Religionskritik

Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXII:

Mönche und Nonnen


kompiliert und herausgegeben von Alois Payer

(payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXII: Mönche und Nonnen  / kompiliert und hrsg. von Alois Payer. -- Fassung vom 2005-02-11. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/karikaturen22.htm   

Erstmals publiziert: 2004-05-07

Überarbeitungen: 2005-02-11 [Ergänzungen]; 2005-01-07 [Ergänzungen]; 2004-10-22 [Ergänzungen]; 2004-07-30 [Ergänzungen]; 2004-07-02 [Ergänzungen]; 2004-06-14 [umgestellt]; 2004-06-13 [Ergänzungen]; 2004-05-28 [Ergänzungen]; 2004-05-20 [Ergänzungen]; 2004-05-16 [Ergänzungen]; 2004-05-11 [Ergänzungen]

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Dieses Kapitel widme ich

allen Mönchen, die meine lieben Studienkollegen in Innsbruck 1962 bis 1965 waren

es waren einige wirklich feine Kerle darunter


Abb.: Jahrgang 1964/65 des Collegium Canisianum in Innsbruck (Pfeil: ich, Alois Payer)


1359


Klosterscheu. --. Aus: Des Knaben Wunderhorn, Bd. 1

Gott geb ihm ein verdorben Jahr,
Der mich macht zu einer Nonnen,
Und mir den schwarzen Mantel gab,
Den weißen Rock darunter,
Soll ich ein Nönnchen werden
Dann wider meinen Willen,
So will ich auch einem Knaben jung
Seinen Kummer stillen,
Und stillt er mir den meinen nicht,
So sollt es mich verdrießen.


15. Jahrhundert


Hans Rosenplüt. -- 15. Jhdt.

Die gemeinen Weiber1 klagen auch an allen Orten,
ihre Weide sei viel zu mager geworden.
Die Winkelweiber und Hausmädchen
fressen täglich ab ihre Weide.
Auch klagen sie über die Klosterfrauen,
Die können so hübsch über die Schnur hauen.
Wenn sie zu Ader lassen oder baden,
So haben sie Junker Konrad geladen.

[Ins Hochdeutsche übertragen von: Beißwanger, Konrad: Illustrierter Pfaffenspiegel : kritisch-historisches Handbuch der Verirrungen des menschlichen Geistes und des Lasterlebens in der christlichen Kirche. -- 2. Aufl. --  Nürnberg: Beißwanger, 1922. -- 420 S. : Ill. -- S. 270]


1577



Abb.: Tobias Stimmer (1739 - 1584): Der Barfüßer Sekten und Kuttenstreit, anzuzeigen die römisch Einigkeit. -- Straßburg. -- 1577

Erläuterung: Barfüßer = die verschiedenen sich auf Franz von Assissi zurückführenden Orden

"Franziskaner (Fratres minores, Minoriten, mindere Brüder, seraphische Brüder, auch Barfüßer und graue Brüder), der älteste und noch jetzt am weitesten verbreitete Bettelorden, der es zuerst verstand, das Ideal der apostolischen Eigentumslosigkeit, durch das bisher die ketzerischen Parteien, zumal die Waldenser (s.d.), so großen Eindruck auf die Phantasie des Volkes erzielt hatten, im Dienste der Kirche nutzbar zu machen. Der Urheber der Bewegung, Franz von Assisi (s.d., S. 31 dieses Bandes), hatte diesem Ideal in einem freien, armen, nur durch die liebesinnige Hingabe an den Herrn gebundenen Leben nachstreben wollen. Ihre festgegliederte Organisation als in den Mechanismus der kirchlichen Hierarchie hineingestellter Bettelorden mit genau geregelter Verfassung und ins einzelne gehenden Statuten erhielt seine Stiftung erst durch die von ihm selbst als Neuerung schmerzlich empfundene Regel von 1221, die, 1223 umgebildet, von Papst Honorius III. bestätigt wurde. Noch zu Lebzeiten des Stifters führte der Gegensatz zwischen dem in der Ordensregel gepriesenen, von einer strengern Partei festgehaltenen Ideal der schlechthinigen Armut und dem der mildern Richtung, welche die bald reichlich herbeiströmenden Mittel zur Förderung der Zwecke des Ordens praktisch zu verwerten trachtete, zu lebhaften Konflikten. Besondern Vorschub leistete der laxern Partei der Ordensgeneral Elias von Cortona (1232-39), bis er der päpstlichen Gunst verlustig ging. Doch blieb auch nach seiner Absetzung die Tendenz auf Milderung der franziskanischen Grundsätze, begünstigt durch die Kurie, trotz zeitweiligen Sieges der strengern Richtung im Orden selbst (Johannes von Parma, 1247-57), bestehen. Nikolaus III. (Bulle Exiit von 1279) gestattete den Franziskanern zwar nicht den Besitz, wohl aber den Nießbrauch irdischer Güter, indem er zum Besitzer aller Ordensgüter den Papst erklärte. Durch diese Maßregel wurden die Gegensätze zwischen der Kommunität, d. h. den Anhängern der gemilderten Observanz, und den Spiritualen, der strengern Partei, in der die apokalyptischen Gedanken des Abtes Joachim von Floris (s. Ewiges Evangelium) wieder lebendig wurden, nur verschärft. Einer der angesehensten Führer der Spiritualen war der 1298 gestorbene Petrus Johannes Olivi. Zur Durchführung dieses Ideals sonderte sich seit 1294 die Gruppe der Cölestiner-Eremiten ab, die Papst Cölestin V. (s.d.) bestätigte. Am weitesten gingen in der Opposition gegen die Kurie die besonders in Frankreich verbreiteten Fraticellen, die sich als im Besitz des Heiligen Geistes Stehende und Sündlose betrachteten. Johann XXII. erklärte 1322 die Unterscheidung Nikolaus' III. zwischen Besitz und Nießbrauch für fingiert und 1323 die Behauptung der F., dass Christus und die Apostel nichts Eignes besessen hätten, für Ketzerei. Der von Johann gefangen gehaltene Ordensgeneral Michael von Cesena floh 1328 zu Kaiser Ludwig dem Bayern und eröffnete von dessen Hof aus in Gemeinschaft mit dem franziskanischen Theologen Occam (s.d.) eine heftige Polemik gegen den Papst, die dieser mit Amtsentsetzung und Kirchenbann bestrafte, ohne die Gegner beugen zu können. Doch unterwarf sich die Mehrzahl der F. schon auf dem Generalkapitel zu Paris 1329 dem Papst. Die Fraticellen wurden von der Inquisition aufgesucht und als Häretiker behandelt. Aber der Gegensatz war nicht mehr zu bannen. Unter den Bezeichnungen der »Konventualen«, d. h. den an der Milderung der Regel festhaltenden, und der »Observanten«, d. h. den die Bewahrung der ursprünglichen Regel anstrebenden, haben sich die Parteien bekämpft, bis Leo X. 1517 die endgültige Scheidung des Ordens in eine observantische und eine konventuale Abteilung aussprach. Während infolge dieser Maßregel die Konventualen allmählich zurückgingen, bildeten sich unter den Observanten fortgesetzt neue Gruppen. Die wichtigsten unter diesen Abzweigungen sind, abgesehen von dem Kapuzinerorden (s.d.), die Minoriten von der strengern Observanz (auch Minoriten Barfüßer, Discalceaten), zu denen auch die Alcamaristen gehören, in Portugal und Spanien, die Riformati in Italien, die Recollets (Rekollekten) in Frankreich. Letztere beide Abzweigungen verpflanzten sich auch nach Deutschland. Leo XIII., der 1892 das Protektorat über den Orden übernahm, hat 1897 diese drei Gruppen mit dem Observantenstamm als Fratres minores (braune F.) zu einem Orden zusammengeschlossen. Franziskanerobservanten gibt es zurzeit etwa 15,000 in etwa 1500 Klöstern. Die Franziskanerkonventualen (schwarze F.) zählten 1893: 172 Häuser mit 1462 Ordensgenossen. Die Kapuziner kommen an Zahl der Mitglieder und Häuser den Fratres minores beinahe gleich."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


1600



Abb.: Mönch und Nonne. -- Holland. -- 1600

[Quelle: Fuchs, Eduard <1870 - 1940>:  Geschichte der erotischen Kunst. -- München : Langen. -- Bd. 1: Das zeitgeschichtliche Problem. -- 1908. -- 412 S. : Ill. -- Nach S. 48]


1603


Anonym: Ich sollt ein Nönnlein werden. -- 1603

Ich sollt ein Nönnlein werden,
ich hatt' keine Lust dazu
Ich ess nicht gerne Gerste,
wach auch nicht gerne fruh.
Gott geb dem Kläffer Unglück viel,
der mich armes Mägdelein
ins Kloster bringen will!
 

Im Kloster, im Kloster,
da mag ich nicht gesein,
da schneidt man mir mein Härlein ab;
bringt mir groß schwere Pein.
Gott geb dem Kläffer Unglück viel,
der mich armes Mägdelein
ins Kloster bringen will!

Und wann es kommt um Mitternacht,
schlägt man die Glocken an,
so hab ich armes Mägdelein
noch nie kein Schlaf getan.
Gott geb dem Kläffer Unglück viel,
der mich armes Mägdelein
ins Kloster bringen will!

Und wenn ich vor die Äbtissin komm,
so sieht sie mich sauer an;
viel lieber wollt ich freien
ein hübschen jungen Mann,
und der mein steter Buhle mag sein,
so wär ich armes Mägdelein
des Fastens und Betens frei.

Ade, ade, feins Klösterlein!
Ade, gehab dich wohl!
Ich weiß den Herzallerliebsten mein,
der mich erfreuen soll:
Auf ihn setz ich mein Zuversicht,
ein Nönnlein werd ich nimmer nicht
ade, feins Klösterlein!

[Quelle: Deutsche Lieder : Texte u. Melodien / ausgew. u. eingel. von Ernst Klusen. -- Frankfurt am Main : Insel-Verlag, 1988. -- XL, 878 S. ; 18 cm. -- (Insel-Taschenbuch ; 1032). -- ISBN 3-458-32732-0. -- S. 428]


1609



Abb.: Bruder Fettwamst. -- 1609


1651


Georg Greflinger (1620 - 1677): Die Weltliche Nonne. -- 1651

1. Wie muss ich meine Zeit Verschlüssen /
Ich armes Kind/
Ich muss von keinen Freuden wissen /
Die Weltlich sind:
Wie lieber möcht' ich einen Knaben
Als eine graue Kappen haben.

2. Pfui diesem Kleid und Nonnen-Leben /
Hinweg mit dir /
Mir ist kein Nonnen-Fleisch gegeben.
Ist niemand hier
Der mich aus diesem Joch' ausspannt
Und meinen frischen Leib bemannt.

3. Man hat mich jung hieher getrieben /
Ich war so schlecht /
Dass ich nicht wüste /
was das Lieben /
Was link /
was recht:
Nun mich die Jahre Mannbar machen /
Gedenk ich auch an Mannes-Sachen.

4. Mein Denken ist in einen Orden /
Da man sich küsst /
Ich bin der Nonnen müde worden /
Dann mich gelüst:
Ein Weib kann Gott so wohl gefallen /
Als aller Nonnen-Psalter lallen.


1654


Friedrich von Logau (1604 - 1655): Begräbnis in einer Mönchskappe. -- 1654

Hilft es, wann man tote Weiber in des Mönches Kappe steckt,
Hilft es besser, die, die leben, wann der Mönch sie selbstens deckt.


Friedrich von Logau (1604 - 1655): Eine Nonne. -- 1654

Eine Nonne war nie müßig; eh sie wollte müßig sein,
Ließ sie einen starken Bruder, ihr zu lausen, zu sich ein.


1682


Daniel Georg Morhof (1639 - 1691): Ein Mönch. -- 1682


Abb.: Mönch [Bildquelle: http://www.bierboerse.com/englisch/historyofbeer.html. -- Zugriff am 2004-09-27]

Wie dass man einen Mönch für faul zu schelten pflegt!
Er hat ja gnug zu tun, wenn er sich selber trägt.


1691



Abb.: Der lüsterne Mönch / von R. Brakenburg. -- 1691


1697


Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616-1679): Auf eine Nonne. -- 1697

Man nahm mir meinen Schmuck / und ließ nur Fleisch und Blut/
Man schnitt die Haare weg / und ließ mir meine Glut.
Im beten hat mir stets der Glaube sehr behaget/
Weil er von Aufferstehn des Fleisches etwas saget.


1738


Friedrich von Hagedorn (1708-1754): Das Bekenntnis. -- 1738

Ein feuriger Galan, der schlechten Dank erwarb,
Und nicht viel rühmlicher, als Pherecydes1, starb,
Bekannte, was an ihm bereits unheilbar worden,
Dem Priester Francion vom Karmeliterorden,
Und sprach: Wie straft mich jetzt des Lasters Schändlichkeit!
Ach kennt' ich, so wie ihr, doch keine Lüsternheit;
So hätt' ich diesen Tod nicht Julien zu danken!


