Materialien zur Religionswissenschhaft

Anbetung der Eucharistie

"Pange lingua gloriosum corporis mysterium"
Das allerheiligste Sakrament des Altars, das höchste Geheimnis des Glaubens

Zur Sytematik der katholischen und evangelischen Theologie


von Alois Payer

mailto:payer@well.com


Payer, Alois <1944 - >: Materialien zur Religionswissenschaft. -- Zur Sytematik der katholischen und evangelischen Theologie. -- Fassung vom 3. November. 1995. -- URL: http://www.payer.de/theologie/theolsys.htm. -- [Stichwort].

Letzte Überarbeitung: 3. November 1995

Anlaß : Lehrveranstaltung Wissenschaftskunde Religionswissenschaft / Theologie, HBI Stuttgart, WS 1995/96

©opyright: Dieser Text steht der Allgemeinheit zur Verfügung. Eine Verwertung in Publikationen, die über übliche Zitate hinausgeht, bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Verfassers.


Übersicht



Begriffsbestimmung und Abgrenzung gegenüber Religionswissenschaft


Es gibt unzählige Definitionen der christlichen Theologien. Man könnte damit ohne weiteres ein Semester lang eine vierstündige Vorlesung halten. Für unsere Zwecke genügt die Definition von Holl (Wissenschaftskunde):

"Die Theologie ist die christliche Wissenschaft vom Glauben an Gott."

Damit verbinden sich sofort viele Fragen, z.B.:

Zum Glück brauchen Sie alle diese Fragen nicht zu lösen, da sie für Ihren Beruf irrelevant sind: Sie können, selbst wenn Sie an einer wissenschaftlichen Bibliothek tätig sein sollten, keinen Bibliotheksbenutzer mit der Begründung abweisen, daß die Bibliothek eine wissenschaftliche Bibliothek sei und er als Theologe darum hier nichts zu suchen habe, weil nach ihrer Ansicht Theologie keine Wissenschaft sei.

In unserem Zusammenhang ist von Interesse das Verhältnis von evangelischer bzw. katholischer Theologie zu Religionswissenschaft, da alles (mit Ausnahme vielleicht der auf reine kirchliche Praxis bezogenen Fächer), was an den theologischen Fakultäten betrieben wird, auch im Rahmen einer nicht engstirnigen Religionswissenschaft Platz findet.

Die Antwort auf diese Frage nach dem Verhältnis der Theologien zur Religionswissenschaft ist schlicht und einfach staatskirchenrechtlicher Natur: An den theologischen Fakultäten haben die Großkirchen entscheidende Mitspracherechte: an vielen Fakultäten können akademische Grade und Qualifikationen (Diplom, Magister, Promotion, Habilitation) nur erworben werden, wenn man den Nachweis einer entsprechenden Kirchenzugehörigkeit in Form eines Taufscheines vorlegt (so dürfen z.B. Katholiken an der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Tübingen nicht promovieren!). Bei der Besetzung von Lehrstühlen (oft schon bei Habilitationen) haben die Kirchen ein Vetorecht. An katholisch-theologischen Fakultäten können die Kirchen den dort Lehrenden jederzeit die Lehrbefugnis entziehen, worauf hin der Staat für Ersatz zu sorgen hat sowie die kirchlich gemaßregelten Professoren anderweits an der Universität unterbringen muß (am berühmtesten ist der "Fall Küng", der aber nur die Spitze eines Eisberges ist). Solche Eingriffe in die Freiheit von Forschung und Lehre kann eine wie auch immer geartete Religionswissenschaft nicht dulden, und so ist diese staatskirchenrechtliche Situation auch der eigentliche Unterscheidungsgrund zwischen Theologie und Religionswissenschaft. In dem, was und wie gelehrt und geforscht wird, ist dagegen nicht der eigentliche Unterschied zu sehen.


