"Güte (mettâ) und Mitgefühl (karu*nâ)"
Zitierweise / cite as:
Payer, Alois <1944 - >: Materialien zur buddhistischen Ethik. -- Kapitel 9: Mönchsethik; Erlösung und Ethik. -- Fassung vom 7. März 1996. -- URL: http://www.payer.de/buddhethik/ethbud09.htm. -- [Stichwort].
Letzte Überarbeitung: 7. März 1996
Anlaß: Lehrveranstaltung Ethik des Buddhismus, Univ. Tübingen, SS 1993
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Payer, Alois: Materialien zum buddhistischen Erlösungsweg
Visuddhimagga XIV, 32: Der buddhistische Weg zur Erlösung wird im Bild eines Baumes dargestellt:
Je stärker ein Baumstamm wird, desto stärkere Wurzeln muß er bilden -> Interrelation von Ethik und Einübung der Einsicht (vipassanâ).
S I, 13 (Ja.tâsutta): Grundvers und Auslegungsvers des Visuddhimagga (="Weg der Reinheiten"):
sîle pati.t.thâya naro sapañño
citta.m pañña.m ca bhâvaya.m
âtâpî nipako bhikkhu
so ima.m vija.taye ja.ta.m
"Wenn ein weiser Mann, fest gründend auf Sittlichkeit, Bewußtsein und Einsicht entfaltet, ein eifriger, besonnener Mönch, dann kann er dieses Gewirr entwirren."
Die edle Wahrheit vom zur Leidensbeendigung führenden Weg:
- Entsagung
- Wohlwollen
- Nichtschädigung von Lebewesen
- Für Laien: ein Lebensunterhalt, der anderen kein Leid verursacht; z.B. nicht: Handel mit Waffen, Lebewesen, Fleisch, Rauschmitteln, Gift; Metzger, Jäger, Fischer, Tierfänger, Henker, Kerkermeister
- Für Mönche / Nonnen: Leben von Almosen ohne faule Tricks
- Entfaltung der 4 unbegrenzten Haltungen (Wohlwollen, Mitgefühl, Mitfreude, Gleichmut)
- Betrachtung über die Sittlichkeit ("Meine Sittlichkeit ist ungebrochen, befreiend, von den Weisen gepriesen, zur Sammlung führend")
- Betrachtung über die Freigebigkeit ("Es ist für mich von Vorteil, daß ich freigebig bin")
(Die Nummerierung der Pfadglieder (besser: Komponenten des Pfades) bedeutet keine zeitliche Aufeinanderfolge!!)
Motiv, Mönch zu werden, nach der akzeptierten Ideologie:
"Eng ist das Leben im Hause, ein Weg des Schmutzes / der Leidenschaft. Es ist nicht leicht, wenn man im Hause wohnt, den ganz reinen heiligen Wandel zu führen."
Reinheit der Sittlichkeit für einen Mönch / eine Nonne nach Visuddhimagga I,42 (Nachweise aus dem Tipi.taka s. dort)
- Pâtimokkhasa.mvara: Eindämmung durch genauestes Beachten der Ordensregeln
- Indriyasa.mvara: völliges Zügeln der Sinnesorgane (durch die ja "Durst" bedingt wird)
- Âjîvapârisuddhi: Reinheit des Lebensunterhalts: nicht als Arzt, Wahrsager usw., nur durch Almosengang; keine faulen Tricks, um besonders Gutes oder besonders viel zu bekommen
- Paccayanissita: auf die vier Requisiten des Mönchs / der Nonne bezogener rechter Gebrauch: Kleidung (cîvara), Almosenessen (pi.n.dapâta), Wohnung (senâsana), Medizin (bhesajja)
- Fakultativ: Dhuta°nga: asketische Praktiken wie Wohnen unter freiem Himmel usw.
Aufbau des Pâtimokkha:
- 4 Pârâjika: Vergehen, durch die ein Mönch ipso facto aufhört, Mönch zu sein
- 13 Sa°nghâdisesa: Vergehen, die zeitweilige Exkommunikation bewirken: die Mönchsgemeinde muß zu Beginn aund am Ende der Exkommunikation zusammentreten
- 2 Aniyata: Vergehen, auf denen je nach Lage des Falls verschiedene Strafen stehen
- 30 Nissagiya-pâcittiya: Vergehen, bei denen ein Mönch etwas entgegen den Ordensregeln erhalten und angenommen hat: Weggeben dieses Gegenstandes + Buße
- 92 Pâcittiya: Vergehen, die Buße erfordern
- 4 Pâ.tidesanîya: Vergehen, die gebeichtet werden müssen
- 75 Sekkhiya: Benimmregeln
(= 220 Regeln; dazu kommen noch 7 Verfahrensregeln)
Pâtimokkha (Ordensregeln):
- als Ausdruck asketischer Sittlichkeit: Auslegung: nach Geist, maximalistisch
- als Strafrecht, um Ansehen und guten Ruf des buddhistischen Ordens zu erhalten: Auslegung: nach Buchstabe, Humanitätsprinzip
Der vollkommen Erlöste steht über der Sittlichkeit: er kann tun was er will:
- Hauptströmungen des Buddhismus: ein vollkommen Erlöster will nämlich nichts, was gegen die Sittlichkeit ist (sonst wäre er kein vollkommen Erlöster)
- Mahâyâna: upâyakau`salya eines Bodhisattva: ein Bodhisattva wird (aufgrund seiner Einsicht) u.U. aus Mitleid etwas tun, was gegen die Sittlichkeit ist, um so zum Wohle von jemandem zu wirken
- Vereinzelt im Mahâyâna: Anomismus: "unlimited action" sog. mad monks (s. Jung-kwang: The mad monk : paintings of unlimited action. - Berkeley, CA : Lancaster, 1979)
- keine falschen Ansichten
- keine Zweifel bezüglich Buddha, Dhamma, Sa°ngha
- kein Nichteinhalten der 5 Trainingspunkte der Sittlichkeit
Ein Sotâpanna wird höchstens noch siebenmal wiedergeboren, aber nicht in untermenschlichen Existenzformen
- Wie Sotâpanna plus:
- geschwächt: Gier, Haß, Verblendung (d.h. die Wurzeln)
Ein Sakadâgâmî wird als Mensch höchstens noch einmal wiedergeboren
- Wie Sakadâgâmi plus:
- keine Gier nach Sinnlichem
- kein Übelwollen
Ein Anâgâmî wird nicht mehr in Kâmaloka wiedergeboren
- Wie Sotâpanna plus:
- keine Gier
- keine soziale Feldabhängigkeit (Einbildung, Minderwertigkeitsgefühl ...) (mâna)
- keine Aufgeregtheit (uddhacca)
- keine Wiedergeburt bewirkende Unwissenheit (avijjâ)
Zu Kapitel 10: Anwendungen buddhistischer Ethik