Religionskritisches von Johann Christianus Friedrich Schilling

Über die Begräbnisse in Wien (1781)

von Johann Christianus Friedrich Schilling


Herausgegeben von Alois Payer (payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Schilling, Johann Christianus Friedrich <1753 - 1803 >: Über die Begräbnisse in Wien.  -- 1781. -- Fassung vom 2004-09-06. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/schilling01.htm      

Erstmals publiziert: 2004-09-06

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Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library


Erstmals anonym erschienen in Wien 1781.

Wieder abgedruckt in:

Literatur der Aufklärung : 1765 - 1800 / hrsg. von Edith Rosenstrauch-Königsberg. -- Wien ; Köln ; Graz : Böhlau, 1988. -- 358 S. -- (Österreichische Bibliothek ; 8). -- ISBN: 3-205-00706-9. -- S. 98 - 107


"Über die Begräbnisse in Wien: Die Broschürenflut, die nach der Erweiterung der Pressefreiheit in Wien einsetzte, wurde durch eine kleine Schrift des Regierungssekretärs Friedrich Schilling eröffnet, die 1781 anonym erschien. Sie hieß »Über die Begräbnisse in Wien« und löste allein 21 Broschüren zur gleichen Thematik aus, die gegen Schillings Aufsatz polemisierten. In dieser Schrift werden die hohen Kosten der Begräbnisse und die Habsucht des Klerus scharf angegriffen. Die Schrift wurde mehrmals verlegt.

Schilling ist am 12. September 1753 in Erfurt geboren und starb am 3.Juli 1803 in Wien. Er trat im Jahre 1782 als Regierungssekretär in österreichische Dienste, wurde 1789 Hofsekretär, 1791 Regierungsrat und 1794 Hofrat. Im Jahre 1795 wurde er mit Beibehaltung seines Amtes bei der Polizeihofstelle als Beisitzer in die Hofkommission berufen, die sich mit der Prüfung des öffentlichen Unterrichts beschäftigte. Er veröffentlichte auch eine Reihe anderer Druckschriften, die jedoch keinerlei Bedeutung erlangten."

[Quelle: Literatur der Aufklärung : 1765 - 1800 / hrsg. von Edith Rosenstrauch-Königsberg. -- Wien ; Köln ; Graz : Böhlau, 1988. -- 358 S. -- (Österreichische Bibliothek ; 8). -- ISBN: 3-205-00706-9. -- S. 324]


Friedrich Schilling

Über die Begräbnisse in Wien

Dem unsterblichen Erasmus von Rotterdam
widmet diese Blätter mit Ehrfurcht der Verfasser

Ich war neulich in einer Gesellschaft, wo man die Gabe Gottes, Rede genannt, höher schätzte als ein totes Schweigen beim Spieltische.

Das Gespräch rollte anfangs wie gewöhnlich über das Wetter, die rheumatischen Fieber, den amerikanischen Krieg und über einen lustigen Schwank des Erlangers; endlich gab der Todesfall eines Hausfreundes zu einer langen Unterredung Stoff. Man sprach viel von der Art seiner Krankheit, von den letzten Augenblicken seines Lebens, von dem Geistlichen, der sich hatte dreimal rufen lassen, weil Seine Hochwürden nicht eher hatten kommen können, bis sie abgespeist und die halbe Verdauung gemacht, und endlich von den Klagen der Witwe über die schweren Begräbniskosten.

Dieser letzte Punkt brachte die ganze Gesellschaft in eine allgemeine Gärung. Ein jeder von den Anwesenden hatte entweder den Druck dieser Last selbst gefühlt, oder er wusste ein Beispiel anzuführen, wo einer seiner Verwandten und Freunde ihn hart empfunden hatte. Alle kamen darin überein, dass die Begräbnisse der Verstorbenen mancher lebenden Familie in Wien das Brot wegnähmen, die Wirtschaft manches ehrlichen Hausvaters in Unordnung brächten und dass man sich beinahe mehr für die Beerdigung als für den Tod selbst zu fürchten habe.