Gliederung des Lehrangebotes der beiden theologischen Fakultäten der Univ. Tübingen


Als praktisches Beispiel dafür, wie Theologie gegliedert wird, und was in den einzelnen Gebieten betrieben wird, diene das Lehrangebot der beiden theologischen Fakultäten der Universität Tübingen. Folgendes Schema systematisiert die meisten Teilgebiete der Theologie (Weitere Teilgebiete wie z.B. Pastoralmedizin, Aszetik, Kirchenmusik könnten in dieses Schema eingeordnet werden):


BIBELWISSENSCHAFTEN


Weiterführende Ressourcen:

USENET:


NEUTESTAMENTLICHE WISSENSCHAFT


Die neutestamentliche Wissenschaft umfaßt folgende Teilbereiche:

Einleitung in das Neue Testament:
hier werden vor allem behandelt: die Entstehung der neutestamentlichen Schriften, die Entstehung des Kanons des Neuen Testaments, die Geschichte des neutestamentlichen Textes (Textkritik). Einleitung in das NT ist also eine Form neutestamentlicher Literaturgeschichte.
Exegese:
Auslegung der einzelnen neutestamentlichen Schriften. Dies kann einen Schwerpunkt in der historisch-kritischen Arbeit legen, wobei man versucht, den Text aus seiner Zeit heraus zu verstehen. Man analysiert den Text nach sprachlichen, religionsgeschichtlichen Gesichtspunkten, auf seine Quellen, seine Überlieferung, seine literarische Form und seinen Sitz im Leben hin. Exegese kann auch einen hermeneutischen Schwerpunkt haben, dann wird versucht, den Text so zu übersetzen und zu erklären, daß er dem heutigen Hörer oder Leser persönlich etwas zu sagen hat.
Geschichte des Urchristentums bis zum Anfang des 2. Jhdts n. Chr. :
Dient wieder der Exegese, da sie den historischen Sitz im Leben neutestamentlicher Texte deutlicher macht.
Neutestamentliche Theologie:
Versucht die theologischen Grundgedanken neutestamentlicher Schriften, Schriftsteller oder bestimmter Kreise und Richtungen des Urchristentums in ihrer Einheit oder Verschiedenheit herauszuarbeiten. D.h. z.B. die Vorstellungen über Gott, Christus, Erlösung, Kirche, Sakramente, Wiederkunft Christi und letztes Gericht.

Zwischen alt- und neutestamentlicher Wissenschaft steht die:


ERFORSCHUNG DES SPÄTJUDENTUMS


d.h. die Erforschung der Zeit zwischen beiden Testamenten. Sie wird vor allem als Hilfswissenschaft für das Neue Testament betrieben, da das Spätjudentum den wichtigsten Boden für Jesus und das Urchristentum bildet.


ALTTESTAMENTLICHE WISSENSCHAFT


Die alttestamentliche Wissenschaft gliedert sich entsprechend wie die neutestamentliche Wissenschaft. Für die einzelnen Gebiete gilt das zur neutestamentlichen Wissenschaft gesagte entsprechend.

Einleitung ins Alte Testament:
Hier bestehen gewisse Unterschiede zwischen katholischer und evangelischer Theologie in der Auffassung dessen, was kanonisch ist: Während die Protestanten nur das als kanonisch betrachten, was Bestandteil der hebräischen Bibel ist, anerkennen die Katholiken auch einige Schriften und Teile von Schriften als kanonisch, die nur in der griechischen Bibel (Septuaginta) überliefert sind. Diese letzteren werden von den Protestanten als Pseudepigraphen bezeichnet, die nützlich zu lesen seien.
Exegese
Geschichte Israel
Alttestamentliche Theologie

Dazu kommt noch als wichtige Hilfswissenschaft:


BIBLISCHE ARCHÄOLOGIE


HISTORISCHE THEOLOGIE (KIRCHENGESCHICHTE)


Historische Theologie (Kirchengeschichte) beinhaltet die historische Erforschung des Christentums in all seinen Arten und Aspekten vom Urchristentum bis zur Gegenwart.

Weiterführende Ressourcen:

Clearinghouse:

Die wichtigsten Arbeitsgebiete der Kirchengeschichte sind:


KIRCHENGESCHICHTE IM ENGEREN SINN


Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den verschiedenen Aspekten des christlichen Lebens und der christlichen Institutionen in ihrer Verflochtenheit mit ihrem sozialen und geschichtlichen Umfeld.


DOGMENGESCHICHTE, GESCHICHTE DER KIRCHLICHEN LEHRE UND THEOLOGIEGESCHICHTE


Betrachtet die ideologischen (religiöse Überzeugung) und intellektuellen Dimensionen des Christentums in ihrer historischen Entwicklung und Verknüpfung.