Abb.: Approbation des Karmeliterordens durch Innozenz IV

Wie? Julien? o schweigt! versetzt der Mönch dem Kranken.
Den Lügen bin ich gram; das ist des Ordens Pflicht.
Verleumdet Juliens gesunde Schönheit nicht.
Wär' ein so schnödes Gift bei Julchen eingerissen,
Der Pater Guardian, und ich, wir müssten's wissen.

Erläuterung:

1 Pherocydes = Pherekydes von Syros (6. Jhdt v. Chr.), griechischer Philosoph

"Seine Todesart ist vielleicht keine andere als die gewesen, welche, wo nicht viel früher, doch gewiss im Jahre 1598 aufgehöret hat, pöbelhaft zu sein, seitdem sie einen der größesten Könige von Spanien hingerissen [Philipp II. starb 1598 an der Syphilis]. Es hat sich ein argwöhnischer Gelehrter gefunden, der von der Krankheit dieses Philosophen sehr unglimpfliche Mutmaßungen äußern dürfen." (Hagedorn.)

1743


Carl Friedrich Drollinger (1688-1742): Wie der Gruß; so der Dank. -- 1743

Ein Ordensmann sprach: Friede sei mit dir!
Als ein Husar bei ihm vorüber rennte.
Was? sagte der, so wöllt ich, dass hinfür
Kein Funke mehr an deinem Fegfeur brennte!
O frecher Mensch! Mein Freund, verzeih dirs Gott!
Ist dies ein Wunsch für fromme Christenseelen?
O dummer Pfaff! was hast du viel zu schmählen;
War deiner nicht von eben diesem Schrot?
Denn, merk es doch, wenn Krieg und Fegfeur fehlen,
Wer Henkers gibt uns Beiden denn das Brot?


1748



Abb.: Anonym: Illustration zu »Histoire de Dom B ....., Portier des Chartreux, Écrite par lui-même«. -- Frankreich, 1748,


1750


Abraham Gotthelf Kästner (1719-1800): Soll man ihnen Weiber geben?. -- um 1750

Von Weibern, ob man sie den Mönchen geben soll,
Schreibt ihr so manchen Bogen voll,
In Chronologen und Merkur.
Befragt denn Keiner die Natur?
Die spricht: Ihr solltet euch des langen Zankens schämen!
Gebt ihnen nicht; sie werden selbst wohl nehmen.


1770



Abb.: Pater Paul und die blauäugige Nonne von St. Katharina. -- England. -- 1770

[Quelle: Fuchs, Eduard <1870 - 1940>:  Geschichte der erotischen Kunst. -- München : Langen. -- Bd. 2,1: Das individuelle Problem. -- 1928. -- 440 S. : Ill. -- S. 152]


1771


Gotthold Ephraim Lessing (1729 - 1781): Auf einen Brand zu ** (In: Sinngedichte, 1771)

Ein Hurenhaus geriet um Mitternacht in Brand.
Schnell sprang zum Löschen oder Retten
ein Dutzend Mönche von den Betten.
Wo waren die? Sie waren — bei der Hand.
Ein Hurenhaus geriet in Brand.


Gotthold Ephraim Lessing (1729 - 1781):  Auf das Jungfernstift zu ** (In: Sinngedichte, 1771)

Denkt, wie gesund die Luft, wie rein
Sie um dies Jungfernstift muss sein!
Seit Menschen sich besinnen,
Starb keine Jungfer drinnen.


1773


Johann Martin Miller (1750-1814): Nonnenlied. -- 1773.

Hinweg, o Bild! Entweihe nicht
Die gottgeweihte Stelle!
Hinweg aus meinem Angesicht!
Entfleuch aus dieser Zelle!

Ach Jesus Christus! Immerdar
Muss ich's vor Augen sehen!
Im Chor, am heiligen Altar,
Seh' ich ihn vor mir stehen!

Entfleuch um Gottes willen doch!
Ich darf dich ja nicht lieben!
Wie kannst du meine Seele noch,
O Wilhelm, so betrüben?

Ach Jesus! Sieh, wie blass und bleich
Es hier vorüber wallte!
Wie, dumpfen Sterbestimmen gleich,
Es mir entgegen hallte!

Hilf, Mutter Gottes, hilf du mir!
Sonst ist mein Herz verloren!
Ich hab', ihn zu vergessen, dir,
Ich hab' es dir geschworen!


1775



Abb.: Robert Brichet: Die Trunksüchtigen Mönche: Bruder Robinet. --  um 1775


1778



Abb.: Der flatterhafte Amor. -- Frankreich. -- 1778

[Quelle:  Fuchs, Eduard <1870 - 1940>:  Die Frau in der Karikatur. -- 3. Aufl. -- München : Langen, 1928. -- 487 S. : Ill. -- S. 196]



Abb.: Anonym: Illustration zu »Le Plus Joli des Recueils, ou amusemens des dames«. -- Frankreich,  1778



Abb.: Anonym: Illustration zu »Lyndamin, ou l`optimisme des pays-chauds«. -- Frankreich, 1778


1779


Unbekannter Verfasser: Klosterlied. -- 1779 (aus dem Thüringischen mitgeteilt von Johann Gottfried Herder (1744 - 1803))

Kein' schönre Freud auf Erden ist
Als in das Kloster zu ziehn.
Ich hab mich drein ergeben,
Zu führen ein geistlich Leben;
O Liebe, was hab ich getan!
O Liebe, was hab ich getan!.

Des Morgens, wenn ich in die Kirche geh
Muss singen die Mess alleine;
Und wenn ich das Gloria patri sing',
So liegt mir mein Liebchen immer im Sinn,
O Liebe, was hab ich getan!
O Liebe, was hab ich getan!

Da kömmt mein Vater und Mutter her,
Sie beten für sich alleine;
Sie haben schöne Kleider an,
Ich aber muss in der Kutten stahn;
O Liebe, was hab ich getan!
O Liebe, was hab ich getan!

Des Abends, wenn ich schlafen geh,
So find ich mein Bettchen alleine;
So denk ich denn, das Gott erbarm!
Ach hätt' ich mein Liebchen in dem Arm,
O Liebe, was hab ich getan!
O Liebe, was hab ich getan!


1785


Joseph Franz Ratschky (1757-1810): Der keusche Einsiedler Pachon. -- Der Inhalt ist aus der Legende der Heiligen. -- Saubersdorf im Steinfeld im Herbstmond 1785.

Zu oft schon leider! hab' auch ich
Der Mönche Kunden freventlich
Bisher bezweifelt und bewitzelt.
Ihr andachtsvollen Herrn und Fraun,
Vergebt mir's! von des Teufels Klaun
Ward, was ich schrieb, mir vorgekritzelt.

Doch reuig leg' ich mich zum Ziel:
In Zukunft soll aus meinem Kiel
Gewiss kein arges Wort mehr triefen.
Von wahrem Eifer angefacht,
Will ich von nun an Tag und Nacht
In Kochems Schriften mich vertiefen.

Dank sei dir, Fast! dein Unterricht
Erfüllte meinen Geist mit Licht:
Bußfertig küss' ich dir die Hände
Zum Zeichen meiner Huldigung.
Die Echtheit meiner Besserung
Bewährt dir folgende Legende.

In einem öden Zedernhain
Wählt' einst auf einem Felsenstein,
Bewohnt von Schlangen und von Drachen,
Sich Pachon, der Anachoret,
Ein Plätzchen, um durch sein Gebet
Verjährte Sünden gutzumachen.

Der Eingang in die Felsenkluft,
Worin er, wie in einer Gruft,
Sich einschloss, maß kaum eine Elle.
Ein Kreutz, ein Betstuhl und ein Paar
Vermorschter Totenköpfe war
Der ganze Hausrat seiner Zelle.

Ein enges härnes Wams zerrieb
Ihm mit der Haut zugleich den Trieb
Zur Unzucht und zu bösen Lüsten.
Er als nur Wurzeln, und genoss
Sie nie aus Essgier, sondern bloß
Sein Büsserleben sich zu fristen.

Durch diese strenge Disziplin
Bracht' es der heil'ge Mann dahin,
Das geile Fleisch im Zaum zu halten.
Umsonst versuchte Luzifer,
Der Erbfeind frommer Büssender,
Ihn unter mancherlei Gestalten.

Einst abends um die Vesperzeit
Stellt', in das schönste Frauenkleid
Aus Satans reicher Garderobe
Vermummt, ein junges Teufelchen
Von schlankem Wuchs des heiligen
Waldbruders Keuschheit auf die Probe.

Es trat die saubre Höllenbraut
Als Negerin mit schwarzer Haut,
Die von Natur den Höllenscharen
Gemein ist, zur Klausur hinein.
Man sagt, dass damals allgemein
Die schwarzen Damen Mode waren.

Erst suchte sie durch dreisten Scherz
Und freche Zoten Pachons Herz
Vom Weg der Tugend abzuleiten,
Und dann, als unser Eremit
Der Dirne kein Gehör gab, schritt
Sie zu den kühnsten Tätlichkeiten.

Mit schlauem Lächeln setzte sie
Sich auf des spröden Klausners Knie,
Strich buhlerisch ihm Kinn und Wangen,
Und hielt mit geilem Ungestüm
Ihn fest umschlungen, um von ihm
Durch Raub ein Schmätzchen zu erlangen.

Doch Pachons nervenvolle Hand
Vertrieb dem kühnen Höllenbrand
Mit ein paar wackern Backenstreichen
Die Lüsternheit nach einem Kuss,
Und zwang durch diesen derben Gruß
Das schwarze Fräulein zu entweichen.

O frommer Jüngling, spiegle dich
An diesem Beispiel! Ritterlich
Verfocht der strenge Mann die Tugend.
Wenn sich ein schönes Kind dir naht,
So schütz' auch du, wie Pachon tat,
Mit Backenstreichen deine Jugend!

Wenn dich auch drob die böse Welt
Vielleicht für ungesittet hält,
So schweig, und lass dich's nicht verdrießen!
Wer nach der Gunst des Himmels strebt,
Darf, weil er jener Welt nur lebt,
In dieser nicht zu leben wissen.


1785/1787


Friedrich Schiller: (1759 - 1805): Don Carlos, Infant von Spanien <Auszug>. -- Teilabdrucke in: Rheinische Thalia (Mannheim), 1. Jg., 1785, und Thalia (Leipzig), 2./3. Jg., 1786/87 [Thalia-Fassung, in der endgültigen Fassung von Schiller gestrichen]

DON CARLOS:

Ich kenne dich.
Bist du nicht der Dominikanermönch1,
der in der fürchterlichen Ordenskutte
den Menschenmäkler machte? Bin ich irre?
Bist du es nicht, der die Geheimnisse
der Ohrenbeicht' um bares Geld verkaufte?
Bist du es nicht, der unter Gottes Larve
die freche Brunst in fremdem Ehbett löschte,
den heißen Durst nach fremdem Golde kühlte,
den Armen fraß und an den Reichen saugte?
Bist du es nicht, der ohne Menschlichkeit,
ein Schlächterhund des heiligen Gerichtes,
die fetten Kälber in das Messer hetzte?
Bist du der Henker nicht, der übermorgen
zum Schimpf des Christentums das Flammenfest
des Glaubens feiert und zu Gottes Ehre
der Hölle die verfluchte Gastung gibt?
Betrüg' ich mich? Bist du der Teufel nicht,
den das vereinigte Geschrei des Volkes,
des Volks, das sonst an Henkerbühnen sich
belustigt und an Scheiterhaufen weidet,
den das vereinigte Geheul der Menschheit
aus dem entweihten Orden stieß —

Erläuterung:

1 Dominikanermönch:

"Dominikaner, 1215 vom heil. Dominikus (s. d.) nach der durch Bestimmungen der Prämonstratenserregel ergänzten Regel Augustins gestifteter und 1216 von Papst Honorius III. bestätigter Klerikerorden.


