नामलिङ्गानुशासनम्

2. Dvitīyaṃ kāṇḍam

14. kṣatriyavargaḥ

(Über Kṣatriyas)

1. Erster Abschnitt

3. Vers 17c - 23
(Kṣatriyas: Staatslehre)


Übersetzt von Alois Payer

mailto:payer@payer.de 


Zitierweise | cite as: Amarasiṃha <6./8. Jhdt. n. Chr.>: Nāmaliṅgānuśāsana (Amarakośa) / übersetzt von Alois Payer <1944 - >. -- 2. Dvitīyaṃ kāṇḍam. -- 14. kṣatriyavargaḥ  (Über Kṣatriyas). -- 1. Erster Abschnitt. -- 3. Vers 17c - 23 (Kṣatriyas: Staatslehre).  -- Fassung vom 2011-04-13. --  URL: http://www.payer.de/amarakosa6/amara2141c.htm                                  

Erstmals hier publiziert: 2011-04-09

Überarbeitungen: 2011-04-13 [Ergänzungen]

©opyright: Creative Commons Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Nutzung, share alike)

Dieser Text ist Teil der Abteilung Sanskrit von Tüpfli's Global Village Library


Meinem Lehrer und Freund

Prof. Dr. Heinrich von Stietencron

ist die gesamte Amarakośa-Übersetzung

in Dankbarkeit gewidmet.


Falls Sie die diakritischen Zeichen nicht dargestellt bekommen, installieren Sie eine Schrift mit Diakritika wie z.B. Tahoma.

Die Devanāgarī-Zeichen sind in Unicode kodiert. Sie benötigen also eine Unicode-Devanāgarī-Schrift.


2. dvitīyaṃ kāṇḍam - Zweiter Teil


2.141. kṣatriyavargaḥ I - Abschnitt über Kṣatriyas I


Übersicht



Eine vorzügliche systematische Sammlung aller hierhergehörigen Sanskrittexte ist:

Dharmakośa / ed. by Laxmanshastri Joshi. - Wai, Dist. Satara : Prajnapathashala Mandal
(Prājña-paṭha-śālā-maṇḍala grantha-mālā). -- Vol. 4. Rājanītikāṇḍa. -- Part 1 - 6. -- 1973 - 1979. -- 3400 S.


2.141.43. Grundlagen des Staates


17c./d. svāmy-amātya-suhṛt-kośa-rāṣṭra-durga-balāni ca
18a./b. rājyāṅgāni prakṛtayaḥ paurāṇāṃ śrenayo 'pi ca

स्वाम्यमात्य-सुहृत्-कोश-राष्ट्र-दुर्ग-बलानि च ॥१७ ख॥
राज्याङ्गानि प्रकृतयः पौरानां श्रेणयो
ऽपि च ।१८ क।

  • राज्याङ्ग - rājyāṅga n.: Faktoren der Herrschaft
  • प्रकृति - prakṛti f.: Grundlagen (des Staates)

sind:

  1. स्वामिन् - svāmin m.: der Herrscher
  2. अमात्य - amātya m.: Berater
  3. सुहृद् - suhṛd m.: Freund
  4. कोश - kośa m.: der Schatz
  5. राष्ट्र - rāṣṭra n.: das Reich
  6. दुर्ग - durga m.: Festung
  7. बल - bala n.: die Streitkräfte
  8. पौरानां श्रेणि f.: Vereinigungen und Zünfte der Städter

Colebrooke (1807): "The requisites of administration. Viz. 1st. the king or lord ; 2d. his counsellor or minister ; 3rd. a friend or ally ; 4th. treasure ; 5th. territory ; 6th. a strong hold ; 7th an army. Including citizens. Some reckon eight requisites of regal administration including the companies of citizens : others nine with the spiritual adviser &c."


दुर्ग - durga m.: Festung



Abb.: दुर्गः । Rajgir - राजगीर, Bihar, ca. 4. Jhdt. v. Chr.
[Bildquelle: Hideyuki KAMON. -- http://www.flickr.com/photos/hyougushi/36792792/. -- Zugriff am 2011-04-05. -- Creative Commons Lizenz (Namensnennung, share alike)]


Abb.: दुर्गः । Golconda - గోల్కొండ, Andhra Pradesh, 13. Jhdt. n. Chr.
[Bildquelle: anaxila. -- http://www.flickr.com/photos/anaxila/1479541307/. -- Zugriff am 2011-04-05. -- Creative Commons Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Nutzung, keine Bearbeitung)]


बल - bala n.: die Streitkräfte



Abb.: बलानि । Szene aus dem Mahābhārata-Krieg, Himachal Pradesh, 1803
[Bildquelle: Asian Curator at The San Diego Museum of Art. -- http://www.flickr.com/photos/asianartsandiego/4837901611/. -- Zugriff am 2011-04-05. -- Creative Commons Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Nutzung, keine Bearbeitung)]


"Sechstes Buch. Grundlagen eines Staatenkreises. Erstes Kapitel (96. Gegenstand). Vollkommenheit (richtige Eigenschaften) der Reichsfaktoren [prakṛti].

Der Herrscher, der Minister, das Bauernland, die feste Stadt, das Heer, der Bundesgenosse und der Widersacher1 – das sind die Reichsfaktoren (prakṛti).

Dabei ist die Vollkommenheit des Herrschers diese: von hoher Familie, kein Schicksalsgläubiger,2 reich an tüchtigem Charakter, auf die Erfahrenen sehend,3 gerecht, wahrheitredend, sein Wort haltend, dankbar, freigebig, von großer Willenskraft, nicht saumselig. Herr über seine Vasallen, festen Geistes, von bedeutenden Räten umgeben, begierig nach Anleitung und Selbsterziehung (vinaya) – das sind die Eigenschaften, durch die die Leute zu ihm gezogen werden.4

Verlangen, zu erfahren, Hören, Erfassen, Behalten, Erkennen, Überlegen, kritisches Abwägen und Hingebung an die Dinge selber – das sind die Vorzüge des Verstandes (prajñā).A1

Heldenmut, zornige Auflehnung gegen Kränkung, Raschheit und Geschicklichkeit, das sind die Vorzüge der Tatkraft.A2

Kühnen Geistes,5 ausgerüstet mit Gedächtnis, Denkvermögen und Körperkraft, hochgesinnt, leicht zu zügeln,6 kunstgeübt, der Laster ledig, ein Führer des Stabs, die Mittel, Wohltaten und Feindseligkeiten zu vergelten, zu treffen wissend, schamvoll,7 ein Anordner gegenüber den Landesheimsuchungen und den Staatsfaktoren, fern- und weitsichtig, einer der die männliche Betätigung am rechten Ort und zur richtigen Zeit für die Hauptsache in Geschäften hält, geschickt, zu wählen zwischen Frieden oder kriegerischer Unternehmung, zwischen Gehenlassen (tyāga) oder Zügelung, zwischen Vertragstreue (paṇa) oder Wahrnehmung der Schwäche des andern, gedämpft und doch fröhlich (über lustige Dinge) lachend,8 von geradem und nicht brauenrunzelndem Blick, ledig der Liebe und des Hasses, der Habgier und des Hochmuts, der Fahrigkeit, der Hitzigkeit (oder Hast) und der Verleumdungssucht, freundlich im Umgang,9 beim Reden mit den Leuten lächelnd und doch dabei vornehm erhaben, der Unterweisung der Erfahrenen nachlebend – das sind Vorzüge der Persönlichkeit.

Die Vollkommenheit des Ministers ist früher (I, Kap. 9) dargelegt worden.10

Die Vollkommenheit des Bauernlandes ist folgender Art: stabil11 sowohl im Innern als an der Grenze, sich selber erhaltend und in der Not auch andere erhaltend, leicht zu schützen, guten, gemächlichen Lebensunterhalt darbietend, voll Hass gegen den Feind, von Grenznachbarn umgeben, die man in der Gewalt hat, ohne morastige, steinige, salzdurchsetzte, unebene und dornenüberwachsene Strecken12 und ohne reißende Tiere und Waldstämme, lieblich, reich an Ackerland, Bergwerken, Nutz- und Elefantenwäldern, geeignet für Rinder, geeignet für Menschen, mit wohlverwahrten Viehweiden, viehreich, nicht vom Regen abhängig (d.h. künstlich gut bewässert), mit Land- und Wasserstraßen wohl ausgestattet, versehen mit wertvollen, mannigfaltigen und reichlichen Handelswaren, fähig, Heer und Steuern zu tragen, gesegnet mit arbeitsamen Bauern und einfältigen Herren,13 hauptsächlich von Leuten der unteren Kasten besiedelt,14 bewohnt von Menschen, die (dem Fürsten) in treuer Liebe ergeben und ehrlich sind.15

Die Vollkommenheit der Burg ist schon früher dargelegt worden (II, 2).

Redlich erworben entweder von den Vorfahren oder vom Herrscher selbst, hauptsächlich aus Gold und Silber bestehend, voll vielfältiger und großer Edelsteine und Goldstücke,16 auch einem lange währendem Unglück, bei dem keine Einkünfte einlaufen, gewachsen – das ist die Vollkommenheit des Schatzes.A3

Die Vollkommenheit der Streitmacht ist diese: von Vater und Großvater ererbt, nicht wechselnd, gehorsam; die Kinder und die Frauen der Soldaten sind zufrieden;17 bei Kriegszügen in fremdes Land enttäuschen sie nicht;A4 nirgends zurückgeschlagen; Schmerz ertragend; erprobt in vielen Schlachten; erfahren in der Wissenschaft aller Kampfwaffen; treu, weil ihr eigener Gewinn und Verlust mit dem des Herrschers zusammenfällt; hauptsächlich aus Kṣattriya bestehend.

Von Vater und Großvater ererbt, stetig, fügsam, treu, groß (mächtig)18 und rasch kräftige Hilfe bringend – das ist die Vollkommenheit des Bundesgenossen.

Des Widerholds Vollkommenheit ist diese: »Er soll sein: nicht königlichen Ursprungs, habgierig, von erbärmlichen Räten umgeben, herrschend über Untertanen, die ihm feindlich gesinnt sind, unrichtig verfahrend, ohne Eifer, lasterhaft, der Tatkraft bar, alles vom Schicksal erwartend, umherirrlichtelierend in seinen Unternehmungen, halt- und hilfslos, ohne Anhang, ohne Manneskraft, beständig anderen Leid zufügend. Denn ein solcher Feind kann leicht ausgetilgt werden.«19

Abgesehen vom Feinde sind das sieben Reichsfaktoren zusammen mit ihren Tugendentfaltungen. Man sagt, dass diese, soweit sie Nebenglieder sind (also alle mit Ausnahme des Fürsten selber) getragen werden von des Königs Tüchtigkeit.20

Vollkommen macht die unvollkommenen Reichsfaktoren der mit bedeutender Persönlichkeit ausgestattete König. Die Reichsfaktoren, die in gedeihlichem Zustand und liebevoll anhänglich sind, vernichtet der König ohne persönliche Tüchtigkeit.

Daher wird sogar ein Beherrscher der vier Enden der Erde, der von schlechter Natur und ohne sittliche und geistige Persönlichkeit ist, entweder durch seine Untertanen getötet oder er gerät in die Gewalt der Feinde.A5

Der mit persönlicher Tüchtigkeit ausgestattete siegt nur, auch wenn er ein kleines Land hat, da er mit Vollkommenheit der Reichsfaktoren gesegnet wird und der Staatsleitung kundig ist, siegt über die ganze Erde und erleidet keinen Nachteil.

Fußnoten

1 Wie der Inhalt des Kapitels selber zeigt, muss man wohl – mitrāmitrāṇi lesen. Freilich scheint schon 257, 3 gegen diese Änderung des Textes zu sprechen. Dann fiele der »Widersacher« weg.A6

2 Ich lese 'daivabuddhiḥ. Vgl. 256, 21; 294, 8, wo als Feind ein daivapramāṇa gewünscht wird. Daivabuddhi ist = daivacintaka, der nur ans Schicksal denkende und dieser = daivapramāṇa. Daivacintaka »Fatalist« findet sich z.B. Kām. IX, 26 (erklärt śl. 37); MBh. XII, 121, 45. Daivabuddhi »einen göttlichen Geist habend« hieße allzuviel von einem Fürsten verlangen, allzuviel sogar für einen Inder mindestens wie Kauṭilya, der ein Tatsachenmensch ist, oder allzuwenig, nämlich gar nichts – es wäre dann leere Floskel. Der Umstand, dass der Glaube an puruṣakāra, obwohl dieser wesentlich das Gleiche bedeutet, nachher beim ātmasaṃpad erscheint, bildet kein Hindernis; denn als ābhigāmikaguṇa marschiert vṛddhadarśin auf, ebenso aber das gleichwertige vṛddhopadeśācāra beim ātmasaṃpad.A7

3 Oder: »die Alterfahrenen besuchend«.

4 Diese Übertragung scheint mir von Śaṅk. zu Kām. IV, 8 bestätigt zu werden; denn er hat dort: suṣṭhu abhigamāya prabhavanti als Erklärung von sādhvābhigāmikā (guṇāḥ). Freilich kann man dies auch einfach in dem Sinne von »umgänglich« verstehen, was aber eher abhigamya wäre (Kām. V, 1).A8

5 Die Lesart von B vāgmī pragalbhaḥ ist vielleicht aus Kām. IV, 12 hereingetragen worden. Sie heißt wohl: »Beredt, schlagfertig« (s. Kām. IV, I4ff.).A9

6 Vgl. 15, 2 und meine Anm. dazu.

7 Ich lese 'vyasano (oder 'vyasanī) und daṇḍanāyy (statt daṇḍanādy). Daṇḍanāyī entspräche dem netā daṇḍasya Kām. IV, 14. Dort erklärt der Komm, svavyasane paravyasane vā caturaṅgasya balasya prayoktā, was ich für ein törichtes Missverständnis halte. Aber das bei Śaṅk. recht auffällige vyasane scheint auf einer Erinnerung an unseren Text zu beruhen, und so mag immerhin vyasane daṇḍanāyī richtig sein: »ein Strafverhänger, wo sich Laster zeigt«. Freilich die Laster des Volkes sind ja ein wertvolles, ja wohl das allerwertvollste Kapitel der Staatskunst, in gar vielfachem und leider abgrundtiefem Sinne. Gestraft werden nur Vergehen gegen die Gesetze, und Gesetze sind dazu da, dass gegen sie gesündigt und folglich viel Strafgeld bezahlt werde. Vgl. Kām. IV, 54 und Śaṅk.'s Glosse dazu. Wohl aber fordern die altindischen Politiker, gar nicht zu reden von Moralisten, einen König, der besonders nicht den vier großen W oder vyasana: »Wein, Weib, Würfel, Waidwerk« fröhnt. Auch drängt 256, 21 dazu, 'vyasanī zu setzen. »Schamvoll« bezieht sich darauf, dass er sich schämt, Schlechtes zu tun.A10

8 Oder gemessen und doch fröhlich scherzend. Aber die Lesart von B saṃvṛto, 'dīnābhihāsī mag die richtige sein. Dann: »versteckt (in seiner Politik, denn open diplomacy ist ja auch den Indern ein Greuel), herzhaft (lächerliche Dinge) belachend«. Oder: dīnābhihāsī »das Kleinliche und Erbärmliche belachend«? Kaum 'dīnābhihāsī »die Elenden nicht belachend«. Gūḍhamantrapracāraś ca »einer, dessen Pläne und Handlungen verborgen bleiben« bei Kām. IV, 16 sieht nämlich wie eine Umschreibung von saṃvṛto aus.

9 Śakyaḥ zu lesen. Vgl. Daśakum. 164, 10, wo es der Scholiast ganz richtig mit priyaṃvada umschreibt; wörtl.: »an den man herankommen kann«, manageable, mit dem man etwas anzufangen vermag. Im Epos bedeutet śakya gewöhnlich: besiegbar, heilbar, wieder in Ordnung zu bringen, aber auch: handhabbar, behandelbar, easy to handle wie z.B. MBh. III, 268, 12. Vgl. facilis. Upatāpa heißt nach dem ind. Lex. auch Eile. Vgl. z.B. 278, 9. Möglich wäre ja auch: »Quälen« (der eigenen Untertanen). Doch passt das weniger gut.A11

10 Wie schon das Zitat 428, 10–11 zeigt, gehört madhye cānte ca zum Folgenden.

11 Oder: »reich an festen Orten« (sthānavant).

12 Aber diese Auffassung von śreṇī (Linie, Reihe, also etwas dahingestrecktes, Strecke?) vernichtet wohl einen grimmigen Witz und Stoßseufzer. Nach der gewöhnlichen Bedeutung des Wortes hieße es: »ohne Sümpfe, Steine, Salzboden, Dornicht (oder: Reichsschädlinge, Verbrecher?), Verbände, reißende Tiere und Waldwildnisse«. Die Verbände machten den altindischen Staatsmännern viel zu schaffen. Wie schrecklich die śreṇī für den Herrscher sind, geht z.B. aus 294, 6ff. hervor.

13 Kām. IV, 54 sagt sogar, das Land solle sein mūrkhavyasanināyaka, »gesegnet mit Führern, die dumm und lasterhaft sind«. Śaṅk. erklärt ganz im Geiste des Arthaśāstra: »Wo die Großen im Land (mahattara) dumm und lasterhaft sind, da kann es nach Herzenslust ausgebeutet werden (bhogya)«. Also keinen Apostroph vor bāliśa-, wie man etwa denken möchte! Das hieße die köstliche Stelle verhunzen.

14 Vgl. 294, 18ff.

15 Zu dieser Beschreibung des idealen Bauernlandes vgl. śl. 43ff. im 100. Kap. des 2. Buchs des Rāmāyaṇa, wo ein ganzer in vieler Hinsicht interessanter und Schritt für Schritt ans Arthaśāstra gemahnender Abriss der altindischen Staatslehre eingeschlossen ist. Der janapada ist dort unter anderem: prahṛṣṭanaranarīkaḥ samājotsavaśobhitaḥ sukṛṣṭasīmā paśumān hiṃsābhir abhivarjitaḥ, adevamātṛko (künstlich bewässert), ramyaḥ, śvāpadair parivarjitaḥ, parityakto bhayaiḥ sarvaiḥ, khanibhiś cobhaśobhitaḥ. Vgl. Kām. IV, 48ff.A12

16 Hiraṇya ist offenbar auch 58, 20 und sonst wohl gemünztes Gold, Geldstücke.

17 Oder: »die Frauen und die Kinder sind zufrieden und genährt?« Oder: »zufrieden sind die Soldaten, Kinder und Frauen?«

18 So nach 288, 1, 289, 6 usw. Aber eigentlich wäre ein starker Bundesgenosse wieder ein schlechter vom Standpunkte der indischen Politik aus; denn der wird dann nicht fügsam (vaśya) sein.

19 Vgl. 295, 6ff. »Der Feind wird dadurch gekennzeichnet, dass er will, was ich will« heißt es Kām. VIII, 14. Statt »lasterhaft« wäre etwa »Schlimmem anheim gefallen« besser – der unbequeme Doppelsinn von vyasanin. Gut heißt es Kām. XI, 11: »Weiber und Wein, Waidwerk und Würfel und die vielfältigen Heimsuchungen durch das Schicksal, die sind das Schlimme« (vyasana). Wer damit behaftet ist, der ist »ins Schlimme geraten« (vyasanin).A13

20 So die wahrscheinlichste Auslegung. Der Gen. beim Part. perf. pass. statt des Instr. kommt ja auch sonst vor und findet sich bei Kauṭilya auch z.B. 269, 9, 11. Vgl. 253, 20. Vielleicht ist rājasaṃpadā zu lesen. Prakṛta, das ich schon in der Bedeutung »gefördert, befördert, angestellt, Beamter« besprochen habe (pārthivaprakṛta vom Fürsten angestellt haben wir MBh. XII, 69, 6, vgl. 118, 5), heißt auch festgesetzt, bestimmt (z.B. von der Zeit des Todes, MBh. K XII, 322, 18), dann bestimmt für jemand, zu seinem Gebrauch da seiend, mit dem Gen. (Rām. II, 37, 23). Danach bekämen wir: »sind bestimmt für des Königs Vollkommenheit« (d.h. sind dazu da, von des Königs Vollkommenheit oder Tüchtigkeit gebraucht, zu seinen Zwecken verwendet, aber auch vervollkommnet zu werden). Das gäbe also, nur erweitert und vertieft, denselben Sinn, wie prakṛtā rājasaṃpadā »gefördert durch des Fürsten Vollkommenheit«. Möglich ja auch: »sind bestimmt für des Königs Größe und Glück«. Freilich stünde das nicht ganz im Einklang mit dem Gebrauch von sampad anderwärts in unserem Kap. Auch wüsste ich sonst keine Stelle, wo prakṛta = »bestimmt für« bei Kauṭ. vorkäme. Übrigens wäre auch möglich: »Die Reichsfaktoren, sieben mit Ausschluss des Nebenbuhlers (ari), sind hiermit zusammen mit ihren Eigenschaften und Vorteilen dargelegt worden. Die, welche Nebenglieder sind, werden« usw. Oder: »Die auf den König (den Staat) bezüglichen Vollkommenheiten (Faktoreneigenschaften) sind dazu bestimmt, einander entsprechende (eins das andere ersetzende) Glieder zu sein« (d.h. eins ist vom anderen abhängig, sie arbeiten einander in die Hände). Ähnliche Komposita mit prati sind schon besprochen worden.A14

A1 Siehe die Zusatzanmerkung zu 5, 41 wegen dieses Satzes und zu 397, 7–398, 14 Rām. I, 1, 8–19; II, 1, 8–33.

A2 Vgl. MBh. III, 29, 20; Nītiv. 64, 2–3 (hier tatkarmapravīṇatva statt dākṣya).

A3 Vgl. Nītiv. 81f.; Śukran. IV, 2, 25–27; 42–44 (soll 20, ja 30 Jahre ohne irgend welchen Zufluss vorhalten). 

A4 Avisaṃvādita wörtl. nicht dazu gebracht zu enttäuschen (oder: sich selber untreu zu werden?). Nach Gaṇ.'s Text mit api sampāditaḥ »auch für Aufenthalt in fremdem Land wohl ausgerüstet«. Vgl. dazu sampādayati in 257, 5. Langer Feldzug und Aufenthalt in fremdem Land macht die Soldaten unzufrieden und ist ihrer Treue gefährlich. So z.B. auch Nītiv. 124, 8; Kām. XIX, 14; Śukran. IV, 7, 366f. 

A5 Oder: Dann wird dieser Persönlichkeitslose (der Schlechte und Törichte), nachdem seine Reichsfaktoren verdorben worden sind, sogar wenn er die vier Enden der Erde beherrscht, entweder usw. 

