Der Buddhismus - eine atheistische Religion

Vortrag

(Ludwigsburger Fassung)


von Alois Payer

mailto: payer@well.com


Zitierweise / cite as:

Payer, Alois <1944 - >: Der Buddhismus -- eine atheistische Religion : Vortrag (Ludwigsburger Fassung). -- Fassung vom 11. November 1999. -- URL: http://www.payer.de/einzel/buddhath2.htm. -- [Stichwort].

Erstmals veröffentlicht am: 11.11.1999

Überarbeitungen:

Anlass: Vortrag an der Fachhochschule Ludwigsburg, Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen am 11.11.1999 im Rahmen der Ethik-Reihe "Welche Wahrheit(en) braucht der Mensch?"

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Diesen Vortrag widme ich dem Andenken an

Prof. Dr. Wolfgang Gröbner
1899 - 1980

ordentlicher Professor für Mathematik an der Universität Innsbruck ab 1947. Er wäre am Tag dieses Vortrags (11.11.1999) 100 Jahre alt geworden.

Dem von ihm gegründeten und gegen alle pfäffischen Intrigen verteidigten "Gröbnerkreis", der Weltanschauungsfragen gewidmet war und an dem ich von 1963 bis 1965 teilnehmen durfte, verdanke ich entscheidende Impulse für mein ganzes Leben. 


Grüezi mitenand!

Ich hoffe, dass wir zusammen vergnügliche Nachmittagsstunden verbringen werden. Der Buddha Gotama hat gewirkt, um die Menschen zu lehren, Leiden zu vermindern und zu beenden. Es wäre also eine große Perversion, wenn durch einen anödenden, langweiligen bzw. ärgerlichen Vortrag über den Buddhismus das Leiden auf der Welt vermehrt würde.

Den Buddhismus gibt es ebenso wenig wie das  Christentum. Es gibt viele, nur teilweise kompatible Richtungen des Buddhismus. Fast allen ist gemeinsam, dass sie sich irgendwie auf die Begründung durch Gautama Buddha (Tod zwischen 543 v. Chr. und 380 v. Chr.) zurückführen.

Ich selbst stehe von meiner Sympathie, meiner Biographie und meiner Beschäftigung her dem sog Theravâdabuddhismus am nächsten, dem Buddhismus der die vorherrschende Religion in Sri Lanka, Myanmar (Burma), Thailand, Laos und Kambodscha ist. Ich werde aber versuchen, im Folgenden nur solches zu bringen, von dem ich glaube, dass es Vertreter aller (oder zumindest der meisten) Richtungen des Buddhismus einigermaßen akzeptieren können.


Ob Buddhismus eine Religion, eine Weltanschauung, eine Erlösungslehre, Lebenslehre, Lebenskunst oder was sonst ist, ist eine Frage der Definition von Religion. Diese Frage ist für uns hier ziemlich egal, da es nicht um ein staatskirchenrechtliches Gutachten geht. Für ein solches würde ich selbstverständlich Religion so weit fassen, dass möglichst viele in den Genuss staatskirchenrechtlicher Privilegien kommen können. Auf die Stellung des Buddhismus zu und unter den anderen Religionen werde ich am Schluss eingehen.


Ich kann und will niemandem vorschreiben, wen und was er als Gott bezeichnet und was demzufolge atheistisch, gottlos ist. So bleibt es selbstverständlich jedem Theologen unbenommen, zu zeigen, dass nach seinem Gottesverständnis der Buddhismus doch nicht atheistisch ist.

Buddhismus ist sicher nicht atheistisch in dem Sinne, dass er übermenschliche Wesen mit extrem langer Lebensdauer und einem Leben in großer Glückseligkeit leugnet. Ganz im Gegenteil, die Existenz solcher Götter ist für den Buddhismus eine Selbstverständlichkeit. Für die buddhistische Überlieferung ist wichtig, dass übermenschliche Wesen - Gottheiten - dem Buddha Ehre erwiesen und so Buddhas Hervorragendheit und Einzigartigkeit zeigten. Wenn man sagen würde, dass Buddhisten ja auch den Buddha zumindest im Laufe der Geschichte vergöttlicht haben, so ist dies nicht richtig. Ein Buddha steht für Buddhisten weit über allen Göttern, insofern er aus sich die Gesetzmäßigkeiten der Wirklichkeit, denen auch Götter unterliegen, erkannt hat. Einen Buddha vergöttlichen, hieße ihn verniedlichen!

In welchem Sinne ist also Buddhismus atheistisch?

Ich wähle hier als Bezugstext Martin Luthers Auslegung des ersten Gebotes im Großen Katechismus von 1529. (Der vollständige Text ist online zugänglich unter der URL: http://www.payer.de/fremd/luther.htm ).

