wissenschaftlich nicht mehr nachzuweisen. Die Überlieferung sagt, die Heilige Helena, die Mutter Konstantins des Großen, habe die Tunika Christi bei ihrer Pilgerfahrt in Jerusalem gefunden und anschließend der Trierer Kirche geschenkt.

Der Mönch Altmann von Hautvillers verfasste im 9. Jahrhundert eine Lebensbeschreibung der Flavia Julia Helena, in der er Trier als ihren Geburtsort nennt. Weder schriftliche Quellen, Münzen, Inschriften oder große kaiserliche Bauwerke in Trier können diese Behauptung verlässlich belegen. Im Mittelpunkt der spätantiken und mittelalterlichen Überlieferung von Helenas Pilgerfahrt Anfang des 4. Jahrhunderts steht allerdings die Auffindung des Heiligen Kreuzes. Vom Heiligen Rock ist zunächst nicht die Rede. Die Tunika Christi taucht erstmals in den "Gesta Treverorum" und der Deutschen Kaiserchronik aus dem 12. Jahrhundert auf. Auch diese Beschreibungen sind Legenden von der Auffindung des Heiligen Rocks. Es wurde ein geschichtliches Ereignis erfunden, um einen Tatbestand zu erklären und Tradition und Ansehen zu schaffen. Die Aussagen zum Heiligen Rock und die Verbindung Helenas mit Trier sind nur im Zusammenhang mit der mittelalterlichen Trierer Kirchenpolitik und den damit verbundenen Herrschafts- und Machtansprüchen zu verstehen.

Den ersten historisch nachgewiesenen Ansatz finden wir im Datum 1. Mai 1196, als der Heilige Rock vom Westchor zum Hauptaltar des Domes geführt wurde. Wie lange die Tunika im Westchor vorher aufbewahrt worden war, wissen wir nicht. Auch von 1196 an bis zu dem Jahr 1512 schweigen die Quellen zum Heiligen Rock. Von hier an kommt wieder Licht in das Dunkel der Überlieferung. Kaiser Maximilian (1493-1519) war zu einem Reichstag nach Trier gekommen und verlangte das Gewand zu sehen. Dem damaligen Erzbischof Richard von Greiffenklau (1511-1531) schien die Entscheidung zur Öffnung des Altars schwergefallen zu sein. Dennoch ließ er am 14. April 1512 im Beisein des Kaisers und vieler Bischöfe und Prälaten den Hochaltar öffnen. Die Zeigung des Heiligen Rocks und das Öffnen des Altars ist auf zwei Holzschnitten festgehalten. Einer davon stammt von Dürer.

Auch das Volk wünschte nun, den Heiligen Rock zu sehen. Dieser Bitte wurde entsprochen und die Nachricht verbreitet sich so schnell, dass eine große Wallfahrt entstand; die erste ihrer Art. Jährliche Wallfahrten fanden nun bis 1517 statt. Von 1524 bis 1545 fand die Ausstellung des Heiligen Rock in einem Rhythmus von sieben Jahren statt. Die nächsten Wallfahrtstermine fielen kriegerischen Ereignissen zum Opfer. Danach gab es noch eine Reihe "privater Zeigungen" für hochgestellte Persönlichkeiten, wobei die Kunde sich natürlich schnell verbreitete und viele Menschen zum Dom kamen, um den Heiligen Rock zu sehen.

Im 17. Jahrhundert wurde der Heilige Rock infolge kriegerischer Ereignisse auf dem Koblenzer Ehrenbreitstein und in Köln in Gewahrsam gehalten, ehe der Rock 1655 erneut gezeigt wurde.
Von einer Wallfahrt 1655 existiert ein ausführlicher Bericht, aus dem u. a. zu erfahren ist, dass vor dem Westturm des Domes ein großes Gerüst wie eine Schaubühne errichtet wurde, auf das man vom Inneren des Nikolauschores aus über eine Treppe gelangen konnte. Während ein großer Teil des Klerus auf der Bühne Platz nahm, wurde der Heilige Rock in einem Kasten an einer Stange hängend und wegen des Windes mit Seitenbändern befestigt, den Pilgern gezeigt.

Der Heilige-Rock weilte von der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts an nicht mehr ununterbrochen im Dom zu Trier. Trier, eine Schnittstelle von Machteinflüssen, hat immer wieder unruhige Zeiten erlebt. Damit die hochgeschätzte Reliquie nicht zerstört oder geraubt werden konnte, kam es zu Auslagerungen des Heiligen Rocks. So in den unsicheren Jahren der Franzosenkriege, als er häufiger auf dem Ehrenbreitstein in Koblenz untergebracht war, als in der Trierer Heilig-Rock-Kapelle. Nachdem die Reliquie 1790 wieder in Trier war, wurde sie im gleichen Jahr nach Ehrenbreitstein und 1794 von dort nach Würzburg gebracht. Auch Würzburg schien nicht mehr sicher, man floh mit dem Rock nach Bamberg, nach Böhmen, wieder zurück nach Bamberg und schließlich nach Augsburg.

