Materialien zur ´Saivâgamaparibhâ.sâmañjarî:

2. Zweierreihen

1. Vers 2.1 bis 2.14


von Alois Payer

mailto:payer@payer.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Alois <1944 - >: Materialien zur ´Saivâgamaparibhâ.sâmañjarî. -- 2. Zweierreihen. -- 1. Vers 2.1 bis 2.14. -- Fassung vom 2004-07-13. -- URL: http://www.payer.de/saivagama/saiv021.htm. -- [Stichwort].

Erstmals publiziert: 2004-05-25

Überarbeitungen: 2004-07-13 [Veränderungen und Ergänzungen]

Anlass: Lehrveranstaltung SS 2004

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Dieser Text ist Teil der Abteilung Sanskrit  von Tüpfli's Global Village Library


Vers 2.1 - 2.7: brahman - das Brahma


(1-4 = Ajitâgama I.25c - I.29b, Ausgabe siehe unten)

Es ist ein zweifaches Brahman gelehrt:

Das höchste Brahman bedeutet "'Siva'" [Neutrum!]. Durch das Laut-Brahman wird es verkündet.

Das, was aus dem 'sabdabrahman besteht, ist unter dem Namen des Sadâ'siva [Neutrum!] überliefert.

Janârdana!, Om ist der offenbare (sâk.sât) Körper des Sadâ'siva. Jener Sadâ'sivâ, der Gott der Götter, ist die Ursache (kâra.na) von allem. Der höchste 'Siva existiert, da er die Ursache auch von diesem Sadâ'siva ist. Er wird insofern Höchster genannt, als seine Gestalt Wort und Geist [manas] transzendiert. Deswegen wird hier nur der als 'Siva bezeichnet, der die [wahre universelle] Ursache ist.

Das eine, nicht-duale Brahman, wird zweifach bezeichnet.


Ausgabe des Ajitâgama:

Ajitâgama  édition critique par N. R. (Niddodi Ramacandra) <1920 - >. -- Pondichéry : Institut français d'indologie : [Paris] : [diffusion J. Maisonneuve]. -- (Publications de l'Institut français d'indologie ; ...)
Vol. I. -- 1964. -- 425 S. : Ill. -- (Publications de l'Institut français d'indologie ; 24)
Vol. II. -- 1967. -- 271 S. -- (Publications de l'Institut français d'indologie. 24.II)

"Brahman"

einerseits die lautliche (formulierte) Form der Wahrheit = des Seins, andrerseits das Sein selbst. Die ursprüngliche Formulierung geschieht in Keimsilben (bîja). Die Urkeimsilbe ist O.m.


(Quelle nicht nachgewiesen)

Bei der Unterscheidung zwischen höherem und niederem Brahman ist das niedere Brahman wieder zweifach: Das Brahman, welches ein Laut ist, ist bekannt / wird bezeichnet als

Auch das höhere Brahman wird als zweifach verkündigt:

Grobförmig (sthûlarûpa) ist das Brahman als brahmânga (= 5 Brahmamantras und 6 Angamantras). Fein ist das Brahman in der Gestalt des Om.

Das feingestaltige Brahman wird als 'Siva [Neutrum!] verkündet, das grobgestaltige als Sadâ'siva.


"Auch das höhere Brahman wird als zweifach verkündigt:

mit Eigenschaften versehen = Gott in seiner Immanenz

rein = Gott in seiner Transzendent

Beide Formen des Brahman sind gemäß dem  Shaivasiddhanta wirklich (im Gegensatz zu Shankara, für den das Brahman mit Eigenschaften (sagu.na-brahman) undwirklich ist).


"brahmanga"

d.h. die 5 Brahmamantras + die 6 Angamantras = Samhitâmantras

Siehe dazu:

Soma´sambhu: Soma´sambhupaddhati : Le rituel quitidien dans la tradition ´sivaïte de l´Inde du Sud selon Soma´sambhu / text, traduction et notes par Héléne Brunner-Lachaux. -- Pondichéry : Institut Français d´Indologie. -- (Publications de l´nstitut Français d´Indologie ; No. ...)
1. Le rituel quotidien dans la tradition sivaïte de l'Inde du Sud selon Somasambhu. --  1963. -- XLVII, 372 S.,  Ill.  -- (Publications de l´nstitut Français d´Indologie ; No. 25). -- Appendice VI
3. Rituels occasionels dans la tradition sivaïte de l'Inde du Sud selon Somasambhu 2: diksa, abhiseka, vratoddhara, antyesti, sraddha. -- 1977. -- LVI, 744 S.. : Ill. -- (Publications de l´nstitut Français d´Indologie ; No. 25.III) -- S. 244 note 198

"Les mantra du mantrâdhvan sont pour Soma'sambhu les cinq brahmamantra et les six angamantra, c'est-à-dire une collection de onze mantra qui ne représente pas la samhitâ du Dvi'satikâlottara, généralement acceptée par notre auteur, mais celle du Sârdhatri'satikâlottara et des traités qui le suivent, telle la paddhati d'Aghora'siva (cf. I,87, n. 193). Dans les autres manuels, le mantrâdhvan s'enrichit du mûlamantra et perd NETRA (probablement considéré comme non distinct de ce dernier), ce qui donne une collection également de onze mantra, mais qui ne correspond pas non plus à la samhitâ acceptée par ces mêmes ouvrages. L'autorité invoquée est Râmakantha [85a].

La différence la plus marquante cependant entre Somasambhu et les autres maîtres tient à la distribution qu'ils font des onze mantra entre les cinq kalâ. Dans la très grande majorité des traités, cette distribution est "normale", chaque angamantra apparaissant en même temps que le brahmantra associé, celui dont le bîja est la forme basique (prakrti : cf. n. 15 au 'sl. 4) de la sienne. Ainsi trouvera-t-on H.RD (HÂ.M) avec SÂDYOJâTA (HA.M), 'SlRAS (HÎ.M) avec VâMADEVA (HI.M), etc. : ASTRA, avec son bîja original HA.H, étant alors associé à Î'SÂNA dans 'Sântyatîtâ (exactement comme en SPi, App. VI). Chez Soma'sambhu au contraire, la répartition semble n'obéir à aucune règle : on a quatre mantra ici, trois dans Prati.s.thâ, un seul dans Vidyâ, etc. Cette apparente anomalie, que la Planche V met en évidence, ne concerne que les angamantra. Nous ne lui voyons aucune justification ; mais tous les mss. concordent, et les listes de mantra données à l'occasion de la purification de chaque kalâ correspondent bien aux nombres annoncés lors de leur nyâsa. Il faut donc garder k texte de la paddhati tel qu'il est (et non le corriger comme le fait parfois l'éditeur de D)."

[Quelle: Héléne Brunner-Lachaux. --In: Soma'sambhupaddhati. -- Vol. 3. -- S. 244 note 198]

Die brahmamantras und angamantras nach der Soma'ambhupaddhati:

brahma-mantra bîja des
brahma-mantra
anga-mantra bîja des
anga-mantra
Î'sana Ho.m Netra Hau.m
Astra Ha.h
Puru.sa He.m Kavaca Hai.m
Aghora Hu.m 'Sikhâ Hû.m
Vâmadeva Hi.m 'Siras Hî.m
Sadyojâta Ha.m H.rdaya Hâ.m

Quelle: Héléne Brunner-Lachaux. -- In: Soma'sambhupaddhati. -- I. -- Appendice VI

Zur Emanation der Laute siehe die Tabelle in Gengnagel, Jörg <1960 - >: Mâyâ, Puru.sa und ´Siva : Die dualistische Tradition des ´Sivaismus nach Aghorâ´sivâcâryas Tattvaprakâ´sav.rtti. -- Wiesbaden : Harrassowitz, 1996. -- XII, 186 S.. -- (Beiträge zur Kenntnis südasiatischer Sprachen und Literaturen ; 3). -- Zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 1994. -- ISBN: 3-447-03832-2. -- S. 178 + den dazugehörigen Text aus Aghora'siva auf S. 127f.


Abb.: Lautemanationen nach Aghora'siva [Bildquelle: Jörg Gengnagel, a.a.O., S. 178]

"nâda und sakalabindu gehören beide zum sadâ'sivatattva, die Vidye'sas dagegen zum isa[tattva], die Mantras und Vidyâs zum vidyâ[tattva].

Es wurde gesagt, dass der höchste bindu (parabindu) das 'sivatattva ist und dessen Produkt, der feine nâda, in dem 'saktitattva enthalten ist. Deswegen ist der sakalabindu - der bindu der Silbe O.m (ak.sarabindu); und nâda hat die Form des groben Klanges (dhvani). Diese beiden sind im sadâ'sivatattva enthalten. Im î'svaratattva sind die [acht] Vidye'sas Ananta und die anderen enthalten.

„Werden nicht auch Welten im 'sivatattva beschrieben?"

Ja, aber nicht unmittelbar (sâk.sât), sondern sie stehen vielmehr an der Spitze des 'sântikalâ, ebenso wie die Welten der mâyâ an der Spitze des kalâ[tattva]. Somit widerspricht es sich nicht."

[Aghora'siva. -- Übersetzung von Jörg Gengnagel, a.a.O., S. 127f.]

Zu mantras siehe die Ausführungen von Abbé J. A. Dubois in Anhang A zu diesem Kapitel


"Om"

Die Urkeimsilbe, in die alles hineingeheimnist wird.


Abb.: Om in Tamil-Schrift [Bildquelle: http://www.omsakthi.org/worship/mantra.html. -- Zugriff am 2004-05-18]

"Im 2. Spruch wurde behauptet, dass die Formel der 6 Buchstaben identisch mit der Formel Om sei. Die Verfasser des Bodha und des Siddhiâr lassen den Buchstaben Om zusammengesetzt sein aus A, U, M und aus Vindu und Nâda.
  • A ist das Symbol für Ahamkâra,
  • U für Buddhi,
  • M für Manas, Vindu für Citta
  • (das Zeichen für Vindu ist O),
  • Nâda für U.l.lam, d. i. die Seele

(das Zeichen für Nâda ist —. Beide Zeichen verbunden ergeben ___, das sogenannte Pi.l.laiyâr-Zeichen, das jeder Shivait an die Spitze jeden Schriftstückes setzt).


Abb.: Pi.l.layar-Zeichen (Tamil Suli) [Bildquelle: http://www.himalayanacademy.com/art/aum/display.html. -- Zugriff am 2004-05-24]

Das Symbol wird dann noch weiter aufgelöst, indem gesagt wird, dass

  • hinter A (Ahamkâra) als die treibende Gottheit Brahma,
  • hinter U (Buddhi) Vishnu,
  • hinter M (Manas) Rudra,
  • hinter Vindu (O) Sadâçiva und
  •  hinter Nâda (—) Îçvara stehen.

 

  • Brahma ist der Gott der Schöpfung,
  • Vishnu der Gott der Erhaltung,
  • Rudra der Gott der Zerstörung;
  • Sadâçiva die Personifikation der Çakti, und Îçvara ist Çiva selbst,

so dass als Lehrgehalt der Formel Om herauskommt: Çiva verrichtet vermittelst seiner Çakti durch die Götter Brahma, Vishnu, Rudra die drei Werke der Schöpfung, Erhaltung und Zerstörung.

Man kann also durch die Formel Om den Prozess der Evolution und Involution dargestellt finden, also sachlich dasselbe, was durch die 6 Buchstaben Çi, Vâ, Ya, Na, Ma zum Ausdruck gebracht werden soll, freilich anders vermittelt.

Dass diese Erklärung der Silbe orthodox ist, wird man schwerlich behaupten können. Orthodox dürfte die Erklärung sein, dass der Laut Om, der drei verschiedene Laute A, U und M in sich zu einem einzigen Laut vereinigt den Begriff des alles in sich vereinigenden All-Gottes vermittelt."

[Quelle: Schomerus, Hilko Wiardo <1879 - 1945>: Der Çaiva-Siddhânta : eine Mystik Indiens ; nach den tamulischen Quellen / bearbeitet und dargestellt von H. W. Schomerus. - -Leipzig : Hinrichs, 1912. --  444 S. -- S. 375f.]
 

Zum Autor:

"Hilko Wiardo Schomerus


Abb.: H. W. Schomerus

geboren: 7. Januar 1879 Marienhafe (Ostfriesland)
gestorben: 13. November 1945 Halle
Konfession: evangelisch
Vater: Sanitätsrat  

Nach dem Besuch der Volksschule erhielt Schomerus Privatunterricht und absolvierte dann das Gymnasium Emden. Bis 1901 studierte er an den Missionsseminaren und Universitäten Leipzig und Kiel, ein Vikariat in Ebersdorf (Thüringen) schloss sich an. Von 1902 bis 1912 war Schomerus Missionar der Leipziger Missionsgesellschaft in Ostindien, danach setzte er das Studium Leipzig fort. 1913 promovierte er zum Lic. theol. an der Universität Kiel, 1914 folgte ein Studienaufenthalt in England und Schottland. 1914 bis 1920 war er Pfarrer an der Garnisonskirche zu Rendsburg. Ab 1918 lehrte Schomerus Missionswissenschaft in Kiel, 1923 habilitierte er sich dort und wurde 1925 zum nichtbeamteten außerordentlichen Professor ernannt. 1926 erhielt er den Ruf auf ein persönliches Ordinariat für Missionswissenschaften und Religionsgeschichte an der Universität Halle. 1929/30 reiste Schomerus zu Studienzwecken in den Fernen Osten (Indien, Niederländisch Indien, China und Japan). 1933 setzte er sich für jüdische Kollegen ein, das Dekanat der Theologischen Fakultät gab er aus gesundheitlichen Gründen auf.

Organisationen: 1919 Mitglied der Nationalversammlung für die DVP, VDA, Kolonialgesellschaft, NSDFB."

[Quelle: http://www.catalogus-professorum-halensis.de/schomerushw.html. -- Zugriff am 2004-05-24]


Vers 2.8 - 2.11b: kart.r - der Agens


(8-9b: Pau.skarâgama, nur handschriftlich überliefert)
(9c-10b: Mrgendrâgama, Ausgabe siehe unten)
(10cd: Rauravâgama)
(11ab: ´Srîka.n.tha: Ratnatraya, Ausgabe siehe unten)


Brahmanen!, das Agens-Sein ist zweifach: es geschieht

Töpfer machen nämlich nicht allein durch Wollen einen Topf.

'Siva bewirkt immer allein  durch Wollen das Zittern / die Erregung des Bindu.

Das Instrument 'Sivas ist nichts anderes als seine Potenz ('sakti). Die Potenz des Bewusstseins / Geistes [= 'Siva] ist nicht ohne Bewusstsein.

Wegen der Unbeschränktheit / Unbestimmtheit des Objektbereiches ist das Instrument eines und unbeschränkt inbezug auf Erkennen und das zu Tuende.

Eine Zweiheit der Potenz ist überliefert:

Mit der Erkenntnispotenz erkennt 'Siva die Welt, mit der Handlungspotenz macht er die Welt.