Auf diese gemeinschaftlichen Klagen folgte Untersuchung, man spürte den Ursachen nach, warum die Begräbnisse so teuer zu stehen kämen, man tat fromme Wünsche für die Hemmung dieses schädlichen Übels, und kurz!, man äußerte so redliche menschenfreundliche Gesinnungen für das Wohl der Bürger, man sprach so vernünftig über diesen in Wahrheit nicht gleichgültigen Gegenstand, dass ich auf der Stelle beschloss, die Anmerkungen dieser Biedermänner zu sammeln und in eine Art von Abhandlung zusammenzuziehen.

Vorläufig muss ich erinnern, dass alle die Männer, welche an diesem Gespräch Anteil genommen, eifrige Verehrer der Religion, wahre echtgläubige Christen waren, so echtgläubig, dass selbst die heilige Inquisition, wenn sie nach irgendeinem aus ihnen ihre langen und spitzigen Geierkrallen ausgestreckt hätte, ihn gewiss (welches selten geschieht) wieder ungerupft würde entlassen haben. Dieses bloß zur Nachricht für diejenige Klasse, die, wenn von irgend etwas die Rede ist, was doch nur das Interesse einiger Menschen, die Religion selber aber im geringsten nicht betrifft, gleich über Unglauben und Freigeisterei schreien, aber so grimmig schreien, dass davon die Mauern der Stadt mitsamt dem Stephansturm zusammenfallen möchten.

Nun zur Sache!

Vorurteil, Aberglaube, Luxus von einer Seite, Interesse, Habsucht von der anderen scheinen die Hauptursachen dieses verderblichen Übels zu sein.

Ich weiß nicht, wie man auf den Gedanken verfallen ist, als wenn ein prächtiges Begräbnis dem Verstorbenen zu einer ganz besonderen Ehre gereiche; man hört nichts gewöhnlicher als diese Redensart: Man muss sie oder ihn doch hübsch begraben lassen - es ist die letzte Ehre.

Was in aller Welt kann das zum guten Namen einer Person beitragen, wenn auf etlichen Kirchtürmen Glocken geläutet werden, eine Schar weißer, schwarzer, brauner, weißschwarzer oder braun-weißer Bettelmönche vorantrabet, ein paar klägliche Posaunen mit ein paar elenden Sängern die Luft durchheulen, ein Dutzend silberne Bruderschaftsheilige den Sarg belästigen, eine lange Reihe rot-weißer und schwarzmänteliger Geheimnisbrüder der Leiche folgen, und wie die Herrlichkeiten so weiter gehen. Was sag ich, kann dieses zur Ehre eines Verstorbenen beitragen? Wer wird des Verstorbenen Charakter höher schätzen, ihn länger in seinem Andenken erhalten, deswegen weil er schön ist begraben worden? Oder nennt man vielleicht das Ehre, wenn Kinder und Pöbel herbeilaufen, den schönen Zug wie eine Komödie angaffen und ihre Zungen an dem Lebenswandel des Verstorbenen wetzen?

Doch der Aberglaube sieht die Pracht beim Begräbnisse als eine gottesdienstliche Feierlichkeit an, die selbst dem Verstorbenen zu etwas nutzen könne. Fürwahr ein seltener Einfall! Dem Leichnam hilft es nun einmal gewiss nicht, denn der eilt schon seiner gänzlichen Vernichtung entgegen, und die Würmer haben nicht so viel feine Lebensart, dass sie mit einem schön begrabenen Körper säuberlicher umgingen als mit einem andern.

Der Seele kann es nun auch nicht zu ihrer Verklärung zustatten kommen, denn ob man gleich schon wunderliche Dinge in der Welt behauptet hat, so ist es meines Wissens noch keinem Theologen in den Sinn gekommen zu behaupten, dass man die Seele in den Himmel läuten, posaunen oder mit einer Truppe Bettelmönche dahin eskortieren könne.