Der damalige Kurfürst Clemens Wenzeslaus hatte1802 auf sein Kurfürstentum und auf das Erzbistum verzichtet und sich in sein zweites Bistum Augsburg begeben. Dorthin wurde der Heilige Rock nun gebracht. Mit Unterstützung Napoleons gelang es schließlich 1802 dem von Napoleon eingesetzen Bischof Charles Mannay (1802-1816), den Heiligen Rock 1810 nach Trier zurückzuholen. Der Weg der Reliquie führte dann auch über das Saarland. Bis Saarbrücken konnte der Transport geheimgehalten werden. In Merzig gab es für das Volk kein Halten mehr, und Tag und Nacht kamen die Leute in die Kirche St. Peter, um zu beten. Auch die Ankunft in Trier sorgte für großes Aufsehen. Fast 230.000 Pilger kamen in der Zeit vom 9. bis zum 27. September 1810, um den Heiligen Rock zu sehen.

Der Heilige Rock wurde fortan in einem neuen Ausstellungsschrein (der bis 1933 benutzt wurde) gezeigt und in der Heilig-Rock-Kapelle im Altar des Ostchores aufbewahrt.

Die nächste große Wallfahrt fand vom 17. August bis zum 6. Oktober 1844 statt. Über eine halbe Million Pilger kamen nach Trier, um den Heiligen Rock zu sehen, der zuvor aus der Rückwand der Heilig-Rock-Kapelle gebrochen werden musste. Nach Abschluss der Wallfahrt wurde die Reliquie wieder im Hochalter eingemauert. Wie 1844 war auch das nächste Wallfahrtsdatum,20. September bis 4. Oktober 1891, eine politisch turbulente Zeit. Die Wunden des Kulturkampfes waren noch nicht verheilt. So fand diese Wallfahrt in einer Zeit religiöser und soziologischer Erneuerung der Kirche im Bistum Trier statt. Im Zeichen eines Aufbruchs der Katholischen Kirche gewann die Heilig-Rock-Wallfahrt an großer Bedeutung. Über 1.000.000 Die Pilger kamen aus allen Erdteilen nach Trier. Waren 1844 die Leute größtenteils zu Fuß gepilgert, so gab es jetzt ein gut funktionierendes Bahnnetz. Im Rahmen der Wallfahrt wurde für die Reliquie ein neues Behältnis geschaffen, indem sie heute noch aufbewahrt wird. Dieser Schrein ist so groß, dass der Heilige Rock darin Platz hat, ohne dass er wie früher gefaltet werden muss. Dieser große Schrein passte nicht mehr in den Hochaltar. Als neuer Aufbewahrungsort wurde das spätgotische Domarchiv im Badischen Bau des Kreuzganges (seit 1974 Domschatzkammer) gewählt. Die nächste Wallfahrt fand vom 23. Juli bis zum 10. September 1933 unter Bischof Franz Rudolf Bornewasser (1922-1951) statt. Sie lief synchron mit der Feier des Jahres 1933, die Papst Pius XI. angewiesen hatte. Im Hinblick auf die am 30. Januar 1933 zur Macht gekommene nationalsozialistische Partei wurde der Wallfahrt eine politische Motivationen nachgesagt. Dies ist jedoch ausgeschlossen, da der Entschluss zur Wallfahrt bereits früher feststand (angekündigt am 25. Januar 1933). Dennoch wurde die bis heute größte Wallfahrt mit mehr als 2 Millionen Pilgern von der Besorgnis über die künftige Entwicklung und die Machenschaften der nationalsozialistischen Machthabern überschattet.

Die Zeit des 2. Weltkrieges brachte für den Heiligen Rock wieder Auslagerungen mit sich. So wurde er zu Beginn des Krieges 1939 zunächst nach Limburg, von dort nach Fulda und im Abschluss des Frankreich-Feldzuges 1940 wieder nach Trier zurückgebracht. Als 1944 Trier wieder in unmittelbare Gefahr geriet, wurde die Reliquie nicht mehr ausgelagert, sondern in Trier im damaligen Dombunker gesichert. Die bislang vorletzte Heilig-Rock-Ausstellung und Wallfahrt fand vom 19. Juli bis 20. September 1959 statt. 1,8 Millionen Pilger kamen nach Trier und sahen die "Tunika Christi", welche über dem Hochalter des Ostchores ausgestellt war.