Abb.: Dominikaner

Hauptaufgabe der Dominikaner sollte Predigt und Seelsorge und insbes. die Bekehrung der Ketzer durch das Wort sein; daher war die Handarbeit ausgeschlossen u. der wissenschaftlichen Vorbereitung breitester Raum gegeben. Dem entspricht die Bezeichnung als Fratres Praedicatores (Predigerbrüder). Als Anteilsfeld waren nicht bestimmte, einzelne Bezirke, sondern die ganze Welt gedacht; das bei den ältern Orden bestehende Gelübde der stabilitas loci kam also, wie bei den Franziskanern, in Wegfall. Wie diese sollten auch die Dominikaner ein Bettelorden sein, d.h. dem Orden war der Besitz von Grundeigentum und festen Einkünften verboten und seine Mitglieder auf die Almosen der Gläubigen angewiesen. Doch gestattete Martin V. 1425 einzelnen Häusern der D., Sixtus IV. 1475 und 1477 dem ganzen Orden den Erwerb liegender Güter und sichere Einkünfte. Der Dominikanerorden verbreitete sich sehr rasch über fast alle Länder Europas, in spätern Jahrhunderten auch über die Neue Welt (s. Las Casas). Zu seinen ältesten Häusern gehörten Santa Sabina in Rom, St. Jakob (daher Jacobins) in Paris, St. Nikolaus in Bologna u.a. Eine wesentliche Erweiterung seines Einflusses bedeutete die ihm von Gregor IX. 1232 übertragene Leitung der Inquisition, die ihm freilich viel Feindschaft und Verleumdung, ja mehreren Mitgliedern sogar den Tod brachte. Eine besondere Auszeichnung war die schon seit dem 13. Jahrh. ständige Besetzung der Stelle des päpstlichen Hoftheologen (magister sacri palatii) durch einen Dominikaner Im Mittelalter ist eine große Zahl namhafter Männer aus den Dominikanern hervorgegangen; Gelehrte wie Vinzenz von Beauvais, Thomas von Aquino, Albert der Große, Raimund de Pennaforte, Prediger wie Meister Eckart, Johann Tauler, Heinrich Suso, Vinzenz Ferrerius u. Savonarola. Neben der Wissenschaft widmeten sich die Dominikaner auch der Pflege der christlichen Kunst, besonders der Baukunst und der Malerei. Die Fresken in Santa Maria Novella in Florenz, der Triumph des Todes im Campo Santo zu Pisa, die Werke Fra Bartolommeos und Fra Angelicos und vieles andre legen davon Zeugnis ab. Zwischen den Dominikanern und den Franziskanern bestanden vielfach heftige Gegensätze in theologischen Fragen, z. B. ob Christus Güter besessen habe, was die Franziskaner bestritten, während viele Dominikaner die unbefleckte Empfängnis der Maria nicht anerkannten. In seiner glänzendsten Periode zählte der Orden über 150,000 Mitglieder in 45 Provinzen, darunter 11 außer Europa, und in 12 Kongregationen unter eignen Generalvikaren. Seit dem 17. Jahrh. wurden die Dominikaner durch die Jesuiten in den Schulen und in den Höfen stark zurückgedrängt. Nach der französischen Revolution, der Klosteraufhebung in Österreich und der Säkularisation in Deutschland ging es mit dem Orden rasch bergab. In Frankreich brachte Lacordaire (s. d.) ihn zu neuem Aufleben. Der General Jandel (gest. 1872) suchte den ganzen Orden den modernen Verhältnissen anzupassen und hat ihn zu neuer Blüte geführt. Gegenwärtig gibt es etwa 4500 Dominikaner in 250 Klöstern, davon 13 deutsche in Deutschland und Österreich. Die Verfassung des Ordens ist die einer gemischten Monarchie. Alle Provinzen und Kongregationen stehen unter dem General (Magister generalis), dessen Sitz Rom ist. Die Ordenskleidung besteht in weißwollenem Rock, Skapulier und Kapuze, dazu beim Predigen, Beichthören und bei Ausgängen einen schwarzen Mantel mit schwarzer Kapuze. Bei dem jüngsten Sturm gegen die Kongregationen in Frankreich haben auch die Dominikaner Frankreich verlassen müssen und sich nach Belgien, Holland, Italien und Nordamerika zerstreut."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


1787



Abb.: Anonym: Illustration zu »Les Heures de Paphos. Contes Moraux. Par un Sacrificateur de Venus«. -- Frankreich,  1787


1788


Joseph Franz Ratschky (1757-1810): Klaglied eines österreichischen Bettelmönchs. -- Linz im Weinmond 1788.

Aleph.

O Brüder, ringt
Die Händ', und singt
Ein kläglich Miserere!
Wir sind besiegt:
Es unterliegt
Des grauen Mönchtums Ehre.


Beth.

Wehklagt, und weint!
Der böse Feind
Singt ringsum Siegeslieder.
Man beut, o Gräul!
Schon Klöster feil,
Und reißt Kapellen nieder.


Ghimel.

Manch Heiligtum,
Wo Gottes Ruhm
Einst aus verborgnen Zellen
Zum Himmel drang,
Tönt vom Gesang
Zuchtloser Kriegsgesellen.


Daleth.

Wo unser Chor
Des Seraphs Ohr
So oft entzückt, bereiten
Profane nun
Samt und Kattun
Nebst andern Üppigkeiten.


He.

Voll Übermut
Nennt uns die Brut
Der Witzlinge Phantasten,
Und lehret frei:
Arbeiten sei
Verdienstlicher als Fasten.


Vau.

Der Laien Schar
Will itzt sogar,
Als ob wir Knaben wären,
Wie Doktor Bahrdt
Nach neuer Art
Die Bibel uns erklären.


Zain.

Man raubt, o Graus!
Das Gold im Haus
Des Herrn von allen Wänden,
Und schmilzt es ein:
Selbst unser Wein
Ist in profanen Händen.


Heth.

Kein Gnadenbild,
Kein Ablass füllt
Den Schlund der Opferstöcke,
Und in Verfall
Ist überall
Das Ansehn unsrer Röcke.


Theth.

O wenn vorhin
Ein Mönch erschien,
Wie neigten Männer, Weiber
Und Kinder sich
Andächtiglich,
Als kämen heil'ge Leiber!


Jod.

Und nun, nun lacht
Ob unsrer Tracht
Der leidige Profane,
Und mancher spricht:
Ei! sind das nicht
Verkappte Paviane?


Caph.

Mit milder Hand
Gab rings durch's Land
Einst manche fromme Vettel
Uns Butter, Schmalz,
Speck, Mehl und Salz
Für einen Lukaszettel.


Lamed.

Für ein paar Lot
Geweihtes Brod,
Für Ablassbrief' und Gürtel
Erhielten wir
Wein, Most und Bier
Und fette Kälberviertel.


Mem.

Nun aber hält
Die böse Welt
Nicht viel von solchen Sachen,
Und wagt es, sie,
O Blasphemie!
Als Possen zu verlachen.


Nun.

Die goldne Zeit
Der Geistlichkeit
Ist wie ein Traum vergangen:
Ach, ach, ach, ach!
Ein Tränenbach
Rollt über meine Wangen.


Samech.

Mit Recht beugt Scham,
Verdruss und Gram,
O Brüder, unsre Seelen;
Denn, aufgehäuft
Gleich Bergen, läuft
Die Flut uns in die Kehlen.


Phe.

Das blöde Rom
Kann selbst dem Strom
Der Zeit nicht widerstehen,
Und siehet bang
Den Untergang
Der geistlichen Armeen.


Ain.

Seit sich der Geist
Des Laien dreist
Zu denken unterwunden,
Wird rings umher
Kein Glaube mehr
In Israel gefunden.


Sade.

Durch uns erweicht,
Ließ Gott einst leicht
Die Menschen Gnade finden;
Denn Fraun und Herrn
Bezahlten gern
Mit Messgeld ihre Sünden.


Coph.

Doch jetzt nimmt auch
Der fromme Brauch
Des Messgelds ab: drum wächst die
Ruchlosigkeit
Der Christenheit,
Zumal in puncto sexti.

Res.

Wie lang verzieht
Der Herr, und sieht
Geduldig durch die Finger?
Trift denn kein Blitz
Vom Wolkensitz
Des Höchsten Satans Jünger?

Sin.

Doch tröstet euch!
Ganz wird das Reich
Der Mönche nie sich enden:
Dies, Brüder, ward
Uns offenbart
Durch unsere Legenden.


Thau.

Entweder droht
Krieg, Hungersnot
Und Pest dem bösen Samen:
Wo nicht, so ist
Der Antichrist
Das letzte Mittel. Amen!


Um 1790



Abb.: Populäre Karikatur aus der Zeit der Französischen Revolution auf den Austritt von Mönchen und Nonnen aus den Klöstern und das Ablegen der Ordenstracht

[Bildquelle: Kahn, Gustave <1859-1936 >: Das Weib in der Karikatur Frankreichs. -- Stuttgart : Schmidts, 1907. -- 472 S. : Ill. -- Nach S. 144]



Abb.: Anonym: Illustration zu »Les Progrès du Libertinage, Historiette«. -- Frankreich,  um 1790


1796



Abb.: Ein Mirakel. -- Frankreich. -- 1796

[Quelle: Fuchs, Eduard <1870 - 1940>:  Geschichte der erotischen Kunst. -- München : Langen. -- Bd. 2,2: Das individuelle Problem. -- 1926. -- 400 S. : Ill. -- Nach S. 368]


um 1800



Abb.: Thomas Rowlandson (1756 - 1827): Die Entdeckung (Illustration zu Jean de Lafontaine, »Les Lunettes«). --  um 1800


1801



Abb.: Symptome der Heiligkeit. -- Von Thomas Rowlandson (1756-1827). -- 1801

[Quelle: Fuchs, Eduard <1870 - 1940>:  Geschichte der erotischen Kunst. -- München : Langen. -- Bd. 2,1: Das individuelle Problem. -- 1928. -- 440 S. : Ill. -- S. 177]


1806



Abb.: Marie Charlotte oder die Seehexe. -- Paris. -- 1806


1807


Ludwig Uhland (1787-1862): Die Nonne. -- 1807

Im stillen Klostergarten
Eine bleiche Jungfrau ging;
Der Mond beschien sie trübe,
An ihrer Wimper hing
Die Träne zarter Liebe.

»O wohl mir, dass gestorben
Der treue Buhle mein!
Ich darf ihn wieder lieben:
Er wird ein Engel sein,
Und Engel darf ich lieben.«

Sie trat mit zagem Schritte
Wohl zum Mariabild;
Es stand in lichtem Scheine,
Es sah so muttermild
Herunter auf die Reine.

Sie sank zu seinen Füßen,
Sah auf mit Himmelsruh,
Bis ihre Augenlider
Im Tode fielen zu;
Ihr Schleier wallte nieder.


1825


Johann Wolfgang Goethe (1749-1832). -- In: Zahme Xenien. -- um 1825

Niemand soll ins Kloster gehn,
Als er sei denn wohl versehn
Mit gehörigem Sündenvorrat,
Damit es ihm so früh als spat
Nicht mög am Vergnügen fehlen,
Sich mit Reue durchzuquälen.


1826



Abb.: Die Versuchung / von Deverin. -- 1826

[Quelle: Fuchs, Eduard <1870-1940>: Illustrierte Sittengeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. -- München : Langen. -- Bd. 3:  Das bürgerliche Zeitalter. -- [1912]. -- S. 54]


1830/40



Abb.: Anonym: Espagnols. -- Frankreich,  1830-1840


1830


Anastasius Grün (1806-1876): Max6 vor Dendermonde1. -- 1830

Wie freundlich winkt dem Wandrer die Festung Dendermond'1,
Wenn sie die blanken Zinnen im Abendgolde sonnt!
Dir, Max, winkt sie nicht freundlich, dir sperren Meuter das Thor
Und pflanzen ihre Fahnen auf Mauer und Turm empor.

Der Abt von Dendermonde mit seinen Mönchen saß
Beim kargen Klostermahle und leerte Glas auf Glas:
»Surgamus2 jetzt, Brüder in Christo! lasst uns nie müßig stehn,
Stets tätig in der Pflicht sein, drum lasst uns spazieren gehn!«

Zu Dendermond' die Äbtissin, das Aug' von Tränen nass,
Sankt Abälards3 Legende mit ihren Nonnen las:
»Schön ist der Abend, lasst uns chorsingen heut im Frei'n,
Da heulen doch keine Doggen in heil'ge Psalme drein.«

Die Nonnen und die Mönche, mit Rosenkranz und Brevier4,
Die wallen hinaus zum Stadttor, ins grünende Revier.
Die Nonnen singen: »O Christe, du Bräut'gam süß und traut!«
Die Mönche seufzen: »Maria, o komm', du süße Braut!«

Und als sie kamen selbander in einen grünen Wald,5
Da rauscht es in den Zweigen, da brüllt es donnernd: halt!
Es brechen gewappnete Krieger durchs struppige Gesträuch,
Den Mönchen klappern die Zähne, die Nonnen werden bleich.

Und mutig durch das Dickicht wühlt sich ein schnaubend Ross,
Der Reiter, hoch und edel, hält mitten im Kriegertross:
»Ei, Gottwillkommen!« rief er, »habt weiten Weg gehabt.
Gott grüß' euch, Frau Äbtissin, willkommen schön, Herr Abt.

Euch grüßet Max von Östreich6; bin jetzt zwar selbst im Feld;
Doch räum' ich gern zur Herberg' heut' Nacht euch Zelt an Zelt.
Zwar halt' ich karge Tafel, für Durst und Hunger genug,
Doch dampft noch manche Schüssel und blinkt manch voller Krug.

Mir geht's nicht grad' zum Besten, drum möcht' ich mich zerstreun,
Doch lust'ge Mummereien vor Allem mich erfreun;
Jetzt kommt mir just so 'n Schwank ein, drum hab' ich mir gedacht:
Ihr leiht uns Kapuz' und Kutten und Schleier für heut Nacht.«

Den Mönchen wackeln die Bärte, die Nonnen werden rot,
Und leis im Chore lispelt's: »Herr, hilf uns aus der Not!«
Doch Max spricht zu den Kriegern: »Ihr Treuen auf und teilt
Euch in Kapuz' und Schleier; dann rasch in die Stadt geeilt!