Der klarste Beweis von diesem ist ja, dass die gar Armen, bei denen es nun einmal unmöglich, dass sie zahlen können, selbst ohne alle Begleitung eines Geistlichen zum Grabe getragen wurden, sollte wohl der Geistliche - der Seelenhirte - so lieblos sein und eines seiner anvertrauten Schäflein nur einen Augenblick vom Himmel abhalten wollen deswegen, weil es ihm die Gebühr nicht zahlen konnte? Er - der so oft in seinen Kinderlehren das Totenbegraben als eines der sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit angepriesen?

Also nicht des Toten wegen braucht so viel Aufwand bei den Begräbnissen gemacht zu werden; wohl aber findet die Eitelkeit der Lebenden dabei ihre Rechnung. Es ist eine Art von verderblichem Luxus. Man will es dabei wie in mehreren andern Stücken den anderen gleich- oder noch zuvortun, fällt dabei, wie in mehreren Stücken, in übertriebenen Aufwand und richtet dadurch sein Hauswesen zugrunde.

Man sage nicht, dass die schuldige Achtung gegen die Verstorbenen einen solchen Aufwand nötig mache.

Welcher Mann wird von seiner hinterlassenen Hälfte, von seinen Kindern, Verwandten oder Freunden fordern, dass sie seines toten Körpers wegen sich in beschwerliche Kosten stecken und vielleicht gar dadurch in Mangel geraten sollen.

Oder gesetzt auch, dass der Verstorbene dieses fordern wollte (welches doch nicht leicht zu vermuten), sollten wir, die Lebendigen, nicht so klug sein und es bleibenlassen?

Ich weiß zwar wohl, dass prächtige Leichenbegängnisse das Steckenpferd vieler Nationen waren; die Ägypter, Griechen und Römer wandten nach dem Zeugnisse der Geschichtsschreiber viel auf ihre Begräbnisse und Verbrennungen. - Aber wer heißt uns die Prachtliebe derselben nachmachen?

Die Perser warfen ihre Toten auf den Schindanger, die Grönländer lassen sie an der Luft hart und steif frieren, die Iberier ließen sie den Vögeln der Luft zur Beute - die Hyrkanier hielten eigene Hunde, sie aufzufressen, die Tartaren nehmen sich die Müh und fressen sie selbst auf, die Kolchier steckten sie in Säcke und hingen sie an die Bäume. Viele Völker verbrannten die Körper, viele warfen sie ins Wasser, viele machten noch was anderes mit ihnen.

Wenn es uns nun nicht einfällt, die Begräbnisarten dieser wilden Völker zu kopieren, warum wollen wir nun gerade die Pracht der gesitteten und verfeinerten Griechen und Römer nachahmen, die eben durch ihre Verfeinerung und ihren Luxus sich immer mehr und mehr entkräfteten und zuletzt ein Raub auswärtiger Feinde wurden.

Ich kann mich nicht genug wundern, dass man die Vornehmen und den Adel, dem man doch im übrigen sonst alles nachäfft, nicht auch hierin zum Muster nimmt. Diese werden gewöhnlich bei stiller Nacht ohne Sang und Klang zu der Wohnung ihrer Väter gebracht, und kein Mensch denkt daran, dass dadurch ihr hochadeliger Glanz auch nur im geringsten verdunkelt würde, ja man hält es eben für desto vornehmer und feierlicher, je stiller es dabei zugeht.

Und um ein Beispiel anzuführen, das uns noch frisch im Gedächtnis liegt, wollte die unvergessliche Marie Therese nicht selbst ohne alles Gepränge in ihre Kaisergruft gesetzet werden?

Wie sehr wünschte ich, dass auch hier der alle Spruch Regis ad exemplum totus componitur orbis seine Wunderkraft ausübte und uns von unserem Vorurteile, Aberglauben, unserer Prachtliebe und Eitelkeit zurückbrächte.

Doch - die Klagen so vieler ehrlicher Hausväter, die Seufzer so mancher bedrängten Witwen über die schweren Begräbniskosten sind ein Beweis, dass schon viele wirklich davon zurückgekommen sind und dass sie gerne das drückende Joch des Vorurteils abschüttelten, wenn nicht andererseits Interesse und Habsucht mit verdoppelten Kräften arbeiteten und die Leute zu dem verderblichen Aufwand zwängen.