In der Silvesterpredigt 1992 lud der Trierer Bischof Dr. Hermann Josef Spital die Gläubigen zur dritten Heilig-Rock-Wallfahrt in diesem Jahrhundert ein. Da der Heilige Rock aus konservatorischen Gründen nicht mehr hängend aufbewahrt werden darf, wurde er liegend unter einem klimatisierten, luftdichten Glasschrein ausgestellt. Die Bistumswallfahrt 1996 brachte noch einmal eine große Herausforderung mit sich - und wurde zu einem großen Fest, über dem "Der Zauber des Heils" lag - so ein verbreiteter Eindruck. Über eine Million Pilger haben Trier und den Dom besucht, um den Heiligen Rock zu sehen.

Die wechselvolle Geschichte und mitunter ungünstige Aufbewahrungsbedingungen des Heiligen Rockes haben dazu beigetragen, dass sich der ursprüngliche Bestand der Reliquie im Laufe der Jahrhunderte stark vermindert hat.

Jede Generation hat sich anlässlich einer Zeigung gezwungen gesehen, Ausbesserungen und Schutzmaßnahmen vorzunehmen. Der "Urzustand" ist dadurch ständig mehr abhanden gekommen.

Die durchgehenden Stofflagen des Vorderteils der Tunika bestehen heute, von innen nach außen gesehen, aus rotbraunem Seidensatin, aus bräunlichem Tüll und aus grünlichem Taft. Dieser Taft verfügt über eine Auflage von alten Stofffragmenten, die durch Gummitragant verbunden sind. Der Rückenteil besteht aus rotbraunem Seidensatin, bräunlichem Tüll, feiner Seidengaze, einer Filzschicht, grünlicher Taftseide, einer weiteren Filzschicht und Seidengaze. Es ist davon auszugehen, dass die Wollfasern, die heute einen teils zusammenhängenden, teils zerbröckelnden Filz bilden, das Kerngewebe darstellen. Dessen Alter kann nicht mehr genau bestimmt werden. Insgesamt hat das Gewand seine textile Oberfläche vollkommen verloren. (nach Dr. Mechthild Flury-Lemberg, Textilhistorikerin aus Bern)"

[Quelle: http://www.bistum-trier.de/kiosk/relaunch/rock/rock1.htm. -- Zugriff am 2004-07-29]

Die Ausstellung des Heiligen Rocks zu Trier 1844 war der letzte Auslöser für den Deutschkatholizismus, besonders Johannes Ronges

