Religionskritisches von Franz Grillparzer

Mein Traum. Erstes Buch. (1815)

von Franz Grillparzer


Herausgegeben von Alois Payer (payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Grillparzer, Franz <1791 - 1872>: Mein Traum. Erstes Buch. -- 1805. -- Fassung vom 2005-02-09. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/grillparzer01.htm      

Erstmals publiziert: 2004-06-21

Überarbeitungen: 2005-02-09 [Ergänzungen]

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Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library



Abb.: Franz Grillparzer

"Grillparzer, Franz, hervorragender Dichter, geb. 15. Jan. 1791 in Wien, gest. daselbst 21. Jan. 1872, war der Sohn eines geachteten Advokaten, der schon 1809 starb und seine Familie in Not zurückließ Er studierte 1807-11 in Wien die Rechte, musste sich aber frühzeitig nach Erwerb umsehen und trat 1813 als Konzeptspraktikant bei der niederösterreichischen Bankal-Gefällsadministration in den Staatsdienst, den er auch nicht wieder verließ, als er ein berühmter Dichter geworden war. 1823 wurde Grillparzer Hofkonzipist bei der Hofkammer (dem spätern Finanzministerium), 1832 ihr Archivdirektor, 1856 trat er als Hofrat in den Ruhestand. Verheiratet war er nie, obwohl er verlobt gewesen war und mit seiner Braut (Kathi Fröhlich, s. d.) bis zum Tode befreundet blieb. So einfach dieser Lebenslauf äußerlich zu sein scheint, so reich und merkwürdig ist Grillparzers innere und seine literarische Lebensgeschichte, die erst im letzten Jahrzehnt durch die Veröffentlichung seiner Tagebücher, Jugendwerke, Fragmente und kritischen Studien genauer bekannt geworden ist. Das Amt betrachtete Grillparzer wesentlich nur als Schutz für seine materielle Unabhängigkeit im dichterischen Schaffen, es legte ihm aber manchen Zwang auf und bestimmte vielfach auch sein literarisches Schicksal. Als Grillparzer heran wuchs, konnte er schon die Früchte der großen Blütezeit der deutschen Literatur genießen; Lessing, Herder, Schiller und Goethe wurden ihm vertraut, ihr Humanitätsideal wurde das seine, und er studierte auch eifrig die Kantsche Philosophie, deren Anhänger er zeitlebens blieb. Grillparzer wuchs ferner als Wiener in josephinisch-liberalen Traditionen auf, war ein eifriger Theaterbesucher, und die volkstümliche Literatur der Wiener Vorstadttheater wurde für die Bildung seines Geschmacks von nicht geringerer Wichtigkeit als das Studium der großen Tondichter Haydn, Mozart, Beethoven, das er mit Talent und Eifer pflegte. Grillparzer versuchte sich schon früh mit Kleinigkeiten in der dramatischen Kunst. 1807-1809 schrieb er ein weitschichtiges Trauerspiel. »Blanca von Kastilien«, das noch ganz im Banne Schillers (»Don Carlos«) steht (vgl. Hafner, Die Nachahmung Schillers im Erstlingsdrama Grillparzers »Blanca von Kastilien«, Meran 1901). Später ging ihm Sinn und Verständnis für die Kunst Goethes und Shakespeares auf, bis er seinen eignen Ton in dem prächtigen Torso einer (erst 1888 gedruckten) »Spartacus«-Tragödie fand, die seinem patriotischen Schmerz über die Franzosenherrschaft in Österreich vortrefflichen Ausdruck gibt. Auch mit der deutschen Romantik wurde Grillparzer vertraut; obgleich er sich später polemisch zu ihren Führern und Theorien stellte, so blieben sie doch nicht ohne Einwirkung auf ihn, indem sie ihm zum Studium der Spanier und zu seiner Anschauung der Geschichte die Anregung gaben. 1817 wurde in Wien seine erste Tragödie: »Die Ahnfrau«, ausgeführt und errang mit der stürmischen Leidenschaft ihrer Handlung und mit dem Zauber ihrer Sprache hier wie bald darauf in ganz Deutschland außerordentlichen Erfolg (vgl. Wyplel, Ein Schauerroman als Quelle der. Ahnfrau', im »Euphorion«, Bd. 7, Wien 1900; Kohm, Grillparzers Tragödie. 'Die Ahnfrau' in ihrer gegenwärtigen und frühern Gestalt, das. 1903). Nach diesem Werk zu urteilen, schien Grillparzer zur Gruppe der sogen. Schicksalsdichter zu gehören, und die »Ahnfrau« war in der Tat eine Schicksalstragödie. Aber schon ein Jahr später, 1818, lieferte er mit seinem klassisch vollendeten Trauerspiel »Sappho« den Beweis, das Eine Schicksalstragödie noch nicht den Charakter seines ganzen Dichtens bestimme. Dass dies aber von maßgebenden Kritikern seiner Zeit nicht bedacht wurde, und dass man ihn, ohne seine andern Werke zu prüfen, in die Reihe der Müllner und Houwald schob: das verdross Grillparzer mit Recht sein lebelang und wurde der Grund für seine vielen bittern Urteile über deutsche Kritiker. In der »Sappho« stellte Grillparzer die Kluft zwischen Leben und Dichten, zwischen naiver Natur und reflektierender Genialität dar, »le malheur d'être poëte«, wie er selbst sagte. Mit diesem Seitenstück zu Goethes »Tasso« trat er in die Reihe der ersten dramatischen Dichter. Schon 1822 folgte seine große Trilogie. »Das Goldene Vlies«, bestehend aus den Dramen: »Der Gastfreund«, »Die Argonauten« und »Medea«, in denen Grillparzer wiederum das idyllische Glück der Natur und Naivität dem (ebenso natürlichen und eben darum tragischen) Streben nach bewusster Kultur, nach Größe und Ruhm gegenüberstellt. Denselben Gedanken verkörpert sein prächtiges dramatisches Märchen »Der Traum ein Leben« (1834): »Eines nur ist Glück hienieden; Eins: des Innern stiller Frieden - Und die schuldbefreite Brust«. Grillparzer war nicht (wie Schiller) der Dichter der heroischen Tat, sondern des Zwiespalts zwischen Wollen und Können, den er auch persönlich am schmerzlichsten empfand; er war keine Kämpfernatur, sondern mied den politischen und literarischen Kampf in allzu scheuer Empfindlichkeit. Die Hinfälligkeit menschlicher Größe ist das tragische Grundmotiv auch seiner großen historischen Tragödie »König Ottokars Glück und Ende« (1825), welche eine Reihe österreichischer Historien eröffnen sollte. Im vormärzlichen Österreich, unter der Zensur- und Polizeiherrschaft, konnte jedoch solche Kunst nicht gedeihen, sie fand gar keine Unterstützung, ja, sie wurde geradezu unterdrückt. 1828 folgte »Ein treuer Diener seines Herrn«, eine Charaktertragödie, die lange Zeit ganz missverstanden wurde und den Dichter, der mit Freimut einen Fürstenspiegel schuf, in den Verruf eines Fürstenknechtes brachte. Der Unverstand, mit dem diese, und die Kälte, mit der seine weihevolle Liebestragödie »Des Meeres und der Liebe Wellen« (1831) aufgenommen wurden, steigerten Grillparzers Neigung zur selbstquälerischen Schwermut ins Maßlose, so dass er an sich verzweifelte und sogar Selbstmordgedanken hegte. Mehrere Reisen, die er machte (1823 war er in Italien, 1826 in Deutschland und besuchte bei dieser Gelegenheit Goethe in Weimar, 1838 in Frankreich und England, 1843 in Athen und Konstantinopel), konnten sein Gemüt nicht befreien, und als 1838 sein geistvolles Lustspiel »Weh' dem, der lügt« in wenig ehrenvoller Weise abgelehnt wurde, da zog sich Grillparzer gänzlich von der Öffentlichkeit zurück und ließ kein neues Stück mehr ausführen. Doch trat er in den Stürmen des Jahres 1848 wieder Aufsehen erregend mit seinem Gedicht »An Radetzky« hervor. Denn wie sehr er auch unter dem Metternichschen System gelitten haben mochte, so schien ihm der Bestand und die Einheit seines geliebten Österreich von den Revolutionären gefährdet, und er rief dem Heerführer zu: »In deinem Lager ist Österreich!« Als Heinrich Laube Direktor des Wiener Hofburgtheaters war (1849-68), zog er die halbvergessenen Tragödien des vergrämten Dichters wieder aus Licht, und nun gelangten sie zu bleibender Geltung auf der deutschen Bühne. Grillparzers fernere Dichtungen von großer Bedeutung: »Die Jüdin von Toledo«, »Ein Bruderzwist im Hause Habsburg« und »Libussa«, gelangten erst nach seinem Tod in die Öffentlichkeit. nur das Fragment seiner herrlichen »Esther« erschien 1861 im »Dichterbuch« von Emil Kuh (ergänzt wurde es von N. Krauß, Stuttg. 1903). Seine langjährige Zurückgezogenheit füllte der Dichter mit literarischen Studien und mit der Abfassung von Epigrammen aus, die viel Bitterkeit, aber auch sehr viel Weisheit enthalten. Seine wundersam schöne Novelle »Der arme Spielmann« fand bei ihrer ersten Publikation 1848 keine große Verbreitung, und man sich überhaupt des hohen Wertes seiner Poesie, die auch bedeutende lyrische Dichtungen (»Tristia ex Ponto« u. a.) enthält, erst nach seinem Tode bewusst wurde, als ihre Gesamtausgabe (10 Bde., Stuttg. 1871; 5. vermehrte Aufl., besorgt von A. Sauer, das. 1892-1894, 20 Bde.; 1902, 8 Bde.) erschien. Eine Ergänzung dazu bilden die »Briefe und Tagebücher«, herausgegeben von Glossy und Sauer (Stuttg. 1903, 2 Bde.). Sorgfältig kommentierte Ausgaben lieferten R. Franz (Leipz. 1903, 5 Bde.) und M. Necker (das. 1903, 16 Bde.). Die Zeitgenossen überhäuften den greifen Dichter mit Ehren: 1847 wurde er Mitglied der Akademie der Wissenschaften, 1361 Mitglied des österreichischen Herrenhauses, sein 30. Geburtstag wurde in außerordentlicher, Weise, als ein Fest von ganz Österreich gefeiert; aber alle diese späten Auszeichnungen konnten wenig an der Stimmung des Greises ändern. Die Nachwelt sucht sich in liebevoller Hingabe seiner geistigen Hinterlassenschaft zu bemächtigen. Am 23. Mai 1889 wurde im Wiener Volksgarten sein Denkmal (modelliert von Kundmann, mit Reliefs von Weyr; vgl. Tafel »Wiener Denkmäler«) errichtet."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