Zum ersten Gebot "Du sollst nicht andere Götter haben" schreibt Luther:

"Was heißt einen Gott haben oder was ist Gott? Antwort: Ein Gott heißt das, dazu man sich versehen soll alles Guten und Zuflucht haben in allen Nöten; also, dass einen Gott haben nichts anderes ist, denn ihm von Herzen trauen und glauben. wie ich oft gesagt habe, dass allein das Trauen und Glauben des Herzens beide macht, Gott und Abegott. Ist der Glaube und Vertrauen recht, so ist auch dein Gott recht; und wiederum wo das Vertrauen falsch und unrecht ist, da ist auch der rechte Gott nicht. Denn die zwei gehören zu Haufe, Glaube und Gott. Worauf du nun (sage ich) dein Herz hängst und verlässest, das ist eigentlich dein Gott.

Darum ist nun die Meinung dieses Gebots, dass es fordert rechten Glauben und Zuversicht des Herzens, welche den rechten einigen Gott treffe und an ihm allein hange. Und will so viel gesagt haben: siehe zu und lasse mich allein deinen Gott sein und suche ja keinen andern; das ist: was dir mangelt an Gutem, des versieh dich zu mir und suche es bei mir, und wo du Unglück und Not leidest, kriech und halte dich zu mir. Ich will dir genug geben und aus aller Not helfen, lass nur dein Herz an keinem andern hangen noch ruhen."

Luther bringt im Folgenden einige Beispiele von Abegöttern, an die man häufig sein Herz hängt, die einen aber enttäuschen, weil sie unbeständig sind. Gedanken, denen Buddhisten voll und ganz folgen können:

Geld (Mammon); Kunst, Klugheit, Gewalt, Gunst, Freundschaft, Ehre; Gelübde und gute Werke.

Luthers Gott ist aber ein persönlicher Gott:

"Das sei aber den Einfältigen gesagt, dass sie den Verstand dieses Gebotes wohl merken und behalten, dass man Gott allein trauen und sich eitel Gutes zu ihm versehen und von ihm gewarten soll, als der uns gibt Leib, Leben, Essen, Trinken, Nahrung, Gesundheit, Schutz, Friede und alle Notdurft zeitlicher und ewiger Güter, dazu bewahrt vor Unglück und, so etwas widerfährt, rettet und aushilft; also dass Gott (wie genug gesagt) allein der ist, von dem man alles Gute empfängt und alles Unglücks los wird."

Im Sinne der Leugnung der Existenz eines solchen ewigen (nicht ausfallen könnenden), allmächtigen Gottes ist nun der Buddhismus in der Tat atheistisch. Ein Buddhist braucht z.B. nicht die Existenz der Hl. Dreifaltigkeit, des christlichen Gottes, zu leugnen. Auch braucht er nicht die Offenbarungen, die diese Hl. Dreifaltigkeit von sich gibt in ihrer Authentizität zu leugnen. Das einzige, was ein Buddhist leugnen wird, ist, dass die Hl Dreifaltigkeit ein wahn- und verblendungsloses Selbstbild hat, wenn sie von sich meint, dass sie ewig, beständig, allwissend und allmächtig ist. Denn auch die Hl. Dreifaltigkeit unterliegt dem Gesetz von Karma und Wiedergeburt, von Werden und Vergehen. Wir alle haben die Möglichkeit, dereinst zu einer Hl. Dreifaltigkeit zu werden, wenn wir die karmischen Voraussetzungen dafür erfüllen und die Planstelle gerade frei ist.

Allerdings wird ein Buddhist dem Irrtum der Hl. Dreifaltigkeit bezüglich ihrer Seinsweise sehr wohlwollend gegenüberstehen: wenn man eine so lange und so glückliche Existenz hat wie die Hl Dreifaltigkeit, ist es extrem schwierig zu sehen, dass man selber auch die Merkmale aller bedingt entstandenen Wirklichkeit - unbeständig, leidvoll, nicht mein - besitzt. Wenn man selbst sieht wie oft man Abegöttern verfällt, wird man als jemand der selbst im Glashaus sitzt nicht mit Steinen auf die Hl. Dreifaltigkeit werfen, die sich selbst zum Abegott im Sinne Luthers macht.

Damit haben wir das Stichwort: Buddhismus ist im Sinne Luthers insofern atheistisch, als für den Buddhisten alle Götter, auch der Gott der Juden, Christen, Muslime oder Hindus,  Abegötter sind, wenn man sein Herz an sie hängt.

Mit diesem Atheismus löst sich für den Buddhismus auch das Problem der Theodizee auf, der Rechtfertigung Gottes angesichts des Leidens in der "Schöpfung": Eugen Drewermann (1993) argumentiert theologisch:

Ein Gott, der alles kann, aber nichts tut, ist nicht glaubwürdig angesichts von unendlich viel Leid auf Erden.

Einen Gott, der alles kann, gibt es nach der Erfahrung der Buddhisten nicht.


Ich will nun stufenweise zu diesem atheistischen Buddhismus hinführen. Damit wird dann auch die Frage nach der Stellung dieses Buddhismus zu und unter den Religionen leichter beantwortbar.


