Materialien zur buddhistischen Ethik

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"Güte (mettâ) und Mitgefühl (karu*nâ)"

Kapitel 8: Besonderheiten des Mahâyâna


von Alois Payer

mailto:payer@well.com


Zitierweise / cite as:

Payer, Alois <1944 - >: Materialien zur buddhistischen Ethik.  --   Kapitel 8: Besonderheiten des Mahâyâna. -- Fassung vom 6. März 1996. -- URL: http://www.payer.de/buddhethik/ethbud08.htm. -- [Stichwort].

Letzte Überarbeitung: 6. März 1996

Anlaß: Lehrveranstaltung Ethik des Buddhismus, Univ. Tübingen, SS 1993

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Übersicht



0. Zugrundegelegter Text

The Buddhist tradition in India, China & Japan / ed. by Theodore de Bary. - New York : Vintage, 1972. - S. 73-85

Weiterführende Ressourcen:

'Sântideva: Eintritt in das Leben zur Erleuchtung (Bodhicaryâvatâra) / übers. von Ernst Steinkellner. - Köln : Diederichs, 1981. - (DG ; 34)


1. Neuerungen des Großen Fahrzeugs


Stark schematisiert!

  1. Bodhisattva-Ideal
  2. überirdische Gnadenspender
  3. gleichzeitig unzählig viele Buddhas
  4. drei Seinsweisen eines Buddha:
    1. irdischer Erscheinungsleib
    2. überirdischer "Genußleib"
    3. Leib der Lehre
  5. Nicht-Zweiheits-Lehre
  6. Kult

2. Das Bodhisattva-Ideal


Beispiel eines Bodhisattvagelübdes:

"Ich gelobe, daß ich, wenn ich die erlösende Einsicht erlange, die Gelegenheit zurückweisen werde, in die Seligkeit des Nirvâ.na einzutreten, und mich aus freiem Willen der Wiedergeburt im Kosmos unterziehe, um dort als Quelle des Beistands und der Ermutigung für andere fühlende Wesen zu dienen, bis die Zeit gekommen ist, da nicht ein einziges mehr im Kreislauf von Geburt und Tod gefangen ist. Wie viele Äonen es auch dauern mag, bis alle bereit sind, in letztendliche Seligkeit einzutreten, ich werde nicht vor ihnen eintreten, denn wer weiß, wie viele von ihnen meine Mutter oder andere meiner lieben in früheren Leben gewesen sind."


3. Versuch eines Buddhismus mitten in der Welt: der Won-Buddhismus


Won-Buddhismus:

Ein Hauptproblem des koreanischen Buddhismus ist seine Verwurzelung mitten in der Welt. Gewiß, um den Christen nicht nachzustehen, gibt es z.B. so etwas wie einen politischen Buddhismus. Trotzdem blieb der koreanische Buddhismus weitgehend ein Buddhismus der Berge und Tempel.

An diesem Problem setzt der Won-Buddhismus an. Ihn könnte man u.a. als Versuch eines Buddhismus mitten in der Welt beschreiben. Der Won-Buddhismus wurde im April 1916 von Sotesan gegründet. Sotesan war das, was man im Großen Fahrzeug als Buddha bezeichnet: er erreichte Erlösung und erkannte selbst seine Prinzipien. Später sah er die Ähnlichkeiten zum bestehenden Buddhismus, weswegen diese Richtung als Won-Buddhismus bezeichnet wurde. Die vier grundlegenden Prinzipien des Won-Buddhismus sind:

  1. richtige Einsicht und rechtes Verhalten
  2. Pflege der Dankbarkeit und dankbaren Vergeltung
  3. praktische Anwendung des Buddhismus
  4. selbstloser Dienst an der Gemeinschaft der Menschen.