Erscheinung des Geistes des Pater Kochem, Unterredung desselben mit dem Verfasser. Fahrt nach dem Himmel. Ermahnungen des Geistes auf dieser Fahrt.

1
Ich lag jüngst spät bei tiefer Nacht
Einsam in meinem Bette,
Und hatte eben durchgedacht,
Wie mans zu machen hätte,
Wenn man der Heuchler große Schar
Vernichten wollte ganz und gar
Und fing an zu entschlafen.

2
Bis, als die Glocke zwölfe schlägt,
Aus meinem süßen Schlafe
Mich eine Geisterstimme weckt,
Die ruft »Verwegner Sklave!
Der du die Mönche Heuchler nennst
Und weder Höll noch Teufel kennst,
Hier blicke her und zittre!«

3
Ich setzte mich im Bett empor
Und hob die Augenlider,
Da trat ein Ungetüm hervor,
Mir bebten alle Glieder,
Ein mächtig schwarzer, dicker Geist,
Der mich beim Arme zerrt und reißt,
Als wollt er mich zerfleischen.

4
Er war in geistlichem Ornat,
Mit Messgewand und Stole,
Und ganz in seinem Kirchenstaat,
Vom Kopf bis zu der Sohle.
Mit fettem Bauch und kahlem Schopf,
Mit mächtig großem, dicken Kopf,
Stand er vor meinem Bette.

5
Das Kreuz, das Helena1 erfand,
Trug er in seiner Linken,
Man sah in seiner rechten Hand
Ein Schwert von Golde blinken.
Er schnitt ein fürchterlich Gesicht,
Ich war erschreckt und wagt es nicht,
Ins Antlitz ihm zu sehen.

6
Zu seinen Füßen lag ein Heer
Von Millionen Teufeln,
Ach, dacht ich, das ist Luzifer.
Man kann nicht länger zweifeln!
Gott nimm dich meiner Seele an,
Sonst ist es jetzt um mich getan,
Erbarme dich doch meiner!

7
Ihr Freunde lachet nicht, fürwahr,
Mein Irrtum war verzeihlich,
Umrungen von der Teufeln Schar
Erschien er ganz abscheulich.
Auch war er überdies bewehrt,
Wie ich gesagt, mit einem Schwert,
Da muss man sich wohl scheuen!

8
Auch sah er so verteufelt aus,
Als wäre er besessen,
Und macht ein schreckliches Gebraus,
Als wollte er mich fressen.
Daher sah ich den guten Mann
Für jenen großen Teufel an,
Verzeih mir Gott die Sünde!

9
Ich ward vor Angst bald weiß, bald rot,
Und schrie, die guten Geister
Verehren stets und loben Gott
Als ihren höchsten Meister.
Drum höre auf mit dem Gebraus
Und sprich den Namen Jesu aus,
Denn sonst bist du ein Teufel.

10
Ich war gewaltig echauffiert,
Der Spaß bekam mir übel,
Doch, von dem Schrecken animiert,
Ergriff ich eine Bibel
Und schrie, schwör ohne Trug und List,
Dass du von Gottes Dienern bist,
Dann magst du immer bleiben!

11
Der Geist erhob nun seine Hand
Und trat zum Bette eilig,
Und legt sie auf des Buches Band,
Schreit, Gott der Herr ist heilig!
Und ich bin stets sein treuer Knecht!
Ach, schrie ich, ach, jetzt ists schon recht,
Nun seid ihr wohl ein Heilger!

12
Das nicht, versetzt in tiefem Ton
Der Geist, nein ich bin keiner,
Mir fehlt Kanonisation,
Doch bin ich nicht viel kleiner.
Mein Nam ist überall bekannt,
Mit Ehrfurcht wird er stets genannt,
Doch bin ich nur ein Selger.

13
Doch du darfst glauben, ich bin nicht
Von den gemeinen Seelen,
Im Himmel habe ich Gewicht,
Und habe zu befehlen.
Ich schrieb das gräuliche Legend
Der Heiligen, das jeder kennt,
Kurz ich bin Pater Kochem2!

14
Mit diesem Schwert in meiner Hand
Bestrafe ich die Bösen,
Doch kann ich auch der Sünden Band
Mit diesem Schwerte lösen.
Ja, dem, der an die Kirche glaubt,
Ist manch Vergehen wohl erlaubt,
Das man an andern tadelt.

15
Nur dem, den sein Vergehen reut,
Kann man Verzeihung schenken,
Denn immer muss die Billigkeit
Des Richters Ausspruch lenken.
Leg er der Kirch sein Geld in Schoß,
So ist er seiner Sünden los,
Dann bete er und faste.

