Religionskritisches von Johann Most

Die Gottespest (1883)

von

Johann Most


Herausgegeben von Alois Payer (payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Most, Johann <1846 - 1906 >: Die Gottespest.  -- 1883. -- Fassung vom 2004-12-31. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/most01.htm  

Erstmals publiziert: 2004-12-31

Überarbeitungen:

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Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library


Erstmals erschienen als:

Most, Johann <1846-1906>: Die Gottes-Pest / von John Most. -- New York : Verlag der 'Freiheit', [1883]. -- 20 S.

Viele Nachdrucke.



Abb.: Johann Most

"Johann Most (*5. Februar 1846 in Augsburg, † 17. März 1906 in den USA) war erst Sozialdemokrat, später Anarchist.

Most wurde 1846 in Augsburg als Kind einer armen Familie unehelich geboren. Er wurde schon in seiner Kindheit nicht gerade „vom Leben verwöhnt“. Seine Mutter starb früh und er litt sehr unter seiner Stiefmutter. Schon früh wetterte Most gegen die „Prügelpädagogik“ und wurde, nachdem er einen Schülerstreik organisiert hatte, als 13-jähriger von der Schule verwiesen.

Er machte eine Lehre als Buchbinder und zog als Wandergeselle durch Deutschland, durch Ungarn und durch die Schweiz. Auf seinen Wanderungen kam er mit der Arbeiterbewegung in Kontakt und schloss sich der „Internationale“ an. In der Folgezeit, in der er ebenfalls in Österreich umherreiste, entdeckte er seine agitatorischen Fähigkeiten als Redner. Most wurde von einem Land zum nächsten, in denen er immer wieder verurteilt worden war und kleinere Gefängnisstrafen abgesessen hatte, abgeschoben.

Er arbeitete vorübergehend in verschiedenen Zeitungen und sozialdemokratischen Ortsgruppen mit und ließ sich in Chemnitz nieder, wo er Chefredakteur der Arbeiterzeitung “Chemnitzer Freie Presse” wurde. Das heruntergekommene Blatt, das vor Mosts Ankunft in Chemnitz eine Auflage von 200 Stück hatte, blühte mit dem neuen Redakteur auf. Most konnte, wie auch in seinen Reden, die Arbeiter begeistern – die Auflage des Blattes vergrößerte sich innerhalb von wenigen Wochen um das Sechsfache. Most war eine Belebung für die Chemnitzer Arbeiterbewegung, doch nach einiger Zeit häuften sich die Anzeigen gegen ihn und er saß des Öfteren im Gefängnis. Sein Geld steckte er lieber in die Zeitung und so konnte und wollte er die oft verhängten Strafgelder nicht zahlen. Die Repression der bismarckischen Staatsmacht wurde immer härter – immer häufiger saß er im Gefängnis.

1874 bis 1878 wurde er zweimal als jüngster Abgeordneter in den deutschen Reichstag gewählt und dies schon als 25jähriger, obwohl er aus seinem Antiparlamentarismus keinen Hehl machte und den Reichstag „Reichskasperletheater“ nannte. Als Parlamentarier siedelte Most nach Berlin um, wo er als Redakteur der „Freien Berliner Presse“ arbeitete. Des Weiteren gründete er die erste satirische Zeitung der Arbeiterbewegung - den „Nußknacker“. Most hielt weiter seine agitatorischen Reden. Da es jedoch zunehmend überall von Polizeispitzeln wimmelte, kam Most immer mehr in Bedrängnis. Eine Rede brachte ihm 26 Monate Gefängnis in der Berliner Haftanstalt Plötzensee ein. Nach den fehlgeschlagenen Attentaten auf Wilhelm I. am 11. Mai und am 2. Juni 1878 und dem folgenden Erlass des Sozialistengesetzes emigrierte Most freiwillig nach London.

Dort gab er das zunächst sozialdemokratische, zunehmend aber anarchistische Blatt „Freiheit“ heraus. Doch selbst aus der Exilopposition in London hatte er noch viele Kontakte nach Deutschland. Die „Freiheit“ wurde in großer Stückzahl nach Deutschland geschmuggelt und erfreute sich lange Zeit großer Beliebtheit in Deutschland. Doch auch in England, wo man Most größere Freiheiten ließ, geriet er zunehmend in Schwierigkeiten. 1881 bejubelte Most in einem Leitartikel in der „Freiheit“ das geglückte Attentat auf Alexander II. und äußerte offen seine Sympathie für die russischen Revolutionäre. Dies brachte ihm eine 16-monatige Zwangsarbeit in der Isolationshaft ein, die ihn körperlich zugrunde richtete und ein physisches Wrack aus ihm machte. Ende 1882 verließ er England und schiffte sich nach Amerika ein.

In New York wurde er von Gesinnungsgenossen erwartet und freundlich aufgenommen. Er setzte auch in New York die Arbeit seiner Zeitung „Freiheit“ fort. Diese war durch die große Entfernung zu Deutschland nach seiner Emigration, im Vergleich zu den anderen Zeitungen, nicht mehr konkurrenzfähig und erschien als Folge dessen nicht mehr in Deutschland sondern in den USA. Die „Freiheit“ erschien 31 Jahre lang – 26 Jahr lang unter der Leitung von Johann Most. Die amerikanischen Ausgaben der „Freiheit“ knüpften an den englischen Ausgaben an. Most solidarisierte sich mit dem gescheiterten deutschen Attentäter Reinsdorf, der 1883 bei einem Bombenattentat den gesamten kaiserlichen Hofzug sprengen wollte und veröffentlichte auch Anleitungen zur Nitroglycerinherstellung. Er engagierte sich sofort auch sehr in der amerikanischen Arbeiterbewegung und hatte wiederum schnell einen relativ großen Einfluss. Er agierte unter anderem in Chicago für die Streikbewegung, die den 8-Stundentag forderte. Als die Bombe am Haymarket in Chicago explodierte, bis heute ist nicht geklärt, ob sie zur Provokation von einem Polizeispitzel oder von einem verzweifelten Arbeiter geworfen wurde, saß Most gerade im Gefängnis. Wie in Deutschland und in England saß er auch in den USA einige Male im Gefängnis und oft, wie im Fall der Bombe am Haymarket, wurde er der „geistigen Brandstiftung“ angeklagt. Most organisierte auch „Arbeitertheater“ - kostenlose Theateraufführungen, in denen Arbeiter Zugang zu Theater auf hohem Niveau hatten. Neben der Arbeit an der „Freiheit“ war Mosts Leben in Amerika sehr von seinen Rundreisen geprägt. Er reiste im Land umher - gab Vorträge und hielt Reden über den Anarchismus. Während seiner häufigen Gefängnisaufenthalte hatte er die Zeit gehabt, sich ausführlich mit den anarchistischen Theoretikern zu befassen und sein anfangs nicht sehr umfangreiches Wissen ausgebaut. 1906 starb Most schließlich in Cincinnati.

Die Mostsche “Propaganda der Tat”

Most hatte immer angenommen, dass die Sozialdemokratie auch Platz für anarchistische und sozialrevolutionäre Ideen und Positionen haben müsse. Doch die Realität belehrte ihn eines anderen. Unter dem Eindruck der Genossen in der Sozialdemokratischen Partei, die mehrheitlich, zwar noch nicht am Anfang, aber dann immer konsequenter, radikalere Positionen bekämpften, unter dem Eindruck der staatlichen Repression und dem Erleben der „Scheindemokratie“ im deutschen Kaiserreich, radikalisierte sich Most. Er erlebte, dass Parlament und Reformisten so gut wie keine Änderungen durchsetzen konnten. Dies bestärkte ihn in seinem Antiparlamentarismus – er wollte die „schnelle Umsetzung“, er wollte die Revolution. Weil es seinem kämpferischen Temperament entsprach und weil er überzeugt war, dass man einem Machthaber, speziell dem deutschen Kaiser, seine Macht nicht durch parlamentarische Arbeit abringen könnte, trat er für eine militante soziale Revolution ein und entwickelte die „Propaganda der Tat“. Die „Propaganda der Tat“ knüpfte an die alte Idee des „Tyrannenmörders“ an. Ähnlich wie der berühmte Königsmörder Brutus wollte die „Propaganda der Tat“ zum Wohle des Volkes gegen die Tyrannei vorgehen. Durch das Attentat, den moralisch legitimierten Tyrannenmord, sollte das unterdrückte Volk aus seiner Lethargie geweckt werden. Der anarchistische und sozialrevolutionäre Individualterror sollte der Funke zur Revolution sein. Er sollte die Möglichkeit der Revolution aufzeigen – die Verwundbarkeit der Macht. Die Propagandisten der Tat sahen alle anderen Wege versperrt, dazu kam ihre Ungeduld, und so sahen sie ihren einzigen Ausweg im Terrorismus, den sie moralisch mit der Unterdrückung des Volkes legitimierten. Der Attentäter wurde als gnadenloser Rächer des Volkes hochstilisiert und als Held der Freiheit romantisiert.