Um einige häufige Missverständnisse von vornherein abzuwehren, will ich zunächst einmal ein paar negative Aussagen machen:


Ausgangspunkt des Buddhismus ist die Erfahrung von Leiden, konkret von Alter, Krankheit und Tod, Zusammentreffen und Zusammensein mit etwas, was man nicht mag, etwas Unangenehmen, Widerwärtigen, Getrenntsein und Getrenntwerden von dem, was man mag, und die Frustration, wenn man etwas erreichen oder haben möchte und es nicht bekommt. Das ist der Ausgangspunkt.

Dazu behaupten Buddhisten, dass sie eine Lösung dafür haben, nämlich Einsicht in die Bedingungen von Leiden und Aufhebung dieser Bedingungen. Wenn etwas schon existiert, kann man nichts dagegen tun. Man kann nur etwas, was in der Zukunft sein könnte, vermeiden, indem man die Bedingungen dafür nicht setzt. Bedingung für Leiden ist das Sich-Selbst-Durchsetzen, die Selbstverwirklichung, die Gier, eben all das, was unsere Welt im Gange hält. Diese Selbstverwirklichung, dieses Sich-Selbst-Durchsetzen wird durch Selbst-Losigkeit überwunden. Selbstlosigkeit als solche ist nichts Außergewöhnliches. Wie viele sind doch selbstlos für Gott, Kaiser und Vaterland gefallen! Wie viele haben selbstlos für irgend etwas sich gegenseitig die Köpfe eingehauen und ihren eigenen Kopf hingehalten! Das Entscheidende an der buddhistischen Sicht von Selbstlosigkeit ist, dass die Selbstlosigkeit nicht in ein höheres Selbst, eine höhere Einheit integriert wird: nicht in eine mystische Einheit mit Gott, dem All, nicht in den Willen Gottes, aber auch nicht in den Buddhismus, in Buddhas Willen oder dergleichen. Das ist schwierig. Natürlich kann ich auch im Namen des Buddhismus etwas machen, z.B. Andersdenkende verfolgen; dabei bin ich ganz selbstlos. Aber das wäre genau das Verkehrte. Es ist eine Selbstlosigkeit ohne Integration in eine höhere Einheit, in der man dann zwar selbst selbstlos ist, die aber als solche alles andere als selbstlos ist. Buddhismus ist nach meinem Verständnis eine Anleitung, den Weg zu dieser Art von nichtintegrativer Selbst-Losigkeit zu gehen. Dazu muss man Gesetzmäßigkeiten, Regelmäßigkeiten kennen. So wie man, um einen elektrischen Apparat zu bauen, eine Ahnung von den Gesetzmäßigkeiten der Elektrizität haben muss, so muss man, um den Weg zur Befreiung vom Leiden durch Selbstlosigkeit, Gierlosigkeit gehen zu können, die Gesetzmäßigkeiten des Entstehens von Leid, von Gier und von Selbstdurchsetzung kennen.

Die erste Stufe dieser Gesetzmäßigkeiten ist das, was man als Karma bezeichnet. Karma bedeutet ja nicht, dass meine Frau einmal Kleopatra war, ich der Löwe der Kleopatra (und dass wir dann beide in "Asterix und Kleopatra" verfilmt wurden). Karma heißt, dass wir zu sehen lernen, wie oft wir uns selbst Leiden schaffen. Wir drücken das ja auch in unserer Sprache aus: "Ich rege mich über etwas auf." Mich regt nichts auf, aber ich rege mich darüber auf. Das verdirbt mir meine ganze Laune, macht mich grantig und bereitet mir eine Menge Leid. "Ich bin frustriert." Warum? Weil ich mir selbst irgendwelche Flöhe in den Kopf gesetzt habe. Diese Einsicht nenne ich Karmasicht. Das ist etwas ganz anderes als Karma-Ideologie. Wir machen die Karmasicht, die Anleitung, Leiden zu vermindern, kaputt, wenn wir daraus eine Ideologie machen und sagen, auch wenn wir gar keinen Zusammenhang sehen: Das wird schon irgendwie Karma sein. Das ist Blödsinn. Das ist schädlich. Das ist Quatsch. Karma ist aber kein Quatsch: es ist eine Sichtweise, die uns eine wichtige Ursache von Leiden erfahrbar erkennen lässt.


Wer ist ein Buddhist?

Nach traditionellem Verständnis aller buddhistischen Überlieferungen und Denominationen wird man ein Buddhist durch die dreifache Zuflucht zu Buddha, seiner Lehre und der Gemeinschaft derer, die Buddhas Lehre verwirklicht und so die Erlösung realisiert haben.

Dies geschieht mit der dreimal wiederholten Formel:

"Ich nehme Zuflucht zum Buddha

Ich nehme Zuflucht zum Dhamma / Dharma (zur Lehre)

Ich nehme Zuflucht zum Sangha (zur Gemeinschaft)"

Diese dreifache Zuflucht ist äußerst wichtig, um auf dem Weg zur Erlösung die nötige Motivation, Energie und Ausdauer zu haben.