Ich habe einmal in einem alten Buche gelesen, dass es eine traurige Sache um den Menschen sei, weil er weder kann geboren werden, weder heiraten noch sterben, ohne der Geistlichkeit dafür Tribut zu zahlen.

Was das Geborenwerden und Heiraten betrifft, so sind die Taxen (weil es ohnehin gewöhnlich eine freudige Sache ist) doch noch erträglich, wiewohl auch diese einigen schwer genug fallen, aber bei den Begräbnissen sind sie ein wenig zu übertrieben.

Ich rechne hierher nicht, was bei solchen Gelegenheiten für Summen in die Klöster für Seelenmessen geschleppt werden, auch bin ich weit davon, den heiligen Eifer zu tadeln, mit welchem man sich bemüht, den Seelen der Verstorbenen zu Hilfe zu kommen.

Die Kirche lehrt, dass es heilsam sei, für die Abgeschiedenen zu beten, und jeder rechtschaffene Christ glaubt es und freuet sich in seinem Herzen, seinen Eltern, Verwandten und Freunden selbst nach dem Tod noch einen Dienst leisten zu können. Wohlverstanden also: Diesen Aufwand* rechne ich hierher nicht, noch tadle ich denselben.

Die Rede ist hier nur von den eigentlichen Begräbnistaxen. Und von diesen behaupt ich, dass die Geistlichkeit sie zu hoch getrieben, dass sie jeder Familie beschwerlich fallen, dass sie manche gar zugrunde richten.

Diese Ausdrücke scheinen hart zu sein, und mancher wird glauben, dass sie aus einer Feder fließen, die sich gern wider die Geistlichen spitzt - wir wollen sehen, ob ich sie verteidigen kann.

Stellen Sie sich einen Hausvater vor, der das Jahr durch gerade so viel Einnahme hat, als nötig, um sich, seine Frau und seine Kinder zu erhalten, dass dieses der Fall vieler Hausväter dieser Stadt sei, glaub ich nicht erst beweisen zu dürfen. Nun setzen Sie, dass eine Krankheit diese Familie heimsucht. Die Frau und ein paar Kinder werden bettlägerig. Durch dieses muss die ganze Wirtschaft schon in Unordnung geraten. Der Mann kann nicht mehr ungehindert seine Geschäfte treiben, folglich, wenn er ein Handwerksmann, nicht mehr so viel verdienen, die Einnahme des Mannes ist geringer, die Ausgaben stärker. Die kranke Frau und Kinder brauchen Wartung, Arznei und Hilfe. Die Gefahr der Krankheit wird größer, der Mann will seine Frau und Kinder vom Tode retten, ihm blutet das Herz, er versetzt, verkauft alles, was er hat, und sieht sich nun entblößt von allein. Jetzt kommt der unerbittliche Tod und reißt ihm das Weib von seiner Seite. Der Mutter folgen ein paar Kinder. Die Verlegenheit des Mannes wächst mit jedem Augenblick, die Leichen müssen begraben werden. Umsonst ist der Tod, aber nicht umsonst das Begräbnis. Die Geistlichen wollen bezahlet sein und fragen nur nicht, woher. Der Mann muss borgen, sich in Schulden stecken und ist vielleicht auf immer zugrunde gerichtet.

Wenn Sie mit dieser Schilderung noch nicht zufrieden sind, so wenden Sie den Fall um. Setzen Sie, der Mann, von dessen Händen einzig die Familie ihre Unterhaltung bekam, wird nun auf das Krankenbette hingestreckt. Von dem Augenblick, wo er nichts mehr arbeiten kann, hört auch sein ganzer Verdienst auf. Das Weib in der größten Unruh bietet alle ihre Kräfte auf, ihm Hilfe zu leisten, den letzten Heller gibt sie her, dem Brotgeber das Leben zu erhalten. Aber vergebens, er verschlimmert sich täglich, und er - stirbt.