Most ist ein wichtiger Repräsentant des deutschen individualterroristischen Anarchismus. In seinen Reden und in seiner Zeitung verbreitete er seine Ideen in einfacher Art und Weise – er liebte, er praktizierte die gnadenlose Satire und Ironie und [[polemisierte|Polemik|| gern und viel in seinen Reden und Artikeln. Most veröffentlichte eine weit verbreitete, von Karl Marx signierte und verifizierte, Ausgabe von Marx „Kapital“. Im Vergleich mit Marx Original war dieses Buch jedoch auch für ungebildeten Menschen – für einfache Arbeiter – verständlich und gut lesbar. So trug Most entscheidend zur Popularisation des Marxismus in Deutschland bei. Most war Organisator der ersten großen Kirchenaustrittsbewegungen. Zu seinen berühmtesten Schriften zählen „Die Gottespest“, ein atheistisches „Glaubensbekenntnis“ und eine Kirchenkritik.

Most war einer der erfolgreichsten frühen Sozialdemokraten und mit mehr oder minder großem Erfolg ein Organisator von vielen Streiks. Anders als viele andere Anarchisten entfernte sich Most jedoch nie von der Arbeiterbewegung. Er hatte zeitlebens gute Kontakte zur Arbeiterbewegung und suchte immer wieder aufs Neue die Nähe der einfachen Arbeiter. Er blieb Zeit seines Lebens immer Gewerkschafter. Most verteidigte auch den Marxismus gegen seine Vereinnahmung durch den autoritären staatssozialistischen Kommunismus. Most war marxistisch geprägt, aber er lehnte, als eine natürliche Konsequenz seiner Ablehnung jeglicher fremdbestimmender Autorität, immer die Parteidisziplin und andere Merkmale des autoritären Kommunismus deutlich ab. Most war Polemisierer, Gewerkschafter, Atheist, Agitator und Journalist. Immer aber war er Anarchist und Agitator der sozialen Revolution. Mit seinen Aktionen und seiner Propaganda steht er, wenn er auch selbst kein Attentäter war, exemplarisch für jene Aktionsformen des Anarchismus in Deutschland gegen Ende des 19. Jahrhunderts."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Most. -- Zugriff am 2004-12-29]



Abb.: Die Gottespest. -- Titelblatt der kommunistischen Kulturzeitschrift "Der Gegner". -- 1921-08

[Bildquelle: Chronik 1921 / Corina Jürgensen ; Sabina Piatzer ... -- 2., überarb. Aufl. -- Gütersloh : Chronik-Verl., 1991. -- 239 S. : zahlr. Ill. -- (Die Chronik-Bibliothek des 20. Jahrhunderts). -- ISBN 3-611-00067-1. -- S. 135]


Die Gottespest

Unter allen Geisteskrankheiten, welche "der Mensch in seinem dunklen Drange" sich systematisch in den Schädel impfte, ist die Gottespest die allerscheußlichste. Wie alles eine Geschichte hat, so ist auch diese Seuche nicht ohne Historie; nur schade, dass es mit der Entwicklung von Unsinn zum Verstand, wie sie im Allgemeinen aus dem Historismus oft gefolgert wird, bei dieser Art Geschichte ganz gewaltig hapert. Der alte Zeus und sein Doppelgänger, der Jupiter — das waren noch ganz anständige, fidele, wir möchten sagen gewissermaßen aufgeklärte Kerle, verglichen mit den jüngsten Drillingssprossen am Stammbaume der Götterei, welche sich, bei Licht besehen, an Brutalität und Grausamkeit getrost mit Vitzliputzli1 messen können.

Wir wollen übrigens mit den pensionierten oder abgesetzten Göttern überhaupt nicht rechten, denn die richten keinen Schaden mehr an. Die noch amtierenden Wolkenverschieber und Höllen-Terroristen des Himmels aber wollen wir dafür desto respektloser kritisieren, blamieren und abführen. Die Christen haben einen dreifältigen Gott; ihre Vorfahren, die Juden, begnügten sich mit einem einfältigen. Sonst sind beide Gattungen eine recht heitere Gesellschaft. "Altes und neues Testament" bilden für sie die Quellen aller Weisheit; daher muss man diese "heiligen Schriften" wohl oder übel lesen, wenn man sie durchschauen und verlachen lernen will.

Greifen wir nur die "Geschichte" dieser Gottheiten heraus, so genügt das eigentlich schon zur Charakteristik des Ganzen vollkommen. In kurzem Abriss ist die die Sache nämlich die: "Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde."2 Er befand sich mithin zunächst im allgemeinen Nichts, wo es allerdings nüchtern genug ausgesehen haben mag, um sich als Gott darin zu langweilen. Und da es für einen Gott eine Kleinigkeit ist, aus Nichts Welten hervorzuzaubern, wie ungefähr ein Taschenspieler Hühnereier oder Silbertaler aus den Ärmeln schüttelt, so "schuf" er "Himmel und Erde". Später drechselte er "Sonne, Mond und Sterne" zurecht. Gewisse Ketzer, so man Astronomen nennt, haben zwar längst festgestellt, dass die Erde weder Mittelpunkt des Universums ist, noch je gewesen sein kann, noch überhaupt zu existieren vermochte, bevor die Sonne, um welche sie sich dreht, da war. Diese Leute haben nachgewiesen, dass es ein reiner Blödsinn ist, von "Sonne, Mond und Sternen" und daneben von der Erde zu reden, als ob dieselbe, verglichen mit Ersteren, etwas ganz Spezielles und Übergewichtiges wäre. Sie haben es längst jedem Schulbuben eingepaukt, dass die Sonne auch nur ein Stern, die Erde aber ein Trabant der Sonne, der Mond sozusagen ein Untertrabant der Erde ist, nicht minder, dass die Erde, verglichen mit dem Weltganzen, weit entfernt, eine hervorragende Rolle zu spielen, umgekehrt kaum wie ein Sonnenstäubchen sich ausnimmt.


Abb.: Der vierte Schöpfungstag / Julius Schnorr von Carolsfeld (1794-1872 ), 1860

Was hat sich ein Gott um Astronomie zu kümmern? Er macht, was er will und pfeift auf Wissenschaft und Logik. Aus diesem Grunde hat er auch nach seiner Erdenfabrikation zuerst das Licht und hernach die Sonne gemacht. Selbst ein "Hottentotte" kann heutzutage einsehen, dass ohne Sonne auf der Erde kein Licht sein kann; aber Gott — hm! der ist ja kein "Hottentott". Aber hören wir weiter! Die "Schöpfung" war so weit ganz gelungen, aber es war immer noch kein rechtes "Leben in der Bude". Der Schöpfer wollte sich amüsieren. Daher machte er endlich Menschen. Er wich dabei merkwürdigerweise ganz von seiner zuvor angewandten Praxis ab. Statt diese "Schöpfung" durch ein einfaches "Es werde!" zu bewerkstelligen, machte er ungemein viel Umstände beim "Schaffen". Er nahm einen ganz prosaischen Lehmkloß zur Hand, modellierte daraus "nach seinem Ebenbilde" eine Mannesfigur und "blies derselben eine Seele ein." Da aber Gott allweise, gütig, gerecht, kurzum die Liebenswürdigkeit selber ist, so leuchtete ihm ein, dass dieser Adam, wie er sein Fabrikat nannte, sich allein ungemein langweilen dürfte. (Vielleicht erinnerte er sich dabei an sein vormaliges langweiliges Dasein im Nichts.) Und so erzeugte er denn eine ganz nette, reizende Eva. Hier hatte ihn indessen offenbar die Erfahrung gelehrt, dass die Bearbeitung von Lehmklößen eben doch für einen Gott ein gar zu unreinliches Geschäft sei, weshalb er eine neue Fabrikationsmethode in Anwendung brachte. Er riss dem Adam eine Rippe aus und verwandelte dieselbe — Geschwindigkeit ist keine Hexerei, am allerwenigsten für einen Gott — in ein niedliches Frauenzimmer. Ob die herausgenommene Rippe Adam später wieder ersetzt wurde, oder ob nach der stattgefundenen Operation Adam als einseitiger Mensch herumlaufen musste, davon schweigt des Sängers Höflichkeit.


Abb.:  Die Schaffung von Adam und Eva / von Marx Anton Hannas (fl. 1610 - 1676). -- 17. Jhdt.

Die moderne Naturwissenschaft hat festgestellt, dass sich Tiere und Pflanzen im Laufe von Millionen von Jahren aus einfachen Urschleimgebilden in den mannigfaltigsten Abzweigungen bis zu ihren jetzigen Formen entwickelt haben. Sie hat ferner festgestellt, dass der Mensch nichts weiter ist, als das Produkt dieser Entwicklung, und dass er nicht nur vor so und so vielen Jahrtausenden auch im engeren Sinne des Wortes ein sehr tierisches Aussehen hatte und keine Sprache besaß, sondern auch, dass er — jede andere Annahme schließt sich von selbst aus — aus niedrigen Tierarten hervorgegangen sein muss.