Der Won-Buddhismus betont, daß man den Buddhismus mit dem praktischen täglichen Leben verknüpfen muß. Es ist falsch, sich in ein mönchisches Leben in den Bergen aus der Welt zurückzuziehen. Buddhismus muß auch die materielle Zivilisation gestalten. Won-Buddhismus ist als Religion für die Massen gedacht. Es wird kein Unterschied gemacht zwischen Mönch und Laie, Verheiratetem und Zölibatär. Männliche Funktionäre (Mönche) tragen deshalb im Allgemeinen auch keine besondere Standeskleidung wie andere buddhistische Mönche. Für weibliche Funktionäre (Nonnen) hat sich allerdings die Alltagskleidung der 20er-Jahre zur Tracht entwickelt. Theoretisch wird auch kein Unterschied zwischen Mann und Frau gemacht. Faktisch ist es aber so, daß weibliche Funktionäre (Nonnen) des Won-Buddhismus unverheiratet sein müssen. Fragt man nach den Gründen, kommen alle bekannten Rollenklischees zum Vorschein: verheiratete Frauen können sich - im Unterschied zu verheirateten Männern - nicht ihrer Funktionärsaufgabe voll widmen. Auch ist es für WonBuddhisten trotz aller theoretischen Erklärungen noch unvorstellbar, daß die Spitzenpositionen in der Organisation von Frauen besetzt werden.

Besucht man die Won-Buddhisten in ihrem Hauptquartier in Iri, dann werden einem stolz die vielen sozialen Einrichtungen vorgeführt, die Won-Buddhisten betreiben: Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Waisenhäuser, Altersheime usw. Die Zentren des Won-Buddhismus liegen mitten in den Industriestädten.

Das tägliche Leben, das Won-Buddhisten führen sollten, sieht so aus: Täglich um 5 Uhr aufstehen, dann innerliches Glaubensbekenntnis, Sitzmeditation, Lektüre der Hl. Schrift des Won-Buddhismus, Körperübungen uund Saubermachen. Am Schluß macht man einen Plan für den Tag. Tagsüber erfüllt man seine Pflichten an seinem Arbeitsplatz und im Alltagsleben und versucht, möglichst viel Gutes für das Gemeinwohl zu tun. Abends um 21.30 erforscht man, was man tagsüber falsch getan hat, zieht daraus die Konsequenzen, liest fromme Texte und geht um 22 Uhr zu Bett.

Der Won-Buddhismus ist ausgesprochen ökumenisch. Stolz zeigt man im Hauptquartier die Bilder von den häufigen Besuchen des Apostolischen Nuntius und als Krönung von dem persönlichen Besuch des Papstes.


4. Heiligt der Zweck die Mittel? - Geschicklichkeit in der Wahl der Mittel (upâyakau`salya)


Weiterführende Ressourcen:

Rosenkranz, Gerhard: Upâyakau'salya als Methode buddhistischer Ausbreitung. - In: Theol. Literaturzeitung. - 85 (1960). - Sp. 815-22
wieder abgedruckt in:
Rosenkranz, Gerhard: Religionswissenschaft und Theologie. - München : Kaiser, 1964. - S. 101-109

Upâyakau`salya:

doppelte Wahrheit

Upâyakau`salya knüpft an niedere Wahrheit an, um von da aus zur Läuterung und höchsten Wahrheit zu führen

Lotus-Sutra (Saddharmapu.n.darîka-Sûtra), III: Gleichnis von in brennendem Haus spielenden Kindern.

"Wenn ein Bodhisattva einem Wesen zum Entstehen der Wurzel des Guten verhülfe und dabei Böses beginge, infolge dessen er viele hunderttausend Weltzeitalter in einer Hölle braten müßte, dann muß der Bodhisattva es lieber auf sich nehmen, dieses Böse zu begehen und das Leiden der Hölle zu ertragen, als das Gute eines einzelnen Wesens zu vernachlässigen."

(Upâyakau`salyasûtra)


Zu Kapitel 9: Mönchsethik. Erlösung und Ethik