Einführung in

Entwicklungsländerstudien

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8. Grundgegebenheiten: Tierische Produktion

3. Kameliden: Kamele, Lamas, Alpakas, Vicunjas


zusammengestellt von Alois Payer

herausgegeben von Margarete Payer

mailto: payer@hdm-stuttgart.de


Zitierweise / cite as:

Entwicklungsländerstudien / hrsg. von Margarete Payer. -- Teil I: Grundgegebenheiten. -- Kapitel 8: Tierische Produktion. -- 3. Kameliden:  Kamele, Lamas, Alpakas, Vicunjas / zusammengestellt von Alois Payer. -- Fassung vom 2001-02-08. -- URL: http://www.payer.de/entwicklung/entw083.htm. -- [Stichwort].

Erstmals publiziert: 2000-01-24

Überarbeitungen: 2018-10-08 [grundlegend überarbeitet] ; 2001-02-08 [Update]

Anlass: Lehrveranstaltung "Einführung in Entwicklungsländerstudien", HBI Stuttgart, 1998/99

©opyright: Dieser Text steht der Allgemeinheit zur Verfügung. Eine Verwertung in Publikationen, die über übliche Zitate hinausgeht, bedarf der ausdrücklichen Genehmigung der Herausgeberin.

Dieser Text ist Bestandteil der Abteilung Entwicklungsländer von Tüpfli's Global Village Library.


Skript, das von den Teilnehmern am Wahlpflichtfach "Entwicklungsländerstudien" an der HBI Stuttgart erarbeitet wird.


0. Übersicht



1. Kameliden


Kamele, Lamas, Alpakas und Vicunjas gehören zoologisch zur Familie der Camelidae, diese sind die einzige heute lebende Familie der Unterordnung Schwielensohler (Tylopoda).

"Während fast alle anderen heute lebenden Paarhufer nur mit den hufumkleideten Spitzen der letzten (dritten/ Finger- und Zehenglieder den Boden berühren, treten die Schwielensohler (Unterordnung Tylopoda) mit den Sohlenflächen des letzten und vorletzten Glieds ihrer mittleren Finger und Zehen auf. Die nagelartigen Hufe sind klein und schützen die Endglieder
nur von vorn; die Sohlenflächen der auftretenden Finger und Zehen aber sind mit dicken, federnden Schwielen gepolstert. Bei den heutigen Schwielensohlern, die alle zur Familie der Kamele (Camelidae) gehören, sind nur die beiden Mittelstrahlen der Vorder- und Hinterfüße vorhanden, die seitlichen Strahlen sind restlos geschwunden. 

Heutige Schwielensohler käuen wieder und haben dementsprechend einen viergeteilten Magen und eine -- allerdings schwach entwickelte -- Schlundrinne. Bestimmte Eigentümlichkeiten im Bau des Kamelmagens lassen jedoch erkennen, dass die Schwielensohler die Fähigkeit zum Wiederkäuen unabhängig von den Wiederkäuern der Unterordnung Ruminantia erworben
haben."

[Grzimek, Bernhard <1909 - 1987>. -- In: Grzimeks Tierleben : Enzyklopädie des Tierreichs. -- Bd. 13: Säugetiere 4. -- Zürich : Kindler, ©1968. -- S.126]



Hauptverbreitungsgebiete der Kameliden

Abb.: Hauptverbreitungsgebiete der Kameliden

Eine der wichtigsten Erkrankung von Kameliden ist Surra (Kameltrypanosomiasis). Surra das Protozoon Trypanosoma evansi hervorgerufen. Dieses Trypanosom ist im Gegensatz zu anderen Trypanosomen auf allen Kontinenten verbreitet. Die Übertragung erfolgt durch Insektenstiche (Bremsen, Stechfliegen, Mücken) und Vampirfledermäuse (in Südamerika). Wegen Surra können Kamele in Gebieten mit Tsetse-Fliegen nicht gehalten werden.

Es gibt folgende Formen von Kamletrypanosomiasis:

Form Zeitdauer Hauptsymptome
akut 3 - 6 Monate Abmagerung, schnell eintretender Tod
subakut 2 Jahre (Beginn 4 - 6 Monate nach Infektion) Wechselfieber, Abmagerung
chronisch bis zu 4 Jahre (beginn 1 Jahr nach Infektion) Wechselfieber, anhaltende Abmagerung

2. Kamele


Torvald Faegre schildert sehr klar die Bedeutung von Kamelen und anderen Packtieren für die Erschließung neuer Lebensräume durch Nomaden:

"Die verschiedenen Formen des Nomadentums in der Welt unterscheiden sich beträchtlich voneinander; einen Umstand, der für diese Lebensform verantwortlich ist, kann man jedoch überall vorfinden -- Wassermangel. Ganz gleich, ob es sich um arktische Tundra, die Wälder der Taiga, um Steppe oder Wüste handelt, das Land des Nomaden ist trocken. Ein Großteil dieses Landes kann ohne künstliche Bewässerung gar nicht bestellt werden, und deswegen muss ein Fluss oder ein Brunnen vorhanden sein. Die Sesshaften wohnen aus diesem Grund zusammengedrängt an Flussufern oder in Oasen und machen nur einen geringen Teil des zur Verfügung stehenden Landes urbar. Die Weite dieser trockenen Zone blieb dem Menschen verschlossen, bis er sich Haustiere gezähmt hatte, mit deren Hilfe er sie durchqueren konnte. Mit der Domestizierung von Schafen und Ziegen begann das Nomadentum zuerst im mittleren Osten und in Zentralasien. Jene ersten Hirten trieben ihre Herden jedoch nie weit von den besiedelten Gebieten. Da sie nicht sehr beweglich waren, mussten sie sich auf den Rand der Wüste oder Steppe beschränken. Viele Jahrhunderte später brachte die Domestizierung von Packtieren eine einschneidende Veränderung. Erst der Gebrauch von Esel, Dromedar, Trampeltier oder Pferd ermöglichte eine wahrhaft nomadische Lebensweise. Die Hirten konnten ihre Herden nun weit von den Ansiedlungen der Sesshaften bis in das Innere der Wüste oder Steppe treiben. Diese Gebiete des mittleren Ostens und Zentralasiens beheimateten nun einen neuen Typus von Landwirt, einen, der auf Aussaat verzichtete und seine Felder unter den Hufen seiner Tiere mitnahm. In anderen Weltgegenden hatte die nomadische Lebensweise ihre Grundlage in der Verwendung anderer Haustiere -- des Rens oder Karibus im Norden, des Yak in Tibet und des Bisons und Pferdes in den nordamerikanischen Ebenen. Obwohl diese Tiere sich rein äußerlich beträchtlich voneinander unterscheiden mögen, haben sie doch eines gemeinsam: sie sind in Trockengebieten beheimatet."

"Für den Beduinen ist das Kamel die Quelle seines Überlebens in der Wüste. Es spendet ihm Milch und Fleisch und im Notfall kann sein Magensaft den Wanderer vor dem Verdursten retten. Beduinen können monatelang ohne Wasser auskommen, indem sie nur Kamelmilch trinken; Kamele können Wasser aufnehmen, das für den Menschen ungenießbar ist. Aus Kamelwolle werden Stoffe hergestellt, Kameldung liefert den nötigen Brennstoff, Sandalen und Wasserschläuche sind aus Kamelhaut gefertigt. An kalten Morgen waschen die Männer ihre Hände in Kamelurin; die Frauen waschen sich damit die Haare und töten so ihre Kopfläuse ab. Neugeborene werden damit getauft. Die Beduinen zählen ihren Reichtum nach Kamelen, und sie können jedes Kamel ihrer Herde an der Fußspur identifizieren. Die Liste von Kamelnamen je nach Alter, Felltönung Zucht und Gangart ist schier endlos, und nie werden die Beduinen müde, darüber zu reden. Es ist kein Zufall, dass die Verbreitungsgebiete von Dromedar und schwarzem Zelt im großen und ganzen übereinstimmen, denn nur diese Kamelart kann ein so schweres Zelt auf seinem Rücken tragen. Darüberhinaus versetzt es den Nomaden in die Lage, weitentfernte Weidegründe, die ihm die Haltung großer Schaf- und Ziegenherden ermöglichen. Damit erhält er Wolle und Ziegenhaare für das Zelt und seine Ausstattung. Diese drei Tiere - Kamel, Schaf und Ziege - stellen die Grundlage des im Mittleren Osten verbreiteten Nomadentums dar."