Es fahr' in des Abtes Kutte mein Barbanson hinein,
Mein lust'ger Rat, Freund Kunze, du sollst Äbtissin sein.
Es ist ein närr'scher Feldzug, drum gibt's zu tun für dich;
Will's Gott, so seht ihr balde in Dendermond' auch mich!«

Schon stehn in Kutt' und Schleier jetzt Mönch' und Nonnen gereiht.
Wie lässt so stattlich Kunzen das falt'ge Nonnenkleid!
Und als die schöne Äbtissin den Schleier ihm umgehängt,
Da dacht' er sich so Manches, was so ein Narr sich denkt.

Zu Dendermond' auf dem Walle, da steht ein Mann zur Wacht,
Der lehnt am Speere, singend hinaus in die Vollmondnacht:
»Eine Affe und ein Pfaffe, der Reim passt gut und fein,
Es liebt ja Pfaff' und Affe die Dirnen und den Wein.«

»Ho, ho, verbrenn' dir der Donner den ungewaschnen Schlund!
Ist das dein Nachtgebetlein? Schließ' auf, du Lästermund!«
So rief der neue Abbas6 vor Dendermonde's Thor,
Und ungeduldig brummten die Nonnen rings im Chor.

»Verzeihung! ah, Herr Abbas6! Doch seltsam, traun, ist das:
Heut flucht der Abt wie 'n Mörder, die Äbtissin spricht im Bass.«
Der Wächtersmann, kopfschüttelnd, der lispelt still die Worte;
Die eh'rnen Angeln knarren, und offen steht die Pforte.

»Ei, willst dein Sperrgeld, Bursche? du singst gar schön und rein,
Drum will ich ein Lied dich lehren, es klingt zwar eben nicht fein,
Doch ist's ein frommes Liedlein, bringt flugs dich ins Himmelreich.«
So rief die Frau Äbtissin und schwang das Schwert zum Streich.

Hei, wie die Schwerter sausen, wie's durch die Straßen eilt!
Wie Sturmgeläut' und Feldruf wild durcheinander heult!
Nie führten Nonnen, wie heute, so derben kräft'gen Streich,
Nie warben so viele Seelen die Mönche dem Himmelreich!

Vor'm Thor dröhnt die Drommete, es scharrt wie Rossehuf,
Es schmettern und wirbeln die Trommeln. Ha, Max, das ist dein Ruf'
Willkommen in Dendermonde! Lass hoch dein Banner wehn
Und siegverkündend hernieder in alle Lande sehn!

Am Morgen ruft der Sieger zu sich der Meutrer Haupt:
»Willkomm'! hätt' euch zu sehen so bald noch nicht geglaubt!
Merkt euch's: wir kamen als Priester, als Rächer nicht, herein,
Und Amt des Priesters ist ja versöhnen und verzeihn!«

Erläuterungen:

1 Dendermonde

"Dendermonde (franz. Termonde), befestigte Hauptstadt eines Arrondissements in der belg. Provinz Ostflandern, liegt an der Mündung der Dender in die Schelde, über die hier eine Brücke führt. Die Stadt ist wichtiger Eisenbahnknotenpunkt (steht mit Brüssel, Aloft, Gent, Lokeren, St.-Nicolas, Mecheln u. a. in Verbindung), hat eine Liebfrauenkirche (angeblich aus dem 12. Jahrh.) mit Gemälden von van Dyck, ein Rathaus aus dem 14. Jahrh. und zählt (1900) 9719 Einw., die Leinenbleichen, Baumwollweberei und Gerberei betreiben. D. hat Staats-Knaben- und Mädchenmittelschulen, ein bischöfliches Collège, eine Akademie der Zeichenkunst und ist Sitz eines Tribunals. - Im spätern Mittelalter als Industrieort, dann als Festung von Bedeutung, ward D. im 16., 17. und 18. Jahrh. wiederholt belagert und erobert. Die 1784 geschleiften, seit 1822 wiederhergestellten Festungswerke sind jetzt größtenteils beseitigt."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

2 surgamus (lateinisch): lasst uns uns erheben

3 Abälard

"Abälard (Abeilard, lat. Abelardus), berühmter scholastischer Philosoph des 12. Jahrh., geb. 1079 in Palet bei Nantes, gest. 1142 in der Priorei St. Marcellus bei Chalon. Bekannt ist die Geschichte seiner Liebe zu Heloise, der schönen und gelehrten Nichte des Kanonikus Fulbert in Paris. Abälard entführte seine Geliebte nach der Bretagne, wo sie ihm einen Sohn gebar. Abälard vermählte sich mit Heloise, als diese jedoch die Vermählung verheimlichte, um Abälard in der Erlangung kirchlicher Würden nicht hinderlich zu sein, ließ ihr Oheim, der Kanonikus Fulbert, Abälard überfallen und entmannen. Abälard verbarg sich als Mönch in St. Denis und bewog auch Heloise, in Argenteuil den Schleier zu nehmen. Im Jahre 1808 wurde die Asche beider in das Museum der französischen Denkmäler nach Paris gebracht, 1817 am Friedhof Pere Lachaise beigesetzt."

[Quelle: Bilderlexikon der Erotik : Universallexikon der Sittengeschichte und Sexualwissenschaft / Institut für Sexualforschung. -- 
Wien, 1928-1932. -- CD- ROM-Ausgabe: Berlin : Directmedia, 1999. -- (Digitale Bibliothek ; 19). -- ISBN 3932544242. -- s.v. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie diese CD-ROM  bei amazon.de bestellen}]

4  Brevier (Breviarium): das kirchengesetzliche Andachtsbuch der römisch-katholischen Geistlichkeit bei den vorgeschriebenen Gebetstunden

5 Anmerkung von A. Grün: "Zur historischen Beglaubigung dieses Waldspazierganges verweise ich an Dr. Joseph Grünbecks Lebensbeschreibung Kaiser Maximilians I. (Tübingen 1721), namentlich an das Kapitel: »Von seiner suptielen Ueberfallung der vesten Stadt Tarmundt« (S. 64)."

6 Kaiser Maximilian I. (1459 - 1519)

7 Abt


1834


Adelbert von Chamisso (1781-1838): Die Klage der Nonne (Deutsch nach dem Chinesischen). -- 1834

Ich muss in diesen Mauern in Abgeschiedenheit
Versäumen und vertrauern die schöne Jugendzeit.
Sie haben ja zur Nonne mich eingemauert arg,
Und haben mich lebendig gelegt in meinen Sarg.

Ich muss die Metten singen, mein Herz ist nicht dabei.
Vergib mir, du mein Heiland, wie sündhaft ich auch sei,
Vergib mir und vergib auch in deiner reichen Huld
Den Blinden, den Betörten, die an dem Unheil Schuld.

Hier senkt die hohe Wölbung sich schwer auf mich herab
Und drängen sich die Wände zu einem engen Grab;
Mein Leib nur ist gefangen, es hält die dumpfe Gruft
Mein Sinnen nicht, das schweifet hinaus nach freier Luft.

Mich zieht die Sehnsucht schmerzlich in die erhellte Welt,
Wo Liebe sich mit Liebe zu froher Lust gesellt;
Die Freundinnen mir waren, sie lieben, sind geliebt,
Und nur für mich auf Erden es keine Liebe gibt.

Ich seh sie, ihre Männer, ihr häuslich stilles Glück,
Umringt von muntern Kindern, - es ruft mich laut zurück
In Gottes Welt, ich weine und weine hoffnungslos;
Ward doch auch mir verheißen des Weibs gemeinsam Los!

Ich hätte nicht den reichsten, den schönsten nicht begehrt,
Nur einen, der mich liebe, der meiner Liebe wert;
Ja keine Prunkgemächer, nur ein bescheidnes Haus,
Er ruhte sich am Abend vom Tagwerk bei mir aus.

Ich könnt im ersten Jahre, in stolzer Mutterlust,
Ein Kind, wohl einen Knaben, schon drücken an die Brust;
Da würden manche Sorgen und Schmerzen mir zu Teil,
Ist doch das Glück auf Erden um hohen Preis nur feil.

Ich wollt an seiner Wiege so treu ihm dienstbar sein,
Ihn pflegte ja die Liebe, was sollt er nicht gedeihn?
Du lächelst, streckst die Händchen, du meine süße Zier!
O Vater! sieh den Jungen, fürwahr, er langt nach dir!

Ich müsste bald verschmerzen, was meine Freude war,
Ich müsst ihn ja entwöhnen wohl schon im nächsten Jahr:
Du blickst, mein armer Junge, verlangend nach mir hin,
Du weinst, - ich möchte weinen, dass ich so grausam bin.

Er wächst, er kreucht, er richtet an Stühlen sich empor,
Verlässt die Stütze, schreitet selbstständ'ge Schritte vor;
Er fällt: du armer Junge! verliere nicht den Mut,
Ein Hauch von deiner Mutter macht alles wieder gut.

Und wie die ersten Laute er schon vernehmlich lallt,
Mama, Papa, ihr Klang mir im Herzen widerhallt!
Und wie ihn reich und reicher die Sprache schon vergnügt,
Und seltsam noch die Worte er aneinander fügt!

Er wird schon groß, wir schaffen ein Wiegenpferd ihm an,
Er tummelt es und peitscht es, ein kühner Reitersmann. -
Ei! kletterst du schon wieder? du ungezogner Wicht!
Er lacht, er kommt, er küsst mich, und zürnen kann ich nicht.

Er muss in seinen Jahren bald in die Schule gehn,
Muss lesen, schreiben lernen: das wirst du, Vater, sehn,
So wild er ist, wir lösen - ja, er wird fleißig sein, -
Noch manchen roten Zettel von ihm mit Naschwerk ein.

Und wenn von roter Farbe nicht alle Zettel sind,
Sollst Vater so nicht schelten, er ist ja noch ein Kind,
Er wird noch unsre Freude und unser Ruhm zugleich
Einst hochgelahrt gepriesen im ganzen röm'schen Reich.

Und Jahr' um Jahre fliehen in ungehemmtem Lauf,
Er aber durch die Klassen arbeitet sich hinauf,
Er wird zur hohen Schule entlassen, er erreicht
Gewiss ein gutes Zeugnis, das beste? - ja! - vielleicht.

Und wann er uns besuchet, - o Gott! ich seh ihn schon
Mit seinem schwarzen Schnurrbart, den echten Musensohn. -
Die Ferien sind zu Ende, ade! muss wieder hin,
Ich komme nun nicht früher, als bis ich fertig bin.

Ein Brief! ein Brief! lies, Vater; - Dein Sohn hat ausstudiert,
Sie haben ihn zum Doktor mit hohem Lob kreiert,
Mit nächster Post, so schreibt er, ja, morgen trifft er ein;
Hol, Mutter, aus dem Keller die letzte Flasche Wein!

Das Posthorn hör ich schallen! - ach nein! zu meinem Ohr
Dringt dumpf nur das Geläute, das ruft mich in das Chor;
Sie haben ja zur Nonne mich eingemauert arg,
Und haben mich lebendig gelegt in meinen Sarg.

Ich muss die Metten singen, mein Herz ist nicht dabei.
Vergib mir, du mein Heiland, wie sündhaft ich auch sei,
Vergib mir und vergib auch in deiner reichen Huld
Den Blinden, den Betörten, die an dem Unheil Schuld.


1836


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876): Guckkästner <Auszug>. -- 1836

Guckkästner: Halten Sie das Maul und sagen Sie einen alten Kriejer nich, was er dhun soll. Abwechselung muss sind, sagt Klopstock. (Dorothea nimmt die Spiegelgläser wieder fort.) — Rrrr! ein anderes Bild! — Hier präsentiert sich Ihnen eines von den prachtvollen Klöstern, welche in Baiern wieder erbaut sind, indem der jeliebte Könich sein Volk auf die frühere Klugheit zurückführen will. Die Mönche sitzen eben in das jroße Reflektorjuni un essen zum Heile der Menschheit.


1840



Abb.: Carl Spitzweg (1808 - 1885): Vom Geier zum Mönch. -- um 1840



Abb.: Anonym: Faublas avec la soeur Ursule. -- Frankreich, 1840


1841


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874): Guter Rat. -- 1841

Melodie Schön ist's unter freiem Himmel.


Abb.: Kapuziner-Weizen-Glas

Willst du frei sein von Beschwerden,
Arme Seele, hier auf Erden,
Auf! nach München musst du ziehn:
Dort steht jede Kunst in Blüte,
Dort wird jeglichem Gemüte
Irgend noch ein Heil verliehn.

Bei des Herrn demüt'gen Dienern,
Bei den frommen Kapuzinern,
Arme Seele, nimm Quartier!
Ihnen kann man ganz vertrauen,
Denn die heil'gen Väter brauen
Doch das allerbeste Bier.


