Religionskritisches von Slang (Fritz Hampel)

Satiren aus "Der Atheist" (1926)

von Fritz Hampel (Slang)


herausgegeben von Alois Payer (payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Fritz Hampel (Slang) <1895 - 1932>: Satiren aus "Der Atheist". --  1926. -- Fassung vom 2004-11-26. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/slang01.htm      

Erstmals publiziert: 2004-11-26

Überarbeitungen:

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Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library


Ursprünglich veröffentlicht in:

Der Atheist : Organ der Gemeinschaft Proletarischer Freidenker. -- Leipzig ; Wien ; Prag : Gemeinschaft Proletarischer Freidenker. --   1.1905 - 23.1927,1; [N.F.] 1.1927,1 - 7.1933,Aug.[?]. -- 1926

Wieder abgedruckt in:

Fritz Hampel (Slang) <1895 - 1932>: Panoptikum von vorgestern : Satiren, Humoresken u. Feuilletons / Fritz Hampel. Hrsg. und mit einem Nachw. von Wolfgang U. Schütte. -- 2., durchges. Aufl. -- Berlin : Verlag Tribüne, 1982. -- 274 S. ; 21 cm. -- S. 110 - 119


"Slang, (d. i. Fritz Hampel) (28. 4.1895 Crimmitschau - 10. 8.1932) Sohn eines Maschinenmeisters; bis zum ersten Weltkrieg als Volksschullehrer in Leipzig tätig. Eigene Erfahrungen und Erlebnisse als Soldat ließen ihn über die Ursachen des Völkermordens nachdenken. Schrieb nach der Novemberrevolution, die er bejahte, über deren Zielsetzung er aber noch keine klaren Vorstellungen hatte, für linksbürgerliche Zeitungen und Zeitschriften (z. B. für Reimanns Leipziger „Drachen") Satiren gegen den deutschen Nachkriegsspießer. Da diese aber noch nicht an den politischen Machtverhältnissen rüttelten, fehlte ihnen die Schärfe, Zielstrebigkeit und Publikumswirkung seiner späteren Arbeiten. In den Jahren der revolutionären Nachkriegskrise erarbeitete er sich das Verständnis für den historisch notwendigen Befreiungskampf der Arbeiterklasse. Er fand Anschluss an die KPD, wurde 1922 Mitglied und kämpfte 1923 in den Reihen der Proletarischen Hundertschaften gegen die Truppen der Reichsregierung. Zur gleichen Zeit begann er für die kommunistische Presse zu arbeiten, schrieb für die „Sächsische Arbeiterzeitung" Lokalreportagen und zeichnete Karikaturen. In dieser Zeit Annahme des Pseudonyms Slang. 1924 Aufgabe des Lehrerberufes und Übersiedlung nach Berlin, um als Zeichner für die „Rote Fahne" zu arbeiten. Wenig später Mitarbeiter der Lokalredaktion und ihr verantwortlicher Redakteur. Mitbegründer des BPRS. Von der Weimarer Klassenjustiz mehrmals verhaftet und zu zweieinhalb Jahren Gefängnis und Festung verurteilt.

Slangs Begabung und Stärke lagen auf dem Gebiet der satirischen Darstellung. In den acht Jahren seiner journalistischen Tätigkeit an der „Roten Fahne" und an anderen proletarisch-revolutionären Zeitungen und Zeitschriften (AIZ, „Eulenspiegel", „Der Knüppel", „Roter Pfeffer", „Linkskurve", „Welt am Abend" u. a.) entwickelte er sich „zu einem revolutionären Satiriker von Rang" (Weinert), der entscheidend dazu beitrug, die künstlerisch-politische Qualität des Feuilletons der roten Presse zu verbessern und dem Unterhaltungsbedürfnis der Arbeiterleser gerecht zu werden. Durch seine umfangreiche und vielfältige Mitarbeit, die ihn auch als begabten und einfühlenden Theater-, Film- und Literaturkritiker ausweist, hatte er großen Anteil daran, dass das Feuilleton zu einem untrennbaren Bestandteil der kommunistischen Agitation und Propaganda wurde. Sein unschätzbares Verdienst bestand darin, „dass er in einer Zeit, da in jeder Arbeiterfamilie Not und Sorgen im Hause waren, jenes Lachen in die Arbeiterhäuser trug, das dem Proletariat neuen Mut gibt und die Reaktionäre schlägt und' verwundet" (Albert Norden, Nachruf).