Jetzt denken Sie sich das Weib mit Kindern umgeben, ohne Trost, ohne Geld, ohne Aussicht in die Zukunft, in dem erbarmungswürdigsten Zustande von der Welt; denken Sie sich dasselbe, wie sie Götter und Menschen zu bewegen sucht - nicht um ihren Kindern den schreienden Hunger zu stillen, nein!, um den Geistlichen die Gebühren zahlen zu können.

Finden Sie jetzt den Ausdruck noch zu hart, dass die Begräbniskosten manche Familie zugrunde richten? Ich hoffe, das Bild, welches ich Ihnen eben dargestellet, wird Sie vom Gegenteil überzeugen. Zwar habe ich es mit einem warmen Pinsel ausgemalt, aber ich nahm es nicht aus meiner Einbildungskraft, ich nahm es aus meinem Herzen. Mehr wie einmal habe ich solche traurigen Auftritte gesehn, und sie haben mich oft zu Tränen gezwungen, aber - oft auch beinahe zum Rasen gebracht.

Freilich wohl hat man dieses Unwesen schon längstens eingesehn, und weise Verordnungen haben demselben schon abzuhelfen gesucht. Es sind gewisse Klassen festgesetzt und die Taxen für jede dieser Klassen bestimmt worden.

Doch dadurch ist nur so viel gewonnen, dass es nicht der Willkür der Geistlichkeit lediglich überlassen ist. Im Grunde sind diese Taxen noch immer übermäßig und zu hoch gespannt, die geringste Klasse fordert noch immer einen Aufwand, der ein ganzes Hauswesen zerrütten oder ein durch vorhergehende Krankheiten schon zerrüttetes ins völlige Verderben stürzen kann.

Ich schreibe kein Wort nieder, welches ich nicht auf das strengste mir zu erweisen getrauete. Ich könnte Quittungen beilegen, die argumenta ad hominem abgäben, wenn ich nicht überzeugt wäre, dass die meisten meiner Leser dergleichen selbst in Händen hätten, wodurch sie aller Welt vor Augen legen können, wie empfindlich sie von dieser Landplage sind mitgenommen und wie unbarmherzig sie von der ehrwürdigen Geißel sind disziplinieret worden.

Doch vielleicht wird nach Beschaffenheit der Personen, der Umstände von diesen Taxen etwas nachgelassen? Vielleicht beschuldige ich mit Unrecht die Geistlichkeit in Forderung dieser Taxen eines Eigennutzes, und einer Härte, die mit dem Gelübde der Armut, der Menschlichkeit und der christlichen Liebe sich so wenig zusammenreimet?

Ich wünschte hier mehr als jemals unrecht zu haben. Zum Unglück aber lehrt mich die Erfahrung das Gegenteil. Ich weiß Züge, die mit dein Betragen des liebvollen Samaritans im Evangelio einen solchen abstechenden Kontrast machen, dass ich sie zur Ehre der Menschheit lieber verschweigen will; sie würden, wenn ich sie bekannt machte, das Blut jedes Ehrlichdenkenden in Wallung bringen, und sie möchten ein verhasstes Licht auf einen Stand werfen, der unsere ganze Achtung und Ehrfurcht verdient.

Jetzt noch ein Wort von gewissen Nebenwegen.

Ich rede hier nicht von den Kirchendienern, Messnern, Ansagern und wie die Trabanten weiter heißen, die sich der Begräbnisgeschäfte auf das eifrigste annehmen, sich die Bestürzung einer Familie, welche ein Todesfall meistens hervorbringt, trefflich zunutze machen, nebst den bestimmten Taxen noch unter hunderterlei Rubriken Geld abzwacken und der großen Wassermühle der Geistlichen durch hundert kleine Kanäle Zufluss verschaffen, von diesen schädlichen Insekten will ich hier nichts reden, nur an den Bruderschaften kann ich bei dieser Gelegenheit nicht ohne Erwähnung vorbeigehen.