1843



Abb.: Carl Spitzweg (1808 - 1885): Der Klosterbruder. -- 1843


1846


Hermann von Gilm (1812 - 1864): Aus: Sonette an eine Roveretanerin. -- 1846

Der Mönch verbirgt vor jeder Tageshelle
Hier in Tirol verbotner Liebe Keim,
Verstohlen nur schwärzt er den Honigseim
In seine kalte, liebeleere Zelle.

Nur einer ist, der klingelt mit dem reim
Und läutet durch die Straßen mit der Schelle,
Kehrt er berauscht von seines Liebchens Schwelle
Beim feuerroten Morgenhimmel heim.

Und frägt der Abt, was denn das Frühgeläute
Mit all den Schellen groß und klein bedeute,
reicht er ihm eine Prise Spaniol1,

Und spricht gehorsam mit gebücktem Rücken:
Das ist die Poesie der Katholiken,
Das sind die echten Lieder aus Tirol.

Erläuterung:

1 Spaniol: feiner spanischer Schnupftabak, wird aus Havannablättern bereitet und mit einer roten Erde gefärbt


 


1848



Abb.: Wie einer einen alten heiligen Rock aufhebt. -- Deutschland. -- Um 1848

[Bildquelle: Seine Feinde zu beissen ... Karikaturen aus der deutschen bürgerlichen Revolution 1848 - 49 / [Alfred Gessler ; Karl-Heinz Grahl]. -- Berlin : Der Morgen, [1963]. --173 S. : vorwiegend Ill. -- S. 49]

"Die Geschichte des Heiligen Rockes, der Tunika Christi, ist von ihren Anfängen bis zum Mittelalter dunkel. Die Frage, ob die Tunika echt oder falsch ist, mag für den heutigen Zeitgenossen ein wichtiges Kriterium sein, kann in der historischen Betrachtung aber nicht eindeutig beantwortet werden.

Sicher bezeugt ist die Geschichte des Heiligen Rockes ab dem 12. Jahrhundert. So war das Datum 1. Mai 1196 Anlaß für die Bistumswallfahrt 1996. Vor 800 Jahren fand die Weihe des Hochaltars im damals neu errichteten Ostchor des Trierer Domes durch Erzbischof Johann I statt, der in diesem Altar den Heiligen Rock eingeschlossen hatte. Wie der Heilige Rock nach Trier kam und ob das Gewand Christi echt ist, ist wissenschaftlich nicht mehr nachzuweisen. Die Überlieferung sagt, die Heilige Helena, die Mutter Konstantins des Großen, habe die Tunika Christi bei ihrer Pilgerfahrt in Jerusalem gefunden und anschließend der Trierer Kirche geschenkt.

Der Mönch Altmann von Hautvillers verfaßte im 9. Jahrhundert eine Lebensbeschreibung der Flavia Julia Helena, in der er Trier als ihren Geburtsort nennt. Weder schriftliche Quellen, Münzen, Inschriften oder große kaiserliche Bauwerke in Trier können diese Behauptung verläßlich belegen. Im Mittelpunkt der spätantiken und mittelalterlichen Überlieferung von Helenas Pilgerfahrt Anfang des 4. Jahrhunderts steht allerdings die Auffindung des Heiligen Kreuzes. Vom Heiligen Rock ist zunächst nicht die Rede. Die Tunika Christi taucht erstmals in den "Gesta Treverorum" und der Deutschen Kaiserchronik aus dem 12. Jahrhundert auf. Auch diese Beschreibungen sind Legenden von der Auffindung des Heiligen Rocks. Es wurde ein geschichtliches Ereignis erfunden, um einen Tatbestand zu erklären und Tradition und Ansehen zu schaffen. Die Aussagen zum Heiligen Rock und die Verbindung Helenas mit Trier sind nur im Zusammenhang mit der mittelalterlichen Trierer Kirchenpolitik und den damit verbundenen Herrschafts- und Machtansprüchen zu verstehen.

Den ersten historisch nachgewiesenen Ansatz finden wir im Datum 1. Mai 1196, als der Heilige Rock vom Westchor zum Hauptaltar des Domes geführt wurde. Wie lange die Tunika im Westchor vorher aufbewahrt worden war, wissen wir nicht. Auch von 1196 an bis zu dem Jahr 1512 schweigen die Quellen zum Heiligen Rock. Von hier an kommt wieder Licht in das Dunkel der Überlieferung. Kaiser Maximilian (1493-1519) war zu einem Reichstag nach Trier gekommen und verlangte das Gewand zu sehen. Dem damaligen Erzbischof Richard von Greiffenklau (1511-1531) schien die Entscheidung zur Öffnung des Altars schwergefallen zu sein. Dennoch ließ er am 14. April 1512 im Beisein des Kaisers und vieler Bischöfe und Prälaten den Hochaltar öffnen. Die Zeigung des Heiligen Rocks und das Öffnen des Altars ist auf zwei Holzschnitten festgehalten. Einer davon stammt von Dürer.

Auch das Volk wünschte nun, den Heiligen Rock zu sehen. Dieser Bitte wurde entsprochen und die Nachricht verbreitet sich so schnell, daß eine große Wallfahrt entstand; die erste ihrer Art. Jährliche Wallfahrten fanden nun bis 1517 statt. Von 1524 bis 1545 fand die Ausstellung des Heiligen Rock in einem Rhythmus von sieben Jahren statt. Die nächsten Wallfahrtstermine fielen kriegerischen Ereignissen zum Opfer. Danach gab es noch eine Reihe "privater Zeigungen" für hochgestellte Persönlichkeiten, wobei die Kunde sich natürlich schnell verbreitete und viele Menschen zum Dom kamen, um den Heiligen Rock zu sehen.

Im 17. Jahrhundert wurde der Heilige Rock infolge kriegerischer Ereignisse auf dem Koblenzer Ehrenbreitstein und in Köln in Gewahrsam gehalten, ehe der Rock 1655 erneut gezeigt wurde.

Von einer Wallfahrt 1655 existiert ein ausführlicher Bericht, aus dem u. a. zu erfahren ist, daß vor dem Westturm des Domes ein großes Gerüst wie eine Schaubühne errichtet wurde, auf das man vom Inneren des Nikolauschores aus über eine Treppe gelangen konnte. Während ein großer Teil des Klerus auf der Bühne Platz nahm, wurde der Heilige Rock in einem Kasten an einer Stange hängend und wegen des Windes mit Seitenbändern befestigt, den Pilgern gezeigt.

Der Heilige-Rock weilte von der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts an nicht mehr ununterbrochen im Dom zu Trier. Trier, eine Schnittstelle von Machteinflüssen, hat immer wieder unruhige Zeiten erlebt. Damit die hochgeschätzte Reliquie nicht zerstört oder geraubt werden konnte, kam es zu Auslagerungen des Heiligen Rocks. So in den unsicheren Jahren der Franzosenkriege, als er häufiger auf dem Ehrenbreitstein in Koblenz untergebracht war, als in der Trierer Heilig-Rock-Kapelle. Nachdem die Reliquie 1790 wieder in Trier war, wurde sie im gleichen Jahr nach Ehrenbreitstein und 1794 von dort nach Würzburg gebracht. Auch Würzburg schien nicht mehr sicher, man floh mit dem Rock nach Bamberg, nach Böhmen, wieder zurück nach Bamberg und schließlich nach Augsburg.

Der damalige Kurfürst Clemens Wenzeslaus hatte1802 auf sein Kurfürstentum und auf das Erzbistum verzichtet und sich in sein zweites Bistum Augsburg begeben. Dorthin wurde der Heilige Rock nun gebracht. Mit Unterstützung Napoleons gelang es schließlich 1802 dem von Napoleon eingesetzen Bischof Charles Mannay (1802-1816), den Heiligen Rock 1810 nach Trier zurückzuholen. Der Weg der Reliquie führte dann auch über das Saarland. Bis Saarbrücken konnte der Transport geheimgehalten werden. In Merzig gab es für das Volk kein Halten mehr, und Tag und Nacht kamen die Leute in die Kirche St. Peter, um zu beten. Auch die Ankunft in Trier sorgte für großes Aufsehen. Fast 230.000 Pilger kamen in der Zeit vom 9. bis zum 27. September 1810, um den Heiligen Rock zu sehen.

Der Heilige Rock wurde fortan in einem neuen Ausstellungsschrein (der bis 1933 benutzt wurde) gezeigt und in der Heilig-Rock-Kapelle im Altar des Ostchores aufbewahrt.

Die nächste große Wallfahrt fand vom 17. August bis zum 6. Oktober 1844 statt. Über eine halbe Million Pilger kamen nach Trier, um den Heiligen Rock zu sehen, der zuvor aus der Rückwand der Heilig-Rock-Kapelle gebrochen werden mußte. Nach Abschluß der Wallfahrt wurde die Reliquie wieder im Hochalter eingemauert. Wie 1844 war auch das nächste Wallfahrtsdatum,20. September bis 4. Oktober 1891, eine politisch turbulente Zeit. Die Wunden des Kulturkampfes waren noch nicht verheilt. So fand diese Wallfahrt in einer Zeit religiöser und soziologischer Erneuerung der Kirche im Bistum Trier statt. Im Zeichen eines Aufbruchs der Katholischen Kirche gewann die Heilig-Rock-Wallfahrt an großer Bedeutung. Über 1.000.000 Die Pilger kamen aus allen Erdteilen nach Trier. Waren 1844 die Leute größtenteils zu Fuß gepilgert, so gab es jetzt ein gut funktionierendes Bahnnetz. Im Rahmen der Wallfahrt wurde für die Reliquie ein neues Behältnis geschaffen, indem sie heute noch aufbewahrt wird. Dieser Schrein ist so groß, daß der Heilige Rock darin Platz hat, ohne daß er wie früher gefaltet werden muß. Dieser große Schrein paßte nicht mehr in den Hochaltar. Als neuer Aufbewahrungsort wurde das spätgotische Domarchiv im Badischen Bau des Kreuzganges (seit 1974 Domschatzkammer) gewählt. Die nächste Wallfahrt fand vom 23. Juli bis zum 10. September 1933 unter Bischof Franz Rudolf Bornewasser (1922-1951) statt. Sie lief synchron mit der Feier des Jahres 1933, die Papst Pius XI. angewiesen hatte. Im Hinblick auf die am 30. Januar 1933 zur Macht gekommene nationalsozialistische Partei wurde der Wallfahrt eine politische Motivationen nachgesagt. Dies ist jedoch ausgeschlossen, da der Entschluß zur Wallfahrt bereits früher feststand (angekündigt am 25. Januar 1933). Dennoch wurde die bis heute größte Wallfahrt mit mehr als 2 Millionen Pilgern von der Besorgnis über die künftige Entwicklung und die Machenschafften der nationalsozialistischen Machthabern überschattet.

Die Zeit des 2. Weltkrieges brachte für den Heiligen Rock wieder Auslagerungen mit sich. So wurde er zu Beginn des Krieges 1939 zunächst nach Limburg, von dort nach Fulda und im Abschluß des Frankreich-Feldzuges 1940 wieder nach Trier zurückgebracht. Als 1944 Trier wieder in unmittelbare Gefahr geriet, wurde die Reliquie nicht mehr ausgelagert, sondern in Trier im damaligen Dombunker gesichert. Die bislang vorletzte Heilig-Rock-Ausstellung und Wallfahrt fand vom 19. Juli bis 20. September 1959 statt. 1,8 Millionen Pilger kamen nach Trier und sahen die "Tunika Christi", welche über dem Hochalter des Ostchores ausgestellt war.

In der Silvesterpredigt 1992 lud der Trierer Bischof Dr. Hermann Josef Spital die Gläubigen zur dritten Heilig-Rock-Wallfahrt in diesem Jahrhundert ein. Da der Heilige Rock aus konservatorischen Gründen nicht mehr hängend aufbewahrt werden darf, wurde er liegend unter einem klimatisierten, luftdichten Glasschrein ausgestellt. Die Bistumswallfahrt 1996 brachte noch einmal eine große Herausforderung mit sich - und wurde zu einem großen Fest, über dem "Der Zauber des Heils" lag - so ein verbreiteter Eindruck. Über eine Million Pilger haben Trier und den Dom besucht, um den Heiligen Rock zu sehe."

[Quelle: http://www.bistum-trier.de/kiosk/relaunch/rock/rock1.htm. -- Zugriff am 2004-05-20]


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876): Der gute, stammelnde Untertan <Auszug>. -- 1848

Ich bin ein guter Untertan,
Das leidet keinen Zweifel;
Mein Fürst, das ist ein frommer Mann:
O wär' er doch beim teu...teuren Volke immer,
So würd' es niemals schlimmer,
Beim teu...teuren Volke immer,
So würd' es niemals schlimmer.

...

Ihr Mönche, vornehm, schwarz und weiß:
Das Volksglück, das verpuffte,
Wird eurer steten Mühe Preis,
Denn ihr seid große schu...ulgerechte Lehrer,
Und eifrige Bekehrer,
Ja, schu...ulgerechte Lehrer
Und eifrige Bekehrer.