Die Naturwissenschaft lässt mithin Gott mit seiner selbst verkündeten Menschenmacherei als einen ganz albernen Aufschneider erscheinen. Aber was nützt das alles! Gott lässt mit sich nicht spaßen. Ob seine Erzählungen wissenschaftlich klingen, oder sich wie alberner Quatsch anhören, er befiehlt, dass man daran glaube, widrigenfalls er es geschehen lässt, dass einen der Teufel (sein Konkurrent) holt, was sehr unangenehm sein soll. In der Hölle herrscht ja nicht nur beständiges Heulen und Zähneklappern, sondern es brennt auch ein ewiges Feuer, es nagt ein unermüdlicher Wurm und es stinkt ganz heillos nach Pech und Schwefel. Alledem soll ein Mensch ohne Leib ausgesetzt werden. Es schmort sein Fleisch, das er nicht bei sich hat; er klappert mit den längst ausgefallenen Zähnen; er heult ohne Hals und Lunge; seine in Staub zerfallenen Knochen benagt der Wurm; er riecht ohne Nase — und das alles ewiglich. Eine verteufelte Geschichte!


Abb.: Höllenfahrt des Papstes / von Hans Sebald Beham (1500 - 1550). -- 1524

Gott ist überhaupt, wie er in seiner selbstverfassten Chronik, der Bibel, ganz offenherzig mitteilt, ungemein launig und rachgierig — geradezu ein Musterdespot. Kaum waren Adam und Eva gemacht, so verstand es sich für ihn von selbst, dass dieses Pack regiert werden müsse; deshalb erließ er ein Strafgesetzbuch. Dasselbe lautete kategorisch: Ihr sollt nicht essen vom Baume der Erkenntnis! Seitdem hat auch noch nie irgendwo ein gekrönter oder ungekrönter Tyrann existiert, welcher nicht den Völkern dieses Diktat zugeschleudert hätte.

Adam und Eva respektierten dieses Verbot nicht3. Dafür wurden sie ausgewiesen und zu lebenslänglicher und auch auf ihre Nachkommen für alle Zeiten zu übertragender harte Arbeit verdonnert. Der Eva wurden außerdem noch die "bürgerlichen Ehrenrechte" aberkannt, indem sie als Magd Adams deklariert wurde, dem sie zu gehorchen habe. Unter göttlicher Polizeiaufsicht standen sie ohnehin schon. Wahrhaftig, so weit hat es selbst Fatzke im Schuhriegeln der Menschen noch nicht gebracht.


Abb.: Die Vertreibung aus dem Paradies / Julius Schnorr von Carolsfeld (1794-1872 ), 1860

Die Strenge Gottes gegen die Menschen nützte indessen gar nichts, vielmehr ärgerten ihn dieselben, je mehr sie sich vermehrten, desto schmählicher. Und wie diese Vermehrung vonstatten ging, das konnte man schon bei der Geschichte von Kain und Abel4 merken. Als der letztere von seinem Bruder totgeschlagen worden, ging Kain "in ein fremdes Land" und nahm sich ein Weib. Woher das "fremde Land" mit den dort zu findenden Weibern plötzlich kam, hat der liebe Gott freilich nicht notiert, was bei seiner damaligen Arbeitsausübung nicht zu verwundern ist.

Endlich war das Maß voll. Gott beschloss, die ganze Menschheit durch Wasser zu vertilgen5. Nur ein paar Leute nahm er aus, um es nochmals zu probieren; unglücklicherweise hatte er sich, aller Weisheit ungeachtet, aber schon wieder einmal vergriffen, denn Noah, der Chef der Geretteten, entpuppte sich bald als ein großer Söffel6, mit dem seine Söhne Allotria trieben. Was konnte aus solch einer verlotterten Familie Gutes entstehen?

Wieder breitete sich die Menschheit aus; wieder entwickelte sich dieselbe zu jenen "Rabenäsern" und "Sündenlümmeln"7, von denen das bekannte Mecklenburger Gesangbuch soviel Böses zu berichten weiß. Gott hätte bersten mögen vor himmlischem Zorne, zumal alle seine exemplarischen Lokalzüchtigungen, wie Austilgung ganzer Städte, durch Pech und Schwefel8, "rein für die Katz" waren. So entschloss er sich, das ganze Gesindel mit Stumpf und Stiel auszurotten, als ein höchst sonderbares Ereignis ihn wieder milder stimmte. Andernfalls wäre es längst um die Menschheit geschehen gewesen.

Eines Tages tauchte nämlich ein gewisser "heiliger Geist" auf. Es ging demselben, wie dem "Mädchen aus der Fremde" — Niemand wusste, woher er kam. Der Bibelschreiber (nämlich Gott) sagt nur, er selber sei der heilige Geist. Man hat es also vorläufig mit einer zweieinigen Gottheit zu tun. Jener "heilige Geist" kam auf den Einfall, in der Gestalt eines Täuberichs mit einem Frauenzimmer namens Maria eine Bekanntschaft anzuknüpfen. Er "überschattete" in einer süßen Stunde die Auserwählte seines Herzens, und siehe da, sie gebar ein Knäblein, was indessen, wie Gott in der Bibel ausdrücklich betont, ihrer Jungfräulichkeit durchaus keinen Abbruch tat9. Der früher bemerkte Gott nannte sich nun Gott-Vater, versicherte jedoch gleichzeitig, dass er nicht nur mit dem "heiligen Geist", sondern auch mit Gottes Sohn vollständig identisch sei. Man denke! Der Vater war sein eigener Sohn, der Sohn sein eigener Vater, beide zusammen außerdem noch "heiliger Geist". So gestaltete sich die "heilige Dreifaltigkeit".10

Und nun armes Menschenhirn, halte Stand, denn was jetzt folgt, könnte ein Pferd umbringen! Wir wissen, dass Gott-Vater beschlossen hatte, das Menschenpack zu frikassieren. Das tat dem Gott-Sohn ungemein leid. Er (bekanntlich gleichzeitig Gott-Vater) nahm die ganze Schuld der Menschen auf sich und ließ sich, um seinen Vater (bekanntlich gleichzeitig Gott-Sohn) in seiner Raserei zu beschwichtigen, von jenem zu erlösenden Gesindel zu Tode schinden — natürlich nicht ohne nachträglich wieder frisch und froh in den Himmel zu fahren. Diese Aufopferung des Sohnes (der Eins ist mit dem Vater) machte dem Vater (der Eins ist mit dem Sohn) einen solchen Höllenspaß, dass er sofort eine allgemeine Amnestie erließ, welche zum Teil noch heute in Kraft ist.


Abb.: Der Opfertod Christi am Kreuz  (Detail) / von Albrecht Altdorfer (†1538). -- 1515-1516

Das ist der "geschichtliche Teil" der "heiligen Schrift". Man sieht, der Blödsinn ist dick genug aufgetragen, um Denjenigen, der bereits idiotisiert genug ist, ihn zu verdauen, empfänglich für irgend einen Wahnwitz zu machen. Hierher gehört vor allem die Lehre von der Belohnung und Bestrafung des Menschen im sogenannten "Jenseits". Längst ist es wissenschaftlich erwiesen worden, dass es ein vom Körper unabhängiges Seelenleben nicht gibt, dass das, was die Religionsschwindler "Seele" nennen, nichts weiter ist, wie das Denkorgan (Hirn), welches durch die lebendigen Sinnesorgane Eindrücke empfängt und auf Grund derselben sich betätigt, und dass mithin im Augenblicke des körperlichen Absterbens auch diese Regung aufhören muss. Was kümmern sich aber die Todfeinde des menschlichen Verstandes um die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung? Gerade so viel, als nötig ist, dieselben nicht ins Volk dringen zu lassen. So predigen sie denn das "ewige Leben" der menschlichen "Seele". Wehe derselben, im "Jenseits", wenn der Leib, worin sie "diesseits" gesteckt, die Strafgesetze "Gottes" nicht pünktlich respektierte!


Abb.: Das Jüngste Gericht / von Stefan Lochner (1400 - 1451). -- um 1435

Wie uns diese Leute nämlich versichern, ist ihr "allgütiger, allgerechter, allbarmherziger, gnädiger etc. etc. Gott" eine Ultra-Schnüffelnase, welche sich um jeden Pfifferling eines jeden Einzelnen bekümmert und jeden "Fehltritt", den ein Mensch macht, in seine Allerweltsakten einträgt. Dabei ist er ein ganz absonderlicher Kauz. Während er wünscht, dass neugeborene Kinder unter der Gefahr eines Schnupfens ihm zu Ehren mit kaltem Wasser begossen (getauft) werden; während er einen Heidenspaß hat, wenn unzählige Glaubensschafe in ihren kirchlichen Ställen ihn litaneimäßig anblöken, oder wenn ihm die Eifrigsten seines Anhangs ohne Unterlass fromme Katzenmusik darbringen und ihn um alle möglichen und unmöglichen Dinge anbetteln (beten); während er sich in blutige Kriege mischt und als "Schlachtengott" sich von den Siegern anposaunen und weihräuchern lässt, wird er fuchsteufelswild, wenn jemand an seinem Dasein zweifelt, falls er Katholik ist, an Freitagen Fleisch isst oder nicht fleißig per Ohrenbeichte seine "Sünden" losscheuert; falls er Protestant ist, nicht die den Katholiken empfohlenen Heiligenknochen, Muttergotteslappen und Bilder verachtet, oder wenn er überhaupt nicht mit bockledernen Mienen, verdrehten Augen, gekrümmtem Rücken und gefalteten Händen in der Welt umher duselt.