[Faegre, Torvald: Zelte : die Architektur der Nomaden. -- Hamburg : Papyrus, 1980. -- ISBN 3922731007. -- Originaltitel: Tents : architecture of nomads (1979). -- S. 8f.]

"Die Haustierformen von Kamel und Dromedar haben in weiten Gebieten ihres Vorkommens bemerkenswert festliegende Paarungszeiten, das Hauskamel vor allem im Februar und März, das Dromedar wenigstens im Norden seines Verbreitungsgebiets von Januar bis März. Die Hengste sind dann oft sehr angriffslustig, mit ihrem mächtigen Gebiss können sie auch Menschen gefährlich verletzen und töten. Die Schwangerschaft dauert 365 bis 440 Tage, also zwölf bis vierzehn Monate, die Stute bringt - im Stehen stets nur ein Fohlen zur Welt. Nach zwei bis drei Stunden beginnt das Kleine zu laufen; erst in gemischtem Kreuz- und Passgang, spätestens vom zweiten Lebenstag an im sicheren Passgang der Alten. Die Kamelstute säugt ihr Kind weit über ein Jahr lang. Wenn man sie melkt, kann man täglich etwa vierdreiviertel Liter Milch erhalten, von einer Dromedarstute sogar acht bis zehn Liter. Nach einer von Grzimek vorgenommenen Untersuchung hat Kamelmilch 6,4 v. H. Fett, 4,5 v. H. Milchzucker, 6,3 v. H. Stickstoffsubstanz und o,9 v. H. Asche.

In den Ländern, in denen die beiden Kamelarten nebeneinander vorkommen, züchtet man auch regelmäßig Mischlinge. Sie sind oft größer und stärker als ihre Eltern. Doch sollen diese Kreuzungstiere untereinander unfruchtbar sein oder nur schwächliche Nachkommen haben. Man kreuzt deshalb die Ausgangsarten immer wieder neu oder verpaart die Mischlinge mit reinblütigen Tieren."

[Grzimek, Bernhard <1909 - 1987>. -- In: Grzimeks Tierleben : Enzyklopädie des Tierreichs. -- Bd. 13: Säugetiere 4. -- Zürich : Kindler, ©1968. -- S.139]

Anzahl domestizierter Kamele 1999:

Welt insgesamt

19,0 Mio.

Afrika insgesamt

14,5 Mio.

Asien insgesamt

4,5 Mio.

Somalia

6,0 Mio.

Sudan

3,1 Mio.

Mauretanien

1,2 Mio.

Pakistan

1,1 Mio.

Äthiopien

1,1 Mio.

Indien

1,0 Mio.

Kenia

0,8 Mio.

Tschad

0,7 Mio.

Saudi-Arabien

0,4 Mio.

Niger

0,4 Mio.

Mongolei

0,4 Mio.

China

0,3 Mio.

Mali

0,3 Mio.

Afghanistan

0,3 Mio.

Tunesien

0,2 Mio.

Vereinigte Arabische Emirate

0,2 Mio

[Quelle: FAOSTAT. -- URL: http://apps.fao.org/lim500/nph-wrap.pl?Production.Livestock.Stocks&Domain=SUA&servlet=1. -- Zugriff am 9.1.2000]

Abb.: Bedeutung der Kamelhaltung in den Hauptverbreitungsgebieten

[Vorlage der Abbildung: Nutztiere der Tropen und Subtropen / Hrsg. Siegfried Legel. -- Leipzig : Hirzel.. -- Bd. 2: Büffel, Kamele, Schafe, Ziegen, Wildtiere. --  ©1990. -- ISBN 3740101768. --  S. 113]


2.1. Einhöckriges Kamel (Dromedar)


"Im Gegensatz zum kälteunempfindlichen Zweihöckrigen Kamel ist das Dromedar ein Bewohner heißer Trockengebiete. Wilde Dromedare hat es vermutlich früher in Nordafrika und Arabien gegeben, heute kommt nur noch die Haustierform vor. Wahrscheinlich hat man das Einhöckrige Kamel zuerst im Inneren oder im Süden von Arabien zum Haustier gemacht, vielleicht schon im vierten Jahrtausend vor Christus. Der älteste schriftliche Bericht über das Hausdromedar steht in der Bibel. Dort wird erzählt, wie Abraham seinen Knecht mit zehn Kamelen von Palästina nach Mesopotamien schickt, um für seinen Sohn Isaak eine Braut zu suchen. Man nimmt heute an, dass das um 2800 vor Christus geschah, damals gab es also schon Hausdromedare in Palästina. Später wurden Dromedare als Reit- und Lasttiere auch nach Indien und Nordafrika eingeführt, vor allem die Eroberungszüge der islamischen Araber sorgten für ihre weite Verbreitung. Sie nahmen sie mit nach Spanien und später auch nach Ostafrika. Ferdinand von Medici brachte 1622 Dromedare nach Italien, um sie in der Nähe von Pisa zu verwenden. Diese Herde blieb bis in unsere Tage erhalten, im neunzehnten Jahrhundert bestand sie aus ungefähr zweihundert Tieren. Den Zweiten Weltkrieg aber überlebten diese italienischen Dromedare nicht, angeblich wurden sie von Soldaten geschlachtet. Auch nach Spanien führte man 1829 achtzig Dromedare ein, man ließ sie an der Coto Doñana im Guadalquivirdelta verwildern. Dort lebten ihre Nachkommen -- seltsamerweise in einem Sumpfgebiet -- bis etwa 1950; die letzten fünf dieser spanischen Dromedare wurden gestohlen. In der Kolonial- und Pionierzeit brachte man Dromedare auch nach Australien, Südwestafrika und ins Grenzgebiet zwischen Mexiko und den USA, wo ihre verwilderten Nachkommen heute noch leben. Die Erforschung Innenaustraliens wurde erst durch Dromedare ermöglicht. Aber im Feldzug der Engländer gegen die Italiener in Äthiopien kamen zwanzigtausend Dromedare der britischen Armee aus dem Sudan in den kalten Gebirgen um.

Unter den vielen örtlichen Schlägen des Dromedars findet man überall zwei Haupttypen: 

  • das plumpere und massigere, langsamere Lastdromedar und 
  • das leichte, langbeinige, schnellfüßige Reitdromedar. 
    Eine besonders »edle« Reitdromedarrasse ist das nordafrikanische Mehari.


Abb.: Kamelkarawane, Grand, Erg, Algerien, 1994 (Quelle: FAO)


Abb.: Kamele transportieren Ernte, Ägypten, 1992 (Quelle: FAO)

Dromedare mit ungewöhnlich gestalteten Höckern werden oft teuer bezahlt. So erbrachte zum Beispiel ein vierhöckriges in der arabischen Stadt Hodeida volle vierzigtausend Mark.

Wie das Trampeltier in den Trockengebieten von Innerasien, so ist das Dromedar in den heißen Wüsten- und Trockensteppenländern Afrikas und Südwestasiens ein unentbehrlicher Helfer des Menschen geworden. In Abenteuerbüchern wird oft berichtet, dass verdurstende Wüstenreisende eines ihrer Kamele schlachten und einen Wasservorrat trinken können, den das Tier in einer besonderen Abteilung des Magens habe. Dieser »eiserne« Wasservorrat soll angeblich das Geheimnis lösen, wie so ein Höckertier Tage und Wochen durch die Wüste marschiert, ohne zu trinken, während Pferde und Menschen dabei längst zugrunde gegangen wären.

In solchen Büchern stehen auch oft Wunderdinge darüber, wie schnell und wie weit angeblich ein Kamel laufen kann. Ein trainiertes Reitkamel hat es in einem Rekordmarsch einmal mit dem Reiter auf dem Rücken auf achtzig Kilometer am Tag gebracht, in fünf Tagen auf vierhundert Kilometer, allerdings im »Winter«, wenn es auch in Nordafrika und der Sahara nicht übertrieben heiß ist und wenn die Pflanzen, die es weidet, leidlich grün und wasserhaltig sind.