Slangs Hauptgebiet war die „Glosse vom Tage", in der er täglich (vorzugsweise in der „Roten Fahne") Erscheinungen und Vorgänge aus dem Leben der Weimarer Republik satirisch beleuchtete und kommentierte (Kriegsvorbereitungen gegen die Sowjetunion, Koalitionspolitik der SPD, Verbot der KPD und ihrer Organisationen, reaktionäre Kulturpolitik, Reichstags- und Präsidentschaftswahlen, Fürstenabfindung, Panzerkreuzerbau u. a.). Durch meisterhafte Anwendung der operativen literarischen Genres griff er direkt in den politischen Kampf ein. Slang setzte damit die besten Traditionen der deutschen fortschrittlichen Presse des 18. und 19. Jahrhunderts fort. Er handhabte den geschliffenen, zugespitzten Dialog und den fingierten Brief, das satirische Zeit- und Bildgedicht, die Kurzszene und das literarische Porträt. Für seine satirischen Attacken nutzte Slang solche Einkleidungen wie Gerichtsszenen, Erlebnisberichte, Interviews, Filmszenarien, Jahresübersichten u. a. Er verschaffte den operativen literarischen Formen einen festen Platz in der kommunistischen Presse. Sehr häufig verwandte Slang das literarische Porträt, da es sich besonders gut eignete, den Charakter einer Gestalt zu entlarven, um die durch ihr politisches Handeln gefährlichen Gestalten der Weimarer Republik bloßzustellen. Er griff dabei nicht allein das Gehabe des deutschen Nachkriegsspießers an, den „militaristischen Paradeochsen", die „studienrätliche Patriotenvisage", die „Potsdamer Moralwachtel" (Weinert, Nachruf) und andere zwielichtige Subjekte, die den Untergang der Republik vorbereiteten, sondern vor allem die Spitzen der herrschenden Klasse, die Monopolisten, Großgrundbesitzer, Militärs und deren Helfershelfer in den Reihen der deutschen Sozialdemokratie. Wirkungsvoll waren auch Slangs Bildgedichte in der AIZ. Gemeinsam mit anderen Schriftstellern interpretierte Slang Fotografien, die vom Leben der Unterdrückten und dem der herrschenden Klasse berichteten. Die Gedichte hoben den politischen Charakter der fotografierten sozialen Erscheinung hervor und lenkten die Aufmerksamkeit der Arbeiter auf brennende aktuelle Ereignisse und Tatsachen. Sie zeigten das intellektuelle, moralische und politische Leben der übrigen Klassen und Schichten und stellten die Wechselbeziehungen zwischen der Arbeiterklasse und jenen her. Auf diese Weise vermittelten sie wesentliche, im Klassenkampf überprüfte Erfahrungen und trugen zur Entwicklung des sozialistischen Bewusstseins der Arbeiter bei. Slang griff in seinen Arbeiten immer auf Ereignisse zurück, die sich den Arbeitern fest eingeprägt hatten, oder er knüpfte an Erlebnisse an, wie sie jeder Prolet täglich haben konnte. Da er beim Schreiben immer sein Publikum vor Augen hatte, kommentierte und glossierte er politisch so pointiert, dass seine Leser den Klassencharakter auch der komplizierten Erscheinung erkennen und entsprechend richtig beurteilen konnten. Die dabei verwandten stilistischen Mittel (Kontrast, Vergleich, Anspielung, Wortspiel und -kombination, Dialekt, Sprichwort u. a.), die er mit feinem Sprachgefühl einsetzte, dienten der Herausarbeitung der politischen Idee. Die poetischen Einfälle, für die er das Rohmaterial im täglichen Leben, oft in einer Zeitungsmeldung fand, bekunden Slangs Blick für das Wesentliche der Erscheinung und für ihre satirische Verwendungsmöglichkeit. Daher sind seine Satiren in den meisten Fällen gegenständlich und treffen mit ihrer Pointe ins Schwarze. Slang konnte darum so kraftvoll und intensiv wirken, weil er als Parteiarbeiter die Massen kannte, mit ihnen und ihrer Vorstellungswelt eng vertraut war.

Viele seine Satiren wurden von Agitprop-Truppen gespielt. Mehrere seiner Gedichte wurden vertont und als Songs auf Meetings vorgetragen. Für Agitprop-Truppen schrieb Slang zahlreiche Kurzszenen und Einzelprogramme.

Als einzige größere Arbeit hinterließ Slang die Propagandaschrift „Panzerkreuzer Potemkin" (1926), die er im direkten Auftrag der Partei verfasste. Gestützt auf aktenkundliches Material, erzählt Slang die Geschichte vom Aufstand der russischen Matrosen 1905. Während er sich bei der Darstellung der Offizierskaste satirischer Mittel bedient, offenbaren die Partien über Leiden und Kampf der Matrosen ein ernstes Pathos, das sich in seinen anderen Arbeiten kaum findet. In der reportageähnlichen Schrift Slangs steht das Matrosenkollektiv, das gemeinsam leidet, kämpft und Erfahrungen sammelt, im Vordergrund.

Charakteristisch für den „Panzerkreuzer Potemkin" wie für die anderen Arbeiten Slangs ist die Überzeugung vom Sieg der Arbeiterklasse. Ihre Aggressivität und Autoritätsfeindlichkeit gegen alle Heroen der imperialistischen Bourgeoisie und des Spießertums, verbunden mit der sozialistischen Perspektive des Sieges, erhöhten den politischen Kampfwert seiner Satiren und erhoben sie zur wirksamen Waffe der Arbeiterklasse gegen die Ausbeuterordnung der Weimarer Republik. Sie sind ein wichtiger Bestandteil der jungen proletarisch-revolutionären Literatur der zwanziger und dreißiger Jahre.