Stirbt so ein Mensch in "verstocktem" Zustande, so wird ihm vom "lieben Gott" eine Strafe zudiktiert, gegen welche alle Hiebe und Knuten und neunschwänzigen Katzen, alle Zuchthaus-Qualen und Verbannungs-Leiden, alle Empfindungen der Verdammten auf dem Schaffotte, alle Foltern und Martern, die je ein irdischer Tyrann ersonnen haben mag, nur angenehme Kitzeleien sind. Dieser "Gott" überbietet an bestialischer Grausamkeit alles, was auf der Erde Kanailleuses passieren könnte.

Sein Zuchthaus heißt  Hölle, die wir bereits kennen, sein Henker ist der Teufel, seine Strafen dauern ewig. Er gewährt höchstens für leichte Fälle nach längerer Zeit Begnadigung, vorausgesetzt, dass der betreffende Delinquent als Katholik gestorben ist. Für einen solchen hat er nämlich unter Umständen das "Fegefeuer" vorgesehen, welches sich von der "Hölle" ungefähr so unterscheidet, wie in Preußen das Gefängnis vom Zuchthaus; so ist es nur für verhältnismäßig kurzzeitige Insassen eingerichtet und hat etwas leichtere Disziplin. Immerhin brennt es auch im Fegefeuer ganz "gottsträflich". Sogenannte "Todsünden" werden indessen nie mit Fegefeuer, sondern stets nur mit Hölle geahndet. Hierher gehört z.B. "Gotteslästerung", begangen durch Wort, Schrift und Gedanken. Gott duldet also in dieser Beziehung nicht nur weder Press-, noch Redefreiheit, sondern er trifft auch schon die unausgesprochenen Gedanken. Überbietet er somit schon an und für sich an Rüpelhaftigkeit selbst die schuftigsten Despoten aller Länder und Zeiten, so tut er dies weit mehr noch hinsichtlich der Art und Dauer seiner Strafmittel. Dieser Gott ist also das denkbar entsetzlichste Scheusal. Sein Verhalten ist um so infamer, als er von sich behaupten lässt, dass die ganze Welt und namentlich die Menschheit in all ihrem Tun und Lassen durch seine "göttliche Vorsehung" reguliert wird. Er malträtiert also die Menschen für Handlungen, deren Urheber er selber ist! Wie liebenswürdig sind gegenüber diesem Ungeheuer die Tyrannen der Erde aus vergangener und gegenwärtiger Zeit!— Gefällt es Gott aber, einen Menschen nach seinen Begriffen gut leben und sterben zu lassen, so — malträtiert er ihn erst recht. Denn der versprochene "Himmel" ist, wenn man ihn genau betrachtet, noch ein viel heilloserer Platz, als die Hölle. Man hat da gar keine Bedürfnisse, sonder ist immer befriedigt, ohne dass je ein Verlangen nach irgend einer Sache der Befriedigung vorausginge. Da aber ohne Verlangen und Erlangen gar kein Genuss denkbar ist, so ist das Dasein im Himmel rein genusslos. Man ist da ewig im Anschauen Gottes versunken; es wird immer auf den nämlichen Harfen dieselbe Melodie gespielt; man singt fortwährend das "neue Lied, das schöne Lied", wenn auch nicht "von dem versoffen Nagelschmied"11, so doch kaum Anregenderes. Das ist die höchste Potenz der Langweiligkeit Der Aufenthalt in einer Isolierzelle wäre dem entschieden vorzuziehen.


Abb.: Im Himmel (Liebigs Sammelbilder)

Kein Wunder, dass diejenigen, welche reich und mächtig genug sind, das Paradies auf Erden genießen, unter sich mit Heine lachend ausrufen:

"Den Himmel überlassen wir den Engeln und den Spatzen"12

Und doch sind es gerade die Reichen und Mächtigen, welche den Gottesblödsinn und die Religionsduselei hegen und pflegen. Es gehört das entschieden zum Geschäft.

Ja, es ist für die herrschenden und ausbeutenden Klassen geradezu eine Lebensfrage, ob das Volk religiös versimpelt wird oder nicht. Mit dem Religionswahnsinn steht und fällt ihre Macht.

Je mehr der Mensch an Religion hängt, desto mehr glaubt er. Je mehr er glaubt, desto weniger weiß er. Je weniger er weiß, desto dümmer ist er. Je dümmer er ist, desto leichter kann er regiert werden! — Dieser Gedankengang war den Tyrannen aller Länder und Zeiten geläufig, daher standen sie auch stets mit den Pfaffen im Bunde. Gelegentliche Streitigkeiten zwischen diesen beiden Sorten von Menschenfeinden waren sozusagen nur häuslicher Hader um die Obergewalt. Jeder Pfaff' weiß, dass er ausgespielt hat, sobald die "oberen Zehntausend" ihm nicht mehr unter die Arme greifen. Jedem Reichen und Mächtigen ist es kein Geheimnis, dass der Mensch nur dann geknechtet und ausgebeutet werden kann, wenn die Schwarzkünstler irgend einer Kirche es fertig bringen, genügenden Sklavensinn in die Herzen der Volksmassen zu pflanzen, denselben die Erde als "Jammertal" erscheinen zu lassen, ihnen das "göttliche" Diktat: "Seid Untertan der Obrigkeit!"12 einzutrichtern, und sie mit einer angeblichen Extrawurst, welche nach dem Tode im unbekannten Wolkenkuckucksheim gebraten werden soll, abspeisen.

Der Erzjesuit Windthorst13 ließ einmal im deutschen Reichstag in der Hitze des Gefechtes deutlich genug erkennen, wie die Schwindler und Gauner der Welt über diesen Punkt denken. "Wenn im Volke der Glaube zerstört wird" — sagte er — "kann es das viele Elend nicht mehr ertragen und rebelliert!" — das war deutlich und hätte jeden Arbeiter zum Nachdenken anregen sollen, würde ihn auch stutzig gemacht haben, wenn — ja wenn nicht so viele religiös zu vernagelt wären, um noch imstande zu sein, mit normalen Ohren zu hören und einfache Dinge zu begreifen.

Umsonst haben die Pfaffen — d.h. die schwarzen Gendarmen des Despotismus — sich nicht stets so ungeheuer abgemüht, den Rückgang des religiösen Wesens aufzuhalten, obwohl sie selbst bekanntlich unter sich vor Lachen bersten möchten ob des Blödsinns, den sie gegen gute Bezahlung predigen. Jahrtausende hindurch haben diese Gehirnverhunzer einfach ein Schreckensregiment geführt, ohne welches die religiöse Tollhäusigkeit längst ein Ende genommen hätte. Galgen und Schwert, Kerker und Ketten, Gift und Dolch, Meuchel- und Justizmord — das waren ihre Mittel zur Aufrechterhaltung dieses Wahnsinns, der ein ewiger Schandfleck in der Geschichte der Menschheit bleiben wird. Hunderttausende sind auf Scheiterhaufen langsam "im Namen Gottes" geröstet worden, weil sie es gewagt, den biblischen Mist stinkend zu finden. Millionen von Menschen wurden gezwungen, sich in langwierigen Kriegen die Köpfe gegenseitig einzuschlagen, ganze Länder zu verwüsten und nach Mord und Brand die Pest zu erzeugen — nur damit die Religion erhalten blieb. Die raffiniertesten Foltern wurden seitens der Pfaffen und ihrer Helfershelfer ersonnen, wenn es galt, diejenigen, welche vor Gott keine Furcht mehr hatten, durch irdische Teufeleien neuerdings in Religiosität hineinzuschrecken.

Man nennt einen Menschen einen Verbrecher, der anderen Hände und Füße verstümmelt. Wie soll man jene bezeichnen, welche das Hirn zugrunderichten, und, wenn ihnen das nicht gelingen will, den ganzen Körper mit ausgesuchter Grausamkeit Zoll für Zoll verderben?

Wohl ist wahr: Diese Strolche können heute ihr göttliches Banditengewerbe nicht mehr in der althergebrachten Weise treiben, wenn auch Gotteslästerungsprozesse und dergl. immer noch vorkommen; dafür haben sie sich aber desto mehr auf Familienschleicherei, auf Weiberbeeinflussung, auf Kinderfang und Missbrauch der Schule geworfen. Ihre Heuchelei hat eher zu- als abgenommen. Selbst der Presse haben sie sich in einem sehr hohen Grade bemächtigt, seitdem sie bemerkten, dass sie nicht mehr imstande seien, die Buchdruckerei als solche wieder aus der Welt zu schaffen. "Wo ein Pfaff hintritt, wächst zehn Jahre lang kein Gras mehr", lautet ein altes Sprichwort. Das heißt mit anderen Worten: Ein Mensch, der einmal den Pfaffen unter die Klauen geraten ist, hat aufgehört, gedanklich fruchtbar zu sein. Seine Gehirnmaschinerie stockt, statt derselben kriechen religiöse Maden und göttliche Würmer in seinem Schädel umher. Er gleicht einem Schafe, das die Drehkrankheit14 hat. Diese Unglücklichen sind um ihren eigenen Lebenszweck betrogen und, was noch schlimmer ist, bilden den großen Tross im Gefolge der Widersacher von Wissenschaft und Aufklärung, von Revolution und Freiheit. Wo immer es gilt, neue Ketten für die Menschheit zu schmieden: sie sind bereit, in stumpfsinnigem Unverstand wie besessen darauf loszuhämmern. Wenn gegen die fortschreitende Entwicklung der Dinge Hindernisse in den Weg gewälzt werden sollen — diese Unglücklichen werfen sich nötigenfalls in ihrer ganzen breiten Masse dem Strome der Zeit entgegen. Wenn man sich daher anschickt, diese Geisteskrankheit zu kurieren, so tut man nicht nur ein gutes Werk den Betreffenden gegenüber, sondern man steht auch im Begriffe, einen Krebsschaden auszubrennen, an welchem das ganze Volk leidet, und der schließlich unbedingt total ausgetilgt werden muss, wenn die Welt endlich eine Stätte für Menschen werden soll, statt, wie bisher, ein Spielplatz für Götter und Teufel, welche mit uns Schindluder treiben. Heraus also mit der Religion aus den Köpfen und nieder mit den Pfaffen! Die Letzteren pflegen zu sagen, der Zweck heiligt die Mittel. Wohlan! Wenden wir diesen Grundsatz endlich auch gegen sie an! Unser Zweck ist die Befreiung der Menschheit aus jeglicher Sklaverei, aus dem Joche sozialer Knechtschaft, wie aus dem Fesseln politischer Tyrannei, nicht minder, ja vor allem, aus dem Banne religiöser Finsternis. Jedes  Mittel zu Erreichung dieses hohen Zieles muss von allen wahren Menschenfreunden für recht erkannt und bei jeder sich darbietenden Gelegenheit in Anwendung gebracht werden.