Karawanen bewegen sich gemütlich mit einer Geschwindigkeit von vier Stundenkilometern fort. Weil die Tiere sich zwischendurch ausruhen müssen, bringen sie es auf zwanzig Kilometer oder etwas mehr am Tag. Bei Wettrennen zwischen Pferden und Kamelen -- in Afrika handelt es sich immer um die einhöckrigen Dromedare -- gewinnt auf kürzere Entfernungen meistens das Pferd, bei mehrtägigen Märschen das Reitkamel: aber das hängt davon ab, auf was für ein Pferd und was für ein Kamel im Einzelfall gewettet wird.

In neueren Naturkundebüchern findet man die Geschichte von dem »eisernen« Wasservorrat im Kamelbauch  nicht mehr. Wer sich nämlich in Nordafrika die Mühe macht, beim Schlachten und Ausnehmen eines Kamels zuzusehen, der findet wohl einen breiigen Inhalt darin, er enthält aber weniger Flüssigkeit als bei Kühen oder anderen Wiederkäuern. Natürlich kann man durch ein Tuch das Wasser daraus abtropfen lassen. Aber es hat einen ähnlichen Salzgehalt wie das Blut. Man muss wohl wirklich schon dem Tode nahe sein, um diese faul schmeckende grünliche Suppe zu genießen. Raswan, ein gebürtiger Deutscher, der viele Jahre bei den Rualas in Innerarabien gelebt hat, ist einmal so durstig geworden. Während eines Kriegszuges, den er mitmachte, waren vor allem die kostbaren Pferde dem Tode nahe. »Um unseren Stuten etwas zu trinken geben zu können, ließ Raschejd vierzehn Ersatzkamele abtun. Pansen und Eingeweide dieser Kamele lieferten genügend Flüssigkeit, um elf Wasserhäute zu füllen. Durch Hirtenmäntel geseiht und mit zehn Liter Milch gemischt, die einige Kamelstuten hergaben, wurde dieses absonderliche Getränk für unsere Stuten genießbar . . . Mit blutbeflecktem Bart und wirren Locken beugten sich die Schlächter über die Kadaver der getöteten Kamele, tauchten fieberhaft mit nackten Armen in die Gedärme, rissen den Pansen heraus und gossen die säuerlich schmeckende Flüssigkeit in die Wasserhäute . . .«

Ob nun der Mensch oder ein Pferd den Mageninhalt des Kamels wirklich trinken kann oder nicht -- das Kamel selbst kann ja schließlich nur das Wasser aufbrauchen, das es einmal getrunken hat, und nicht mehr. Auch wir Menschen kommen notfalls bei kühlem Wetter ganz ohne zu trinken aus, wenn wir von saftigen Früchten und frischem Gemüse leben; es ist also nicht gerade erstaunlich, dass das Kamel im nordafrikanischen »Winter« monatelang nichts zu trinken braucht. Warum es aber in der sommerlichen Wüstenglut zehnmal so lange wie ein Mensch und viermal so lange wie ein Esel aushält, kann schon die Neugier eines Naturforschers erregen.

Kamelfutter


Abb.: Hab-Futter für Kamele, Wüste, Algerien, 1994 (Quelle: FAO)


Abb.: Green Schouwia, Kamelfutter, Mauretanien, 1994 (Quelle: FAO)

Wir Landtiere bestehen nun einmal größtenteils aus Wasser, und wir verlieren das Wasser im Körper alle nach genau den gleichen Gesetzen. Einmal durch die Nieren, weil wir in Wasser gelöste Harnsäure und Salze ausscheiden müssen, dann beim Atmen durch die Lungen, und schließlich verdunsten wir durch unsere Körperhaut oder die Schleimhäute des Mundes ständig Wasser, um dadurch kühler zu werden und unsere Körpertemperatur stets auf der gleichen Höhe zu halten. Manche Wüstennager sparen so mit dem Wasser im Urin, dass er gleich nach dem Ausscheiden fest wird. Wenn es tagsüber heiß wird, verkriechen sie sich in ihre feuchten Höhlen tief in der Erde.

Das Kamel kann nicht in die Erde kriechen. Wie bleibt es also am Leben? In den neuesten Fachbüchern ist das Rätsel auf einleuchtende Weise gelöst: mit Hilfe seines Fettes im Rückenhöcker. Unsere Körperbestandteile Eiweiß, Stärke und Fett enthalten ja sämtlich Wasserstoff. Wenn sie »verbrennen« und sich dabei der Wasserstoff mit dem Sauerstoff der Luft verbindet, entsteht Wasser. So hat man ausgerechnet, dass hundert Gramm Körpereiweiß bei der »Verbrennung« im Körper einundvierzig Gramm Wasser ergeben, hundert Gramm Fett sogar hundertsieben Gramm Wasser. Ein Fetthöcker von vierzig Kilogramm auf dem Rücken eines Dromedars gibt also über vierzig Liter Wasser, eine einleuchtende Erklärung, die zugleich die Frage löst, warum Kamele solche Fetthöcker auf dem Rücken tragen.

Leider hat diese schöne theoretische Lösung einen Haken. Das Tier muss den nötigen Sauerstoff aus der Luft durch seine Lunge aufnehmen, um damit das Fett zu »verbrennen«. Beim Atmen verliert der Körper aber durch die Feuchtigkeit der Atemluft mehr Wasser, als er bei der Umwandlung des Fettes gewinnt. Mit dieser spannenden Frage haben sich zwei amerikanische Naturwissenschaftler, Dr. Schmidt-Nielsen und T. R. Haupt, zusammen mit Dr. Jarnum von der Universität Kopenhagen beschäftigt, und zwar in der Oase Beni Abbas in der Sahara, südlich vom Atlasgebirge.

Die erste Schwierigkeit war unerwartet: Sie konnten überhaupt keine Kamele bekommen. Niemand wollte zunächst welche verkaufen. Im Sommer wird es in der Oase Beni Abbas erschreckend heiß. Für gewöhnlich sind dann keine Europäer dort. Die Lufttemperatur steigt auf fünfzig Grad Celsius; wo die Sonne auf die Steine brennt, kann man sogar siebzig Grad Celsius messen. Ein Mensch verliert dann in einer Stunde 1,1 l Schweiß, und natürlich wird er sehr durstig. Hat ein Mensch mehr als 4,5 1 Schweiß verdunstet, das heißt fünf vom Hundert seines Körpergewichts, dann ist er schon darin behindert, seine Umwelt richtig zu sehen und zu beurteilen. Bei zehn vom Hundert Körpergewichtsverlust hört er nichts mehr, hat schreckliche Schmerzen und wird irre. In kühler Umgebung können wir Menschen recht lange dursten, und wir sterben erst, wenn unser Körpergewicht um zwanzig vom Hundert verringert ist. In der Wüstenhitze kommen wir dagegen bei zwölf vom Hundert Gewichtsverlust infolge Dürstens durch Hitzschlag um.

Ein Kamel hält mehr aus. Als die Forscher eins im Wüstensommer acht Tage lang hielten, ohne es zu tränken, verlor es hundert Kilogramm Gewicht, das heißt zweiundzwanzig vom Hundert seines Körpergewichts. Es sah schrecklich abgemagert aus, der Bauch war eingezogen, die Muskeln geschrumpft, und deswegen wirkten die Beine überlang. Sicherlich hätte es nicht arbeiten und auch nicht weit laufen können, aber es wirkte keineswegs ernstlich krank. Mir gefällt an den drei Forschem, dass sie nicht ausprobiert haben, wieviel Gewicht ein Kamel verlieren muss, bis es an Durst stirbt. Nachdem es so dünn und leicht geworden war, gaben ihm die drei Kamelgelehrten zu trinken. Es trank und trank Eimer um Eimer hintereinander aus und wurde zusehends wieder rund und normal. Bis fünfundzwanzig vom Hundert, ein Viertel seines Körpergewichts, kann also ein Kamel auch in glühender Hitze ohne Lebensgefahr durch Dursten verlieren -- bis es stirbt, sicher viel mehr.

