Religionskritisches von Ludwig Thoma

Tagore in Deutschland (1921)

von Ludwig Thoma


Herausgegeben von Alois Payer (payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Thoma, Ludwig <1867-1921 >: Tagore in Deutschland.  -- 1921. -- Fassung vom 2004-06-15. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/thoma09.htm     

Erstmals publiziert: 2004-06-15

Überarbeitungen:

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Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library


Anonym erschienen in Miesbacher Anzeiger. -- 1921-07-08

Herausgegeben in:

Thoma, Ludwig <1867-1921 >: Sämtliche Beiträge aus dem "Miesbacher Anzeiger" 1920/21 / Ludwig Thoma. Krit. ed. u. komm. von Wilhelm Volkert. -- München : Piper, 1989. -- 530 S. -- (Werke in Einzelausgaben / Ludwig Thoma). -- ISBN 3-492-03276-1. -- S. 142f. -- In dieser Sammlung finden sich alle nachweisbar von Ludwig Thoma stammenden -- sehr oft antisemitischen -- Hetzartikel im Miesbacher Anzeiger



Abb.: Albert Einstein und Rabindranath Tagore, 1930 [Bildquelle: http://www.th.physik.uni-frankfurt.de/~jr/gif/phys/einst_tagore.jpg. -- Zugriff am 2004-06-15]

Rabindranath Tagore1 hat an Professor Eucken2 einen Brief in englischer Sprache gerichtet und ihn gebeten, diesen Brief als allgemeine Antwort auf die vielen Fragen über sein Verhältnis zu Deutschland zu veröffentlichen. Der Brief lautet, nach der »B. Ztg.«, in deutscher Übersetzung:

»In unseren Schriften ist ausgesprochen, dass es drei Wege gibt, das Unendliche zu realisieren gemäß den individuellen Temperamenten. Nämlich durch Wissenschaft, durch Liebe, durch Handeln. Die Pfade dahin sind Philosophie, Religion, Wissenschaft. Aber, hingegen dem Wahnwitz selbstsüchtiger Leidenschaften und dem Mangel an Reinhaltung des Geistes haben die Menschen fast überall ihr Glück verloren, und falsche Philosophie, falsche Religion, falsche Kunst haben über uns unermessliches Unglück ergossen. Es war die Mission Europas, die Ära des Karma Hoga [richtig: Yoga] heraufzuführen, die Vollendung der Seele durch die Tat. Aber es kam die Versuchung, durch Handeln die Vollendung des eigenen Selbst zu erstreben. Europa hat gelitten, und die Welt wartet gespannt darauf, zu sehen, ob es aus seinen Leiden lernt. Wenn es die Bestimmung Deutschlands ist, den Leidensweg bis zum Ende zu durchschreiten, um der modernen Zeit Sünde willen, und wenn es rein und stark daraus hervorgeht, wenn es das Feuer entzündet hat, als ein Licht auf dem Pfade in eine große Zukunft, zum Aufschwung der Seele zu wahrer Freiheit, dann wird Deutschland in der Geschichte der Menschheit gesegnet.

Ich trage mit mir die herzliche Gastfreundschaft Ihres Volkes und Ihres Landes, und ich hinterlasse Euch meine Liebe und mein Mitgefühl.

Rabindranath Tagore«.

Ina' unserer heiligen Schrift ist ausgesprochen, dass der Mensch zum Arbeiten auf der Welt ist. Das ist der vierte Weg, den es gibt, damit der Einzelne und ein ganzes Volk gesund bleibt. Vom Spintisieren der Brahminen kommt nichts heraus, als dass ein Volk von 300 Millionen die feigen Sklaven einer englischen Handelsgesellschaft geworden sind, und dass im reichsten Land der Welt jährlich Hunderttausende an Hunger sterben, weil sie zu faul sind zum Arbeiten.

Indien leidet und die Welt wartet gespannt darauf, ob es aus seinen Leiden lernt.

Wenn Sie daheim das Karma Hoga, den Zustand, dass man sich das Essen verdient, herbeigeführt haben, Herr Tagore, dann kommen Sie wieder nach Berlin und Darmstadt3 zu den spinnenden Hanswursten, dass Sie miteinander Huropa glücklich machen.

Ich hinterlasse Euch mein Mitgefühl und ein abgefieseltes Huhn auf Reis.

Bfüat di Gott Tagore mit deine langen Hoore!


Erläuterungen

1Rabindranath Tagore (1861 - 1941), Nobelpreisträger für Literatur 1913. Besuchte 1921 u.a. Deutschland

"Rabíndranáth Tákhur, anglisiert Tagore, (* 7. Mai 1861 in Kalkutta; † 7. August 1941 ebd.) war ein bengalischer Dichter, Maler, Philosoph, Pädagoge und Sozialreformer und der erste asiatische Nobelpreisträger für Literatur.

Der Text der indischen Nationalhymne Jana-Gana-Mana beruht auf einem seiner Gedichte."

[Quelle: http://www.wiki.produkt-mix2.de/W-Rabindranath_Tagore.html. -- Zugriff am 2004-06-15]

2 Eucken = Rudolf Eucken (1846 - 1926), Nobelpreisträger für Literatur 1908

"Rudolf Christoph Eucken wurde am 5. Januar 1846 in Aurich (Ostfriesland) als Sohn eines Postmeisters geboren. Nach seinem Studium in Göttingen (u.a. bei Gustav Teichmüller) und Berlin war Eucken bis 1871 als Gymnasiallehrer tätig. 1871 wurde er als Nachfolger von Gustav Teichmüller zum Ordinarius für Philosophie nach Basel berufen, an der u.a. auch Friedrich Nietzsche und Jacob Burckhardt lehrten. 1874 wird er Ordinarius für Philosophie in Jena.

Nach anfänglichen Aristoteles-Forschungen und Untersuchungen zur philosophischen Terminologie entwickelte Eucken, hauptsächlich in den Jahren 1885-1888, eine Kulturphilosophie nach noologischer (geisteswissenschaftlicher) Methode. Grundgedanke dieser Philosophie ist die Notwendigkeit, die Seele des Menschen von einseitigem Intellektualismus und der Pseudokultur des Technischen zu befreien. Eucken war damit der Begründer des Neuidealismus. Rudolf Eucken starb am 15. September 1926 in Jena."

[Quelle: http://www.nobelpreis.org/Literatur/eucken.htm. -- Zugriff am 2004-06-15]

3Darmstadt: Der Philosoph Hermann Graf Keyserling (1880 - 1946), Gründer "Schule der Weisheit" in Darmstadt, veranstaltete im Juni 1921 in Darmstadt eine Tagore-Woche


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