Jeder religionslose Mensch begeht eine Pflichtvernachlässigung, wenn er täglich und stündlich nicht alles aufbietet, was in seinen Kräften steht, die Religion zu untergraben. Jeder von Gottesglauben Befreite, der es unterlässt, das Pfaffentum zu bekämpfen, wo und wann und wie er nur immer Gelegenheit dazu hat, ist ein Verräter seiner Sache. Also Krieg dem schwarzen Gesindel — unversöhnlicher Krieg bis aufs Messer! Aufreizung gegen die Verführer, Aufklärung für die Verführten! Lasset uns jedes Mittel des Kampfes in unsere Dienste nehmen: Die Geißel des Spottes, wie die Fackel der Wissenschaft; wird diese nicht zureichen, — greif- und fühlbarere Argumente!


Abb.: Gottesphrasen und Religionsgefasel: Einbandtitel von: Geißler, Heiner <1930 - > <CDU-Politiker>: Was würde Jesus heute sagen? : die politische Botschaft des Evangeliums. -- 1. Aufl. -- Berlin : Rowohlt Berlin, 2003. -- 155 S. ; 22 cm. -- ISBN: 3-87134-477-X. -- Preis: EUR 16.90 [Ganz schön geldgierig dieser Jesusjünger!]

Vor allem hüte man sich, in der Arbeiterbewegung Gottesphrasen und Religionsgefasel schweigend mitanzuhören. So wenig in dem Lager der sozialen Revolution — und was außerhalb desselben steht, ist eben reaktionär — monarchistische Agitationen oder Privateigentums-Beschönigungen Raum finden können, so wenig ist in demselben Platz für göttlichen Blödsinn. Und, wohlgemerkt: je "anständiger" diejenigen erscheinen, welche das verfluchte Religionsblech mit den Arbeiterbestrebungen vermischen wollen; je "besser" deren Ruf ist, desto  gefährlicher  sind sie. Wer den Gottesschwindel in  irgend  einer Form predigt, kann nur ein Dummkopf oder ein Schurke sein. Beide Sorten taugen nichts zur Förderung einer Sache, welche nur dann ihr Ziel zu erreichen vermag, wenn sie voll und ganz auf der Höhe wissenschaftlicher Erkenntnis steht und sich der Ehrlichkeit ihrer Verfechter erfreut.


Abb.: "Opportunitätspolitik ist da ein Verbrechen": Bundeskanzler Gerhard Schröder "S"PD (r.) empfängt Bischof Wolfgang Huber, neugewählter Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), zu dessen Antrittsbesuch in seinem Arbeitszimmer im Kanzleramt. -- [Bildquelle: https://wwwbpa.init-ag.de/dokumente/-,413.599809/Bild/Bundeskanzler-Schroeder-empfaengt-Bischof-Huber.htm. -- Zugriff am 2004-12-31^]

Opportunitätspolitik ist da nicht bloß von Übel, sie ist ein  Verbrechen. Lassen die Arbeiter irgend welche Pfaffen sich in ihre Angelegenheiten mischen, so sind sie nicht nur belogen und betrogen, sondern auch alsbald verraten und verkauft. So selbstverständlich es ist, dass der Hauptkampf des Proletariats sich gegen den Kapitalismus zu richten hat und mithin auch auf die Zerstörung des Gewaltmechanismus desselben, des Staates, abzielen muss, so wenig darf in ihrem Kampfe die Kirche außer Acht gelassen werden. Die Religion muss systematisch im Volke untergraben werden, wenn dasselbe zu Verstand kommen soll, ohne welchen es nicht die Freiheit erringen kann.

Für die Dummen, resp. Verdummten, so weit sie noch besserbar erscheinen, werfe man u. a. folgende Fragen auf:

Vor solchen Fragen steht der gläubige Mensch, wie ein Ochs vor dem Berge.


Abb.: "Ist Gott allwissend, weshalb belästigt man ihn mit seinen Privatangelegenheiten und Gebeten?": Fürbitten in einem katholischen Gottesdienst [Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes wird die Bildquelle nicht angegeben]

Jeder Nachdenkende muss aber zugeben, dass  nicht  ein  einziger  Beweis  für die Existenz eines Gottes je erbracht worden ist. Außerdem liegt nicht die geringste Notwendigkeit für die Existenz eines Gottes vor. So wie wir bereits die Eigenschaften und Regeln der Natur kennen, ist ein Gott in oder außerhalb derselben geradezu zwecklos, gänzlich überflüssig und mithin ganz von selbst hinfällig. Sein "moralischer" Zweck ist noch nichtiger.

Es gibt ein großes Reich, in welchem ein Herrscher regiert, dessen Verfahren den Geist seiner Untertanen in Unordnung bringt. Er will gekannt, geliebt und geehrt sein, und alles bemüht sich, die Begriffe zu verwirren, die man sich von ihm machen kann. Die Völker, welche seiner Gewalt unterworfen sind, besitzen über den Charakter und die Gesetze ihres unsichtbaren Souveräns bloß solche Ideen, als ihnen seine Minister mitteilen; diese hingegen geben es zu, dass sie selbst keine Vorstellungen von ihrem Meister sich machen können, dass sein Wille unerforschlich, seine Ansichten und Eigenschaften unergründlich sind; so sind seine Diener unter sich selbst nie einig über die Gebote, die sie von ihm auszugeben vorgeben, dessen Organe sie sich nennen; er verkündet dieselben in jeder Provinz seines Reiches verschieden; sie schmähen sich gegenseitig und Einer beschuldigt den Anderen des Betruges und der Verfälschung. Die Edikte und Gebote, welche sie zu verkünden beauftragt zu sein vorgeben, sind dunkel; es sind Rätsel, die von den Untertanen, denen sie zur Belehrung gegeben sein sollen, nicht verstanden und nicht erraten werden können. Die Gesetze des verborgenen Monarchen bedürfen der Erklärungen, doch Jene, die sie erklären, sind nie unter sich einig; Alles, was sie von ihrem verborgenen Fürsten erzählen, ist ein Chaos von Widersprüchen; sie sagen auch nicht ein Wort, das sich nicht auf der Stelle als Lüge erweisen ließe. Man nennt ihn außerordentlich gut; dennoch gibt es auch nicht einen Menschen, der sich nicht über seine Beschlüsse beklagt. Man nennt ihn unendlich weise, und in seiner Verwaltung scheint alles der Vernunft und dem gesunden Verstand entgegen zu sein. Man rühmt seine Gerechtigkeit und die besten seiner Untertanen sind gewöhnlich die am wenigsten Begünstigten. Man versichert, dass er alles sieht, und seine Allgegenwart heilt nichts. Er ist, sagt man, ein Freund der Ordnung, und in seinem Staate ist alles in Verwirrung und Unordnung. Er tut alles aus sich selbst, aber die Ereignisse entsprechen selten seinen Plänen. Er sieht alles voraus, aber er weiß nicht, was da kommen wird. Er lässt sich nicht ungestraft beleidigen und dennoch duldet er die Beleidigung eines Jeden. Man bewundert sein Wissen, die Vollkommenheit seiner Werke, dennoch sind seine Werke unvollkommen und von kurzer Dauer. Er schafft, zerstört und verbessert an dem, was er gemacht hat, ohne je mit seinem Werke zufrieden zu sein. Bei allen seinen Unternehmungen sieht er nur auf seinen eigenen Ruhm, dennoch erreicht er den Zweck, allgemein gerühmt zu werden, nicht. Er arbeitet bloß an dem Wohlergehen seiner Untertanen, aber denselben mangelt größtenteils das Notwendigste. Jene, die er am meisten zu begünstigen scheint, sind gewöhnlich am wenigsten mit ihrem Schicksal zufrieden; man sieht sie fast alle stets gegen einen Herren sich auflehnen, dessen Größe sie bewundern, dessen Weisheit sie rühmen, dessen Güte sie verehren, dessen Gerechtigkeit sie fürchten und dessen Gebote sie heiligen, welche sie nie befolgen. — Dieses Reich ist die Welt; dieser Herrscher ist Gott; seine Diener sind die Pfaffen, die Untertanen die Menschen, — eine schöne Gegend!