"RONGE, Johannes, * 16. Oktober 1813 in Bischofswalde, † 26. Oktober 1887 in Wien, wo er für die Einrichtung Fröbelscher Kindergärten warb, hat seine Bedeutung darin, dass er die Deutsch-Katholische Bewegung in Gang brachte. - Der deutsche Frühliberalismus, der auf die März-Revolution von 1848 zuführte, hatte sich zuerst in kirchlichen Gruppen formiert. Die Katholische Gruppe, die R. zusammenrief, bald "die Deutschkatholiken" genannt, stieß sich am heraufkommenden Ultramontanismus. Eine evangelische Pfarrgemeinschaft, von Pfarrer Uhlich mobilisiert, wehrte sich gegen die in Preußen hochkommende Erweckungsbewegung, die "Lichtfreunde". Im deutschen Katholizismus war die Lage dadurch gespannt, dass die vom spätjosefinischen Reformkatholizismus erzogenen Priester und Gläubigen die raumgreifende ultramontane Orientierung nicht mitvollziehen konnten. Ein geringer Anlass löste die Entladung aus: Im Herbst 1844 schrieb der junge schlesische Kaplan R. - einen Zeitungsartikel, der schnell eine ganz Deutschland aufwühlende Bewegung heraufführte. R. fühlte sich durch den römischen Druck verletzt, der seinen Bischof, Graf Sedlnitzki von Breslau, zur Resignation gezwungen hatte, weil dieser beim Kölner Kirchenstreit nicht genug Solidarität mit den von den preußischen Behörden verhafteten Bischöfen gezeigt und in der Mischehenfrage, die dem Kölner Konflikt zugrunde lag, nicht die in Rom gewünschte Schärfe praktiziert hatte. Der Kampf um die Neubesetzung des schlesischen Bischofsstuhls, den die ultramontane Kirchenpartei gegen die Reformkatholiken begann, erregte gewiss nicht nur den jungen R. Aber nur er wagte den öffentlichen Protest in der Zeitung. Der Breslauer Kapitelsvikar Ritter, der gerade zur kurialen Richtung herübergewechselt war und es deswegen nötig hatte, seine neue Parteizugehörigkeit unter Beweis zu stellen, veranlasste die Suspendierung des aufsässigen Kaplans. Jetzt, da er vom Priesteramt frei war, wollte R. zu einem großen kirchlichen Reformwerk aufrufen. Den letzten Anlass dazu gab ihm im Sommer 1844 die Wallfahrt nach Trier zum heiligen Rock, den Bischof Arnoldi von Trier, von romantischer Frömmigkeit bewegt, zur Anbetung ausstellte. Über eine Million Pilger kamen in wenigen Monaten aus Deutschland, Luxemburg und Belgien zur berühmten Reliquie. Dem Frühliberalismus erschien dies als eine Herausforderung des Jahrhunderts. R.s offener Brief an Bischof Arnoldi vom 18. Oktober 1844 gipfelte in dem hochtönenden Satz: "Schon ergreift der Geschichtsschreiber den Griffel und übergibt Ihren Namen Arnoldi der Verachtung der Mit- und Nachwelt und bezeichnet Sie als den Tetzel des 19. Jahrhunderts." Trotz seiner Seichtheit wirkte der offene Brief wie eine Fanfare. In Tausenden von Exemplaren ging er von Hand zu Hand. Die ultramontanen Gegenangriffe reizten R. zum letzten Schritt. Am 4. Dezember 1844 exkommuniziert, rief er am 12. Januar 1845 zur Gründung einer Romfreien Kirche auf. Auf ihrem 1. Konzil zu Leipzig Ende März gab sich die neue Gründung den Namen "Deutsch-katholische Kirche". 1847 waren auf der Berliner Synode nicht weniger als 259 Gemeinden vertreten. - Über dem deutschkatholischen Ursprungsgebiet Schlesien liegt insofern eine Tragik, als der zu eigenen theologischen Entwürfen unfähige R. spielend dem Manne, dem weitgehend die ideenmäßige Vorbereitung der Bewegung zuzuschreiben war, dem Theologieprofessor Anton Theiner, den Rang ablief. Theiner hatte sich 1826 in einer schlesischen Klerikergruppe engagiert, die in einer Petition an ihren Fürstbischof "Abstellung kirchlicher Missstände, Reinigung der Liturgischen Bücher, Herausgabe eines Gesangbuches, Einführung der deutschen Sprache im Gottesdienst" gefordert und dabei die Unterstützung des schlesischen Adels gefunden hatte, der sich mit Immediatvorstellungen an König Friedrich Wilhelm III. wandte. Theiners zweibändigem Werk "Die katholische Kirche Schlesiens" (1826 und 1830) merkt man an, wie sich der Autor bemüht, die geschichtlich verwirklichte Gestalt der katholischen Kirche an einem dem Urchristentum entnommenen Normbild zu messen. 1828 hatte Anton Theiner mit seinem (später zum Präfekten der Vatikanischen Archive avancierten) Bruder Augustin eine Darstellung der Zölibatsprobleme im geschichtlichen Längsschnitt herausgebracht - eine so gelehrte Arbeit, dass der evangelische Kirchenhistoriker Nippold das Werk 1892 erneut edierte. - Manche Parolen R.s waren in Theiners Werken, so in seinem zweibändigen Werk schon vorformuliert. Seiner Reformbestrebungen wegen hatte Anton Theiner seinen Lehrstuhl an der Breslauer Universität mit einem schlichten Pfarramt vertauschen müssen - Resultat eines Ränkespiels zwischen dem Kultusminister von Altenstein und dem Fürstbischof, in das sich auch Rom eingeschaltet hatte. Nachdem sich R. vergeblich um den Beitritt Wessenbergs, des einfallsreichen Reformkatholiken der vorangehenden Generation im Konstanzer Bischofsamt, zur deutschkatholischen Bewegung bemüht hatte - man sagte, Wessenberg sei vierzig Jahre zu alt gewesen - hatte sein Werben um Anton Theiner, dessen Reformtendenz von nahezu gleicher Berühmtheit war, Erfolg. Man rief Theiner zu: "So ergreifen Sie denn wie ehedem das siegreiche Schwert des Geistes!" Man erkannte damals, dass Theiners Beitritt der deutschkatholischen Bewegung die "höhre Weihe des positiven Religiösen" gebe. Ferdinand Christian Baur urteilte, die deutschkatholische Kirche habe durch Theiner die "Weihe der Wissenschaft empfangen". Während R. als Wanderprediger durch Deutschland eilte, leitete Theiner die Breslauer Gemeinde und ordinierte Prediger für deren Filialen, dies