Bibliographie: Panzerkreuzer Potemkin, politische Prosa, Bln. 1926; Glossen vom Tage, Bln. Wien 1932; Slang. Eine Auswahl Lyrik und Prosa, Hrsg. R. Hoffmann u. E. Simons, Bln. 1958. - Zahlreiche Arbeiten in RF, AIZ, Eulenspiegel u. a. Ztn. u. Zsn., zum größten Teil nicht gesammelt."

[Quelle: Lexikon sozialistischer deutscher Literatur : Von den Anfängen bis 1945. Monographisch-biographische Darstellungen / [Verf.: Wilfried Adling u.a. Literaturgeschichtl. Überblick von Silvia Schlenstedt]. -- Halle (Saale) : VEB Verl. Sprache u. Literatur, 1963. -- 592 S. ; 8°. -- S. 472-474]


Die Speisung der 300


Der ausgesteuerte Erwerbslose Gottgetreu saß am Sonntag, dem 8. August, mit seiner Familie beim Essen. Gottgetreus machten den Eindruck von Menschen, die eben ein schwerer Schicksalsschlag getroffen hat: Traurig zersäbelte der Vater den Hering in sechs Teile, traurig füllte die Mutter den dünnen Kaffee in die Tassen, und traurig knabberten die Kinder an den harten Brotrinden. Ein heidnischer Beschauer hätte sich die Antwort auf die Frage nach dem Grunde dieser Traurigkeit leicht gemacht: Er hätte sich die feuchten Wände des engen Kellerloches angesehen und das Schlagwort »Wohnungselend« gebraucht.

Er hätte den Leuten in die bleichen, abgezehrten Gesichter geblickt und etwas vom »Erwerbslosenelend« gequatscht. Ein guter katholischer Christ dagegen wäre sofort auf den Gedanken gekommen, dass die Gottgetreusche Niedergeschlagenheit nichts mit den materiellen Sorgen dieser schnöden Welt zu tun haben könne. Und so war es auch. »Kinder«, seufzte der Vater, »mir bricht mein katholisches Herz, wenn ich daran denke, dass heute draußen in Tegel der 24. Märkische Katholikentag1 gefeiert wird und dass wir nicht mit dabeisein können, weil wir so gottlos gewesen sind, unser letztes Paar Schuhe um eitlen Mammons willen zu versetzen.«

Die Mutter rang die Hände. »Und mir zerreißt es meine katholische Seele«, schluchzte sie, »wenn ich daran denke, dass vielleicht gerade in diesem Augenblick der Abgesandte des Heiligen Vaters den päpstlichen Segen spendet.«

Die Kinder brachen in lautes Weinen aus. Die zweijährige Anastasia brüllte, als bedeute für sie der Verlust des päpstlichen Segens ebensoviel wie die Verweigerung eines Knochens, an dem sie zu lutschen pflegte, während der einjährige Bonifatius drohte, die Windeln nass zu machen, wenn er nicht sofort zur Segensandacht Seiner Exzellenz des hochwürdigsten Herrn apostolischen Nuntius2 gebracht würde. Fürwahr, ein Bild tiefster seelischer Qual war es, das sich den Blicken des frommen Paters Martin aus Spandau bot, als er am Abend die Familie besuchte.

Aber wie verklärten sich die Mienen aller, wie erglühte in aller Augen erzkatholische Zufriedenheit, die sich bis zum höchsten Entzücken steigerte, als Bruder Martin den Verlauf des Festes schilderte! »Also einfach dobdsche3 ist's gewesen«, begann der beneidenswerte Spandauer. »Natürlich Geld hat's gekostet, das könnt ihr euch denken. Und ein' Durst hab ich gehabt, als wäre ich mit Moses 40 Jahre durch die Wüste gewandert. Ich hätt mögen den ganzen Tegeler See aussaufen, wenn er voll Hof bräu gewesen wäre! Aber der Durst kam daher, dass heiterer Sonnenschein die graue Regenstimmung abgelöst hatte, die am frühen Morgen des heutigen Sonntags über Tegel lag. Und zu dem Durst ein Hunger, so was von Appetit könnt ihr euch gar nicht vorstellen. Ich konnte es kaum erwarten, bis aufgetafelt wurde. Vorher hab ich schnell noch ein paar Bockwürste gegessen. Ja, für viele war die Beteiligung an dem Fest mit großen Opfern verbunden! Aber das größte Übel der Zeit ist ja Gott sei Dank die religiös-sittliche Not, die immer mehr wächst und herrscht. Welch' namenlose Verheerung hat der Unglaube in den Seelen angerichtet, dieser Sirenengesang der ungebundenen Freiheit! Gut waren die Würste, bloß ein bisschen zu scharf. Und Menschen waren da, 80000 sind es gewesen, ich hab es vom Berichterstatter der 'Germania'4, ihr könnt es morgen in der Zeitung lesen, die Zahl stimmt. Der 'Lokal-Anzeiger'-Redakteur will allerdings bloß 30000 gesehen haben, aber was kann der schon sehen mit seinen ungläubigen Augen, der Protestant! Das Bier hätt können etwas frischer sein, ich mag nicht gern, wenn es lau ist, und man trinkt es aus Ärger zu schnell hinunter.