Diese sind überhaupt genommen eine wahre Schatzkammer für die Geistlichen, und von der Seite betrachtet, macht die Erfindung derselben dem Geiste der Mönche Ehre. Sie bringen durch diese die Menschen in nähere Verbindung zusammen, bilden einen kleinen statum in statu - der sich leichter übersehen und regieren lässt -, versichern sämtliche Brüder und Schwestern des besondern Schutzes eines Heiligen oder einer Heiligen, versprechen Beistand im Leben und Tod - und lassen sich für alles das, wie billig, bezahlen.

Es ist unglaublich, wieviel durch Einschreiben, Opfer, Quartalgelder und mehrere andere Titel jährlich in die löblichen Bruderschaftkassen einkommet und mit welchem redlichen Herzen das gute Volk seinen Beutel zieht.

Wenn irgendeine Abgabe zur Erhaltung des Staats aufgelegt wird, so ist des Klagens darüber kein Ende - der beste Fürst muss dann in den Augen des unzufriedenen Pöbels ein Tyrann scheinen, man sträubt sich, flucht und lästert. Wenn aber der Geistliche ihm sein Geld abnimmt, so singt er noch ein Danklied und küsst mit Ehrerbietung die Hand, die sich würdiget, es ihm abzunehmen. Dieses nur im Vorbeigehen.

Zu den Begräbnissen haben die Bruderschaften folgendes Verhältnis: dass sie die Ursache sind, warum sich der größere Teil in dieselbe als Bruder aufnehmen lässt; die Geistlichen zeigen nebst anderen vielfachen Gnadenschätzen auch die Ehre und den Vorzug, bei seinem Begräbnisse von einer löblichen Bruderschaft begleitet zu werden. Dieser Vorzug wirket so mächtig auf die schwachen Gemüter der Menschen, dass sie sich gerne entschließen, ihr ganzes Leben durch der Geistlichkeit Maut zu zahlen, bloß um bei ihren Begräbnissen von der christlichen Gemeinde nicht als Kontreband angesehen zu werden.

Durch diese und dergleichen Mittel erhält sich der Despotismus der Geistlichkeit immer aufrecht. Die Habsucht frisst sich am Marke des Volks wie Mastvieh satt, das Publikum wird nach und nach geschwächt - und viele Familien gehen durch das zugrunde.

Ich müsste Folianten schreiben, wenn ich diese fruchtbare Materie mehr auseinandersetzen und ins Kleine gehen wollte. Doch es ist dieses eine ebenso unangenehme als undankbare Arbeit. Man liebt eben nicht sehr die Beleuchtung gewisser Dinge, und gewöhnlich schlägt man gern die Laterne dem aus der Hand, der sich zu nahe mit derselben hinzuwagt.

Möchte das wenige, was ich über die Begräbnisse gesagt, auf guten Boden fallen und zum Nutzen des Volkes aufkeimen und wachsen; dieses wünsch ich aus ganzem Herzen,

Es hat lange gewährt, bis die Vorstellung vernünftiger Männer durchgedrungen, dass die Begräbnisörter nicht mehr da angelegt werden, wo sich oft die Lebendigen versammeln, um ihre Andacht zu verrichten, und wo die Toten durch ihre Ausdünstungen Krankheiten unter die Lebendigen verbreiten. Möchte doch der Wunsch so vieler Menschenfreunde erfüllt werden, dass man mit gleicher Sorgfalt auf die Abschaffung der dem Publiko so lästigen Begräbniskosten Bedacht nähme, einem Übel, das weit schädlichere Wirkung im Staate hervorbringt als alle pestilenzialische Ausdünstung, das wie ein schleichendes Gift die Bürger verzehrt und ihren Wohlstand zwar langsam, aber doch sicher untergräbt.

Man sage nicht, dass geschrieben steht, »Wer dem Altar diene, soll auch vom Altar essen«, ich könnte nach der Länge beweisen, dass (Dank sei es der weisen Vorsicht der Geistlichen) dieser Text gar nicht mehr auf unsere Zeiten passt. Doch wozu Beweise in einer Sache, die alle Welt so klar wie Sonnenlicht sieht? Nur dieses statt aller Antwort: Es steht auch geschrieben »Ein guter Hirt wird seine Schafe zwar scheren, aber nicht schinden.«


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