Der Gott der Christen speziell ist, wie wir gesehen haben, ein Gott, der Verheißungen macht, um sie zu brechen; der Pest und Krankheiten über die Menschen kommen lässt, um sie zu bessern. Ein Gott, der die Menschen nach seinem Ebenbilde schuf und doch nicht der Urheber des Bösen sein soll; der sah, dass seine Werke sehr gut waren, und doch bald vernahm, dass sie schlecht sind; der es wusste, dass die Menschen von der verbotenen Frucht essen würden, und dennoch dafür das ganze Menschengeschlecht verdammte.

Ein Gott, der so schwach ist, um sich vom Teufel überlisten zu lassen, so grausam, dass ihm kein Tyrann der Erde verglichen werden kann, das ist der Gott der jüdisch-christlichen Götterlehre.

Derselbe ist ein  allweiser  Pfuscher, der die Menschen vollkommen erschuf und sie doch nicht vollkommen erhalten konnte, der den Teufel erschuf und ihn doch nicht zu beherrschen vermag, ein  Allmächtiger, der Millionen Unschuldiger verdammte wegen des Fehlers Einiger; der durch die Sündflut alle Menschen vertilgte bis auf einige, und ein neues Geschlecht erzeugen ließ, nicht besser als das frühere; der einen Himmel machte für die Toren, die an die Evangelien glauben, und eine Hölle für die Weisen, die sie verwerfen. — Er ist ein göttlicher Quacksalber, der sich durch den heiligen Geist selbst erzeugte; der sich selbst als Vermittler sandte zwischen sich und Anderen; der, verachtet und verhöhnt von seinen Feinden an ein Kreuz genagelt wurde wie eine Fledermaus an ein Scheunentor; der sich begraben ließ, von den Toten auferstand, die Hölle besuchte, lebendig in den Himmel fuhr und nun seit neunzehnhundert Jahren zur rechten Hand seiner selbst sitzt, um zu richten die Lebendigen und die Toten, dann, wenn es keine Lebendigen mehr geben wird. Er ist ein  schrecklicher  Tyrann, dessen Geschichte mit Blut geschrieben sein sollte, weil sie eine Religion des Schreckens ist.


Abb.: "Wichtiges Nichts" [Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes wird die Bildquelle nicht angegeben]

Hinweg denn mit der christlichen Götterlehre; hinweg mit einem Gott, erfunden durch Priester des blutigen Glaubens, die ohne ihr wichtiges  Nichts, womit sie alles erklären, nicht länger im Überfluss schwelgen, nicht länger Demut predigen und selbst im Glanze leben; nicht länger Sanftmut predigen und Hochmut üben, sondern durch die Aufklärung in den Abgrund der Vergessenheit geschleudert werden. Hinweg denn mit der grausamen Dreieinigkeit — dem mörderischen Vater, dem unnatürlichen Sohn, dem wollüstigen Geist! Hinweg mit all den entehrenden Phantasmen, in deren Namen die Menschen zu elenden Sklaven entwürdigt und durch die Allmacht der Lüge von den Mühen der Erde auf die Freuden des Himmels verwiesen werden. Hinweg mit ihnen, die mit ihrem geheiligten Wahne der Fluch der Freiheit und des Glückes sind!

Gott ist nur ein von raffinierten Schwindlern erfundenes Gespenst, vermittelst welchem die Menschen bisher in Angst erhalten und tyrannisiert wurden. Aber das Truggebilde zerfließt sofort, wenn es unter dem Glase nüchterner Untersuchung betrachtet wird; und die betrogenen Massen werden unwillig, auf solche Popanzen noch länger zu achten, vielmehr führen sie den Pfaffen die Worte des Dichters zu Gemüte:

"Ein Fluch dem Götzen, zu dem wir gebeten
In Winterkälte und Hungersnöten.
Wir haben vergebens gehofft und geharrt;
Er hat uns geäfft, gefoppt und genarrt." 15

Sie lassen sich hoffentlich nicht mehr lange äffen, foppen und narren, sondern stecken eines schönen Tages die Kruzifixe und Heiligen in den Ofen, verwandeln die Monstranzen und Kelche in nützliches Geschirr, benützen die Kirchen als Konzert-, Theater-, oder Versammlungslokale, oder, falls sie dazu nicht taugen sollten, als Kornspeicher und Pferdeställe, hängen die Pfaffen und Nonnen ins Glockenhaus und können bloß das Eine nicht begreifen; wieso es kam, dass nicht schon längst derartig verfahren wurde.

Dieser kurze, bündige und einzig praktikable Prozess wird sich natürlich erst im Sturme der kommenden sozialen Revolution vollziehen, d.h. in dem Augenblick, wo man auch mit den Komplizen der Pfaffheit, den Fürsten, Junkern, Bürokraten und Kapitalisten "tabula rasa16" macht, Staat und Gesellschaft aber, gleich der Kirche, mit eisernem Besen gründlich ausmisten wird.


Erläuterungen:

1  Vitzliputzli (Huitzilopotschtli), der mit Menschenopfern verehrte Kriegsgott der alten Mexikaner (Azteken), den man in Kolossalgestalt, mit Goldmaske u. den Leib mit goldener Schlange umwunden, darstellte.

2 Genesis (Erstes Buch Mose) 1:

1Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
2Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.
3Und Gott sprach: Es werde Licht! und es ward Licht.
4Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis
5und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.

6Und Gott sprach: Es werde eine Feste zwischen den Wassern, und die sei ein Unterschied zwischen den Wassern.
7Da machte Gott die Feste und schied das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste. Und es geschah also.
8Und Gott nannte die Feste Himmel. Da ward aus Abend und Morgen der andere Tag.

9Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an besondere Örter, dass man das Trockene sehe. Und es geschah also.
10Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Sammlung der Wasser nannte er Meer. Und Gott sah, dass es gut war.
11Und Gott sprach: Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut, das sich besame, und fruchtbare Bäume, da ein jeglicher nach seiner Art Frucht trage und habe seinen eigenen Samen bei sich selbst auf Erden. Und es geschah also.
12Und die Erde ließ aufgehen Gras und Kraut, das sich besamte, ein jegliches nach seiner Art, und Bäume, die da Frucht trugen und ihren eigenen Samen bei sich selbst hatten, ein jeglicher nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war.
13Da ward aus Abend und Morgen der dritte Tag.

14Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht und geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre
15und seien Lichter an der Feste des Himmels, dass sie scheinen auf Erden. Und es geschah also.
16Und Gott machte zwei große Lichter: ein großes Licht, das den Tag regiere, und ein kleines Licht, das die Nacht regiere, dazu auch Sterne.
17Und Gott setzte sie an die Feste des Himmels, dass sie schienen auf die Erde.
18und den Tag und die Nacht regierten und schieden Licht und Finsternis. Und Gott sah, dass es gut war.
19Da ward aus Abend und Morgen der vierte Tag.

20Und Gott sprach: Es errege sich das Wasser mit webenden und lebendigen Tieren, und Gevögel fliege auf Erden unter der Feste des Himmels.
21Und Gott schuf große Walfische und allerlei Getier, dass da lebt und webt, davon das Wasser sich erregte, ein jegliches nach seiner Art, und allerlei gefiedertes Gevögel, ein jegliches nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war.
22Und Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehrt euch und erfüllt das Wasser im Meer; und das Gefieder mehre sich auf Erden.
23Da ward aus Abend und Morgen der fünfte Tag.

24Und Gott sprach: Die Erde bringe hervor lebendige Tiere, ein jegliches nach seiner Art: Vieh, Gewürm und Tiere auf Erden, ein jegliches nach seiner Art. Und es geschah also.
25Und Gott machte die Tiere auf Erden, ein jegliches nach seiner Art, und das Vieh nach seiner Art, und allerlei Gewürm auf Erden nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war.
26Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.
27Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie einen Mann und ein Weib.
28Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie euch untertan und herrscht über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.
29Und Gott sprach: Seht da, ich habe euch gegeben allerlei Kraut, das sich besamt, auf der ganzen Erde und allerlei fruchtbare Bäume, die sich besamen, zu eurer Speise,
30und allem Getier auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das da lebt auf Erden, dass sie allerlei grünes Kraut essen. Und es geschah also.
31Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag.

[Luther-Bibel 1912]

3 Genesis (Erstes Buch Mose) 3:

1Und die Schlange war listiger denn alle Tiere auf dem Felde, die Gott der HERR gemacht hatte, und sprach zu dem Weibe: Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von den Früchten der Bäume im Garten?

2Da sprach das Weib zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten;
3aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esst nicht davon, rührt's auch nicht an, dass ihr nicht sterbt.

4Da sprach die Schlange zum Weibe: Ihr werdet mitnichten des Todes sterben;
5sondern Gott weiß, dass, welches Tages ihr davon esst, so werden eure Augen aufgetan, und werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.