Es gab und gibt ja eine unüberschaubare Zahl von Weisheitslehrern und Religionsstiftern. Es ist unmöglich, allen einzeln zu folgen, um zu erproben, was ihre Lehren taugen. So muss man eine Auswahl treffen. Die Persönlichkeit eines solchen Lehrers muss als besonders vertrauenswürdig erscheinen, sodass man sich auf ihn einlassen kann und will. Für das Vertrauen des Buddhisten kommt es also auf Buddhas existentielle und didaktische Kompetenz als Erlösungslehrer an. Ein Buddha zu sein, ist die bestmögliche Existenzform, und ein Buddha steht als Lehrer der Götter und Menschen auch weit über allen übermenschlichen Wesen. Seine Autorität beruht auf seiner eigenen Erfahrung und Einsicht und leitet sich nicht von jemandem anderen ab, der ihn gesandt hat.

Buddha ist für die Buddhisten wie ein Arzt, der die Diagnose stellt und Heilungsmaßnahmen verschreibt. Ob der Patient die Heilungsmaßnahmen sachgemäß anwendet, ist Sache des Patienten und liegt nicht in der Macht des Arztes. Oder, um ein anderes buddhistisches Gleichnis zu verwenden, Buddha ist wie jemand, der einen Weg weist. Ob der andere diesen Weg geht, ist dessen Sache und nicht die des Wegweisenden.

Dieses Vertrauen, dieser Glaube, ist der Inhalt der ersten Zuflucht, der Zuflucht zu Buddha.


Das Wesentliche für Buddhisten ist aber nicht eine Erlöserpersönlichkeit im "dass ihres Gekommenseins" (Bultmann), sondern die Erlösungslehre, die es dem Einzelnen ermöglicht, den Weg zur Erlösung selbst zu gehen und so Erlösung selbst zu verwirklichen. Dazu muss man von dieser Lehre vorläufig - d.h. solange man noch nicht aus eigener Erfahrung weiß, dass sie zum Ziel führt - so überzeugt sein, dass man die Energie aufbringt, diese Lehre auf ihren Wahrheitsgehalt zu testen. Dies ist der Inhalt der zweiten Zuflucht, der Zuflucht zur Lehre Buddhas, oder dem Dharma / Dhamma, wie diese Lehre auf Sanskrit bzw. Pali heißt.


Auch der beste Lehrer und die beste Lehre sind für mich nutzlos, wenn sie für einen normalen Sterblichen nicht nachvollziehbar sind. Deshalb ist es wichtig, überzeugt zu sein, dass es auch andere auf diesem Weg geschafft haben. Dies ist der Inhalt der dritten Zuflucht, der Zuflucht zur Gemeinschaft derer, die auf dem Weg Buddhas zur Erlösung gelangt sind, auf Sanskrit bzw. Pali zum Sangha.


Diese Dreifache Zuflucht, das Ein-Buddhist-Werden, muss nun aber nicht am Anfang des buddhistischen Weges zur Minimierung und schließlich Beendigung von Leid stehen. Es wäre zutiefst unfreundlich und ungütig, wenn man jemand Leidenden zur Bedingung für die Hilfe machen würde, dass er zunächst einmal formal ein Buddhist werden müsste. Umgekehrt: wenn der buddhistische Ratschlag ihm hilft, dann ist das vielleicht für ihn Motiv, auch formal Buddhist zu werden.


Wenn Gotama Buddha lehrte, dann knallte er den Leuten nicht die Vier Edlen Wahrheiten um die Ohren, sondern ging stufenweise vor. Ein häufiges Schema dieses Vorgehens war, dass Buddha zuerst Lockerungsübungen lehrte, dann erst Erlösung.

Diese Lockerungsübungen dienen letztlich der Auflockerung der Fesseln durch unsere ganze Selbstsucht, Selbstdurchsetzung


Die erste Lockerungsübung ist Freigebigkeit, und zwar ganz normale materielle Freigebigkeit. Wir können schon bei kleinen Kindern beobachten, wie wichtig Freigebigkeit zur Überwindung der Egozentrik ist. Natürlich hat die Betonung der Freigebigkeit im Buddhismus auch einen Hintergedanken: der buddhistische Orden ist von der Freigebigkeit der Laien abhängig. Da der buddhistische Orden immer schon aus Menschen wie Du und ich bestand, hat dieses aufs eigene Überleben bezogene Motiv immer auch eine Rolle bei der Empfehlung von Freigebigkeit gespielt. Aber das ist nicht alles: Freigebigkeit, bei der die richtige Einstellung entscheidend ist, ist Ausdruck von Nichtgier und Nichthass. Freigebigkeit ist so eine Lockerungsübung, um sein Festhalten, sein Anhaften, seine Gier, seine Aggression zu vermindern. Der Geber erfährt unmittelbar die Vorzüge der Freigebigkeit: er wird seiner Mitwelt lieb und angenehm, Menschen und Tiere mögen ihn, er kann selbstsicher, ohne Befangenheit auftreten, er ist eine angesehene Person. Das ist Karma. Freigebigkeit ist eine sehr wichtige Lockerungsübung, wir dürfen sie nicht unterschätzen und sie beiseite legen, um angeblich zu den zentraleren Punkten des Buddhismus vorzudringen. Doch Freigebigkeit ist nicht genug!