Ihr Stolzen, ihr im deutschen Land
Vom Rheine bis nach Polen,
Ihr seid mir durch und durch bekannt,
Euch soll der Kuckuck ho...hohes Alter melden,
Euch weisen Friedenshelden,
Ja, ho...hohes Alter melden,
Euch weisen Friedenshelden!


1849


Pottier, Eugène (1816 - 1887): Die Kartäuser. -- 1849. -- Nachdichtung von Erich Weinert (1890-1953)

Um Mitternacht die Glocke wimmert,
Von toten Wänden rieselt Kalk.
Es stöhnt ein Chor. Ein Lichtlein flimmert
Vor einem schwarzen Katafalk.
Barfüßig stehn sie auf den Fliesen.
Sie singen wie zum Tod verdammt.
Welch finstrer Gott wird hier gepriesen?
Sie singen hier das Totenamt.

Das sind die Mönche der Kartause;
Die sind schon selber wie verscharrt.
Im Schattental sind sie zu Hause;
Ihr Herz ist längst zu Stein erstarrt.
Nur Gnadenwein noch kann sie wärmen.
Sie sind entseelt und ausgeflammt,
Die nur für Opferwollust schwärmen -
Sie singen hier das Totenamt.

Ach, sahn sie nie aus ihren Löchern
Den dunklen Wald, den wilden Wein,
Den Efeu über Turm und Dächern,
Das junge Moos auf altem Stein?
Sie sehn nicht Blumen, Korn und Lämmer.
Was lebt, ist schon für sie verdammt.
Sie leben nur im schwarzen Dämmer.
Sie singen hier das Totenamt.

Die all, was lebt und liebt, verfluchen
Und huldgen nur gestorbnem Christ,
Die Gott nur in der Asche suchen,
Für die das Leben Sünde ist,
Die, während Brot quillt aus den Mühlen,
Das Land vor Kraft und Leben flammt,
In selbstgeschlagnen Wunden wühlen,
Sie singen hier das Totenamt.

Wem wird hier Grabgeleit gegeben?
Für wen der Trauerkerzen Schein?
Wer ist denn tot? . . . Natur und Leben!
Sie legten's in den Sarg hinein.
Nun ziehn sie durch die Nacht und singen
Vom Übel, das vom Fleische stammt,
Bis die Gewölbe sie verschlingen.
Sie singen hier das Totenamt.

Lasst die Gespenster sich verstecken
In ihrem ewigdunkeln Bau!
Kommt, lasst uns unsre Liebste wecken,
Dass sie die erste Sonne schau!
Das Herz geht auf, die Sinne schweben.
Es brennt der Kuss, das Blut entflammt.
Kommt, singen wir vom heißen Leben!
Sie singen hier das Totenamt.

[Quelle: Eugène Pottier und seine Lieder / Erich Weinert. -- Berlin : Volk u. Welt, 1951. -- 164 S.  -- S. 48f.]


1868


Ludwig Bund: Der Mönch. -- 1868


Abb.: Der Mönch. -- 1868

Ich wähnte, dass ich abgeschlossen mit dem Leben,
Als es vor Jahren hinter mir versank,
Und ew'gen Frieden glaubt' ich mir gegeben,
Als Arzt dem Herzen, das so weh und krank.

Wohl fand ich Frieden, doch der ernste, hohe,
Den keine Lockung wieder wankend macht,
Der durch das Herz weht, eine heil'ge Lohe,
Ach, solchen Frieden gibt mir nur die Nacht!

Da legt er sich wie weiche Wiegenlieder
Auf meine Brust und was ich je verlor,
Das hab' ich Alles jung und herrlich wieder
Und mein Gebet steigt unbeirrt empor.

Doch wenn der Tag mit seinen lauten Stimmen
Mein Ohr berührt, dann pocht es mir an's Herz,
Dass mir in Sehnsucht feucht die Augen schwimmen,
Und meine Sinne zieht es erdenwärts.

So muss ich schauen, wie der lenz voll Wonne
Die Fluren küsst, wie froh die Menschen blühn;
Wie Saaten reifen in der Glut der Sonne,
Und wie die Tage wieder still verglühn.

Im Wintersturm wie in dem Sommerlichte
Zieht mich der Menschen buntes Treiben an;
Das ist die alte, ew'ge Weltgeschichte,
Der sich doch keiner ganz entfremden kann.

Du Herr! der du erfüllest meine Seele
In allen Tiefen ganz mit deiner Macht,
O gib mir, wenn in diesem Schau'n ich fehle,
Den keuschen Frieden einer ew'gen Nacht!

[Quelle für Text und Bild: Lieder der Heimath : eine Samml. der vorzüglichsten Dichtungen im Bilderschmuck deutscher Kunst / hrsg. von Ludwig Bund. Mit vielen Holzschnitten nach Zeichnungen der bedeutendsten Künstler. -- [Nachdruck der Ausg.] Düsseldorf, Breidenbach, 1868. -- Dortmund : Harenberg, 1977. -- 234 S. : Ill. ; 18 cm. -- (Die bibliophilen Taschenbücher ; Nr. 2). -- ISBN 3-921846-02-1. -- S. 125]


1871



Abb.: Nonne: "Aber sag, meine Kleine, warum hast du denn nicht in unseren Orden eintreten wollen?" — Hure: "Wozu erst den Umweg? Liebe Schwester, ich wusste ganz genau, dass Sie früher oder später ebenfalls ind en unsrigen kommen werden." -- Karikatur von Moloch. -- Frankreich. -- 1871

[Quelle:  Fuchs, Eduard <1870 - 1940>:  Die Frau in der Karikatur. -- 3. Aufl. -- München : Langen, 1928. -- 487 S. : Ill. -- S. 232]


1864


Meyer, Conrad Ferdinand <1825 - 1898>: Frau Agnes und ihre Nonnen. -- 1864

Ein Klosterhof, ein Lenzestag!
Ein schwarzer Lindenschatten,
Wo der gekrönte Habsburg lag
Erstochen auf den Matten.

Frau Agnes, die gestrenge Frau,
Des Vaters Blut zu rächen,
Rief mordend aus: »Ich bad in Tau!«
Und schritt in roten Bächen.

Sie freute sich in warmes Blut
Die Knöchel einzutauchen,
Sie warf in stille Dörfer Glut,
Sie ließ die Burgen rauchen.

Nachdem Gericht gehalten war,
Vollbracht die Totenfeier,
Verbarg sie das Medusenhaar
Mit einem Nonnenschleier.

Sie schuf ein Kloster, wo hervor
Aus Grüften Geister schweben,
Sie füllt mit Blumen an den Chor,
Mit lauter jungem Leben:

Sie raubt das krause Blondgelock
Manch einem Edelkinde,
Beschert ihm einen schwarzen Rock
Und eine blanke Binde.

Sie geißelt sich den weißen Leib,
Bis rote Tropfen rinnen,
Sie will, das unbarmherz'ge Weib,
Den zarten Heiland minnen.

Dort sitzt sie unter Lindennacht
Am kühlen Klosterbronnen,
Sie hat die Bibel mitgebracht
Zur Andacht ihrer Nonnen.

Am Gatter lauschen Kinder scheu
Mit frisch gepflückten Veilchen,
Ein Weiblein hinkt mit Holz vorbei,
Bückt tief sich vor den Heil'gen.

Dem jüngsten Nönnchen gibt das Buch
Sie jetzt, der lieblich Bleichen:
»Wir blieben bei Sankt Pauli Spruch.
Sieh her! Da steckt das Zeichen!«

Die Zarte, die das Buch empfing,
Beschaut Sankt Paulum denkend.
Sie liest. Ihr lauscht der Schwestern Ring,
Die Wimper züchtig senkend -

»Was frommte mir die Fastenzeit,
Was frommten Geißelhiebe,
Was frommt' es, trüg ich hären Kleid,
Und mangelte der Liebe?«

Da schwellt ein Seufzer manche Brust
Im Nonnenrock erbaulich,
Und manche kecke Lebenslust
Blickt traurig und beschaulich.


1896



Abb.: Die Himmelfahrt der Heiligen Rosa von Lima / von Aubrey Vincent Beardsley (1872 - 1898). -- In: The Savoy. -- Nr. 2, 1896


1912



Abb.: Egon Schiele (1890 - 1918): Kardinal und Nonne. -- 1912


1919



Abb.: Carl Spitzweg (1808 - 1885): Eremit. -- 1841

Christian Morgenstern (1871 - 1914): DER HEILIGE PARDAUZ. -- In: Der Gingganz. -- 1919

Im Inselwald >Zum stillen Kauz<,
da lebt der heilige Pardauz.

Du schweigst? Ist dir der Mund verklebt?
Du zweifelst, ob er wirklich lebt?

So sag ichs dir denn ungefragt:
Er lebt, auch wenn dirs missbehagt.

Er lebt im Wald >Zum stillen Kauz<,
und schon sein Vater hieß Pardauz.

Dort betet er für dich, mein Kind,
weil du und andre Sünder sind.

Du weißt nicht, was du ihm verdankst, -
doch dass du nicht schon längst ertrankst,

verbranntest oder und so weiter —
das dankst du diesem Blitzableiter

der teuflischen Gewitter. Ach,
die Welt ist rund, der Mensch ist schwach.


Max Büttner: Nonnenrevolution. -- In: Die Pille : satirische Wochenschrift. -- Leipzig : 1.1919/20[?]. --  9/1920

Die „Barmherzigen Schwestern" in Prag haben nach Zeitungsmeldungen einen Schwesternrat gebildet und fordern mildere Ordensregeln, bessere Kost und mehr Freiheit.

Die lieben frommen Nonnen,
Die haben sich besonnen
Und, sonst so unbescholten,
Begehen jetzt Revolten.

Die barmherzigen Schwestern
In ihren Klosternestern,
Die tun modern die große Tat
Und bilden einen Schwesternrat.

Die Ordensregeln sind zu streng,
Die Klosterwände viel zu eng,
Die Kost ist auch nicht ideal
Und die Rationen viel zu schmal.

Und denen früher alles Wurst,
Sie „fordern" jetzt voll Freiheitsdurst,
Versammeln sich im Klostersaal
Und reden ziemlich radikal.

Im zeitgemäßen Umgangston
Fasst man 'ne Resolution,
Und tritt mit ihr ganz offen dann
Bei dem Herrn Erzbischoffen an.

Dort demonstriert man, gar nich feig,
Und droht mit Generalnonnenstreik
Und, streicht man eine Forderung nur,
Mit Klosterschwestern-Diktatur.

Ein Ultimatum kündigt dann
Den Umgang mit den Männern an,
Und läuft es ab, dann schafft man schnelle
Die sturmesfreie Nonnenzelle.

Das Kloster wird sozialisiert,
Die Nonne kommunalisiert.
So gründet man, pikant und schick,
Die Schwesternräterepublik.

[Quelle: Bis fünf nach zwölfe, kleine Maus : Streifzug durch satirische Zeitschriften d. Weimarer Republik / hrsg. von W. U. Schütte. -- Berlin : Der Morgen, 1972. -- 307 S. : Ill. -- S. 50f.]


 



Abb.: Heiligenbildchen des Hl. Expeditus. -- Chile [Bildquelle: http://members.tripod.com/sanexpedito/churches__saint_expeditus.htm. -- Zugriff am 2004-05-23]

Christian Morgenstern: (1871 - 1914): St. Expeditus. -- In: Der Gingganz. -- 1919

I

Einem Kloster, voll von Nonnen,
waren Menschen wohlgesonnen.

Und sie schickten, gute Christen,
ihm nach Rom die schönsten Kisten:

Äpfel, Birnen, Kuchen, Socken,
eine Spieluhr, kleine Glocken,

Gartenwerkzeug, Schuhe, Schürzen ...
Außen aber stand: Nicht stürzen!

Oder: Vorsicht! Oder welche
wiesen schwarzgemalte Kelche.

Und auf jeder Kiste stand
>Espedito<, kurzerhand.

Unsre Nonnen, die nicht wussten,
wem sie dafür danken mussten,

denn das Gut kam anonym,
dankten vorderhand nur IHM,

riefen aber doch ohn Ende
nach dem Sender solcher Spende.

Plötzlich rief die Schwester Pia
eines Morgens: »Santa mia!

Nicht von Juden, nicht von Christen
stammen diese Wunderkisten -

Expeditus, o Geschwister,
heißt er, und ein Heiliger ist er!«

Und sie fielen auf die Kniee.
Und der Heilige sprach: »Siehe!

Endlich habt ihr mich erkannt.
Und nun malt mich an die Wand!«

Und sie ließen einen kommen,
einen Maler, einen frommen.

Und es malte der Artiste
Expeditum mit der Kiste.

Und der Kult gewann an Breite.
Jeder, der beschenkt ward, weihte

kleine Tafeln ihm und Kerzen.
Kurz, er war in aller Herzen.

II

Da auf einmal, neunzehnhundert-
fünf, vernimmt die Welt verwundert,

dass die Kirche diesen Mann
fürder nicht mehr dulden kann.

Grausam schallt von Rom es her:
»Expeditus ist nicht mehr!«

Und da seine lieben Nonnen
längst dem Erdental entronnen,

steht er da und sieht sich um -
und die ganze Welt bleibt stumm.