Zuerst ist der Empfang des hochwürdigsten Herrn Weihbischof Dr. Deitmer5 und dann feierliches Pontifikalamt an der Freilichtbühne gewesen. Der hochwürdige Herr Weihbischof hatte nicht unrecht mit der Behauptung, das Bild des Gottesdienstes sei ähnlich gewesen dem der frommen Schar, die Christi bei der Bergpredigt
gelauscht habe. Ein Rekordbesuch war es, mindestens ein Viertel der Berliner Katholiken, die für die Beteiligung überhaupt in Frage kamen. Denn jeder konnte sich's natürlich nicht leisten, das Gedeck ohne Getränke kostete ja allein drei Mark. Ohne Getränke und drei Mark, das will was heißen! Im Mittelpunkt des Festes standen natürlich unser König Christus und die Festpredigt unseres Jesuitenpaters Lehmann. Der erste Stellvertreter Christi ist der Träger der dreifachen Krone, der Papst, hat er gesagt. Und Gott dienen, heißt herrschen, hat er gesagt. Wir sind berufen, Anteil zu nehmen an dieser Königsherrschaft, hat er gesagt. Fein hat er's gesagt. Beim Essen dreihundert sind wir gewesen an der Festtafel — hätten sie freilich etwas weniger reden sollen, meine ich. Nicht, dass einem jedesmal alles kalt wird, ehe so ein Redner fertig wird. Der hochwürdigste Herr Weihbischof hat schon während der Krebssuppe auf den Sirenengesang der ungebundenen Freiheit hingewiesen. Beim Tisch hat dann Bruder Stadler vor dem Sirenengesang gewarnt und bemerkt, dass die Katholikentage keine Schaustücke für Andersgläubige sein sollen. Zur gegenseitigen Begeisterung sind wir zusammengetreten, hat er gesagt. Und Begeisterung war da, das könnt ihr mir glauben! Beim Braten hat ein Amtsbruder aus Rom eine Probe italienischen Humors zum besten gegeben.

A: Ich bitte dich, mir die Adresse deines Arztes zu geben, meine Schwiegermutter ist krank. — B: Um Gottes willen, geh nicht zu diesem Mann, er hat meine schon dreimal gerettet!

 — Der Witz ist gut, was? Morgen steht er in der 'Germania'4, der Chefredakteur hat mir's persönlich geflüstert. Ein Vertreter des Reichskanzlers hat beim Braten gesagt, dass das religiöse Leben in Berlin an Innigkeit nicht hinter dem der anderen Städte zurücksteht. Warum auch sollten wir zurückstehen? frage ich. Wo wir doch den Herrn Weihbischof und Seine Exzellenz den apostolischen Nuntius Pacelli6 mitten unter uns haben? Das Rumpsteak war englisch gebraten, gerade, wie ich es gerne esse. Ich habe mir zweimal genommen.«

»Da hat Er gar nicht übel dran getan«, bemerkte einstimmig die Familie des ausgesteuerten Erwerbslosen, während ihnen das Wasser im Munde zusammenlief. »Erzähle Er nur weiter, hochwürdiger Herr Pfarrer!«

»Von der Polizei waren die Obersten Haupt und Heimannsberg und außerdem noch der Vize-Polizeipräsident Friedensburg anwesend. Drei Mann von der Polizei ist ein bisschen reichlich, mein ich, bei nur 300 Festmahl-Teilnehmern. Die drei haben ihr Gedeck bestimmt nicht zu bezahlen brauchen, als Ehrengäste. Friedensburg hat sogar geredet. 'Nicht allzuoft hat die Polizei Umzüge zu schützen, bei denen sie keine unfreundlichen Worte zu hören bekäme', hat er wörtlich gesagt.

Der Nachtisch ist mir nicht gut bekommen, Gefrorenes ist nichts für meinen Magen, aber essen musste man's natürlich, weil's zum Gedeck gehört hat. Ich habe gleich nach dem Tischgebet einen stillen Ort aufsuchen müssen, wo selbst der Kaiser ein Loch gelassen hat, und so bin ich also des päpstlichen Segens nicht teilhaftig geworden, den der hochwürdigste Herr Nuntius eigenhändig durch vier gewaltige Lautsprecher erteilt hat. Aber erbaulich muss es gewesen sein, wie er gegen das 'Hineingesetztsein in eine Hochflut materieller Diesseitskultur' und gegen den Sirenengesang ungebundener Freiheit protestiert hat. Von den Massen der Notleidenden hat er kindlichen Gehorsam und treue Hingabe an ihre Hirten verlangt, weil nur dadurch die klaffenden Gegensätze zwischen arm und reich ausgeglichen werden können. Es war einfach hinreißend muss es gewesen sein!