A6 Auch Gaṇ. liest wie Sham., und es ist schon an und für sich unwahrscheinlich, dass Kauṭ. nicht das bekannte saptāṅga darbiete. Durch Versehen ist oben in Zeile 4 zwischen »Stadt« und »Herr« ausgefallen: »der Schatz«. Man vgl. zu dem Kap. z.B. Kām. IV und VIII; Nītiv. 62, 7ff.; M. VII, 154ff.; IX, 294ff.; Y. I, 344. 352; Viṣ. III 33, 38; Kālidās Nag, Théories diplomatiques 64ff.; Hillebrandt, Altind. Politik 50ff.; B. K. Sarkar, Pol. Inst. 214ff. Law, Interstate Relations ist mir nicht zugänglich. Śukran. I, 122–24 sagt vom Staatskörper: der Herrscher ist der Kopf, der Staatskanzler das Auge, der Freund das Ohr, der Schatz der Mund, das Heer der Wille (manas), die feste Stadt die Hände, das Bauernland die Füße. Dass der Feind aber unbedingt zum Staate gehöre, lehrt Kauṭ. wie andere. Tiefsinnig heißt es in Bṛ.-Nīti I, 107–10: »Der Feind (d.h. der Nebenbuhler) von edlem Charakter ist ein Freund. Weil Sonne und Mond das gleiche Streben haben, sind sie Feinde. Wäre dem nicht so, dann stünden sie still (d.h. wäre nicht die Nebenbuhlerschaft, dann würden sie nicht mehr wandeln und leuchten).« Und in Kirāt. I, 8 lesen wir: »Besser als Verkehr mit Unedeln ist Feindschaft mit Hochsinnigen, da diese den Mann zu kräftigem und vollkommenem Dasein emporführt.«"

A7 Nītiv. 114, 15–16 hat: Rājātmadaivadravyaprakṛtisampannaḥ kramavikramayor adhiṣṭhānaṃ vijigīṣuḥ »ein König, der vollkommen ausgestattet ist mit Persönlichkeit, Glück (d.h. letzten Endes: der Auswirkung guter Taten in früherem Dasein) und den in Material bestehenden Staatsfaktoren, der Grund, auf dem der Fortgang des Bestehenden und die Eroberung von Neuem ruht, ist der Eroberer.« Und Kām. IV, 7 gibt unser daivasampanna wieder durch sein daivasampannatā. Man muss also mit Gaṇ. daivabuddhisattvasampanno lesen »von hoher Familie, reich an Glück, Verstand und festem Charakter«. Vgl. 258, 3 (Übers. 401, 25f.).

A8 Ābhigāmika zugänglich, leutselig, freundlich findet sich auch in Mahāvīrac. IV, zwischen Str. 7 und 8. – Vielleicht sollte es statt »sein Wort haltend« eher heißen: »nicht sich selber widersprechend«, also einheitlich in Gedanken, Worten und Werken, in sich selber zusammengeschlossen (avisaṃvādaka). Das träfe mit Gaṇ.'s Erklärung zusammen. Auch dürfte vorzuziehen sein: »von hochgesinnten Räten umgeben« (akṣudrapariṣatka). Vgl. 256, 20. In Nītiv. 63, 8–9 lesen wir: Kṣudrapariṣvaktah sarpavān āśraya iva sa na kasyacit sevyaḥ. Danach und z.B. nach Vas. XVI, 22–24 ließe sich vermuten: »nicht von einer niedriggesinnten (schlechten) Rätekammer umgeben«. Aber mir schiene das nicht dem Sprachgebrauch des Kauṭ. zu entsprechen. Vgl. Y. I, 308–10; auch M. VII, 26–28; 30–32; 38; Yogayātrā II, 10–13 usw.

A9 Auch Gaṇ. hat vāgmī pragalbhaḥ und erklärt pragalbhaḥ mit asabhākampavaktā also »ohne Lampenfieber vor einer Versammlung«. Das schiene aber doch in vāgmin inbegriffen zu sein. Pragalbhate mit dem Loc. bedeutet sogar tüchtig sein zu (Nītiv. 10, 5). Aber auch in Rām. I, 1, 9 und II, 1, 18 ist der mustergültige Herrscher: vāgmin, und pragalbha soll er nach MBh. XII, 70, 4 sein.

A10 Y.'s avyasano in I, 309 bildet eine Stütze, freilich keine vollständig sichere, für meine Konjektur. Aber Gaṇ., der übrigens das von mir vermutete daṇḍanāyy wirklich hat, bietet ebenfalls vyasane dar. Seine Erklärung stimmt mit Śaṅk.'s Glosse überein und ist richtig, nur zu eng. Halten wir uns gegenwärtig, dass der Feind eo ipso ein Verbrecher ist und Krieg gegen ihn nur Ausübung der Strafgerechtigkeit, und dass das Macht- und Strafmittel des Fürsten nicht nur die Justiz, sondern auch das Heer ist (daṇḍa). Richtig ist also nur das umfassende: »kunstgeübt, ein Handhaber der Machtmittel bei (jeglichem) Missstand« (heiße dieser nun Schlechtigkeit der eigenen Untertanen oder des Feindes, Götterheimsuchung oder Blöße fremder Fürsten). Vgl. 295, 12f. (Übers. 458, 14ff.). Statt »Landesheimsuchungen« (āpad) im Text 398, 6–7 setze man »Unglück« (komme dies nun von äußeren Feinden oder von Verschwörern, vgl. Buch IX, 3–7). Noch eine andere ebenfalls gute Erklärung bei Gaṇ. Aber ich möchte dann weder āpad einzig auf Hungersnot einschränken, wie er, noch prakṛti auf »gutes Erntejahr«, sondern āpad auch von anderen unglückseligen Zuständen und prakṛti überhaupt vom »normalen Verlauf der Dinge«, verstehen, also z.B. auch »im Krieg und im Frieden«, »bei Ruhe im Staat und bei Aufruhr« u. dgl. mehr. Statt »einer, der die männliche Betätigung ... hält« vielleicht doch besser: »hervorragend in (der Nutzung von) richtigem Ort und richtiger Zeit, in männlich tüchtigem Wirken und in Geschäften«, nicht aber wie Gaṇ. erklärt.

A11 Trotzdem hat Kām. es so verstanden; denn er sagt in IV, 17 »hinausgelangt über das Quälen anderer (paropatāpa)«.

A12 Siehe auch M. VII, 69; VIII, 22; Y. I, 320; Viṣ. III, 4f; Nītiv. 76 1ff. Nach der letztgenannten Stelle soll das Land sein: Sich gegenseitig schützend, reich an Edelsteinfundorten und Bergwerken, Elefanten und Gütern, mit Dörfern bedeckt, die weder zu groß noch zu klein sind, voll mannigfacher wertvoller Erzeugnisse, Getreide, Geld und Kaufmannsgüter hervorbringend, nicht vom Regen abhängig (adevamātṛka), angenehm für Vieh und Menschen, hauptsächlich von Verbänden (śreṇi), Śūdra und Pflügern (1. kārṣuka) bewohnt. Fehler sind: viel giftige Gräser und Bäume, Steine, Dornen, Berge, Löcher und Dickichte, viel Abhängigkeit vom Regen, viel reißende Tiere, Jäger und Mleccha, geringer Getreidebau und Angewiesensein auf Baumfrüchte. Da herrscht beständige Hungersnot, wo die Feldfrucht vom Regen abhängt, und wo man sich anderen Dingen widmet als dem Ackerbau. Denn Dörfer, wo meist Kṣattriya wohnen, fangen schon bei geringen Notständen Streit an. Und die Brahmanenschaft gibt nicht gutwillig Steuern, wenn sie auch darüber sterben sollte (so habgierig ist sie). Wegen der Kṣattriya vgl. Nītiv. 70, 3–4; wegen der Brahmanen 70, 2–3).

A13 Wegen des erwünschten Feindes vgl. Nītiv. 115, 5–8. In 5 muss man im Einklang mit Kauṭ.'s arājabījī (so natürlich statt Sham.'s arāja) lesen arājabījī lubdhaḥ. Hier finden wir auch die drei: den abhiyoktavya (also abhiyātavya), den karśanīya und den ucchedanīya.

A14 So, wie eben gefasst, entspräche unser Satz M. IX, 296f. Auch Gaṇ. versteht sampadaḥ als Plur. Freilich wäre dann wohl rājyasampadaḥ einzusetzen. Prakṛta hieße da »angestellt« (zu ihren jeweiligen Pflichten). So auch Gaṇ."

[Quelle: Kauṭilya: Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben : das Arthaśāstra des Kauṭilya / [aus dem Sanskrit übersetzt und mit Einleitung und Anmerkungen versehen von] Johann Jakob Meyer [1870-1939]. -- Leipzig, 1926. -- Digitale Ausgabe in: Asiatische Philosophie. -- 1 CD-ROM. -- Berlin: Directmedia, 2003. -- (Digitale Bibliothek ; 94). -- S. 397 - 401.]


2.141.44. Sechs Verfahren der Außenpolitik


18c./d. sandhir nā vigraho yānam āsanaṃ dvaidham āśrayaḥ
19a./b. ṣaḍ guṇā: śaktayas tisraḥ prabhāvotsāha-mantrajāḥ

सन्धिर् ना विग्रहो यानम् आसनं द्वैधम् आश्रयः ॥१८ ख॥
षड् गुणाः शक्तयस् तिस्रः प्रभावोत्साह-मन्त्रजाः ।१९ क।

षड् गुणाः - die sechs Verfahren der Außenpolitik sind:

  1. सन्धि - sandhi m.: Bündnis, Frieden
  2. विग्रह - vigraha m.: Zwist, Krieg
  3. यान - yāna n.: Ausrücken
  4. आसन - āsana n.: Sitzen, Abwarten
  5. द्वैध - dvaidha n.: Doppelspiel
  6. आश्रय - āśraya m.: Zuflucht-Nehmen, Schutzsuchen

Colebrooke (1807): "Six expedients of defence. Severally mentioned. Viz. Pacification. War. A progress or march. A halt or the maintaining of a post. A double resource or a strategem. Recourse to protection."


Siebentes Buch. Das sechsfache Verfahren [ṣāḍguṇya]. Erstes Kapitel (98–99. Gegenstand). Summarische Angabe des sechsfachen Verfahrens. Entscheidung darüber, ob Abnahme, Stillstand oder Zunahme am Platze sei.A1

Die Quelle des sechsfachen Verfahrens ist der Kreis der Reichsfaktoren [prakṛti]. Frieden, Krieg, Abwarten, auf den Feind Losmarschieren, Schutzsuchen und Doppelspiel, das ist das sechsfache Verfahren. So die Lehrer.

»Es gibt nur ein zweifaches Verfahren.« So Vātavyādhi. »Denn aus Krieg und Frieden entspringt das (ganze) sechsfache Verfahren.«1

Es liegt hier doch ein sechsfaches Verfahren vor wegen der Verschiedenheit der Zustände. So Kauṭilya.

Dabei ist die Bindung durch Vertrag Friede, Zufügung von Schaden Krieg, ruhiges Zusehen Abwarten, Erstarkung und Erhebung Losmarschieren auf den Feind, sich einem anderen Hingeben Schutzsuchen. Die Hand auf beiden: Krieg und Frieden halten ist Doppelspiel.2

Wird er schwächer als der Feind, dann schließe er einen Friedensvertrag. Erstarkt er und erhebt sich höher, dann erkläre er Krieg. Sieht er (wenn der Krieg erklärt ist): »Weder kann der Feind mich niederschlagen, noch ich ihn,« dann warte er ab. Hat er das Übergewicht an den nötigen Dingen,3 dann rücke er gegen (den Feind) vor. Ist er geringer an Macht, so suche er eine Stütze. Kann das Werk nur mit Hilfe eines Genossen ausgeführt werden, dann mache er sich an das Doppelspiel.4

Dies ist die Begriffsbestimmung der sechs Verfahrensarten.

Von diesen (sechs Verfahrensarten) gilt: Von welchem Verfahren auch immer er sieht: »Bei diesem verharrend werde ich meine eigenen Unternehmungen mit Festung, Bewässerungsanlagen, Ackerbau,5 Handel, Besiedelung von Ödland, Bergwerken, Nutz- und Elefantenwäldern fortführen und fördern und dieselben Unternehmungen des Feindes schädigen, zu dem Verfahren soll er greifen.«

»Sein Wachstum ist schneller. Mir wird größeres Wachstum zuteil werden oder etwas, was zu größerem Wachstum ausschlägt; das Gegenteil ist der Fall beim Wachstum des Feindes«. Wenn er dies erkennt, dann möge er bei des Feindes Wachstum ruhig zusehen.

Ist das Wachstum (auf beiden Seiten) ein solches, dass es die gleiche Zeit für das Zustandekommen der Früchte nötig hat, dann gehe er einen Friedensvertrag ein.

Oder, wenn er sehen sollte, dass durch sein Verharren in einem bestimmten Verfahren seine Unternehmungen geschädigt werden, nicht aber die des anderen, dann bleibe er nicht bei diesem Verfahren. Das heißt Abnahme. Wenn er aber da erkennt: »Im Laufe der Zeit werde ich weniger oder gar mit Zunahme dessen, was zu meinem Wachstum ausschlägt, abnehmen; gegenteilig verhält es sich mit dem Feind«A2, dann möge er ruhig seinem eigenen Abnehmen zusehen. Ist aber die Abnahme (auf beiden Seiten) eine solche, dass sie die gleiche Zeit für das Zustandekommen ihrer Früchte nötig hat, dann gehe er einen Friedensvertrag ein.

Sieht er aber, dass seine Unternehmungen, wenn er ein gewisses Verfahren einschlägt, weder fortschreiten noch zurückgehen, dann ist das Stillstand.

Hat er erkannt: »Auf eine kürzere Zeit oder mit einer größeren Zunahme dessen, was zu Wachstum ausschlägt, werde ich still stehen; das Gegenteil ist es beim Feind,« dann möge er bei seinem Stillstand ruhig zusehen. Braucht es beim Stillstand die gleiche Zeit (auf beiden Seiten), bis die Früchte zum Vorschein gekommen sind, dann möge er einen Friedensvertrag eingehen. So die Lehrer. Da gibt es kein Entweder-oder. So Kauṭilya.

Oder auch mag er dies sehen: »Bleibe ich beim Frieden, dann werde ich durch meine eigenen viel Gewinn bringenden Unternehmungen die Unternehmungen des Feindes schädigen, oder ich werde meine eigenen viel Gewinn bringenden Unternehmungen nutznießen oder sogar die des Feindes«. Oder (er mag sehen): »Unter dem Schütze des Vertrauens auf den Friedensvertrag werde ich durch schlaue Mittel, die Praktiken der Geheimlehre und die Spione die Unternehmungen des Feindes schädigen«. Oder: »Ich werde durch meine eigene Tätigkeit, bei der infolge der Erleichterung durch Unterstützung und Steuerbefreiung ein größerer Gewinn an Frucht der Arbeit winkt, bequem die Leute, auf welchen die Betreibung der Geschäfte des Feindes (d.h. des Ackerbaues, des Gewerbes und des Handels) ruht, zu mir herüberströmenA3 machen«. Oder: »Mit einem übermächtigen Starken verbündet, wird der Feind Schädigung seiner eigenen Unternehmungen erfahren«. Oder: »Ich werde seinen Krieg mit dem Gegner, dessen Feindseligkeiten ihn dazu bringen, mit mir den Friedensvertrag zu schließen, lange währen machen«. Oder: »So wird er das Land von jenem, der mit mir in Friedensvertrag lebt, mich aber hasst, drangsalieren«. Oder: »Vom Feinde geschädigt, wird sein Volk zu mir kommen; daher werde ich in meinen Unternehmungen einen Fortschritt erlangen«. Oder: »Weil die von ihm begonnenen UnternehmungenA4 misslingen und er sich in Not befindet, oder auch nur weil ihm von anderer Seite her Kriegsunternehmungen erwachsen sind,6 wird der andere (der Feind, mit dem ich den Friedensvertrag geschlossen habe) gegen meine Unternehmungen nicht kriegerisch vorgehen können, und durch diese beiden MöglichkeitenA5 werde ich, wenn ich im Frieden mit ihm lebe, bei meinen Unternehmungen eine Zunahme erfahren«. Oder: »Den mit meinem Feinde verbundenen Staatenkreis werde ich, wenn ich mit meinem Feinde einen Vertrag schließe, mit ihm veruneinigen; den veruneinigten (Feind oder Staatenkreis)A6 bekomme dann ich in die Hand«. Oder: »Ich werde durch Unterstützung mit Truppen mir den Feind günstig stimmen und dann, wenn er einen Staatenkreis in seine Gewalt zu bekommen sucht, Hass gegen ihn erwecken, und ist er dann verhasst geworden, ihn mit Hilfe eben dieses (Hasses oder Staatenkreises?) umbringen«. Wenn er solche Vorteile sieht, dann soll er durch den Frieden Zunahme erstreben.

Oder aber er mag sehen, dass sein Volk hauptsächlich aus Kriegern besteht, oder dass es hauptsächlich aus Verbänden (śreṇī) besteht, oder dass es durch Berg-, Wald- oder Flussfestungen oder durch ein einziges Zugangstor geschützt ist, und dass es deshalb (d.h. wegen der verschiedenen aufgeführten Umstände) den Angriff des Feindes wird abschlagen können. Oder (er mag sehen): »Auf meine uneinnehmbare (Burg) an der Landesgrenze gestützt (apāśrita), werde ich die Unternehmungen des Feindes schädigen können«. Oder: »Da des Feindes Tatkraft durch Laster und Landplagen schwer beeinträchtigt ist, so ist die Zeit über ihn gekommen, wo seine Unternehmungen geschädigt werden können«. Oder: »Da er von anderswoher in Krieg verwickelt ist, so werde ich sein Volk wegzulocken vermögen«. Wenn die Sache so steht, soll er durch Kriegserklärung Zunahme erstreben.

Oder aber er mag denken: »Der Feind ist nicht imstand, meine Unternehmungen lahm zu legen, noch ich seine Unternehmungen schwer zu treffen«. Oder: »Füge ich (im Kriege) ihm Unheil zu, dann geht es wie im Kampf zwischen Hund und Eber.«7 Oder: »Wenn ich einzig darauf bedacht bin, meine eigenen Unternehmungen auszuführen, werde ich Zunahme erfahren«. Wenn es so steht, dann erstrebe er durch Zuwarten im Lager die Zunahme.

Oder er mag denken: »Nur durch Losmarschieren auf den Feind ist die Schädigung seiner Unternehmungen zu bewerkstelligen, und ich habe meinerseits für den Schutz meiner eigenen Unternehmungen vorgesorgt«. In einem solchen Fall soll er durch Losmarschieren die Zunahme erstreben.

Oder wenn er denkt: »Ich bin nicht imstand, die Unternehmungen des Feindes zu schädigen, noch die Schädigung meiner Unternehmungen abzuwenden«, dann soll er, zum Schutz auf einen Stärkeren gelehnt,8 durch Ausführung seiner eigenen Unternehmungen (den Übergang) aus der Abnahme in den Stillstand und aus dem Stillstand in die Zunahme erhoffen.

Oder wenn er denken sollte: »Durch Frieden auf der einen Seite werde ich meine eigenen Unternehmungen fördern und durch Krieg auf der andern werde ich die Unternehmungen des Feindes schädigen«, dann soll er durch Doppelspiel Zunahme erstreben.

Indem er so mit diesen sechs Verfahrensarten in dem Kreise seiner Reichsfaktoren steht, möge er aus der Abnahme in den Stillstand und aus dem Stillstand in die Zunahme bei seinen Unternehmungen hinüberstreben.

Fußnoten

1 Im Grunde ist das noch nicht einfach genug. Mit Recht heißt es bei Kām. XI, 10: Der eigentliche (normale, richtige nyāyya) Zustand (guṇa), also das normale, richtige Verhalten des Politikers ist einzig und allein der Krieg, die anderen Zustände aber, wie Friedensvertrag usw., entspringen aus ihm (oder: die anderen aber sind Verhaltensformen, die aus dem Krieg entspringen).

2 Upādāna heißt bei Kauṭ. sonst Herbeiziehen, in Aktion treten lassen, Verwendung, Anwendung (340, 16; 342, 11; 376, 2; 398, 12). Danach wäre eine wörtlichere Übersetzung: »Beide, Krieg und Frieden, anwenden ist Doppelspiel«. Aber upādāna ist auch Mobilmachen eines Heeres. Also: »Krieg sowohl wie Frieden bereit halten ist Doppelspiel«. Über den Begriff des dvaidhībhāva (Doppelspiel) sind die altindischen Staatslehrer nicht einig. Wertlos ist die Lehre, die auch das Nītivākyāmṛta vertritt: »Dvaidhibhāva ist Frieden mit dem einen und Krieg mit dem anderen«. Da läge jeder halbwegs regelrechte König fast fortwährend im dvaidhībhāva. Und wodurch unterschiede sich dies Verfahren von anderen? Kām., der ebenfalls auf Kauṭ. fußt, aber auch andere Quellen benutzt und manchmal erheblich von seinem Meister abweicht, hat eine weit vernünftigere Begriffsbestimmung: »Ist der Fürst mitten zwischen zwei Starke eingeklemmt, dann gebe er in Worten sich selber beiden anheim, gehe aber nun mit dem Doppelspiel zu Werke, ganz unbemerkt, in Krähenaugenart (unbemerkbar nach beiden Seiten spähend)«. Das wäre im wesentlichen Kauṭ.'s daṇḍopanatavṛtti und ābalīyasa yoga, freilich mit dem Beisatz, dass es sich hier um ein Verhalten gegen zwei mächtige Feinde handelt. Daher hier wohl dvaidhībhāva Doppelheit, Doppelzustand. Obwohl die Lehre des Kām. nun nicht mit der des Kauṭ. stimmt, so könnte sie doch einen wertvollen Fingerzeig darstellen. 265, 5 sagt Kauṭ., wo die Alternative dvaidhībhāva oder saṃśraya offenstehe, da solle sich der Fürst für dvaidhībhāva entscheiden. Wir haben da also einen vom Feind bedrängten Herrscher vor uns. Soll, er sich hilfesuchend unter den Schutz und die Gewalt eines Stärkeren begeben oder das Doppelspiel üben? Ist ihm das Doppelspiel möglich, dann ja dieses! Denn dabei bleibt er unabhängig und kann seinen eigenen Interessen dienen, nicht aber im anderen Fall. So Kauṭ.'s Antwort. Weiter heißt es: »Kann sein Werk nur mit Hilfe eines Genossen ausgeführt werden, dann mache er sich an das Doppelspiel« (261, 18). Wer soll dieser Genosse sein oder werden? Sehr natürlicherweise oft einer seiner Feinde. Ferner: »Wenn er denken sollte: ›Durch Frieden auf der einen Seite werde ich meine eigenen Unternehmungen fördern und durch Krieg auf der anderen werde ich die Unternehmungen des Feindes schädigen‹, dann soll er das Doppelspiel üben« (264, 12ff.). Ähnlich 268, 3ff.: »Wenn er sieht, dass sein Werk einerseits durch ein Friedensverhältnis, andererseits durch Krieg glücklich zustande kommen wird, dann möge auch der Stärkere als Doppelspieler seinen Stand nehmen und bewahren.« Ekatas könnte zwar in diesen beiden Fällen »zu der einen Zeit« (bzw. »zu der anderen Zeit«) bedeuten, wird aber seinen gewöhnlichen Sinn haben. Auf jeden Fall dürfen wir hier wohl vor allem an Kām.'s König Krähenauge denken: Der von zwei oder auch noch mehr mächtigen Gegnern zugleich Angegriffene schließt Friede und Bündnis mit dem einen und wendet sich nun, gestützt von ihm, gegen den anderen (oder die anderen). Geht das nicht, dann flüchtet er sich unter den Schutz des einen von ihnen (265, 16ff.). Der locus classicus aber ist das 7. Kap. des vorliegenden Buchs. Danach ist dvaidhībhāva, wie dies Wort selber und unser »Doppelspiel« andeutet, etwa folgendes: Dem Fürsten kann es einerseits und zu einer gewissen Zeit nützlicher sein, Frieden zu halten oder zu schließen, ein Bündnis einzugehen oder aufrecht zu erhalten, andererseits oder zu anderer Zeit, den Vertrag oder den Frieden zu brechen. Bringt ihn also ein anderer Fürst auf irgendeine Art in eine Klemme, vor eine kitzlige Entscheidung u. dgl. mehr, dann erklärt er ihm den Krieg, falls er glaubt, er könne ihn besiegen. Sonst aber geht er einen Vertrag ein (oder: er hält den schon bestehenden aufrecht), sucht unter dem Schirm des Friedens oder des Bündnisses die Gelegenheit zu erspähen und fällt über seinen »Freund« her, sowie er dazu imstande ist, oder auch: bleibt sein Friedensgenoss, wenn ihm das vorteilhafter erscheint. Man beachte auch, dass der Doppelspieler ein »potenzieller Freund« ist (317, 13). Dann natürlich auch ein potenzieller Feind. Der Doppelspieler hat also beständig zwei Katzen im Sack: eine schmeichlerisch glatte, liebreich beleckende: die weiße Katze des Friedens und daneben die schwarze, teufelswilde: den Kater Krieg. Es ist nur eine Frage des Vorteils, welche er loslassen soll aus seinem diplomatischen Sack. Katzen aber sind beide. Ja, in ihrem nächtlich dunkeln Sack paaren sich Kieze und Kater. Und die Frucht der Verbindung? »Ruhm, Reichtum, Macht für mich werden sie heißen«. So denkt der yonipoṣaka, der politische Züchter von Vieh und Prostituierten. Manchmal hat er Recht, und sogar dem Teufel möchte es da grausen. Manchmal aber graust es ihm selber; so sehr hat er sich verrechnet. Was mir nun aber den dvaidhībhāva von dem sonstigen staatsmännischen Ränkespiel besonders zu unterscheiden scheint, ist dies, dass ein irgendwie in die Ecke getriebener dort sich zu solcher Wehr setzt. Dvaidhībhāva und saṃśraya bilden ja sogar ein Endweder-oder. Bei beiden handelt es sich da um einen Bedränger irgendwelcher Art, und die Frage entsteht, ob der Unbequeme durch das Spiel mit den zwei Kugeln Krieg und Frieden hingehalten werden soll, wobei der Gaukler seine Unabhängigkeit bewahren kann, oder ob diese geopfert werden muss. Aber wie VII, 7 durchweg zeigt, kann der Doppelspieler, hier jedoch ebenfalls ein vor eine Entscheidung gestellter, auch stärker sein als der andere. Kauṭ. ist ja kein Neuschöpfer, sondern ein reicher Erbe; ein mehr oder minder selbständiger Bearbeiter von Vorhandenem. In Betreff des Begriffes dvaidhībhāva fand er offenbar schon Verschiedenheit und Verwirrung vor.