Die zweite Lockerungsübung sind die Trainingspunkte der Sittlichkeit. Man kann die ganze buddhistische Laienethik als Form der Freigebigkeit zusammenfassen: als die freigebige Gabe der Angstlosigkeit und Furchtlosigkeit. Kurz zusammengefasst lautet die gesamte buddhistische Ethik so: 

Ich trainiere ein solches Verhalten, dass meine Mitwelt vor mir möglichst keine von mir verursachte Angst und Furcht haben muss. 

Das ist die ganze buddhistische Ethik. Und Sie sehen: es ist eine reine Sozialethik. Allerdings klingt diese Formulierung sehr abstrakt. Jemand, der im harten Erwerbsleben steht, hat nicht die Zeit, sich die Anwendungen dieses Prinzips im Einzelnen zu überlegen. Deshalb ist die buddhistische Laienethik in fünf Übungspunkten spezifiziert.   Im einzelnen bedeutet dieses ethische Prinzip also:

  1. ich trainiere ein solches Verhalten, dass meine Mitwelt von mir keine Verletzung ihrer körperlichen Unversehrtheit befürchten muss -- das ist der erste Übungspunkt der Sittlichkeit: Enthaltung vom Töten von Lebewesen
  2. ich trainiere ein solches Verhalten, dass meine Mitwelt von mir nicht Verletzung von Besitz und Eigentum, von Hab und Gut befürchten muss -- das ist der zweite Übungspunkt der Sittlichkeit: Enthaltung von Diebstahl
  3. ich trainiere ein solches Verhalten, dass andere von mir nicht die Verletzung erotisch-sexueller Treueversprechen oder sexuelle Gewalt und sexuell-erotische Verletzungen befürchten müssen -- das ist der dritte Übungspunkt der Sittlichkeit: Enthaltung von sexuell-erotischem Fehlverhalten (auch dies rein sozialethisch)
  4. ich trainiere ein solches Verhalten, dass meine Mitmenschen nicht befürchten müssen, von mir betrogen, hintergangen, denunziert, verbal verletzt oder zum Gegenstand von Geschwätz gemacht zu werden -- das ist der vierte Übungspunkt der Sittlichkeit: Enthaltung von Lügen, Hintertreiberei, Denunziation, verbalen Grobheiten, Klatsch und Geschwätz
  5. ich trainiere ein solches Verhalten, dass die Gesellschaft und die von mir Abhängigen nicht befürchten müssen, dass ich schuldhaft meinen sozialen Verpflichtungen nicht nachkomme, weil ich ein Drogenabhängiger werde -- das ist der fünfte Übungspunkt der Sittlichkeit: Enthaltung von Rauschmitteln, die Anlass zu Nachlässigkeit sind. 

Man könnte die ganze buddhistische Laienethik auch positiv ausdrücken. Dies ist im Bekenntnis der Deutschen Buddhistischen Union (DBU) sehr schön ausgedrückt:

"Zu allen Wesen will ich unbegrenztes Wohlwollen, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut entfalten, im Wissen um das Streben aller Lebewesen nach Glück."

Bei der Entfaltung einer solchen Einstellung beginnt man am besten mit sich selber: Wohlwollen usw. gegenüber sich selber: Wenn einem am Morgen aus dem Spiegel ein verknittertes, muffiges Gesicht entgegenschaut, dann denkt man: "Loisl, möge es Dir heute gut gehen, mögest Du frei von Anfeindungen sein ...". Dann dehnt man diese Einstellung allmählich aus auf Wesen, bei denen es einem relativ leicht fällt, dann auf Wesen, bei denen es einem schwer fällt, von der Heiligen Dreifaltigkeit bis zu armen Teufeln in irgendeiner Hölle.

Ein wichtiger Begriff ist dabei das Einüben, das Entfalten. Es ist kein Alles-oder-Nichts-Standpunkt. Ein solcher Standpunkt würde immer wieder zu neuem Leid führen. Wenn ich z.B. ein Geschäftsmann wäre und beschlösse, ab sofort nicht mehr zu betrügen, dann wäre dies wahrscheinlich einer der guten Vorsätze, mit denen bekanntlich der Weg zur Hölle gepflastert ist. Wenn ich aber 1998 meine Betrügereien um 20 Prozent heruntersetze, dann ist das schon ein toller Erfolg.