Dann haben wir mit den Studenten in vollem Wichs an der Spitze einen Festzug gemacht und an den Heiligen Vater in Rom und an den Bischof von Mexiko telegraphiert, dass er durchhalten soll und den Mexikanern die Ohren vor dem Sirenengesang ungebundener Freiheit verstopfen soll. Wie hat unser Hauptmann Seboth gesagt? 'Nicht um Subjektivismus, sondern um demütige Unterordnung unter den Heiligen Vater in Rom, unter unsere Bischöfe und unseren Klerus, das ist der wahrhafte katholische Weg. In diesem Sinne sind wir stolz darauf, ultramontan zu sein', hat er gesagt.«

Bruder Martin erhob sich. Die Familie des ausgesteuerten Erwerbslosen Gottgetreu, die sich vor Begeisterung kaum auf den Beinen halten konnte, begleitete den frommen Mann bis an die Kellertreppe, wo er sich mit einer eindringlichen Warnung vor dem Sirenengesang ungebundener Freiheit verabschiedete.

Erläuterungen:

1 Märkischer Katholikentag: ab 1931 "Katholikentag im Bistum Berlin" genannt

2 Der Apostolische Nuntius (lateinisch für Bote) ist der ständige Vertreter des Papstes bei der jeweiligen Ortskirche und den Staatsregierungen. Er steht seit dem Wiener Kongress 1815 im Rang eines Botschafters. Außerdem vertritt er den Heiligen Stuhl bei den jeweiligen Bischofskonferenzen.

3 dobdsche (richtig: dobsche): gut, ausgezeichnet. Fußt auf slawisch dobrze.

4 Germania:  am 1. Jan. 1871 begründete, täglich zweimal in Berlin erscheinende politische Zeitung ultramontaner Richtung, vertritt die Interessen der deutschen Zentrumspartei und des römischen Stuhles unter jesuitischem Einfluss.

5 Josef Carl Maria Deitmer (1865 - 1929), Weihbischof von Berlin (1923 - 1929)

6  Eugenio Maria Giuseppe Giovanni Pacelli (1876 - 1958), von 1939 - 1958 Papst Pius XII., seit 1917 Nuntius in Bayern, seit 1925 auch Nuntius in Preußen (bis 1929)


Altäre im Zwischendeck


Man soll nicht sagen, dass die Kirchen nicht mit der Zeit Schritt zu halten verstünden. Ihre Vertreter, die nicht nur den siebenten, sondern auch die sechs vorhergehenden Tage der Woche durch völlige Arbeitsruhe heiligen, haben ein scharfes Auge auf jede »Errungenschaft der Neuzeit«.

Es ist eine bekannte Tatsache, dass die Geistlichen zum Beispiel den Rundfunk nur deswegen schätzen, weil sie ihn zur Vervielfachung ihrer sonntäglichen Opiumeinspritzungen benutzen können, die ohne die bahnbrechende Erfindung nur einer in jeder Hinsicht beschränkten Anzahl von Kirchenbankdrückern zugute kommen würden.

Es ist weiter nur eine Frage der Zeit, wann der Reklameaufdruck auf den Bieruntersetzern nicht nur — wie bisher — zur Stärkung des Kolonialgedankens, sondern auch zur Gewinnung von gewohnheitsmäßigen Alkoholvertilgern für die alleinseligmachenden Heilanstalten ausgenutzt wird.

Ihre besondere Aufmerksamkeit widmen die schwarzen Rettiche den sozialen Vorgängen. Damit soll nicht etwa gesagt werden, dass sie sich energisch für die Beseitigung der Arbeitslosigkeit oder für den Kampf gegen das Wohnungselend oder für sonst welche materiellen Dinge einsetzten. Nicht auf den Leib, nicht auf das »irdische Wohlergehen« (soweit die anderen in Frage kommen): Auf das Seelenheil kommt es an, und die Seelengewinnung bildet seit Jahrtausendenden ersten Punkt der Tagesordnung überall dort, wo sich zwei oder drei in Gottes Namen versammelt haben.

Deshalb erschraken die guten Hirten nicht wenig, als sie lasen, dass allein im vergangenen Jahr nicht weniger als 15000 Deutsche nach Amerika ausgewandert sind. 15000 weniger! Die Hüter der göttlichen Weltordnung hatten ungefähr das gleiche Gefühl wie jener alttestamentarische Großviehbesitzer, als ihm sein Schwiegersohn, der nachmalige Erzvater Jakob, mit einem wesentlichen Teile seiner Schafherde durchbrannte7.