Das Geheimnis, warum die Kamele das vertragen und wir Menschen nicht, liegt einmal im Wassergehalt unseres Blutes. An sich steckt bei Kamel und Mensch gleich viel Wasser im Blut: etwa ein Zwölftel des gesamten Wassers, das im Körper ist. Wenn aber das Kamel durch Verdunsten ein Viertel seines Körpergewichts verloren hat, ist erst ein Zehntel des Blutwassers verschwunden, das Blut ist also noch fast genauso dünnflüssig wie vorher. Bei uns Menschen ist dagegen zum gleichen Zeitpunkt schon ein Drittel des Wassers im Blut verschwunden. Unser Blut wird sehr dick, es fließt langsam, kommt nicht mehr recht durch die feinsten Blutgefäße und läuft nur noch schwerfällig durch den Körper. Es kann also auch nicht die ansteigende Hitze aus dem Körperinneren zur Haut bringen, wo sie abgegeben wird. So steigt bei uns die Körpertemperatur im Inneren sehr rasch an, und wir sterben durch Hitzschlag.

Ein Kamel verträgt es also weit besser als wir, ganz wenig Wasser im Körper zu haben. Damit ist es aber noch nicht getan: Es hat auch die Fähigkeit, viel weniger Wasser abzugeben als wir. Wenn wir in sehr warmer Luft sind, die eine höhere Temperatur hat als unser Körper, der auf 36,5° C gleichbleibend geeicht ist, dann fangen wir zu schwitzen an. Nur durch die Verdunstung unseres Körperwassers können wir erreichen, dass wir im Inneren nicht immer heißer und heißer werden. Das Schwitzen aber kostet, wie wir gesehen haben, Wasser, und zwar gehörig.

Beim Dromedar ist das anders. Bei ihm steigt tagsüber, wenn die Sonne brennt und die Luft glüht, die Körperwärme immer weiter an, bis auf vierzig Grad Celsius. Erst wenn sie so hoch geworden ist, fängt es zu schwitzen an. Das spart natürlich sehr viel Wasser. Überdies geht aber beim Kamel in der Nacht, wenn es in der Wüste sehr kalt wird, die Körpertemperatur stark herunter, bis auf vierunddreißig Grad Celsius. Durch diese tägliche Schwankung der Körperwärme um sechs Grad dauert es in den Morgen- und Mittagsstunden selbstverständlich viel länger, bis der große Kamelkörper sich wieder bis zu dem Punkt neu erhitzt hat, an dem das Schwitzen beginnt. Die Körperwärme wechselt bei den »Wüstenschiffen« nur in der Sommerhitze so stark. Im Winter und an der Mittelmeerküste sind die Schwankungen viel geringer.

Esel sind ja auch Wüstentiere, sie können im Gegensatz zu uns Menschen ebenfalls bis zu einem Viertel ihres Körpergewichts durch Dursten verlieren. Aber sie verlieren ihr Wasser im Körper dreimal so schnell wie ein Kamel. Während ein Dromedar selbst in der Wüstenglut siebzehn Tage ohne Trinken aushielt, mussten die Esel jeden vierten Tag getränkt werden. Ihre Körperwärme kann zwar auch stärker schwanken als beim Menschen, allerdings nicht so viel wie beim Kamel. Esel fangen also schon viel eher an zu schwitzen. Das liegt unter anderem an ihrem dünnen Haarkleid. Kamele verlieren zwar im Sommer ihre Haare, aber auf dem Rücken behalten sie einen dicken Filz, der oft fünf bis zehn Zentimeter stark ist und natürlich ausgezeichnet gegen die Sonnenstrahlen schützt. (Auch die Beduinen der Wüste tragen wollene Burnusse, oft viele übereinander.) Fett ist ein recht schlechter Wärmeleiter. Deswegen ist es ein besonderer Vorteil, dass Kamele und Dromedare ihr Fett auf dem Rücken speichern; es schirmt sie noch weiter gegen die Sonnenglut ab. Säße das Fett überall im Körper zwischen den Eingeweiden und Muskeln verteilt, so würde es den Wärmeabfluss an die Körperoberfläche hindern.

Abb.: Junges Dromedar, Pakistan, 1993 (Quelle: FAO)

In einem ist der Esel dem Kamel allerdings überlegen. Ein ausgetrocknetes Dromedar trinkt hundertfünfunddreißig Liter Wasser in zehn Minuten und hat damit sein verlorenes Körpergewicht wieder ergänzt. Es ist fast erschreckend, so ein Tier in dieser kurzen Zeit zehn Wassereimer leeren zu sehen. Ein Esel aber schafft es sogar in zwei Minuten, ein Viertel seines Körpergewichts wieder hinzuzutrinken. Wenn wir Menschen einen Tag lang in der glühenden Wüste waren, ergänzen wir unser verlorenes Gewicht durch Trinken erst nach einigen Stunden, vielfach müssen wir zwischendurch noch essen.
So hastig zu trinken hat Vorteile für wilde Tiere. Im Sommer ist das Wasser knapp, meistens gibt es nur einige wenige Wasserlöcher, und an denen lauern die Raubtiere. Kann man in zwei Minuten nachtanken, so wird auch die Zeit der Gefahr kürzer.

Diese geheimnisvollen Kamelkünste, von denen wir bis vor kurzem noch nichts ahnten, haben jahrhundertelang den Handel durch Nordafrika und große Teile Asiens ermöglicht. Sie haben Königreiche aufblühen lassen und die Menschenherrschaft über trostlose Gegenden ausgedehnt. Die Bedeutung des Dromedars ist in den letzten Jahren sehr zurückgegangen, seit man Wüsten schneller und sicherer im Auto durchqueren oder mit dem Flugzeug überfliegen kann. Nicht nur in seiner arabischen und nordafrikanischen Heimat wird es mehr und mehr vom Auto abgelöst, sondern vor allem auch in den überseeischen Gebieten, wohin Europäer das  »Wüstenschiff« verfrachtet haben. Die vom Menschen ersonnene Maschine hat eben doch einen günstigeren Wasserhaushalt als das lebendige Tier, das nicht für den Menschen, sondern um seiner selbst willen entstand."

[Grzimek, Bernhard <1909 - 1987>. -- In: Grzimeks Tierleben : Enzyklopädie des Tierreichs. -- Bd. 13: Säugetiere 4. -- Zürich : Kindler, ©1968. -- S.130 - 139]


2.1.1. Dromedarrassen


Bei Dromedaren unterscheidet man

In Ägypten unterscheidet man nach der Herkunft der Dromedare:

In Somalia züchtet man u.a.

Man kreuzt Dromedare mit Trampeltieren zu sogenannten Tulus. Dabei tritt der Heterosiseffekt auf: in der ersten Generation sind Kreuzungen besser als beide Elterntiere.

Der folgende, unsystematische Bilderbogen soll einen Eindruck von der Vielfalt der Dromedare geben.

Bilderbogen Dromedarrassen

Abb.: Chameau du Sahel, Gruppe weiblicher Tiere, Mauretanien (Quelle: FAO)

Abb.: Red Sea Hills bei Kamelrennen, Khartoum, Sudan (Quelle: FAO)

Abb.: Red Sea Hills bei Kamelrennen, Khartoum, Sudan (Quelle: FAO)

Abb.: Ethiopian Dromedary, Awash Valley, Äthiopien (Quelle: FAO)

Abb.: Ethiopian Dromedary, Muttertier mit Neugeborenem, Awash Valley, Äthiopien (Quelle: FAO)

Abb.: Ethiopian Dromedary, Awash Valley, Äthiopien (Quelle: FAO)

Abb.: Rendille mit Reitsattel, Kenia (Quelle: FAO)

Abb.: Rendille mit Packsattel für Wassertransport, Kenia (Quelle: FAO)

Abb.: Rendille an Bewässerungsrad, Kenia (Quelle: FAO)

Abb.: Rendille, Nord-Kenia (Quelle: FAO)


2.1.2. Zum Beispiel: Mehari-Dromedare bei den Tuareg


Abb.: Tuareg-Mann auf Kamel, Niger (©Corbis)

"So bleibt [für den Tuareg] nur noch die Viehzucht, die seit altersher als Erwerbsquelle dient, die ihm vertraut ist und deren er sich nicht zu schämen braucht. Aber nicht jede Art Viehzucht wird er betreiben! Ziegen und Esel sind zwar für den Haushalt unentbehrlich, er aber wird sich vor allem der Pflege und Aufzucht des prächtigen, reinrassigen Mehari widmen.