6Und das Weib schaute an, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er lieblich anzusehen und ein lustiger Baum wäre, weil er klug machte; und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann auch davon, und er aß.
7Da wurden ihrer beiden Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schürze.
8Und sie hörten die Stimme Gottes des HERRN, der im Garten ging, da der Tag kühl geworden war. Und Adam versteckte sich mit seinem Weibe vor dem Angesicht Gottes des HERRN unter die Bäume im Garten.

9Und Gott der HERR rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du?

10Und er sprach: Ich hörte deine Stimme im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich.

11Und er sprach: Wer hat dir's gesagt, dass du nackt bist? Hast du nicht gegessen von dem Baum, davon ich dir gebot, du solltest nicht davon essen?

12Da sprach Adam: Das Weib, das du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum, und ich aß.

13Da sprach Gott der HERR zum Weibe: Warum hast du das getan? Das Weib sprach: Die Schlange betrog mich also, dass ich aß.

14Da sprach Gott der HERR zu der Schlange: Weil du solches getan hast, seist du verflucht vor allem Vieh und vor allen Tieren auf dem Felde. Auf deinem Bauche sollst du gehen und Erde essen dein Leben lang.
15Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinem Samen und ihrem Samen. Derselbe soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.

16Und zum Weibe sprach er: Ich will dir viel Schmerzen schaffen, wenn du schwanger wirst; du sollst mit Schmerzen Kinder gebären; und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein, und er soll dein Herr sein.

17Und zu Adam sprach er: Dieweil du hast gehorcht der Stimme deines Weibes und hast gegessen von dem Baum, davon ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen, verflucht sei der Acker um deinetwillen, mit Kummer sollst du dich darauf nähren dein Leben lang.
18Dornen und Disteln soll er dir tragen, und sollst das Kraut auf dem Felde essen.
19Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis dass du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden.

20Und Adam hieß sein Weib Eva, darum dass sie eine Mutter ist aller Lebendigen.

21Und Gott der HERR machte Adam und seinem Weibe Röcke von Fellen und kleidete sie.

22Und Gott der HERR sprach: Siehe, Adam ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist. Nun aber, dass er nicht ausstrecke seine Hand und breche auch von dem Baum des Lebens und esse und lebe ewiglich!

23Da wies ihn Gott der HERR aus dem Garten Eden, dass er das Feld baute, davon er genommen ist,
24und trieb Adam aus und lagerte vor den Garten Eden die Cherubim mit dem bloßen, hauenden Schwert, zu bewahren den Weg zu dem Baum des Lebens.

[Luther-Bibel 1912]

4 Genesis 4, 1- 16:

1Und Adam erkannte sein Weib Eva, und sie ward schwanger und gebar den Kain und sprach: Ich habe einen Mann gewonnen mit dem HERRN.
2Und sie fuhr fort und gebar Abel, seinen Bruder. Und Abel ward ein Schäfer; Kain aber ward ein Ackermann.

3Es begab sich nach etlicher Zeit, dass Kain dem HERRN Opfer brachte von den Früchten des Feldes;
4und Abel brachte auch von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Und der HERR sah gnädig an Abel und sein Opfer;
5aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an. Da ergrimmte Kain sehr, und seine Gebärde verstellte sich.

6Da sprach der HERR zu Kain: Warum ergrimmst du? und warum verstellt sich deine Gebärde?
7Ist's nicht also? Wenn du fromm bist, so bist du angenehm; bist du aber nicht fromm, so ruht die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie.

8Da redete Kain mit seinem Bruder Abel. Und es begab sich, da sie auf dem Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot.

9Da sprach der HERR zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Er sprach: Ich weiß nicht; soll ich meines Bruders Hüter sein?

10Er aber sprach: Was hast du getan? Die Stimme des Bluts deines Bruders schreit zu mir von der Erde.
11Und nun verflucht seist du auf der Erde, die ihr Maul hat aufgetan und deines Bruders Blut von deinen Händen empfangen.
12Wenn du den Acker bauen wirst, soll er dir hinfort sein Vermögen nicht geben. Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden.

13Kain aber sprach zu dem HERRN: Meine Sünde ist größer, denn dass sie mir vergeben werden möge.
14Siehe, du treibst mich heute aus dem Lande, und ich muss mich vor deinem Angesicht verbergen und muss unstet und flüchtig sein auf Erden. So wird mir's gehen, dass mich totschlage, wer mich findet.

15Aber der HERR sprach zu ihm: Nein; sondern wer Kain totschlägt, das soll siebenfältig gerächt werden. Und der HERR machte ein Zeichen an Kain, dass ihn niemand erschlüge, wer ihn fände.

16Also ging Kain von dem Angesicht des HERRN und wohnte im Lande Nod, jenseits Eden, gegen Morgen.

[Luther-Bibel 1912]

5 Genesis 6

1Da sich aber die Menschen begannen zu mehren auf Erden und ihnen Töchter geboren wurden,
2da sahen die Kinder Gottes nach den Töchtern der Menschen, wie sie schön waren, und nahmen zu Weibern, welche sie wollten.

3Da sprach der HERR: Die Menschen wollen sich von meinem Geist nicht mehr strafen lassen; denn sie sind Fleisch. Ich will ihnen noch Frist geben hundertundzwanzig Jahre.

4Es waren auch zu den Zeiten Tyrannen auf Erden; denn da die Kinder Gottes zu den Töchtern der Menschen eingingen und sie ihnen Kinder gebaren, wurden daraus Gewaltige in der Welt und berühmte Männer.

5Da aber der HERR sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar,
6da reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen,
7und er sprach: Ich will die Menschen, die ich gemacht habe, vertilgen von der Erde, vom Menschen an bis auf das Vieh und bis auf das Gewürm und bis auf die Vögel unter dem Himmel; denn es reut mich, dass ich sie gemacht habe.

8Aber Noah fand Gnade vor dem HERRN.
9
Dies ist das Geschlecht Noahs. Noah war ein frommer Mann und ohne Tadel und führte ein göttliches Leben zu seinen Zeiten
10und zeugte drei Söhne Sem, Ham und Japheth.

11Aber die Erde war verderbt vor Gottes Augen und voll Frevels.
12Da sah Gott auf die Erde, und siehe, sie war verderbt; denn alles Fleisch hatte seinen Weg verderbt auf Erden.

13Da sprach Gott zu Noah: Alles Fleisches Ende ist vor mich gekommen; denn die Erde ist voll Frevels von ihnen; und siehe da, ich will sie verderben mit der Erde.
14Mache dir einen Kasten von Tannenholz und mache Kammern darin und verpiche ihn mit Pech inwendig und auswendig.
15Und mache ihn also: Dreihundert Ellen sei die Länge, fünfzig Ellen die Weite und dreißig Ellen die Höhe.
16Ein Fenster sollst du daran machen obenan, eine Elle groß. Die Tür sollst du mitten in seine Seite setzen. Und er soll drei Boden haben: einen unten, den andern in der Mitte, den dritten in der Höhe.
17Denn siehe, ich will eine Sintflut mit Wasser kommen lassen auf Erden, zu verderben alles Fleisch, darin ein lebendiger Odem ist, unter dem Himmel. Alles, was auf Erden ist, soll untergehen.
18Aber mit dir will ich einen Bund aufrichten; und du sollst in den Kasten gehen mit deinen Söhnen, mit deinem Weibe und mit deiner Söhne Weibern.
19Und du sollst in den Kasten tun allerlei Tiere von allem Fleisch, je ein Paar, Männlein und Weiblein, dass sie lebendig bleiben bei dir.
20Von den Vögeln nach ihrer Art, von dem Vieh nach seiner Art und von allerlei Gewürm auf Erden nach seiner Art: von den allen soll je ein Paar zu dir hineingehen, dass sie leben bleiben.
21Und du sollst allerlei Speise zu dir nehmen, die man isst, und sollst sie bei dir sammeln, dass sie dir und ihnen zur Nahrung da sei.

22Und Noah tat alles, was ihm Gott gebot.

[Luther-Bibel 1912]

6 Genesis 9, 20ff.

20Noah aber fing an und ward ein Ackermann und pflanzte Weinberge.
21Und da er von dem Wein trank, ward er trunken und lag in der Hütte aufgedeckt.

22Da nun Ham, Kanaans Vater, sah seines Vaters Blöße, sagte er's seinen beiden Brüdern draußen.
23Da nahmen Sem und Japheth ein Kleid und legten es auf ihrer beider Schultern und gingen rücklings hinzu und deckten des Vaters Blöße zu; und ihr Angesicht war abgewandt, dass sie ihres Vater Blöße nicht sahen.

24Als nun Noah erwachte von seinem Wein und erfuhr, was ihm sein jüngster Sohn getan hatte,
25sprach er: Verflucht sei Kanaan und sei ein Knecht aller Knechte unter seinen Brüdern!
26und sprach weiter: Gelobt sei der HERR, der Gott Sem's; und Kanaan sei sein Knecht!

27Gott breite Japheth aus, und lasse ihn wohnen in den Hütten des Sem; und Kanaan sei sein Knecht!

28Noah aber lebte nach der Sintflut dreihundertfünfzig Jahre.