alles aber nur für sieben Monate. Unter den radikalen Deutschkatholiken waren bald Zweifel aufgekommen, ob Theiners Hinneigung zum "Episkopalsystem" nicht die "unbedingte Freiheit religiöser Erkenntnis und Entwicklung" bedrohe. Man sah Theiner zwar auf dem Wege von der "aristokratischen" Reformation von 1826 zur "volksthümlichen" von 1845. Aber es schien, dass Theiner das Ziel nicht erreichte. Er war von dem Personenkult angewidert, der R. in ganz Deutschland dargebracht wurde und den dieser sichtlich genoss. Bald war die Breslauer Gemeinde gespalten, und als in einer Ältestenversammlung R.s Auftreten mit dem Auftreten Jesu parallelisiert wurde, verließ Theiner augenblicklich die Versammlung und schied aus der Bewegung aus. Die Deutschkatholiken aber erklärten, "in blinder Wut habe Theiner das Messer erhoben, um einen Mitstreiter zu schänden, habe sich aber seine eigene Nase abgeschnitten". Theiners Ausscheiden bedeutete für die deutschkatholische Bewegung den Verlust theologisch verantwortlicher Steuerung. Man darf aber nicht verkennen, dass die theologisch "seichten" Schriften das Anfangs nicht theologische Systematik, sondern situative Antworten auf die sozial-politische Wirklichkeit liefern wollten. - Von Anfang an gingen die katholischen und protestantischen Liberalen aufeinander zu. Als R. auf seiner ersten Rundreise Ostern 1845 nach Halle kam, ehrte ihn der protestantische Oberkirchenrat Lic. Schwarz mit einer Ansprache: "Wir hoffen auf diese neue Reformation, welche aus dem Schoße der Katholischen Kirche hervorgebrochen, dass sie auch unsere protestantische mit berühren und im Innersten bewegen wird. Wir bedürfen einander, meine theuren Freunde". Beim Empfang R.s in Magdeburg brachte der protestantischen Pfarrer Uhlich, der als erster seine aufklärerisch orientierten Amtsbrüder zur Abwehr der "Erweckung" zusammengerufen hatte, einen Toast auf die Gäste aus. Als am 6. September 1847 R. Gelegenheit fand, im Konflikt einer protestantischen Dorfgemeinde mit der preußischen Regierung, die eine freie Feier verboten und die Gemeinde unter Polizeiaufsicht gestellt hatte, zu vermitteln, war die prinzipielle Möglichkeit eröffnet, katholische und protestantische Reformelemente zu verbinden. Im gleichen Jahr war es schon in Mannheim möglich, ein deutschkatholisches Pfarramt mit einem bisher evangelischen Theologen - Carl Scholl - zu besetzen. Die "Freireligiösen" bemühten sich von Anfang an, "wissenschaftliche" Erkenntnis mit Religion zu harmonisieren. Für R. war Religion nichts anderes als die sich aus sich selbst immer stärker offenbarende Humanität. "Mit dieser Erkenntnis, dass die Gesetze der Natur ewige Vernunftgesetze und darum höhere Freiheitsgesetze, dass der immer fort und fort schaffende Geist der Natur der Gottesgeist ist, muss mehr und mehr die Trennung verschwinden, die von den Priesterkasten zwischen Geist und Natur, Gott und Welt, Leben und Religion, Himmel und Erde als Religionssatz geboten wird. Der Fluch, den der Glaube an die Erbsünde auf die Erde und die Natur geworfen, wird ausgelöscht, und sie wird als reiche Schöpfung Gottes erkannt werden, die wir zum Himmel gestalten können durch Bildung, durch Freiheit, Gerechtigkeit und Liebe. Es wird religiöse Pflicht sein, das Ebenbild Gottes in jedem Menschen heilig zu halten und die freie, organisch sich fort und fort reicher und schöner entfaltende Natur wird als Vorbild für die neue Organisation der Staaten und der Gesellschaft dienen." Diese Rückführung der Menschheit zu den "natürlichen und lebendigen Quellen" der höheren Gotteserkenntnis bezeichnete R. sowohl als Religions-Wissenschaft als auch als Lebens-Wissenschaft. - Schon im Vormärz aber zeigte sich, dass es in Deutschland frühliberale Kreise gab, die in der von R. angefachten Bewegung nichts als Deutschlands "angeerbte Himmelei" erblickten, angesichts des heraufziehenden wissenschaftlich-technischen Zeitalters phasenverspätet. Das Ressentiment, das bei den aus den Kirchen Verdrängten zurückblieb, wirkte als Schubkraft dahin, dass mehr und mehr traditionelle christliche Elemente aus ihrem Lehrgut ausgeschieden wurden. R. löschte 1847 das Dogma von der Erbsünde aus. "In der freien Kirche wird der Mensch nicht als von Natur durch die Erbsünde verderbt geglaubt, sondern als von Natur rein und gut erkannt, dessen Wesen und Sein vom göttlichen Wesen und Sein ist." R. reduzierte die Zahl der Sakramente protestantisierend auf zwei, spricht aber nur mehr von "sinnbildlichen Gebärden". Das Abendmahl - in der Alten Kirche ein Liebesmahl - entwickelte sich dialektisch zurück zur Bundesfeier der freien Kirche. - Die Reaktion, die der 48.-Revolution folgte, traf auch die Animatoren der freireligiösen Bewegung. R., der sich soweit politisiert hatte, dass er, wenn der badische Umsturzversuch geglückt wäre, in Norddeutschland eine Armee aufgestellt hätte und nach Berlin marschiert wäre, geriet durch einen Brief an den preußischen König vom 12. Juni 1849 in eine gefahrvolle Lage und musste aus Deutschland weichen. Erst nach 11 Jahren, als sich beim Tode Friedrich Wilhelms IV. in der preußischen Innenpolitik wieder liberalere Tendenzen durchsetzten, konnte er aus dem englischen Exzil zurückkehren. - R. lebte nun im heimatlichen Breslau, zog aber 1863 nach Frankfurt, wo die Arbeiterbewegung auf dem Plan war. Doch als R. im Juni 1864 an einer Frankfurter Arbeiterversammlung teilnahm und dort nur eine Rechtfertigung der Verbindung Lasalles mit dem Mainzer Bischof Ketteler zu hören bekam, fühlte er sich abgestoßen. Aber in Frankfurt gründete er seinen Kirchlichen Reformverein. "