3 Wörtl.: »In den Bestandteilen« (guṇa).

4 Heißt das: er gewinne den Feind als Genossen oder Verbündeten und falle dann bei günstiger Gelegenheit über ihn her? Oder: Er warte, bis er einen Genossen gewinnen kann und übe unterdessen das Doppelspiel? Oder: er mache sich einen unter seinen Angreifern zum Hilfsgesellen? Wohl all das, je nachdem.

5 Der für Indien allwichtige Ackerbau fehlt im Text und muss eingesetzt werden, sei es, dass man karṣa für karma liest, sei es dass man setukarma beibehält und karṣa oder kṛṣi dahinter einfügt. Siehe Kām. V, 77f.; Raghuv. XVI, 2.

6 Wörtlich: »Werkunternehmungen«. Da ihm ein anderer Feind viel zu schaffen macht, kann er dem Redenden nicht zu Leibe.

7 Wo beide, da sie etwa gleich stark sind, übel zugerichtet oder gar getötet werden und ein Dritter den Vorteil hat. Der Besitzer des Hundes, der Caṇḍāla, isst nämlich beide, wenn sie tot sind, oder isst doch den Hund und verkauft das Fleisch des Ebers. Es ist aber vielleicht kalaho zu lesen und die wörtl. Übersetzung diese: »Ein Unheil für ihn, eine Niederlage, die ich ihm beibringe, ist wie der Kampf des Hundes und des Wildebers«.

8 Lies balavattaram āśritaḥ. Dies ist wohl wahrscheinlicher als balavantam ā., die Lesart in Sham.'s 2. Ausg.

A1 Abnahme, Stillstand und Zunahme heißen auch trivarga nach Amara, zit. von Mall. zu Śiśup. II, 26, und so wird trivarga wirklich gebraucht in MBh. XII, 59, 31; 69, 66, 69; 118, 10. 

A2 Vgl. Kirāt. II, 8f.

A3 Ich lese: sānugrahaparihārasaukaryaphalalābhabhūyastvena. Nach dem Text hieße es: »Ich werde die Leute, auf denen ... nachdem ich sie mit Gnaden, Steuerbefreiungen und Arbeitserleichterung ausgestattet habe, infolge des größeren Gewinnes an Frucht (der Tätigkeit) durch mein eigenes Wirken zu mir herüberziehen.« Da ist saukarya in bedenkenerregender Weise gebraucht. Gaṇ. hat karmaṇāṃ statt karmaṇā »infolge des größeren Gewinnes an Frucht bei meinen Unternehmungen«. Sonst liest er wie Sham.

A4 Oder: ... »misslingen, wird er sich an einen festen Ort zurückziehen (viṣamastha) ... nicht kriegerisch vorgehen können«?

A5 Statt: »und durch diese beiden Möglichkeiten« vielleicht doch besser: »und mit diesen beiden im Friedensverhältnis stehend«.

A6 Brauchbares über das Doppelspiel bietet auch Nītiv. 116, 4; 117, 4–5; Mall. zu Śiśup. II, 26 und bes. Śukran. IV, 7, 581ff.: »Wenn der Fürst ungewiss ist in bezug auf die Mittel und auf das, was zu tun ist, soll er, indem er sich nach den Zeitumständen richtet, nach dem Doppelspiel verfahren, indem er wie ein Krähenauge unbemerkt (nach beiden Seiten schaut). Oder auch: er stelle sich, als unternehme er das eine Werk, mache sich aber an das andere« (vor allem natürlich: er tue, als übe er das Friedenswerk, bereite aber den Krieg vor)."

[Quelle: Kauṭilya: Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben : das Arthaśāstra des Kauṭilya / [aus dem Sanskrit übersetzt und mit Einleitung und Anmerkungen versehen von] Johann Jakob Meyer [1870-1939]. -- Leipzig, 1926. -- Digitale Ausgabe in: Asiatische Philosophie. -- 1 CD-ROM. -- Berlin: Directmedia, 2003. -- (Digitale Bibliothek ; 94). -- S. 406 - 411.]


2.141.45. Macht


19a./b. ṣaḍ guṇā: śaktayas tisraḥ prabhāvotsāha-mantrajāḥ

षड् गुणाः शक्तयस् तिस्रः प्रभावोत्साह-मन्त्रजाः ।१९ क।

Die drei Arten der Macht (शक्ति - śakti f.: Kraft, Macht, Potenz) stammen von:

  1. प्रभाव - prabhāva m.: Majestät, Autorität, Herrschermacht
  2. उत्साह - utsāha m.: Entschluss, Entschlossenheit
  3. मन्त्रज - mantra n.: Rat, Beratung

Colebrooke (1807): "Power. Of three sorts ; as resulting from majesty, perseverance and counsel."


"Möglichkeit (Macht) [śakti] ist Kraft, das wirkliche Zustandekommen (das Gelingen, siddhi) ist Glück.

Möglichkeit oder Macht ist dreifach: die Geisteskraft (jñānabala) ist die Macht des weisen Rates; die Kraft des Schatzes und des Heeres ist die Herrschermacht; die Kraft heldenmütiger Tätigkeit (vikramabala) ist die Macht der Energie (utsāhaśakti).18"

18 Besser deutsch: »Das Macht- oder Verwirklichungsmittel ist dreifach: in der Geisteskraft besteht das Machtmittel des Rates, in der Kraft des Schatzes und des Heeres das Machtmittel des Herrschers, in der Kraft der kriegerischen Tätigkeit das Machtmittel der Tatkraft.«

[Quelle: Kauṭilya: Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben : das Arthaśāstra des Kauṭilya / [aus dem Sanskrit übersetzt und mit Einleitung und Anmerkungen versehen von] Johann Jakob Meyer [1870-1939]. -- Leipzig, 1926. -- Digitale Ausgabe in: Asiatische Philosophie. -- 1 CD-ROM. -- Berlin: Directmedia, 2003. -- (Digitale Bibliothek ; 94). -- S. 404]

"Neuntes Buch. Die Tätigkeit dessen, der in den Kampf ziehen will. Erstes Kapitel (135. und 136. Gegenstand). Erforschung der relativen Stärke und Schwäche in bezug auf die »Kräfte« [śakti], den Ort und die Zeit, und die Zeit in den Kampf zu ziehen.

Nachdem der Siegverlangende (der »Eroberer«) seine eigene und des Feindes Stärke und Schwäche in bezug auf die »Kräfte« [śakti], auf den Ort, auf Zeit,1 auf die Zeit des Auszuges, auf die Zeit der Truppenaushebung, auf hinten zurückbleibende Unruhen, auf Verlust und Ausgaben, auf Gewinn und auf unglückliche Ereignisse2 erforscht hat, ziehe er, falls er an Stärke überlegen ist, in den Kampf. Sonst warte er zu.A1

»Von den zwei (Kräften): Tatkraft und Herrschermacht3 ist die Tatkraft wichtiger. Denn wenn der König selber ein Held ist, kraftvoll, gesund, waffengeübt, so vermag er, sogar nur von seinem Heer unterstützt,4 einen Fürsten von großer Herrschermacht zu besiegen, und auch sein kleines Heer führt vermöge seiner Feuerkraft die Aufgabe aus. Der König aber, der wohl Herrschermacht, aber keine Tatkraft besitzt, geht zugrunde, wenn er von Heldenkraft angefallen wird«. So die Lehrer.

Nein, also Kauṭilya. Der mit Herrschermacht ausgestattete König übermeistert den tatkräftigen, indem er einen anderen König, der jenem überlegen ist, an sich zieht, sich heldengewaltige Männer holt oder kauft; und sein Heer, das infolge seiner reichen Herrschermacht mit Pferden, Elefanten, Wagen und Kampfmitteln vollständig ausgerüstet ist,5 zieht überall unwiderstehlich dahin. Und nachdem sie als Herrschermachtgewaltige die Tatkraftgewaltigen6 besiegt und erkauft hatten, »haben Frauen, Kinder, Lahme und Blinde die Erde erobert«.

»Von den zweien: Herrschermacht und Rat ist die Herrschermacht wichtiger. Denn der mit der Kraft des Rats Ausgestattete besitzt nur eine unfruchtbare Klugheit, wenn ihm nicht Herrschermacht eigen ist; und seine noch so fest gefassten weisen Ratschlüsse muss der Herrschermachtlose wieder von sich speien wie das nicht schwängerbare Weib die Befruchtung«.7 So die Lehrer.

Nein, also Kauṭilya. Die Kraft des Rates ist wichtiger. Denn der König, der die Augen der Einsicht und des Lehrbuchs (der politischen Wissenschaft) hat,8 der ist imstande, auch mit geringer Mühe klugen Rat zu finden und anzuwenden und die andern, die mit Tatkraft und Herrschermacht ausgestattet sind, durch Freundlichkeit und die übrigen politischen Verfahrensarten, sowie durch listige Veranstaltungen (yoga) und die Mittel der Geheimlehre zu übermeistern. Und so ist der im Vorteil, der je in der nachfolgenden unter den Kräften: Tatkraft, Herrschermacht und Rat den anderen überragt.9

Der Ort ist die Erde. Auf ihr ist das Gebiet des Kaisers (cakravartin), (in seiner nach) aufwärts (gestreckten Länge) eingefasst vom Himālaja und vom Meer, in die Quere tausend Yojana messend.10 Dabei gibt es diese verschiedenen Teile: der Waldwildnis angehöriges, dörfliches (d.h. in Kulturland bestehenden), gebirgiges,11 wasservolles, aus höher gelegenem Land bestehendes (bhauma), ebenes, unebenes Gelände. In diesen (verschiedenen Arten von Gelände) führe er sein Werk so, dass es das Gedeihen seines eigenen Heeres bewirkt. Wo für die Kraftbetätigung seines eigenen Heeres günstiges Gelände, ungünstiges Gelände für den Feind ist, das heißt der beste Ort, der gegenteilige der schlechte; der, der für beide gleich gut ist, heißt der mittelmäßige.

Die Zeit besteht aus der kalten, der heißen und der Regenzeit. Ihre Einzelteile sind: Nacht, Tag, Halbmonat, Monat, Jahreszeit, Sonnenwende (Halbjahr), Jahr und yuga (von fünf Jahren). In diesen (Zeiten) führe er sein Werk so, dass es das Gedeihen seines eigenen Heeres bewirkt. Wann für die Kraftbetätigungen seines eigenen Heeres die Jahreszeit günstig ist, ungünstig aber für den Feind, das ist die beste Zeit; die gegenteilige die schlechteste. Die, die für beide gleich gut ist, heißt die mittelmäßige.

»Unter den dreien: Kraft (des Rats, der Königsmacht und der Tatkraft), Ort und Zeit ist die Kraft am wichtigsten«. So die Lehrer. »Denn der mit den Kräften Begabte ist imstande zu Gegenmaßregeln, sei der Ort nun voll Niederungen oder voll hochgelegener Strecken, sei die Zeit nun die kalte, heiße oder regnerische«.

[...]

Fußnoten

1 In sprachlicher Hinsicht wäre am natürlichsten: »auf den richtigen Ort und die richtige Zeit (für die Betätigung) der (drei) Kräfte«. Es mag ja z.B. einer stark sein an »Kraft des Rats« aber nicht an »Kraft der Herrschermacht«. Da soll er zusehen, ob Ort und Zeit für seine »Kraft« besonders günstig ist. Aber schon die Überschrift und noch mehr der Inhalt des Kapitels selber verbietet diese Auffassung.

2 Gewinn ist natürlich vor allem Sieg in der Schlacht, aber keineswegs nur dieser; denn dass der Sieg oft kein Gewinn ist, das hat niemand so klar erkannt wie die alten Inder. Unglückliches Ereignis könnte Niederlagen bezeichnen, sowie deren Folgen, doch auch andere widrige Dinge oder »Missstände« (vyasana). Der Eroberungslüsterne sollte also auch sicher sein, dass er solche Schicksalsschläge werde aushalten können. Aber das 5. Kap. (der 141. Gegenstand) wird lehren, dass an Verschwörungen daheim gedacht ist.

3 Die »Kräfte« (śakti) sind also: kluger Rat (mantra), Willens- und Wirkenskraft (utsāha) und prabhāva, das man am füglichsten mit Herrschermacht übersetzen kann, das aber besonders den Reichtum des Fürsten bedeutet. Dieser ist ja auch in der deutschen Vorzeit und in anderen Ländern sehr wichtig für den König. Die Begriffsbestimmung der drei hat Kauṭ. im 2. Kap. des 6. Buchs gegeben (259, 15f.).

4 Auch ohne Herrschermacht. Sein Heer kann da natürlich nur klein sein. Die Streitfrage dreht sich ja nur um das gegenseitige Gewichtsverhältnis von utsāha und prabhāva. Vielleicht aber sollte man dennoch 'daṇḍadvitīyo lesen: »sogar ohne dass ihm eine Streitmacht zur Seite stünde,« wohl eine irgendwie nennenswerte. Denn erstens gehört nach Kauṭ.'s eigener Definition (259, 15f.) das Heer zur Herrschermacht. Zweitens begünstigt Kām. XVIII 44 diesen Sinn. Drittens träte so die Macht des utsāha noch mehr hervor.

5 Oder: »sein Heer, das mit gewaltigem Reichtum, Pferden, Elefanten, Streitwagen und Kampfwerkzeugen vollständig ausgerüstet ist«.

6 Lies utsāhavataś.

7 Avṛshṭi wörtl. »regenlos, eine, für die die Beregnung nicht da ist, die sie nicht annimmt«. So also nach Sham.s Text, der einen vorzüglichen Sinn gibt. Aber etwas sonderbar klingt der Ausdruck doch, obwohl ja »beregnen« und »Samen ergießen, schwängern« für den Inder zusammenfällt. B nun liest ivopahanti statt ivodvamati. Das ergibt: »denn sein Mangel an Herrschermacht vernichtet das Werk, das sein weiser Rat festgelegt hat (seine festgefassten Ratschlüsse), wie Mangel an Regen das Getreide, wenn es im Zustand der Körnerbildung ist (wenn es ›schosst‹)«. Sogar bei uns ist Regen da wichtig. Im 24. Kap. des 2. Buchs (S. 116, 5) haben wir gehört, dass die Schwängerung oder Befruchtung der Bodenkulturen (garbhādhāna) von dem Planeten Jupiter oder von Wetterverhältnissen, auf die dieser einen Einfluss haben soll, abhänge. Die von Gaṇ. dort angeführten Wetterverse berühren nun einzig die sechs Monate von Mārgaśīrsha (Nov. – Dez.) bis Vaiśakha (April -Mai), also eine zum Teil recht trockene Zeit, wenn auch die ganz heiße, der Grīshma, erst nach dem Vaiśākha einsetzt. Aber in jener Wetterregel werden neben Wind, Wolken usw. auch mehrfach die Niederschläge, namentlich der Regen, aufgeführt unter den Erfordernissen für die »Schwängerung« der Ackerpflanzen. Folglich muss vṛṣṭi hier den Regen im eminenten Sinn, d.h. den Monsunregen bezeichnen. Wird also der Boden nicht ordentlich von diesem durchtränkt, so hilft alles nichts. Aber mantra ist = garbhādhāna, prabhāva = vṛṣṭi. Der weise Rat nun kommt zuerst; er plant das Werk. Die Herrschermacht muss es zur Ausführung bringen. So müsste also dann wohl genauer übersetzt werden: »schädigt die (schon glücklich erfolgte) Befruchtung«. Nun aber werden auch die für die »Schwängerung« günstigsten Verhältnisse eine solche nicht herbeiführen können, wenn die Niederschläge der Regenzeit nicht erfolgt sind. Mithin wird man die Sache so auffassen müssen: Als erste Grundlage muss die Herrschermacht da sein. Sonst wird der weise Rat oder die »Schwängerung« von vornherein unmöglich gemacht. Mit upahanti läuft in dieser Hinsicht alles glatt. Nur bedeutet halt upahanmi auch bei Kauṭ. (etwas schon Vorhandenes) schädigen usw. Für verhindern, vereiteln gebraucht auch er vihanmi. Freilich könnte man ja upahanmi »beeinträchtigen« so verstehen, dass eben dann der »Rat« seine Sache nur unvollkommen auszuführen vermöge. Aber die »Lehrer« sagen ja, der Rat sei in diesem Falle ganz unfruchtbar. Sodann: Fehlts auch am Regen zur Schoßenszeit, so gibt es dennoch eine Ernte, obgleich eine schlechtere, besonders wenn die künstliche Bewässerung so geübt wird wie auch in Indien das Arthaśāstra. Bei einem unfruchtbaren Weibe ist rein alle Mühe verloren. Wegen der erwähnten Schwierigkeit und weil bei der Übersetzung im Text das Gleichnis noch weit besser passt als im anderen Fall, habe ich sie, vorderhand wenigstens, stehen lassen. Ob freilich ein garbhādhānya »Schwängerung« richtig ist, fragt sich ebenfalls. So wirds am Ende bei der Übersetzung in dieser Anm. bleiben müssen. Garbhadhānya also: das schoßende Getreide.A6

8 Sein eines Auge wäre da der kluge Geist (prajña), sein anderes die Staatskunde. Gewöhnlich erscheint nur diese als Auge. Aber man wird kaum übersetzen dürfen: »der das Auge des Klugheitslehrbuches hat«. Immerhin sprechen dafür Stellen wie 304, 18; 309, 16.

9 Also wer geschickt ist im »Rat«, der übermeistert den Herrschermachtgewaltigen (und natürlich auch den Tatkräftigen) und der Herrschermachtgewaltige den Tatkräftigen.

10 Udīcīna »nach aufwärts gewendet«, gewöhnlich also »nördlich«. Ich lese tiryak statt atiryak.

11 Ich lese pārvata statt pāta und finde nachträglich diese Variante auch in der zweiten Textausg. des Sham.

A6 Vgl. da auch garbhaśāli »der im Schoß der Fruchthülle wachsende und reifende Reis« (Raghuv. XVII, 53). Da auch Gaṇ. upahanti hat, so wird um so sicherer die Übers. in der Anm. richtig sein."

[Quelle: Kauṭilya: Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben : das Arthaśāstra des Kauṭilya / [aus dem Sanskrit übersetzt und mit Einleitung und Anmerkungen versehen von] Johann Jakob Meyer [1870-1939]. -- Leipzig, 1926. -- Digitale Ausgabe in: Asiatische Philosophie. -- 1 CD-ROM. -- Berlin: Directmedia, 2003. -- (Digitale Bibliothek ; 94). -- S. 521 - 524.]

"An important doctrine of the writers on Arthaśāstra is more or less based on the necessity of utsāha, viz. the doctrine of three śaktis, i. e. of utsāha, prahhu ( or prabhāva) and mantra. These three occur in the Mahābhārata (Āśramavāsika 7. 6 ). The S. V. p. 46 quotes a sūtra of Gautama (not found in the printed Dh. S.) ' the three śaktis, viz. prabhu, mantra and utsāha are based on that (kośa) '. In VI. 2 Kauṭilya defines mantra-śakti as the power of the knowledge ( of statecraft), prabhuśakti as the power of treasury and army and utsāhaśakti as the force of the king's bravery. Kauṭilya (IX. 1) holds a discussion about the relative superiority of these three and gives it as his opinion (as against that of the ācāryas ) that prabhuśakti is superior to utsāhaśakti and that mantraśakti is superior to prabhuśakti. Kām. XV. 32 defines the three thus : 'the employment of the proper line of policy out of the six upāyas (sandhi, vigraha &c.) is called mantraśakti; a full treasury and army constitute prabhuśakti and activity of the strong is called utsāhaśakti; the king possessed of all these three becomes the conqueror.' The Nītivākyāmṛta ( ṣāḍguṇyasamuddeśa ) p. 322 defines them in the same way. According to the Daśakumāracarita VIII the goal (or purpose) of a king is determined by mantra (consultation with ministers about policy ), commencement of actions ( for securing the goal) is due to prabhāva and the successful termination of undertakings is brought about by energy. The Paraśurāmapratāpa (folio 15a) quotes a verse which defines 'prabhuśakti' differently viz. as the power to command. Vide also Agnipurāṇa 241. 1, Mānasollāsa II. 8-10 pp. 91-94. Kām. ( XIII. 41-58 ) brings together the numerous activities of the king."