Ausgaben der Quellen:

Mrgendragama / avec la vrtti de Bhatta Narayanakantha. -- Pondichéry : Inst. Français d'Indologie. -- (Publications de l'Institut Français d'Indologie ; ...)
Sections de la doctrine et du Yoga / trad., introd. et notes par Michel Hulin. -- 1980. -- IX, 386 S. -- (Publications de l'Institut Français d'Indologie ; 63)
Section des rites et section du comportement / trad. et notes par Hélene Brunner-Lachaux. -- 1985. -- XLVII, 491 S. : graph. Darst. -- (Publications de l'Institut Français d'Indologie ; 69)

Rauravagama / éd. crit., introd. et notes par N. R. Bhatt. - Pondichéry; (Sanskrit, franz.)(Publications de l'Institut Français d'Indologie ; 18)
Vol. 1. -- 1961.  -- 223 S. : Ill. -- (Publications de l'Institut Français d'Indologie ; 18,1)
Vol. 2. -- 1972. -- XXXIV, 238 S. : Ill. -- (Publications de l'Institut Français d'Indologie ; 18,2)
Vol. 3. -- 1988. - CV, 361 S. -- (Publications de l'Institut Français d'Indologie ; 18,3)  
 

Astaprakaranam : tattvaprakasa-tattvasamgraha-tattvatrayanirnaya-ratnatraya-bhogakarika-nadakarika-moksakarika-paramoksanirasakarika-khya-siddhantasaiviyastagranthanam satikanam samaharah / sampadakah Vrajavallabhadvivedah. - Varanasi : Sampurnanandasamskrtavisvavidyalaya, 1988. - 58, 399 S. -- (Yogatantra-granthamala / Sampurnananda-Samskrta-Visvavidyalaya ; 12)
Enthält:

  1. Tattvaprakasa / Bhoja.
  2. Tattvasangraha / Sadyojyoti.
  3. Tattvatrayanirnaya / Sadyojyoti.
  4. Ratnatraya / Srikanthasuri.
  5. Bhogakarika / Sadyojyoti.
  6. Nadakarika / Bhatta-Ramakantha.
  7. Moksakarika / Bhattaramakantha.
  8. Paramoksanirasakarika / Sadyojyoti

"Agens-Sein"

Agens = der Handelnde (kart.r)

Zu den verschiedenen Arten von Ursachen vgl. Bhoja: Tattvaprakâ'sa 37:

kartâ vinâ na kârya.m
na tathopâdânakara.nabhyâm

"Ohne Causa efficiens (kart.r, nimittakâra.na) gibt es kein Produkt, ebenso nicht ohne Causa materialis (upâdâna) und Causa instrumentalis (kara.na)."

D.h. die Einteilung der Ursachen (kâra.na) ist

upâdânakâra.na für die Schöpfung ist die sûk.smâ mâyâ

Zur europäischen Terminologie von Ursachen (causa):

"Causa: Ursache (s. d.).
  •  »Causa activa (agens)«: tätige Ursache.
  • »C. adaequata«: entsprechende Ursache.
  •  »C. cognoscendi«: Erkenntnisgrund.
  • »C. corporalis«: physische Ursache.
  •  »C. creatrix«: schöpferische Ursache.
  • »C. deficiens (defectiva)«: negative Ursache.
  •  »C. directa«: unmittelbare Ursache.
  • »C efficiens (effectiva)«: wirkende Ursache (poioun aition bei ARISTOTELES).
  • »C. essendi und fiendi«: Seinsgrund, Ursache des Werdens.
  • »C. extrinseca und intrinseca«: äußere, innere Ursache.
  •  »C. finalis«: Zweckursache (hou heneka bei ARISTOTELES).
  •  »C. formalis«: gestaltende Ursache.
  • »C. immanens und transiens«: immanente und (auf ein anderes) übergehende Ursache.
  •  »C. influens«: einfließende Ursache.
  • »C. instrumentalis«: Mittelursache.
  •  »C. materialis«: Ursächlichkeit des Dinges, auf das eingewirkt wird.
  • »C. movens (motiva)«: bewegende Ursache.
  •  »C. occasionalis«: Gelegenheitsursache.
  • »C. per accidens und per se«: accidentielle (s. d.) Ursache und Ursache durch sich selbst (ALBERTUS MAGNUS, Sum. th. I, 55, l; THOMAS, Sum. th. I, 77, 3).
  • »C. principalis«: Grundursache = »C. primordialis, prima« (prôtê aitia: PLATO, ARISTOTELES). »Causa prima est, cuius substantia et actio est in momento aeternitatis et non temporis« (ALBERTUS MAGNUS, Sum. th. I, 32, l). THOMAS: »Causa prima causat operationem causae secundae secundum modum ipsius« (Contr. gent. III, 148). Gegensatz zu C. prima = »C. secunda«; secundäre, abgeleitete Ursache (vgl. ALBERTUS MAGNUS, Sum. th. I, 26, 2; BAUMGARTEN, Met. § 317).
  • »C. privans«: beraubende, ein Nichtsein setzende Ursache.
  • »C. proxima und remota«: nächste und entfernte Ursache. »Per causam remotam talem intelligimis, quae cum effectu nullo modo coniuncta est« (SPINOZA, Eth. I, prop. XXVIII, dem.).
  • »C. sine qua non«: unbedingte Ursache.
  •  »C. socia (communis)«: gemeinsame Ursache.
  • »C. solitaria (propria)« (CHR. WOLF, Ontol. § 888).
  • »C. sufficiens«: zureichender Grund. (CHR. WOLF: »sufficiens - quae continet rationem sufficientem effectus alicuius dati«, Ontol. § 897).
  • »C. vera«: wahrhafte Ursache (NEWTON).

Vgl. Causa sui."

[Quelle: Eisler, Rudolf <1873-1926>: Wörterbuch der philosophischen Begriffe. -- 2. völlig neu bearb. Aufl. -- Berlin :  Mittler, 1904. -- 2 Bde. -- Bd. 1. -- S. 161]

"Ursache (aition, aitia, ratio, causa) ist allgemein alles, was wir als Grund (s. d.) eines (physischen oder psychischen) Geschehens denkend setzen, betrachten, anerkennen. Genauer bestimmt ist Ursache ein Geschehen, mit welchem notwendig, untrennbar, unabänderlicherweise ein bestimmtes anderes Geschehen (Wirkung) verknüpft, denkend zu verknüpfen ist, jenes Geschehen, welches als der eigentliche »Auslöser«, »Erzeuger« eines andern (auf Grund methodischer Erfahrung: Beobachtung, Experiment, Induktion, Ausschlussverfahren) anzusehen ist, zu welchem wir das zweite Geschehen in die Beziehung realer »Abhängigkeit« (s. d.) setzen müssen, also jenes Geschehen, an welches das Auftreten eines zweiten »gebunden« erscheint, ohne welches dieses Auftreten unterbleibt. Das »Band« zwischen Ursache und Wirkung, das »Durcheinander« wird Dicht erfahren, sondern in die regelmäßige, ausnahmslose Koëxistenz »introjiciert« (s. d.), d.h.: dass wir überhaupt Ursachen setzen, postulieren, beruht auf der Gesetzmäßigkeit des Denkens, ist in diesem Sinne a priori (s. d.). was aber als Ursache anzusehen ist, das hängt von unseren Erfahrungen und von dem Fortschritte der geistigen Entwicklung ab. Während der Naturmensch geneigt ist, gleich auf die »transcendenten Factoren« (s. d.), nämlich die (von ihm anthropomorph gedeuteten) Willenskräfte der Dinge zurückzugehen, lernt die Wissenschaft immer mehr, von den »qualitates occultae« (s. d.) abzusehen und Vorgang in der Außenwelt wieder mit Vorgang in der Außenwelt, psychisches wieder mit psychischem Geschehen causal zu verknüpfen. Nur darf sie nicht vergessen, dass: 1) die »Ursachen« der Wissenschaft nur die nächsten, wichtigsten, also Partial-Ursachen sind (Gesamtursache ist das All), 2) die Ursachen der Naturwissenschaft als solche nur secundäre, »occasionelle« (s. d.) Ursachen, Objectivationen (s. d.) der primären Ursachen, Kräfte, der »transcendenten Factoren« (s. d.) sind, nicht absolute Wesenheiten. Ferner sind Ursache und Bedingung (s. d.) zu unterscheiden. Das Verhältnis von Ursache und Wirkung ist die Causalität (s. d.. daselbst auch über den Ursprung des Begriffes der Ursache). - Man unterscheidet wirkende und Zweckursachen u.s.w. (s. Causa).

ARISTOTELES unterscheidet verschiedene Arten der »Ursachen«: Stoff, Form, Zweck (s. Princip): aition legetai hena men tropon ex hou gignetai ti enyparchontos, hoion ho chalkos tou andriantos kai ho argyros tês phialês kai ta toutôn genê. allon de to eidos kai to paradeigma, touto d' estin ho logos tou ti ên einai ... eti hothen hê archê tês metabolês hê prôtê ê tês êremêseôs ... eti to telos (Met. V 2, 1013 a 24 squ.. vgl. I 3, 983 a 26. VI 3, 1027 a 29). Nach den Stoikern ist Ursache das, wodurch etwas geschieht (aition esti di' ho gignetai ti, Stob. Ecl. I, 336, 338. aition estin, hou prattontos ginetai to apotelesma, Sext. Empir. adv. Math. IX, 228. aition d' ho Zênôn phêsin einai di' ho, hou de aition symbebêkos kai to men aition sôma, Stob. Ecl. I, 336). CHRYSIPPUS unterscheidet synektika, synaitia, synerga, »causae adiuvantes et proximae« und »causae perfectae et principales« (Sext. Empir. Pyrrh. hypot. III, 15. Cicer., De fato 41). BOËTHIUS definiert: »Causa est, quam de necessitate sequitur aliquid, scilicet causatum.«

Nach AVICENNA sind Ursache und Wirkung gleichzeitig (Met. 1494, VI, 1, 2). Die Definition des Boëthius wiederholt THOMAS (Sum. th. II, 75, 1 ob. 2). »Omnis causa vel est materia vel forma vel agens vel finis« (Contr. gent. III, 10). WILHELM VON OCCAM bestimmt: »Causae sunt quibus positis sequitur effectus.« - Nach SUAREZ ist Ursache »principium per se influens esse in aliud« (Met. disp. 12, sct. 2). Es gibt innere und äußere Ursachen. - MICRAELIUS bestimmt: »Causa est principium essendi incomplexum reale, unde esse alterius dependet.« »Causalitas est influxus causae, quo illa attingit suum effectum« (Lex. philos. p. 211). »Causa universalis« ist z.B. Gott, der Himmel. »Causa vera« ist die Ursache, »quae vere agit« (l. c. p. 212 f.).

Nach ZWINGLI sind alle Einzelursachen secundäre Ursachen. Gott ist die wahrhafte Ursache des Geschehens. Nach DESCARTES muss (scholastisch) in der Ursache mindestens so viel Realität als in der Wirkung sein (Med. III, p. 18). Nach HOBBES ist Ursache kein Ding, sondern ein Zustand, Geschehen »accidens« »sine quo effectus non potest produci«. Sie ist »aggregatum omnium accidentium tum agentium quotquot sunt« (De corp. C. 9, 3. C. 10, 1). Nach den Occasionalisten (s. d.) ist Gott die eigentliche Ursache alles Geschehens. MALEBRANCHE erklärt, »cause véritable« sei »une cause entre laquelle et son effet l'esprit aperçoit une liaison nécessaire« (Rech. Il, 3). Nach GASSENDI ist Ursache »id, quod in rei productione agens sive efficiens est« (Philos. Epic. synt. II, sct. I, 10). Nach SPINOZA ist Gott (s. d.), die »causa sui« (s. d.), die (immanente, freie) Ursache von allem (s. Causalität. vgl. De Deo I, 3). BAYLE erklärt: »La cause est ce par la force de quoi la chose est« (Syst. d. philos. p 82). - Nach LOCKE ist Ursache das, was eine einfache oder zusammengesetzte Vorstellung hervorbringt, das, »was macht, dass etwas anderes, sei es einfache Vorstellung, Substanz oder Eigenschaft, zu sein beginnt«. Wirkung ist, was seinen Anfang von etwas anderem hat (Ess. II, ch 26, § 1 f.). Nach BERKELEY ist die einzige tätige, active Ursache der Geist (Princ. CII). Die sinnlichen Objecte (s. d.) sind nur Gelegenheitsursachen (vgl. Causalität). Nach R. PRICE stammt der Begriff der Ursächlichkeit nicht aus der Erfahrung, sondern ist ein Denkprincip. »The necessity of a cause of whatever events arise an essential principal, a primary perception of the understanding« (Review of the principal quest. and difficult. in moral p. 33). - Ursache ist nach CHR. WOLF »principium, a quo existentia sive actualitas entis alterius ab ipso diversi dependet tum quatenus existit, tum quatenus tale existit« (Ontolog. § 881). Sie ist »ein Ding, welches den Grund von einem andern in sich enthält« (Vern. Ged. I, § 29). Wirkende Ursache ist jenes Ding, »welches durch sein Tun dem Möglichen zur Wirklichkeit verhilft« (l. c. § 120). BAUMGARTEN bestimmt: »Principium existentiae est causa, principiatum causae causatum« (Met. § 307). CRUSIUS unterscheidet »causae univocae« und »aequivocae« (Vernunftwahrh. § 62. vgl. Met. § 36 ff.). Nach FEDER ist Ursache »ein Ding, mit dessen Wirksamkeit der Erfolg verknüpfet ist«. Von den eigentlichen Ursachen sind zu unterscheiden die »unwirksamen Umstände, die nötigen Bedingungen« (Log. u. Met. S. 254 f.). Alle Ursachen führen schließlich auf eine letzte, eine »Grundursache« (l. c. S. 257). Es gibt mechanische (physische) und unmechanische (metaphysische) Ursachen (l. c. S. 259 ff.. vgl. H. S. REIMARUS, Vernunftlehre, § 81, 108, 276). - Nach HUME ist Ursache ein »Gegenstand, dem ein anderer folgt, so dass alle dem ersten ähnliche Gegenstände solche, die dem zweiten ähnlich sind, zur Folge haben..., so dass, wenn das erste Ding nicht gewesen wäre, das zweite niemals hätte entstehen können« oder ein Gegenstand, »dem ein anderer folgt und dessen Eintritt immer die Gedanken auf diesen führt« (Enquir. VII, 2). »Wir können sagen, Ursache heiße ein Gegenstand, der einem anderen voraufgeht und räumlich benachbart ist, wofern zugleich alle Gegenstände, die jenem ersten gleichen, in der gleichen Beziehung der Aufeinanderfolge und räumlichen Nachbarschaft zu den Gegenständen stehen, die diesem letzteren gleichen.« Oder: »Ursache ist ein Gegenstand, der einem andern voraufgeht, ihm räumlich benachbart und zugleich mit ihm so verbunden ist, dass die Vorstellung des einen Gegenstandes den Geist nötigt, die Vorstellung des andern zu vollziehen« (Treat. sct. 14, S. 229 f.). - Nach DUGALD STEWART hat Ursache eine phänomenale und eine metaphysische Bedeutung. »Wenn es heißt, dass jede Veränderung in der Natur das Wirken einer Ursache anzeigt, so bezeichnet hierbei das Wort Ursache etwas, das als notwendig verknüpft mit der Veränderung gedacht wird. man kann dies die metaphysische Bedeutung des Wortes nennen.« »Wenn wir jedoch in der Naturwissenschaft von einem Dinge als der Ursache eines andern sprechen, so meinen wir nur, dass die beiden regelmäßig verbunden sind« (Philos. of the hum. mind I, 2). JAMES MILL erklärt: »A cause, and the power of a cause, are not two things, but two names for the same thing« (Anal. ch. 24).