Trainingspunkte der Sittlichkeit sind etwas zum geduldigen Einüben, es sind keine Gebote. Würde ich mir jetzt in den Kopf setzen: die buddhistischen Grundsätze der Sittlichkeit sind toll, ab heute halte ich sie ein, dann wäre dies der Anfang von Frust, und damit neuem Leid, also das Gegenteil einer Lockerungsübung. So etwas wäre auch eine Allmachtsträumerei. Und wie wir später noch sehen werden, ist eine ganz wichtige buddhistische Einsicht, dass es niemand Allmächtigen gibt, der Herr über die Situation ist.

Der Nutzen der Einstellungen des Wohlwollens, des Mitgefühls, der Mitfreude und des Gleichmuts und der daraus fließenden Gedanken, Worte und Werke kommt zunächst und in erster Linie dem zu, der diese Haltung in Gedanken, Worten und Werken entwickelt. Aversionen, Grausamkeiten, Neid und fehlender Gleichmut plagen vor allem den, der solche negativen Einstellungen hat. Wie sehr kann uns Neid umtreiben! Wie aus solchen Einstellungen kommende Worte, Taten und Verhalten beim Adressaten ankommen, das haben wir ziemlich wenig in der Hand. Mißverständnisse, böswillige Fehlinterpretationen unserer Handlungen gehören zu unserer täglichen Erfahrung.


Nun eine dritte Lockerungsübung: die Relativierung der Freuden und des Glücks. Diese Funktion erfüllten im alten Buddhismus unter anderem die Himmel. Warum? Dazu gibt es eine wunderschöne Story, egal ob sie historisch stimmt oder nicht. Ein Mönch zu Buddhas Zeiten geht morgens auf den Almosengang, sieht eine junge Frau, entbrennt in heißer Leidenschaft für sie, geht zu Buddha und sagt diesem: "Ich habe heute ein Weib gesehen, da halte ich es im Orden nicht mehr aus, ich muss aus dem Orden austreten." Buddha fragt: "War diese Frau schön?" "Ja, wunderschön. Mindestens so schön wie Claudia Schiffer." Wie reagiert Buddha? Nicht so, wie wir es vermutlich täten. Buddha erinnert den Mönch nicht daran, dass auch diese Frau einmal alt und weniger schön wird. Er sagt auch nicht, dass hinter der schönen Figur vielleicht eine richtige Bißgurn (= Reibeisen)  steckt. Nein, Buddha weiß, dass all dies bei einem verliebten Gockel nichts nützt. Statt dessen hat Buddha diesen Mönch in einen Himmel versetzt: dort waren Göttinnen, eine fescher als die andere. Dann kam der Mönch aus dem Himmel wieder zurück. Da sagt ihm der Buddha. "Du wolltest doch aus dem Orden austreten, das können wir jetzt machen." Doch der Mönch wollte nicht mehr. "Du hast doch dieses tolle Weib bei deinem Almosengang gesehen!" "Ach was, so toll ist die ja nun auch wieder nicht." Wir sehen: das Bessere ist des Guten Feind. Heute brauchen wir für diese Relativierung keine Himmel mehr dafür. Wir erfahren das in unserer schnelllebigen Zeit täglich: unsere ganze Wirtschaft und Gesellschaft beruht ja darauf, dass wir immer Besserem und Neuerem nachrennen. Jetzt haben wir es erwischt und in fünf Jahren halten wir es für schlecht, minderwertig usw. Man sieht daran: Das Bessere ist des Guten Feind. 

Diese Relativierung der Freuden und des Glücks ist eine Lockerungsübung, die vielleicht zur vierten Lockerungsübung führt, die einem hilft einzusehen, dass alles Gute doch ein bisschen hohl und leer ist. 

Dann könnte man sich in einer fünften Lockerungsübung Gedanken machen über den Vorteil von Entsagung.


Ich stelle diese Lockerungsübungen hintereinander dar, weil ich sie in einem Vortrag nicht anders als in einer Zeitreihe darstellen kann. Das bedeutet aber nicht, dass sie in der Realität des Lockerungstrainings auch so hintereinander stehen sollten. Nein, sie sind miteinander verzahnt.


Neben all dem Gesagten gibt es noch einen Komplex von Lockerungsübungen. Sie werden sich bestimmt schon wundern, dass bis jetzt noch gar nichts über Meditation gesagt wurde. Dabei ist doch Meditation nach geläufigem Verständnis das A und O des Buddhismus. Der Komplex von Lockerungsübungen, den ich nun erwähnen werde, ist der Komplex Ruhigwerdemeditation. Diese Lockerungsübung ist im Gegensatz zu den zuvor genannten Lockerungsübungen nicht notwendige Bedingung für die Erlösung, sondern nur förderliche Bedingung. Ruhigwerdemeditation kann helfen, Gelassenheit, Gleichmut zu erreichen, und damit einen Abstand zur Wirklichkeit, der hilfreich ist, das, was wir als Wirklichkeit bezeichnen, einmal unbefangen anzuschauen. Eine solche unbefangene Sicht der Wirklichkeit ist ja sehr schwierig: wir stehen mitten in der Wirklichkeit und können uns nicht einfach aus ihr hinauskatapultieren.. Die Lockerungsübungen der Ruhigwerdemeditation sind nichts spezifisch Buddhistisches. Solche Lockerungsübungen können sie in mancher christlichen Gruppe ebenso wenn nicht besser lernen. Auch autogenes Training gehört z.B. hierher. Es ist nur eine Lockerungsübung, nicht der eigentliche Weg zur Beendigung des Leidens, zur Erlösung.