[Quelle: Kane, Pandurang Vaman <1880 - 1972>: History of Dharmaśāstra : (ancient and mediaeval, religious and civil law). -- Poona : Bhandarkar Oriental Research Institute. -- Vol. IV. -- 2. ed. -- 1973. -- S. 170f.]


2.141.46. Dreiergruppe der Staatsentwicklung


19c./d. kṣayaḥ sthānaṃ ca vṛddhiś ca trivargo nītivedinām

क्षयः स्थानं च वृद्धिश् च त्रिवर्गो नीतिवेदिनाम् ॥१९ ख॥

Der त्रिवर्ग - trivarga m.: Dreiergruppe, der Kenner der Staatskunst (nīti f.) ist:

  • क्षय - kṣaya m.: Abnahme, Verlust
  • स्थान - sthāna n.: Stillstand
  • वृद्धि - vṛddhi f.: Zunahme, Wachstum

Colebrooke (1807): "Threefold object. Loss. evenness and gain : or disappointment, continuance of the same state, and success : or else expenditure, equality and profit."


क्षय - kṣaya m.: Abnahme, Verlust


Abb.: Indien 1765 Abb.: Indien 1805
Abb.: क्षयः । Zerfall des Moghul-Reichs und des Reichs des Nizams (rot: Territorium der britischen East India Company: वृद्धिः)

Bildquelle: Wikipedia. -- Public domain


वृद्धि - vṛddhi f.: Zunahme, Wachstum


The approximate extent of the Magadha state in the 5th century BCE. The Nanda Empire at its greatest extent under Dhana Nanda circa 323 BCE. The Maurya Empire when it was first founded by Chandragupta Maurya circa 320 BCE, after conquering the Nanda Empire when he was only about 20 years old. Chandragupta extended the borders of the Maurya Empire towards Seleucid Persia after defeating Seleucus circa 305 BCE.[8] Chandragupta extended the borders of the empire southward into the Deccan Plateau circa 300 BC.[9] Ashoka the Great extended into Kalinga during the Kalinga War circa 265 BCE, and established superiority over the southern kingdoms.

वृद्धिः । Wachstum des Maurya-Reichs.

Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Maurya_empire. -- Zugriff am 2011-04-06.
Bildquelle: Deepak gupta / Wikipedia. -- Public domain.


"Siebentes Buch. Das sechsfache Verfahren. Erstes Kapitel (98–99. Gegenstand). Summarische Angabe des sechsfachen Verfahrens. Entscheidung darüber, ob Abnahme, Stillstand oder Zunahme am Platze sei.A1

Die Quelle des sechsfachen Verfahrens ist der Kreis der Reichsfaktoren. Frieden, Krieg, Abwarten, auf den Feind Losmarschieren, Schutzsuchen und Doppelspiel, das ist das sechsfache Verfahren. So die Lehrer.

»Es gibt nur ein zweifaches Verfahren.« So Vātavyādhi. »Denn aus Krieg und Frieden entspringt das (ganze) sechsfache Verfahren.«1

Es liegt hier doch ein sechsfaches Verfahren vor wegen der Verschiedenheit der Zustände. So Kauṭilya.

Dabei ist die Bindung durch Vertrag Friede, Zufügung von Schaden Krieg, ruhiges Zusehen Abwarten, Erstarkung und Erhebung Losmarschieren auf den Feind, sich einem anderen Hingeben Schutzsuchen. Die Hand auf beiden: Krieg und Frieden halten ist Doppelspiel.2

Wird er schwächer als der Feind, dann schließe er einen Friedensvertrag. Erstarkt er und erhebt sich höher, dann erkläre er Krieg. Sieht er (wenn der Krieg erklärt ist): »Weder kann der Feind mich niederschlagen, noch ich ihn,« dann warte er ab. Hat er das Übergewicht an den nötigen Dingen,3 dann rücke er gegen (den Feind) vor. Ist er geringer an Macht, so suche er eine Stütze. Kann das Werk nur mit Hilfe eines Genossen ausgeführt werden, dann mache er sich an das Doppelspiel.4

Dies ist die Begriffsbestimmung der sechs Verfahrensarten.

Von diesen (sechs Verfahrensarten) gilt: Von welchem Verfahren auch immer er sieht: »Bei diesem verharrend werde ich meine eigenen Unternehmungen mit Festung, Bewässerungsanlagen, Ackerbau,5 Handel, Besiedelung von Ödland, Bergwerken, Nutz- und Elefantenwäldern fortführen und fördern und dieselben Unternehmungen des Feindes schädigen, zu dem Verfahren soll er greifen.«

»Sein Wachstum ist schneller. Mir wird größeres Wachstum zuteil werden oder etwas, was zu größerem Wachstum ausschlägt; das Gegenteil ist der Fall beim Wachstum des Feindes«. Wenn er dies erkennt, dann möge er bei des Feindes Wachstum ruhig zusehen.

Ist das Wachstum (auf beiden Seiten) ein solches, dass es die gleiche Zeit für das Zustandekommen der Früchte nötig hat, dann gehe er einen Friedensvertrag ein.

Oder, wenn er sehen sollte, dass durch sein Verharren in einem bestimmten Verfahren seine Unternehmungen geschädigt werden, nicht aber die des anderen, dann bleibe er nicht bei diesem Verfahren. Das heißt Abnahme. Wenn er aber da erkennt: »Im Laufe der Zeit werde ich weniger oder gar mit Zunahme dessen, was zu meinem Wachstum ausschlägt, abnehmen; gegenteilig verhält es sich mit dem Feind«A2, dann möge er ruhig seinem eigenen Abnehmen zusehen. Ist aber die Abnahme (auf beiden Seiten) eine solche, dass sie die gleiche Zeit für das Zustandekommen ihrer Früchte nötig hat, dann gehe er einen Friedensvertrag ein.

Sieht er aber, dass seine Unternehmungen, wenn er ein gewisses Verfahren einschlägt, weder fortschreiten noch zurückgehen, dann ist das Stillstand.

Hat er erkannt: »Auf eine kürzere Zeit oder mit einer größeren Zunahme dessen, was zu Wachstum ausschlägt, werde ich still stehen; das Gegenteil ist es beim Feind,« dann möge er bei seinem Stillstand ruhig zusehen. Braucht es beim Stillstand die gleiche Zeit (auf beiden Seiten), bis die Früchte zum Vorschein gekommen sind, dann möge er einen Friedensvertrag eingehen. So die Lehrer. Da gibt es kein Entweder-oder. So Kauṭilya.

Oder auch mag er dies sehen: »Bleibe ich beim Frieden, dann werde ich durch meine eigenen viel Gewinn bringenden Unternehmungen die Unternehmungen des Feindes schädigen, oder ich werde meine eigenen viel Gewinn bringenden Unternehmungen nutznießen oder sogar die des Feindes«. Oder (er mag sehen): »Unter dem Schütze des Vertrauens auf den Friedensvertrag werde ich durch schlaue Mittel, die Praktiken der Geheimlehre und die Spione die Unternehmungen des Feindes schädigen«. Oder: »Ich werde durch meine eigene Tätigkeit, bei der infolge der Erleichterung durch Unterstützung und Steuerbefreiung ein größerer Gewinn an Frucht der Arbeit winkt, bequem die Leute, auf welchen die Betreibung der Geschäfte des Feindes (d.h. des Ackerbaues, des Gewerbes und des Handels) ruht, zu mir herüberströmenA3 machen«. Oder: »Mit einem übermächtigen Starken verbündet, wird der Feind Schädigung seiner eigenen Unternehmungen erfahren«. Oder: »Ich werde seinen Krieg mit dem Gegner, dessen Feindseligkeiten ihn dazu bringen, mit mir den Friedensvertrag zu schließen, lange währen machen«. Oder: »So wird er das Land von jenem, der mit mir in Friedensvertrag lebt, mich aber hasst, drangsalieren«. Oder: »Vom Feinde geschädigt, wird sein Volk zu mir kommen; daher werde ich in meinen Unternehmungen einen Fortschritt erlangen«. Oder: »Weil die von ihm begonnenen UnternehmungenA4 misslingen und er sich in Not befindet, oder auch nur weil ihm von anderer Seite her Kriegsunternehmungen erwachsen sind,6 wird der andere (der Feind, mit dem ich den Friedensvertrag geschlossen habe) gegen meine Unternehmungen nicht kriegerisch vorgehen können, und durch diese beiden MöglichkeitenA5 werde ich, wenn ich im Frieden mit ihm lebe, bei meinen Unternehmungen eine Zunahme erfahren«. Oder: »Den mit meinem Feinde verbundenen Staatenkreis werde ich, wenn ich mit meinem Feinde einen Vertrag schließe, mit ihm veruneinigen; den veruneinigten (Feind oder Staatenkreis)A6 bekomme dann ich in die Hand«. Oder: »Ich werde durch Unterstützung mit Truppen mir den Feind günstig stimmen und dann, wenn er einen Staatenkreis in seine Gewalt zu bekommen sucht, Hass gegen ihn erwecken, und ist er dann verhasst geworden, ihn mit Hilfe eben dieses (Hasses oder Staatenkreises?) umbringen«. Wenn er solche Vorteile sieht, dann soll er durch den Frieden Zunahme erstreben.

Oder aber er mag sehen, dass sein Volk hauptsächlich aus Kriegern besteht, oder dass es hauptsächlich aus Verbänden (śreṇī) besteht, oder dass es durch Berg-, Wald- oder Flussfestungen oder durch ein einziges Zugangstor geschützt ist, und dass es deshalb (d.h. wegen der verschiedenen aufgeführten Umstände) den Angriff des Feindes wird abschlagen können. Oder (er mag sehen): »Auf meine uneinnehmbare (Burg) an der Landesgrenze gestützt (apāśrita), werde ich die Unternehmungen des Feindes schädigen können«. Oder: »Da des Feindes Tatkraft durch Laster und Landplagen schwer beeinträchtigt ist, so ist die Zeit über ihn gekommen, wo seine Unternehmungen geschädigt werden können«. Oder: »Da er von anderswoher in Krieg verwickelt ist, so werde ich sein Volk wegzulocken vermögen«. Wenn die Sache so steht, soll er durch Kriegserklärung Zunahme erstreben.

Oder aber er mag denken: »Der Feind ist nicht imstand, meine Unternehmungen lahm zu legen, noch ich seine Unternehmungen schwer zu treffen«. Oder: »Füge ich (im Kriege) ihm Unheil zu, dann geht es wie im Kampf zwischen Hund und Eber.«7 Oder: »Wenn ich einzig darauf bedacht bin, meine eigenen Unternehmungen auszuführen, werde ich Zunahme erfahren«. Wenn es so steht, dann erstrebe er durch Zuwarten im Lager die Zunahme. Oder er mag denken: »Nur durch Losmarschieren auf den Feind ist die Schädigung seiner Unternehmungen zu bewerkstelligen, und ich habe meinerseits für den Schutz meiner eigenen Unternehmungen vorgesorgt«. In einem solchen Fall soll er durch Losmarschieren die Zunahme erstreben.

Oder wenn er denkt: »Ich bin nicht imstand, die Unternehmungen des Feindes zu schädigen, noch die Schädigung meiner Unternehmungen abzuwenden«, dann soll er, zum Schutz auf einen Stärkeren gelehnt,8 durch Ausführung seiner eigenen Unternehmungen (den Übergang) aus der Abnahme in den Stillstand und aus dem Stillstand in die Zunahme erhoffen.

Oder wenn er denken sollte: »Durch Frieden auf der einen Seite werde ich meine eigenen Unternehmungen fördern und durch Krieg auf der andern werde ich die Unternehmungen des Feindes schädigen«, dann soll er durch Doppelspiel Zunahme erstreben.

Indem er so mit diesen sechs Verfahrensarten in dem Kreise seiner Reichsfaktoren steht, möge er aus der Abnahme in den Stillstand und aus dem Stillstand in die Zunahme bei seinen Unternehmungen hinüberstreben.

Fußnoten

1 Im Grunde ist das noch nicht einfach genug. Mit Recht heißt es bei Kām. XI, 10: Der eigentliche (normale, richtige nyāyya) Zustand (guṇa), also das normale, richtige Verhalten des Politikers ist einzig und allein der Krieg, die anderen Zustände aber, wie Friedensvertrag usw., entspringen aus ihm (oder: die anderen aber sind Verhaltensformen, die aus dem Krieg entspringen).

2 Upādāna heißt bei Kauṭ. sonst Herbeiziehen, in Aktion treten lassen, Verwendung, Anwendung (340, 16; 342, 11; 376, 2; 398, 12). Danach wäre eine wörtlichere Übersetzung: »Beide, Krieg und Frieden, anwenden ist Doppelspiel«. Aber upādāna ist auch Mobilmachen eines Heeres. Also: »Krieg sowohl wie Frieden bereit halten ist Doppelspiel«. Über den Begriff des dvaidhībhāva (Doppelspiel) sind die altindischen Staatslehrer nicht einig. Wertlos ist die Lehre, die auch das Nītivākyāmṛta vertritt: »Dvaidhibhāva ist Frieden mit dem einen und Krieg mit dem anderen«. Da läge jeder halbwegs regelrechte König fast fortwährend im dvaidhībhāva. Und wodurch unterschiede sich dies Verfahren von anderen? Kām., der ebenfalls auf Kauṭ. fußt, aber auch andere Quellen benutzt und manchmal erheblich von seinem Meister abweicht, hat eine weit vernünftigere Begriffsbestimmung: »Ist der Fürst mitten zwischen zwei Starke eingeklemmt, dann gebe er in Worten sich selber beiden anheim, gehe aber nun mit dem Doppelspiel zu Werke, ganz unbemerkt, in Krähenaugenart (unbemerkbar nach beiden Seiten spähend)«. Das wäre im wesentlichen Kauṭ.'s daṇḍopanatavṛtti und ābalīyasa yoga, freilich mit dem Beisatz, dass es sich hier um ein Verhalten gegen zwei mächtige Feinde handelt. Daher hier wohl dvaidhībhāva Doppelheit, Doppelzustand. Obwohl die Lehre des Kām. nun nicht mit der des Kauṭ. stimmt, so könnte sie doch einen wertvollen Fingerzeig darstellen. 265, 5 sagt Kauṭ., wo die Alternative dvaidhībhāva oder saṃśraya offenstehe, da solle sich der Fürst für dvaidhībhāva entscheiden. Wir haben da also einen vom Feind bedrängten Herrscher vor uns. Soll, er sich hilfesuchend unter den Schutz und die Gewalt eines Stärkeren begeben oder das Doppelspiel üben? Ist ihm das Doppelspiel möglich, dann ja dieses! Denn dabei bleibt er unabhängig und kann seinen eigenen Interessen dienen, nicht aber im anderen Fall. So Kauṭ.'s Antwort. Weiter heißt es: »Kann sein Werk nur mit Hilfe eines Genossen ausgeführt werden, dann mache er sich an das Doppelspiel« (261, 18). Wer soll dieser Genosse sein oder werden? Sehr natürlicherweise oft einer seiner Feinde. Ferner: »Wenn er denken sollte: ›Durch Frieden auf der einen Seite werde ich meine eigenen Unternehmungen fördern und durch Krieg auf der anderen werde ich die Unternehmungen des Feindes schädigen‹, dann soll er das Doppelspiel üben« (264, 12ff.). Ähnlich 268, 3ff.: »Wenn er sieht, dass sein Werk einerseits durch ein Friedensverhältnis, andererseits durch Krieg glücklich zustande kommen wird, dann möge auch der Stärkere als Doppelspieler seinen Stand nehmen und bewahren.« Ekatas könnte zwar in diesen beiden Fällen »zu der einen Zeit« (bzw. »zu der anderen Zeit«) bedeuten, wird aber seinen gewöhnlichen Sinn haben. Auf jeden Fall dürfen wir hier wohl vor allem an Kām.'s König Krähenauge denken: Der von zwei oder auch noch mehr mächtigen Gegnern zugleich Angegriffene schließt Friede und Bündnis mit dem einen und wendet sich nun, gestützt von ihm, gegen den anderen (oder die anderen). Geht das nicht, dann flüchtet er sich unter den Schutz des einen von ihnen (265, 16ff.). Der locus classicus aber ist das 7. Kap. des vorliegenden Buchs. Danach ist dvaidhībhāva, wie dies Wort selber und unser »Doppelspiel« andeutet, etwa folgendes: Dem Fürsten kann es einerseits und zu einer gewissen Zeit nützlicher sein, Frieden zu halten oder zu schließen, ein Bündnis einzugehen oder aufrecht zu erhalten, andererseits oder zu anderer Zeit, den Vertrag oder den Frieden zu brechen. Bringt ihn also ein anderer Fürst auf irgendeine Art in eine Klemme, vor eine kitzliche Entscheidung u. dgl. mehr, dann erklärt er ihm den Krieg, falls er glaubt, er könne ihn besiegen. Sonst aber geht er einen Vertrag ein (oder: er hält den schon bestehenden aufrecht), sucht unter dem Schirm des Friedens oder des Bündnisses die Gelegenheit zu erspähen und fällt über seinen »Freund« her, sowie er dazu imstande ist, oder auch: bleibt sein Friedensgenoss, wenn ihm das vorteilhafter erscheint. Man beachte auch, dass der Doppelspieler ein »potenzieller Freund« ist (317, 13). Dann natürlich auch ein potenzieller Feind. Der Doppelspieler hat also beständig zwei Katzen im Sack: eine schmeichlerisch glatte, liebreich beleckende: die weiße Katze des Friedens und daneben die schwarze, teufelswilde: den Kater Krieg. Es ist nur eine Frage des Vorteils, welche er loslassen soll aus seinem diplomatischen Sack. Katzen aber sind beide. Ja, in ihrem nächtlich dunkeln Sack paaren sich Kieze und Kater. Und die Frucht der Verbindung? »Ruhm, Reichtum, Macht für mich werden sie heißen«. So denkt der yonipoṣaka, der politische Züchter von Vieh und Prostituierten. Manchmal hat er Recht, und sogar dem Teufel möchte es da grausen. Manchmal aber graust es ihm selber; so sehr hat er sich verrechnet. Was mir nun aber den dvaidhībhāva von dem sonstigen staatsmännischen Ränkespiel besonders zu unterscheiden scheint, ist dies, dass ein irgendwie in die Ecke getriebener dort sich zu solcher Wehr setzt. Dvaidhībhāva und saṃśraya bilden ja sogar ein Endweder-oder. Bei beiden handelt es sich da um einen Bedränger irgendwelcher Art, und die Frage entsteht, ob der Unbequeme durch das Spiel mit den zwei Kugeln Krieg und Frieden hingehalten werden soll, wobei der Gaukler seine Unabhängigkeit bewahren kann, oder ob diese geopfert werden muss. Aber wie VII, 7 durchweg zeigt, kann der Doppelspieler, hier jedoch ebenfalls ein vor eine Entscheidung gestellter, auch stärker sein als der andere. Kauṭ. ist ja kein Neuschöpfer, sondern ein reicher Erbe; ein mehr oder minder selbständiger Bearbeiter von Vorhandenem. In Betreff des Begriffes dvaidhībhāva fand er offenbar schon Verschiedenheit und Verwirrung vor.

3 Wörtl.: »In den Bestandteilen« (guṇa).

4 Heißt das: er gewinne den Feind als Genossen oder Verbündeten und falle dann bei günstiger Gelegenheit über ihn her? Oder: Er warte, bis er einen Genossen gewinnen kann und übe unterdessen das Doppelspiel? Oder: er mache sich einen unter seinen Angreifern zum Hilfsgesellen? Wohl all das, je nachdem.

5 Der für Indien allwichtige Ackerbau fehlt im Text und muss eingesetzt werden, sei es, dass man karṣa für karma liest, sei es dass man setukarma beibehält und karṣa oder kṛṣi dahinter einfügt. Siehe Kām. V, 77f.; Raghuv. XVI, 2.

6 Wörtlich: »Werkunternehmungen«. Da ihm ein anderer Feind viel zu schaffen macht, kann er dem Redenden nicht zu Leibe.

7 Wo beide, da sie etwa gleich stark sind, übel zugerichtet oder gar getötet werden und ein Dritter den Vorteil hat. Der Besitzer des Hundes, der Caṇḍāla, isst nämlich beide, wenn sie tot sind, oder isst doch den Hund und verkauft das Fleisch des Ebers. Es ist aber vielleicht kalaho zu lesen und die wörtl. Übersetzung diese: »Ein Unheil für ihn, eine Niederlage, die ich ihm beibringe, ist wie der Kampf des Hundes und des Wildebers«.

8 Lies balavattaram āśritaḥ. Dies ist wohl wahrscheinlicher als balavantam ā., die Lesart in Sham.'s 2. Ausg.

A1 Abnahme, Stillstand und Zunahme heißen auch trivarga nach Amara, zit. von Mall. zu Śiśup. II, 26, und so wird trivarga wirklich gebraucht in MBh. XII, 59, 31; 69, 66, 69; 118, 10. 

A2 Vgl. Kirāt. II, 8f.

A3 Ich lese: sānugrahaparihārasaukaryaphalalābhabhūyastvena. Nach dem Text hieße es: »Ich werde die Leute, auf denen ... nachdem ich sie mit Gnaden, Steuerbefreiungen und Arbeitserleichterung ausgestattet habe, infolge des größeren Gewinnes an Frucht (der Tätigkeit) durch mein eigenes Wirken zu mir herüberziehen.« Da ist saukarya in bedenkenerregender Weise gebraucht. Gaṇ. hat karmaṇāṃ statt karmaṇā »infolge des größeren Gewinnes an Frucht bei meinen Unternehmungen«. Sonst liest er wie Sham.

A4 Oder: ... »misslingen, wird er sich an einen festen Ort zurückziehen (viṣamastha) ... nicht kriegerisch vorgehen können«?

A5 Statt: »und durch diese beiden Möglichkeiten« vielleicht doch besser: »und mit diesen beiden im Friedensverhältnis stehend«.

A6 Brauchbares über das Doppelspiel bietet auch Nītiv. 116, 4; 117, 4–5; Mall. zu Śiśup. II, 26 und bes. Śukran. IV, 7, 581ff.: »Wenn der Fürst ungewiss ist in bezug auf die Mittel und auf das, was zu tun ist, soll er, indem er sich nach den Zeitumständen richtet, nach dem Doppelspiel verfahren, indem er wie ein Krähenauge unbemerkt (nach beiden Seiten schaut). Oder auch: er stelle sich, als unternehme er das eine Werk, mache sich aber an das andere« (vor allem natürlich: er tue, als übe er das Friedenswerk, bereite aber den Krieg vor)."

[Quelle: Kauṭilya: Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben : das Arthaśāstra des Kauṭilya / [aus dem Sanskrit übersetzt und mit Einleitung und Anmerkungen versehen von] Johann Jakob Meyer [1870-1939]. -- Leipzig, 1926. -- Digitale Ausgabe in: Asiatische Philosophie. -- 1 CD-ROM. -- Berlin: Directmedia, 2003. -- (Digitale Bibliothek ; 94). -- S. 406 - 411.]