Nach KANT bedeutet der Begriff der Ursache »eine besondere Art der Synthesis..., da auf etwas A was ganz verschiedenes B nach einer Regel gesetzt wird« (Krit. d. rein. Vern. S. 107). Er erfordert, »dass etwas A von der Art sei, dass ein anderes B notwendig und nach einer schlechthin allgemeinen Regel folge« (l. c. S. 108). Die Zeitfolge ist das empirische Kriterium der Ursache. Doch sind Ursache und Wirkung meist zugleich. »Der größte Teil der wirkenden Ursache in der Natur ist mit ihren Wirkungen zugleich, und die Zeitfolge der letzteren wird nur dadurch veranlasst, dass die Ursache ihre ganze Wirkung nicht in einem Augenblicke verrichten kann. Aber in dem Augenblicke, da sie zuerst entsteht, ist sie mit der Causalität ihrer Ursache jederzeit zugleich, weil, wenn jene einen Augenblick vorher aufgehöret hätte zu sein, diese gar nicht entstanden wäre. Hier muss man wohl bemerken, dass es auf die Ordnung der Zeit, und nicht auf den Ablauf derselben angesehen sei: das Verhältnis bleibt, wenngleich keine Zeit verlaufen ist. Die Zeit zwischen der Causalität der Ursache und deren unmittelbarer Wirkung kann verschwindend (sie also zugleich) sein, aber dass Verhältnis der einen zur andern bleibt doch immer, der Zeit nach, bestimmbar. Wenn ich eine Kugel, die auf einem ausgestopften Rissen liegt und ein Grübchen darin drückt, als Ursache betrachte, so ist sie mit der Wirkung zugleich. Allein ich unterscheide doch beide durch das Zeitverhältnis der dynamischen Verknüpfung beider. Denn wenn ich die Kugel auf das Kissen lege, so folgt auf die vorige glatte Gestalt desselben das Grübchen. hat aber das Kissen (ich weiß nicht woher) ein Grübchen, so folgt daraus nicht eine bleierne Kugel.« »Demnach ist die Zeitfolge allerdings das einzige empirische Kriterium der Wirkung in Beziehung auf die Causalität der Ursache, die vorhergeht« (l. c. S. 190 f.. Prolegom. § 53. vgl. gegen die »causa sui«: Princip. prim. sct. II, 6).

Nach SAL. MAIMON ist Ursache »ein Etwas von der Art, dass, wenn es gesetzt wird, etwas anderes gesetzt werden muss« (Vers. üb. d. Transcend. S. 37). Nach BOUTERWEK ist Ursache »dasjenige in der Wirklichkeit, ohne dessen Voraussetzung etwas anderes in bestimmten Verhältnissen nicht als wirklich gedacht werden kann« (Lehrb. d. philos. Wissensch. I, 115). Das Müssen, das Auseinander ist ein Ausspruch der Vernunft, es wird in die Erfahrung hineingelegt (l. c. S. 111 f.). Metaphysisch ist die Ursache eine Kraft (l. c. I, 116). »Indem wir, unmittelbar durch die Vernunft selbst genötigt, in unsern Gedanken den Grund dessen, was wir als wahr erkennen, in einer vernunftmäßigen Voraussetzung suchen, denken wir uns auch notwendig alle relative Wirklichkeit, die mehr als bloßer Gedanke: ist, gegründet in einer andern relativen Wirklichkeit« (ib.). G. E. SCHULZE betont, aus der bloßen Folge von Dingen gehe noch nicht die Notwendigkeit des Causalverhältnisses hervor. Die beobachtete Beständigkeit der Succession und Coëxistenz kann aber nicht Zufall sein, sondern »muss auf Gesetze, worunter die Dinge in der Natur in Ansehung ihrer Folge aufeinander stehen, bezogen werden, und in diesen Gesetzen liegt der Grund der Notwendigkeit« (Üb. d. menschl. Erk. S. 71 ff.).
Nach J. G. FICHTE ist Ursache ein Tätiges. »Dasjenige, welchem Tätigkeit zugeschrieben wird und insofern nicht Leiden, heißt die Ursache (Ur-Realität, positive schlechthin gesetzte Realität...). Dasjenige, dem Leiden zugeschrieben wird und insofern nicht Tätigkeit, heißt das Bewirkte (der Effect, mithin eine von einer andern abhängende und keine Ur-Realität). Beides in Verbindung gebracht heißt eine Wirkung. Das Bewirkte sollte man nie Wirkung nennen« (Gr. d. g. Wiss. S. 64 f.). SCHELLING bemerkt: »Nach dem Gesetz der Ursache und Wirkung zu urteilen, ist uns... durch eine nicht bloß von unserem Wollen, sondern selbst von unseren, Denken unabhängige und diesem vorausgehende Notwendigkeit auferlegt« (WW. I 10, 78). HEGEL bestimmt: »Die Substanz ist Ursache, insofern sie gegen ihr Übergehen in die Accidentalität in sich reflectiert und so die ursprüngliche Sache ist, aber ebenso sehr die Reflexion in sich oder ihre bloße Möglichkeit aufhebt, sich als das Negative ihrer selbst setzt und so eine Wirkung hervorbringt, eine Wirklichkeit, die so nur eine gesetzte, aber durch den Process des Wirkens zugleich notwendige ist.« »Die Ursache hat als die ursprüngliche Sache die Bestimmung von absoluter Selbständigkeit und einem sich gegen die Wirkung erhaltenden Bestehen, aber sie ist in der Notwendigkeit, deren Identität jene Ursprünglichkeit selbst ausmacht, nur in die Wirkung übergegangen. Es ist kein Inhalt, insofern wieder von einen, bestimmten Inhalte die Rede sein kann, in der Wirkung, der nicht in der Ursache ist. - jene Identität ist der absolute Inhalt selbst. ebenso ist sie aber auch die Formbestimmung, die Ursprünglichkeit der Ursache wird in der Wirkung aufgehoben, in der sie sich zu einem Gesetztsein macht. Die Ursache ist aber damit nicht verschwunden, so dass da Wirkliche nur die Wirkung wäre. Denn dies Gesetztsein ist ebenso unmittelbar aufgehoben, es ist vielmehr die Reflexion der Ursache in sich selbst, ihre Ursprünglichkeit. in der Wirkung ist erst die Ursache wirklich und Ursache. Die Ursache ist daher an und für sich causa sui« (Encykl. § 153. vgl. K. ROSENKRANZ, Syst. d. Wissensch. S. 82 ff.).

Nach C. H. WEISSE ist Ursache der »Körper, als Grundlage oder Träger jener Kräfte, die in ihm nur im dialektischen Sinne aufgehoben, aber keineswegs ein für allemal verschwunden sind, als substantielles Moment des Übergangs von seinem Dasein zu anderem Dasein außer ihm, des Setzens von anderem Dasein, zu welchem der Grund, d.h. das Wesen oder die substantielle Einheit in ihm liegt«. Das Ding ist wahrhaft nur als Ursache wirklich (Grdz. d. Met. S. 435). CHR. KRAUSE bestimmt: »Sofern... der Grund das Begründete so bestimmt, dass dieses mit ihm übereinstimmet, insofern nennen wir auch den Grund Ursache« (Vorles. S. 119). »Das Universum, als das Urganze, ist zugleich die eine Ursache, und weil es nicht wiederum Teil eines andern Ganzen, so ist es nicht verursacht durch irgend etwas. Jedes Teilwesen aber in ihm ist insofern einzig verursacht oder bewirkt im Urwesen, es hat den ganzen, einzigen Grund seines Wesentlichen im Urwesen, sofern es Ganzes seiner Art ist, ist es selbst endliche Ursache seiner inneren Teile« (Urb. d. Menschh.3, S. 328). Alle Wechselwirkung hat im Urwesen statt (l. c. S. 329). Wie Krause unterscheidet AHRENS Ursache und Bedingung. »Durch eine Ursache wird etwas unmittelbar wirklich, durch eine Bedingung dagegen wird es möglich gemacht, dass etwas anderes durch eine innere oder äußere Ursache wirklich werde« (Naturrecht I, 270). U. RITTER betont: »Nicht das Ding, sondern seine Tätigkeit bewirkt und ist Ursache, und ebenso wenig ist ein Ding Wirkung, sondern nur in seinen Tätigkeiten erfährt es die Wirkung« (Syst. d. Log. u. Met. II, 210). Ursache und Wirkung sind real gleichzeitig, im Denken jedoch succedierend (l. c. S. 214 f.). ROSMINI erklärt: »L'idea di una causa è l'idea di un ente che produce un' azione« (Nuovo sagg. § 621). Nach GALUPPI stammt der Ursach-Begriff aus der innern Erfahrung, so auch nach M. DE BIRAN (»L'idée de cause a son type primitif et unique dans le sentiment du moi, identifié avec celui de l'effort«, Oeuvr. inéd. I, 258), nach ROYER-COLLARD, auch nach V. COUSIN (Fragm. philos.2, 1833, p. 26). Nach BRANISS ist die Substanz in der »beharrlichen Bestimmung wesentlicher Wirksamkeit« Ursache (Syst. d. Met S. 281). Nach HERBART sind Ursache und Wirkung gleichzeitig (Allg. Met. I, S. 332). Jede Ursache ist selbst eine Veränderung, die wieder eine Ursache haben muss. Da wir nicht zur ersten Ursache kommen, so ist die ganze Reihe in Ruhe, es geht aus ihr keine Wirkung hervor (WW. IV, 165. Allg. Met. § 227. Lehrb. zur Einleit. § 104 ff.. vgl. HARTENSTEIN, Probl. S. 81 ff.. WAITZ, Lehrb. d. Psychol. S. 578). Den actuellen (s. d.) Ursach-Begriff hat SCHOPENHAUER. Nach ihm ist Ursache der »Zustand der Materie, der, indem er einen andern mit Notwendigkeit herbeiführt, selbst eine ebenso große Veränderung erleidet, wie die ist, welche er verursacht« (W. a. W. u. V. I. Bd., § 23). »Reiz« ist diejenige Ursache, die selbst keine ihrer Wirkung angemessene Gegenwirkung erleidet und deren Intensität nicht dem Grade nach parallel geht mit der Intensität der Wirkung (ib.). - W. ROSENKRANTZ bemerkt: »Nur dadurch, dass wir selbst Ursache und Wirkung sind, können wir wissen, dass es Ursachen und Wirkungen gibt.« »Die Verbindung von Ursache und Wirkung ist... eine Tatsache unseres Bewusstseins, und zwar die allererste und ursprünglichste. Sie liegt nämlich in der einfachen Form der reinen Selbstbestimmung oder der Hervorbringung des eigenen Seins und damit zugleich in jeder zweitern Bestimmungshandlung, in welcher sich die Form der ursprünglichen Selbstbestimmung wiederholt« (Wissensch. d. Wiss. II, 197 f.. vgl. S. 118 f.). Nach TEICHMÜLLER hat der Begriff der Ursache seine Quelle im Ich. Causalzusammenhang ist zunächst die »Ordnung unserer Functionen, wonach keine Bewegung erfolgt ohne Gefühl oder Willensact und kein Willensact ohne Vorstellung«. Diesen Zusammenhang übertragen wir »auf die Wesen, mit denen wir in Verkehr treten, und dann überhaupt auf die ganze Natur mit allen ihren Erscheinungen« (Neue Grundleg. S. 200).

Nach HELMHOLTZ ist Ursache »das hinter dem Wechsel ursprünglich Bleibende und Bestehende« (Vortr. u. Red. II, 241). FECHNER bestimmt: »Die den gesetzlichen Erfolgen vorausgehenden Umstände oder Verhältnisse bezeichnet man als ursächliche oder als Bedingungen der Erfolge, die Erfolge selbst als deren Wirkungen. man hypostasiert die gesetzliche Beziehung zwischen Ursache und Wirkung im Begriffe einer Kraft, vermöge deren die Ursache ihre Wirkung hervortreibt, und charakterisiert die Kraft qualitativ oder formal durch das Gesetz, welches angibt, welcherlei Folge aus den Umständen hervorgeht, auf die sich das Gesetz bezieht« (Tagesans. S. 190).

W. HAMILTON erklärt: »When we are aware of something which begins to be, we are, by the necessity of our intelligence, constrained to believe that it has a cause.« Das bedeutet, »that as we cannot conceive any new existence to commence, therefore, all that now is seen to arise under a new appearance had previously an existence under a prior form. We are utterly unable to realise in thought the possibility of the complement of existence being either increased or diminished. We are unable... to conceive nothing becoming something, or... something becoming nothing« (Lect. II, 377). So auch HEYMANS (Ges. U. Elem. d. wiss. Denk. S. 376 ff.). Ursachen sind »gewisse Bestimmungen eines Wirklichen..., welche, so oft sie gegeben sind, unmittelbar und mit Notwendigkeit einen bestimmten neuen Zustand des Wirklichen herbeiführen. dergestalt aber, dass dieser neue Zustand aus jenen Bestimmungen logisch ableitbar und dem ursprünglichen Zustande äquivalent ist« (l. c. S. 349 f.). Ursache nennt man »die zu einer wahrgenommenen neuen Erscheinung hinzupostulierten, derselben vorhergehenden wirklichen Zustände und Processe, aus denen sich die der neuen Erscheinung zugrunde liegenden Zustände und Processe als ihre gleichmäßige Fortsetzung ergeben« (l. c. S. 380). - Nach MANSEL ist Ursache das, was die Kraft hat, die Wirkung hervorzubringen. Nach BRADLEY sind Ursache und Wirkung Glieder einer einheitlichen Totalität (Appear. and Real. ch. 4 ff.. vgl. BOSANQUET, Logic I, 6). HODGSON setzt an die Stelle von »Ursache« die »real condition« (vgl. Philos. of Reflect.. The Metaphys. of Experience 1898). - J. ST. MILL versteht unter Ursache die »Summe der positiven und negativen Bedingungen« (Log. I, 393). Nach A. BAIN ist die Ursache »the entire aggregate of conditions or circumstances requisite to the effect« (Log. II, p. 19). »Every event is uniformly preceeded by some other event« (l. c. I, 20). Nach LEWES ist Ursache »the condensed expression of the factors of any phenomenon« (Probl. II, 361). »The search for a cause... is a speculative instinct prompted by our needs and cherished by constant experience of events depending on other events« (l. c. p. 361). »Phenomena present themselves in experience as dependent on other phenomena which preceede and coëxist with them, - varying as these vary, being their function... We detach these dependencies and connections and call the abstractions causes« (l. c. p. 357). Nach R. SHUTE ist der Ursach-Begriff rein subjectiv. Wir betrachten je eine bestimmte Erscheinung als Zeichen des Eintritts einer andern Erscheinung (Discourse on truth, p. 41. vgl. p. 181). Nach L. F. WARD constituiert die »collision« »the only cause« (Pure Sociol. p. 136). - Nach WADDINGTON entspringt der Begriff der Ursache aus dem Selbstbewusstsein (Seele d. Mensch. S. 250). Nach RABIER ist die Kraftintention (»l'effort«) des Willens der Ursprung des Ursach- Begriffes (Psychol. p. 295 f.). Nach FOUILLÉE ist die »cause primitive« »le rapport de l'appétit à la motion« (Psychol. d. id.-forc. II, 153. vgl. p. 169 ff.).

Nach L. KNAPP besteht die zureichende Ursache einer Erscheinung »in der vollen wirklichen Gesamtheit der als unabtrennbar erkannten vorhergehenden Erscheinungen« (Syst. d. Rechtsphilos. S. 74). Nach P. VOLKMANN ist jede Ursache ein Complex von Ursachen (Erk. Grundz. d. Naturwiss. S. 158). Nach SCHUPPE ist Ursache »niemals eine einzige Erscheinung..., sondern immer eine Mehrzahl sehr verschiedenartiger positiver und negativer Bedingungen« (Log. S. 56). Die letzte hinzukommende Bedingung kann man als das Bewirkende bezeichnen (l. c. S. 61). Die Ursache ist nicht schon ein Ding, sondern kann auch als »Complex bloßer Wahrnehmungsinhalte« gedacht werden (l. c. S. 73). Nach SCHUBERT- SOLDERN besteht die Ursache aus einem »Complex von Daten (a b c d), die in den verschiedensten räumlichen und zeitlichen Beziehungen zueinander stehen können (resp. müssen) und an welche unmittelbar die Wirkung (e f g h) sich anschließt« (Gr. ein. Erk. S. 252). »Wo... nicht ein bestimmter Intensitätsgrad nötig ist, der sich in der Zeit entwickelt, da ist die Ursache gleichzeitig mit der Wirkung, aber auch wo eine bestimmte Intensität erforderlich wird, ist die Ungleichheit nur scheinbar, denn die letzte Veranlassung ist doch immer jener bestimmte Intensitätsgrad und mit diesem zugleich ist die Wirkung gegeben« (l. c. S. 250). Die Wirkung kann mit der Ursache gleichzeitig sein oder sie kann ihr folgen, aber die Ursache muss stets mit der Wirkung gleichzeitig sein (l. c. S. 255).