16
Der Sünder aber, der nichts hat,
Wird exkommunizieret,
Da eine jede Lastertat
Zu tausend andern führet.
Doch auch mit dem hats keine Not,
Er weihe seine Seele Gott
Und werd ein Kapuziner!

17
Doch jener, welcher nicht bereut,
Trotz allen seinen Sünden,
Der wird ohne Barmherzigkeit
Schon seine Strafe finden.
Der wird vor Gottes Richterstuhl
Verdammet zu dem Schwefelpfuhl,
Wo die Verdammten prasseln.

18
Wer Gottes Diener nicht verehrt
Und lästert seinen Namen,
Sich nicht an die Quatember3 kehrt,
Gehöret in die Flammen.
Atqui4, du bist ein solcher Wicht,
Ergo4 verdammt dich das Gericht.
Quod4 erat demonstrandum.

19
Drum folge mir ohne Verzug,
Gott gnade deiner Seele,
Ich bringe dich im schnellsten Flug
Geradeswegs zur Hölle.
Auf, mache dich nur flugs bereit,
Der Weg zur Hölle ist sehr weit,
Wir dürfen nicht verweilen.

20
Ach, sagt ich zum gestrengen Herrn,
Es hat noch keine Eile,
Denn wisset, Dass ich allzu gern
Auf dieser Erde weile.
Ich bin ein Kind der Sinnenwelt,
Das viel auf Leib und Leben hält,
Ich bin zu jung zum Sterben!

21
Auf, schrie er, auf, du musst nun fort!
Dort wartet schon mein Wagen,
Ich habe ohnehin ein Wort
Dir Spötter noch zu sagen.
Schleppt mich in seinen Phaëton5
Und fliegt mit mir im Hui davon,
Geradeswegs zum Teufel.

22
Du bist, fing er im Wagen an,
Ein wahrer Libertiner,
Bekümmerst dich um keinen Bann,
Schimpfst auf die Kapuziner,
Hältst nichts auf Inquisition,
Und auf die Gnad, sine qua non6
Man nie kann selig werden.

23
Man sagt, du liebest den Rousseau
Und lobest den Voltairen,
Bekennst dich coram populo
Zu ihren falschen Lehren.
Sagst, Dass Rousseau ein guter Christ,
Ein bessrer als manch Priester ist,
Und liesest seine Schriften!

24
Noch nicht genug, auch überdies
Liest du verbotne Schriften,
Wie des Blumauer Aenëis7,
Die nur die Welt vergiften,
Und schimpfst selbst auf den Papst von Rom,
Hältst keinen Geistlichen für fromm
Und nennst uns alle Heuchler.

25
Behauptest, Dass zur Rel'gion
Auch die Vernunft gehöre
Und Dass auch keine Nation
Ohn diese glücklich wäre,
Der Gläubige ohne Vernunft
Gehöre zu der tollen Zunft
Der Toren und Phantasten!

26
Und, wie ich höre, wolltest du
À la Blumauer schreiben,
Doch nun geht es der Hölle zu,
Da lass dus immer bleiben,
Wenn du nicht in der Hölle Schoß,
In Luzifers geheiztem Schloss,
Bei Blumauern willst sitzen.

27
Blumauer, schrie ich, und ward blass,
Wär in der Höll, mein Pater,
Ich sehe wohl, ihr treibt nur Spaß,
Soviel ich weiß, so hat der
Blumauer in der Aenëis,
Nichts Fehlerhaftes, nein gewiss,
Er ist nicht in der Hölle!

28
Er ists, weil er das Christentum,
Sprach er, mit Spott verachtet,
Und unsrer heilgen Kirche Ruhm
Und Glanz zu stürzen trachtet,
Weil er dem Papst sein Ansehn raubt,
An keine Seligsprechung glaubt,
Die Heiligen beschimpfet.

29
Doch, guter Freund, jetzt merke auf,
Ich hab dir noch zu sagen,
Warum wir so in vollem Lauf
In hohen Lüften jagen?
Du sollst durch Höll und Himmel gehn,
Und dort alles genau besehn,
Um den Spott zu bereuen.

30
Doch sieh hinauf, wir sind sogleich,
In einer halben Stunde,
In des so holden Glaubens Reich.
Hier machen wir die Runde
Und fahren dann sogleich davon,
Hin zu der nächsten Station,
In den gepriesnen Himmel.


Erläuterungen:

Dieses Gedicht ist eine Nachahmung von

Blumauer, Aloys <1755-1798>: Pater Cochems Himmelsreise und Höllenfahrt

ALOYS BLUMAUER (1755-1798):

Am 21. Dezember 1755 wird Catharina Blumauer in Steyr in Oberösterreich, wo ihr Mann Melchior Godthart Blumauer eine Eisenwarenhandlung besitzt, Mutter eines Sohnes, dem sie den Namen Johann Aloys gibt. Von den 7 Geschwistern des Aloys ist nur das Schicksal eines 10 Jahre älteren Bruders, später Pfarrer in Marchtrenk, näher bekannt. Die gläubigen Eltern bestimmen Aloys für das Kloster und schicken ihn in das Jesuiten-Gymnasium in Steyr, das er 1772 beendet. Im selben Jahr tritt er in Wien als Novize in den Jesuitenorden ein. Als 1773 der Jesuitenorden durch Papst Clemens XIV. aufgelassen wird, bringt sich Blumauer einige Zeit hindurch schlecht und recht mit Privatunterricht durch. Er beginnt 1774 ein Studium und tritt ab 1780 mit einzelnen seiner literarischen Arbeiten an die Öffentlichkeit.

Einflussreiche Persönlichkeiten wie Josef von Sonnenfels und Ignaz von Born beginnen so auf den witzigen und begabten jungen Mann aufmerksam zu werden, nehmen ihn auf in ihre intellektuellen „Zirkel und Zentren" und verschaffen ihm 1780 eine Stelle als außerordentlicher Mitarbeiter der Hofbibliothek und 1782 als Zensor bei der unter Gerhard van Swieten neu organisierten Zensur-Kommission, die von universitärem, das hieß jesuitischem Einfluss befreit, den Anliegen und der Durchsetzung der josephinischen Vorstellung von Aufklärung dienen soll. Seine amtliche Tätigkeit lässt Blumauer ähnlich wie später Franz Grillparzer, der immer wieder in sein Tagebuch schreiben konnte: „Um 12 Uhr ins Amt. Keine Arbeit vorgefunden.", viel Zeit und Muße für eigene literarische Tätigkeiten. Auch das ist ein Aspekt der vom Josephinismus betriebenen Ablöse der Feudalaristokratie durch eine Staatsbürokratie.

1780 wird Blumauers einziges Bühnenwerk „Erwine von Steinheim, Trauerspiel in 5 Aufzügen", ein Ritter-Stück, das als eines der wenigen österreichischen Sturm-und-Drang-Dramen gilt, mit großem Publikumserfolg am Burgtheater uraufgeführt. Blumauer war allerdings gar kein Freund typischer Sturm und Drang Kraftgenies, im Gegenteil: in der Höllenbeschreibung seiner Aeneis werden die berühmtesten Genies in einem Mörser zu köstlichen Kraftsuppen für den Teufel zerstoßen. In den Achtziger Jahren verfasst Blumauer den Großteil seines literarischen Werkes, er schreibt nahezu alle seiner bedeutenden Gedichte und vor allem sein leider nur unvollendet überliefertes Hauptwerk „Virgils Aeneis travestirt". Seine Gedichte umspannen die Themen Politik, Freimaurerei, Philosophie, Humor, Frivoles und Polemisches. Offensichtlich ist eine enge Verwandtschaft zur Anakreontik mit seiner Affinität zu „Wein, Weib und Gesang" und allem Horazischen. Einige seiner Gedichte sollen in Wirtshäusern oder beim Heurigen entstanden und per Diktat auf Speisezetteln festgehalten worden sein. Seine komischen Gedichte verblüffen oft schon in der Wahl ihres Objekts, wie etwa die „Ode an den Leibstuhl", „Lob des Schweins", „Lob des Flohs", „An den Magen" oder „An die Langeweile". Sehr gerne stellt Blumauer auch typisch lyrische Topoi als öden Kitsch bloß (z.B.: „An den Mond", „An die Sonne"); die beiden genannten Gedichte arten in regelrechte Beschimpfungen und Schmähungen des Mondes und der Sonne aus: ...