2.141.47. Autorität, Herrschermacht


20a./b. sa pratāpaḥ prabhāvaś ca yat tejaḥ kośa-daṇḍajam

स प्रतापः प्रभावश् च यत् तेजः कोश-दण्डजम् ।२० क।

Der Glanz (tejas n.: Schärfe, Glanz, Hitze, Kraft, Energie), der auf dem Schatz und den Streitkräften beruht, heißt:

  • प्रताप - pratāpa m.: Glut, Hitze, Glanz, Pracht, Majestät
  • प्रभाव - prabhāva m.: Majestät, Autorität, Herrschermacht

Colebrooke (1807): "Majesty. The dignity arising from treasure and forces ; and from the power of punishment : the consequent high spirit and impatience injury."


प्रताप - pratāpa m.: Glut, Hitze, Glanz, Pracht, Majestät



Abb.: प्रतापः । Wagen des Mahārāja von Rewa bei der Ausrufung von Edward VII. zum Kaiser von Indien, Delhi, 1903
[Bildquelle: http://www.bl.uk/onlinegallery/features/india/tour_21_enlarge.html. -- Zugriff am 2011-04-06]


प्रभाव - prabhāva m.: Majestät, Autorität, Herrschermacht



Abb.: प्रभावः । Durbar des Badshah (پادشاه) von Oudh (अवध - اودھ)
19. Jhdt.
[Bildquelle: Wellcome Library, London. -- Creative Commons Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Nutzung)]


Abb.: प्रभावः । Der Nizam (نظام‌الملک) von Hyderabad (حیدر آباد)
ca. 1895
[Bildquelle: Wikimedia. -- Public domain]

प्रभावः । Salute States:

Salute states

The gun salutes (crucial in protocolary respect) enjoyed by the princely states that acceded to the Dominion of India on 14 August 1947, included more Maharajas than any other title, and in most of the classes, though predominantly in the higher ones:

  • Hereditary salutes of 21-guns:
    • H.E.H (His Exalted Highness) The Nizam of Hyderabad, the largest State of India (only the Nizam was addressed as His Exalted Highness, a style bestowed upon him for rendering yeoman service to the British in World War I)
    • H.H. the Maharaja (title of most major Hindu princes) of Mysore
    • H.H. the Maharaja of Jammu and Kashmir
    • H.H. the Maharaja Gaekwad of Baroda (in certain states it became customary to add a unique word to the princely title, not indicating a rank but rather the dynasty or its past) of now Vadodara
    • H.H. the Maharaja Scindia (or Shinde) of Gwalior
       
  • Hereditary salutes of 19-guns (21-guns local):
    • H.H. the Maharaja Holkar (as above) of Indore
       
  • Hereditary salutes of 19-guns:
    • H.H. the Maharaja of Kolhapur
    • H.H. the Maharaja of Travancore
       
  • Hereditary salutes of 17-guns (19-guns personal):
    • H.H. the Maharaja of Kotah
       
  • Hereditary salutes of 17-guns (19-guns local):
    • H.H. the Maharaja of Pudukkottai
    • H.H. the Maharaja of Bharatpur
    • H.H. the Maharaja of Bikaner
    • H.H. the Maharaja of Jaipur
    • H.H. the Maharaja of Jodhpur
    • H.H. the Maharaja of Patiala
       
  • Hereditary salutes of 17-guns:
    • H.H. the Maharaja of Cochin
    • H.H. the Maharaja of Karauli
    • H.H. the Maharaja of Rewa
    • H.H. the Maharaja of Cutch
       
  • Hereditary salutes of 15-guns (17-guns local):
    • H.H. the Maharaja of Alwar
       
  • Hereditary salutes of 15-guns (17-guns personal):
    • H.H. the Maharaja Rana of Dholpur
       
  • Hereditary salutes of 15-guns:
    • H.H. the Maharaja of Datia
    • H.H. the Maharaja of Dewas Senior
    • H.H. the Maharaja of Dewas Junior
    • H.H. the Maharaja of Dhar
    • H.H. the Maharaja of Idar
    • H.H. the Maharaja of Jaisalmer
    • H.H. the Maharaja of Kishangarh
    • H.H. the Maharaja of Orchha
    • H.H. the Maharaja of Sikkim (in the Himalaya; remained independent at India's independence, joined India in 1975)
       
  • Hereditary salutes of 13-guns (15-guns personal and local):
    • H.H. the Maharaja of Jind
    • H.H. the Maharaja of Kapurthala
       
  • Hereditary salutes of 13-guns (15-guns local):
    • H.H. the Maharaja of Benares
    • H.H. the Maharaja of Bhavnagar
    • H.H. the Maharaja of Nabha
    • H.H. the Maharaja Jam Sahib of Nawanagar
    • H.H. the Maharaja of Ratlam
       
  • Hereditary salutes of 13-guns:
    • H.H. the Maharaja of Cooch Behar
    • H.H. the Maharaja Raj Sahib of Dhrangadhra-Halvad
    • H.H. the Maharaj Rana of Jhalawar
    • H.H. the Maharaja Rana Sahib of Porbandar
    • H.H. the Maharaja of Rajpipla
    • H.H. the Maharaja of Tripura
       
  • Hereditary salutes of 11-guns:
    • H.H. the Maharaja of Ajaigarh
    • H.H. the Maharaja of Bijawar
    • H.H. the Maharaja of Charkhari
    • H.H. the Maharaja of Chhatarpur
    • H.H. the Maharaja of Faridkot
    • H.H. the Maharaja of Gondal
    • H.H. the Maharaja of Kangra-Lambagraon
    • H.H. the Maharaja of Morvi
    • H.H. the Maharaja of Narsinghgarh
    • H.H. the Maharaja of Panna
    • H.H. the Maharaja of Sirmur
    • H.H. the Maharaja of Tehri Garhwal
       
  • Hereditary salutes of 9-guns:
    • The Maharaja of Bansda
    • The Maharaja of Jawhar
    • The Maharaja of Kalahandi
    • The Maharaja of Lunawara
    • The Maharaja of Mayurbhanj
    • The Maharaja of Patna (princely state)
    • The Maharaja of Sonepur

[Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Maharaja. -- Zugriff am 2011-04-06]


2.141.48. Mittel der Politik


20c./d. bhedo daṇḍaḥ sāma dānam ity upāya-catuṣṭayam

भेदो दण्डः साम दानम् इत्य् उपायचतुष्टयम् ॥२० ख॥

उपायचतुष्टय - upāya-catuṣṭaya n.: die Vierheit der Mittel der Politik, besteht aus:

  1. भेद - bheda m.: Spaltung
  2. दण्ड - daṇḍa m.: Gewalt
  3. सामन् - sāman n.: Milde, Güte
  4. दान - dāna n.: Schenkungen

Colebrooke (1807): "Four means of success. In reducing the foe : viz. Sowing of dissention, chastisement, conciliation and gifts."


"Die Mittel sind: freundliche Rede (sāman), Beschenkung, Abspenstigmachen, Gewalt.

Dabei ist freundliche Rede fünffach: Andeutung der Vorzüge, Erzählung von den innigen Banden, Hinweis auf die gegenseitigen guten Dienste, Hinweis auf die Zukunft (die bei einem Bunde der beiden dem anderen viel Glück bringen werde), sich selber zur Verfügung stellen.

Dabei ist die Darlegung der vorhandenen und nicht vorhandenen Vorzüge an Herkunft, Persönlichkeit, Taten, angeborener Natur, Gelehrsamkeit, Reichtum usw., d.h. das preisende Lob, die Andeutung der Tugenden.24

Die Andeutung, dass einer Freund und Bundesgenosse sei als Blutsverwandter, durch Verschwägerung, durch den mündlichen Unterricht (den der Lehrer dem Schüler erteilt), durch das Opferverhältnis (des Priesters und seines Klienten), durch die gleiche Familie, durch das Herz heißt Herzählung der innigen Bande.

Die Andeutung der gegenseitigen guten Dienste der eigenen Partei und der Partei des anderen ist Hinweis auf die gegenseitigen guten Dienste.

»Wenn dies so gemacht wird, dann wird das und das uns beiden zuteil werden« – eine solche Erzeugung von Hoffnungen heißt Hinweis auf die Zukunft.

»Du und ich sind eins; was an Gut mein ist, das mögest du für deine Angelegenheiten verwenden«, solch eine Erklärung heißt »sich selber zur Verfügung stellen« (ātmopanidhāna).

Beschenkung ist Dienstleistung durch Geld und Gut.

Die Erzeugung von Argwohn (gegen den Bundesgenossen) und Drohung das ist Abspenstigmachen.

Tötung, Drangsalierung und Güterraub ist Gewalt (daṇḍa).

24 Guṇagrahaṇa »Darlegung der Vorzüge« findet sich auch Kuṭṭan. 906. Guṇāguṇagrahaṇa aber ist hier höchst sonderbar. Ich habe mich Gaṇ.'s Erklärung angeschlossen, ohne eigentlich von ihrer Richtigkeit ganz überzeugt zu sein. Als Besserungen bieten sich etwa dar: guṇānām guṇagrahaṇaṃ »die Darlegung der Vorzüglichkeit seiner Tugenden«, oder guṇānuguṇagrahaṇam »die Erwähnung der Vorzüge um Vorzüge«. Keins von beiden aber hat viel für sich. Oder doch: »von Tugend an Tugend«, wie etwa keśākeśi usw. oder die häufigen prakritischen Komposita mit Dehnung des Fugenvokals?"

[Quelle: Kauṭilya: Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben : das Arthaśāstra des Kauṭilya / [aus dem Sanskrit übersetzt und mit Einleitung und Anmerkungen versehen von] Johann Jakob Meyer [1870-1939]. -- Leipzig, 1926. -- Digitale Ausgabe in: Asiatische Philosophie. -- 1 CD-ROM. -- Berlin: Directmedia, 2003. -- (Digitale Bibliothek ; 94). -- S. 105]

"A king endowed with valour has to employ several means (upāyas) to extend his dominions and to keep his hold on his own people. According to the Rāmāyaṇa V. 41. 2-3, Manu VII. 109, Yāj. I. 346, Śukra IV. 1. 27 and others the upāyas are four viz. sāma ( conciliation ), dāna ( giving gifts or presents), bheda (causing dissensions) and daṇḍa (punishment or depriving of property or causing bodily harm). In the Hāthigumphā Inscription, the king Khāravela (latter half of 2nd century B. C.) states that in the 10th year of his reign he sent, following the policy of daṇḍa, sandhi and sāma, an expedition against Bharatvarṣa, conquered that land and obtained jewels and precious things ( E. I vol. XX pp. 79, 88 ). This shows that the theory of the upāyas must have been evolved several centuries before the Christian era. Some others such as Kām. XVII. 3, Matsya 222. 2, Agnipurāṇa 226. 5-6, Bārhaspatyasūtra V. 1-3, Viṣṇudharmottara II. 146-149 add three more to the above four. Sabhā 5. 21 mentions the number seven and Vanaparva 150.42 mentions sāma, dāna, bheda, daṇḍa and upekṣā. About the additional three there is some difference of opinion, most holding that the three are māyā, upekṣā and indrajāla (Kām., Agnipurāṇa ), while the Bārhaspatyasūtra (V. 263 ) says they are māyā, upekṣā and vadha and others say they that are māyā, akṣa (dice) and indrajāla (Sarasvatīvilāsa p. 42),

Māyā means ' deceitful trick '. The Viṣṇudharmottara II. 148 gives illustrations, such as tying a firebrand to the tail of a bird that often perches on the enemy's camp to produce the delusion that a meteor (an evil omen) fell down from the sky. Kām. XVII. 54 cites the example of Bhīma's meeting Kīcaka dressed as Draupadī. Kām. ( XVII. 51-53 ) gives other examples of māyā.

Upekṣā consists in not preventing a person from doing what is unjust or being addicted to some vice or engaging in a fight and is illustrated by king Virāṭa's connivance at the death of Kīcaka ( Kām. XVII. 55-57 ).

Indrajāla means 'creating an illusion by means of incantations and other tricks' e. g. creating the illusion before the eyes of the enemy that a vast army is coming to attack them or showing that angels are descending to fight against them or making a shower of blood fall in the enemy's camp etc. ( Kām. XVII. 58-59, Viṣṇudharmottara II. 149 ).

About the four well-known upāyas, Manu (VII. 108-109 ) says that for the prosperity of one's kingdom sāma and daṇḍa (punishment) are preferred, but if the king's antagonists do not yield to him by the employment of the first three then he may bring them round by daṇḍa (i. e. fighting and harassing them ) and that ( VII. 198, 200 ) daṇḍa is to be employed as the last resort, since victory is not certain. In the Śāntiparva 69. 23 the view of Bṛhaspati is quoted that fighting should always be avoided (as far as possible) and that for securing one's purpose three upāyas ( other than fighting ) are to be resorted to. Bṛhat-Parāśara X p. 380 also says that a wise man should not resort to fighting and that daṇḍa is to be resorted to only when there is no other course left. In Udyoga 132. 29-30 ( cr. ed.. chap. 130) Kuntī sends a message through Kṛṣṇa to her son: 'begging is forbidden to you nor is agriculture appropriate for you; you are a kṣatriya living by the power of his arms and a protector against injury (kṣatāt trātā). Recover your ancestral share by sāma, dāna, bheda, daṇḍa and naya In Udyoga 150 (cr. ed. 148 ) Kṛṣṇa informs Yudhiṣṭīra how he first employed sāma, then bheda, then dāna (viz. giving up the whole kingdom for five villages) and how only daṇḍa is the proper recourse in the case of the wicked Kauravas. Hopkins, as very often, being obsessed with his ideas of three strata in the Mahābhārata says that three means appear to be the oldest form and four means a later idea. There is hardly any warrant for this opinion as for many others in the same strain (J. A. O. S. vol. XIII. pp. 182-183 n ). The Viṣṇudharmottara II. 146 speaks of the four upāyas and states that daṇḍa as regards a foreign state is open (prakāśa ) i. e. burning and not-open ( aprakāśa i. e. by poison or secret death). The Mit. on Yāj. I. 346 and Kām. XVIII. 1 say the same thing. The Viṣṇudharmasūtra III. 38 prescribes that the four upāyas are to be employed at the proper time and according to the attitudes of the hostile king, friendly king, the madhyama and udāsīna kings. The Mit. on Yāj. I. 346 expressly states that the four upāyas are to be employed not only in the affairs between kings but also in the lives of all ordinary people and cites a verse wherein a father or teacher addresses a son or pupil making use of all four means. Kām. XVII, Mānsollāsa II.11-20 verses 972 ft' (pp. 117-122). Nītivākyāmṛta pp. 332-336 treat at length of these four upāyas. A few points only are noted here.

Sāma is of five kinds viz. recounting the good turns done by each to the other; praising the qualities and actions of the persons to be won over; declaring the relationship of each other; representing the good that will result in future; declaring 'I am yours and I am at your service' ( Kām. XVII. 4-5 ).

Dāna consists in returning what is deposited with one by another, consenting to the taking away by another of one's things, making a gift of something new, giving what the other chooses to ask for, sending at fixed times what has to be given.

Bheda (sowing dissensions) consists in giving heavy bribes or presents to ministers or feudatories, the crown prince and high officers of the enemy that are dissatisfied for various reasons, creating distrust between the king and his ministers, the rich men and the handsome men in the kingdom by the threat of the loss of life, honour, position, and wealth, by the fear of imprisonment, by the fear that the king may carry away the beautiful wife of a subject or by suggesting that a handsome young man has his eye on the king's harem, and suggesting to a king that a kinsman desires to secure the kingdom to himself and thereby inducing the king to put out his eyes or cut off his limbs. This is effected by secret spies or persons who are in the pay of both kings ( ubhayavetana, acc. to Mānasollāsa p. 119 v. 995 ). Vide Kauṭ. XI. 1, Matsya chap. 223 and Śukra IV. 1. 25-54 for bheda, Kaut. XI, I explains at length how an aspiring conqueror is to sow dissensions between corporations and the leaders of corporations, between chiefs and other people. One or two passages may be quoted by way of sample: "Spies gaining access to these corporations (of warriors and others ) and finding out jealousy, hatred and other causes of quarrel among them should sow seeds of a well-planned dissension among them, and tell one of them ' this man decries you Spies may give publicity to the consideration of priority shown to inferior persons in social intercourse in the face of the established custom of recognising the status of other persons by birth, bravery, and social position. In all these disputes the conqueror should help the inferior party with men and money and set them against the superior party. A woman who has disappointed her lover and has been forgiven may approach and say to a chief ' this chief is troubling me when my mind is set on you ; when he is alive 1 cannot stay here ' and thus induce the former to slay the latter. " The Matsyapurāṇa 223. 4 states that united people are more than a match even for Indra unless bheda is employed, that dissensions are of two kinds, internal and external, of which the former is more serious. External dissension means the quarrel with a chief, but internal dissension means dissension between a king and his queen or heir apparent or ministers. One should try to prevent dissension with one's own relatives. Śānti 69. 23 also advises the conquest of territory by fomenting dissensions. Therefore the expedient of divide et impera has a respectable antiquity.

Daṇḍa in the case of a king's country consists in sentencing to death or corporal punishment or fine and in the case of the enemy in fighting, destroying or devastating his country by seizing his crops and grain, cattle, wealth, forts and in imprisoning and injuring his people, burning his villages and forests."

[Quelle: Kane, Pandurang Vaman <1880 - 1972>: History of Dharmaśāstra : (ancient and mediaeval, religious and civil law). -- Poona : Bhandarkar Oriental Research Institute. -- Vol. IV. -- 2. ed. -- 1973. -- S. 171 - 175]


2.141.49. Gewalt


21a./b. sāhasaṃ tu damo daṇḍaḥ sāma sāntvam atho samau

साहसं तु दमो दण्डः साम सान्त्वम् अथो समौ ।२१ क।

[Bezeichnungen für Gewalt:]

  • साहस - sāhasa n.: Heftigkeit, Gewalt
  • दम - dama m.: Zähmung, Züchtigung, Bestrafung
  • दण्ड - daṇḍa m.: Stock, Prügel, Gewalt, Strafe, Streitmacht

Colebrooke (1807): "Punishment."


साहस - sāhasa n.: Heftigkeit, Gewalt



Abb.: साहसः । Hinrichtung von Aufständischen des Indian Mutiny von 1857
[Bildquelle: Wikipedia. -- Public domain]


दम - dama m.: Zähmung, Züchtigung, Bestrafung



Abb.: दमः । Einritzungen religiöser Motive an Gefängniswand, Festung Golconda - గోల్కొండ, Andhra Pradesh
[Bildquelle: LASZLO ILYES. -- http://www.flickr.com/photos/laszlo-photo/2704059988/. -- Zugriff am 2011-04-06. -- Creative Commons Lizenz (Namensnennung)]


Abb.: दमः । Gefängnis-Schule für Knaben, Zentralgefängnis, Lucknow - लखनऊ - لکھنو , Avadh (Oudh), heute Uttar Pradesh, ca. 1871
[Bildquelle: http://www.bl.uk/onlinegallery/onlineex/apac/photocoll/g/019pho001000s46u04685000.html. -- Zugriff am 2011-04-07]

"Boy convicts are confined in special wards, and are divided into children and adolescents. The latter class are kept separate, sleep in cubicles, and are provided with schooling and industrial education." (Imperial Gezeteer of India)


Abb.: दमः । Mahant bedient Ölpresse im Gefängnis, West Bengal, ca. 1880
[Bildquelle: Asian Curator at The San Diego Museum of Art. -- http://www.flickr.com/photos/asianartsandiego/4838585862/. -- Zugriff am 2011-04-06. -- Creative Commons Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Nutzung, keine Bearbeitung)]


दण्ड - daṇḍa m.: Stock, Prügel, Gewalt, Strafe, Streitmacht



Abb.: दण्डः । Sträflinge bei der Arbeit am Spinnrad, Gefängnis, Karachi - ‏كراچى‎‎, heute Pakistan
[Bildquelle: http://www.bl.uk/onlinegallery/onlineex/apac/photocoll/m/019pho001000s52u04897000.html. -- Zugriff am 2011-04-07]


Abb.: दण्डः । Agni II- Mittelstreckenrakete, Indischer Nationalfeiertag, Neu Delhi, 2004
[Bildquelle: Antônio Milena / Agência Brasil / Wikipedia. -- Creative Commons Lizenz (Namensnennung)]


Abb.: दण्डः । Babur (بابر), erster Marschflugkörper (cruise missile) aus pakistanischer Produktion, 2008
[Bildquelle: Skybolt101 / Wikipedia. -- GNU FDLicense]


"Fines are either fixed or not fixed (i. e. variable). They range from a kākiṇī to the confiscation of all wealth; fixed fines were of three kinds called prathama sāhasa, madhyama sāhasa (middling amercement) and uttama sāhasa (highest). These are variously defined. According to Śaṅkha-Likhita the first amercement is fine from 24 paṇas to 91, the middling one is from 200 to 500 paṇas and the highest is from six hundred to 1000 in proportion to the value of the matter in dispute or the injury caused. Manu VIII 138 ( = Viṣṇu Dh. S. IV. 10 ) states that the first, middling and highest fines are respectively 250, 500 and 1000 paṇas, while Yāj. I. 366 puts these respectively at 270, 540 and 1080. The Mit. explains that the lesser figures of Manu represent the fines to be awarded for offences committed without set purpose. Nār. (sāhasa, verses 7-8) prescribes that 100 paṇas is the lowest limit of fines for the lowest kind of sāhasa, 500 is the lowest for middling sāhasa, 1000 is the lowest fine in what is called the highest amercement (and might include death penalty, forfeiture of all property, banishment, branding and cutting off of a limb ). Fines were supposed to be lesser than corporal punishment. Kāt. ( 490-493 ) lays down the following rules: Whatever figure of fine is prescribed in the smṛti texts for a wrong it is to be paid to the king in paṇas of copper or their equivalent. Where the fine is said to be one-fourth or one half of a māṣa, there it is a golden māṣa that is meant; when the fine is declared in māṣas, they are to be understood as those of silver and where the fine is declared in kṛṣṇalas the same is to be understood; a māṣa is a 1/20th of a karṣāpaṇa.'

The general rule that lesser punishment is to be inflicted on women is stated by Kāt. ( 487 ) 'In the case of all offences, women are to suffer half of the fine in money which is prescribed for a male offender (of the same kind ) and when the punishment is death for a male, the punishment for a woman would be the excision of a limb.' Kauṭ. (III 3) provides: 'a woman attains ability to enter into transactions on completion of 12 years and men when they are 16; if they disobey after that (i. e. after attaining majority) the woman shall be fined twelve paṇas and a man twice that amount.'

Aṅgiras quoted by the Mit. (on Yāj. III. 243 ) states that an old man over eighty, a boy below sixteen, women and persons suffering from diseases are to be given half prāyaścitta and Śaṅkha quoted by the Mit. (on the same verse) that a child less than five commits no crime nor sin by any act and is not to suffer any punishment nor to undergo a prāyaścitta. Under the Indian Penal Code, sec. 82, nothing is an offence which is done by a child under seven years of age.

