Religionskritisches von Ludwig Thoma

Josef Filser über die geistliche Führung in der Zentrumspartei

von Ludwig Thoma


Herausgegeben von Alois Payer (payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Thoma, Ludwig <1867-1921 >: Josef Filser über die geistliche Führung in der Zentrumspartei.  -- 1912. -- Fassung vom 2004-06-15. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/thoma08.htm     

Erstmals publiziert: 2004-06-15

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Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library


Erstmals erschienen in:

Thoma, Ludwig <1867-1921 >: Jozef Filsers Briefwexel. Zweites Buch. -- München : Langen, 1912.



An Hern Sepastian Hartl
Oegonohm in Felgeding
Bosd Dachau

Liber Freind.

durch dein Schreibn mus ich Dier eine Antword gebn, indem Du es wielst und mier solchene krobe Nahmen gibst, das auch ich ein Rindfiech bin wo das bir teirer machd und Zündhelzer. Das hasd Du fallsch geschribn, indem ich blos in Minken regihre haber nichd in Bärlin.

dises Rindfiech bin ich nichd sontern ein anderner und ist läbzelder und Waxziecher in Waserburg mit Namens Razinger, wo insere Wallgreis in Bärlin rebresadiert, indem ich keine Zeid nichd habe, das ich auch in Reistag regihre sontern blos in Lantag. Disses must Du Dier mergen.

Mein liber Mentsch, bal Du so schimbfst, ist es gans fallsch, indem Du es nicht weist, wie es geht und ist auch der Razinger blos unfreiwielig.

Indem Du beim Milidär gewesen bist mus ich es Dier erkleren, das es nicht blos beim Milider eine Diszaplien gibt sontern auch bei inserner Bardei1.

der Gäneral isd der gleine Schuhlmeisder Orderer2, wo man es zwahr nichd klaubt, bald man ien mit seine krumben Bäckerhaksen anschaugt, haber er isd sär scharrf.

dan kohmen die Oberscht, was lauder geischlinge Hären sind und Du kenzt si schon, der Bichler3, der Daller4 und der Schedler5. dan kohmen Hauptleute und leidnand, wo auch wider lauder Geischlinge sind.

dan kohmen die Fehldwäbl und disses sind die bfahrer und Kobrader6, wo die gröbsten Fotzen haben wie beim Milider.

Jäzt kohmen erscht die Gemeihnen fon der Gombanie und sind es die Oegonohmen und anderne Folksmäner, wo zum Schtimmen haber nicht zum Reden da siend und blos ja und nein sahgen dierfen auf den befel disser fielen geischlingen Offazier und ierene Fotzen durchaus nimahls aufreisen derfen.

Indem es heist schtielgeschtantn! wo Du fom Milider her weist und riere Dich nichd Du Sauhamel Du geschärter und plinzle nichd mit den Augn Du Rahmel Du pfindiger und Schtier und geschärtes dach und laggel lufdgesellchter Henglender. Disses ist die Bardeidiszaplin.

Mein liber Mentsch, da kanzd nichts machen, und mus man ienen folgen disse Härren, wo eine ladeinische Fozzen haben und briehlen auf der Nase, den mein lieber Mentsch was wiesen iberhaupts mier?

Indem mier nichz wiesen und geh nur hien und brobire es und wan du in bärlin bist midden unter lauder Breißen und ganz ferlasen.

Meinzt Du fileichd das Du so fiel Schneid hasd und halzt eine Rede in dissem Barlamend fon lauder Breissen?

Ich draue mier nichd einmahl in Minken wo doch lauder Mentschen sind und redet sogahr das Ministärium inserne Schprache.

Haber in Bärlin ist es durchaus gans unmeglich das inser läbzelder das Word ergreifd, wo disse Leite doch fil schneler reden können und eine gifftige Fozzen haben, das sie einen Waserburger damid zu decken.

Mein liber Mentsch Da ist man schtille und freid sich, das mahn blos ja oder nein zum sahgen hat, wi es der hochwierninge Her Fehldwäbl befehlt und sogahr das gröste Gschreimaul, wo im Landtag red als were es blos im Wirzhaus, schweigd schtille in Bärlin oder redt blos was mahn iem anschaft und disses ist der Dokter Heim7.

da kanzt du dier eine Forstelung machen bald sogahr disser Mentsch das Mäu hald und seine Wud bezemt und da kan ein läbzelder auch nichts andernes.

