Religionskritik

Aus: Huttens letzte Tage (1871)

von Conrad Ferdinand Meyer


herausgegeben von Alois Payer (payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Meyer, Conrad Ferdinand <1825 - 1898>: Huttens letzte Tage <Auszüge>. -- 1871. -- Fassung vom 2004-06-15. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/meyer02.htm 

Erstmals publiziert: 2004-06-15

Überarbeitungen:

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Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library


XXV

Astrologie

Ihr lieben Sterne tröstet allezeit,
Wer dächte, dass ihr arge Zwingherrn seid!

Ihr seid's! Als sich die Erde mir erhellt,
Ward mir ein widrig Horoskop gestellt.

Weil, als ich kam, der Widder just geglüht,
Bin ich von unverträglichem Gemüt.

Ein flackernd Himmelsirrlicht trägt die Schuld
An meiner Wanderlust und Ungeduld.

Gewissen, lasse fürder mich in Ruh!
Den Sternen schreib ich meine Sünden zu.

Doch überleg es, Hutten! Dreimal nein!
Ein Sklave willst du nie gewesen sein.

Du bist ein Feind von jeder Tyrannei
Und deine Sünden auch begingst du frei!


XXVI

Homo sum

Ich halte Leib und Geist in strenger Zucht
Und werde doch vom Teufel scharf versucht.

Ich möchte meiner Seele Seligkeit
Und bin mit Petri Schlüsselamt im Streit.

Am Tisch der Fugger speist ich dort und hie
Und schimpfe weidlich Pfeffersäcke sie.

Den Städterhochmut hasst ich allezeit
Und hätte gern ein städtisch Kind gefreit.

Auf ehrenfeste Sitten geb ich viel
Und fröne dem verdammten Würfelspiel.

Ich bin des Kaisers treuster Untertan
Und riet dem Sickingen Empörung an.

Das plumpe Recht der Faust ist mir verhasst
Und selber hab ich wohl am Weg gepasst.

Ich bete christlich, dass es Friede sei,
Und mich ergötzen Krieg und Kriegsgeschrei.

Der Heiland weidet alle Völker gleich -
Nur meinen Deutschen gönn ich Ruhm und Reich!

Das heißt: ich bin kein ausgeklügelt Buch,
Ich bin ein Mensch mit seinem Widerspruch.


XXXII

Luther

Je schwerer sich ein Erdensohn befreit,
Je mächt'ger rührt er unsre Menschlichkeit.

Der selber ich der Zelle früh entsprang,
Mir graut, wie lang der Luther drinnen rang!

Er trug in seiner Brust den Kampf verhüllt,
Der jetzt der Erde halben Kreis erfüllt.

Er brach in Todesnot den Klosterbann -
Das Große tut, nur wer nicht anders kann!

Er fühlt der Zeiten ungeheuren Bruch
Und fest umklammert er sein Bibelbuch.

In seiner Seele kämpft, was wird und war,
Ein keuchend hart verschlungen Ringerpaar.

Sein Geist ist zweier Zeiten Schlachtgebiet -
Mich wundert's nicht, dass er Dämonen sieht!


XLII

Die Bilderstürmer

Ich sprach: So, Hutten, kann's nicht länger gehn,
Heut musst du wieder einmal Menschen sehn!

Und sprang ins Boot und bahnte mir den Pfad
Mit Ruderschlag ans rechte Seegestad.

Ein stattlich Dorf erzielt ich mit dem Boot -
Da regte sich's, als wäre Feuersnot.

Wo sich der Dorfbach in den See ergoss,
Lärmt' eine Männerschar, ein Kindertross.

Aus ihrem Kirchlein schleppten mit Geschrei
Die Bilder ihrer Heil'gen sie herbei

Und warfen in die Flut den ganzen Hort
Mit manchem schnöden Witz und frechen Wort.

Der Strudel führte weg den alten Graus
Und wusch der Märt'rer blut'ge Wunden aus.

Wachsherz, Votivgeschenk, Reliquienschrein
Flog alles lustig in den Bach hinein -

Da werd ich eines Steingebilds gewahr,
Mit schwiel'gen Händen hob's ein Männerpaar

Und ich erschrak. Es war ein zart Gebild:
Die Magd Maria lächelte so mild

Und sah das grobe Volk so rührend an,
Als spräche sie: Was hab ich euch getan!

Wie kam das Werk in dieses Kirchleins Raum?
In Nürnberg selber sah ich Bessres kaum.

Man fühlte, dass ein Meister spät und früh
Daran gewendet lauter Lieb und Müh.

Zerstören, was ein gläubig Herze schuf,
Gehorsam einem leisen Engelruf,

Vernichten eine fromme Schöpferlust,
Ein Frevel ist's! Ich fühlt's in tiefer Brust...

Gebiet ich Halt? Ich? Ulrich Hutten? Nein...
Ihr Männer, stürzt das Götzenbild hinein!

Ich trat hervor und rief's mit strengem Mund.
Sie warfen. Etwas Edles ging zugrund.


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