KONFESSIONSKUNDE UND ÖKUMENIK


Behandelt die verschiedenen christlichen Denominationen (Konfessionen, Sekten) sowie ihre Bestrebungen zur Zusammenarbeit (Ökumenik).


SYSTEMATISCHE THEOLOGIE


Systematische Theologie fragt:

"Was ist christliche Wahrheit, was begründet heute, auch heute noch, ihre Gültigkeit. Warum muß sie auch heute für uns und unter uns geltend gemacht haben."

(H.Grass: Einführung in die Theologie, 1978, S. 37)

In der katholischen Theologie sind die wichtigsten Teilgebiete:


FUNDAMENTALTHEOLOGIE (katholisch)


Behandelt die Grundlagenfragen der Theologie wie die nach


DOGMATIK (katholisch)


"das systematische, verstehenwollende `positive` (historische) Hören auf Gottes Wort im Munde der Kirche"

(K. Rahner).


MORALTHEOLOGIE (katholisch)


"die auf der Offenbarung Gottes beruhende Lehre vom richtigen, gottgemäßen Handeln des Menschen."

(K. Rahner)

In der evangelischen Theologie sind die wichtigsten Teilbereiche:


DOGMATIK (SYSTEMATISCHE THEOLOGIE IM ENGEREN SINN) (evangelisch)


Für sie gilt das oben allgemein über systematische Theologie gesagte


ETHIK (evangelisch)


Stellt die Frage nach den Normen des Handeln auf der Grundlage christlichen Glaubens.


manchmal: RELIGIONSPHILOSOPHIE (evangelisch)


Untersucht die "vorchristlichen" allgemein menschlichen Grundlagen für den christlichen Glauben, auf denen dieser aufbauen kann.


PRAKTISCHE THEOLOGIE


"Praktische Theologie hat die Praxis des kirchlichen Handelns zu ihrem Gegenstand."

(H. Grass)

Sie kann sich mehr der Frage des Wie oder mehr der Frage des Was zuwenden.

Kirchliche Praxis umfaßt dabei:

  • Predigt -> HOMILETIK
  • Gottesdienst und kirchliche Amtshandlungen (Sakramente, Heirat, Beerdigung usw.) -> LITURGIK
  • relig. Unterricht und relig. Erziehung von Kindern und Erwachsenen -> KATECHETIK, RELIGIONSPÄDAGOGIK
  • Seelsorge
  • Soziale Tätigkeit (Diakonie, Caritas)
  • Auch KIRCHENRECHT und MISSIONSWISSENSCHAFT könnte man als Bestandteile der praktischen Theologie auffassen, sie werden jedoch oft (Kirchenrecht bei den Katholiken immer) als selbstständige Fächer behandelt.


    KIRCHENRECHT


    Kirchenrecht behandelt das kirchliche Recht, die Kirchenverfassung, Kirchenordnung sowie das Staatskirchenrecht der jeweiligen Kirchen.


    MISSIONSWISSENSCHAFT


    Missionswissenschaft beschäftigt sich mit der Ausbreitung des christlichen Glaubens in nichtchristlicher Umwelt, insbesondere auch mit den Möglichkeiten, christliche Inhalte in einer solchen Umwelt verständlich zu machen. So ist Missionswissenschaft auch ein Teilgebiet der systematischen Theologie.


    Weiterführende Ressourcen


    Schwinge, Gerhard:
    Wie finde ich theologische Literatur. - 2. durchges. und erg. Aufl. - Berlin : Berlin Verlag, 1983. - 229 S. - (Orientierungshilfen ; Bd. 16) - ISBN 3-87061-217-7
    Guter Führer zu allen traditionellen Hilfsmitteln.

    Grass, Hans:
    Einführung in die Theologie. -- Marburg : Elwert, 1978. - 102 S. - (Marburger theologische Studien ; 17). - ISBN 3-7708-0599-2
    Klare Darstellung aus evangelischer Sicht.

    Rahner, Karl:
    Kleines theologisches Wörterbuch / Karl Rahner ; Herbert Vorgrimler. - Freiburg [u.a.] : Herder, 1961. - 397 S. - (Herder-Bücherei ; Bd. 108/109)
    Darstellung durch den wohl intelligentesten katholische Theologen dieses Jahrhunderts.

    Yahoo:

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