Ich allein hier hoch im Norden
fühle mich von seinem Orden,

und mein Ketzergriffel schreibt:
Sanctus Expeditus - bleibt.

Und weil jenes nichts mehr gilt,
male ich hier neu sein Bild: -

Expeditum, den Gesandten,
grüß ich hier, des Unbekannten.

Expeditum, ihn, den Heiligen,
mit den Füßen, den viel eiligen,

mit den milden, weißen Haaren
und dem fröhlichen Gebaren,

mit den Augen braun, voll Güte,
und mit einer großen Tüte,

die den überraschten Kindern
strebt ihr spärlich Los zu lindern.

Einen güldnen Heiligenschein
geb ich ihm noch obendrein,

den sein Lächeln um ihn breitet,
wenn er durch die Lande schreitet.

Und um ihn in Engelswonnen
stell ich seine treuen Nonnen:

Mägdlein aus Italiens Auen,
himmlisch lieblich anzuschauen.

Eine aber macht, fürwahr,
eine lange Nase gar.

Just ins >Bronzne Tor< hinein
spannt sie ihr klein Fingerlein.

Oben aber aus dem Himmel
quillt der Heiligen Gewimmel,

und holdselig singt Maria:
»Santo Espedito - sia!«

"Welchen Heiligen soll man anrufen, wenn eine dringliche Sache schon in den nächsten Minuten oder Stunden gelöst werden soll? Da können wir uns mit Vertrauen zum heiligen Expeditus wenden. Im deutschsprachigen Raum war Expeditus bis heute fast unbekannt. Und doch hat er seit seiner Bekanntmachung schon vielen geholfen. Er wird vor allem in drei Hauptanliegen angerufen: 1. für den Erfolg in Prüfungen (er ist Patron der Jugend); 2. als Fürsprecher in dringenden Anliegen, worauf sein Name schon hindeutet; 3. als Vermittler in Streitfällen, um Gerichtsprozesse zu verhindern."

[Quelle: http://www.theresia.ch/books/detail.php3?id=19. -- Zugriff am 2004-05-23]

"St. Expeditus

At one time there was much talk of a Saint Expeditus, and some good people were led to believe that, when there was need of haste, petitioning Saint Expeditus was likely to meet with prompt settlement. However, there is no adequate reason to think that any such saint was ever invoked in the early Christian centuries; in fact it is more than doubtful whether the saint ever existed. In the "Hieronymianum" the name Expeditus occurs among a group of martyrs both on the 18th and 19th of April, being assigned in the one case to Rome, and in the other to Melitene in Armenia; but there is no vestige of any tradition which would corroborate either mention, whereas there is much to suggest that in both lists the introduction of the name is merely a copyist's blunder. Hundreds of similar blunders have been quite definitely proved to exist in the same document.

There is also a story which pretends to explain the origin of this "devotion" by an incident of modern date. A packing case, we are told, containing a body of a saint from the catacombs, was sent to a community of nuns in Paris. The date of its dispatch was indicated by the use of the word "spedito", but the recipients mistook this for the name of the martyr and set to work with great energy to propagate his cult. From these simple beginnings, it is asserted, a devotion to St. Expeditus spread rapidly through many Catholic countries. It should be pointed out that though the recognition of St. Expeditus as the patron of dispatch depends beyond doubt upon a play upon words - still the particular story about the Paris nuns falls to pieces, because as far back as 1781 this supposed martyr, St. Expeditus, was chosen patron of the town of Acireale in Sicily, and because pictures of him were in existence in Germany in the eighteenth century which plainly depicted him as a saint to be invoked against procrastination. "

[Quelle: http://www.catholic.org/saints/saint.php?saint_id=347. -- Zugriff am 2004-05-23]


1922



Abb.: Ad coelum [= Zum Himmel]

[Bildquelle: Beißwanger, Konrad: Illustrierter Pfaffenspiegel : kritisch-historisches Handbuch der Verirrungen des menschlichen Geistes und des Lasterlebens in der christlichen Kirche. -- 2. Aufl. --  Nürnberg: Beißwanger, 1922. -- 420 S. : Ill. -- S. 245]


Nicht datiert


Die widerspenstige Braut. --. Aus: Des Knaben Wunderhorn, Bd. 3

Ich ess' nicht gerne Gerste,
Steh auch nicht gern früh auf,
Eine Nonne soll ich werden,
Hab keine Lust dazu;
Ei so wünsch ich dem
Des Unglücks noch so viel,
Der mich armes Mädel
Ins Kloster bringen will.

Die Kutt ist angemessen,
Sie ist mir viel zu lang,
Das Haar ist abgeschnitten,
Das macht mir angst und bang;
Ei so wünsch ich dem
Des Unglücks noch so viel,
Der mich armes Mädel
Ins Kloster bringen will.

Wenn andre gehen schlafen,
So muss ich stehen auf,
Muss in die Kirche gehen,
Das Glöcklein leiten tun;
Ei so wünsch ich dem
Des Unglücks noch so viel,
Der mich armes Mädel
Ins Kloster bringen will.



Abb.:  Der lüsterne Mönch / von Frans von Bocholt


O Himmel, was hab ich gethan. -- Aus: Des Knaben Wunderhorn, Bd. 3

Das Klosterleben ist eine harte Pein,
Weil ich ohn mein Liebchen muss sein;
Ich habe mich drein ergeben zur Zeit,
Den Orden ertrag ich mit Schmerz und mit Leid.
O Himmel, was hab ich getan?
Die Liebe war schuldig daran.

Und komm ich am Morgen zur Kirche hinein,
So sing ich die Metten allein;
Und wenn ich das Gloria patri da sing,
So liegt mir mein Herzallerliebster im Sinn.
Ach Himmel, was hab ich getan?
Die Liebe ist schuldig daran.

Des Mittags wenn ich zum Essen hin geh,
So find ich mein Tischlein allein;
Da ess ich mein Brod und trinke mein Wein,
Ach könnt ich bei meinem lieb Schätzelein sein.
O Himmel, was hab ich getan?
Die Liebe ist schuldig daran.

Des Abends, wenn ich nun schlafen da geh,
So find ich mein Bettlein ja leer;
Da greif ich bald hin, da greif ich bald her,
Ach wenn ich bei meinem Herzliebsten doch wär!
Ach Himmel, was hab ich getan?
Die Liebe ist schuldig daran.

Da kömmt ja mein Vater und Mutter auch her,
Sie beten wohl für sich allein;
Sie haben buntfarbige Röcklein auch an,
Und ich, ich muss in dem Kuttenrock stahn.
Ach Himmel, was hab ich getan?
Die Liebe ist schuldig daran.



Abb.: Mönch peitscht Nonne zur "Buße". -- Holland. -- 17. Jahrhundert

[Quelle: Fuchs, Eduard <1870 - 1940>:  Geschichte der erotischen Kunst. -- München : Langen. -- Bd. 1: Das zeitgeschichtliche Problem. -- 1908. -- 412 S. : Ill. -- S. 219]



Abb.: »Der Nonnen ihre Frömmigkeit ist Fresserei und Wollust«.  --17. Jahrhundert.



Abb.: Die Nonne bei der Toilette. -- Frankreich. -- 18. Jahrhundert

[Quelle:  Fuchs, Eduard <1870 - 1940>:  Die Frau in der Karikatur. -- 3. Aufl. -- München : Langen, 1928. -- 487 S. : Ill. -- S. 196]



Abb.: Der Nonnenbereiter. -- Holland. -- 18. Jahrhundert

Ist das nicht eine goldene Zeit,
Wenn der Papst auf der Nonne reit't?

[Quelle: Fuchs, Eduard <1870 - 1940>:  Geschichte der erotischen Kunst. -- München : Langen. -- Bd. 1: Das zeitgeschichtliche Problem. -- 1908. -- 412 S. : Ill. -- S. 217]


Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803): An unsere Mönche.

Gelehrt hat Epikur viel besser als gelehrt;
Ihr Herren, ach wenn ihr doch ihm darin ähnlich wärt!


Gottlieb Konrad Pfeffel (1736 - 1809): Der Abt und der Noviz

"Das hei?' ich einen Hecht, der soll uns bass behagen!"
Rief am Karfreitag jüngst ein Abt am vollen Tisch.
"Herr Abt, ich muss als Augenzeuge sagen,"
Sprach ein Noviz, "dass Bruder Koch den Fisch"
Mit Speck bereitet hat." — "O," rief der Abt, "des Laffen!
Was hattest du beim Bruder Koch zu schaffen?"


Gottlieb Konrad Pfeffel (1736 - 1809): Der Paradiesvogel

Ein Vogel von dem Paradies
Hat er, Gott weiß warum, den Namen,
Geriet dem Pater Alois
Von Dominiks geweihtem Samen1
Auf seinem frommen Ritterzug
Nach Koromandel2 in die Klauen.
Der Pfaffe konnte nicht genug
Das seltene Geschöpf beschauen.
Entzückt rief er ihm endlich zu:
"Du, dessen Ahnen einst in Eden
Mit Adam hausten, hörest du
Nicht manchen Greis noch von ihm reden?"
Ach nein," versetzt das gute Tier.
"Ist nichts durch Überlieferungen
Aus jener Zeit zu euch gedrungen?"
"Kein Wort." — "Du willst, gesteh' es mir,
Mich durch Verstellung bloß betören." —
"Nein, wahrlich nein, das kann ich schwören." —
"Wie dumm!" rief der beschorne Held,
"Uns ist es leicht, den frommen Seelen**
Aus jedem Teil der andern Welt3
Stets etwas neues zu erzählen."

Erläuterungen:

1 Von Dominiks geweihtem Samen = Angehöriger des Dominikanerordens

2 Auf seinem frommen Ritterzug nach Koromandel = auf seiner Missionsreise nach Indiens Koromandelküste

3 der andern Welt = des Jenseits (Himmel, Fegfeuer, Hölle)



Abb.: Das Gelübde der Armut / von V. Chevillard

[Quelle: Wendel, Friedrich <1886 - >: Die Kirche in der Karikatur : eine Sammlung antiklerikaler Karikaturen, Volkslieder, Sprichwörter und Anekdoten. -- Berlin : Der Freidenker, 1927. -- 154 S. : Ill. -- S. 152.]



Abb.: Der unzüchtige Mönch / von N. Diaz

[Quelle: Fuchs, Eduard <1870-1940>: Illustrierte Sittengeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. -- München : Langen. -- Bd. 3:  Das bürgerliche Zeitalter. -- [1912]. -- S. 88]


Ludwig Anzengruber (1839 - 1889): Die Abatissin und der Bischof


Abb.: Eine Äbtissin. -- Um 1790 [Bildquelle: http://www.schloesser-magazin.de/de/sonderthemen/saekularisation/ausstellung/ausob34.php. -- Zugriff am 2004-11-07

Ein edle Abatissin kam,
Ein Nonn beim Bischof klagen,
Die hätt gen Himmelsbräutigam
Der Treue sich entschlagen.
"O weh, der Sünde groß und schwer!
Frau Äbtin, kehret heime,
Beschicket gleich die Werkleut her
Mit Steinen und mit Leime
Und mauret mir die Sündrin ein;
Sie seh nit nächster Sonne Schein!
Gott möge ihr genaden!"

Die Abatissin heime kehrt,
Sie ließ den Zelter1 jagen
Und tat, wie sie der Bischof lehrt,
Das gab ein großes Klagen.
Sie führten das bleich Schwesterlein
Hinwärts zu einer Blende,
Da fügten hastig Stein auf Stein
Der Werkleut flinke Hände.
Sie maureten die Nonne ein,
Sie sieht nit nächster Sonne Schein.
Gott möge ihr genaden!

Und als die Wände feucht und kalt
Das junge Blut umfassen,
Da hat es, eh man schloss den Spalt,
Sich noch vernehmen lassen:
"Wie groß die Sünd und schwer die Pön2,
Die Wonne war doch süße,
Und kennt wer meinen Buhlen schön,
Der bring ihm letzte Grüße!
Ein Feuer ist die Lieb, das zehrt,
Und Gott, der ihrer nit gewehrt,
Mög mir und euch genaden!"

Und eh verblich der Sonne Schein,
Vier Maultier vor dem Wagen,
Der Bischof fuhr ins Kloster ein,
Die Abatissin fragen.
Die leitet ihn an ihrer Hand
Hinabwärts viele Stufen,
Bis wo man hinter nasser Wand
Die Nonn noch hörte rufen.
Der Bischof, der bekreuzt die Stein.
"Der Erde Lust verläuft in Pein.
Gott möge dir genaden!"

Drauf leitet ihn die Äbtin noch
Ins Gastgelass, ins reiche.
"O, edle Frau, was habt Ihr doch
Für Hände weiß und weiche!"
Und als die nächste Sonn sie findt,
Umfahet beid ein Schauern,
Sie dachten an ein bleiches Kind,
Das tot lag hinter Mauern;
Beim Scheiden an der Klosterpfort,
Da flüstern sie als Abschiedswort:
"Gott möge uns genaden!"