Für das Seelenheil der deutschen Auswanderer musste unbedingt und sofort etwas getan werden. Kein wahrer Christ konnte es zulassen, dass die Heimatlosen unbeschützt Wind und Wellen des weiten Wellenmeeres ausgeliefert würden.

Einige Tage später las man in der bürgerlichen Presse folgende Meldung:

»Altarweihe auf dem Hapag8-Dampfer 'Hamburg' Auf der ersten Ausreise des neuen Hapag-Dampfers 'Hamburg' fand die feierliche Einweihung des in dem Räume der III. Klasse errichteten Altars statt. Die Handlung wurde durch den Bischof von Osnabrück, Dr. Wilhelm Berning9, in seiner Eigenschaft als Präsident des St. Raffael-Verbandes zum Schütze katholischer Auswanderer vorgenommen. Für die übrigen Albert-Ballin10-Schiffe ist die Einrichtung eines festen Altars ebenfalls vorbereitet. Bekanntlich befindet sich auf den Hapag-Dampfern, die einen Altar noch nicht errichtet haben, ein sogenannter Messkoffer, der alle Messutensilien enthält. Für den evangelischen Gottesdienst steht ebenfalls ein besonderer Altartisch mit Kruzifix, silbernen Altarleuchtern usw. zur Verfügung.«

Nun kann den Passagieren der III. Klasse—dank St. Raf f ael!—nichts mehr passieren. Der Fortschritt eines stabilen Altars gegenüber einem beweglichen Messkoffer springt in die Augen, und für die evangelischen Zwischendeckpassagiere wird es eine besondere Wohltat sein, wenn sie ihren Hunger beim Anblick des besonderen Altartisches mit Kruzifix, silbernen Altarleuchtern usw. vergessen dürfen.

Ein Nörgler könnte fragen, warum die festen Altäre nicht auch für die Passagiere der I. und II. Klasse errichtet werden. Die Antwort auf diese ketzerische Frage ist sehr einfach:

  1. Es dürfte bekannt sein, dass vor allem die unteren Volksschichten, also die Passagiere der III. Klasse, die die deutsche Republik nur deshalb im Stich lassen, weil sie unter der Regierung Luther11 angeblich nicht genug zu essen bekommen, am leichtesten den irdischen Versuchungen ausgesetzt sind.
  2. Es dürfte weiter bekannt sein, dass bei den Passagieren der I. und II. Klasse — also bei den reisenden Filmstars, Hotelbesitzern und Petroleumkönigen — keinerlei Bedenken für irgendwelche materialistischen Abweichungen bestehen. Heutzutage hat jeder Börsenschieber sein Scheckbuch in der vorderen und sein kostbar gebundenes Neues Testament in der hinteren Rocktasche.
  3. Die Aufstellung stabiler Altäre kommt für die I. und II. Klasse schon aus ästhetischen Gründen nicht in Frage. Wie würden zum Beispiel die katholischen Messgeräte in der heute auf jedem Hapag-Dampfer vorhandenen Likördiele wirken? Oder glaubt der Fragesteller vielleicht, dass sich ein evangelischer Altartisch mit silbernen Altarleuchtern zwischen den musikalischen Geschirren der Jazzbandkapelle besonders vorteilhaft ausnehmen würde?

Nein, dem Volke, und nur dem Volke, müssen selbst auf hoher See seine Armleuchter und so weiter erhalten bleiben. Für die Passagiere der I. und II. Klasse dagegen kann die volle Garantie übernommen werden, dass sie selbst bei der Ausführung der gewagtesten Tänze und bei dem Genuss der schärfsten Spirituosen keinerlei Gedanken hegen werden, die mit der christlich-kapitalistischen Weltordnung im Widerspruch stehen.

Erläuterungen:

7 Genesis 31

8  Hapag = Hamburg-Amerikanischen Paketfahrt-Aktien-Gesellschaft (Hamburg-Amerika- Linie)

9 Wilhelm Berning (1877 - 1955),  seit 1914 Bischof von Osnabrück, seit 1921 Apostolischer Vikar der Norddeutschen Mission

10 Albert Ballin (1857 - 1918) Direktor der Hapag

11 Hans Luther (1879 - 1960), Reichskanzler (1925/1926)


Volksmission


In die weihbischöfliche Delegatur zu Berlin (Hinter der Katholischen Kirche 4) kam dieser Tage ein Arbeitsloser. Dem Herrn Weihbischof schien der Besuch des schlichten Mannes aus dem Volke nicht gerade angenehm zu sein, denn er bot ihm nicht einmal einen Stuhl an. »Was willst du, geliebtes Pfarrkind? Du siehst doch, dass ich mit der Propaganda für die heilige Volksmission alle Hände voll zu tun habe. Die heilige Volksmission muss zum Tagesgespräch in Berlin werden, wenn sie Erfolg haben soll. Mach's kurz!«

