Herausgegeben von Alois Payer (payer@payer.de)
Zitierweise / cite as:
Thoma, Ludwig <1867-1921 >: Der Krieg : Ein Schüleraufsatz (1902/1903). -- Fassung vom 2004-06-30. -- URL: http://www.payer.de/religionskritik/thoma03.htm
Erstmals publiziert: 2004-06-13
Überarbeitungen: 2004-06-30 [revidiert]
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Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik von Tüpfli's Global Village Library
Erstmals erschienen in Simplicissimus. -- Jg. 7 (1902/1903)
Der Krieg
Ein Schulaufsatz
Der Krieg (bellum) ist jener Zustand, in welchem zwei oder mehrere Völker es
gegeneinander probieren. Man kennt ihn schon seit den ältesten Zeiten, und weil
er so oft in der Bibel vorkommt, heißt man ihn heilig. Im alten Rom wurde der
Tempel geschlossen, wenn es anging, weil der Gott Janus vielleicht nichts davon
wissen wollte. Das ist aber ein lächerlicher Aberglaube und durch das
Christentum abgeschafft, welches die Kirchen deswegen nicht schließt.
Es gibt Religionskriege, Eroberungskriege, Existenzkriege, Nationalkriege usw.
Wenn ein Volk verliert, und es geht dann von vorne an, heißt man es einen
Rachekrieg. Am häufigsten waren früher die Religionskriege, weil damals die
Menschen wollten, dass alle Leute Gott gleich liebhaben sollten und sich
deswegen totschlugen. In der jetzigen Zeit gibt es mehr Handelskriege, weil die
Welt jetzt nicht mehr so ideal ist.
Wenn es im Altertum einen Krieg gab, zerkriegten sich auch die Götter. Die einen
halfen den einen, und die andern halfen den anderen. Man sieht das schon im
Homer. Die Götter setzten sich auf die Hügel und schauten zu. Wenn sie dann
zornig wurden, hauten sie sich auf die Köpfe. Das heißt, die Alten glaubten das.
Man muss darüber lachen, weil es so kindlich ist, dass es verschiedene
Gottheiten gibt, welche sich zerkriegen. Heute glauben die Menschen nur an einen
Gott, und wenn es angeht, beten sie, dass er ihnen hilft. Auf beiden Seiten
sagen die Priester, dass er zu ihnen steht, welches aber nicht möglich ist, weil
es doch zwei sind. Man sieht es erst hinterdrein. Wer verliert, sagt dann, dass
er bloß geprüft worden ist. Wenn der Krieg angegangen ist, spielt die Musik. Die
Menschen singen dann auf der Straße und weinen. Man heißt das die Nationalhymne.
Bei jedem Volk schaut dann der König zum Fenster heraus, wodurch die
Begeisterung noch größer wird. Dann geht es los. Es beginnt der eigentliche Teil
des Krieges, welchen man Schlacht heißt. Sie fängt mit einem Gebet an, dann wird
geschossen, und es werden die Leute umgebracht. Wenn es vorbei ist, reitet der
König herum und schaut, wie viele tot sind. Alle sagen, dass es so traurig ist,
dass so etwas sein muss.
Aber die, welche gesund bleiben, trösten sich, weil es doch der schönste Tod
ist. Nach der Schlacht werden wieder fromme Lieder gesungen, was schon öfter
gemalt worden ist. Die Gefallenen werden in Massengräber gelegt, wo sie ruhen,
bis die Professoren sie ausgraben lassen. Dann kommen ihre Uniformen in ein
Museum; meistens sind aber nur mehr die Knöpfe übrig. Die Gegend, wo die
Menschen umgebracht worden 'Sind, heißt man das Feld der Ehre.
Wenn es genug ist, ziehen die Sieger heim; überall ist eine große Freude, dass
der Krieg vorbei ist, und alle Menschen gehen in die Kirche, um Gott dafür zu
danken. Wenn einer denkt, dass es noch gescheiter gewesen wäre, wenn man gar
nicht angefangen hätte, so ist er ein Sozialdemokrat und wird eingesperrt. Dann
kommt der Friede, in welchem der Mensch verkümmert, wie Schiller sagt. Besonders
verkümmern die Invaliden, weil sie kein Geld kriegen und nichts verdienen
können. Manche erhalten eine Drehorgel, mit der sie patriotische Lieder spielen,
welche die Jugend begeistern, dass sie auch einmal recht fest zuhauen, wenn es
losgeht. Alle, welche im Krieg waren, bekommen runde Medaillen, welche klirren,
wenn die Inhaber damit Spazierengehen. Viele kriegen auch den Rheumatismus und
werden dann Pedelle am Gymnasium, wie der unserige.
So hat auch der Krieg sein Gutes und befruchtet alles.
Maxl
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