The severity of punishment depended on caste also. In the case of theft, Gaut. XII. 15-16, Manu VIII. 338-39 prescribe that a vaiśya, a kṣatriya and a brāhmaṇa should respectively be fined twice, four times and eight times of the fine to be imposed upon a śūdra for a theft, since each of these is deemed more and more aware of the heinousness of the crime. Kāt. (485) and Vyāsa state this as a general rule for all offences.

In the case of abuse and defamation the scales are turned in favour of the higher castes as regards fines. Gaut. XII. 1, 8-12, Manu VIII. 267-268 (=Nār. pāruṣya 15-16), Yāj. II. 206-207 prescribe that a kṣatriya or a vaiśya or a śūdra abusing or defaming a brāhmaṇa was to be respectively punished with the fine of 100 paṇas, 150 paṇas and with corporal punishment (cutting off the tongue), while a brāhmaṇa defaming a kṣatriya, vaiśya or śūdra was to be fined 50, 25 or 12 paṇas respectively (nothing in the last case acc. to Gaut. XII. 13).

In the case of adultery and rape the caste of the offender and of the woman concerned made great difference in the punishment awarded. For adultery with a woman of the same caste Yāj. II. 286 prescribed the highest amercement, the middling one when the paramour was of a higher caste, but if the male be of a lower caste than the woman, the male offender was sentenced to death and the woman had her ears cut off.

Corporal punishment assumes (as pointed out by the Daṇḍaviveka p. 20) various forms according as it is meant to cause only harassment (pain) or is carried out by cutting off (or destroying) a limb or to cause death. Harassment or pain may be inflicted by imprisonment, beating, putting fetters, by making ridiculous (by the complete shaving of the head, declaring the offence by beat of drum in the presence of the convict, parading him through the streets on an ass ) and marking him with signs indicative of offences like theft. Manu (VIII. 125) provides that punishment may fall upon any one (or more) of ten places in the case of the three higher castes, viz. the private parts, the belly, the tongue (either whole or half), the hands, the feet, the eyes, the nose, the ears, wealth and the whole body; but a brāhmaṇa shall depart unhurt from the country (i. e. he is to be only banished). Bṛ. (SBE. 33 p. 388 verses 9-10) speaks of fourteen places of punishment adding the neck, the thumb and index, the forehead, the lips, the hind part, hips, one half of the feet (to Manu's ten) and omitting wealth and the whole body therefrom.

Gaut, XII. 43, Kauṭ. IV. 8, Manu (VIII. 125, 380-381), Yāj. II. 270, Nār. (sāhasa, 9-10), Viṣṇu V. 1-8, Bṛ. (SBE. vol. 33 p. 388 verse 11), Vṛddha-Hārīta VII 191 prescribe that a brāhmaṇa was not to be sentenced to death or corporal punishment for any offence whatever, but if he were guilty of an offence deserving the death penalty, he was to be punished by ordering his entire head to be shaved, he might be banished from the country (from the city acc. to Nār.), a mark appropriate to the grave sin committed by him might be branded on his forehead and he might be paraded on an ass. Yama, quoted by Sm. C., and V. P., while providing that a brāhmaṇa was to be free from undergoing corporal punishment, allows the king to keep a brāhmaṇa offender in confinement in a secret place and give him bare maintenance or the king may make him do the work of guarding cattle for a month or a fortnight or make him perform other work not fit for a decent brāhmaṇa. The Mit. on Yāj. II. 270 explains that the mark of female private parts for violating guru's bed, of a tavern for drinking the liquor called surā, a dog's foot for theft, of a headless corpse for brāhmaṇa murder (as laid down by Manu IX. 237 and 240, Viṣṇu Dh. S. Y, 4) is to be made on the forehead only if the offender (whether a brāhmaṇa or not) did not perform prāyaścitta for those grave sins. Branding with marks appropriate to the crime committed were in vogue in Rome and in Britain up to 1699 (such as the mark of the letter M for murderers, T for thieves &c.). Vide Barnes' 'Story of punishment 'p. 62. The Rājataraṅginī (IV. 96-106) refers to a case in the reign of king Candrāpīḍa of Kashmir when a brāhmaṇa guilty of the murder of a brāhmaṇa was exempted from death sentence because of the smṛti rule. Manu IX. 241 gives option that a brāhmaṇa (unintentionally ) guilty of grave offences may be punished with the middle amercement or he may be banished from the realm keeping all his wealth. The punishments for a brāhmaṇa offender, according to Gaut. XII. 44, were preventing him from doing the same thing again, depriving him of all wealth, taking sureties from him, proclaiming him as a thief in the city banishment, putting on his forehead the mark indicative of his crime. Āp. Dh. S. (II. 10.27.16-17) lays down that a brāhmaṇa guilty of murder, theft, forcible seizure of another's land was to have his eyes covered over with cloth for the whole of his life (while a śūdra guilty of any of the three was to receive the death sentence ). Vṛddha-Hārīta (VII.209-210) says that a brāhmaṇa should be branded on the body for all those offences that entailed corporal punishment for other offenders, that he should have his head shaved, that he should be deprived of all his property and banished from the realm. The force of popular feeling on the point of exempting a brāhmaṇa offender from the death sentence was so great that Elphinstone (Governor of Bombay) in Regulation 14 of 1827, sec. IV (cl. 5) exempted brāhmaṇas and women from death sentence even for murder where public feeling would be shocked.

It is not to be supposed that this exemption of the brāhmaṇa from the death sentence was unanimous or universal. Kāt. (806) contains this remarkable statement: 'Even a brāhmaṇa deserves to be killed if he be guilty of causing abortion, if he be a thief (of gold) or if he kills a brāhmaṇa woman with a sharp weapon or if he kills a chaste woman'. Kautilya (IV. 11) prescribes that a brāhmaṇa who aims at the kingdom or who forces entrance into the king's harem or who incites wild tribes or enemies ( against his king ) or who foments disaffection ( or rebellion ) in forts, the country or the army should be sentenced to death by drowning. The fact that Cārudatta, a brāhmaṇa, is represented as having been condemned to death by king Pālaka in the Mṛcchakaṭika indicates that the sentence of death against brāhmaṇas was not entirely unheard of. It appears from Fick's ' Social organisation' &c. p. 212 that in many Jātaka passages the execution of brāhmaṇas is referred to.

The Śāntiparva chap. 268 contains an interesting dialogue between king Dyumatsena and his son prince Satyavat on the subject of the punishment of death, which contains some of the arguments forcibly urged in these days by those that are opposed to capital punishment altogether. The prince pleads that punishment should be light even for grave offences, that when the sentence of death is carried out in the case of robbers, several innocent persons (such as the wife, the mother, the son of the condemned man) suffer great loss ( and they may die also), that if offenders give themselves up to priests, swear before them that they will never commit sin, they may be let off after undergoing penance, that if great men go astray their punishment should be proportionate to their greatness. The king replies that in former ages when people were most truthful, soft-hearted, and not hot-tempered the punishment of saying 'fie on you' sufficed, then vocal remonstrances and upbraidings sufficed, but in the later ages (of Kali) corporal punishment and death sentence have to be resorted to and that some people are not deterred even by the fear of death sentence."

[Quelle: Kane, Pandurang Vaman <1880 - 1972>: History of Dharmaśāstra : (ancient and mediaeval, religious and civil law). -- Poona : Bhandarkar Oriental Research Institute. -- Vol. IV. -- 2. ed. -- 1973. -- S. 393 - 399.]


2.141.50. Milde


21a./b. sāhasaṃ tu damo daṇḍaḥ sāma sāntvam atho samau

साहसं तु दमो दण्डः साम सान्त्वम् अथो समौ ।२१ क।

[Bezeichnungen für Milde:]

  • सामन् - sāman n.: Milde, Güte
  • सान्त्व - sāntva n.: Freundlichkeit, freundliche Worte

Colebrooke (1807): "Conciliation."


सामन् - sāman n.: Milde, Güte



Abb.: साम । Freundschaftsvertrag zwischen Indien und Nepal, 1950
 


सान्त्व - sāntva n.: Freundlichkeit, freundliche Worte



Abb.: सान्त्वम् । Mahatma Gandhi und der Vizekönig von Indien, Lord Mountbatten, mit Gattin, 1947
[Bildquelle: Wikimedia. -- Public domain]


2.141.51. Spaltung, Abspenstigmachen


21. sāhasaṃ tu damo daṇḍaḥ sāma sāntvam atho samau
bhedopajāpāv upadhā dharmādyair yat parīkṣaṇam

साहसं तु दमो दण्डः साम सान्त्वम् अथो समौ ।
भेदोपजापाव् उपधा धर्माद्यैर् यत् परीक्षणम् ॥२१॥

[Bezeichnungen für Spaltung / Abspenstigmachen:]

  • भेद - bheda m.: Spaltung, Entzweiung
  • उपजाप - upajāpa m.: Einflüsterung, Aufwiegelung, Bestechung

Colebrooke (1807): "Disunion."


भेद - bheda m.: Spaltung, Entzweiung



Abb.: भेदः । Plakat der Mukti Bahini - মুক্তি বাহিনী, der ostpakistanischen Aufständischen, die von der indischen Armee ausgebildet und bewaffnet wurden, ca. 1971
[Bildquelle: Wikipedia. -- Fair use]


"Vierzehntes Kapitel (117. Gegenstand)A1. Stärkung der Kräfte des Schwachen.

Wenn der nach Oberherrschaft Strebende von Verbündeten (von einer ganzen Koalition) in dieser Weise angegriffen wird, soll er zu dem, der ihr Haupt ist, sprechen: »Mit dir habe ich Frieden. Hier ist Geld. Und ich bin dein Freund. Da hast du doppelten Gewinn. Fördere doch nicht dadurch, dass du dich selber (durch Krieg) zugrunde richtest, deine sich als Freunde stellenden Feinde. Denn sind diese stark geworden, dann werden sie dich in den Staub treten.«

Oder er mache ihn so abspenstig: »Wie diese sich zusammengetan und mich, der ich ihnen nichts zuleide getan habe, angegriffen haben, so werden sie mit vereinten Kräften dich im Glück oder im Unglück angreifen.1 Denn die Macht verdirbt die Seele. Diesen Plan vereitle du ihnen!«

Sind sie veruneinigt, so greife er ihrem Oberhaupt unter die Arme und mache ihn Krieg gegen die Schwächeren führen. Oder die Schwachen gegen das Oberhaupt, nachdem er ihnen Unterstützung hat zukommen lassen. Oder wie er es für sein Bestes hält (so mache er es).

Oder er verfeinde ihn mit den anderen und betrüge ihn so um seine Hoffnung. Oder er lasse durch die Zusicherung reicheren Gewinns ihr Oberhaupt zum Verrat aufstiften2 und durch ihn einen Friedensschluss herbeiführen. Darauf sollen Spione, die von beiden Seiten Sold beziehen, diesen (dem Oberhaupt der Koalition zugesicherten) reicheren Gewinn aufdecken und die Verbündeten aufhetzen: »Ihr seid übers Ohr gehauen!« Sind sie verhetzt und zum Verrat aneinander veranlasst worden, dann mag er den Friedensvertrag (mit ihnen) aufheben. Da sollen dann die von beiden Seiten Sold Empfangenden aufs neue Zwietracht säen: »Da habt ihr nun, was wir euch aufgedeckt haben!«3

Oder er gehe unter den Veruneinigten so zu Werke, dass er irgendeinen von ihnen zu sich herüberzieht und unterstützt.4

Ist kein Oberhaupt da, dann soll er den Aufreizer der Verbündeten oder den Hartnäckigen unter ihnen oder den Menschen von treu anhänglicher Natur ihm treu ergeben sind, oder den, der aus Habgier, oder den, der aus Furcht (vor den Verbündeten) in die Koalition eingetreten ist, oder den, der Angst hat vor dem Eroberer, oder den, der Anspruch auf das Reich erhebt,5 oder einen Freund (des Eroberers) oder einen beweglichen (burgenlosen) Widersacher in seine Gewalt bringen, und zwar in dieser Reihenfolge herab immer den Nachfolgenden, wenn der vor ihm Stehende nicht da ist.

Den Aufreizer soll er dadurch, dass er sich selber ihm übergibt, den Hartnäckigen durch süße Worte und Ehrfurchtbezeugung, den Menschen von treu anhänglicher Natur ihm treu ergeben sind, durch Verheiratung mit einer Tochter oder durch Scharen jugendlich blühender Mädchen,6 den Habgierigen durch Verdopplung des Beuteanteils vertrauensvoll machen, den, der Angst hat vor den Verbündeten, durch Unterstützung mit Schatz und Heer, den, der sich vor ihm selber fürchtet, durch Bürgschaftstellen, den, der Anspruch auf den Thron erhebt, dadurch dass er eine Vereinigung mit ihm eingeht, den Freund durch Männer oder Dinge, die nach beiden Seiten hin lieb und nützlich sind, oder dadurch, dass er durch Liebesdienste ihm Opfer bringt,7 den beweglichen (burgenlosen) Widersacher durch Einstellung von Feindseligkeiten und Erweisung von Diensten in ganz bestimmter Weise. Oder welcher Bearbeitung auch immer einer zugänglich sein mag, durch die soll er ihn in seine Gewalt bringen.8 Oder durch schöne Worte, Geschenke, Zwietrachtsäen oder Gewaltmittel, wie wir in dem Kapitel von den Reichsunglücksfällen auseinandersetzen werden.9

Fußnoten:

1 Genauer wohl: »wenn sie sich kräftig fühlen oder wenn du im Unglück bist,« Svasthā vyasane vā ist eine gehirnverrenkende Ausdrucksweise. Svasthaṃ wäre sprachlich, vielleicht aber nicht politisch unanstößig.

2 Es wäre wohl am Platz: »ihr Oberhaupt bestechen«. Upajapta bedeutet auch »bestochen«, z.B. Rām. VI, 104, 11. Der Bestochene bringt dann einen für den Angegriffenen günstigen Frieden zustande.

3 Mit sandhiṃ dūṣayet vgl. kṛtavidūṣaṇa 278, 15; 279, 4: »die Aufhebung eines Vertrags oder Bündnisses«.A3 Der sandhi wird hier doch wohl nichts anderes sein als eben jener ein paar Zeilen vorher erwähnte mit Hilfe des bestochenen Oberhauptes der Koalition erlangte Friedensvertrag, nicht etwa das Bündnis der Alliierten (samavāya). Die Geheimagenten rufen also triumphierend: »Haben wir es euch nicht gesagt, euer Oberhaupt hat euch verraten und verkauft! Der Feind wollte nur Zeit und Kraft gewinnen. Im Einverständnis mit eurem Führer hat er euch mit Hilfe des nie ernst gemeinten Friedens genarrt«. Kaum: »Gegen die Verärgerten und zum Verrat Aufgehetzten mag er (ihr Führer) dann den Frieden brechen«.

4 Dies die natürliche Auffassung. Aber das ergibt eigentlich eine bloße Wiederholung des eben Gesagten. Also vielleicht: »Oder sind sie (in der soeben dargelegten Weise) verunreinigt, dann gehe er mit Unterstützung durch irgendeinen von ihnen gegen sie vor«.

5 Rājyapratisaṃbandham »Beziehung zur Königsherrschaft habend«. Pratisaṃbandha steht auch 24, 2, dort von Beziehungen mit dem Feinde. Wegen Zeile 10 wird hier wohl die in der Übersetzung genannte gemeint sein. Oder doch nur: »der Verbindungen im Reich besitzt«?

6 Yauvana scheint mir immerhin besser zu sein als yāpanā: »durch Erhaltung, Verleihung von Lebensunterhalt«. Nahe läge yauna durch die eigene Verehelichung mit einer Tochter des Betreffenden oder durch sonstige Verschwägerung. Aber einwandfrei wäre auch das nicht. Yauna hat Kauṭ. 71, 7, 217; 8.A4

7 Upakāratyāgena wird kaum heißen: »durch Liebesdienste und Freigebigkeit«. Dann stünde aller Wahrscheinlichkeit nach der Dual., obgleich ja das neutrale dvandva möglich ist. Sofort denkt man an die Änderung apakāratyāgena: »durch Aufgeben von Feindseligkeiten«, wie denn Sham. in seiner Übersetzung auch liest. Das wäre kaum befriedigend. Zu tyāga Opfer Bringen, Opfer vgl. 283, 15. Dieser Freund ist also gekränkt (diese Kränkung könnte auch mit apakāra gemeint sein) und deshalb zum Feind übergegangen.

8 Viśvāsayet in Zeile 9 sieht nicht ganz vertrauenerweckend aus. Vielleicht ist viśvāsayitvā oder noch eher viśvāsayan zu lesen und alles bis auf sādhayet (Zeile 12) ein Satz. Dann soll er also all die Aufgezählten durch die genannten Mittel, »den, der sich vor ihm selber fürchtet, indem er ihm durch Geiselstellung Vertrauen erweckt ... oder auch jeden gerade durch die Bearbeitung, der er zugänglich ist, herumbringen«. Möglich wäre auch ein Punkt hinter kośadaṇdānugrāheṇa und die Ergänzung von sādhayet aus Zeile 6. Wegen avadhṛta festgestellt, bestimmt vgl. 149, 9; 304, 15.

9 Buch 9, Kap. 5ff.

A1 Es muss heißen: 118. Gegenstand. Ebenso am Kopf dieser und der zwei folgenden Seiten.

A2 Dass der bedrängte Fürst zu seinen »grausamen Werken« leicht ein Räuberheer anwerben könne, ja dass er mit ihnen in der Wildnis wohnen solle, lehrt auch MBh. XII, 133, 10ff. Nur müsse er dann diese seine verwegenen Genossen an ein Sittengesetz (maryādā) binden, ebenso sich selber. Was damit gemeint ist, ersehen wir besonders aus Śukran. I, 766–774: In der »Not« (āpadi) soll der König durch Räuberüberfälle (dasyuvṛtiya) von einem sicheren Neste aus sein Reich zurückzugewinnen suchen. »Mit Ausnahme von Sachen, die zu Hochzeiten, milden Gaben und Opfern dienen, nur ein Achtel übrig lassend, soll er als Räuber den Schlechten (d.h. wohl den Feinden) all ihr Gut nehmen ... Nicht soll er sich kümmern, wenn er andere ums Leben bringt, grausam in seinen Taten, immer tätig, mitleidslos in seinen Räubertaten, aber abgewandt von den Gattinnen anderer und von Jungfernschändung.« Auch Aṅgutt.- Nik. IV, 339 erklärt, zu den acht Dingen, die es einem »Großräuber« ermöglichten, sein Wesen lange zu treiben, gehöre dies, dass er kein Weib antaste. Machiavell hält ebenso dafür, dass ein Fürst grausam sein, aber die Frauen seiner Untertanen in Ruhe lassen müsse (17. Kap., S. 79). Friedrich der Große aber erwidert darauf, Wollust und Weiberjägerei schade dem Herrscher wenig oder nichts bei seinen Untertanen, und seine Schwester erzählt uns in ihren Memoiren von dem langen Zug der vom Russenzaren Begnadeten, die alle stolz erklärten: »Seine Majestät haben geruht, mir ein Kind zu machen.« Beides ist richtig; es kommt eben auf das Land, das Volk und die Umstände an.

A3 Wichtig in mehrfacher Hinsicht ist da Śiśup. II, 113: Ajñātadoṣair doṣajñair uddūṣyobhayavetanāḥ / bhedyāḥ śatror abhivyaktaśāsanaiḥ sāmavāyikāḥ »Von beidseitig Besoldeten, deren böser Stand (d.h. deren Spionentätigkeit) unbekannt ist, die aber jeden bösen Stand (d.h. jede schwache Seite) der Feinde kennen und die da Schriftstücke (vor den abtrünnig zu Machenden) enthüllen, sollen die Alliierten des Feindes durch Aufhetzung von ihm abtrünnig gemacht werden.« Mall. sagt mit Recht, gefälschte Briefe würden den abspenstig zu machenden vor die Nase gehalten und gesagt: »Seht ihr, sie haben den Feinden die Hand gereicht (dviṣām ete dattahastāḥ). Wir haben hier ihre Briefe aufgefangen.« Sonst aber versteht Mall. manches verkehrt. Śatror ist Abl., und hier dienen die »enthüllten« Schriftstücke nicht, wie freilich öfters auch im Arthaś., dazu, dem Feinde seine eigenen Leute verdächtig zu machen, sondern der Feind selber wird bei seinen Verbündeten angeschwärzt, genau wie hier bei Kauṭ. Vgl. auch Pañcat. ed. Bühler III, Str. 138. Wegen sandhidūṣaṇa vgl. Kirāt. I, 45: Ariṣu hi vijayārthinaḥ kṣitiśā vidadhati sopadhi sandhidūṣaṇāni »denn Fürsten, die nach Sieg und Eroberung verlangen, greifen immer wieder mit Hilfe von listigen Fallen und Vorwänden zu Vertragsbruch an ihren Nebenbuhlern.« Upadhi bezeichnet wohl beide aus Kauṭ. wohlbekannten Mittel: der andere wird in »Schlechtigkeiten«' hineinmanöveriert, oder es wird betrügerischerweise eine aus der Luft gegriffene Beschuldigung gegen ihn erhoben. Das alles ist aber heilige Pflicht des »Siegverlangenden«, des Fürsten, wie er sein soll.

A4 Nach der Glosse bei Gaṇ., der ebenfalls kanyādānayāpanābhyāṃ liest: »durch Nehmen oder Weggeben einer Tochter«, d.h. indem er selber eine Tochter des Feindes heiratet oder die eigene Tochter mit ihm vermählt. Aber kanyādāna heißt auch bei Kauṭ. sonst immer »das Hingeben, (Vermählen) einer Tochter«. Dieses könnte freilich beides in sich schließen: Nehmen und Geben eines Mädchens. Sodann wäre yāpana Gehenmachen, d.h. Weggeben ja möglich, ist aber mindestens nicht belegt. Da yāpayate auch einen Fürsten unterstützen bedeutet wie in Kirāt. II, 45, so schiene es mir besser zu übersetzen: »durch Vermählung mit einer Tochter und durch Unterstützung«. Sollte aber kanyāyāpana richtig sein, dann wäre dieses wohl das Sichvermählen mit einer Tochter, wofür erstens die natürliche Bedeutung von kanyādāna und zweitens jāvemi = yāpayāmi ich hole in Mudr. 148, 11 spräche."

[Quelle: Kauṭilya: Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben : das Arthaśāstra des Kauṭilya / [aus dem Sanskrit übersetzt und mit Einleitung und Anmerkungen versehen von] Johann Jakob Meyer [1870-1939]. -- Leipzig, 1926. -- Digitale Ausgabe in: Asiatische Philosophie. -- 1 CD-ROM. -- Berlin: Directmedia, 2003. -- (Digitale Bibliothek ; 94). -- S. 467ff.]


2.141.52. Listige Probe


21c./d. bhedopajāpāv upadhā dharmādyair yat parīkṣaṇam

भेदोपजापाव् उपधा धर्माद्यैर् यत् परीक्षणम् ॥२१ ख॥

उपधा  - upadhā f.: "Täuschung, listige Probe" ist das Prüfen auf Rechtschaffenheit usw.