Der Arbeitslose war durch den nervösen Unterton der weihbischöflichen Ansprache etwas aus der Fassung gebracht worden. Trotzdem begann er: »Ich bin seit sechs Monaten arbeitslos ...« »Seit sechs Monaten ohne Beschäftigung?« unterbrach ihn mit blitzenden Augen der Berliner Vertreter des Mannes, der auf dem Stuhle Petri sitzet. »Sechs Monate Ferien! Wie hast du sie benutzt? Hast du fleißig den Rosenkranz gebetet? Bist du regelmäßig zur Messe gegangen? Oder bist du gar weit vom Heil und vom Heiland entfernt, vielleicht schon seit — sechs Monaten?« Der Gefragte stammelte: »Ich hatte keine Zeit dazu. Ich bin den ganzen Tag unterwegs, um mich nach Arbeit umzusehen.« »Keine Zeit?« Dem Gottesmann schwoll die Zornesader. »Da hört doch verschiedenes auf, geliebtes Pfarrkind! Sechs Monate, das sind 180 Tage, bummelst du nun schon und hast nicht einmal ein paar Stunden Zeit gehabt für deine unsterbliche Seele? (Väterlich) Siehe, für alles hast du Zeit, was dein irdisches Leben betrifft. Und hier, wo es sich um eine Ewigkeit von Glück oder Unglück für dich handelt, da hättest du keine Zeit? > Jede Mission ist ein Riesenkampf um die Unsterblichkeit der Seele!< sagt der heilige Alfonsus.« Der Erwerbslose wusste von dem heiligen Alfonsus sehr wenig. Dagegen war ihm in diesen sechs Monaten über das Leben und Wirken des heiligen Kapitalismus ein Licht aufgegangen. Er entgegnete: »Mein Junge ist heute wieder ohne ein Stück Brot auf seine Lehrstelle gegangen. Der arme Kerl hat in seinem Leben noch keinen guten Tag gehabt.«

»Und das sagst du als christlicher Hausvater? Hat der liebe Gott nicht deinem Sohn schon viele Gnadentage geschenkt? Beispielsweise den Tag der heiligen Taufe, da er ein Gotteskind wurde. Den Tag seiner ersten heiligen Kommunion — den glücklichsten Tag seiner Kindheit, will ich hoffen. Und endlich den Tag der heiligen Firmung, da er ein Streiter Christi wurde. Ist das nicht viel mehr als ein Butterbrot? Geliebtes Pfarrkind: Wisse, dass es Zeit ist zum Aufstehen von dem gefährlichen Schlafe der Sünde, der Lauheit, der Trägheit, vielleicht gar der Gottvergessenheit und Gottlosigkeit!« Er griff in die Falten seiner Soutane. »Hier hast du das Programm für die heilige Volksmission in St. Hedwig (Hinter der Katholischen Kirche 4). Gelobt sei Jesus Christus, und nun mach, dass du fortkommst!«

Der Erwerbslose stand wieder auf der Straße. Die Sonne beschien sein bleiches Gesicht, und der Frühlings stürm wühlte in seinen Lumpen. Wie hatte der Herr Weihbischof eben gesagt? »Wisse, dass es Zeit ist zum Aufstehen...!« Jawohl, das wollte er: Aufstehen von dem gefährlichen Schlafe der Lauheit und Trägheit. Aber nicht aufstehen, um bei der Mission in St. Hedwig sein Heil zu suchen, sondern aufstehen, um zusammen mit seinen arbeitslosen Brüdern und Schwestern, zusammen mit den Arbeitssklaven in Fabrik und Büro den Weg zu gehen, den uns die großen Führer des kämpfenden Proletariats gezeigt haben.

Das war freilich ein anderer Weg, als ihn der heilige Alfonsus ins Auge gefasst haben mochte. Der Weg, den der Erwerbslose von nun an gehen wollte, war beschwerlicher und gefährlicher als etwa ein Gang zur »Weihepredigt über das heilige Herz Jesu« in St. Hedwig. Aber die Beschwerden und Gefahren seines neuen Weges erschienen dem Erwerbslosen gering, wenn er daran dachte, dass dieser Weg zur Befreiung aus geistiger und wirtschaftlicher Knechtschaft führt, während der Weg des heiligen Alfonsus und seiner Nachbeter in dem Sumpfe gleich hinter der Hedwigskirche endet. Und die steinerne Hedwig hat noch keinen aus dem Wasser gezogen ...


Das katholische Astloch


Die Stadt Berlin ist dabei, das sogenannte Engelbecken zu einem Freibad auszubauen. Dieses Freibad wird in erster Linie der Luisenstadt zugute kommen, die — nach genauen statistischen Angaben — seit fünfzig Jahren der am dichtesten bevölkerte Stadtteil Berlins ist.

In der Nähe des Engelbeckens steht die St. Michaelskirche — achtzig Meter vom Wasser entfernt. Drei Reihen Bäume und eine im Bau befindliche Mauer trennen die katholische Seelenfangschleuse von der Badeanlage. Der Strand liegt nicht weniger als 200 Meter ab. Das Projekt des Freibades hat angeblich die gesamte katholische Bevölkerung, insbesondere aber die Gemeinde von St. Michael, in ihren heiligsten Gefühlen verletzt.