dadurch das das bir teirer wierd bin ich auch ferzweifeld und habe insern hochwierningen Härn bfahrer ieber disses befragt, indem er doch seine kristkadollische Zeidung had wo es zum läsen stet warum das inserne geischlinge Offazier das bir teirer machen. Und er had zu mier gesagt liber Jozef sagd er, disses ist fon der Zändrumbardei eine ieberaus weise Handlungsweise sagd er, indem sie durch disses wider das Regament krigen und auch di Breißen kadollisch machen had er gesagd und bald man zum Beischpiel Geld obfert das man die Heuden in Affrika zu Kristen machd und fier die Misionen sein Gäld hergibt sagd er, mus mahn hald in Gotes Nahmen auch fier die Mas bir mer zallen, damid das dadurch die lutterischen Breißen kadollisch wern und das ahlein sälig machende Regament des Zendrums erhalden sagd er.

Ich ferschtehe es nichd hobwohl ich bei der bardei bin und Du ferstehst es noch fiel weninger, haber disses isd wurscht wie beim Milider, wo man auch nichz fersteht sontern man barirt intem es heußt schtillgeschtantn Du Saurahmel du fernagelter und Miestlaggel.

Ich habe inserm hochwierningen Bfahrer deinen brif gezeigd durch disses weil du mich ein uldramadanes Rindfiech geschriben hasd und ein Folksverräder und Zendrumswucherer.

Inser Her bfahrer ist ser unwielig gewohrden durch disses und er had gesagt mein liber Jozef sagd er, die erschte Aufgahbe wo mier in bärlin gehabt hawen isd, das mir den Feund der kadollischen Kierche schtierzen wo sich Firscht bielof schreibt und disses breiswierdige und von insern heuligen Vater dem babschte gesägnete Werg isd ins auch gelungen und mus mahn eben dafier ein bar Pfäning mär fir die Mas bir zallen und kahn man es ja als einen Peterspfäning bedrachten zu ehren Gottes und des babschtes der auch fier ins eingeschpärt ist im Fadigahn und den sie nichd herauslasen einmahl zum Schbazirrengehen in die Schtadt Rohm, haber disses ferstet dein freind Hartl nichd sagd er, sontern hat er gesagd er isd ein Maulaufreiser und habscheiliger Gwatratlaggel und isd iem die Haubtsache nichd seine unschterblinge Sähle sagd er, sontern seine birwampen.

liber Freind, disses schmärzt miech, das er es gesagt had, haber ich mus es dier schreim, damid das du es weist.

Jäzt must du es klauben das der läbzelder Razinger auf Wuntsch insernes heuligen Vaters den bielof entfernt had, das man ien nicht mer siecht und auf befel fon inserne Gäneräl und Oberscht und hochwierninge Fehldwäbl, wo keinen Wiederschpruch nicht fertragen sontern mier fohlgen und damit bunktum.

Aber fon mier must Du nichz schlechdes bedreff das bir klauben, indem ich in Mingharding bei meinem alden Trachen bien, wo auch keinen Widerschpruch fertragd und ich derf zur Zeid nichd regiehren sontern mus Mischt farren, indem das Wedder so mieserabl ist das mahn nichz andernes thun kan. Haber ich freie mich schon, bald das Regihren wider anget in Minken und ich arbet fiel lieber fier das gemeinzame Faderland als wie daheum bei dissem alden Trachen, wo miech im Fertacht had. Du weist es schon.

Durch disses läbe woll und es griest dich dein

liber Freind Jozef Filser,

wo aber nichd das bir teirer gemachd had und Zindhelzer.


Erläuterungen:

1 Bardei = Bayerische Zentrumspartei (bis 1887:  "Patrioten"). Die »Patrioten«, die sich 1887 der Zentrumspartei auf Reichsebene anschlossen, besaßen 1869-87 und wieder seit 1899 in Bayern die Landtagsmehrheit.

"In 1869 the "Bavarian Patriotic Party" was founded in Bavaria. It was called into existence by the strong opposition to the surrender of the Bavarian claims to the sovereignty in favour of Prussia (i.e. of the North German Confederacy), and also for the purpose of opposing the anti-religious policy of Liberalism, which found expression especially in the Bavarian School Bill of 1868. The first leader of the Patriotic Party was Dr. Edmund Joerg (1819-1901), who performed such valuable service during his long occupancy of the editorial chair (1853-1901) of the Catholic periodical "Historisch-politische Blatter." Through their affection for and sympathy with neighbouring Austria, whose people were descended from the same stock and were kindred in their ideas, and through their dislike and suspicion of Prussia, which was little friendly towards Catholics, Joerg and a section of the Patriotic Party opposed the union of Germany under the leadership of Prussia in 1870-71. They voted against the war appropriation moved by the Bavarian Government on the outbreak of the Franco- German War, supported only the armed neutrality of Bavaria, and voted against the Treaty of Versailles. The Patriotic Party, however, later acquiesced in the reorganization of the relations of the German states, and did not refuse its consent to the extension of the competence of the German Empire.