Colebrooke (1807): "Trial or test of honesty. Trial of loyalty, of disinteretedness, of continence, and of intrepidy."


Zehntes Kapitel (6. Gegenstand). Erkenntnis der Lauterkeit oder Unlauterkeit der hohen Beamten durch listige Proben [upadhā].1

Im Verein mit dem obersten Ratgeber (mantrin) und dem Hauspriester soll er die hohen Beamten in ihre öffentlichen2 Ämter einsetzen und sie dann durch listige Proben [upadhā] auf ihre Lauterkeit hin prüfen.A1

Der König möge seinen Hauspriester beauftragen, für einen nicht Opferberechtigten zu opfern oder ihn im Veda zu unterrichten, und wenn der das zornig zurückweist, ihn (zum Scheine) aus dem Amte jagen. Dieser möge dann durch Hinterhaltsleute3 unter Eidschwur jedem einzeln zuflüstern lassen: »Dieser König verletzt die heilige Religion.4 Wohlan, wir wollen einen anderen, einen frommen, einsetzen, einen Thronbewerber aus seiner Familie,5 einen von ihm Unterdrückten,6 einen Familienangehörigen, der die einzige Stütze (des Reiches) ist,7 einen Vasallen (Grenzfürsten), den Waldgrafen oder einen, der sich selber emporgearbeitet hat.8 Das gefällt allen. Oder wie scheint es dir?« Weist er das zurück, dann ist er lauter. Das ist die listige Probe mit Religion und Recht.

Der Feldmarschall, der (zum Schein) wegen Begünstigung schlechter Menschen9 aus dem Amt gejagt worden ist, soll durch Hinterhaltsmänner jeden einzelnen hohen Beamten unter Darbietung eines sehr lockenden weltlichen Vorteils aufwiegeln lassen, den König zu vernichten.10 »Das wäre uns allen recht. Oder was denkst du dazu?« Wer es zurückweist, ist lauter. Das ist die listige Probe mit irdischem Vorteil.

Eine Bettelnonne, die sich das Vertrauen (der Betreffenden) erworben hat und im Harem des Königs geehrt wird, soll jedem einzelnen dieser Großwürdenträger zuflüstern: »Des Königs Hauptgemahlin liebt dich und hat Anstalten zu einem Stelldichein getroffen. Und das wird auch ein großer irdischer Vorteil für dich sein«. Wer das zurückweist, ist lauter. Das ist die listige Probe mit der Liebe.

Bei Gelegenheit eines Festes mag ein hoher Beamter alle hohen Beamten zu sich einladen. Aus (geheuchelter) Bestürzung darüber,11 soll der König alle gefangen setzen. Ein fahrender Schüler,12 der vorher (zu diesem Zweck) gefangen gesetzt (oder sonst gekränkt) worden ist, möge jedem einzelnen der also um Gut und Ehre gebrachten hohen Beamten zuflüstern: »An schlechte Dinge hat sich dieser König gemacht. Wohlan, lasst uns ihn töten, und einen anderen einsetzen. Dies wäre uns allen lieb. Wie scheint's nun dir?« Wer es zurückweist, ist lauter. Das ist die listige Probe mit der Gefahr oder Furcht.

Die nun, die aus der Probe mit Religion und Recht rein hervorgegangen sind, möge er im bürgerlichen Gerichtswesen und in der Strafrechtspflege anstellen. Die in der Probe mit irdischen Gütern rein Erfundenen in den Einsammlungsgeschäften des Obereinnehmers (samāhartar) und des Schatzhausverwalters. Die in der Probe mit der Liebe rein Dastehenden zu Hüterposten über die Vergnügungen drinnen (im königlichen Palaste) und außerhalb.13 Die in der listigen Probe mit der Furcht oder Gefahr Bestandenen zu persönlichen Diensten beim Fürsten. Die, die aus allen listigen Proben rein hervorgehen, mache er zu Ratgebern. Solche, die sich in allen als unrein erwiesen haben, möge er in (der Verwaltung von) Bergwerken, Nutz- und Elefantenwäldern und Verarbeitungswerkstätten anstellen.A2

Nachdem er die hohen Beamten mit Hilfe der drei Lebensziele (Religion, Erdengut und Liebesgenuss) und der Furcht oder Gefahr erprobt hat, soll er sie, je nach Art und Ausfall der Lauterkeitsprüfung, über ihre besonderen Geschäftsgebiete setzen. Das ist die Stellung, die die Lehrer einnehmen.

Nicht aber mache der Herrscher sich selber oder die Königin dabei zur Zielscheibe, um die Lauterkeit seiner hohen Beamten zu erkunden. Das ist die Ansicht Kauṭilyas.

Nicht möge er den Unverdorbenen verderben, so wenig wie Wasser durch Gift. Denn es möchte manchmal für das Verdorbene und den Verdorbenen kein Heilmittel gefunden werden.

Und es möchte der Geist der Wackern, der einmal durch die vierfachen listigen Proben getrübt worden ist, nicht zurückkehren, ohne das Gift in sich hineingeschluckt zu haben, indem er bei der Beharrlichkeit der Menschen von starkem Charakter bleibt.14

Darum soll der König einen äußern Stützpunkt wählen bei dem vierfältigen Werk, und so durch Hinterhältler die Lauterkeit oder die Unlauterkeit seiner hohen Beamten ausforschen.15

Fußnoten

1 Wie dieses Kapitel deutlich zeigt, bedeutet amātya, das überhaupt bei Kauṭ. in ziemlich verschiedenen Verwendungen vorkommt, besonders hier nicht Minister, sondern etwa oberster Beamter. Es bezeichnet Männer, die hohe Stellen und Würden innehaben, so unter anderem Richter und maitres de plaisir érotique. Für amātya tritt 16, 17–18 ja mahāmātra ein, wie denn auch sonst öfters im Kauṭ. dieses Wort stehen könnte, da wo wir amātya finden.A3 Die Minister im engeren Sinne oder die Ratgeber (mantrin) des Fürsten bilden nur eine, wenn auch die vorzüglichste Art der amātya. Da aber auch wir »Minister« außerdem noch in einem weiteren Sinn gebrauchen, wonach z.B. der samāhartar Finanzminister, ja der vihārāmātya »Minister für Vergnügungs- und Liebesangelegenheiten« heißen kann, so gebe ich das Wort sonst auch oft mit »Minister« wieder.

2 Sāmānya allgemein, publicus.

3 Damit oder mit »Hinterhältler« übersetze ich das ungeheuer häufige sattrin. Es stammt von sattra, d.h. insidiae, Hinterhalt. Dies ist die klare Bedeutung von sattra z.B. 315, 2; 363, 12; 365, 1, 4; 388, 13. »Spion« macht sich nicht nur ungeschickt wegen der vielen Bezeichnungen und Arten dieses im Arthaśāstra überall umherkriechenden Geschmeißes, sondern ist auch ungenau; denn der »Hinterhältler« hat nicht den Zweck, einfach auszuschnüffeln, auch bringt er nicht selber um, wie der tīkṣṇa oder Bravo, der rasada oder Giftmischer, der gūḍhapuruṣa oder »Geheimmensch« im engeren Sinne usw., sondern er ist vor allem Lockspitzel. Wen die Neuprägung stört, setze also dies Wort dafür ein, das ich selber öfters verwende. – Der Eidschwur ist wohl gegenseitig: der Lockspitzel und der von ihm Angebohrte schwören einander die größte Verschwiegenheit zu.

4 Wörtl.: »ist ein adhārmika (Ungerechter, Gottloser usw.)«. Da bei dieser Probe der Priester die Hauptrolle spielt, so wird man bei dharma zunächst an die Religion denken müssen, so wenig sich auch Religion, Recht und Sittlichkeit, die ja alle mit dharma bezeichnet werden, in Indien auseinander halten lassen. Die bei dieser Prüfung rein Befundenen sollen ja als Richter angestellt werden.

5 »Kronprätendent aus des Königs Familie« ist allem Anschein nach der Sinn des so häufigen tatkulīna.

6 Das häufige avaruddha bezeichnet einen Mann, von dem der König fürchtet, dass er sich des Thrones bemächtigen wolle, und den er deshalb unschädlich zu machen sucht, besonders indem er ihn einkerkert (avaruddha) oder verbannt (aparuddha). Śaṅk. zu Kām. XVIII, 52 umschreibt das Wort mit nirvāsita. Aber das ist zu eng. Ich gebe es mit: eingekerkert, unterdrückt, verfeindet usw. wieder.

7 Also in Wirklichkeit die Regierung führt. Zu ekapragraha vgl. ekapragraha rājyasya 253, 16.

8 Oder: Wundermenschen, außerordentliche Menschen (vgl. 242, 9 wo aupapādika wohl Wunderereignis, etwas Außergewöhnliches bedeutet). Das Wort ist dunkel. Auch Gaṇ. weiß nichts Ordentliches zu bieten. Āṭavika hat hier wohl dieselbe Bedeutung wie 20, 14.

9 Möglich wäre auch: unter Zuhilfenahme der Begünstigung schlechter Menschen, d.h. analog dem vorhergehenden Fall soll der König ihn auffordern, schlechte Menschen zu befördern, und wenn er sich dann weigert, den Ungehorsamen davonjagen. Aber etwas ungewöhnlich wäre der Ausdruck dann schon. Siehe auch die folgende Anmerkung.

10 Wir haben uns wohl hinzuzudenken, dass der Feldmarschall, der für seine vorgebliche Begünstigung vermeintlich tüchtig viel klingende Münze empfangen hat, den Betreffenden vorstellen lässt: »Jeden kleinen irdischen Vorteil missgönnt einem dieser König Zur Armut verdammt er unsereins. Wir wollen einen zum König machen, der uns zu Geld und Gut kommen lässt.« So erschiene es auch unverdächtig, dass er die in Versuchung zu führenden bestechen will. Wäre aber der Feldmarschall wegen seiner schroffen Ehrlichkeit »in Ungnade gefallen«, dann ließe sich sein Verfahren nicht reimen.

11 Natürlich stellt sich der König, als habe er Angst, die Minister seien zu Verschwörerzwecken zusammengekommen. Von dieser Furcht oder Gefahr hat die Probe den Namen, zugleich aber auch von der Angst oder Gefahr, in der die festgenommenen Minister schweben.

12 Kāpaṭika ist ein Bettelvagabund und auch ohne das daneben stehende chāttra ein »fahrender Schüler« (s. Kauṭ. 17, 2; 18, 7ff.; 34, 9; 236, 11; 242, 3; 244, 14 usw.). Dem Sinne nach könnte man auch kārpaṭika Bettler, Landstreicher dafür setzen. Kāpāṭika (von kapaṭa Trug) und kārpaṭika (von karpaṭa Lumpen) ließen sich nicht streng auseinander halten.

13 Solche maitres de plaisir haben natürlich auch Hüterpflichten bei den ehelichen und außerehelichen Vergnügungen des Fürsten. Daher dürfen nur liebesfeuerfeste Männer genommen werden. Dass aber einfach Aufseher der Königinnen und Liebchen des Herrschers gemeint seien, wie Gaṇ. meint, stimmt nicht. Dazu wurden Verschnittene gebraucht.

14 Oder: »während er (doch vorher) in der Treue feststand«? Aber dhṛti bedeutet Beständigkeit, fester Wille. Jollys nāgatvāntar ist nicht gut. Gaṇ. liest nāgatvāntam: »und es möchte der Geist nicht umkehren (auf der eingeschlagenen schlimmen Bahn), ehe er zu seinem Ziel gelangt ist usw.«. Gerade diese wertvollen Willensstarken können also in dieser Weise verdorben werden und dem Fürsten verloren gehen. Shamasastris Lesart passt besonders gut in den Zusammenhang und konnte nicht so leicht aus jener entstehen wie jene aus ihr.

15 Adhiṣṭhāna wörtlich etwa »Operationsbasis«. Statt kārye liest Gaṇ. cārye »bei der Ausspionierung«. Aber cārya kommt in diesem Sinne sonst nirgends bei Kauṭ. vor und ist verdächtig. Amātya eigentlich Hausgenosse »Geselle«, bedeutet also allem Anschein nach weder in diesen drei letzten Kapiteln noch sonst oft bei Kauṭilya einfach Minister, obwohl ich es fast überall so übersetzt habe, sondern eher etwa: »Vertrauensmann«, und es könnte öfters mit mahāmātra »hoher Würdenträger« gleichgesetzt werden. So bezeichnet es 22, 12 die 18 tīrtha des Fürsten. Auch Familienangehöriger und Unterkönig heißt es bei ihm (312, 8; 345, 5; 360, 6; 398, 13). – Auch hier zeigt sich Kauṭilyas Hirn und Herz im besten Lichte, wie z.B. in den schönen Ausführungen des bald folgenden 17. Kapitels. Er hält es also nicht mit manchem unter seinen Landsleuten und mit Anselmo im Don Quijote (I, Kap. 33). Siehe mein Daśakumārac 103, Anm. 2.

A1 Die listigen Proben fordert z.B. auch MBh. XV, 5, 14 (amātyān upadhātītān); II, 5, 43; Rām. II, 100, 26.

A2 Dass solch unzuverlässige Leute an diese Vertrauensposten gestellt werden sollen, kommt auch M. spanisch vor; denn in VII, 62 macht er aus den aśucīn kurzer Hard śucīn. Dort heißt es: »Von diesen (wohlgeprüften amātya) soll er die mutigen, geschickten, aus edler Familie entsprossenen in Staatsgeschäften anstellen, die ehrlichen in ākara und Fabriken (karmānta), die furchtsamen in den inneren Gemächern«. vgl. Viṣ. III, 16ff.; Y. I, 321. In den ākara Aufseher zu sein, ist nach der Smṛti eine Sünde und Schande für den Brahmanen. Siehe M. XI, 64; Viṣ. XXXVII, 22; Y. III, 239. Auch nach der Stelle aus Śankha, die Govinda zu B. I,5, 61 zitiert, sind die ākara unrein. Andererseits erklären B. I, 5, 50 (= I, 5, 9, 3) und Viṣ. XXIII, 48 alle ākara seien rein außer den Likörfabriken (surākara). Nach den Scholiasten sind ākara Herstellungsstätten (utpattisthāna) von Zucker, Salz usw., und zu Viṣ. XXXVII, 22 bemerkt Nandapaṇḍita, ākara sei suvarṇarajatādyutpattisthāna, fährt aber fort, das sarva davor deute an, dass auch die Herstellungsstätten von Zeug (vastra) usw. eingeschlossen seien. Danach schiene ākara von ākaroti herantun, hervorbringen zu kommen (ākurvanty asmin, wie das Schol. zu Paṇini III, 3, 118 sagt). Bei Kauṭ. hat ākara sonst seinen gewöhnlichen Sinn (z.B. 81, 13ff.), und hier steht ja khani Fundstelle von Edelsteinen oder Metallen. In der Smṛti wird jedenfalls ākara zugleich Fund- und Bearbeitungsstätte für Metalle und Edelsteine sein. Diese umfassende Bedeutung hat ākara wohl auch in der von Nandap. und Jolly missverstandenen Stelle Viṣ. III, 52–55: »Und der König übe nicht Güterkonfiskation. Er zerstöre nicht die Quellen der Nahrung« (was durch allzureichlichen Vermögensraub geschähe; wer der Kuh das Euter abschneidet, bekommt keine Milch, wie MBh. XII, 70, 16 dem Fürsten zu Gemüte führt) ... »Er ziehe alles aus den Fund- und Herstellungsstätten.« Ādyadvārāṇi sind kaum »die Haupteinnahmequellen«. Ādya die Nahrung findet sich z.B. auch in M. VII, 129, und zu den acht Friedens- oder konstruktiven Werken des Fürsten (saṃdhānakarman) gehören ja auch die zwei: khanyākarakarādāna nach Nīl.'s Zitat zu MBh. II, 5, 22; III, 268, 11. Nun wird im Kauṭ. das a privativum ungezählte Male verkehrt gesetzt. Sarvatra śucīn wäre also eine naheliegerde Änderung, und śuci ehrlich hat auch das Arthac. oft. So bekämen wir: »Leute, die in allen Stücken ehrlich sind, möge er in Minen ... anstellen.« Diese müssten dann nur als redlich bekannt sein, brauchten aber nicht den genannten Proben unterworfen zu werden.

A3 Ebenso wird mahāmatta und amacca im Pali öfters als gleichbedeutend angesehen. Fick, Soz. Glied. 99, Anm. 1."

[Quelle: Kauṭilya: Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben : das Arthaśāstra des Kauṭilya / [aus dem Sanskrit übersetzt und mit Einleitung und Anmerkungen versehen von] Johann Jakob Meyer [1870-1939]. -- Leipzig, 1926. -- Digitale Ausgabe in: Asiatische Philosophie. -- 1 CD-ROM. -- Berlin: Directmedia, 2003. -- (Digitale Bibliothek ; 94). -- S. 14 - 17]


2.141.53. Unter vier Augen


22a./b. pañca triṣv aṣaḍakṣīṇo yas tṛtīyādyagocaraḥ

पञ्च त्रिष्व् अषडक्षीणो यस् तृतीयाद्यगोचरः ।२२ क।

Die nächsten fünf Begriffe kommen in den drei grammatischen Geschlechtern vor.

अषडक्षीण - aṣaḍakṣīna 3.: "nicht unter sechs Augen = unter vier Augen" ist was für einen Dritten usw. nicht wahrnehmbar ist.


Colebrooke (1807): "The next five terms admit the three genders. Secret. Unknown to a third person."


अषडक्षीण - aṣaḍakṣīna 3.: "nicht unter sechs Augen = unter vier Augen"



Abb.: अषडक्षीणौ । Damayantī und der Schwan / von Raja Ravi Varma (രാജാ രവി വര്‍മ) <1848 - 1906>
[Bildquelle: Wikimedia. -- Public domain]


Abb.: अषडक्षीणौ । Purūravas und Urvaśī / von Raja Ravi Varma (രാജാ രവി വര്‍മ) <1848 - 1906>
[Bildquelle: Wikimedia. -- Public domain]


2.141.54. Einsam, geheim


22c./d. vivikta-vijana-cchanna-niḥśalākās tathā rahaḥ
23a./b. rahaś copāṃśu cāliṅge rahasyaṃ tadbhave triṣu

विविक्त-विजन-च्छन्न-निःशलाकस् तथा रहः ॥२२ ख॥
रहश् चोपांशु चालिङ्गे रहस्यं तद्भवे त्रिषु ।२३ क।

[Bezeichnungen für einsam / geheim:]

  • विविक्त - vivikta 3: getrennt, isoliert, einsam
  • विजन - vijana 3: menschenleer, einsam
  • छन्न - channa 3: bedeckt, verborgen
  • निःशलाक - niḥśalāka 3: frei von Mainas1 = frei von ausplappernden Vögeln
  • रहस् - rahas n.: Geheimes, Geheimnis
  • रहस् - rahas Adv.: geheim, heimlich
  • उपांशु - upāṃśu Adv.: "beim Soma" = leise, still, heimlich

Colebrooke (1807): "Solitary, or private."


1 शलाक =  सारिका = Acridotheres tristis Linnaeus, 1766 - Common Myna - Hirtenmaina: ist bekannt dafür, dass er Stimmen nachmachen kann


Abb.: शलाकः =  Acridotheres tristis Linnaeus, 1766 - Common Myna - Hirtenmaina, Kolkata - কলকাতা, West Bengal
[Bildquelle: J. M. Garg / Wikimedia. -- GNU FDLicense]


विविक्त - vivikta 3: getrennt, isoliert, einsam



Abb.: विविक्तौ । Hanumān und Sītā
[Bildquelle: ISKCON desire tree. -- http://www.flickr.com/photos/iskcondesiretree/3797486667/. -- Zugriff am 2011-04-07. -- Creative Commons Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Nutzung, keine Bearbeitung)]


विजन - vijana 3: menschenleer, einsam



Abb.: विजनम् । Rāma, Sītā und Lakṣmaṇa kommen zum Einsiedler Atri, Himachal Pradesh, ca. 1830
[Bildquelle: Asian Curator at The San Diego Museum of Art. -- http://www.flickr.com/photos/asianartsandiego/4838520094/. -- Zugriff am 2011-04-07. -- Creative Commons Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Nutzung, keine Bearbeitung)]


रहस् - rahas Adv.: geheim, heimlich



Abb.: रहः । Arjuṇa und Subhadrā / von Raja Ravi Varma (രാജാ രവി വര്‍മ) <1848 - 1906>
[Bildquelle: Wikimedia. -- Public domain]


उपांशु - upāṃśu Adv.: "beim Soma" = leise, still, heimlich



Abb.: उपांशु । Liebespaar, Delhi, ca. 1725
[Bildquelle: Asian Curator at The San Diego Museum of Art. -- http://www.flickr.com/photos/asianartsandiego/4835698323/. -- Zugriff am 2011-04-07. -- Creative Commons Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Nutzung, keine Bearbeitung)]


2.141.55. Im Geheimen


23a./b. rahaś copāṃśu cāliṅge rahasyaṃ tadbhave triṣu

रहश् चोपांशु चालिङ्गे रहस्यं तद्भवे त्रिषु ।२३ क।

Wenn etwas sich im Geheimen befindet, heißt das रहस्य - rahasya 3: geheim, im Geheimen, n.: Geheimnis


Colebrooke (1807): "Occurring in private."


 रहस्य - rahasya 3: geheim, im Geheimen, n.: Geheimnis



Abb.: रहस्यौ । Die Apsaras Menakā betört den Ṛṣi Viśvāmitra / von Raja Ravi Varma (രാജാ രവി വര്‍മ) <1848 - 1906>
[Bildquelle: Wikimedia. -- Public domain]


2.141.56. Vertrauen


23c./d. samau visrambha-viśvāsau bhreṣo bhraṃśo yathocitāt

समौ विस्रम्भ-विश्वासौ भ्रेषो भ्रंशो यथोचितात् ॥२३ ख॥

[Bezeichnungen für Vertrauen:]

  • विस्रम्भ - visrambha m.: Vertrauen
  • विश्वास - viśvāsa m.: Aufatmen, Zuversicht, Vertrauen

Colebrooke (1807): "Trust or confidence."


विस्रम्भ - visrambha m.: Vertrauen



Abb.: विस्रम्भः । Śakuntalā schreibt in Gegenwart ihrer Freundin einen Brief an Duṣyanta / von Raja Ravi Varma (രാജാ രവി വര്‍മ) <1848 - 1906>
[Bildquelle: Wikimedia. -- Public domain]


विश्वास - viśvāsa m.: Aufatmen, Zuversicht, Vertrauen



Abb.: विश्वासः । Madurai - மதுரை, Tamil Nadu
[Bildquelle: Ed Mitchell. -- http://www.flickr.com/photos/edmittance/434034206/. -- Zugriff am 2011-04-07. -- Creative Commons Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Nutzung, share alike)]


"9. Vom Vertrauen.

viśvāsād dhi paraṃ rājan
rājñām utpadyate bhayam [Mbh] 12, 139, 2.

„Aus dem Vertrauen erwächst den Königen die größte Gefahr."