Die politischen Gedichte wenden sich an „Joseph II. Beschützer des Freimaurerordens", an die politische Hoffnung „Leopold II.", behandeln den Friedensschluss von 1792 („Lied von Belgrad") oder die Gedichtinflation zum Tode Maria Theresias („Zu den Leichengedichten Maria Theresias"). Das philosophische Gedicht „Glaubensbekenntnis eines nach Wahrheit Ringenden", dessen Zensurierung die Kirche betreibt, wird von Joseph II. höchstpersönlich verteidigt.

Aloys Blumauer ist seit 1782 eifriges Mitglied von verschiedenen Freimaurerorden, die ihre wesentliche gesellschaftliche Funktion darin haben, den Mitgliedern Foren für Kommunikation und Ideenaustausch ohne Klassen- und Standesschranken zu bieten. Manche verfolgen mit den Logen auch das Ziel, einen Vorläufer für eine Akademie der Wissenschaften zu gründen. Der große Naturwissenschaftler und Mineraloge Ignaz von Born gründet 1782 die Wiener Elite-Loge „Zur wahren Eintracht" und ihr tritt eine große Zahl hervorragender Schriftsteller Österreichs bei, neben Blumauer auch Johann Baptist Alxinger, Joseph Franz Ratschky, Gottlieb Leon, Joseph von Retzer, Tobias Gebler, Joseph von Sonnenfels. Für diese Loge und die Loge „Zur Wahrheit" verfasst Blumauer meist für besondere festliche Gelegenheiten eine Menge von Freimaurergedichten, Trinkliedern und Reden.

Joseph II. versucht, die verschiedenen Freimaurerorden für machtpolitische Zwecke einzusetzen. So betreibt er z.B. über den Illuminaten-Bund, der in Bayern von Adam Weishaupt mit dem Ziel politischer Einflussnahme gegründet, in Wien bedeutende Mitglieder hat - unter anderen Aloys Blumauer -, einen Gebietsabtausch Belgien gegen Bayern.

Aloys Blumauer ist von 1784 bis 1786 nicht nur Herausgeber des Journals der Freymaurer, sondern von 1782 bis 1791 auch Herausgeber des „Wiener Musenalmanachen", der unter seiner Leitung zum Sprachrohr der jungen österreichischen Dichter wird, und von 1782-1784 Chefredakteur der europaweit angesehenen Realzeitung, die um eine gesamtösterreichische Perspektive unter Einschluss der Kulturen mittel- und osteuropäischer Länder und Völker bemüht ist. In der Realzeitung veröffentlicht Blumauer den vielzitierten Aufsatz „Beobachtungen über Österreichs Aufklärung und Literatur" in Fortsetzungen. Blumauer wird einmal sogar der Herausgabe eines üblen Vorläufers der Boulevard-Presse verdächtigt, der „Schwarzen Zeitung", ein Tratsch- und Klatschblatt, in dem Selbstmorde und Unglücksfälle vor allem Prominenter breit und genüsslich ausgebreitet werden. Um Blumauer kursieren auch einige Anekdoten, sie beruhen meist auf seiner witzigen Schlagfertigkeit. So beklagte man sich angeblich beim Kaiser darüber, Dass Blumauer in seiner Religionsverachtung gar so weit gegangen sei, als der 1782 in Wien zu Besuch weilende Papst Pius VI. den Segen erteilte, den Hut nicht abgenommen zu haben. Blumauer rechtfertigte sich in schlagfertiger Weise durch das Bonmot: „Ist der Segen gut, so geht er durch den Hut!" und die Situation war für ihn gerettet. Der Papstbesuch findet seinen Niederschlag auch in zwei berühmten Gedichten: „Prolog an das Publikum. Auf die Ankunft Pius VI. in Wien 1782." und „Epilog auf die Abreise Pius VI. von Wien", in denen Blumauer unter anderem Betrachtungen über den Prunk und die Habsucht des Papsttums sowie die Bedürfnislosigkeit und Demut eines Jesus Christus anstellt. Joseph II. verherrlicht er als großen Regenten, „der die Wand, die uns von unsern Brüdern trennte, zerriss, und Menschen - Menschenrechte gönnte."

Der Josephinismus hatte erkannt, Dass eine effektive Abwehr des Dominanzstrebens Preußens auch eine Unterstützung auf geistig-kultureller Ebene braucht. Es wurde daher mittels weitgehender Pressefreiheit und gezielten Förderungen versucht, eine österreichische Identität, ein österreichisches Nationalbewusstsein zu stärken bzw. entstehen zu lassen. In das Jahr 1783 fällt die Auseinandersetzung Blumauers mit Friedrich Nicolai, der in seiner „Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781" die österreichische Kultur- und Literaturszene polemisch angreift und zu dem wenig originellen Urteil kommt, die Österreicher wären primär sinnlich orientiert und könnten sich daher nie zu den großen abstrakten Geisteswerken der deutschen, preußischen Intellektuellen aufschwingen. Er wirft Blumauer provinzielle Überheblichkeit, Frivolität und banale Sinnlichkeit vor. Der preußische Protestant Nicolai tritt ganz allgemein dem barocken, römisch-katholisch geprägten Österreich mit verärgertem, schulmeisterlichem Unverständnis gegenüber. Blumauer ist hingegen der Meinung, gerade das weltoffene Wien, die Hauptstadt eines großen, vielkulturellen Reiches, wäre bestens geeignet, Zentrum eines lebendigen Geistesleben zu sein, weit besser geeignet als die Provinzhauptstadt so manchen kleinen deutschen König- oder Fürstentums.

1785 ist ohne Zweifel das Krisenjahr Blumauers. Seine Liebe zu Mimi, einer attraktiven und umschwärmten Tochter Ignaz von Borns scheitert. Sie heiratet einen italienischen Adeligen gerade als die Zeitungen voreilig schon den Tod von Aloys melden. Blumauer ist schwer an Wassersucht erkrankt und nur der intensiven Hilfe zweier befreundeter Ärzte ist sein Überleben zu verdanken. ...

Nicht nur privat läuft 1785 alles schief, auch politische Hoffnungen werden schwer enttäuscht. Joseph II. führt die Staatspolizei ein und erlässt das Freimaurerpatent, wodurch die Freimaurerei staatlich geregelt, vereinheitlicht werden soll, und im wesentlichen abgewürgt wird. Diese schwere Krise führt Blumauer letztendlich in eine Phase der Resignation und politischen Apathie, die ihn veranlasst, sich aus öffentlichen Ämtern und allem Engagement zurückzuziehen. 1787 wird er Kompagnon des Buchhändlers Rudolph Gräffer, der schon 1784 und 1785 seine Aeneis verlegt hat.

1788 erscheint der 3. Band der Aeneis. Blumauer bittet Wieland brieflich 1794 um Ankündigung der vollständigen Aeneis-Ausgabe im Teutschen Merkur und hält fest, Dass damit sein Beitrag zur Literatur endgültig abgeschlossen sei. Der 4. und abschließende Band fällt aber der politisch-kulturellen Repression, die nach dem kurzen Hoffnungsschimmer Leopold II. unter Franz II. 1794 bereits voll eingesetzt hat, zum Opfer. Ein von einem abenteuerlichen Hochstapler namens „Professor" Schaber im Stile Blumauers verfasster abschließender 4. Band wird übereinstimmend als nicht kongenial beurteilt.