[Luther-Bibel 1912]

7

Ich bin ein rechtes Rabenaas,
Ein wahrer Sündenkrüppel,
Der seine Sünden in sich fraß,
Als wie der Rost den Zwippel.
Ach Herr, so nimm mich Hund beim Ohr,
Wirf mir den Gnadenknochen vor
Und nimm mich Sündenlümmel
In deinen Gnadenhimmel!

 

8 Genesis 19,24f.

24Da ließ der HERR Schwefel und Feuer regnen von Himmel herab auf Sodom und Gomorra
25und kehrte die Städte um und die ganze Gegend und alle Einwohner der Städte und was auf dem Lande gewachsen war.

9 z.B. Lukasevangelium 1, 26ff.

26Und im sechsten Monat ward der Engel Gabriel gesandt von Gott in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth,
27zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Manne mit Namen Joseph, vom Hause David: und die Jungfrau hieß Maria.

28Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: Gegrüßet seist du, Holdselige! Der HERR ist mit dir, du Gebenedeite unter den Weibern!

29Da sie aber ihn sah, erschrak sie über seine Rede und gedachte: Welch ein Gruß ist das?

30Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria! du hast Gnade bei Gott gefunden.
31Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, des Namen sollst du Jesus heißen.
32Der wird groß sein und ein Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der HERR wird ihm den Stuhl seines Vaters David geben;
33und er wird ein König sein über das Haus Jakob ewiglich, und seines Königreiches wird kein Ende sein.

34Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen, da ich von keinem Manne weiß?

35Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das von dir geboren wird, Gottes Sohn genannt werden.
36Und siehe, Elisabeth, deine Gefreunde, ist auch schwanger mit einem Sohn in ihrem Alter und geht jetzt im sechsten Monat, von der man sagt, dass sie unfruchtbar sei.
37Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.

38Maria aber sprach: Siehe ich bin des HERRN Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast. Und der Engel schied von ihr.

[Luther-Bibel 1912]

10 z. B.: Das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel (wird von Protestanten und Katholiken offiziell geglaubt!)

Wir glauben an den einen Gott,
den Vater,
den Allmächtigen,
der alles geschaffen hat,
Himmel und Erde,
die sichtbare und die unsichtbare Welt.

Und an den einen Herrn Jesus Christus,
Gottes eingeborenen Sohn,
aus dem Vater geboren vor aller Zeit:
Gott von Gott,
Licht vom Licht,
wahrer Gott vom wahren Gott,
gezeugt, nicht geschaffen,
eines Wesens mit dem Vater;
durch ihn ist alles geschaffen.
Für uns Menschen und zu unserm Heil ist er vom Himmel gekommen,
hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist
von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden.
Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus,
hat gelitten und ist begraben worden,
ist am dritten Tage auferstanden nach der Schrift
und aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten des Vaters
und wird wiederkommen in Herrlichkeit,
zu richten die Lebenden und die Toten;
seiner Herrschaft wird kein Ende sein.

Wir glauben an den Heiligen Geist,
der Herr ist und lebendig macht,
der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht,
der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird,
der gesprochen hat durch die Propheten,
und die eine, heilige, christliche und apostolische Kirche.
Wir bekennen die eine Taufe zur Vergebung der Sünden.
Wir erwarten die Auferstehung der Toten
und das Leben der kommenden Welt.

11 Ich kann die Anspielung nicht auflösen

12 Heinrich Heine (1797-1856): Deutschland. Ein Wintermärchen. Caput I. -- 1844

Sie sang vom irdischen Jammertal,
Von Freuden, die bald zerronnen,
Vom Jenseits, wo die Seele schwelgt
Verklärt in ew'gen Wonnen.

Sie sang das alte Entsagungslied,
Das Eiapopeia vom Himmel,
Womit man einlullt, wenn es greint,
Das Volk, den großen Lümmel.

Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,
Ich kenn auch die Herren Verfasser;
Ich weiß, sie tranken heimlich Wein
Und predigten öffentlich Wasser.

Ein neues Lied, ein besseres Lied,
O Freunde, will ich euch dichten!
Wir wollen hier auf Erden schon
Das Himmelreich errichten.

Wir wollen auf Erden glücklich sein,
Und wollen nicht mehr darben;
Verschlemmen soll nicht der faule Bauch,
Was fleißige Hände erwarben.

Es wächst hienieden Brot genug
Für alle Menschenkinder,
Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust,
Und Zuckererbsen nicht minder.

Ja, Zuckererbsen für jedermann,
Sobald die Schoten platzen!
Den Himmel überlassen wir
Den Engeln und den Spatzen.


Und wachsen uns Flügel nach dem Tod,
So wollen wir euch besuchen
Dort oben, und wir, wir essen mit euch
Die seligsten Torten und Kuchen.

Ein neues Lied, ein besseres Lied!
Es klingt wie Flöten und Geigen!
Das Miserere ist vorbei,
Die Sterbeglocken schweigen.

Die Jungfer Europa ist verlobt
Mit dem schönen Geniusse
Der Freiheit, sie liegen einander im Arm,
Sie schwelgen im ersten Kusse.

Es wächst hienieden Brot genug
Für alle Menschenkinder,
Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust,
Und Zuckererbsen nicht minder.

Ja, Zuckererbsen für jedermann,
Sobald die Schoten platzen!
Den Himmel überlassen wir
Den Engeln und den Spatzen.

Und wachsen uns Flügel nach dem Tod,
So wollen wir euch besuchen
Dort oben, und wir, wir essen mit euch
Die seligsten Torten und Kuchen.

12  Römerbrief 13, 1: Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet.

13 Ludwig Windthorst, deutscher Zentrumspolitiker, kein Jesuit, galt aber als jesuitisch

"Windthorst, Ludwig. deutscher Politiker, geb. 17. Jan. 1812 in Osterkappeln bei Osnabrück, gest. 14. März 1891 in Berlin, wurde auf dem Carolinum in Osnabrück für den geistlichen Stand vorbereitet, studierte 1831-34 die Rechte, wurde Rechtsanwalt in Osnabrück, dann ritterschaftlicher Syndikus und vorsitzender Rat des katholischen Konsistoriums daselbst und 1848 Oberappellationsgerichtsrat in Celle. Seit 1849 Mitglied der hannoverschen Zweiten Kammer, im unterstützte W. die partikularistische, preußenfeindliche Politik Stüves, wurde 1851 als Führer der ministeriellen Partei Präsident der Kammer, 22. Nov. Justizminister und setzte die Errichtung des katholischen Bistums Osnabrück durch. 1853 schied er aus dem Ministerium und ward wieder Abgeordneter, 1862 in dem Ministerium Brandis-Platen Justizminister, unterstützte die Bemühungen Österreichs, Hannover an seine Politik zu ketten, und ward 21. Okt. 1865 Kronoberanwalt in Celle. Nach der Annexion von 1866 legte er sein Amt nieder und führte 1867 die Verhandlungen mit Bismarck über die Abfindung des Königs Georg, die mit dem Vertrage vom 29. Sept. 1867 endeten. Seit 1867 auch Mitglied des norddeutschen Reichstags und des preußischen Abgeordnetenhauses für Meppen (»Perle von Meppen«), hielt er sich anfangs zurück, nahm 17. Juni 1869 an dem anti-infallibilistischen Laienkonzil in Berlin teil, stellte sich aber zuerst im Reichstag im März 1871, dann auch im Abgeordnetenhaus entschieden an die Spitze der ultramontanen Partei, die er straff zusammenhielt, und mit der er die partikularistischen Elemente der Opposition (Polen und Welfen) gegen die Regierung verschmolz. Schlagfertig und witzig, in allen Künsten sophistischer Dialektik erfahren, errang W. als Führer der Opposition bedeutende rednerische Erfolge, und wenn er auch die Maigesetzgebung nicht hindern konnte, so bereitete er doch Bismarck und Falk durch seine scharfe Opposition manche Schwierigkeiten, verzögerte durch seine zahllosen Reden den Fortgang der Geschäfte und suchte jede Erstarkung der Reichsgewalt zu verhindern. Ein Staatsmann war W. nicht, aber ein ausgezeichneter Parlamentarier. Auf den jährlichen Katholikenversammlungen gab er die politische Parole für die ultramontane Partei aus. Nach seinem Tod erschienen seine »Ausgewählten Reden, gehalten in der Zeit 1851-1891« (Osnabr. 1901-02, 3 Bde.)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

14 Drehkrankheit (Drehsucht, Blasenschwindel, Taumelsucht, Kopfdrehe, Tölpischsein): Krankheit der Schafe, seltener junger Rinder, wird verursacht durch Coenurus cerebralis, den Blasenwurm des Hundebandwurms Taenia coenurus.

15 Heinrich Heine (1797-1856): Die schlesischen Weber (1844):

Im düstern Auge keine Träne,
Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
»Deutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten
In Winterskälte und Hungersnöten
Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt -
Wir weben, wir weben!


Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen,
Der den letzten Groschen von uns erpreßt,
Und uns wie Hunde erschießen läßt -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
Wo jede Blume früh geknickt,
Wo Fäulnis und Moder den Wurm erquickt -
Wir weben, wir weben!

Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
Wir weben emsig Tag und Nacht -
Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch,
Wir weben, wir weben!«

16 Tabula rasa (lat.): Schreibtafel , von der das Wachs abgeschabt ist, daher sprichwörtlich soviel wie »nichts mehr vorhanden«.


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