Der eigentliche Weg zur Beendigung des Leidens ist die Einsicht in die Wirklichkeit, wie sie wirklich ist. Es ist eine Anleitung, selbst genau zu schauen. Es  geht nämlich nicht darum, irgendwelche Formeln nachzusprechen, sich in irgendwelche exotische Vorstellungen hineinzudenken, sondern es geht darum, selbst hinzuschauen. Der Buddha hat einmal das sehr schöne Wort gesagt: Seid euch selbst eine Leuchte, seid euch selbst eine rettende Insel. Ich würde sagen, eine ganz wichtige Einsicht des Buddhismus ist, dass man sich selbst eine Funzel sein soll. Normalerweise ist man ja zunächst eine ziemliche Funzel, nicht gerade ein Halogenscheinwerfer. Trotzdem: sich selber eine Funzel sein ist besser als in der ganzen Welt nach einem Halogenscheinwerfer herumzusuchen. Das kennen wir alle: wir haben den Drang, endlich einmal den großen Meister zu finden, der uns alles beleuchtet. Da könnte eine ganze Fluglinie davon leben von diesem Guru-Such-Buddhismus, davon, dass man von einem Guru zum anderen fliegt bis man wieder einmal sieht, auch dieser ist nicht die Halogenleuchte, die man gesucht hat. Aber vielleicht ist ja gerade diese Suche nach einer Halogenleuchte das Verkehrte. Vielleicht sollten wir selbst versuchen, genau hinzuschauen. Das heißt nicht, dass wir uns hinsetzen und auf die Wirklichkeit starren. Da kommt nichts Gescheites dabei heraus. Dafür brauchen wir auch keinen Buddhismus. Wir brauchen die buddhistische Anleitung, weil es ein angeleitetes Hinschauen ist. Die Anleitung ist relativ einfach: es gilt, die Wirklichkeit unter drei Aspekten zu sehen: in ihrer Unbeständigkeit, in ihrer Herrenlosigkeit und Hohlheit, und deswegen in ihrem Leidvollsein. Unbeständig, deswegen leidvoll und deswegen herrenlos, Nicht-Ich. Wäre nämlich etwas mein, wäre es unter meiner Herrschaft, dann könnte ich bestimmen: das hat mir imponiert, so soll es sein, so soll es bleiben: "Verweile doch! du bist so schön!" (Goethe, Faust I) Dann wäre es nicht leidvoll, denn ich würde das Leid vermeiden. Deshalb wäre es auch nicht unbeständig: Unbeständigkeit verursacht ja Trennungsschmerz. Diese Einsicht in diese drei Eigenschaften von Wirklichkeit ist das Zentrum der Einübung der Einsicht. Dafür kann es gut sein, wenn man sich ab und zu zurückzieht, um diese Einsicht einzuüben, aber erst im täglichen Leben zeigt sich, wie weit man mit dieser Einsicht gekommen ist. Einübung der Einsicht ist nicht etwas außerhalb des alltäglichen Lebens, sondern etwas, was im alltäglichen Leben wirksam werden muss.

Jetzt fragen Sie vielleicht, was man denn dann erreicht. Da erreicht man vielleicht den Erlösungszustand. Was ist aber dieser Erlösungszustand? Entweder wissen Sie es, weil Sie Erlösung verwirklicht haben, oder Sie wissen es nicht, weil sie Erlösung (noch) nicht verwirklicht haben. Wenn Sie es nicht wissen, kann ich Ihnen auch nicht sagen, was Erlösung ist. Wollte ich es versuchen, dann wäre es, wie wenn ein Farbenblinder (Ich) anderen Farbenblinden (Ihnen) einen Vortrag über das Wesen von Farbempfindungen halten wollte. Ich kann Ihnen nur sagen, wann man Erlösung im buddhistischen Sinn nicht begriffen hat, nämlich, wenn man den alten Buddha nicht begriffen hat: da humpelt ein altes, runzliges Männlein durch Nordindien, hat alle üblichen Altersbeschwerden und -- wie es einer meiner Studenten metaphorisch so schön ausgedrückt hat -- singt "Schön ist es auf der Welt zu sein!". Nicht: "Halleluja, bald ist alles vorbei!", nein: "Schön ist es auf der Welt zu sein!". Das ist der Zustand des Erlösten, der wirklich sagen kann: "Tod wo ist dein Sieg, Tod, wo ist dein Stachel?!" (1. Korinther 15,55). Im alten Buddhismus sagt man, dass man über den Erlösungszustand nicht sprechen kann, sondern dass man ihn verwirklichen muss. Die alten Buddhisten haben sich erstaunlicherweise an diese Maxime ("worüber man nicht reden kann, darüber muss man schweigen" Ludwig Wittgenstein <1889 - 1951>, Tractatus Logico-Philosophicus) gehalten.