Das Mehari ist nichts anderes als ein Dromedar, das in der Sahara jedermann als Kamel bezeichnet. Eine strenge Zuchtwahl hat im Lauf der Jahrhunderte eine prächtige Rasse kräftiger und langbeiniger Tiere hervorgebracht. Das Mehari ist gelehrig wie ein Hund, klug wie ein Falke und tänzerisch-leicht wie eine Gazelle. So viel Kraft und Schönheit vereinen sich in diesem Tier, dass sein Ruf weit über Wüsten und Meere hinausdrang. Man erzählt von Maharadschas aus dem fernen Indien, die Meharis kommen ließen, um ihren prunkvollen Umzügen mit ihnen noch mehr Glanz zu verleihen. Als Reittier und Rennkamel war das Mehari Stolz und Helmzier des Kriegers, der ihm sogar selbstverfasste Gedichte widmete. Es bildet die Mitgift der adeligen Frau und zeigt Reichtum an. Man schätzt den Einfluss eines Stammes nach der Anzahl der in seinem Besitz befindlichen Kamele ein. Die Tuareg, sonst Verächter jeder Kleinlichkeit, werden bis zum Letzten kleinlich-genau und zartfühlend, wenn es darum geht, das Fell eines Mehari bis in die feinsten Farbnuancen zu beschreiben:

Weiß: Beidedj
Hellfalb: Atlar
Braunfalb: Ibazuan
Gazellenfarben: Ierran
Hellgrau: Ibahauan
Schwarzweiß: Aselraf
Das mit den blauen Augen: Juinaran
Das mit dem weißen Maul: Imulssan

Schon bei den ganz jungen Tieren beginnt man mit der Zuchtwahl der Meharis. Je nach seiner Widerstandskraft oder nach sonstigen Eigenschaften wird es als Last- oder Reittier bestimmt. Reittiere werden besonders auf Folgsamkeit und Gelehrigkeit dressiert, eine Arbeit, die viel Geduld und Sanftheit erfordert: das junge Mehari ist oft widerspenstig, schlägt und beißt und nimmt nur sehr ungern Gebiss und Sattel an. Aber es wird immer und unter jeder Bedingung gut behandelt, und nie sieht man einen Tuareg sein Reittier quälen. Um sich Gehorsam zu verschaffen, benützt er nur die Stimme (Pfeifen, Zungenschnalzen) und notfalls eine leichte Peitsche, niemals aber den Stock. Alle Tiere tragen am Hals, am Bauch oder an den Schenkeln die Besitzmarke ihres Herrn und des Stammes, dem sie zugehören."

"Als er [ein männlicher Tuareg] acht oder neun Jahre alt war, hat man ihm eine Herde zum Hüten anvertraut. Er lernte Ziegen und Kamelstuten melken. Bald kann er auch junge Meharis kastrieren; er ist dabei, wenn sie dressiert werden und hilft sie pflegen, wenn sie krank sind. Er ist nicht allein: Brüder oder Vettern helfen ihm oder leisten ihm Gesellschaft. Wenn der Tag über der Weide erwacht, führt man die Herde zur Tränke. Man sieht die Umrisse der Jungen auf den schwankenden Meharis in gemächlichem Trott stolz vorüberziehen und sich wie ein Wandfries am goldenen Himmel abzeichnen. Ringsum schwärmt die Herde ins feierliche Licht des Morgens auseinander. Kamelstuten drängen sich mit ihren Füllen um die Wasserstelle. Während die Schwarzen die Schläuche füllen und mit nackten Beinen im feuchten Sand waten, überwachen die Jungen die Meharis, unbeweglich auf ihren Reittieren, die lange Schatten auf die Wasserpfütze werfen. Es sind Halbwüchsige, noch nicht in den Kreis der Männer aufgenommen, schlank wie Binsen, mit weiter Gandura, die ihren Körper umweht.  ...

Mit 15 Jahren etwa empfängt der Junge vom Vater den Tagelmust, einen Gesichtsschleier, den er künftig bis ans Lebensende tragen muß und den er nicht einmal zum Essen oder zum Schlafen ablegt. ...

Sobald der junge Mann den Tagelmust erhalten hat, verlässt er das Zelt der Eltern und wohnt für sich allein. Nun kann er in Freiheit den Mädchen den Hof machen, zum Ahal gehen oder am Iljugan teilnehmen, jenem Meharisten-Reiterspiel, das bei Festen oder auch einfach nur zu Ehren von Gästen veranstaltet wird."

[Cesco, Federica de: Tuareg : Nomaden der Sahara. -- Lausanne : Mondo, ©1971. -- S. 129 - 132, 166 - 168]


2.2. Zweihöckriges Kamel (Trampeltier)


Abb.: Kazakh Bactrian, männlich, Kasachstan (Quelle: FAO)

Mongol Temee, weiblich, Mongolei (Quelle: FAO)

"Schon im vierten oder dritten Jahrtausend vor Christus hat man in Mittelasien das Kamel zum Haustier gemacht. Der Mensch hat dann diese Haustierform des Trampeltiers über weite Gebiete Asiens verbreitet, nach Osten bis nach Nordchina, nach Westen bis Kleinasien und Südrussland. Im Gegensatz zu vielen anderen Haustieren hat sich das Hauskamel gegenüber seiner wilden Stammform nur wenig verändert. Es ist etwas plumper und schwerer und hat umfangreichere Höcker, die manchmal nach einer Seite überkippen. Seine Schwielensohlen sind breiter, und die Haare sind länger -- besonders an den Mähnen und »Manschetten«. Vor allem aber sind die Hauskamele in Gestalt und Färbung längst nicht so einheitlich wie die Wildform, wenn es auch nicht zur Bildung sehr ausgeprägter Zuchtrassen gekommen ist.

Abb.: Kamelherde in Schneefeld, Mongolei, 1984  (©Corbis)

Im Verbreitungsgebiet des Trampeltiers kann es im Sommer bis zu fünfzig Grad heiß werden, im Winter aber sinkt die Temperatur oft bis auf siebenundzwanzig Grad unter dem Gefrierpunkt. Das alles scheint dem Kamel nicht viel auszumachen, nur Nässe kann es nicht vertragen. Es wird vor allem als Tragtier benutzt, aber auch geritten und in manchen Gegenden auch vor den Wagen gespannt. Daneben nutzt man die Wolle (das bei uns gebräuchliche »Kamelhaar« stammt aber nicht vom Kamel, sondern von der Angoraziege], man verwertet die Kamelmilch und isst das Fleisch; getrockneter Kamelmist aber ist in den holzarmen Steppen- und Wüstengegenden ein unentbehrlicher Brennstoff. Ein Kamel lebte im Zoo von Philadelphia siebenundzwanzig Jahre."

[Grzimek, Bernhard <1909 - 1987>. -- In: Grzimeks Tierleben : Enzyklopädie des Tierrreichs. -- Bd. 13: Säugetiere 4. -- Zürich : Kindler, ©1968. -- S.130]

In der ehemaligen Sowjetunion unterscheidet man folgende Rassen von Trampeltieren:


2.2.1. Zum Beispiel: Kamele bei den Mongolen


Abb.: Mongolische Jurte im Mondschein, Wüste Gobi, Mongolei, 1961 (©Corbis)

"Die Hirtennomaden des Altai züchten das, was die Mongolen als die »fünf Arten der Tiere« bezeichnen:
  •  Schafe, 
  • Ziegen, 
  • Rinder (meistens Yaks), 
  • Pferde und 
  • Kamele. 

In Most sind 

  • 61 Prozent des Tierbestandes Schafe, 
  • 26 Prozent Ziegen, 
  • 7 Prozent Yaks und 
  • 3 Prozent Pferde und Kamele. 

Diese Tiere sichern das Überleben der Nomaden. Ein Hirte erklärte uns das so: »Die Tiere sind unsere Nahrung und unser Geld. Sie geben uns Milchprodukte und Fleisch zum Essen, Dung zum Heizen unserer ger [Jurte] sowie Wolle und Häute, um Filz und Kleider herzustellen. Wir pflegen unser Vieh gut, und es gibt uns, was wir brauchen.«

Obwohl die Nomaden jede der fünf Tierarten nutzen, sind doch die Schafe für sie am wertvollsten. Zusätzlich zu Wolle und Fleisch geben sie etwas Milch und noch etwas ganz Wesentliches -- die Häute mit dem dicken Fell, die für die Winterkleidung gebraucht werden. 