Erläuterungen:

1  Zelter: ein Damenreitpferd, das zum Zeltgang, d. h. Passgang  dressiert wurde.

2 Pön (von lateinisch poena): Strafe



Abb.: Frauenpeitscher Pater Cornelius. -- Holland

[Quelle: Fuchs, Eduard <1870 - 1940>:  Geschichte der erotischen Kunst. -- München : Langen. -- Bd. 1: Das zeitgeschichtliche Problem. -- 1908. -- 412 S. : Ill. -- S. 220]



Abb.: Geiler Mönch. -- England

[Quelle: Fuchs, Eduard <1870 - 1940>:  Geschichte der erotischen Kunst. -- München : Langen. -- Bd. 1: Das zeitgeschichtliche Problem. -- 1908. -- 412 S. : Ill. -- S. 270]



Abb.: Ich trinke für euch alle

[Quelle: Fuchs, Eduard <1870 - 1940>:  Die Karikatur der europäischen Völker. -- München : lange. -- Teil 1: Vom Altertum bis zum Jahre 1848. -- 4., vermehrte Aufl. -- 1921. -- 480 S. : Ill. -- S. 221]


Die Bekehrte. -- Aus dem Schwarzwald

Es wollt' ein Mädchen ins Kloster gehn,
Die Welt war ihr zuwider;
Wenn einer nur das Kind ansieht,
Die Augen gehen ihm über
Vor lauter Lieb, vor lauter Freud,
Vor lauter Schönheitsgaben,
O könnt ich dich, scharmantes Kind,
Zu meinem Weibchen haben!

"Der Himmel soll bewahren mich
Kein Mannsbild anzuschauen,
Ich lebe ja ganz klösterlich
Als wie die Klosterfrauen.
Fort, fort mit solcher Eitelkeit,
Fort, fort mit solchen Sachen!
Ich denk' stets an die Ewigkeit,
Ins Kloster will ich trachten!"

Ach Schatz, mein Engel, was für Freud
Wist du im Kloster genießen!
Drin wirst du sein ein' kurze Zeit,
Es wird dich schier verdrießen;
Es wird dir werden angst dabei,
An mich wirst du gedenken,
Umsonst, zu spät wird's aber sein,
Zu Tode wirst du dich kränken.

Du redest mir beweglich zu,
Ganz kräftig ins Gewissen,
Verstörest mich aus meiner Ruh,
es tut mich schier verdrießen;
Doch weil du es mit mir gut meinst,
So will ich mich bedenken,
Es scheint mir ja viel besser zu sein,
Mein Herz will ich die schenken.

[Quelle: Schwäbische Volkslieder mit ausgewählten Melodien : aus mündlicher Überlieferung / gesammelt von Ernst Meier. -- Berlin : Reimer, 1855. -- XVI, 431 S. : Notenbeisp. ; 8º. -- S. 268f.]


Das Weltkind. -- Aus Kiebingen

Vater, hat Gott nicht erschaffen
Für mich eine Männlichkeit?
Muss ich denn noch länger schlafen
In dem Bett der Einsamkeit?
Soll in meinen jungen Jahren
Diese Lust denn nie erfahren?
Vater, das kann ja nicht sein.

"Nein, mein Kind, auf dieser Erden
Sollst du dir nichts bilden ein;
Du musst eine Nonne werden,
Du musst leben keusch und rein;
Du musst, wann die Glocken klingen,
Gott zur Ehr' ein Loblied singen,
Gib dich nur geduldig drein!"

Soll die Haar' ich lassen scheren,
Die wie Gold geflammet sind?
Vater, willst den Stand mir wehren,
Den Gott selbst hat eingesetzt,
Da er sprach: es soll auf erden
Die Menschheit vermehret werden!
Vater, seid ihr mehr als Gott?

"Ich will deinen Frevel strafen,
O du ungehorsams Kind;
Muss ich doch alleine schlafen,
Da ich alt und elend bin.
Ich muss leiden große Schmerzen,
Und du kannst mit frohem Herzen
Deine Jahre bringen hin."

Vater, schweigt von euern Schmerzen,
Denn ich weiß, wie mir's zu Mut;
Ihr habt Ruh in euerm Herzen,
Aber ich leid Liebesglut.
Meine Glut ist nicht zu dämpfen,
Bis ich einstens werde kämpfen
Mit dem Tode bis aufs Blut.

"Nun wohlan, es soll geschehen,
Du sollst haben einen Mann;
Sollt' dir's aber übel gehen,
So bin ich nicht schuld daran;
Denn dein Kreuz musst selber tragen,
Weil du so danach tätst jagen
Um zu haben einen Mann."

Vater, lass mich Gnade finden,
Sieh doch meine Jugend an!
Lass doch die Gedanken schwinden,
Und verschaff mir einen Mann!
Eh' ich ohne Mann sollt' leben,
Müsst' ich meinen Geist aufgeben,
Ach, das wär' ein' harte Pein!

[Quelle: Schwäbische Volkslieder mit ausgewählten Melodien : aus mündlicher Überlieferung / gesammelt von Ernst Meier. -- Berlin : Reimer, 1855. -- XVI, 431 S. : Notenbeisp. ; 8º. -- S. 269ff.]


Der Jüngling im Kloster. -- Aus Hailfingen

Ein Knab von zwanzig Jahren
Zog in das Kloster hinein:
Ist es nicht eine harte Buß',
Dass ich ins Kloster muss!
Muss wieder ins Klösterle 'nein,
Muss leben keusch und rein.

Und als ich vor das Kloster kam,
Fragt mich der Guardian 's erste Mal,
Ob ich wollt' im Kloster bleiben
Und meinen Schatz auf ewig meiden.
Muss wieder ins Klösterle 'nein,
Muss leben keusch und rein.

Und da ich einmal spazieren geh,
Kommt auch mein  lieber Schatz daher,
Ganz freundlich schaut er mich an;
Ich darf ihn nicht schauen an,
Es ist bei mir der Guardian;
Muss wieder ins Klösterle 'nein,
Muss leben keusch und rein.

Und da ich einmal zur Beicht sitzen tät,
Kam ach mein lieber Schatz daher
Und beichten wollt' er bei mir;
Und da sie war die nächst' bei mir,
So steh ich auf, bet' mein Brevier.
Muss wieder ins Klösterle 'nein,
Muss leben keusch und rein.

Es hat sich etwas zugetragen,
Mein lieber Schatz will Hochzeit machen,
und ich soll sie eben zusammengeben;
Ach wie hart ist das Klosterleben
Muss wieder ins Klösterle 'nein,
Muss leben keusch und rein.

[Quelle: Schwäbische Volkslieder mit ausgewählten Melodien : aus mündlicher Überlieferung / gesammelt von Ernst Meier. -- Berlin : Reimer, 1855. -- XVI, 431 S. : Notenbeisp. ; 8º. -- S. 400f.]


Anastasius Grün (1806 - 1876): Ein Liebesbote


Abb.: Kaspar Scheuren (1810 - 1887): Ein Liebesbote. -- 1868

[Bildquelle: Lieder der Heimath : eine Samml. der vorzüglichsten Dichtungen im Bilderschmuck deutscher Kunst / hrsg. von Ludwig Bund. Mit vielen Holzschnitten nach Zeichnungen der bedeutendsten Künstler. -- [Nachdruck der Ausg.] Düsseldorf, Breidenbach, 1868. -- Dortmund : Harenberg, 1977. -- 234 S. : Ill. ; 18 cm. -- (Die bibliophilen Taschenbücher ; Nr. 2). -- ISBN 3-921846-02-1. -- S. 79]

Sehnsuchtskrank nach dem geliebten Jungen,
Dessen Blick ihr tief ins Herz gedrungen,
Sprach das Mägdlein beichtend zu dem Pater:
"Frommer Mönch, des Seelenheils Berater,
Wisst, so streng das Haus mein Vormund hütet,
Gegen jedes Männleins Einlass wütet,
Wusste doch mein Liebster einzudringen,
Im Gewand der Magd musst' ihm's gelingen.
Sagt ihm nun, dass er nicht wiederkehre,
Dass ich büßend ihm den Einlass wehre;
Bringt dies Ringlein, das er mir gegeben,
Ihm zurück als Abschiedspfand fürs Leben."
Ei, wie schlau sprach die scheinbar Spröde,
Ei, wie war der Mönch so blind, so blöde,
Denn das Ringlein sagt ihm's selbst am Ende,
Dass es nicht geformt für Frauenhände.

Klar doch ward der Botschaft Sinn dem Jungen,
Dessen Herz ihr süßer Blick bezwungen;
Dem's noch nie gelang, zu ihr zu kommen,
Jetzt wohl weiß er's: Magdgewand wird frommen!
Händeküssend spricht er zu dem Pater:
"Frommer Mönch, Ihr, unsres Heils Berater,
Sagt der Maid, wie tief mich's schmerzt zu weichen,
Ihr Gebot doch ehr' ich; des als Zeichen
Bringt zurück dies Armband ihr von Golde,
Das mir einst als Huldpfand bot die Holde." -
Ei, wie ist der Knabe schlau nicht minder,
Doch wie blieb der Mönch ein Blöd' und Blinder,
Denn sonst müsst' ihm's selbst dies Armband sagen,
Dass nicht Männer solchen Goldreif tragen!

Abends als die Sternlein aufgegangen,
Halten Knab' und Maid sich liebumfangen,
Draußen blühn und glühn verschwiegne Rosen,
Innen blüht's und glüht's von Kuss und Kosen,
Lachend segnen sie die Liebesnoten
Ihres Witzes und den blinden Boten;
Doch die Täublein ahnen nicht im Neste,
Wer der Schlauste aller und der Beste.

Einsam an dem Fenster seiner Zelle
Lehnt der Mönch und blickt zur Sternenhelle,
Saugt den Würzehauch der Blumenglocken,
Hört des Sprossers Locken und Frohlocken,
Und er denkt der Maid und denkt des Knaben:
"Was mir selbst versagt, mag's andre laben!"
Gleichwie Rosenschein auf dem Angesichte:
"Bleibt nur in dem Wahn, ihr guten Kinder,
Dass ich nichts erriet, ein Blöd' und Blinder!"


Hermann von Gilm (1812 - 1864):  Die Nonne

Es schließet sich die Nonne
In ihre düstre Zell',
Schaut nicht das Licht der Sonne
Und wäscht sich nicht am Quell.

Dass sie ein Engel werde,
Flieht sie des Waldes Lust,
Hasst sie die schöne Erde
Und martert ihre Brust.

Doch anders ist mein Wille:
Möcht' keine Nonne sein,
Und lieber eine Grille
Als einst ein Engelein.



Abb.: Buchumschlag

[Bildquelle: Kind, Alfred <1876-1927>: Die Weiberherrschaft in der Geschichte der Menschheit. -- München : Langen [1913]. -- 3 Bde. -- Bd.3. -- S. 115]


Hanns Heinz Ewers (1871 - 1943): Der Stillendorfer Burgherr

Im "Bunten Theater (Überbrettl)" vorgetragen, dann von der Zensur verboten.

Der Stillendorfer Burgherr gibt
Gern Klöstern ein Geschenk,
Den Nonnen schenkt er Bilder meist,
Den Mönchen meist Getränk,

Den Schwestern der Elisabeth,
Die keusch und züchtig sind,
Verehrte er ein Heiligenbild:
Die Mutter mit dem Kind.

Als das die würd'ge Ob'rin sah,
Sie eine Ohnmacht packt;
Entseelt vor Scham, so lag sie da:
Das Kindlein war fast nackt!!

»Der Geist der Sünde bleibe stets
Dem frommen Kloster fremd;
Herr Maler, bitte, malen Sie
Dem Kindlein da ein Hemd!

Vergessen Sie die Ärmel nicht,
Wir seh'n nicht gerne Fleisch.
Die Welt ist heute schrecklich schlecht,
Und wir sind schrecklich keusch!«

Recht hat die gute Oberin!
Viel besser wär's bestellt,
Kam' jedes kleine Kindlein schon
Im Hemde auf die Welt.


Ernst Toller (1893 - 1939): Unser Weg

Die Klöster sind verdorrt und haben ihren Sinn verloren.
Sirenen der Fabriken überschrillen Vesperklang,
Und der Millionen trotziger Befreiungssang
Verstummt nicht mehr vor klösterlichen Toren.

Wo sind die Mönche, die den Pochenden zur Antwort geben:
„Erlösung ist Askese weltenferner Stille..." —
Ein Hungerschrei, ein diamantner Wille
Wird an die Tore branden: „Gebt uns Leben!"

Wir foltern nicht die Leiber auf gezähnten Schrägen,
Wir haben andern Weg zu Gott gefunden,
Uns sind nicht, stammelndes Gebet die Stunden,

Das Reich des Friedens wollen wir zur Erde tragen,
Den Unterdrückten aller Länder Freiheit bringen -
Wir müssen um das Sakrament der Erde ringen!


Zu: Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXIII: George Cruikshank (1792 - 1878)

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