Nach HAGEMANN ist Ursache »der Entstehungsgrund eines von ihr wirklich verschiedenen (substantiellen oder accidentiellen) Seins, d.h. einer Wirkung. Die Wirkung ist der Zeit oder wenigstens der Natur nach später als die Ursache« (Met.2, S. 39). »Bewirkende Ursache« ist »dasjenige Wesen, welches durch seine Wirksamkeit etwas hervorbringt oder eine Wirkung setzt« (l. c. S. 40). Sie ist: a. »unmittelbare oder mittelbare Ursache, je nachdem sie durch sich allein oder durch ein anderes die Wirkung hervorbringt. Dieses andere heißt dann werkzeugliche Ursache (causa instrumentalis)«. b. »notwendige und freie Ursache. Jene setzt, sobald die erforderlichen Bedingungen zur Tätigkeit vorhanden sind, die Wirkung mit Notwendigkeit. diese bestimmt sich selbst nach vorhergehender Wahl zur Tätigkeit«. c. »adäquate und inadäquate Ursache. Jene ist für sich allein vollgenügender Grund der Wirkung. diese kann nicht aus sich allein, sondern nur unter Mitwirkung anderer Ursachen die Wirkung setzen«. d. »erste und zweite Ursache, je nachdem sie in ihrer Wirksamkeit von einer höheren Ursache unabhängig oder davon abhängig ist«. e. »singuläre und universelle Ursache. Jene kann nur eine bestimmte Wirkung oder eine bestimmte Art von Wirkungen setzen. Diese vermag verschiedenartige Wirkungen hervorzubringen«. f. »übergeordnete und untergeordnete Ursachen. Jene wirken neben und unabhängig voneinander. diese wirken nacheinander und abhängig voneinander. Nach der Stufenfolge der Abhängigkeit lassen sich eine nächste, eine (oder mehrere) mittlere und eine letzte Ursache unterscheiden« (l. c. S. 40 f.). Formelle Ursache oder Form ist »dasjenige, was der Wirkung ihre Bestimmtheit gibt«. Die Form ist dem Dinge Grund seiner Wirklichkeit (actus primus) und daher auch seiner Wirksamkeit (actus secundus) (l. c. S. 42). Ähnlich andere neoscholastische (s. d.) Philosophen.

Nach HARMS ist die Causalität der Dinge »allein enthalten in ihren immanenten und bleibenden Kräften, welche alle Veränderungen und alles Geschehen bedingen. Alle Veränderungen der Dinge, alles werden und Geschehen ist Wirkung und niemals Ursache« (Psychol. S. 72). Nach R. SEYDEL ist Ursache eine »nötigende Bedingung«. Das Wirken kann nur im Innern der Wesen vorgehen (Religionsphilos. S. 100). Nach E. V. HARTMANN setzt sich die Ursache aus constanten und veränderlichen Bedingungen zusammen, »Zu den ersteren gehören die bei dem Vorgange mitwirkenden Individuen vom Absoluten herunter bis zu den Uratomen, zu den letzteren die von ihnen bei dem Vorgange entfalteten Tätigkeiten.« »Wenn ein Individuum durch sein Dasein die constante und durch seine Tätigkeit die variable Bedingung einer Wirklichkeit liefert, so heißt es im eminenten Sinne Ursache« (Kategorienlehre, S. 377 ff.). Zureichende Ursache ist der vollständige Bedingungscomplex (l. c. S. 380). »Was wir für Erkenntnis der Ursachen in der objectiv realen Sphäre halten, ist also eigentlich nur Erkenntnis derjenigen Bedingungen, die in quantitativ hervorragenden Maße auf den Ausfall der Wirkungen von Einfluss sind. Wir erkennen nicht den vollen und ganzen Strom der Causalität, sondern die Sonderströmungen und Wirbel in diesem Gesamtstrom« (ib.). Auch die Nebenwirkungen entziehen sich der Berechnung (l. c. S. 381). »Vollständige Ursache in jedem Augenblick ist der in ihm gegebene Weltzustand mit allen seinen Einzelheiten als universeller Complex. aller Bedingungen« (l. c. S. 382). Nach LIPPS ist Ursache »der genügende, also widerspruchslos nötigende und zugleich notwendige« Grund (Gr. d. Seelenleb. S. 431), »dasjenige, das als bereits in der objectiven Wirklichkeit gegebene gedacht werden muss, wenn ein anderes, die 'Wirkung', als objectiv wirklich soll gedacht werden können« (Gr. d. Log. S. 84), »der Grund, mit dem die Folge zugleich gegeben und aufgehoben ist« (Zeitschr. f. Psychol. I, 261. Zur Psychol. d. Causal.). VOLKELT erklärt: »Derjenige Factor, an dessen Vorhandensein unabänderlich das Eintreten oder Bestehen eines andern geknüpft ist, heißt die Ursache« (Erfahr. u. Denk. S. 226). - Nach RIEHL bilden Ursache und Wirkung in Wirklichkeit einen einzigen Vorgang. Die Wirkung ist nichts als die »Gesamtheit ihrer ursächlichen Momente« (Philos. Krit. II 2, 239). Ursache und Wirkung müssen coexistieren. »B entsteht auf Kosten von A. A hat in dieser Form erst dann aufgehört zu existieren, sobald B vollständig an seine Stelle getreten ist« (l. c. S. 268). UPHUES bemerkt: »Auf Zusammengehörigkeiten der Teile zusammengesetzter Vorgänge... kommt das zurück, was wir hervorbringende Ursache nennen« (Psychol. d. Erk. I, 75). Nach NIETZSCHE gibt es keine Zweiheit von Ursache und Wirkung. das sind nur von uns isolierte und selbständig fixierte Teile des Geschehens (WW. V, 109). M. KAUFFMANN bestimmt: »Bin Object kann an zwei Stellen in der Zeit begrenzt sein, da es einen Beginn und ein Ende in ihr haben kann. Diejenigen Objecte, welche andere Objecte auf der Seite des Anfanges begrenzen, heißen Ursachen. diejenigen, welche sie auf der Seite des Aufhörens begrenzen, heißen Wirkungen« (Fundam. d. Erk. S. 19) Nach HÖFFDING sind uns die Dinge stets als »Glieder eines Zusammenhanges gegeben«. Die Wirkung ist die continuierliche Fortsetzung einer Veränderung. Wir suchen »das Geschehende als einen continuierlichen Process aufzufassen, dessen erstes und letztes Glied wir Ursache und Wirkung nennen«. Der Causalbegriff ist der Ausdruck für das Suchen nach Zusammenhang, in welchem das Bewusstsein sich stets gleich bleiben kann (Psychol.2 S. 288 ff.). L. DILLES betont, »dass in der wahren Ordnung der Dinge Ursache und Wirkung als voneinander getrennte nicht vorkommen«. Das Wirken (s. d.) der Dinge ist »nur ein essentielles« (Weg zur Met. I, 261). Die »continuierliche Fortsetzung« ist es allein, welche uns zwei Erscheinungen als causal verknüpft erscheinen lässt (l. c. S. 263). »Gleiche Umstände wie früher, gleiche Erfolge wie früher« - das Causalgesetz ist ein »intuitiver Schluss«, weil der Verstand unmittelbar es erfasst, »dass das Wirken der Berührungssphären nicht ein von ihrem Wesen Verschiedenes sein kann, sondern mit ihm eins ist« (l. c. S. 268). - Nach R. WAHLE ist Ursache »dasjenige, ohne welches der Eintritt einer gewissen Erscheinung nicht gefolgt wäre« (Das Ganze der Philos. S. 99). B. ERDMANN erklärt: »Ursachen sind Vorgänge, sofern mit ihrer Wirklichkeit die Wirklichkeit anderer erfahrungsmäßig in der Weise verbunden ist, dass, wenn sie eintreten, auch jene eintreten« (Log. I, 580). Nach SIGWART sind die eigentlichen Ursachen »die Dinge mit ihren Eigenschaften oder Kräften« (Klein. Schrift. II2, 37), die kraftbegabten Substanzen. die wechselnden Verhältnisse sind Bedingungen (Log. II2, 179). im weiteren Sinne ist Ursache die »Gesamtheit der Bedingungen« (l. c. S. 134). Nach WUNDT ist Ursache nur »diejenige Bedingung, welche über Beschaffenheit und Größe der Wirkung Rechenschaft gibt«. Ursache und Wirkung sind nicht Dinge sondern Vorgänge. Ursache ist jenes Geschehen, welches in »unabänderlicher Weise mit der Wirkung verknüpft ist. Da die Ursache stets ein Geschehen ist, also in der Zeit verläuft, so lässt sich ein anschauliches Bild des Causalnexus nur gewinnen, wenn wir Ursache und Wirkung als succedierende Ereignisse denkend betrachten, wenngleich empirisch nicht jede Causalverbindung in der Form der Succession gegeben ist« (Log. I2, 597 ff., 603 ff.. Syst. d. Philos.2, S. 290 f.. Philos. Stud. X, 4). - Nach O. SCHNEIDER ist Ursache »dasjenige Ding mit Eigenschaften, das jederzeit und überall da ist, oder derjenige Zustand eines Dinges mit Eigenschaften, der jederzeit und überall da ist, wenn entweder ein anderes Ding mit seinen Eigenschaften oder auch dasselbe Ding in einem andern Zustande dasein soll« (Transcendentalpsychol. S. 190). »Verursachen heißt die Veränderung des Sachverhaltes herbeiführen« (l. c. S. 193 ff.). Nach FR. SCHULTZE ist »ein psychophysischer Zwang in uns, der uns nicht erlaubt, irgend etwas acausal vorzustellen« (Philos. d. Naturwiss. II, 239). Die Causalität ist die Grundkategorie des Denkens. Sie hat empirische Gültigkeit (l. c. S. 239 ff., 248 ff., 267), setzt aber ein Ding an sich als Grenze (l. c. S. 368 ff.). Empirisch haben wir es nur mit secundären Ursachen zu tun. die primären liegen im Gebiete der Metaphysik (l. c. S. 356 f.). P. NATORP erklärt: »Causalität ist es überhaupt, welche den Begriff der Physis schafft, welche den Gegenstand der Naturwissenschaft erst constituiert. wer das annimmt, wird nicht einräumen können, dass es andere als physische Ursachen gebe« (Socialpäd. S. 17) »Ursachgesetze sind Zeitgesetze des Geschehens« (l. c. S. 18), nicht so die logischen Gesetze (ib.). - Nach A. MEINONG setzt die Ursache die Notwendigkeit des Anfangs des Wirkens. damit ist die Regelmäßigkeit schon gegeben (Hume-Stud. II, 124). Ursache ist »ein mehr oder weniger großer Complex von Tatsachen, welche auch nicht den kleinsten Teil einer Zeit zusammen bestehen können, ohne dass die Wirkung zu existieren anfängt« (l. c. S. 128). »Causalität ist... eine Vereinigung bestimmter Vergleichungs- und Verträglichkeitsfälle« (ib.). sie geht auf die Dinge selbst (l. c. S. 129 f.). A. DORNER betont, das Causalgesetz sei »nicht bloß eine subjective Betrachtung des Zusammenhangs von Eindrücken«, sondern besage, dass »reale Tätigkeiten, Actionen ausgeübt werden« (Gr. d. Relig. S. IX). Das causale Wesen müssen wir als real denken, sonst ist es eben nicht causal (l. c. S. 21).

Der Positivismus (s. d.) COMTES ist gegen die Rückbeziehung der Vorgänge auf transcendente Ursachen (s. Causalität). Nach KIRCHHOFF soll die Mechanik nur angeben, »welches die Erscheinungen sind, die stattfinden«, aber nicht ihre Ursachen ermitteln (Vorles. üb. Mechan. Vorr.). »Kräfte« sind nur ein Mittel, um die Ausdrucksweise zu vereinfachen (ib.). Nach TAIT sind die Causalprincipien »wider sinnige aprioristische Principien« (Vorles. üb. einige neuere Forsch. d. Phys. 1877, S. 47). R. AVENARIUS, PETZOLDT, E. MACH u. a wollen den Begriff der Ursächlichkeit durch den der Function (s. d.), der Abhängigkeit (s. d.) ersetzen (s. Causalität). E. MACH behauptet, der Ursach-Begriff habe einen »fetischistischen« Zug (Die Mechan. S. 455. Populärwiss. Vorles. S. 269). Nach OSTWALD ist die Causalität das praktische Ergebnis unserer Bemühungen, für die Beurteilung der Zukunft Erfahrungen zu sammeln und begrifflich zu ordnen (Vorles. üb. Naturphilos.2, S. 296). Ursache für ein physisches Geschehen ist immer eine Energie (ib.). Vgl. H. CORNELIUS, Psychol. S. 355 ff.. H. GRÜNBAUM, Zur Kritik d. modern. Causalanschauungen, Arch. f. system. Philos., 1899, S. 392 ff. - Vgl. Causa, Causalität, Princip, Wirken, Veränderung, Kraft, Tätigkeit, Wechselwirkung, Parallelismus, Kategorien, Zweck."

[Quelle: Eisler, Rudolf <1873-1926>: Wörterbuch der philosophischen Begriffe. -- 2. völlig neu bearb. Aufl. -- Berlin :  Mittler, 1904. -- 2 Bde. -- Bd. 2. -- S. 580 - 589]

Das ganze ist in der Terminologie von Ernst Topitsch ein technomorphes Modell der Schöpfung. Topitsch unterscheidet folgende Haupttypen von Welterklärungsmodellen:

"Dem Fernerliegenden und Unbekannten wird der Charakter des Fremden und Befremdlichen genommen, indem man es nach Analogie des Naheliegenden und alltäglich Vertrauten auffasst. So dienen die Dinge und Vorgänge der täglichen Lebenswirklichkeit als Modellvorstellungen für das Weltverständnis.

Grundsätzlich kann zwar alles, was in jenem unmittelbaren Lebenskreis vorhanden ist, als Modellvorstellung gebraucht werden, doch die beherrschende Rolle spielen jene Analogien, die den direkt erfahrenen, praktisch bedeutsamen und gefühlsgesättigten Fakten der gesellschaftlichen Erzeugung und Erhaltung des Lebens entlehnt sind.

Es sind dies besonders die biologischen Prozesse von Zeugung und Geburt, Wachstum, Altern und Tod und das planmäßige, absichtsgeleitete Wollen und Handeln — das intentionale Verhalten — mit seinen Normen, Objekten und Produkten.

Man kann also von biomorphen und intentionalen Modellvorstellungen sprechen.

Die letztere Gruppe entstammt vor allem entweder den sozialen Beziehungen und Ordnungen von der Familie bis zum Staat oder der künstlerisch-handwerklichen Tätigkeit, der Techne, und ist daher in die Untergruppen der soziomorphen und technomorphen Analogien einzuteilen.