Die Aeneis kann als das josephinische Werk par excellence betrachtet werden, da darin ein zentrales Ziel des Josephinismus, nämlich der kulturpolitische Kampf gegen die weltlichen Ansprüche der römisch-katholischen Kirche und für die kirchenreformatorischen Bestrebungen des Josephinismus, literarisch weiterverfolgt wird. Vergil verherrlicht die weltliche Macht Roms mit der Geschichte der Gründung durch Aeneas und will so die römische Sendung als gottgewollt veranschaulichen - er betreibt pro-augusteische Propaganda. Der Vatikan leitet als Nachfolger des Imperium Romanum seine weltlichen Machtansprüche auch von der Größe dieses antiken Rom ab. Indem er Vergils Intention umkehrt und den Helden Aeneas mit Hilfe der Travestie und Komik von seiner verklärten Höhe herunterholt, unterminiert Blumauer einen wesentlichen Teil der auf ihm basierenden weltlichen Machtansprüche des Vatikans - er betreibt pro-josephinische Propaganda.  ...

Ein großer Teil der Komik des Epos lebt von den unzähligen Anachronismen und den Anspielungen auf österreichische Verhältnisse (z.B.: Vergleich des Bergs der kumischen Alraune mit Maria Taferl und Maria Zell). ...

Im Paradies, das ganz wie ein kulinarisches Schlaraffenland ausgestattet ist, schmauchen Konfuzius, Zaratustra, Montesquieu, Salomon, Wilhelm Penn beim himmlischen Bierkrug ihre Pfeifchen Knaster. Locke, Plato, Sokrates, Anakreon, Swift, Horaz, Lukian, Wieland und viele andere disputieren, studieren, singen, trinken und durchträumen hier die Ewigkeit. Man sah hier Menschen aller Art: In Jacken und Soutanen, Mit langem und geschornem Bart Mit Mützen und Turbanen, Mit Hüten von verschiednem Schnitt, Doch ach! Sehr wenige nur mit Birretten und Tiaren.

Das Urteil Goethes über Blumauers Aeneis fällt noch 20 Jahre nach ihrem Erscheinen vernichtend aus: „In eine frühere Zeit jedoch durch Blumauers Aeneis versetzt, erschrak ich ganz eigentlich, indem ich mir vergegenwärtigen wollte, wie eine so grenzenlose Nüchternheit und Plattheit doch auch einmal dem Tag willkommen und gemäß hatte sein können." Dieses Urteil wird allerdings etwas relativiert, wenn man die Höllenszene im 6. Buch der Aeneis liest, in der ein gewisser „Herr Werther", dem höllischen Senat vorgeführt, streng examiniert und schließlich einstimmig zum Teufel geschickt wird, oder den Schlusssatz des vor-letzten Absatzes im 1. Band, wo Blumauer ein Goethe-Zitat respektlos in seinen eigenen Text einarbeitet.

1792 übernimmt Aloys Blumauer die Buchhandlung Rudolph Gräffer vollständig und eröffnet zusätzlich ein Antiquariat. 1793 wird Aloys Blumauer als Zensor mit einer kleinen Pension entlassen und widmet sich ab sofort seinen Studien im Antiquariat und einem Diskussions- und Freundschaftszirkel im Haus seines angeblich nicht sehr intelligenten Freundes Franz Hackel. Die hübsche Frau von Franz Hackel, der in liebenswerter Naivität inzwischen die Angestellten in der Buchhandlung beaufsichtigt, wird Blumauers Geliebte. Hackel, dessen Glücksspiel-Gesellschaft finanziell erfolgreich gewesen, aber schließlich verboten worden ist, unterstützt Blumauer auch mit Geld und so häuft sich im Laufe der Zeit ein riesiger Schuldenberg an. Der Diskussionskreis, dem Personen wie Hebenstreit, Gilowsky, Prandstetter, Riedel, Bielleck, Jeline, Strattmann, Gotthardi und Martinovics angehören, und in dem aktuelle Politik, die französische Revolution und auch das berühmte, aufrührerische Eipeldauerlied besprochen werden, wird im Juli 1794 als große Wiener Jakobinerverschwörung „enttarnt". Hebenstreit wird als Schöpfer der Melodie des Eipeldauerliedes und Hauptmann Beck als der Texter vermutet. Hebenstreit ist auch Verfasser frühkommunistischer Schriften wie etwa „Homo hominibus". Das Eipeldauerlied wendet sich an: Enk Trager, Schiffleut, Hauer, Den, der’s Holz hackt, der D’Kohlen brennt, den Handwerksgselllen, den Bauer. und ruft schließlich auf: Drum schlagt’s d’Hundleut alle todt, Nit langsam wie’d Franzosen Sonst machen’s enk no tausend Noth S’ist nimmer auf sie z’losen. Da die Mobilisierung des vierten Standes für Franz II. und sein Regime angesichts französischer Verhältnisse wie eine schreckliche Bedrohung wirken mußte, findet am 23./24.7.1794 eine Reihe von Verhaftungen und Verhören statt. Ganz Wien schwirrt von wilden Gerüchten über Umsturzversuche und geheimnisvolle Verschwörungen. Blumauer wird auf freiem Fuß verhört und kann durch geschickte Verteidigung mit Hilfe von Strattmann eine Verhaftung vermeiden. An anderen wird ein abschreckendes, politisches Exempel statuiert und ein öffentlicher Prozess inszeniert, der auch in den Eipeldauer-Briefen sehr plastisch und satirisch geschildert wird.

Aloys Blumauer ist nach dieser Episode keine lange Lebenszeit mehr beschieden, er stirbt am 17.3.1798 an Lungenschwindsucht - Nachlaßverwalter wird ein Onkel von Franz Grillparzer. Schon kurz nach seinem Tod werden die travestierte Aeneis per Hofdekret und die Gedichte durch Rezensurierung als „den guten Sitten und der Religion entgegen" verboten. 1809 wird die Aeneis auf Befehl der Franzosen, die Wien besetzt hatten, vom Buchhändler und Verleger Anton Pichler wieder aufgelegt. Nach Abzug der französischen Besetzer ist Blumauers Werk allerdings wieder verboten und erlebt erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts eine kleine Renaissance. 1877 und 1884 erscheinen Neuauflagen seiner Werke.

Aloys Blumauer kann gesichert als einer der wichtigsten Schriftsteller Österreichs im ausgehenden 18. Jahrhundert bezeichnet werden. Wir persönlich können noch mit Franz Grillparzer, der in seiner Jugend ein großer Freund und auch Nachahmer der Werke Alyos Blumauers war, durchaus übereinstimmen: „Dieses Mannes Werk ist vielleicht das Beste, was je in dem Gebiete der Parodie emporgeblüht ist.""

[Quelle: http://members.ping.at/striezl/Blumauer.htm. -- Zugriff am 2004-06-21]

1Das Kreuz, das Helena erfand

„Am 13. September feiern wir zusammen das Fest des Kreuzes. Genau: Wir gedenken seiner Auffindung durch Helena, der Mutter von Kaiser Konstantin, beim Ausheben der Fundamente zum Bau der Grabeskirche in Jerusalem. Bei diesen Arbeiten wurden die Kreuze entdeckt, auf denen unser Herr und die beiden Schächer gekreuzigt worden waren. Auf wunderbare Weise gab sich von den drei Kreuzen jenes des Herrn zu erkennen."