Yaks stellen andererseits die Hauptquelle für Milchprodukte dar. Anders als Schafe, die nur in den wenigen Sommermonaten Milch geben, produzieren Yaks fast das ganze Jahr über Milch. Schon drei oder vier milchspendende Yakkühe können eine sechsköpfige Familie mit aller notwendigen Milch, mit Butter sowie auch mit Käse versorgen. Yaks liefern ebenfalls Fleisch, Wolle und Häute für die rohledernen Seile und Pferdehalfter der Viehzüchter

Ziegen geben wie Schafe Fleisch, Milch und Häute für Kleider. Ihr Wert ist in der letzten Zeit gestiegen, da sie auch Kaschmirwolle produzieren, die auf dem internationalen Markt recht begehrt ist. Kaschmir ist eigentlich die Unterwolle der Ziegen und vergleichbar mit dem weichen Unterkleid, das wir im Sommer aus dem Fell langhaariger Hunde kämmen. 

Yaks, Pferde und Kamele haben ebenfalls diese Unterwolle, aber das internationale Gesetz will den Namen Kaschmir nur auf die Unterwolle der Ziegen angewandt wissen und macht sie damit viel wertvoller.

Kamele und Pferde werden meistens für den Transport benötigt -- Kamele um den Umzug von einem Lager zum anderen zu bewältigen und Pferde zum Reiten. Vor 50 Jahren waren Kamele im Altai eine Seltenheit, Yaks waren die eigentlichen Lasttiere."

[Goldstein, Melvyn C. ; Beall, Cynthia M.: Die Nomaden der Mongolei : eine Hirtenkultur zwischen Tradition und Moderne. -- Nürnberg : Das Andere, ©1994. -- ISBN 3922619339. -- Originaltitel: The changing world of Mongolia's nomads (1994). -- S. 38f.]

"Die mongolischen Kamele ... tragen im Oktober/November ihre volle Wolle. Die Kamelzucht wird als Schwerpunkt in den Wüsten und Wüstensteppen der Gobilandschaften betrieben, wo rund 64 Prozent des gesamten Kamelbestandes des Landes konzentriert sind. Das Kamel ersetzt hier vollwertig das Rind. Die Kamelmilch wird sowohl als Frischmilch wie auch zur Erzeugung verschiedener Milchprodukte verwendet. Desgleichen steht das Fleisch des Kamels in seiner Qualität durchaus nicht hinter dem des Rindes zurück. Das wichtigste Produkt des Kamels -- ein sehr gefragter Exportartikel -- bleibt aber die Wolle. Der Wollertrag liegt bei 5 bis 6,5 Kilo pro Tier im Jahr. Als Lasttiere tragen die mongolischen Kamele bis zu etwa sechs Zentnern (300 Kilo), bei großen Dauertransporten etwa vier Zentner (200 Kilo). ...

Nach der Tradition teilen die Mongolen die fünf Tierarten ihrer Herderhaltung in solche mit »langen Beinen« und solche mit »kurzen Beinen« ein: Pferde und Kamele gehören zu den »Langbeinigen«, denn sie weiden weit entfernt vom Jurtenlager, ohne dorthin zurückzukehren, und es sind die Männer, die sie hüten. Die »Kurzbeinigen« - Schafe, Ziegen und Rinder -- weiden näher am Lager, und es sind die Frauen, die sie hüten. Ferner unterscheiden die Mongolen »warm-mäulige« und »kalt-mäulige« Tiere: »warm« und »kalt« stehen hierbei für »nah, teuer, lieb«, bzw. »fern, fremd, feindlich«. Pferde und Schafe zählt man zu den warmmäuligen, die drei anderen zu den kaltmäuligen Tieren; sie sind darum für Opfer nicht geeignet."

[Veit, Veronika. -- In: Die Mongolen / Hrsg.: Walther Heissig ... -- Innsbruck [u.a.] : Pinguin, ©1989. -- ISBN 3701622973. -- S. 154 - 157]


2.3. Nutzung des Kamels


Abb.: Kamelkarawane, Karakorum, Xinjiang, China  (©Corbis)

Abb.: Kamelreiter  (©Corbis)

Abb.: Kamele in Militärparade, Kairo, Ägypten, 1981  (©Corbis)


Abb.: Kamel als Zugtier zum Wasserschöpfen, Algerien, 1994 (Quelle: FAO)


Abb.: Von Kamel zusammen mit Esel gezogener Pflug, Marokko, 1990er Jahre (©Corbis)

Abb.: Kamel als Wasserzieher in Bewässerungsanlage, Niger  (©Corbis)

Moderne Kamelmilchverwertung


Abb.: Melken von Kamelen, Mauretanien, 1995 (Quelle. FAO)


Abb.: Melken eines Kamels, Mauretanien, 1995 (Quelle: FAO)


Abb.: Kamelmolkerei, Mauretanien, 1995 (Quelle. FAO)


Abb.: Produktion von Kamelmilch-Frischkäse, Mauretanien, 1995 (Quelle: FAO)


Abb.: Kamelmolkerei, Mauretanien, 1992 (Quelle: FAO)


Abb.: Kamelkäse, Mauretanien, 1995 (Quelle. FAO)


3. Neuweltkameliden


"Die amerikanischen Kamele sind nicht, wie man denken könnte, ausschließlich Gebirgstiere. Das anpassungsfähigste in dieser Hinsicht ist der Guanako, der von 0 bis 4000 m anzutreffen ist. Sein heutiges Verbreitungsgebiet ist ällerdings sehr eingeschränkt. Es erstreckt sich von Nordperu bis zur südlichsten Grenze Patagoniens und Feuerlands. Früher dagegen bevölkerte er einen großen Teil der Ebenen und Steppen im mittleren und westlichen Teil Südamerikas einschließlich des Gran Chaco. Hans Krieg hat nachgewiesen, dass der Guanako in jeder Höhe, bei jeder Temperatur und in trockener Luft leben kann. Das erklärt, dass er in tropischen oder subtropischen Breiten nur die Andenhochflächen bewohnt, denn in den Niederungen ist die Feuchtigkeit meist sehr groß. Gegen Süden zu findet man ihn aber in Küstennähe und sogar auf einigen vom Festland nicht allzuweit entfernten Inseln.

Lamas und Alpakas kommen als Haustiere in verschiedensten Gebieten vor. Es ist daher fast unmöglich, ihnen einen optimalen Lebensraum zuzuordnen. Das Verbreitungsgebiet des Lamas, das früher auch Paraguay und Ecuador umfasste, ist immer kleiner geworden und erstreckt sich heute, nach Angaben von A. Cardozo, über den Süden Perus, den Westen Boliviens, den Nordosten Argentiniens bis Catamarca sowie über die Hochsteppe von Atacama in Chile. Lamas halten sich meist in einer Höhe zwischen 2300 und 4200 m auf. Das Alpaka lebt allem Anschein nach lieber in größerer Höhe. 1n Enklaven, die über den Süden Perus und Boliviens verstreut sind, lebt es bis in Höhen von 4800 m.

Eine richtige Ernährung ist für die Vikunja, das einzige lebende Huftier, das wie die Nagetiere ständig nachwachsende untere Schneidezähne hat, lebenswichtig. Sie braucht nämlich harte Pflanzen, damit diese Zähne sich abnützen. „Ihr Lebensraum", schreibt Cardozo, „sind die Schluchten der Kordillere, wo sich tiefe Wassertümpel bilden, an denen sie alle zwei Tage ihren Durst stillen können. Hier gibt es auch Poa, Agrostis und einige Gräserarten, wie das Federgras Stipa ichu der kalten Andengebiete. Auch das am Boden kriechende Sterngras wächst hier noch gelegentlich, außerdem harte Gräser, Moos und Flechten an den Felsen. . ." Man kann sagen, dass das Reich der Vikunja unterhalb der Grenze ewigen Schnees (zwischen 4800 und 5500 m Höhe) und oberhalb 3000 m liegt.

Die Welt der Vikunja ist demnach die peruanische Hochsteppe. Simon vertritt die Auffassung, dass sich das Verbreitungsgebiet des schlanksten und kleinsten der amerikanischen Kamele früher über mehr als 2000 km erstreckt haben muss, nämlich vom Süden Ecuadors bis in die nördlichsten Teile Chiles und in den Nordosten Argentiniens. Das Eindringen des Menschen und seines Hausviehs in das Reich der Vikunja hat jedoch dazu geführt, dass sie aus Ecuador und auch aus Chile und Argentinien fast ganz verschwunden ist."