Mit Hilfe dieser Analogien werden Einzelvorgänge oder die Gesamtheit des Universums als soziale Phänomene oder Kunsterzeugnisse gedeutet. So entsteht oft eine scheinbar geschlossene „intentionale" Weltauffassung, die nach dem Leitbild unseres Wollens und Handelns gestaltet ist und auf dieses rückbezogen wird — denn unser Wille und unser Tun soll sich in die „Harmonie" des kosmischen Gesellschaftsverbandes oder Kunstwerkes einfügen"

[Quelle: Topitsch, Ernst <1919 - 2003>: Vom Ursprung und Ende der Metaphysik : eine Studie zur Weltanschauungskritik. --  Wien : Springer1958. -- 320 S. -- S. 3]


"Wegen der Unbeschränktheit / Unbestimmtheit des Objektbereiches ist das Instrument eines und unbeschränkt inbezug auf Erkennen und das zu Tuende."

Wenn die eine 'Sakti nicht auch unbeschränkt, unendlich wäre, wären alle Wirkungen gleich.

Vgl. ´Srîka.n.tha: Ratnatraya 190cd

['sakti.h]
ekânekavibhâgeva kâryabhedâd vibhâvyate

"Die eine 'Shakti wird aufgrund der verschiedenen Wirkungen als vielfältige wahrgenommen."


Vers 2.11c - 2.13 s.r.s.ti - die schlechthinnige Abhängigkeit


11c - 12: Suprabhedagama (gedruckt: Madras 1928, von mir bibliographisch nicht nachweisbar)

13: nicht nachgewiesen


Die schlechthinnige Abhängigkeit 'Sivas ist die erste. Die Schöpfung / Emanation der gebundenen Seelen (pa'su) ist die zweite.

Die schlechthinnige Abhängigkeit 'Sivas ist als mit einem reinen Körper verbunden verkündet.

Die schlechthinnige Abhängigkeit der gebundenen Seele ist verkündet als ein reiner Âtman, der verhüllt ist von Krusten.

Aus der Mâyâ geschieht - so wird verkündet - eine doppelte Emanation:

Die, die sich auf die Feinessenzen (tattva) bezieht, offenbart / unterscheidet Erkenntnis und Handeln.

Die grobe ist gemeinsam und gehört zum Wesen der Daseinsbereiche / Welten (bhuvana)


"schlechthinnige Abhängigkeit"

Statt s.r.s.ti mit "Schöpfung/Emanation" zu übersetzen, was im Deutschen eine zeitliche Konnotation hat, ist die Übersetzung mit dem schleiermachschen zeitlosen Ausdruck "schlechthinnige Abhängigkeit" der Vorstellung des südindischen 'Sivaismus viel angemessener.

In

 Schleiermacher, Friedrich <1768-1834>: Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhang.  dargestellt. -- Berlin : Reimer, 1821/22.  2 Bde.

definiert der evangelische Theologe und Philosoph Schleiermacher die Religion als ein »Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit« Hegel bemerkten dazu, dass insofern der »Hund der beste Christ« sei, als er dieses Gefühl in sich trage und vollständig von ihm geprägt sei.


Abb.: Friedrich Schleiermacher (1768 - 1834), Gründungsmitglied der Berliner Universität und Professor der Theologie in Berlin (1810)

4 Das Gemeinsame aller noch so verschiedenen Äußerungen der Frömmigkeit, wodurch diese sich zugleich von allen andern Gefühlen unterscheiden, also das sich selbst gleiche Wesen der Frömmigkeit, ist dieses, dass wir uns unsrer selbst als schlechthin abhängig, oder, was dasselbe sagen will, als in Beziehung mit Gott bewusst sind.

Anm. Für das in den folgenden Erläuterungen nicht selten vorkommende Wort schlechthinnig bedanke ich mich bei Herrn Prof. Delbrück. Ich wollte es nicht wagen, und habe keine Kunde, dass es 6chon anderwärts vorhanden gewesen. Nun er es aber gegeben, finde ich es sehr bequem, ihm im Gebrauch desselben zu folgen.

  1. In keinem wirklichen Bewusstsein, gleichviel ob es nur ein Denken oder Tun begleitet, oder ob es einen Moment für sich erfüllt, sind wir uns unsres Selbst an und für sich, wie es immer dasselbe ist, allein bewusst, sondern immer zugleich einer wechselnden Bestimmtheit desselben. Das Ich an sich kann gegenständlich vorgestellt werden; aber jedes Selbstbewusstsein ist zugleich das eines veränderlichen Soseins. In diesem Unterscheiden des letzteren von dem ersten liegt aber schon, dass das Veränderliche nicht aus dem sich selbst Gleichen allein hervorgeht, in welchem Falle es nicht von ihm zu unterscheiden wäre. In jedem Selbstbewusstsein also sind zwei Elemente, ein - um so zu sagen — Sichselbstsetzen und ein Sichselbstnichtsogesetzthaben, oder ein Sein, und ein Irgendwiegewordensein; das letzte also setzt für jedes Selbstbewusstsein außer dem Ich noch etwas anderes voraus, woher die Bestimmtheit desselben ist, und ohne welches das Selbstbewusstsein nicht grade dieses sein würde. Dieses andere jedoch wird in dem unmittelbaren Selbstbewusstsein, mit dem wir es hier allein zu tun haben, nicht gegenständlich vorgestellt. Denn allerdings ist die Duplizität des Selbstbewusstseins der Grund, warum wir jedesmal ein anderes gegenständlich aufsuchen, worauf wir unser Sosein zurückschieben; allein dies Aufsuchen ist ein anderer Akt, mit dem wir es jetzt nicht zu tun haben. Sondern in dem Selbstbewusstsein ist nur zweierlei zusammen, das eine Element drückt aus das Sein des Subjektes für sich, das andere sein Zusammensein mit anderem. - Diesen zwei Elementen, wie sie im zeitlichen Selbstbewusstsein zusammen sind, entsprechen nun in dem Subjekt dessen Empfänglichkeit und Selbsttätigkeit. Könnten wir uns das Zusammensein mit anderem wegdenken, uns selbst aber übrigens so wie wir sind: so wäre kein Selbstbewusstsein möglich, welches überwiegend ein Affiziertsein der Empfänglichkeit aussagte, sondern dann könnte jedes nur Selbsttätigkeit aussagen, welche aber auch, auf keinen Gegenstand bezogen, nur ein Hervortretenwollen, eine unbestimmte Agilität ohne Gestalt und Farbe wäre. Wie wir uns aber immer nur im Zusammensein mit anderm finden: so ist auch in jedem für sich hervortretenden Selbstbewusstsein das Element der irgendwie getroffenen Empfänglichkeit das erste, und selbst das ein Tun, worunter auch das Erkennen begriffen werden kann, begleitende Selbstbewusstsein, wiewohl es überwiegend eine regsame Selbsttätigkeit aussagt, wird immer auf einen früheren Moment getroffener Empfänglichkeit bezogen, durch welchen die ursprüngliche Agilität ihre Richtung empfing, nur dass oft auch diese Beziehung eine ganz unbestimmte sein kann. Zu diesen Sätzen kann die Zustimmung unbedingt gefordert werden, und keiner wird sie versagen, der einiger Selbstbeobachtung fähig ist, und Interesse an dem eigentlichen Gegenstand unserer Untersuchungen finden kann.
  2. Das Gemeinsame aller derjenigen Bestimmtheiten des Selbstbewusstseins, welche überwiegend ein Irgendwohergetroffensein der Empfänglichkeit aussagen, ist, dass wir uns als abhängig fühlen. Umgekehrt ist das Gemeinsame in allen denjenigen, welche überwiegend regsame Selbsttätigkeit aussagen, das Freiheitsgefühl Jenes nicht nur, weil wir anderwärts her so geworden sind, sondern vornehmlich, weil wir nicht anders als nur durch ein anderes so werden konnten. Dieses, weil anderes durch uns bestimmt wird, und ohne unsere Selbsttätigkeit nicht so bestimmt werden könnte. Diese beiden Erklärungen können indes noch unvollständig zu sein scheinen, indem es auch eine mit anderem nicht zusammenhängende Beweglichkeit des Subjektes gibt, welche unter demselben Gegensatz zu stehen scheint. Allein, wenn wir selbst von innen heraus irgendwie werden, ohne dass anderes dazu mitgesetzt ist: so ist dies das einfache Verhältnis der zeitlichen Entwicklung eines sich wesentlich selbst Gleichbleibenden, welche nur sehr uneigentlich auf den Begriff Freiheit bezogen werden kann. Und wenn wir von innen heraus irgendwie nicht werden können: so bezeichnet dies nur die zum Wesen des Subjektes selbst gehörige Grenze seiner Selbsttätigkeit, und diese würde nur sehr uneigentlich können Abhängigkeit genannt werden. - Mit diesem Gegensatz ist übrigens der zwischen trüben oder niederdrückenden und erhebenden oder freudigen Gefühlen, von welchem hernach die Rede sein wird, keineswegs zu verwechseln. Denn auch ein Abhängigkeitsgefühl kann erhebend sein, wenn das mitausgesagte Sogewordensein sich als ein vollkommenes ankündigt, und ebenso ein Freiheitsgefühl niederschlagend, teils wenn der Moment überwiegender Empfänglichkeit, worauf das Tun zurückgeführt wird, ein solcher war, teils wenn die Art und Weise der Selbsttätigkeit sich als ein nachteiligeres Zusammensein ausspricht. - Denken wir uns nun Abhängigkeitsgefühl und Freiheitsgefühl in dem Sinne als Eines, dass nicht nur das Subjekt, sondern auch das mitgesetzte Andere in beiden dasselbige ist: so ist dann das aus beiden zusammengesetzte Gesamtselbstbewusstsein das der Wechselwirkung des Subjektes mit dem mitgesetzten Anderen. Setzen wir nun die Gesamtheit aller Gefühlsmomente beider Art als Eines, so ist auch das mitgesetzte Andere als eine Gesamtheit oder als Eins zu setzen, und der letzte Ausdruck also der richtige für unser Selbstbewusstsein im allgemeinen, insofern es unser Zusammensein mit allem aussagt, was sowohl unsere Empfänglichkeit anspricht als auch unserer Selbsttätigkeit vorgelegt ist. Und zwar nicht nur sofern wir dieses andere vereinzeln, und jedem, wenngleich in noch so verschiedenem Grade, ein Verhältnis zu jenem zweifachen in uns zuschreiben; sondern auch sofern wir das gesamte Außeruns als Eines, ja auch weil ja andere Empfänglichkeit und Selbsttätigkeit, zu welcher wir auch Verhältnis haben, darin gesetzt ist, mit uns selbst zusammen als Eines, das heißt als Welt setzen. Demnach ist unser Selbstbewusstsein als Bewusstsein unseres Seins in der Welt oder unseres Zusammenseins mit der Welt, eine Reihe von geteiltem Freiheitsgefühl und Abhängigkeitsgefühl; schlechthinniges Abhängigkeitsgefühl aber, d. h. ohne ein auf dasselbe Mitbestimmende bezügliches Freiheitsgefühl, oder schlechthinniges Freiheitsgefühl, d. h. ohne ein auf dasselbe Mitbestimmende bezügliches Abhängigkeitsgefühl, gibt es in diesem ganzen Gebiete nicht. Wir mögen unsere Verhältnisse zur Natur betrachten oder die in der menschlichen Gesellschaft, so finden wir eine große Menge von Gegenständen, in bezug auf welche Freiheit und Abhängigkeit sich sehr das Gleichgewicht halten, und diese konstituieren das Gebiet der Gleichheit in der Wechselwirkung. Andere üben eine weit größere Einwirkung auf unsere Empfänglichkeit aus als die Einwirkung unserer Selbsttätigkeit auf sie und so auch umgekehrt, so dass eines von beiden sich auf ein unmerklich Kleines beschränken kann, aber nie wird eines von beiden Gliedern gänzlich verschwinden. Vorherrschend ist das Abhängigkeitsgefühl in dem Verhältnis der Kinder gegen die Eltern, der Bürger gegen das Vaterland; aber doch kennen, auch ohne das Verhältnis zu lösen, Einzelne sowohl Gegenwirkung als auch leitende Einwirkung auf das Vaterland ausüben. Und wie die Abhängigkeit der Kinder von den Eltern sehr bald als eine sich allmählich vermindernde und verlöschende gefühlt wird; so ist sie auch von Anfang an nicht ohne Beimischung einer auf die Eltern gerichteten Selbsttätigkeit, wie auch in der absolutesten Alleinherrschaft dem Gebieter ein leises Abhängigkeitsgefühl nicht fehlt. Dasselbe ist der Fall auf der Seite der Natur, wie wir denn selbst auf alle Naturkräfte, ja auch von den Weltkörpern kann man es sagen, in demselben Sinn, in welchem sie auf uns einwirken, auch ein Kleinstes von Gegenwirkung ausüben. So dass demnach unser gesamtes Selbstbewusstsein gegenüber der Welt oder ihren einzelnen Teilen zwischen diesen Grenzen beschlossen bleibt.
  3. Ein schlechthinniges Freiheitsgefühl kann es demnach für uns gar nicht geben: sondern, wer ein solches zu haben behauptet, der täuscht entweder sich selbst, oder er trennt, was notwendig zusammengehört. Denn sagt das Freiheitsgefühl eine aus uns herausgehende Selbsttätigkeit aus: so muss diese einen Gegenstand haben, der uns irgendwie gegeben worden ist, welches aber nicht hat geschehen können ohne eine Einwirkung desselben auf unsere Empfänglichkeit, in jedem solchen Falle ist daher ein zu dem Freiheitsgefühl gehöriges Abhängigkeitsgefühl mitgesetzt, und also jenes durch dieses begrenzt. Das Gegenteil könnte nur eintreten, wenn der Gegenstand überhaupt durch unsere Tätigkeit erst würde, welches aber immer nur beziehungsweise der Fall ist und nie schlechthin. Soll aber das Freiheitsgefühl nur eine innere selbsttätige Bewegung aussagen, so hängt nicht nur jede einzelne solche mit dem jedesmaligen Zustande unserer erregten Empfänglichkeit zusammen, sondern auch die Gesamtheit unserer inneren freien Bewegungen als Einheit betrachtet, kann nicht durch ein schlechthinniges Freiheitsgefühl repräsentiert werden, weil unser ganzes Dasein uns nicht als aus unserer Selbsttätigkeit hervorgegangen zum Bewusstsein kommt. Daher in keinem zeitlichen Sein ein schlechthinniges Freiheitsgefühl seinen Ort haben kann. Wenn nun unser Satz demohngeachtet auf der andern Seite ein schlechthinniges Abhängigkeitsgefühl fordert: so kann dies aus demselben Grunde auf keine Weise von der Einwirkung eines uns irgendwie zu gebenden Gegenstandes ausgehn, denn auf einen solchen würde immer eine Gegenwirkung stattfinden, und auch eine freiwillige Entsagung auf diese würde immer ein Freiheitsgefühl mit einschließen. Daher kann es auch, streng genommen, nicht in einem einzelnen Momente als solchem sein, weil dieser seinem Gesamtinhalt nach immer durch Gegebenes bestimmt ist, also durch solches, an welchem wir ein Freiheitsgefühl haben. Allein eben das unsere gesamte Selbsttätigkeit, also auch, weil diese niemals Null ist, unser ganzes Dasein begleitende, schlechthinnige Freiheit verneinende Selbstbewusstsein ist schon an und für sich ein Bewusstsein Schlechthinniger Abhängigkeit; denn es ist das Bewusstsein, dass unsere ganze Selbsttätigkeit ebenso von anderwärts her ist, wie dasjenige ganz von uns her sein müsste, in bezug worauf wir ein schlechthinniges Freiheitsgefühl haben sollten. Ohne alles Freiheitsgefühl aber wäre ein schlechthinniges Abhängigkeitsgefühl nicht möglich.
  4. Wenn aber schlechthinnige Abhängigkeit und Beziehung mit Gott in unserm Satze gleichgestellt wird: so ist dies so zu verstehen, dass eben das in diesem Selbstbewusstsein mitgesetzte Woher unseres empfänglichen und selbsttätigen Daseins durch den Ausdruck Gott bezeichnet werden soll, und dieses für uns die wahrhaft ursprüngliche Bedeutung desselben ist. Hiebei ist nur zuerst noch aus dem vorigen zu erinnern, dass dieses Woher nicht die Welt ist in dem Sinne der Gesamtheit des zeitlichen Seins, und noch weniger irgendein einzelner Teil derselben. Denn das wenngleich begrenzte Freiheitsgefühl, welches wir in bezug auf sie haben, teils als ergänzende Bestandteile derselben, teils indem wir immerfort in der Einwirkung auf einzelne Teile derselben begriffen sind, und die uns gegebene Möglichkeit einer Einwirkung auf alle ihre Teile, lassen nur ein begrenztes Abhängigkeitsgefühl zu, schließen aber das schlechthinnige aus. Nächstdem ist zu bemerken, dass unser Satz der Meinung entgegentreten will, als ob dieses Abhängigkeitsgefühl selbst durch irgendein vorheriges Wissen um Gott bedingt sei. Und dies mag wohl um so nötiger sein, da viele, welche sich eines vollkommen begriffenen ursprünglichen, d. h. von allem Gefühl unabhängigen Begriffs von Gott sicher wissen, in diesem höheren Selbstbewusstsein, welches wohl nahe genug an ein schlechthinniges Freiheitsgefühl streifen mag, eben das Gefühl, welches uns für die Grundform aller Frömmigkeit gilt, als etwas fast Untermenschliches weit von sich weisen. Unser Satz nun will ein solches ursprüngliches Wissen auf der anderen Seite keineswegs bestreiten, sondern es nur beiseite stellen als etwas, womit wir es in der christlichen Glaubenslehre niemals können zu tun haben, weil es selbst offenbar genug nichts unmittelbar mit der Frömmigkeit zu tun hat. Wenn aber das Wort überall ursprünglich mit der Vorstellung eins ist, und also der Ausdruck Gott eine Vorstellung voraussetzt: so soll nur gesagt werden, dass diese, welche nichts anderes ist als nur das Aussprechen des schlechthinnigen Abhängigkeitsgefühls, die unmittelbarste Reflexion über dasselbe, die ursprünglichste Vorstellung sei, mit welcher wir es hier zu tun haben, ganz unabhängig von jenem ursprünglichen eigentlichen Wissen, und nur bedingt durch unser schlechthinniges Abhängigkeitsgefühl, so dass Gott uns zunächst nur das bedeutet, was in diesem Gefühl das Mitbestimmende ist, und worauf wir dieses unser Sosein zurückschieben, jeder anderweitige Inhalt dieser Vorstellung aber erst aus dem angegebenen Grundgehalt entwickelt werden muss. Eben dies ist nun vorzüglich gemeint mit der Formel, dass Sich-schlechthin-abhängig-Fühlen und Sich-seiner-selbst-als-in-Beziehung-mit-Gott-bewusst-Sein einerlei ist, weil nämlich die schlechthinnige Abhängigkeit die Grundbeziehung ist, welche alle anderen in sich schließen muss. Der letzte Ausdruck schließt zugleich das Gottesbewusstsein so in das Selbstbewusstsein ein, dass beides, ganz der obigen Auseinandersetzung gemäß, nicht voneinander getrennt werden kann. Das schlechthinnige Abhängigkeitsgefühl wird nur ein klares Selbstbewusstsein, indem zugleich diese Vorstellung wird. Insofern kann man wohl auch sagen, Gott sei uns gegeben im Gefühl auf eine ursprüngliche Weise; und wenn man von einer ursprünglichen Offenbarung Gottes an den Menschen oder in dem Menschen redet, so wird immer eben dieses damit gemeint sein, dass dem Menschen mit der allem endlichen Sein nicht minder als ihm anhaftenden schlechthinnigen Abhängigkeit auch das zum Gottesbewusstsein werdende unmittelbare Selbstbewusstsein derselben gegeben ist. In welchem Maß nun während des zeitlichen Verlaufs einer Persönlichkeit dieses wirklich vorkommt, in eben dem schreiben wir dem Einzelnen Frömmigkeit zu. Hingegen bleibt jedes irgendwie Gegebensein Gottes völlig ausgeschlossen, weil alles äußerlich Gegebene immer auch als Gegenstand einer wenn auch noch so geringen Gegenwirkung gegeben sein muss. Die Übertragung jener Vorstellung auf irgendeinen wahrnehmbaren Gegenstand, wenn man sich derselben nicht als einer rein willkürlichen Symbolisierung bewusst wird und bleibt, ist immer eine Korruption, sei es nun eine vorübergehende Übertragung, also Theophanie, oder eine konstitutive, in welcher Gott als ein wahrnehmbares beharrliches Einzelwesen vorgestellt wird."