[Quelle: http://www.bistum-hildesheim.de/weltkirche/Aktuell_Archiv_2003_09.html. -- Zugriff am 2004-06-21]

"S. Helena, Aug. Vid. (18. Aug. al. 7. 8. Febr. 3. 21. 22. Mai, 15. Sept. Diese hl. Helena, oder, wie sie mit ihrem vollen Namen heißt, Flavia Julia Helena. Gemahlin des Kaisers Constantius Chlorus und Mutter Constantins des Großen, ist die berühmteste ihres Namens. Die Zeit ihrer Geburt und ihr Geburtsort ist ungewiss. Viele Schriftsteller, namentlich britische, weisen auf Britannien hin, wo ihre Wiege gestanden haben soll. Nach dieser Annahme wäre sie die Tochter des Königs Coilus gewesen und zu York oder noch wahrscheinlicher zu Colchester geboren worden. Andere setzen ihren Geburtsort in die alte, zu jener Zeit in höchster Blüte stehende Stadt Trier. Als Hauptgrund für erstere Annahme wird die angebliche Geburt Constantins des Großen in Britannien angegeben. Allein davon abgesehen, dass dieser Angabe viele sehr gewichtige Gründe entgegenstehen,9 so würde selbst bei der Voraussetzung ihrer Wahrheit aus diesem Umstande noch keineswegs ein Schluss auf die Geburt auch der Kaiserin Mutter in Britannien gezogen werden können. Und warum sollte der große britannische Geschichtsforscher Beda, dessen Autorität und umfassende Kenntnis der Tatsachen unbestritten, von dieser merkwürdigen Tatsache nichts gewusst haben? Wäre zu seiner Zeit auch nur eine schwache Volkssage hierüber im Schwung gewesen, so würde er sie uns überliefert haben. Nur dass Constantius Chlorus in Britannien als Mitregent des Kaisers Diocletian gestorben sei, ist sicher. Ebenso gewiss ist, dass er in Gallien, namentlich in Trier, sich vielfach aufgehalten habe; aber er war öfter auch im Orient, und konnte er sich seine Lebensgefährtin nicht auch von dorther geholt haben? In der Tat sind die Gründe, welche für die Geburt der Heiligen in Trier angeführt werden (worunter namentlich ein unechtes Diplom des Papstes Sylvester), wo möglich noch schwächer als jene, die für York oder Colchester angerufen werden. Dagegen war schon im 6. Jahrhundert die Überlieferung, der Geburtsort der hl. Helena sei Drepana in Bithynien, im Morgen- und Abendland weit verbreitet. Dafür spricht nicht bloß Nicephorus, sondern vorzüglich Procopius von Cäsarea. Die Stadt lag am Bosporus und erhielt später von der Kaiserin Helena den Namen Helenopolis. Sie blieb aber immer unbedeutend gegen ihre Nachbarstädte, namentlich auch gegen das jetzige Karamussal, das im Altertum Astakus oder Olbia hieß und dem daran gelegenen Meerbusen den Namen gab. Als beiläufige Jahreszahl der Geburt der hl. Helena nehmen die Bollandisten das J. 248 an. Der hl. Ambrosius, welcher um die Zeit des Todes Constantins schon am Leben war (er stand bereits im fünften Lebensjahre), huldigte jedenfalls der Ansicht, dass die hl. Helena einem bürgerlichen Geschlechte entsprossen gewesen sei und zur Zeit, als Constantius sie kennen lernte, eine Posthalterei in Kleinasien betrieben habe. Er setzt hinzu: »Fürwahr, eine gute Stallmeisterin, welche so eifrig nach der Krippe des Herrn suchte eine gute Stallmeisterin, welche jenen Wirth, der die Wunden des in die Hände der Räuber Gefallenen heilte, wohl erkannte eine gute Stallmeisterin, welche lieber alles für Kot erachtete, um Christus zu gewinnen, weshalb auch Christus sie vom Kote auf den Thron erhoben hat (de stercore levavit ad regnum).« Da der Vater des hl. Ambrosius Präfekt des cisalpinischen Galliens gewesen ist, so konnte er dies von ihm wohl erfahren haben. Dies bestätigt Eutropius, des Kaisers Geheimschreiber, in seiner kurzen römischen Geschichte, indem er sagt: »Nach dem Tode des Constantius wurde sein Sohn Constantinus, welcher aus einer dunklern Ehe (ex obscuriore matrimonio) entsprossen war, in Britannien zum Kaiser erwählt.« Und er musste bei seiner nahen Verbindung mit dem Hofe, da er auch Julian den Abtrünnigen nach Persien begleitete, darüber unterrichtet sein. Wahrscheinlich aus diesem Grunde wird Constantin d. Gr. von einigen Schriftstellern irrig ein filius spurius genannt. Denn dass Constantius mit der hl. Helena eine wirkliche Ehe eingegangen hatte, ist durch die oben angeführte Stelle aus Eutropius unzweifelhaft. Die Ehe war also vorhanden; aber sie war nicht dem Adel des Constantius entsprechend, eine Art morganatische Ehe. Es ist natürlich, dass die heidn. Schriftsteller, die den Kaiser Constantin wegen seiner Bekehrung zum Christentume hassten, diesen Umstand zu möglichster Erniedrigung desselben ausbeuteten. Und hätte wohl in diesem Falle der auf Hof-Etiquette und Adel nicht wenig stolze Diocletianus nach dem Tode des Constantius auf dessen natürlichen Sohn sein Augenmerk gerichtet? Hätte der Sohn seine Mutter mit dem Titel »Augusta«, d. i. »erhabene Kaiserin« beehren können und dürfen? Hätte der Panegyriker Eumenius es wagen dürfen, demselben zu sagen: »Du hast das Reich durch deine Geburt verdient (imperium nascendo meruisti)«?! Lang ehe er zum Purpur emporstieg, stand er unter den unmittelbaren Kronbeamten dem Kaiser Diocletian am nächsten und befand sich bei Hofaufzügen und sonstigen öffentlichen Feierlichkeiten auf dessen rechter Seite. Doch wir schließen diese Erörterung, um nicht zu lang zu werden. Man wird aber die Überzeugung, die hl. Helena sei des Constantius wirkliche und wahre Gemahlin, nicht Konkubine, gewesen, um so mehr gewinnen und festhalten, wenn wir noch beisetzen, dass Eutropius, obwohl Heide, sie ausdrücklich seine »Gemahlin« (uxor) nennt, und dass er, wo von ihrer Trennung von Constantius die Rede ist, nicht vergisst, sie als eine wahre »Ehescheidung« (diremptis prioribus conjugiis) zu bezeichnen. Dazu kommt, dass auch Münzen und andere öffentliche Denkmäler10 die nämliche Tatsache konstatieren, die wir nur deshalb so hervorheben, weil sie zur Ehre unserer Heiligen zwar nicht unbedingt nötig, aber doch sehr zuträglich ist. So viel man weiß, war der Kaiser Constantinus ihr einziger Sohn. Eusebius berichtet nämlich von ihrem Testamente, dass sie »ihren einzigen Sohn, den Alleinherrscher und Herrn des Erdkreises, mit dessen Söhnen, den erlauchtesten Cäsaren, ihren Enkeln«, zum Erben eingesetzt habe. Gegen diese Autorität haben die Angaben einiger anderer, viel späterer Schriftsteller, die hl. Helena habe außer Constantin noch andere sechs Söhne und eine Tochter, Namens Constantia, oder wenigstens noch zwei Söhne geboren, kein Gewicht. Die Geburt des Kaisers schwankt zwischen den Jahren 272 und den folgenden bis 275. Nach ihrer Trennung von Constantius Chlorus erhielt sie in Trier einen anständigen, man darf sagen reichen Witwensitz. Auch in Quantia Morinorum scheint sie einen solchen gehabt zu haben. Als Constantinus im Jahr 306 den Thron der Cäsaren bestieg, hielt sie sich öfter an seinem Hofe auf. Ob sie zugleich mit dem Sohne oder später das Christentum angenommen habe, ist nicht ausgemacht; aus Eusebius scheint das Letztere gefolgert werden zu müssen, indem er das Werk ihrer Bekehrung, in Folge welcher sie lebte, »als wäre sie vom Erlöser selbst unterrichtet worden«, dem Kaiser zuschreibt. Also erfolgte die Annahme des christlichen Glaubens von Seite der hl. Helena nach dem J. 312. Paulinus freilich versichert, »dass Constantinus nicht so fast durch seinen Glauben, als durch den seiner Mutter Helena zu dem