Das »Katholische Kirchenblatt der Fürstbischöflichen Delegatur für Berlin, Brandenburg und Pommern« vom 24. Oktober 1926 bringt unter der Schlagzeile »Die Katholiken Berlins protestieren gegen das Freibad von St. Michael. Respektiert die Kirche!« eine Blütenlese katholischer Wasserfeinde.

Die Vertreter des Pfarramtes von St. Michael, Pfarradministrator Funk und Professor Blümel sind der Meinung, dass »die Zusammenstellung Kirche und Freibad für unser katholisches Empfinden etwas Unmögliches und Unerträgliches ist«.

Dagegen scheint die Zusammenstellung Kirche und Stahlbad für das katholische Empfinden weder unmöglich noch unerträglich zu sein, wie die Kirche während des Weltkrieges zur Genüge bewiesen hat.

Der Kirchenvorstand von St. Michael schreibt an das Bezirksamt Berlin-Mitte: »Unserer Überzeugung nach handelt es sich bei dem geplanten Projekt um etwas völlig Kulturwidriges.« Kulturwidrig ist das Projekt insofern, als den Proleten, die ihrem Körper etwas Sonne und Wasser gönnen wollen, der Anblick einer durch und durch vermotteten Gesundbeteanstalt zugemutet wird. Die Fürstbischöfliche Delegatur richtet an verschiedene preußische Minister ein Schreiben, in dem sie verlangt, dass gegen »diese Gefühllosigkeit gegenüber katholischem Empfinden eingeschritten werden soll«.

Worin diese angebliche Gefühllosigkeit gegenüber katholischem Empfinden, das beispielsweise fünfeinhalb Millionen Erwerbslosen gegenüber nicht um einen Grad aus der Balance gerät, bestehen soll, schildert ein Artikel der »Germania«: »Wer die Michaelskirche besucht, wird zuerst das Treiben des Familienbadbetriebes genießen müssen. Und wer die Kirche vom Hauptportal aus verlässt, wird ebenfalls durch den Anblick mangelhaft bekleideter Menschen belästigt werden.«

Von einer Planke versprechen sich die katholischen Würdenträger nichts, »denn Spalten und Astlöcher wecken die Neugier«. Der Herr Fürstbischof scheint also seine Schäflein nicht so in der Gewalt zu haben, um sie vor einem genießerischen Blick durchs Astloch zurückhalten zu können, bevor sie die Ohren zur Aufnahme himmlischer Weisheiten spitzen.

An anderer Stelle heißt es: »Die katholische Kirche lehnt die Plattheit der Ausgezogenheit ab.«

Die katholische Jungfrau, die sich auf den Himmel freut, weil sie dort Männlein und Weiblein ohne Feigenblatt zu sehen hofft, muss demnach alle Hoffnung auf jenseitige Nacktkultur fahren lassen. Also weg mit dem Freibad, das auch nicht einmal durch den Vorschlag, es mit einer Feigenbaumschule zu umgeben, die schwarzen Bedenken ernster Katholiken zerstreuen kann. »Solche Behandlung dulden wir nicht weiter!« denn: »Aus dem Portal der Kirche strömt der göttliche Atem.«

Nach den Lehren der Kirche hat bekanntlich der gleiche göttliche Atem den Menschen nackt erschaffen. Und tausend Beispiele beweisen, dass die Vertreter der Kirche durchaus nicht immer der Meinung sind, dass die Ausgezogenheit unter allen Umständen abgelehnt werden müsse — namentlich dann nicht, wenn es sich nicht um Plattheiten, sondern um gewisse Rundungen des menschlichen Körpers handelt.

Wir erinnern an jene drei geistlichen Herren, die sich diesen Sommer ein Boot mieteten, um einige nackt badende Berliner besser beobachten zu können — selbstverständlich, um nach gründlicher Besichtigung gebührend Anstoß zu nehmen. Wir erinnern an den Pfarrer Münchmeyer auf Borkum, der einer im Bett liegenden Jungfrau an den Unterleib fasste — selbstverständlich, um sich zu überzeugen, ob die »Narbe« vollständig verheilt sei. Wir erinnern an eine katholische Waisenanstalt im Rheinland, wo sich eine fromme Schwester, die im Schlafsaal die Aufsicht führte, ausgerechnet immer dort zu längerem Gebet auf die Knie sinken ließ, wo ein Junge im Schlafe die Bettdecke ab- und das Hemd hochgestreift hatte.

Das »Katholische Kirchenblatt« hat ganz recht, wenn es schreibt: »Dass dieser Katholizismus nicht prüde ist, wissen alle, die im Schatten des Vatikans gelebt haben.«

Solange es noch Astlöcher gibt, wo er ein Auge riskieren kann, hat dieser vom Vatikan beschattete Katholizismus auch gar keinen Grund, prüde zu sein.


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