Schleiermacher, Friedrich <1768-1834>: Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhang.  dargestellt. -- 2. Aufl. -- 1830/31]

"schlechthinnige Abhängigkeit 'Sivas"

Um die Welt erschaffen zu können, nimmt der höchste, völlig transzendente 'Siva einen Körper an.

Siehe dazu Héléne Brunner-Lachaux:
 
"Il reste à examiner le jñâna-pâda qui lui aussi pose plusieurs problèmes. Son premier pa.tala s'intitule 'Siva-s.r.s.ti. La 'siva-s.r.s.ti s'oppose ici à la pa'su-s.r.s.ti décrite dans le deuxième chapitre. Cette création de 'Siva (création par 'Siva et aussi création des formes de 'Siva) est, nous dit-on, celle des «dieux purs». Au premier abord, elle semble ne rien avoir en commun avec l'événement de même nom décrit dans le premier pa.tala du caryâ-pâda sous le titre de 'Saivotpatti. Pourtant les réalités dont le chapitre actuel décrit la procession sont, à peu de chose près, cellesmêmes que nous avons vues groupées sous le vocable d'Anâdia'siva; on pourrait donc considérer ce chapitre comme l'explication de la création des Anâdi'saiva; mais il ne le dit pas et recommence l'histoire ab ovo.

On part du 'Siva suprême, incomparable, éternel, plus haut que le ciel, etc. L'ayant déclaré pramâ.nâtîta (au-delà de toute mesure, ou échappant aux moyens ordinaires de connaissance), on trouve naturel d'insérer là un développement sur ces moyens de connaissance (pramâ.na). L'Âgama en accepte six, comme le Vedânta et contrairement aux habitudes de l'école. Mais la suite n'en fait aucun usage, et l'on revient à 'Siva. Le 'Siva suprême, lisons-nous, c'est le 'siva-tattva. En vue de là création (du monde) il prend spontanément un corps, qui est triple : ni.skala, sakala-ni.skala et sakala. Ce qu'on appelle s.r.s.ti ('siva-s.r.s.ti), c'est l'émission des réalités qui constituent ce corps. Elle vaut la peine d'être décrite.

  1. Premier stade : de la millième partie du 'siva-tattva, naît Parâ-['Sakti]; de la millième partie de Parâ, naît la 'sakti (la deuxième); de la millième partie de la 'sakti, le nâda; et de la millième partie du nâda, le bindu. Ces quatre puissances sont respectivement identifiées à 'Sânti, Vidyâ, Prati.s.thâ et Niv.rtti qui sont quatre kalâ bien connues, mais le mot ce kalâ n'est pas prononcé et la cinquième n'est pas mentionnée (elle s'identifierait avec 'Siva). Ces réalités, nous dit-on encore, n'ont pas de formes manifestées, et le teste ajoute que c'est l'ensemble des quatre qui constitue le 'siva-tattva. Remarquons que la contradiction avec la définition de ce tattva donnée plus haut n'est qu'apparente, car il est légitime de confondre dans leur source ces émanations qui n'en sont pas réellement distinctes. C'est ce quadruple 'siva-tattva qui est le ni.skala ou état suprême (param-bhâva).
  2. Deuxième stade : de la millième partie de ceci, naît le sâdâkhya-tattva qui se divise en Sadâ'siva « qui apparaît dans le linga » et Manonmanî, sa 'sakti, « qui apparaît dans le pî.tha ».


    Abb.: Linga und Pîtha [Bildquelle: Gopinatha Rao, T. A. <1872-1919>: Elements of Hindu iconography. -- Madras :  Law Printing House, 1914 - 1916. -- 2 Bde in 4 : Ill. -- Bd. II, 1. -- Nach S. 98]

    Le texte explique : linga et pî.tha sont ni.skala, Sadâ'siva et Mannomanï sont sakala, donc l'ensemble est ce corps sakala-ni.skala de 'Siva. Il est difficile d'admettre l'intervention d'objets matériels dans la définition d'une forme de 'Siva, encore plus difficile d'accepter une telle hétérogénéité dans l'explication du même terme de ni.skala, qui exprimerait dans le premier cas l'indivisibilité essentielle de la forme suprême de Dieu, et dans le deuxième la non-manifestation de formes spécifiques dans une pierre. Nous avons trouvé ailleurs des justifications plus ingénieuses du terme de sakala-ni.skala; mais le Suprabheda semble tenir à cette vision, déjà annoncée dans sa description des linga. La définition qu'il ajoute ici : « le ni.skala, c'est ce qui est sans kalâ, le sakala, c'est ce qui possède des kalâ» n'est évidemment pas un éclaircissement, à moins de préciser que le terme de kalâ, qui en général signifie partie, désigne ici plus spécialement les trente-huit parties qui constituent le corps de Sadâ'siva. On en donnera la liste tout à la fin de la section. On se contente pour le moment de les distribuer : cinq pour les têtes, quatre pour les visages, etc., chaque groupe correspondant à l'un des cinq mantra (Î'sâna, Tatp'uru.sa, etc.) appelés brahma-mantra. Sadâ'siva, le Seigneur perceptible du tattva sadâkhya, est sakala puisqu'il a ainsi des tètes, des visages, des mains, etc. On nous dit. comment l'imaginer, comment aussi méditer sur sa compagne. Et l'on nous fait observer l'inséparabilité des deux aspects de 'Siva et de sa 'sakti. Tous les dieux sont ainsi faits de 'Siva et de la 'sakti; et « par conséquent, le monde mobile et immobile est fait de 'Siva ». Faut-il comprendre que notre Âgama soutient une philosophie non-dualiste, où la seule réalité indépendante est 'Siva ? C'est devant de tels problèmes qu'on s'irrite de voir le texte, sans insister, passer à autre chose. Mais il reviendra sur la question.

  3. Troisième stade : « Les mûrti : Î'svara, etc. sont dites sakala ». La confusion continue, semble-t-il, entre les images matérielles et les divinités, car le 'sloka suivant parle des unes et des autres dans le même souffle. Il semble que, à l'inverse de Sadâ'siva, les divinités de ce troisième groupe soient considérées comme sakala parce qu'elles sont à la fois pourvues de parties (les mêmes que celles de Sadâ'siva), et manifestées dans des images qui elles aussi présentent ces mêmes parties.. Leur liste commence donc avec Î'svara, dont on ne nous dit pas-d'où il est issu; puis vient Rudra, né de la millième partie d'Î'svara; puis Vi.s.nu et Brahman, chacun né de la cent millième partie d'Î'svara (on notera le souci de marquer la supériorité de Rudra). Ces dieux sont décrits avec leurs 'sakti.

En définitive, en rassemblant les quatre formes ni.skala, la forme mixte et les quatre formes sakala, nous retrouvons entière la liste de neuf termes déjà plusieurs fois recontrée.

Au point de vue des fonctions, «le ni,skala, c'est le lieu où tout se dissout (laya-'siva) ; le sakala-ni.skala, c'est le Dieu qui gouverne (adhikâra-'siva); le sakala, c'est le Dieu qui jouit (bhoga-'siva) ». Il faut bien noter que ceci n'est valable que pour le Suprabheda; d'autres Âgama ont une vision différente de la distribution des fonctions et de la répartition des formes de 'Siva entre les trois états, reconnus pourtant par tous les textes.

La série, semble-t-il, devrait s'arrêter là. Mais on croit devoir encore faire naître les trente-trois dieux... pour ajouter bien vite qu'ils sont entachés d'impureté et que la connaissance vraie doit les détruire. Pourquoi alors cette concession à la tradition védique?"

[Quelle: Brunner-Lachaux, Héléne: Analyse du Suprabhedâgama. -- In: Journal asiatique. --  255 (1967). -- S. 50-52]


"reiner Âtman, der verhüllt ist von Krusten"

Schon immer ist die gebundene Seele (pa'su) von einer Kruste (mala) umgeben. Diese Kruste ist anfangs unreif und muss durch karma und mâyâ zum Reifen gebracht werden, damit sie abfallen kann.


"Aus der Mâyâ geschieht - so wird verkündet - eine doppelte Emanation:

Die, die sich auf die Feinessenzen (tattva) bezieht, offenbart / unterscheidet Erkenntnis und Handeln.

Die grobe ist gemeinsam und gehört zum Wesen der Daseinsbereiche / Welten (bhuvana)"

Vgl. Pau.skarâgama 3.217-218a (zitiert in: ´Saivâgamaparibhâ.sâmañjarî S. 64, Anm. 7):

mâyâto dvividhâ s.r.s.ti.h
sthûlâ sûk.smâtmikety api ׀
d.rk'saktivyañjikâ sûk.smâ
sthitâ tattvâtmanâtmani ׀׀
sthûlâ bhuvanarûpe.na
'sarîrâdyâmanâ sthitâ ׀

"Aus der Mâyâ geschieht eine zweifache Emanation:
eine grobe und eine von feinem Wesen.
Die feine offenbart / unterscheidet Erkenntnis und Handlungspotenz
Sie befindet sich im Âtman dadurch, dass sie das Wesen der Tattvas ist
Die grobe besteht in der Form der Daseinsbereiche / Welten (bhuvana)
und als Wesen von Körper usf."


"Mâyâ"

gemeint ist hier mahâmâyâ, nicht das niederere tattva mâyâ

Vgl. Gengnagel:

"mahâmâyâ und mâyâ

Aghora'siva legt den Begriff „mâyâ" folgendermaßen aus:

„Dabei bezeichnet das Wort ,mâyâ" da es für zwei Dinge steht (tantroccârä), die beiden materiellen Ursachen mâyâ und mahâmâyâ."

Zusätzlich zu dem bekannten tattva mâyâ - die Nummer 6 in der Sukzession der 36 tattvas - wird hier also eine mahâmâyâ eingeführt. Die mahâmâyâ ist die höchste feine materielle Ursache (upâdânakâra.na), die Aghora'siva als bindu bzw. parabindu bezeichnet.23

Das 'sivatattva als Materialursache mahâmâyâ bzw. bindu

Die feine Materialursache mahâmâyâ bzw. bindu setzt Aghora mit dem 'siva-tattva gleich. Die folgenden 4 reinen tattvas sind Produkte (kârya) dieser feinen Materialursache:

„Unter diesen [fünf reinen tattvas] ist nach den früheren Lehrmeistern das aus bindu bestehende [tattva] die grundlegende materielle Ursache. Damit ist erwiesen, dass es eben als höchste materielle Ursache wie die mâyâ ewig ist und folglich sind die anderen vier seine Produkte; dies ist die Bedeutung. Es heißt: ,Über der mâyâ ist die mahâmâyâ.' " (Rau VP 4.28c)

Aus der Tatsache, dass das 'sivatattva die einfache und ewige reine Materialursache der reinen Produkte ist, ergeben sich umfangreiche Konsequenzen.