Buddhismus - eine atheistische Religion. Wir haben uns dem atheistischen Buddhismus nun etwas angenähert. Nun wollen wir, wie versprochen, Buddhismus und seine Stellung zu und unter anderen Religionen betrachten.


Zunächst einmal Buddhismus und Toleranz gegenüber anderen Religionen:

Toleranz kann verschiedene Wurzeln haben:

Buddhismus als Erlösungslehre ist nicht relativistisch: er vertritt keineswegs die Anschauung von den vielen Wegen zum einen Ziel. Ganz im Gegenteil: Der Weg zur Erlösung, den Buddha gegangen ist und den er lehrt, ist für Buddhisten der einzig mögliche Weg. Buddhismus erhebt bezüglich des Erlösungsweges Exklusivitätsanspruch. Nicht ein Buddha ist eine einmalige Erscheinung: es gab vor Buddha Gautama verschiedene Buddhas, und es wird in Zukunft wieder Buddhas geben; der Weg, den all diese Buddhas selbst finden und lehren, ist aber ein einziger und ausschließlicher.

Nun könnte es ja sein, dass alle Religionen diesen einen Weg lehren. Tatsächlich wird eine solche Einstellung zu anderen Religionen z.B. in Thailand in den Schulen und Klöstern vermittelt. Alle Religionen wollen dasselbe, da sie den Menschen lehren, das Gute zu tun und das Böse zu lassen. Dabei beruft man sich auf die Definition der Lehre der Buddhas, wie sie in den buddhistischen Schriften manchmal gegeben wird (z.B.Dhammapada 183):

"Nichts Übles tun, Heilsames tun, das eigene Bewusstsein reinigen, dies ist die Unterweisung der Buddhas."

Ob andere Religionen sich dadurch richtig und ausreichend wiedergegeben fühlen, ist deren eigene Sache. Aber auch dort, wo Buddhismus in anderen Religionen Irrtümer sehen sollte, sollte für Buddhisten Toleranz aus Geduld und Güte eine Selbstverständlichkeit sein. Toleranz aus Geduld und Güte ist in der Doktrin des Buddhismus geradezu angelegt. Das Denken in unzähligen Wiedergeburten und damit in mindestens paläontologisch-geologischen Zeiträumen bedingt große Geduld mit sich selbst und mit anderen: wären wir nicht in unzähligen Geburten selbst Gier, Hass und Verblendung unterworfen gewesen, wären wir schon längst erlöst und wären jetzt nicht hier.


Nun Buddhismus und die Dienstleistungsangebote anderer Religionen :

Für alle Dinge, die nicht direkt zum Weg der Befreiung vom Leid gehören, erhebt der Buddhismus nicht den Anspruch, die besten Mittel anzubieten. So bleibt auch für einen überzeugten Buddhisten für solch irdische Dinge wie den Umgang mit Gespenstern, die Sicherung von genügend Regen, die Erlangung von Nachkommenschaft und dergl. der Weg zu Spezialisten auf diesen Gebieten offen, z.B. Geisterpriestern und -Priesterinnen, Medien, indischen Brahmanen, Hindupriestern, katholischen Geistlichen und zu katholischen Wallfahrtsorten. Es wäre doch töricht, z.B. das Angebot von Lourdes nicht zu nutzen. In diesem Sinne sind die anderen Religionen für einen Buddhisten nicht gleichwertige Religionen neben der buddhistischen Religion, sondern Dienstleistungen, die auf einer ganz anderen Ebene stehen, als die zentralen Punkte des Buddhismus, oder eben Religionen, denen der Buddhismus als etwas anderes (nicht als gleichwertige Religion) gegenüber steht.


Meine lieben Damen und Herren. Das Rahmenthema der drei Vorträge über Islam, Buddhismus und Judentum ist: "Welche Wahrheit(en) braucht der Mensch?" Ich kann auf diese Frage keine definitive Antwort geben: Da ich selbst keineswegs ein Erlöster im buddhistischen Sinne bin, wäre es von mir völlig unbuddhistische Hochstapelei, wenn ich in rechthaberischer Weise den buddhistischen Heilsweg -- wie ich ihn verstehe -- gegen andere Heilswege ausspielen würde. Die Beendigung des Leidens ist, wie wir gehört haben empirisch zu verifizieren. Bis wir so weit sind, gibt es auf niedereren Stufen noch genug zu tun, wo verschiedene Religionen und Heilswege, verschieden "Wahrheiten", keineswegs kontrovers sein müssen. Sie selbst haben mit der Geduld, die sie mir gegenüber gezeigt haben, der ich wieder meine vorgegebenen 45 Minuten Redezeit überzogen habe, gerade wieder bewiesen, dass solche Tugenden kein ausschließlicher Besitz des Buddhismus sind. Danke.


ENDE