[Quelle: Friedrich Heyer. -- http://www.bautz.de/bbkl/r/ronge_j.shtml. -- Zugriff am 2004-07-29]


Für einen Teil der Anmerkungen bin ich der Ausgabe

Glaßbrenner, Adolf <1810 - 1876>: Unterrichtung der Nation : ausgewählte Werke und Briefe in drei Bänden ; mit zeitgenössischen Illustrationen / Adolf Glassbrenner. Hrsg. von Horst Denkler ... -- Köln : Informationspresse Leske, 1981. -- 3 Bde. -- Bd. 1. -- ISBN 3-434-00431-9. -- S. 379 - 383

verpflichtet

1 Die Zahl der Wallfahrtsteilnehmer soll über 1 Million betragen haben.

3 Klemens August von Droste-Vischering (1773 — 1845) wurde 1835 Erzbischof von Köln. Einem Gerücht zufolge wurde seine Nichte, die zu den Wallfahrtsteilnehmern gehörte, durch die Berührung des Heiligen Rockes von ihrer Lähmung geheilt.

Rudolf Löwenstein schrieb1844 folgendes Spottlied:

Freifrau von Droste-Vischering, Vi-, Va-, Vischering,
zum heilgen Rock nach Trier ging, Tri-, Tra-, Trier ging.
Sie kroch auf allen Vieren,
sie tat sich sehr genieren,
sie wollt gern ohne Krücken
duch dieses Leben rücken. Ach herrje, herrjemine, ach, herrje, herrjemine,
ach herrje, herrjemine – Josef und Maria!

Sie schrie, als sie zum Rocke kam, Ri-, Ra-, Rocke kam:
»Ich bin an Händ' und Füßen lahm, Fi-, Fa, Füßen lahm.
du Rock bist ganz unnähtig,
drum bist du auch so gnädig;
hilf mir in deinem Lichte –
ich bin des Bischofs Nichte!«
Ach herrje...

Drauf gab der Rock in seinem Schrein, si-, sa-, seinem Schrein
auf einmal einen hellen Schein, hi-, ha-hellen Schein,
der fuhr ihr in die Glieder,
sie kriegt das Laufen wieder; getrost zog sie von hinnen –
die Krücken ließ sie drinnen.
Ach herrje...

Freifrau von Droste-Vischering, Vi-, Va-, Vischering
noch selb’gen Tags zum Kuhschwof ging, Ki-, Ka-, Kuhschwof ging.
Dies Wunder göttlich grausend
geschah im Jahre tausend-
achthundertvierundvierzig –
und wer’s nicht glaubt, der irrt sich.
Ach herrje...

5 Rentier = Privatmann, der von Einkünften (Boden-, Haus-, Kapitalrente) lebt.

6 Tabagie = Kaffeehaus, Kneipe.

7 noble jeu du Billardt = vornehmes Billardspiel.

10 Relieke = Reliquie.

12 Commis = Angestellter.

13 Blonde aus der Kruke = Weißbier aus einer irdenen Flasche.

14 ob sie wie gierje Raben = Anspielung auf das Lied Der deutsche Rhein (1840) von Nikolaus (Niklas) Becker (1809-1845):

Der deutsche Rhein

Sie sollen ihn nicht haben,
Den freien deutschen Rhein,
Ob sie wie gier'ge Raben
Sich heiser danach schrein,

So lang er ruhig wallend
Sein grünes Kleid noch trägt,
So lang ein Ruder schallend
In seine Woge schlägt!

Sie sollen ihn nicht haben,
Den freien deutschen Rhein,
So lang sich Herzen laben
An seinem Feuerwein;

So lang in seinem Strome
Noch fest die Felsen stehn,
So lang sich hohe Dome
In seinem Spiegel sehn!

Sie sollen ihn nicht haben,
Den freien deutschen Rhein,
So lang dort kühne Knaben
Um schlanke Dirnen frein;

So lang die Flosse hebet
Ein Fisch auf seinem Grund,
So lang ein Lied noch lebet
In seiner Sänger Mund!