Es wird gestattet sein, den allgemeinen Teil mit einem Kapitel zu schließen, dem in unseren Lehrbüchern oder Grundrissen, die mehr das Staatsrecht als die politische Psychologie im Auge haben, meines Wissens kein Platz eingeräumt wird, während die indische Fabelliteratur und Bhīṣmas Lehren gerade diesem Punkte eingehende Aufmerksamkeit gewidmet haben. Immerhin geht auch aus Äußerungen unserer Staatsmänner hervor, dass Vertrauen und Misstrauen keine zu vernachlässigenden Eigenschaften des Politikers sind. Bismarck, selbst ganz aus Misstrauen zusammengesetzt, sagt an einer Stelle seiner Erinnerungen (3, S. 18), „dass ein Monarch ohne einiges Misstrauen erfahrungsmäßig nicht fertig werden könne", und eine Anekdote aus Friedrich des Großen Gesprächen enthält ganz das, was die Inder lehren96.

Es wird von den indischen Politikern dem Könige geraten, Freund und Feind ständig zu beobachten97 und auch den Verwandten gegenüber Vorsicht zu bewahren98. Einen unvorsichtigen König überwältigt die Welt. Ein böser Mensch kann gut, ein guter kann gefährlich, ein Feind zum Freunde, ein Freund zum Feinde werden. Unbeständigen Sinnes ist der Mensch, wer könnte sich je auf ihn verlassen? Seine wichtigsten Pflichten soll der König darum selbst vollziehen. Volles Vertrauen zerstört Dharma und Artha, allzu großes Misstrauen ist schlimmer als der Tod, Vertrauen ein vorzeitiger Tod. Wer vertraut, geht zugrunde. Wem er Vertrauen schenkt, von dem macht er sein Leben abhängig. Darum muss er einigen gegenüber stets voll Vertrauen und voll Sorge sein. Das ist der stete Gang der Politik, den er zu beachten hat. Er muss sich vor dem hüten, der vermutlich bei seinem Tode seinen Besitz gewinnt ; den erklären die Klugen als seinen Feind99. Wer gar sich mit dem Feinde verbündet und ruhig schläft, gleicht einem Manne, der auf einem Baumwipfel einschläft und beim Erwachen herunterfällt100.

Es wird, statt weitere Stellen hinzuzufügen, zweckmäßig sein, um die Anschauung und das feine Verständnis der Inder für psychologische Fragen zu schildern, eine Fabel einzuschalten, die dem Könige zeigen soll, dass natürliche Feinde immer Feinde bleiben, auch wenn sie gelegentlich zu bestimmten Zwecken Bundesgenossen werden, und ihn belehren, wie er sich inmitten verschiedener Feinde klug verhalten muss. Der Leser, andere Formen der Erörterung gewöhnt, wolle sich erinnern, dass die Fabel in Indien eben ein wichtiges Mittel der Belehrung und dort gegebenenfalls nützlicher als gelehrte Erörterungen erschienen ist.

„In einem tiefen Walde, so lautet die [Mbh] 12, 138, 19 ff. im Anschluss an eine ähnliche Belehrung erzählte Geschichte101, stand ein großer Nyagrodhabaum, bedeckt von einem Netz von Schlingpflanzen und von allerlei Vogelscharen bevölkert. An seinem Fuße wohnte eine kluge Maus, Palita genannt, die sich dort eine Höhle mit hundert Ausgängen gemacht hatte; auf einem seiner Zweige behaglich eine Katze (Kater), Lomaśa mit Namen, die sich von den Vogelscharen nährt. Dorthin kam allabendlich ein Cāṇḍāla, der im Walde eine Hütte hatte, und stellte nach Sonnenuntergang seine Schlingen auf. Wenn er seine aus Sehnen gefertigten Schlingen sachgemäß ausgelegt hatte, ging er wieder heim, schlief behaglich, und in der Morgendämmerung kehrte er wieder. Nachts fingen sich dort allerhand Tiere, einmal auch versehentlich die Katze. Als Palita seinen großen Feind, diesen Mordgesellen, gefangen sah, nahm er die Zeit wahr und spazierte sorglos einher. Wie er im Walde ruhig umherstreift, um Nahrung zu suchen, erblickte er den Köder, stieg auf die Falle und verzehrte ihn. Er lachte in seinem Herzen über den gefangenen Feind und beschäftigte sich mit dem Köder; da sieht er bei einem Aufblick einen andern gefährlichen Feind in der Nähe, einen Ichneumon, Harina mit Namen, beweglich, mit roten Augen, wie ein Blütenbüschel vom Rohr, in einer Höhle liegen. Er war auf den Geruch von der Maus eilig herbeigekommen und hockte, wegen der Speise sich leckend, sein Maul emporrichtend auf der Erde. Weiter sah er in einer Höhlung auf einem Ast einen andern Feind, eine Nachteule, mit scharfem Schnabel, Candraka mit Namen. So war er in den Bereich beider gekommen und dachte angesichts der großen Gefahr bei sich: „Das Unheil ist groß; der Tod ist nahe, Gefahr droht von allen Seiten: was soll man da zu seiner Rettung tun? . . Springe ich rasch zur Erde, so wird mich der Ichneumon fressen, bleibe ich, dann frisst mich Eule oder Katze, wenn diese ihrer Fesseln ledig wird. Aber ein in den Lehrbüchern der Politik Beschlagener geht selbst bei schwerem Unheil nicht unter. Jetzt sehe ich keinen andern Ausweg als die Katze. Mein Feind befindet sich in schlimmer Lage; ich kann ihm viel nützen . . darum will ich mich auf meinen Feind, die Katze, stützen. Mit Hilfe des Nītiśāstra will ich ihm seinen Vorteil schildern. Gelingt es, dem Toren den Nutzen begreiflich zu machen, so wird er vielleicht mit mir in seinem Unglück ein Bündnis schließen. Die Lehrer sagen: ,Wer sich aus übler Lage retten will, soll Gemeinschaft auch mit einem Feinde, der von einem Starken bedrängt ist, machen.' Besser ein kluger Feind als ein törichter Freund. Mein Leben hängt jetzt von der feindlichen Katze ab." . . Darauf sprach die der Weisheit des Artha und der rechten Zeit für Krieg und Frieden kundige Maus zur Katze: ,Ich begrüße dich freundschaftlich. Bist du noch am Leben, Katze? Ich wünsche, dass du lebst; denn das ist unser beider Glück. Sei nicht in Furcht; denn du sollst glücklich leben. Wenn du mich nicht töten willst, will ich dich retten. Es gibt ein, allerdings schwer anwendbares Mittel, wodurch du die Befreiung erlangen kannst und ich mein Heil. . . Ichneumon und Eule sind in böser Absicht gekommen, trauen sich aber nicht heran, darum bin ich für jetzt in Sicherheit. Krächzend blickt die Eule mit ihren beweglichen Augen von der Spitze des Astes auf mich; vor der fürchte ich mich sehr. Man schließt Freundschaft durch sieben Schritte, du bist mein kluger Freund. Wir wollen zusammen wohnen; für dich besteht heut keine Gefahr, aber du vermagst die Fesseln nicht zu zernagen. Wenn du mich nicht töten willst, werde ich es tun. Du lebst auf der Spitze des Baumes, ich an der Wurzel. Du weißt, wir wohnten lange bei diesem Baum. Weise loben die ängstlichen Leute nicht, die niemandem vertrauen und bei niemandem Vertrauen genießen. Darum soll unsere Freundschaft zunehmen und ständig zwischen uns Gemeinschaft sein. Kluge Leute haben keine Freude an Dingen, die erst nach dem rechten Augenblick geschehen. Vernimm meinen sachgemäßen Plan. Ich wünsche dein Leben und du das meinige. Einer kreuzt einen tiefen, großen Strom auf einem Stück Holz. Er hilft dem Holz hinüber und das Holz ihm. So soll unser Übereinkommen sein. Ich werde dich retten und du mich."

Katze102: „Ich freue mich, Heil dir, der du mein Leben wünschest. Weißt du ein Mittel zur Rettung, so wende es unverzüglich an. Ich bin ins Unglück geraten, du noch tiefer. Wir müssen beide sofort ein Bündnis im Unglück schließen; ich will rechtzeitig tun, was Erfolg verspricht. Errettest du mich aus der Not, so wird dein Handeln nicht vergebens sein. Ich habe allen Stolz abgelegt, bin dein anhänglicher, auf dein Wohl bedachter Schüler, ich folge deinem Befehl und deinem Schutz."

Maus: „Du bist edel; bei einem deiner Art nicht verwunderlich. Vernimm, welchen Weg ich, mir zum Heil, vorhabe. Ich werde unter dich kriechen, von dem Ichneumon droht eine große Gefahr. Schütze mich, töte mich nicht, dann bin ich imstande, dich zu bewahren. Und schütze mich vor der Eule; die niedriggesinnte begehrt nach mir; ich schwöre, ich werde deine Fesseln zernagen."

Katze: „Komm schnell, Heil dir! Du bist mein Freund, mir teuer wie das Leben. Durch deine Freundlichkeit werde ich gewiss mein Leben retten. Was ich in dieser Lage für dich tun kann, sage es mir, ich will es tun. Zwischen uns soll ein Bund sein. Von meiner Not befreit, will ich mit der Schar meiner Freunde und Verwandten dir alles zu Lieb und Nutzen tun. Dennoch, wer reichlich vergilt, steht noch nicht dem ersten Wohltäter gleich; denn jener handelt nur, um wieder zu vergelten, dieser aber aus freien Stücken."

Nachdem die Maus der Katze so ihren eigenen Nutzen begreiflich gemacht hatte, begab sie sich unter die Brust des Bösewichts. Von der Katze des Vertrauens in dieser Weise versichert, schlief die kluge an der Brust der Katze ruhig, als wenn sie bei Vater und Mutter wäre. Ichneumon aber und Eule, die die Maus unter der Katze geborgen sahen, verloren die Hoffnung . . sie sahen, dass beide um eines Geschäftes willen ein Bündnis geschlossen hatten und gingen ein jedes schnell in seine Behausung. Unter der Katze geborgen begann die orts- und zeitkundige Maus, die Zeit abwartend, langsam die Fesseln zu zernagen. Als aber die von den Fesseln gedrückte Katze, die es eilig hatte, die Maus so ohne alle Eile die Fesseln zernagen sah, fing sie an, den langsamen Palita anzutreiben: „Warum beeilst du dich nicht, mein Lieber, denkst du geringschätzig darüber, nachdem du dein Ziel erreicht hast? Zernage die Fesseln, ehe der Jäger kommt."

Maus: „Sei still, keine Eile, keine Unruhe! Ich kenne den geeigneten Zeitpunkt und werde ihn nicht vergessen. Eine Sache, im unrechten Augenblick unternommen, gereicht nicht zu großem Vorteil. Wenn ich dich zur Unzeit befreite, entstünde mir gerade von 'dir Gefahr. Darum warte die Zeit ab. Warum hast du es so eilig, Freund? Wenn ich den Cāṇḍāla mit dem Messer in der Hand kommen sehe, zernage ich deine Fesseln. . . Da wirst du befreit auf den Baum klettern; denn etwas anderes als dein Leben hast du nicht zu besorgen. . ."

Katze: „Gute Wesen lieben nicht in der Art ihren Freundschaftsdienst zu erzeigen. Wie du von mir schnell aus der Not gerettet worden bist, musst du auch mir schnell Liebes erweisen. Sorge, dass uns beiden Rettung zuteil wird. Oder denkst du an frühere Feindschaft und willst Zeit gewinnen? Siehe dich vor, du arger; (durch dieses Übelwollen) verkürzest du deutlich dein Leben. Nimm dir das nicht zu Herzen, wenn ich aus Unkenntnis dir früher irgend etwas Böses getan haben sollte; ich bitte um Entschuldigung, vergib mir."

Maus: „Ich verstehe, dass du dein Interesse wahrnimmst; du begreifst, wenn ich auch das meine wahrnehme. Eine Freundschaft, die nur aus Besorgnis geschlossen und von Furcht begleitet wird, bedarf der Vorsicht wie eine Hand vor dem Schlangenmund. Wer sich bei einem mit einem Mächtigen geschlossenen Bündnis nicht vorsieht, dem gerät dies, gleich unzuträglicher Speise, nicht zum Nutzen. Niemand ist des anderen Freund, niemand des anderen Vertrauter: nach dem Vorteil richtet sich Feindschaft und Freundschaft. Vorteil wird von Vorteil ,eingefangen', wie der Waldelefant von dem gezähmten. Ist eine Sache ausgeführt, schenkt man dem keine Beachtung mehr, der sie ausführte. Darum muss man alle Dinge bis auf einen gewissen Best tun. In diesem Augenblick hast du noch Furcht vor dem Cāṇḍāla und bist, nur auf die Flucht bedacht, nicht imstande mich zu haschen."

Während die beiden Unglücksgenossen so sprachen, ging die Nacht zu Ende, und Lomaśa befiel Furcht. Da im Morgengrauen erschien . . furchtbar anzuschauen, das Messer in der Hand, der Cāṇḍāla103. Die Katze erschrak, als sie den erblickte, der ihr wie ein Bote des Todesgottes erschien, und sprach zu der Maus in ihrer Angst: „was wirst du jetzt tun?" Da zernagte die Maus die letzte Fessel, befreit sprang die Katze auf einen Baum . . . Palita lief in seine Höhle . . . der Cāṇḍāla nahm sein Netz, sah sich nach allen Seiten um, wartete enttäuscht einen Augenblick und ging heim.

Darauf sprach Lomaśa , von der Gefahr befreit und im Besitz seines kostbaren Lebens, vom Gipfel des Baumes zu dem in seiner Höhle steckenden Palita: „Du bist ohne irgendeine Verständigung plötzlich davon. Du bist doch nicht argwöhnisch gegen mich, deinen dankbaren Schützling? Du gewannst mein Vertrauen und schenktest mir das Leben, warum kommst du nicht zu mir zur Zeit, wo man seinen Freund genießt? Wer erst Freundschaft schließt und sie dann nicht hält, der ist bösgesinnt und gewinnt in der Not nur schwer Freunde. Meine Freunde und Verwandten werden alle dich, wie Schüler ihren Meister, lieben. Sei Herr über mich und mein Haus und gebiete über meinen ganzen Besitz. Sei mein Meister, unterweise mich. Von mir droht dir keine Gefahr, ich schwöre es dir bei meinem Leben. . .'"

Maus: „Ich habe alles vernommen, höre auch meine Meinung. Seine Freunde kennen und seine Feinde verstehen, ist eine sehr subtile und von den Klugen geschätzte Sache in der Welt. Freunde werden zu Feinden und Feinde zu Freunden. Durch Verträge gebunden, nehmen sie nicht wahr, dass sie Liebe und Zorn unterstehen. In Wirklichkeit findet man weder einen Freund noch einen Feind. Nach Maßgabe des Zweckes entstehen Freunde und Feinde. Wer bei des anderen Leben Nutzen und bei dessen Tode Schädigung erblickt, wird, bis der umgekehrte Fall eintritt, dessen Freund sein. Es gibt keine sichere Freundschaft und keine dauernde Feindschaft . . . der eigene Vorteil entscheidet. Wer den Freunden traut, den Feinden misstraut, wer, ohne seinen Vorteil zu erkennen, seinen Sinn auf Freundschaft richtet, gleich ob bei Freund oder Feind, ist verwirrten Sinnes. Einem des Vertrauens Unwürdigen soll er nicht vertrauen, einem Vertrauenswürdigen nicht zu sehr vertrauen: aus Vertrauen entsteht Gefahr, die die Wuzeln abschneidet. . . Auf eine Veranlassung hin wird einer zum Freunde, auf eine Veranlassung hin zum Feinde; dem Vorteil folgt die ganze Welt. Nicht ist irgendeiner des anderen Freund. . . Unsere Freundschaft ist aus besonderer Veranlassung entstanden. Hört die Veranlassung auf, ist es mit Freundschaft zu Ende. Was anders soll ich als Grund deiner Liebe ansehen, als dass ich dir zur Nahrung dienen soll? Ich weiß Bescheid. Der Verlauf der Zeit ändert den Grund, der eigene Vorteil folgt ihm nach. Ein Kluger kennt seinen Vorteil, die Welt folgt dem Klugen. Du musst so nicht zu einem Sachkundigen sprechen, der sich auf den eigenen Vorteil versteht. . . Wie die Wolken, so wechseln (die Umstände) alle Augenblick ihre Gestalt. Heut warst du erst mein Feind, heut wurdest mein Freund, heut bist du wieder mein Feind: siehe die Wandelbarkeit der Gründe. Wir hatten Freundschaft miteinander, solange ein Grund bestand. Sie ist mit dem durch die Zeit bedingten Grunde geschwunden. Du bist, von Natur mein Feind, durch die Verhältnisse zur Freundschaft mit mir gekommen. Nach Beendigung des Geschäftes ist die Natur zur Feindschaft zurückgekehrt. Wie sollte ich bei Kenntnis der Lehrbücher ihrem wahren Inhalt nach deinetwegen in eine Schlinge gehen? Durch deine Kraft bin ich befreit, du durch die meine. Wir haben einander eine Gunst erwiesen, und nun ist unsere Gemeinschaft am Ende. . ."

Die Unterredung verläuft weiter in gleichem Sinn. Palita schließt sie mit den Worten: „Du bist gut, ich habe den Sinn verstanden und traue einem Freunde nicht. Nicht durch Lob, noch durch viel Geld kannst du mich wieder gewinnen. Kluge begeben sich ohne Grund nicht in die Gewalt ihres Feindes." Uśanas verfasste hier zwei Verse: „Hat einer in einer gemeinsamen Angelegenheit ein Bündnis mit einem Stärkeren (Feinde) geschlossen, so muss er aufmerksam nach den Umständen verfahren und nach erledigtem Geschäft kein Vertrauen hegen . . . er soll anderen stets Vertrauen einflößen, ihnen selbst aber nicht vertrauen. Darum muss er in allen Lagen sein Leben schützen. . ." „Die Quintessenz der Lehrbücher der Politik ist: Misstrauen ist aufs höchste geschätzt. Darum schafft Misstrauen gegen die Menschen einem allerlei Gutes; Misstrauische lassen, selbst wenn sie schwach sind, sich von den Feinden nicht fesseln; Vertrauensselige, selbst wenn sie stark sind, auch von Schwachen. . ."

In den der Fabel folgenden Versen wird die Notwendigkeit der Klugheit für den, der mit seinem Feinde ein Bündnis schließt, nochmals kurz zusammengefasst: „Ein Furchtsamer soll verfahren, als wenn er keine Furcht hätte; ein Misstrauischer, als wenn er Vertrauen hätte. Ein Vorsichtiger gerät nicht in Verwirrung, ein Verwirrter geht zugrunde. Zur rechten Zeit ist mit einem Feinde ein Bündnis zu schließen, zur rechten Zeit mit einem Freunde Krieg zu führen;" so sagen stets die Kenner der Bündnispolitik (12, 138, 206).

Gesprochen ist hier von dem allgemeinen Misstrauen gegen andere und besonders von seiner Notwendigkeit gegenüber natürlichen Feinden; es wird aber noch besonders dann empfohlen, wenn einer dem andern oder zwei sich gegenseitig Übles angetan haben. Ein Gespräch zwischen dem Vogel Pūjanī und König Brahmadatta führt das näher aus (12, 139, 16 ff.). Brahmadatta's Sohn hatte in übermütigem Spiel das mit ihm gleichzeitig herangewachsene und wie er mit süßen Früchten gespeiste Kind des Vogelweibchens Pūjanī getötet und war von ihr zur Vergeltung des Augenlichtes beraubt worden. Eine ausführliche Unterredung zwischen dem Könige und Pūjanī, die im Begriff ist, das Land des Königs trotz seines Abredens zu verlassen, legt die Gründe für ihre Absicht dar: „Mit einem Kṣatriya besteht keine Gemeinschaft, weder Liebe noch Freundschaft. Wenn sie Veranlassung haben, schmeicheln sie und lassen fallen, wenn ihr Ziel erreicht ist. . . Die Klugen billigen nicht, dass einer, der einmal ein Unrecht begangen hat, noch an demselben Ort verweilt, sondern halten seine Flucht für angezeigt. Trotz freundlicher Zusicherungen darf man einem nicht trauen, mit dem man in Feindschaft stand. Ein Tor lässt sich schnell einfangen, denn die Feindschaft legt sich nicht. . . Misstrauen gegen alle einstigen Feinde ist der Anfang der Wohlfahrt104. . ."

Fußnoten:

96 Gespräche Friedrich II., herausgeg. von Oppeln-Bronikowski (Volz), S. 139: „Wissen Sie die Geschichte eines Vaters in der Normandie, der auf seinem Sterbebette seinem Sohne Lehren gab und ihm sagte: ,Mein Sohn, ganz trauen darfst du' — der Vater hielt ein, und dar Sohn fragte: ,Wem, mein Vater!' Der Vater antwortet: ,keinem Menschen'."

97 Mbh. 12, 56, 41: 1. Durch offene Beobachtung (pratyakṣeṇa, d. i. upakāra oder apakāra), 2. Schlussfolgerung (Beobachtung des Ausdrucks in Gesicht und Auge), 3. Vergleich (Verhalten in anderen Fällen) usw., 4. āgamaiḥ (Kenntnisse in bezug auf äußere Zeichen wie Stimme usw.).

98 Das Verhalten gegenüber den Verwandten ist Gegenstand besonderer Vorschriften, von denen unten gesprochen wird.

99 Mbh. 12, 80, 7 ff.; 93, 37 ff.

100 Mbh. 12, 140, 37.

101 Die Erzählung steht, viel kürzer, im Kathāsaritsāgara 33 (Benfey, Pañcatantra, S. 544 ff.; Orient und Occident I, S. 583). Die Wiederholung einzelner Stellen im Text dieser hier nur im Auszug gegebenen Geschichte lässt vermuten, dass im Mbh. verschiedene Versionen zusammengeflossen sind oder der ursprüngliche Text stark interpoliert ist.

102 Mit Rücksicht auf den Raum lasse ich die sehr charakteristische Schilderung der Katze und ihres Aussehens weg, ebenso öfter die verbindenden Teile der Rede, wodurch der sachliche Inhalt nicht beeinträchtigt wird, der Reiz der Erzählung allerdings etwas verlorengeht. Die wiederholte Betonung der Lehrbuchkunde der Maus macht ihre Klugheit dem jungen Hindu besonders eindrucksvoll.

103 Die Beschreibung des Cāṇḍāla erinnert an die des Jägers in Pañcatantra 2.

104 Der König würde die Blendung des Sohnes und den Schmerz nie vergessen. Mbh. 12, 140, 20 lehrt, dass man auch mit einem Undankbaren sich nicht einlassen dürfe. So lange dieser nach gleichem Ziele strebe, würde er uns nützen, nach getaner Arbeit aber gering achten.

[Quelle: Hillebrandt, Alfred <1853-1927>: Altindische Politik : eine Übersicht auf Grund der Quellen. -- Jena : Fischer, 1923. -- (Die Herdflamme ; Bd. 7). -- S. 39 - 49.]


Zu kṣatriyavarga I. -- Vers 23d - 32