[Fauna / Redaktion: Felix Rodriguez de la Fuente. -- München : Novaria. -- Bd. 8: Südamerika (Neotropische Region). -- ©1971. -- S. 279f.]


3.1. Lamas und Alpakas


Das Guanako (Lama guanicoë) ist die Stammform der Haustiere 

Das Alpaka hat mit großer Wahrscheinlichkeit sowohl Guanakos als auch Vikunjas als Vorfahren.


Abb.: Lama, Kilpani, Bolivien (über 4000 m ü. M.), 1993 (Quelle: FAO)

"Das Lama (spanisch Llama, gesprochen Ljama) wird in den Anden Südamerikas vor allem als Trag- und Fleischtier gehalten, das Alpaka ausschließlich als Woll-Lieferant. Die Unterschiede zwischen den beiden Formen lassen sich also sehr wohl als Folge einer Züchtung für diese beiden verschiedenen Verwendungszwecke erklären. Das Lama ist groß und kräftig, trotzdem kann man erwachsenen Hengsten nur Lasten von höchstens fünfzig Kilo auflegen, die sie in Tagesmärschen von kaum mehr als fünfundzwanzig Kilometern sicher und stetig über die schwierigsten Geröllhalden und Saumpfade tragen.

Abb.: Riedgrastransport mit Lama, Puno, Peru (©Corbis)

»Die Traghengste der Lamas werden absichtlich nicht geschoren, weil das dicke Rückenfell eine natürliche Decke zum Aufladen der Tragballen mit Waren aller Art darstellt«, schreibt Ingo Krumbiegel. »Nicht allzu schnell, aber ausdauernd ist der Gang einer solchen Karawane, und die Lamas lassen sich kaum Zeichen einer Anstrengung anmerken. Sie schreiten auffallend leichtfüßig und graziös, dabei fortwährend nach allen Seiten blickend, und stehen in einem guten Verhältnis zu den tierliebenden Indianern. Bei diesen Tieren, die durch rohe, unfreundliche Behandlung sofort verdorben würden und unangenehm störrisch und widerspenstig werden können, ist freundlicher Umgang besonders am Platze.« Ein solcher Lamatrupp wird oftmals nur von einem kleinen Indianerjungen gelenkt, der besser damit umzugehen versteht als eine Vielzahl weißer oder halbweißer Hirten. Man verwendet die Lamastuten nicht zum Tragen der Lasten, dafür aber werden sie regelmäßig geschoren. Die Lamawolle hat für die indianische Andenbevölkerung eine gewisse Bedeutung, ist aber nicht sehr viel wert -- im Gegensatz zu der überaus feinen Wolle des Alpaka.

Abb.: Alpaka, Puno, Peru, 1994 (Quelle: FAO)

Alpakas sind viel »eigensinniger« als Lamas; es ist deshalb recht mühevoll, sie zu scheren. Diese Haustierform ist kleiner als das Lama, mit kürzerem Kopf. Oft gibt es einfarbig schwarze, braunschwarze oder blaugraue Alpakas, hingegen können Lamas alle möglichen anderen Farben haben und auch gescheckt sein, sind aber fast niemals einfarbig schwarz. Da Lamas und Alpakas in oft recht großen Herden frei auf den Hochsteppen weiden und nur zum Scheren, Lastentragen oder Schlachten eingefangen werden, unterscheiden sie sich im Verhalten und in der Fortpflanzung kaum von Guanakos. 


Abb.: Geschorenes Alpaka mit Herde, Israel [!], 1990  (©Corbis)


Abb.: Paracas-Lamawollstoff (©Corbis)

Oft schließen sich den weidenden Haustieren auf den Berghängen auch Trupps ihrer wilden Verwandten an. Vikunjas gesellen sich gleichfalls gern zu zahmen Lama- und Alpakaherden. Aus dieser Vergesellschaftung kann man also keine Schlüsse über die Verwandtschaft der einzelnen Formen zueinander ziehen.

Auch die Kreuzbarkeit läßt sich nicht als Abstammungsbeweis benutzen. In Peru hört man noch heute oft die Behauptung, dass die Verpaarung von Alpaka und Vikunja nur durch einen Kunstgriff möglich sei. Nach diesen Angaben muss man ein neugeborenes männliches Vikunja fangen und gleichzeitig ein neugeborenes Alpaka töten, dessen Fell dann dem jungen Vikunja übergezogen wird. Das Vikunjakind wird dann von der Alpakamutter angenommen und aufgezogen. Nur solche Vikunjas sollen sich später mit Alpakas paaren; sie bringen die sogenannten Pako-Vikunjas hervor, die als Lieferanten besonders feiner Wolle begehrt sind. In Wirklichkeit aber paaren sich alle vier Formen der Gattung Lama in menschlicher Obhut miteinander und bringen meist fruchtbare Mischlinge hervor. Um Alpakas also mit Vikunjas zu kreuzen, genügt es, junge Tiere miteinander aufzuziehen; die Vikunjas werden dadurch auf Alpakas »geprägt«, schließen sich ihnen ganz an
und paaren sich später mit ihnen. Nach den Angaben von Wolf Herre bleiben Pako-Vikunjas allerdings häufig unfruchtbar.

Vermutlich haben schon die Vorgänger der Inkas im peruanischen Hochland beide Lamaformen als Haustiere gehalten und gezüchtet. Nach den Angaben von Frederick E. Zeuner hat man Lamaknochen bereits in einer Schicht aus der frühen Ackerbauzeit (etwa 2550 bis 7250 v. Chr.) im Virutal in Peru gefunden. Auch heute haben Lamas und Alpakas vor allem in den hochgelegenen Andengebieten noch nicht viel von ihrer Bedeutung für den Menschen verloren. Die Lebensmöglichkeit vieler peruanischer und bolivianischer Hochland-Indianer hängt in hohem Maß von ihren Lamabeständen ab.

Immer noch befördern Lamas die Lasten der Indianer in denjenigen Gegenden, die von Autos, Flugzeugen und Eisenbahnen nicht erreicht werden. Obwohl man Wolle auf wirtschaftlichere Weise von Schafen gewinnt, ist die Alpakawolle -- vor allem die der Alpaka-Suri-Rasse -- feiner und weit begehrter als die der meisten Schafrassen. In der nordchilenischen Provinz Nahrun Arica werden neuerdings von Regierungsseite größere Versuche unternommen, die dortigen Bewohner wieder mit der Alpakazucht und der Alpakawollverarbeitung vertraut zu machen; man hofft so eine Verarmung und Abwanderung der Indianer in die Elendsviertel der Städte zu verhindern."

[Heinemann, Dietrich ; Wendt, Herbert <1914 - >. -- In: Grzimeks Tierleben : Enzyklopädie des Tierrreichs. -- Bd. 13: Säugetiere 4. -- Zürich : Kindler, ©1968. -- S.143f.]

"Während die Großkamele der Alten Welt Tiere der Ebene sind, angepasst an die endlos weiten Wüsten- und Steppengürtel Nordafrikas und Vorderasiens wie der innerasiatischen Hochfläche, leben die Lamas oder Kleinkamele der Neuen Welt sowohl in ebenem Gelände als auch vor allem im Gebirge. Die Sohlenballen ihrer Zehen sind deshalb nicht so breit wie bei den Großkamelen, sondern schmal und beweglich; sie geben den Tieren auch noch auf felsigen Saumpfaden und unwegsamen Geröllhalden sicheren Halt. ...

Da die beiden Haustierformen Lama und Alpaka zur Gewinnung von Wolle benutzt werden wie in vielen Ländern die Schafe, wurden die Kleinkamele früher nicht ganz richtig auch als »Schafkamele« bezeichnet. Mit den Schafen aber haben sie zoologisch nichts zu tun."