Sie sollen ihn nicht haben,
Den freien deutschen Rhein,
Bis seine Flut begraben
Des letzten Manns Gebein!

15 Mignon = Goethes Lied des Mignon: Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn. Die einzelnen Strophen enden mit dem Refrain:

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,
Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht?
Kennst du es wohl? Dahin!
Dahin möcht' ich mit dir,
O mein Geliebter, ziehn.

Kennst du das Haus? Auf Sälen ruht sein Dach,
Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach,
Und Marmorbilder stehn und sehn mich an:
Was hat man dir, du armes Kind, getan?
Kennst du es wohl? Dahin!
Dahin möcht' ich mit dir,
O mein Beschützer, ziehn.

Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg?
Das Maultier such im Nebel seinen Weg,
In Höhlen wohnt der Drachen alte Brut;
Es stürzt der Fels und über ihn die Flut.
Kennst du ihn wohl? Dahin!
Dahin geht unser Weg!
O Vater, laß uns ziehn!

17 Hotel de Pologne = Treffpunkt des 1840 gegründeten Leipziger Literaturvereins, dem vor allem oppositionelle Schriftsteller angehörten.

18 Table d'hôte = gemeinsames Mittagessen mit einer vom Wirt festgesetzten Speisenfolge.

19 Antigone = Tragödie von Sophokles (um 496—406 v. Chr.).

20 Gräfin Hahn-Hahn = Ida Reichsgräfin von Hahn-Hahn (1805-1880) war die Verfasserin erfolgreicher Salonromane mit aristokratischer, später katholischer Tendenz.

"Ida (Marie Louise Friederike Gustave) Gräfin von Hahn-Hahn

Geboren am 22.6.1805 in Tressow/Mecklenburg, gestorben am 12.1.1880 in Mainz.

Die Tochter des »Theatergrafen« Karl Friedrich Graf von Hahn, dessen Passion die Familie an den Rand des wirtschaftlichen Ruins gebracht hatte, lebte nach der Scheidung der Eltern (1809) mit ihrer Mutter und den Geschwistern in Rostock, Neubrandenburg und Greifswald in bescheidenen Verhältnissen. 1826 heiratete sie ihren Vetter Friedrich; die Ehe wurde aber schon 1829 nach der Geburt einer Tochter wieder geschieden. In Wiesbaden lernte sie im gleichen Jahr Adolf Baron Bystram kennen; mit ihm führte sie eine freie Ehe (um ihre Rente nicht zu verlieren). 1830 gebar sie ihm einen Sohn, den sie in Pflege gab. 1836 begann sie ein Verhältnis mit dem späteren Reichsregenten Heinrich Simon, den sie aber nicht heiraten wollte. Nach Bystrams Tod (1849) konvertierte sie in Berlin zum Katholizismus und zog nach Mainz; dort gründete sie 1854 das Kloster »Zum guten Hirten«. Ausgedehnte Reisen führten sie u.a. nach Frankreich, Italien und in den Orient."

[Quelle: http://gutenberg.spiegel.de/autoren/hahnhahn.htm. -- Zugriff am 2004-07-29]

21 Medea = Tragödie des Euripides (um 485-um 406 v. Chr.) bzw. von Franz Grillparzer (1791-1872).

22 der gestiefelte Kater = 1797 entstandenes Schauspiel von Ludwig Tieck (1773 — 1853).

23 Karbonade = Gebratenes Rippen- oder Bruststück vom Schwein, Kalb oder Hammel.

28 protestantischen Jesuiten = die orthodoxe Partei um Hengstenberg, die von Friedrich Wilhelm IV. unterstützt wurde.

"HENGSTENBERG, Ernst Wilhelm, Theologe, * 20.10. 1802 in Fröndenberg (Grafschaft Mark) als Sohn des reformierten Pfarrers Johann Heinrich Karl Hengstenberg (s. d.), † 28.5. 1869 in Berlin, beigesetzt in Radensleben bei Herzberg (Mark). - Seine Kindheit und Jugend verlebte H. seit 1808 in Wetter (Ruhr). Ein Gymnasium hat er nie besucht. Der als Pädagoge bedeutende Vater unterrichtete ihn selbst. H. bezog im Herbst 1819 die Universität Bonn und widmete sich zunächst philosophischen und besonders orientalischen Studien, wandte sich aber dann ausschließlich der Theologie zu. 1823 promovierte er zum Dr. phil. Während eines Aufenthalts in Basel 1823/24 bei Johann Jakob Stähelin (s. d.) als Lehrer für Arabisch drang H. in Krankheit und Leid zum lebendigen Glauben durch. 1824 habilitierte er sich in Berlin als Privatdozent in der Philosophischen Fakultät, promovierte 1825 zum Lic. theol. und wurde 1826 ao. und 1828 o. Professor für Altes Testament. - H. stand in enger Beziehung zu August Tholuck (s. d.), August Neander (s. d.) und vielen bürgerlichen und adeligen Vertretern der preußischen Erweckungsbewegung. Er gründete 1827 gegen den Rationalismus die "Evangelische Kirchenzeitung", die dann auch in allen kirchenpolitischen Fragen eine wichtige Rolle spielte. Als ihr Schriftleiter hat H. mehr als von seinem Katheder aus und mehr als durch seine wissenschaftlich-theologischen Schriften für die Entwicklung der kirchlichen Lehre und des kirchlichen Lebens, zumal in der preußischen Landeskirche, gewirkt und seine tiefgreifende Bedeutung erlangt. Sein wissenschaftliches Arbeitsfeld war das Alte Testament, das er in allen seinen Teilen als Gottes Wort ansah und als solches auch mit allem Eifer verteidigte."