From 1871 to 1875 the party waged a vigorous warfare against the Bavarian Government in view of the anti-Catholic legislation introduced after the Prussian model and of its extensive support of the Old Catholic movement. Even in 1875, when the party had the majority in the Chamber, the Government continued the Kulturkampf (Minister of Public Worship von Lutz), although now in an underhand manner. Only since 1890 have the Old Catholics no longer been officially considered as Catholics, and in that year was passed the vote for the recall of the Redemptorist Fathers (expelled in 1872). The attempt of Dr. Johann Sigl (editor of the extravagantly particularistic daily paper "Das bayrische Vaterland") to found a "Catholic Popular Party" in 1876, because in the minds of individuals the Patriotic Party had not been sufficiently energetic in ecclesiastical questions, proved unsuccessful. In 1887 the Patriotic Party adopted the name of the "Bavarian Centre Party". In 1890, owing to the growth of the Bavarian Peasants' League, the party lost its majority in the diet. The quarrel between Church and State having ceased, the Centre inserted in its programme a systematic policy in favour of agriculture and small industries (1893), and in the elections of 1899 again secured a majority. This they still (1912) retain in spite of the attacks of the united Liberal and Social Democratic parties. During this period the Party took the lead in the constitutional development of the Bavarian legislation and administration as regards both education and economics. In 1912 a member of the Centre was for the first time appointed president of the Bavarian Ministry (Freiherr von Hertling). The most celebrated leaders of the party, after the retirement of Joerg, were: Councillor of the High Court of Appeal Geiger (1833-1912) and Dr. von Daller, gymnasial rector and professor of theology (1835-1911). The most prominent leaders of to-day (1912) are Dr. von Orterer (b. 1849), gymnasial rector and councillor for higher studies, Dr. Pichler (b. 1852), provost of the cathedral of Passau, and Dr. Heim (b. 1865), leader of the Peasants. The leader of the Bavarian Centre in the German Reichstag is Dr. Schadler (b. 1852), cathedral dean of Bamberg. Of the 159 (since 1905, 163) members of the Bavarian Chamber the Patriotic Party (i.e. the Centre) claimed 80 in 1869; 79 in 1875; 68 (83) in 1881; 79 in 1887; 74 in 1893; 84 in 1889; 102 in 1905; 98 in 1907; and 87 in 1912. "

[Quelle: http://www.newadvent.org/cathen/16020b.htm. -- Zugriff am 2004-06-15]

2 Orderer = Dr. Georg von Orterer

"Orterer, Dr.Georg v.

geb.30.10.1849 Wörth/Obb., Tod 5.10.1916 München
verh. 1) 1876 Rosa Entres, 2) Hildegard Neisinger

Königlich bayerischer Gymnasial-Rektor, Geheimrat, ordentliches Mitglied des Obersten Schulrates. 1883-1916 Mitglied des Landtags. Abgeordeter der "Patriotenpartei"; führendes Mitglied der Landtagsfraktion in den 80er Jahren. 1887 Mitbegründer der "Bayerischen Zentrumspartei", hervorgegangen aus der "Patriotenpartei". 1888/90 Verdrängung der aristokratischen Führer aus der Zentrumsspitze durch Orterer und B.Daller. Landtagspräsident. 1884-1893 Mitglied des Reichstags (Zentrum). Konservativer Politiker. 1901 Verleihung des Königlichen Verdienst-Ordens der Bayerischen Krone und damit des persönlichen Ritterstandes. "

[Quelle: http://www.peterkefes.de/LehrOP.htm. -- Zugriff am 2004-06-15]

3 Bichler = Dompropst Dr. Franz Seraph von Pichler (1852-1927), Reichstags- und Landtagsabgeordneter für Niederbayern und Passau

4 Daller = Dr. Balthasar Ritter von Daller (1835-1911), Gymnasialrektor und Theologieprofessor; Führer der bayerischen Zentrumspartei von 1910 bis1911

5 Schedler = Dr. Franz Xaver Schädler (1852 - 1913) Domdekan in Bamberg, genannt der "Schwarze Löwe aus Kurpfalz" 

6Kobrader = Kooperator = dem Pfarrer zuerteilter Hilfsgeistlicher

7 Heim = Landesökonomierat Dr. Georg Heim (geb. 1865)


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