Anm. 23 Die Begriffe mahâmâyâ und bindu werden von Aghora beide für die Materialursache 'sivatattva verwendet. Die ungeistige 'sakti dieses tattva ist die mahâmâyâ'sakti. parabindu bezeichnet im Rahmen der Lautemanation die Ebene des 'sivatattvas; hierdurch wird dieser höchste bindu von dem bindu der Silbe Om (ak.sarabindu) unterschieden (vgl. TatPkVr 31)."

[Quelle:  Gengnagel, Jörg <1960 - >: Mâyâ, Puru.sa und ´Siva : Die dualistische Tradition des ´Sivaismus nach Aghorâ´sivâcâryas Tattvaprakâ´sav.rtti. -- Wiesbaden : Harrassowitz, 1996. -- XII, 186 S.. -- (Beiträge zur Kenntnis südasiatischer Sprachen und Literaturen ; 3). -- Zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 1994. -- ISBN: 3-447-03832-2. -- S. 47]

Schomerus stellt die Mâyâ-Lehre des südindischen Shivaismus so dar:

a) Mâyâ als causa materialis der Welt.

Wir haben schon im I. Teile gesehen, dass der Çaiva-Siddhânta Mâyâ für eine Realität, d. h. für ein wirklich existierendes Etwas, hält. Dieses existierende Etwas ist, wie wir Siddhiâr II, 58 lesen:

„ewig, gestaltlos, unveränderlich, ist der Same für die Welt, ist intelligenzlos, alles durchdringend, ist eine Kraft für den Malalosen (Çiva), versieht die Seelen mit Bhuvana (Welt}, Bhoga (Genüsse, Genussobjekte) Tanu (Körper), Kara.na (Organe), ist ein Mala. Mâyâ verursacht auch Verwirrung."

Diese Definition zeigt uns, dass wir unter Mâyâ eine ewig und ihrem Wesen nach unveränderlich existierende, an keinerlei örtliche Grenzen gebundene gestaltlose Energie, die nicht intelligent, also auch nicht selbsttätig ist, aber doch, wenn einmal von Gott in Tätigkeit gesetzt (Kraft für den Malalosen), Wirkungen hervorbringen kann (Same für die Welt), zu verstehen haben.

Ferner geht aus dieser Definition hervor, dass Mâyâ eine die Seele beherrschende (Mala), aber seinerseits auch beherrschte Energie ist (Kraft für den Malalosen), und dass das Gebundensein durch Mâyâ ein Nachteil für die Seele ist (Mala, verursacht Verwirrung), aber auch wieder ein Vorteil (versieht die Seelen mit Bhuvana, Bhoga usw.).

Der Hinweis darauf, dass sie nichtintelligent und ein Mala ist, verbietet uns, sie etwa wie die Çakti Çivas in Gott zu verlegen und sie als eine Energie Gottes, aus der die Welt entsteht, anzusehen, zwingt uns vielmehr, sie als eine von Gott wesentlich verschiedene Substanz zu fassen. Die wesentliche Verschiedenheit schließt aber nicht ein „Füreinander" aus. Wie aus dem Ausdruck „eine Kraft für den Malalosen" hervorgeht, tritt Gott in irgend ein Verhältnis zu der Mâyâ und benutzt sie.

Andererseits steht auch sie in einem Verhältnis zu Çiva; sie steht nicht nur dem Höchsten zur Benutzung zu Gebote, sondern bedarf auch, wie wir aus Bodha I. Sûtra 2, 2. Beispiel lernen, Gottes zu ihrer Existenz und ferner zu ihrer Betätigung, wie wir aus den unten folgenden Zitaten sehen werden, weswegen Gott der Pati, d. h. Herr auch der Mâyâ, genannt wird.

Wozu wird nun die ewige, gestaltlose und intelligenzlose, an sich bewegungslose, aber in Bewegung zu setzende Energie, die den Namen Mâyâ trägt, von Gott benutzt? Eine Antwort hierauf erhalten wir in Bodha I, 2, das wir hier, soweit es das Verständnis erfordert, mit dem Kommentar in extenso übersetzen wollen.

1. Behauptung: „Die Welt ist eine Realität."  Begründung: „Nichtbestehendes entsteht nicht".

2. Behauptung: "Die Welt hat einen agens." Begründung: „Das Bestehende betätigt sich nicht ohne einen agens."

3. Behauptung: „Ohne den Gott des Untergangs (Çiva), in den es involviert, gibt es kein Entstehen." Begründung: „Die Welt involviert in ihn (Çiva)."

I. Beispiel: „Das Untergegangene entsteht aus dem, in das es untergeht. Dies geschieht wegen des Mala. Alles hat das Bestreben, so zu entstehen, wie es untergegangen ist. Wenn du sagst, dass die Involution statthat in den Gott der Erhaltung (Vishnu), dann geht die Welt nicht unter. Der Gott der Erhaltung (Vishnu) und der Gott der Schöpfung (Brahma) gehen auch unter in ihre Ursache."

Zu der zweites Hälfte de» Beispieles bemerkt der Kommentar: „Dies ist gerichtet gegen die Pâncarâtra (Vishnuiten), die da behaupten: Wenn ihr Vertreter des Realismus lehrt, dass alle Dinge in ihre causa materialis involvieren, ist es doch angemessen zu sagen, dass die Welt in Vishnu inyolviert, da die Mûlaprakriti, die die causa materialis der Welt ist, die Gestalt des Vishnu ist, und unangemessen zu sagen, dass sie in den Gott des Unterganges (Çiva) involviert, der als die von der causa materialis verschiedene causa efficiens angesehen wird." — „Wenn du sagst, dass die Involution der Welt statthat in den Gott der Erhaltung, der die Personifikation jenes (von dir gesamten) Urstoffes ist, dann geht, weil die über der Mûlaprakriti stehenden höheren Welten nicht von ihm umfasst werden, nur die niedrige kleine Welt unter, aber nicht alle Produkte der Mâyâ. Wenn du fragst, worin denn die ganze Summe der Produkte der Mâyâ untergeht, so wisse, dass sie in den Gott des Unterganges, der die Ursache für das Entstehen der Götter der Erhaltung und Schöpfung ist, zusammen mit jenen Göttern untergeht" — -

"Wenn die Schule der Realisten (d. i der Siddhânta) sagt, dass die Welt involviert, so muss etwas dasein, worin die Essenz der Dinge während des Zustandes der Involution ganz in feiner Gestalt sich befindet. Da man dieses die causa materialis nennt, ergibt sich hier das Dasein der Mâyâ, die die causa materialis für die Welt ist." — „Obgleich der Höchste, der die causa efficiens ist, nicht die causa materialis für die Welt ist, ist es doch angemessen, zu sagen, dass die Welt in ihn untergeht und aus ihm entsteht, weil er der Stützpunkt für Mâyâ ist, die die causa materialis ist. Dies ergibt sich aus dem folgenden Beispiel."

II. Beispiel: "Wenn der Same sich im feuchten Erdreich befindet, wächst der Keim. Weil sie so in Verbindung mit der Çakti dessen steht, der ihr Stützpunkt ist« erlangt sie die Kraft (zum Entstehen) gemäß den Taten der einzelnen Seelen. Wie der Wurm, der zum Käfer zu werden wünscht,  gibt er die gewünschte Gestalt"

Den ersten Teil dieses Beispieles erklärt der Kommentar wie folgt: „Die Mâyâ, deren Vorhandensein durch das Wort „involvieren" im vorigen Beispiel sich ergeben hat, hat die Kraft, wenn die Çakti sie in Bewegung setzt, gemäß den Taten der Seelen die. einzelnen Dinge hervorzubringen, ohne in der Ordnung fehlzugehen, wie der Spross aus dem Samen entsteht, wenn er in das dem Samen als Stützpunkt dienendes feuchtes Erdreich gesät wird, da die Mâyâ und die Welt sich zueinander verhalten wie Same und Spross. Ohne die Çakti erlangt Mâyâ nicht die Kraft. Es ist, wie der Same nicht das Vermögen hat, einen Spross hervorzubringen, ohne dass er in das feuchte Erdreich gesenkt wird. Daher ergibt sich, dass die Welt, die, in Mâyâ untergehend, entsteht, durch die Çakti des Höchsten, der der Stützpunkt der Welt ist, untergeht und entsteht."

Aus diesen Zitaten geht zur Genüge hervor, dass Meykandadeva Mâyâ als die causa materialis der bestehenden Welt mit allem, was an stofflichen Substanzen vorhanden ist, d. h. als. die feine Urmaterie, als den letzten Urstoff, aus dem durch die Çakti Çivas alles Stoffliche evolviert, ansieht.

Auch die anderen Quellenschriften erblicken in Mayâ die causa materialis für die Welt.

„Wenn du fragst, wozu Mâyâ, so wisse, als causa materialis für die Welt. Wenn du sagst: Außer Gott ist keine Ursache nötig, so wisse, dass Acit (Nicht-Intelligenz) nicht aus Cit (Intelligenz) entsteht. Wenn du weiter einwirfst: Wozu Gott, wenn es eine Mâyâ gibt, so wisse, dass Mâyâ Acit ist und nicht aus sich selbst Gestalt annehmen kann. Auch der Höchste bringt ohne Mâyâ nichts hervor. Wenn du meinst, dass er dadurch ein Machtloser wird, so wisse, dass sie ebenso wie er selbst ewig ist. Der Höchste breitet jene Acit aus und schafft so alles. Dass Mâyâ ihm die Macht (zum Schaffen) gibt, sagt kein Weiser." Prak. II, 5.

„Du hast vergessen, dass die Welt sagt, dass das Hervorbringen, Bestehen und Vergehen Werke der Mâyâ sind. Ebenso hast du vergessen, dass gesagt wird, dass der Baum entsteht, wenn er mit allen seinen Teilen bereits als Atom im Samen gegenwärtig ist, dass er nicht entsteht, wenn das nicht der Fall ist. Erkenne hieraus, dass Mâyâ die Ursache ist."

„Die Welt, die eine Realität ist, entsteht aus und geht unter in Mâyâ. Wenn du sagst, dass die Welt nicht in Mâyâ enthalten ist, so wisse, dass aus dem Kopfe eines Hasen ein Horn entstehen muss. Wenn du sagst, dass alle abgefallenen Blätter in die Bäume zurückkehren und zu ihrer Zeit wieder entstehen müssten, so wisse, dass die Ursache bleibt." (Die Blätter verfaulen, lösen sich in ihre chemischen Bestandteile auf und kehren so in die Bäume zurück und erscheinen wieder als Blätter.)

„Da, wenn die genannte Ursache (Mâyâ) existiert, auch das Verursachte (die Welt) als existierend gedacht werden muss, kann man die Welt anfangslos nennen. Weil ein Gott das Entstehen bewirkt, kann man auch sagen, dass sie einen Anfang hat. Wenn du sagst, wozu die Mâyâ eines anderen bedarf, so höre, ich werde es dir der Wahrheit gemäß sagen."

„Die Welt ist ein von einem Vernunftbegabten Gewirktes. Da die Seele (nur), wenn sie Körper und Organe erhält, weiß, und da die Mâyâ sie in Bewegung setzt, und da die Mâyâ kein Wissen hat, muss einer, der das alles bewirkte, vorhanden sein."

 „Wir sehen für alles Bewirkte drei Ursachen, causa materialis, causa instrumentalis, causa efficiens. In dieser Welt sind Lehm, Rad und der Töpfer causa materialis, causa instrumentalis, causa efficiens. Wenn man nachsinnt, muss man sagen, dass Mâyâ als Lehm, Çakti als Rad und Gott als Töpfer dastehen. Ein agens macht die ganze Welt." Siddhiâr I, 14—18.

Wir können alles zusammenfassend etwa sagen: Mâyâ ist eine ewige, gestaltlose und intelligenzlose Energie, aus der durch die Çakti Çivas die ganze Materie in all ihren feinen und groben Schattierungen hervorgehen kann, oder noch kürzer: Mâyâ ist der letzte Urstoff, die letzte Urmaterie für die Welt.

b) Die Produkte der Mâyâ

Wir haben das Wort Mâyâ bis jetzt nur in seinem engeren Sinne betrachtet. Es wird aber auch noch in einem weiteren Sinne gebraucht. Im weiteren Sinne muss unter Mâyâ auch die Gesamtheit des aus ihr als causa materialis Entstandenen verstanden werden.

Diese Mâyâ im weiteren Sinne, die durch eine Tat Çivas aus der Mâyâ im engeren Sinne entsteht, wird gelegentlich unter dem Namen Mâyeya (Produkt der Mâyâ) auch als eine selbständige Größe aufgezählt, wie wir bereits im I. Teile sahen. Sie zerfällt in Çuddha-Mâyâ (reine Mâyâ) und Açuddha-Mâyâ (unreine Mâyâ).

Letztere wird wieder in Açuddha-Mâyâ und Mûlaprakriti zergliedert.

In den mehr populär gehaltenen Schriften findet sich oft auch folgende Benennung:

  • Çuddha-Mâyâ,
  • Çuddhâçuddha-Mâyâ, der obigen Açuddha-Mâyâ entsprechend, und
  • Açuddha-Mâyâ, der obigen Mûlaprakriti entsprechend.

Obgleich diese Benennung die volkstümlichere ist und den Vorzug der Übersichtlichkeit hat, ist sie hier doch nicht übernommen, weil unsere Quellenschriften sie nicht anwenden.

Von den genannten 3 Mâyâ, Çuddha-Mâyâ, Açuddha-Mâyâ, Mûlaprakriti, haben wir Cuddha-Mâyâ mit der Mâyâ im engeren Sinne, die wir im vorigen Abschnitt betrachteten, zu identifizieren, nur müssen wir sie uns als bereits vom Çakti in Bewegung gesetzt vorstellen und die direkt aus ihr evolvierenden Produkte mit hinzunehmen. Welche diese Produkte sind, lernen wir aus Siddhiâr I, 24:

„Vindu oder Çuddha-Mâyâ ist die causa materialis, die die Worte, Buchstaben, Welten, Mantra, Tattva, Körper, Genussobjekte, Organe hervorbringen, die die Vidyâ (an anderer Stelle Mahâmantrar genannt), Vidyâîçar und Sadâçivar (die höchsten unter den Seelen) nötig haben",

und aus dem Kommentar zu Çivajñânabodha II, 2, 3. Beispiel:

„Von diesen teilt sich Mâyâ in Cuddha-Mâyâ und Açuddha-Mâyâ. Aus Cuddha-Mâyâ evolvieren die 5 Kalâ, die 4 Vâc, die 5 Çiva-Tattva, die 31 Tattva von Çuddha-Kâla bis Çuddha-Prithivî.."

Alle Produkte der Mâyâ mit Einschluss der Produkte der Açuddha-Mâyâ und der Mülaprakriti haben den gemeinsamen Namen. Adhvan, d. h. Weg, Mittel.

Man zahlt deren gewöhnlich 6:

  1. Die 5 Kalâ;
  2. die Tattva;
  3. die Welten, deren Zahl auf 224 berechnet wird;
  4. 51 Buchstaben;
  5. 81 Worte;
  6. Mantra.

Diese 6 Adhvan teilen sich in 2 Gruppen von je drei.

Die erste Gruppe bilden die sogenannten Artha Adhvan, d. h. gegenständliche Adhvan; es gehören zu ihr:

  1.  Die 5 Kalâ, Kräfte der Evolution und Involution;
  2. die 36 Tattva, der Stoff für alles der Materie angehörende Seiende,
  3. die 224 Welten, die aus den Tattva sich ergebenden Produkte.