[Quelle: Friedrich Wilhelm Bautz. -- http://www.bautz.de/bbkl/h/hengstenberg_j_h_k.shtml. -- Zugriff am 2004-07-29]


29 Gesellschaft Jesu = Jesuitenorden (Societas Jesu = SJ)

30 Pereat = Studentischer Ruf: (lat.) er gehe zugrunde!; nieder!

31 enthusiasmussen = enthusiasmieren: begeistern.

33 Thurn und Taxissen = Post.

35 Morpheussens (Morpheus) = Gott der Träume.

36 Viertelmetze = Altes Hohlmaß

37 Bolle = Zwiebel.

38 incurabel = unheilbar.

39 Achtzehn = wie fast alle Reliquien tritt der Heilige Rock massenweise auf.

40 Palletho = Herrenmantel mit Samtkragen.

43 Vereins für das Wohl der arbeitenden Klassen = 1844  in Berlin gegründeter Verein mit dem Ziel, den unteren Volksschichten karitativ zu helfen.

44 Alexander von Humboldt (1769-1859), einer der bedeutendsten Naturforscher

45 Prozession = Wahlfahrtszug

46 Nippdisch = Putztisch.

47 Anspielung auf Beckers Rheinlied (s. Anm. 14).

48 Merkur = römischer Gott des Handels und Gewerbes.

49 Constitution = Staatsverfassung

50 Entree = Eintrittsgeld.

51 Preußische Staatszeitung, die seit 1842 als offizielles Organ der preußischen Regierung den Titel Allgemeine Preußische Zeitung führt.

52 Bremse = Ohrfeige.

54 Parrazoll (Parasol) = Sonnenschirm.

55 Schrippen = Weißbrötchen.

60 Spieke = Lavendel; Spieköl = Lavendelöl

63 Wilhelm Arnoldi (1798-1864) war seit 1842 Bischof von Trier und Organisator der Rockausstellung.

"ARNOLDI, Wilhelm, streng ultramontaner Bischof, * 4.7. 1798 in Baden (Eifel) als Sohn eines Schmieds, 1- 7. 1. 1864 in Trier. - A. wurde nach seiner Priesterweihe 1821 Professor für Altes Testament und Homiletik am Priesterseminar in Trier, 1826 Pfarrer in Laufeld, 1831 Pfarrer und Dechant in Wittlich, 1834 Domkapitular und Domprediger in Trier und 1842 Bischof von Trier. - A. hat sich um die Hebung des religiösen Lebens in seiner Diözese durch Förderung der Volksmissionen und der Priesterexerzitien, des Ordenslebens und der kirchlichen Vereine verdient gemacht. Bekannt wurde A. durch die Ausstellung des heiligen Rocks im Herbst 1844, die den Deutschkatholizismus (s. Ronge, Johannes) hervorrief, und durch seinen Erlass in der Mischehenfrage vom 15.3. 1853. A. erklärte, er könne seine Diözesanen nicht mehr selber vom Ehehindernis der Religionsverschiedenheit dispensieren, und verlangte als Vorbedingung für die vom Papst zu erbittende Dispensation das eidliche Versprechen der katholischen Kindererziehung, stellte außerdem die Trauung außerhalb der Kirche und ohne Segen in Aussicht."

[Quelle: Friedrich Wilhelm Bautz. -- http://www.bautz.de/bbkl/a/arnoldi_w.shtml. -- Zugriff am 2004-07-29]


68 Chamberjarnie (Chambre garnie) =  möbliertes Zimmer.

69 Bittersalz ist ein Abführmittel.

70 Önde oder Horrende = Orendel

74 1655 und 1810 wurde der Rock in Trier ausgestellt.

76 Katzenkopp = Schlag an den Hinterkopf.

78 Bischof = Glühwein aus Rotwein und Pomeranzensaft.

80 Zeloten = Eiferer, Fanatiker

81 Muckerei = Frömmelei.

82 Ultramontanen = romhörige Katholiken


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