Verdienste des Ersten unter den christlichen Fürsten (princeps esse principibus Christianis) gelangt ist;« aber diese Worte können höchstens eine gleichzeitige Bekehrung, keinesfalls aber können sie geeignet sein, die Bekehrung Constantins durch seine Mutter zu beweisen. Gleichwohl war ihre Bekehrung ein großer Gewinn für den Glauben, was auch der hl. Gregorius der Große bezeugt, wenn er sagt, Gott habe die Herzen der Römer durch sie zum christlichen Glauben entflammt. Wenn also einige Legenden sagen, sie habe für den Sohn gebetet und gefastet, Almosen gegeben u. f. f., so ist hiefür vor dem J. 312 kein historischer Grund anzugeben. Dass sie aber später dazu noch hinlänglichen Anlass hatte, indem ihr Sohn mit dem heidnischen Namen keineswegs auch schon das heidnische Leben ablegte, bezeugt die Geschichte Noch weniger ist erwiesen, dass sie ihren früheren Gemahl Constantius, welcher im J. 306 gestorben war, dem Evangelium gewonnen habe, da es sehr zweifelhaft ist, ob Constantius überhaupt als Christ gestorben sei. Überhaupt bedarf ihre Geschichte sehr der genauesten Sichtung. Die Bollandisten haben z. B. die behauptete Taufe der hl. Helena durch den Papst Sylvester (seit dem J. 314) geradezu verworfen. Großen Schmerz bereitete ihr die Tötung ihres Enkels Crispus und dessen Mutter Fausta. Am berühmtesten ist die hl. Helena durch die Auffindung des heil. Kreuzes, an welchem unser Erlöser gestorben ist, welche Auffindung am 3. Mai alljährlich gefeiert wird. Sie suchte mit außerordentlichem Eifer und unter Aufwendung großer Kosten nach demselben, wobei der hl. Makarius, welcher eben vom Konzil zu Nicäa (im J. 325) heimgekehrt war, sie aufs Kräftigste unterstützte und aufmunterte. Es ist kein Zweifel, dass sie das heil. Land als fromme Wallfahrerin besucht habe. Hierin stimmen Eusebius und der hl. Ambrosius überein. Beide bezeugen wie aus einem Munde, sie habe Palästina »für ihren Sohn« gewissermaßen ex voto besucht. (Euseb. Vita Const. III. 42. Ambr. de obitu Theod. Sen.) Paulinus und Andere setzen hinzu, sie habe dies, »wie der Ausgang es gezeigt«, auf besondere göttliche Ermahnung getan. Sie stand damals bereits in hohem Alter; aber sie achtete in ihrer hohen Begeisterung für die Ehre des heil. Kreuzes alle Beschwerden für nichts. Der Kaiser, welcher das schöne Unternehmen auf alle Weise begünstigte, hatte den Patriarchen Makarius beauftragt, an dem Orte der Auferstehung ein Oratorium zu errichten und alle Vorbereitungen zu treffen, damit der Plan zur Ausführung gelange. Der hl. Ambrosius schildert die Gefühle der dl. Helena, als sie auf dem Kalvarienberg weilte, in folgenden Worten: »Sieh,« sprach sie, »hier ist der Ort des Kampfes; wo ist der Siegespreis? Ich suche die Fahne des Heils und finde sie nicht. Ich - im Purpur, und das Kreuz des Herrn im Staube; - ich an Höfen, und der Triumph Christi in den Ruinen; soll er und die Palme des ewigen Lebens verborgen bleiben? soll ich mich als Erlöste betrachten und das Zeichen der Erlösung selbst nicht schauen? Ich sehe, dein Werk ist's, Teufel! das Schwert, mit welchem du getötet wurdest, zu bedecken ... Aber du hast eich vergeblich bemüht, du wirst neuerdings besiegt!« Ihr Unternehmen endete mit einem herrlichen Triumphe. Nach langem mühevollen Graben entdeckte man nämlich (im J. 326) die drei Kreuze und fand das des Erlösers, indem eine todkranke Frau durch Berührung desselben plötzlich gesund und nach den Bollandisten (III. 564) auch ein Toter lebendig wurde. Zugleich entdeckte man auch den Titel des Kreuzes und die Nägel; ob die Lanze, ist nicht ebenso sicher, aber doch nicht minder wahrscheinlich. Die hl. Helena ließ noch während ihrer Anwesenheit in Palästina daselbst zwei Kirchen erbauen: die eine in Bethlehem, über der heil. Grotte, worin Jesus geboren war; die andere auf dem Ölberge, an dem Orte der Auffahrt unsers Herrn. An ersterm Orte war dem Adonis, nie zu Jerusalem über dem Kalvarienberge der Venus ein Heiligtum geworden. Weiter wird berichtet, die hl. Helena habe auch in der Nähe von Gethsemane zu Ehren der hl. Jungfrau, sowie bei Bethlehem an der Stelle, wo der Überlieferung zufolge der Engel den Hirten auf dem Felde die Geburt Christi verkündigt hatte, Kirchen erbaut. Auch im Abendlande behaupten mehrere Städte von ihr gebaute Kirchen zu besitzen, nämlich außer Rom noch Orleans, Trier. Köln etc. Es ist durch gleichzeitige Zeugnisse bestätigt, wie eifrig sie dem Besuche des Gottesdienstes oblag, wie viel Aufwand sie auf Kirchenschmuck machte und in dieser Beziehung auch die Kirchen kleiner Städte mildreich bedachte. Dabei erschien sie in einfacher Kleidung, wollte nicht mehr scheinen oder sein als andere Frauen; ja sie bediente wohl selbst die Gott geweihten Jungfrauen bei Tische. Die Verehrung der Reliquien nahm durch ihr Beispiel einen außerordentlichen Aufschwung. Es geht die (übrigens durchaus unbeglaubigte) Sage, die hl. Helena habe von Jerusalem ab eine Reise nach Indien gemacht und von da die Leiber der heil. drei Könige mitgebracht, welche dann in der St. Sophienkirche zu Konstantinopel seien beigesetzt, von da nach Mailand und zuletzt nach Köln übertragen worden. Auch die Stadt Besançon rühmt sich. aus ihrer Hand eine kostbare Reliquie des hl. Erzmartyrers Stephanus erhalten zu haben, dem zu Ehren eine im 4. Jahrhundert, man sagt gleichfalls durch die hl. Helena, erbaute Kirche daselbst besteht. Mit mehr Recht wird ihr die Peterskirche (der Dom) in Trier und ein Teil der dort befindlichen zahlreichen Reliquienschätze zugeschrieben. Was sie in dieser Hinsicht für Köln getan habe, wolle man bei S. Gereon1 (S. 405) nachlesen. Sie starb in sehr hohem Alter, nach Einigen bald nach ihrer Rückkehr von Jerusalem, beiläufig 80 Jahre oder etwas darüber zählend, wahrscheinlich am 18. Aug. 328 (nach Andern 326 oder 327). Wo sie gestorben sei, wissen wir nicht. Einige nennen Byzanz, Andere Nikomedia etc. als den Ort ihres Todes. während Pagius behauptet, sie sei in Nom gestorben, indem er aus den Reifen Constantins darzutun versucht, dass er sich im August des Jahres 326 in Rom aufgehalten habe. Dagegen sagen die Bollandisten (III. 572), nach dem Zeugnisse des Eusebius, des Sokrates und anderer Geschichtschreiber sei die Leiche der hl. Helena erst auf Befehl des Kaisers nach Rom übertragen und mit großem Pompe bestattet worden. Als das älteste Martyrologium, in welchem sie auf den 18. Aug. gesetzt ist, bezeichnen die Boll. (III. 576) das von Usuardus, wo ebenso, wie im Mart. Rom., die Straße nach Labium (via Lavicana) als der Ort ihres Begräbnisses angegeben ist. Reliquien von ihr werden außer Rom noch in Brindisi, Orleans, Lissabon, Trier, Reims (Hautvillers), London u. a. Orten verehrt. Die Griechen ehren ihr Andenken am 21. Mai, die Äthiopier am 15. Sept., andere Martyrologien nennen sie an andern Tagen, z. B. am 7. und 8. Febr. Sie wird als hochbejahrte aber rüstige Frau, mit der Krone auf dem Haupte und mit dem Kreuz im Arm dargestellt. Öfter noch, besonders auf größern Gemälden, sieht man sie als Hauptbeteiligte bei der Auffindung des heil. Kreuzes. Auch mit ihrem Sohne Constantinus findet man sie abgebildet, er ist im Begriffe, sie bei ihrer Rückkehr von Jerusalem zu begrüßen. In Trier und Pesaro wird sie als Patronin verehrt. (III. 548-654.)"