Die zweite Gruppe umspannt die sogenannten Çabdar-Adhvan, d. h. lautliche Adhvan; es gehören zu ihr:

  1. Die 51 Buchstaben, oder richtiger Laute, die feinen Grundstoffe für Gedanken;
  2. Die 81 Worte, die aus den Lauten entstehen und den zweiten Grundstoff für Gedanken bilden;
  3. die Mantra, Sätze, durch die Gedanken erst ihre Vollendung erreichen.

Die Bezeichnung Adhvan, Weg, Mittel, soll jedenfalls anzeigen, dass sämtliche Produkte der Mâyâ Mittel zur Erlösung der Seele aus der Fesselung des Â.navamala sind.

Alle Adhvan werden näher als aus Vindu evolvierend gedacht. Die in dem ersteren Zitat genannten Körper, Genussobjekte und Organe haben wir unter Tattva zu gruppieren. Die 4 Vâc, die wir in dem zweiten Zitat finden, werden, gewöhnlich nicht als ein besonderer Adhvan gezählt, weil sie als die gemeinsame Quelle für die Buchstaben, Worte und Mantra angesehen werden.

Folgende Tafel gibt ein deutliches Bild über sämtliche Produkte der Mâyâ und über ihre Gruppierung:


Abb.: Produkte der Mâyâ und ihre Gruppierung

[Quelle: Schomerus, Hilko Wiardo <1879 - 1945>: Der Çaiva-Siddhânta : eine Mystik Indiens ; nach den tamulischen Quellen / bearbeitet und dargestellt von H. W. Schomerus. - -Leipzig : Hinrichs, 1912. --  444 S. -- S. 130 - 135.]


"die sich auf die Feinessenzen (tattva) bezieht"

Die tattva sind die fundamentalen Konstituentien der materiellen Wirklichkeit. Vgl. die Liste der tattva bei Aghora'siva:


Abb.: Liste der 36 tattvas nach Aghora'siva

[Quelle der Abb.: Gengnagel, Jörg <1960 - >: Mâyâ, Puru.sa und ´Siva : Die dualistische Tradition des ´Sivaismus nach Aghorâ´sivâcâryas Tattvaprakâ´sav.rtti. -- Wiesbaden : Harrassowitz, 1996. -- XII, 186 S.. -- (Beiträge zur Kenntnis südasiatischer Sprachen und Literaturen ; 3). -- Zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 1994. -- ISBN: 3-447-03832-2. -- S. 177]


"Daseinsbereiche / Welten (bhuvana)"

bhuvana = Welten, Daseinsbereiche, wie Himmel, Erde, Höllen. Insgesamt gibt es 224. Sie entstehen und bestehen aus den 5 Grobelementen (bhûta), den gröbsten der tattvas (tattva 32 bis 36).


Anhang: Zur abendländischen Schöpfungsvorstellungen:

"Schöpfung (creatio): Hervorbringung eines Objects durch den Willen, beim Künstler in Verbindung mit der Phantasie, bei der Gottheit als (ewige) Betätigung des göttlichen Wesens in einer (ewig) gesetzten Vielheit von Dingen, einer Welt. Ewig ist die Schöpfung der Welt, insofern die Zeit erst mit der Welt gesetzt, der Schöpferwille an sich überzeitlich sein muß.

Während manche die Welt (s. d.) für unerschaffen, ewig halten, lehren andere die Schöpfung der Welt aus nichts, andere aus einem ewigen Stoffe. die Schöpfung wird bald als zeitlicher, bald als überzeitlicher, ewiger, continuierlicher Act (»creatio continua«) bestimmt.

Der Begriff der »Schöpfung aus nichts« (»ex nihilo«) ist ein biblischer (ex ouk ontôn, Marc. VII, 28. vgl. IRENAEUS, Adv. haeres. II, 10, 14). Im »Buch der Weisheit« wird gesagt, Gott habe den Erdkreis »ex materia invisa« geschaffen (Lib. sap. XI, 18. vgl. Makk. II, 2, 28. Genes. 1, 1). Hier findet sich auch der Begriff der Forterhaltung der Welt durch Gott (l. c. XI, 26). Ähnlich lehren HILARIUS (In Psalm 91, 7), CHRYSOSTOMUS (In ep. ad Col. 3, 2). Die Ewigkeit der Weltschöpfung betont ORIGENES (De princ. I, 2, 10. III, 308). Nach AUGUSTINUS wäre die Welt nichts ohne die erhaltende Schöpferkraft Gottes (Conf. XI, 31. De civ. Dei XII, 25). Nach SCOTUS EURIGENA war Gott »semper creator« (De div. nat. III, 1). Nach JOH. PHILOPONUS hat Gott die Welt aus dem Nichts geschaffen (De aetern. mund. XI, 1. XII, 1). So lehren auch ALGAZEL, SAADJA, MAIMONIDES (Doct. perpl. I, 74, 2), IBN GEBIROL, LEVI BEN GERSON. ANSELM, der die »creatio continua« betonte (Monol. 13), so auch THOMAS (Contr. gent. II, 38). »Creare« ist »aliquid ex nihilo facere« (Sum. th. I, 45, 20b. 2), »dare esse« (l sent. 37, 1, 1c). »Creatio« ist Emanation »totius entis a causa universali, quae est Deus« (Sum. th. I, 45, 1c). Der christliche Gedanke, daß Gott die Welt aus Liebe und Güte geschaffen, findet sich u.a. auch bei PETRUS LOMBARDUS (Lib. sent. II, 1, 3). DUNS SCOTUS führt die Schöpfung und den freien Willen Gottes zurück. - Die ewige Schöpfung und Erhaltung der Dinge durch Gott betonen die Mystiker (s. d.), so ECKHART, ANGELUS SILESIUS u.a.
Nach NICOLAUS CUSANUS ist das göttliche Schaffen ein »communicare« des göttlichen Seins an alles, damit Gott alles in allem sei und doch absolut bleibe (De vis. Dei 12). Die Schöpfung aus nichts lehrt NICOL. TAURELLUS (Philos. triumph. III). Eine Schöpfung der Welt lehren TELESIUS (De nat. rer. IV, 167 ff.), CARDANUS (ewige Schöpfung), CAMPANELLA u.a. - Die continuierliche Creation lehrt DESCARTES (Med. III), auch SPINOZA: »Hinc sequitur, Deum non tantum esse causam, ut res incipiant existere. sed etiam, ut in existendo perseverent, sive Deum esse causam essendi rerum« (Eth. I, prop. XXIV, coroll.). »Creationem esse operationem, in qua nullae causae praeter efficientem concurrunt, sive res creata est illa, quae ad existendum nihil praeter Deum praesupponit« (Cog. met. II, 10). Die »creatio continua« betonen ferner BAYLE, ERHARD WEIGEL (Philos. Math.. die Schöpfungen verhalten sich zu Gott, wie unsere Imaginationen zu unserer Seele), LEIBNIZ (Theod. § 388). CHR. WOLF bemerkt: »Gott hat Dingen, die durch seinen Verstand bloß möglich waren, auch durch seine Macht die Wirklichkeit gegeben. Diese Wirkung Gottes wird die Schöpfung genennet« (Vern. Ged. I, § 1053. vgl. Theol. nat.). Die Ewigkeit der Welt ist möglich. LESSING bemerkt: »Gott dachte seine Vollkommenheit zerteilt, das ist: er schaffte Wesen« (Christent. d. Vern.). Nach FEDER hat Gott die Welt aus Güte geschaffen (Log. u. Met. S. 420). Nach KANT ist Endzweck der Schöpfung das vernünftige Weltwesen unter moralischen Gesetzen (Krit. d. Urt. § 87).

Nach SCHELLING ist Schöpfung »Darstellung der unendlichen Realität des Ich in den Schranken des Endlichen« (Vom Ich, S. 138), der Proceß der vollendeten Bewußtwerdung und Personalisierung Gottes (WW. I 7, 433). Die Zeitlosigkeit der Schöpfung betont STEFFENS (Anthropol. S. 204 ff.). Nach HILLEBRANTD ist die Schöpfung »die ewige Subjectivierung Gottes an der unendlichen Universalobjectivität der Dinge«. Die Welt ist ewiges Correlat Gottes (Philos. d. Geist. II, 328). HEGEL erklärt: »Die Schöpfung ist... ewig, sie ist nicht einmal gewesen. sondern sie bringt sich ewig hervor, da die unendliche Schöpferkraft der Idee perennierende Tätigkeit ist« (Naturphilos. S. 433). Nach C. H. WEISSE ist die Schöpfung die Tat Gottes, durch die er sich selbst seine Bestimmtheit gibt (Grdz. d. Met. S. 562. vgl. Idee d. Gotth. S. 281 ff.). Nach LAMMENAIS ist die Schöpfung die Realisation der göttlichen Ideen durch den freien Willensact Gottes. Einen freien Schöpfungsact lehrt SECRÉTAN (La philos. de la liberté3, 1879. La raison et le christianisme, 1863). Nach CHALYBAEUS ist die Schöpfung das Setzen des Endlichen im Unendlichen (Wissensch. S. 323 ff.). GIOBERTI sieht in der göttlichen Schöpfertätigkeit die Urdialektik. Das Ursein schafft die Einzelwesen (s. Ontologismus). Nach MAMIANI ist die Schöpfung ein überzeitlicher, continuierlicher Act (Conf. I, 515). Nach FECHNER besteht die Schöpfung nur in einer Sichtbarmachung der Potenz in Gott (Zend-Av. I, 264) Ein unendlicher Drang zur Schöpfung bestand von Anfang an (l. c. S. 265). J. EI. FICHTE erklärt, daß »alles Schaffen, alle Weltgenesis in einem uranfänglich ewig vollendeten Denken gründet«. Die Dinge sind in Gott urgedachte Wesenheiten (Üb. Gegens., Wendep. u. Ziel heut. Philos. 1832/46). Das schöpferische Princip ist absolut imaginative Tätigkeit. Die Schöpfung ist freie Willenstat Gottes, in welchem ein ewiges Universum besteht (ib.), sie ist zeitlos (Theist. Weltans. S. 115 ff.), besteht in der Entlassung der »Urpositionen« zur Selbständigkeit, zum Für-sich-wirken-lassen (Specul. Theol. S. 427 ff., 468). ULRICI betont: »Der Schöpfungsbegriff involviert... keineswegs, daß aus nichts etwas hervorgehe oder daß nichts von selbst in etwas übergehe, sondern daß durch etwas, Gott, ein anderes Etwas gesetzt sei« (Gott u. d. Nat. S. 638). Schaffen ist »ein absoluter, an keine Bedingung, also auch nicht an die Bedingung eines bereits vorhandenen Stoffes gebundenes Wirken« (l. c. S. 639). Indem Gott als producierend-unterscheidende Urkraft tätig ist, ist der Gedanke seiner selbst und der eines andern, von ihm Verschiedenen gegeben (l. c. S. 640), als die »Urgedanken« (l. c. S. 641). Die Welt geht aus Gott hervor (ib.), als Verwirklichung einer göttlichen Idee (l. c. S. 643), als Gedanke Gottes (ib.), von Ewigkeit her (l. c. S. 659). Als überzeitlich faßt die Schöpfung auch BOSTRÖM auf, auch BIEDERMANN (Christl. Dogmat. II, 535), PFLEIDERER (Religionsphilos. 2. Abschn., 3. Hptst.) u.a. Nach G. SPICKER ist die Welt eine Schöpfung aus Gott, in dem der eine Gegensatz als Materie besteht (Vers. ein. neuen Gottesbegr. S. 153). Nach AD. SCHOLKMANN ist die Schöpfung »derjenige Act der Selbstbetätigung, durch welchen Gott in Erfüllung seines Bedürfnisses der Selbstmitteilung die in seinem Ewigkeits- und Zeitbewußtsein idealiter ewig gesetzte und damit auch in der Vollziehung seines Selbstwillens als diesem untergeordnetes, von ihm mit umfaßtes Moment realiter ewig vorhandene Welt durch einen zeitlichen, die Zeit und alles zeitliche Geschehen begründenden Willensact zu einer auch in sich seienden Objectivität verwirklicht hat« (Grundlin. ein. Philos. d Christent S. 292 ff.). »Die Idee der Schöpfung ist bedingt durch die Idee der göttlichen Liebe« (ib.). A. DORNER erklärt: »Man wird nicht sagen können, daß Gott aus nichts geschaffen habe, sondern daß Gott die Welt aus sich, aus den in ihm vorhandenen Potenzen geschaffen habe und schaffe.« Die göttliche Action ruft so »Einheitspunkte hervor, in denen die eine göttliche Action als eine besondere Art der Tätigkeit dem jeweiligen Einheitspunkt gemäß sich offenbart. Auf diese Weise ist Gott über der Welt als vollendete Einheit und ist in ihr doch activ, ist ihr immanent«. Gott ist »das ewig mit sich einige, sich selbst wissende und wollende Ur- Ich, das sich zugleich als den ewigen Möglichkeitsgrund der Welt weiß und will« (Gr. d. Relig. S. 34 ff.).

Vgl. Ewigkeit, Gott, Welt, Potenzen, Ternar."

[Quelle: Eisler, Rudolf <1873-1926>: Wörterbuch der philosophischen Begriffe. -- 2. völlig neu bearb. Aufl. -- Berlin :  Mittler, 1904. -- 2 Bde. -- Bd. 2. -- S. 300 - 303]


Vers 2.14: kâla - die Zeit


Kiranâgama (Ausgabe siehe unten)


Ausgabe des Kiranâgama:

Kiranavrtti = Bhatta Ramakantha's commentary on the Kiranatantra / Bhattaramakanthaviracita. Critical ed. and annot. transl. Dominic Goodall. - Pondichéry : Institut Francais de Pondichéry; (Sanskrit, engl.)(Publications du Département d'Indologie / Institut Francais de Pondichéry ; 86). --
Titel des kommentierten Werkes: Kiranagama. -- Im Erscheinen, bisher: Band: 1 Chapters 1 - 6. - 1998. - CXXV, 487 S.


Die Zeit ist als zweifach zu wissen:

bezeichnet.

Die weltliche Zeit bezeichnet man als grob.

Fein ist die Zeit der Yogins, die ihr Bewusstsein auf den Âtman richten.


"Fein ist die Zeit der Yogins"

Siehe dazu Héléne Brunner-Lachaux:

"Le titre du patala 2 annonce que ce chapitre traite de la mort volontaire, au moment choisi, à laquelle un yogin peut prétendre. Mais des considérations générales sur le temps sont données comme introduction à cette étude. On distingue le temps grossier (qui est le nôtre) et le temp» subtil. Toutes les subdivisions du temps ordinaires sont énumérêes ; depuis les atomes de temps (tru.ti, lava), jusqu'aux périodes parfaitement impensables : année divine, année de Brahman, année de Vi.s.nu, année de Hara. qui n'est qu'un clin d'œil de Sadâ'siva.

Le temps subtil est celui du yogin,. qui le tisse avec ses mouvements respiratoires, et peutl'arrèterî à son gré, c'est-à-dire devenir immortel ou mourir quand bon lui semble. La technique de cette mort volontaire est précisée dans la deuxième partie du chapitre, qui nous donne incidemment quelques éclaircissements sur le rite d'offrande de huit fleurs (a.s.ta-pu.spikà) qui accompagne ce passage de vie à trépas, mais peut être aussi enjoint à d'autres occasions.".

[Quelle: Brunner-Lachaux, Héléne: Analyse du Kiranagama. -- In: Journal asiatique. --  253 (1965). --  S. 326].