[Quelle: Vollständiges Heiligen-Lexikon oder Lebensgeschichten aller Heiligen, Seligen etc. aller Orte und aller Jahrhunderte, deren Andenken in der katholischen Kirche gefeiert oder sonst geehrt wird, unter Bezugnahme auf das damit in Verbindung stehende Kritische, Alterthümliche, Liturgische und Symbolische, in alphabetischer Ordnung : mit zwei Beilagen, die Attribute und den Kalender der Heiligen enthaltend / hrsg. von Joh. Evang. Stadler und Franz Joseph Heim. -- Augsburg : Schmid, 1858 - 1882. -- 5 Bde. -- Elektronische Ressource: Berlin :  Directmedia, 2005. -- 1 CD-ROM. -- ISBN 3-89853-506-1. -- s.v.]

2 Pater Kochem

"MARTIN von Cochem (Geburtsname: Linius, Linn oder Linden), Volks- und Erbauungsschriftsteller, * 13.12. 1634 in Cochem, + 10.9. 1712 in Waghäusel; -

Martin entstammte einer moselländischen Hutmacherfamilie, trat dem Kapuzinerorden bei, wurde am 2.3. 1653 eingekleidet und erhielt den Ordensnamen Martin. Noviziat und Studium absolvierte er wahrscheinlich in Köln, die Priesterweihe erhielt er um das Jahr 1658. Im gleichen Jahr zog er in die Ordensniederlassung nach Aschaffenburg, wo er 1663 seine theologischen Studien beendete. Ab 1664 war er als Lektor der Philosophie und Subvikar in Mainz tätig, ab 1668 in Ehrenbreitstein, Bensheim und Nothgottes. Später finden wir ihn als Seelsorger in Trier (1674), Königstein (1675-1678) und Dieburg (1679). Von 1682 bis 1685 war er als Visitator des Mainzer Kurfürsten für das Aschaffenburger Kommissariat tätig. In den Folgejahren finden wir ihn als Seelsorger in Dieburg, Ehrenbreitstein, Bernkastel, Günzburg, Passau, Linz, Prag und Walldürn. 1698/9 amtierte er als vom Trierer Kurfürsten Johann Hugo von Orsbeck ernannter Visitator in der Erzdiözese Trier. Ab 1700 befand Martin sich in Waghäusel, in der Folge dann in Bernkastel, Aschaffenburg sowie Mainz und seit 1709 wohl endgültig in Waghäusel, wo er auch starb und seine letzte Ruhestätte fand.

Martin ist der bedeutendste und verbreitetste barocke Volks- und Erbauungsschriftsteller der Rheinlande gewesen. Wir kennen 24 große Buchpublikationen, von denen seine »Messerklärung« (398 Auflagen), der »Güldene Himmelsschlüssel« (331 Auflagen) und das »Leben Christi« (177 Auflagen) die bedeutendsten sind.

Die »Messerklärung« und der »Himmelsschlüssel« wurden noch 1957 aufgelegt. 26 weitere Werke werden (wohl irrig) seiner Feder zugeschrieben; 16 größere Bücher wurden aus seinen Schriften zusammengestellt. Diese waren etwa im Trierischen nach zeitgenössischen Berichten während des 18. Jahrhunderts fast die einzigen Gebetbücher, die das Volk verwendete. Noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts standen sie in der Diözese Trier an der Spitze aller verbreiteten Gebetbücher.

Trotz massiver Angriffe seitens der Aufklärung, die Martins Bücher zu denjenigen zählte, die »blos Klostermoral, Mönchsbüßungen, Einfälle der Novizenmeister, Mystizis'm, bloße fromme Empfindeleien und - Unsinn enthalten«, griffen die Gläubigen immer wieder zu den ihnen lieb gewordenen Gebetbüchern. Ihren durch die Schule der Aufklärung gegangenen Seelsorgern war dies ein Dorn im Auge. Aber Martins Volkstümlichkeit, Originalität und Lebensfrische sicherten ihm auch im 19. Jahrhundert, erst recht seit der Romantik und Restauration, seinen Platz in der christlichen Familie. Seine Bücher suchen einen engen Anschluss an das Kirchenjahr, bieten ausgiebige Belehrungen, sind biblisch fundiert und wenden sich in ihrer warmherzigen Art vornehmlich an das Gemüt der einfachen Gläubigen. Sie gehören zu der Gattung, die »das persönliche Gebet bei und außer der Liturgie nähren« (Theodor Schnitzler), die aktive Teilnahme der Gläubigen an der Liturgie aber nicht fördern konnten. Im Sprachlichen und Formalen gibt es in Martins Werk für die Frömmigkeit in der Jetztzeit Barrieren, die nicht durch einfache stilistische Umarbeitung wegzuräumen sind. Doch können sein Einfühlungsvermögen, seine Herzlichkeit, sein Gespür für die Bedürfnisse der »einfachen Gläubigen« und sein Vermögen, komplizierte theologische Gehalte zu vermitteln, durchaus als von bleibender Bedeutung bezeichnet und fruchtbar gemacht werden. "

[Quelle: Martin Persch. -- http://www.bautz.de/bbkl/m/martin_v_c.shtml. -- Zugriff am 2004-06-21] 

3 Quatember = Quatemberfasten: Mittwoch, Freitag und Samstag zu Beginn der vier Jahreszeiten am war ein Fasttage

4 In Form eines klassischen Syllogismus (scholastische Schlussfolgerung):

Obersatz
Atqui [Nun aber] Untersatz
Ergo [Folglich]
Quod erat demonstrandum [Was zu beweisen war]
 

5 Phaeton, der Sohn des griechischen Sonnengottes Helios, lenkte den Sonnenwagen.

6 sine qua non = ohne die nicht"

7 des Blumauer Aenëis:

Blumauer, Aloys <1755-1798>: Virgils Aeneis, travestirt von Blumauer. -- Wien, R. Gräffer, 1784-1794.  -- 4 Bde. in 2.


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