[Heinemann, Dietrich ; Wendt, Herbert <1914 - >. -- In: Grzimeks Tierleben : Enzyklopädie des Tierrreichs. -- Bd. 13: Säugetiere 4. -- Zürich : Kindler, ©1968. -- S.140]

Anzahl der Lamas und Alpakas 1999:

Latein Amerika insgesamt

5,4 Mio

Bolivien

1,9 Mio

Peru

3,5 Mio

[Quelle: FAOSTAT. -- URL: http://apps.fao.org/lim500/nph-wrap.pl?Production.Livestock.Stocks&Domain=SUA&servlet=1. -- Zugriff am 9.1.2000]

Heute unterscheidet man noch folgende Rassen:

Lama

Alpaka


3.2. Vikunjas


Vikunjas sind im Gegensatz zu Lamas und Alpakas keine domestizierten Tiere, sondern Wildtiere, die vom Menschen genutzt werden.

"Das Vikunja (spanisch Vicuña) ist die zweite und kleinere wildlebende Art der Gattung Lama. Es hat heute ein kleineres Verbreitungsgebiet als das Guanako und ist auf das Andenhochland in Höhen zwischen dreitausendachthundert und fünftausendfünfhundert Metern beschränkt. In den Gebieten zwischen viertausendzweihundert und fünftausend Metern scheinen seine bevorzugten Lebensstätten zu liegen. Nach weitverbreiteter Meinung ist das Vikunja demnach ein echtes Gebirgstier. Doch das war nicht immer der Fall. Vorzeitfunde beweisen, dass Vikunjas früher auch in den weiten, ebenen
Pampasgebieten beheimatet waren; so bevölkerten sie nach den Angaben von Herre ehemals die Steppen im Raum von Buenos Aires. Man darf annehmen, dass die Vikunjas in den südamerikanischen Ebenen anderen wildlebenden Tieren, wie zum Beispiel dem Guanako und dem Pampashirsch, weichen mussten, deren Wettbewerb sie nicht gewachsen waren. Sie zogen sich in die Berggegenden zurück, denen sie körperlich besser angepasst sind. ...

Schon das Inkareich hatte für einen strengen Schutz der Vikunjas gesorgt. Dem einfachen Volk war die Jagd auf Vikunjas verboten. Nur zu bestimmten Zeiten durften auf Anordnung der Inkaherrscher und Inkabeamten viele Tausende von Indianern zusammengerufen werden, die dann als Treiber die Wohngebiete der Vikunjaherden einkreisten. Sie trieben die Tiere an Steinwällen entlang in Krals, wo sie gepackt, geschoren und hernach wieder in Freiheit gesetzt wurden. Dabei schlachteten die Indianer meist nur überzählige Hengste zur Pelz- und Ledergewinnung. Auf diese Weise konnten sich die Inkas in die feine Vikunjawolle kleiden, ohne den Bestand der Tiere zu bedrohen.

Während der spanischen Kolonialherrschaft setzte eine starke Verfolgung der Vikunjas ein, weil die wertvolle Wolle als feinste und kostbarste der Welt gilt -- und das zarte Fleisch eine begehrte Beute darstellten. Die Bestände schrumpften in den dreihundert Jahren der spanischen Herrschaft so sehr zusammen, dass der Befreier Südamerikas, Simon Bolivar, schon bald nach den Unabhängigkeitskämpfen im Jahr 1825 für Peru und Bolivien ein Gesetz zum Schutz der Vikunjas erließ. Es erlaubte nur eine begrenzte Jagd auf diese Tiere und war wohl eines der ersten Tierschutzgesetze im nachindianischen Amerika.
Da dieses Gesetz keine große Wirksamkeit hatte, wurde es verschiedene Male von den Regierungen in Peru, Bolivien, Argentinien und Chile verschärft. Aber in den weiten Andenräumen lassen sich keine ausreichenden Überwachungen durchführen. Mäntel und Decken aus Vikunjawolle sind nicht nur bei den Einheimischen, sondern auch bei den Touristen sehr beliebt. So geht die ungesetzliche Jagd weiter bis zum heutigen Tag. Nur in den Nationalparks von Sajama in Bolivien und Cutervo in Peru haben die Vikunjas Schutzgebiete, in denen sie vor Verfolgungen sicher sind.

Die alte indianische Methode der Wollgewinnung unter weitgehender Schonung der Tiere ist heute von einigen Farmern wieder aufgegriffen worden. Im Jahr1919 fing der peruanische Grundbesitzer Paredes etwa dreißig junge Vikunjas ein und setzte sie auf seiner großen Farm im Hochland über dem Titicaca-See, die mit einem Steinwall umgeben ist, aus. Die Vikunjas vermehrten sich hier gut und waren schon nach zehn Jahren auf einen Bestand von fast fünftausend Tieren angewachsen. Sie leben völlig wild auf dem riesigen Farmgelände. Wolf Herre und ich hatten Gelegenheit, sie zu beobachten und darüber zu berichten. Alljährlich werden sie nach alter Indianersitte von einer Anzahl angestellter Treiber in Krals gejagt, mit Lassos eingefangen, auf den Boden geworfen und geschoren. Dann werden die Krals wieder geöffnet, und die Vikunjas sausen in wilder Flucht in die Halbfreiheit zurück. Schon nach zweihundert Metern haben sie sich beruhigt. Die Familien finden sich erneut zusammen und ziehen eine nach der anderen in ihr Wohngebiet."

[Wendt, Herbert <1914 - >. -- In: Grzimeks Tierleben : Enzyklopädie des Tierrreichs. -- Bd. 13: Säugetiere 4. -- Zürich : Kindler, ©1968. -- S.144 - 147]


3.3. Zum Beispiel: Kameliden bei den Inkas


"Der Viehwirtschaft kam im Hochland von Groß-Peru eine außerordentliche Bedeutung zu. Seit undenklichen Zeiten wurden die Lamas und Alpakas von den Bewohnern der Hochtäler gezüchtet. Die Tiere fanden dort ihre Lieblingsnahrung, das harte Ichu-Gras. Durch die Tierzucht gewannen die Hochlandindios 
  • Fleisch,
  • Wolle, 
  • Felle und 
  • Leder, auch 
  • Lamamist und 
  • (aus dem Dung) ihr Heizmaterial. 

Infolge der großen Mengen des wildwachsenden Ichu-Grases mussten sich die Lamazüchter nicht mit dem ständigen Aufsuchen neuer Futterplätze befassen. Im Inkareich beschäftigten sich zahlreiche Hirten als Treiber, da die Lamas -- als aus-
gezeichnete Lasttiere -- für die grossen Warentransporte eingesetzt wurden, ferner während der Feldzüge Nahrungsmittel und Kriegsmaterial beförderten. (Bei einer Traglast von höchstens 40 kg legen diese Tiere 15 bis 20 km im Tage zurück.)

Daneben spielten die Lamas auch als Opfergabe eine wichtige Rolle, wie aus zahlreichen Grabfunden hervorgeht. Nur bei besonderen Anlässen war es gestattet, einzelne Tiere zu schlachten. Das unerlaubte Töten eines Muttertieres wurde streng geahndet. 

Aus der groben Lamawolle wurden Säcke oder Decken hergestellt. Die feinere Wolle der Alpakas diente zur Verarbeitung von Kleidern. 

In der Zeit der Inkaherrschaft gehörte der größte Teil der Herden dem Kaiser, der aus diesem «Staatseigentum» verdiente Beamte oder tapfere Krieger beschenkte. 

Weitere Tiere der Cameliden-Gattung waren das Vikunja (wegen seiner feinen Wolle sehr geschätzt) und das Guanako (berühmt für sein schmackhaftes Fleisch). Die Treibjagden auf diese wildlebenden Tiere unterstanden strengen Regeln. Von Zeit zu Zeit durfte in den Provinzen des Reiches eine Jagd (Chacu) abgehalten werden. Eine solche Chacu fand erst nach dem Wurf der Jungtiere statt und erforderte Tausende von Treibern, die in einem riesigen Umkreis die Jagdtiere nach einem Mittelpunkt vor sich her trieben. Der Hauptzweck des Unternehmens war neben der Fleischgewinnung das Scheren der zusammengetriebenen Vikunjas und Guanakos. Nachher wurden die Weibchen wieder freigelassen, dazu ließen die Jäger eine angemessene Zahl von gesunden männlichen Tieren wieder laufen, damit die Fortpflanzung sichergestellt blieb. In gleicher Weise wurde mit den eingefangenen Rehen, Hirschen und Damhirschen verfahren. Die übrigen Tiere töteten die Jäger, und aus der ungeheuren Menge an essbarem Fleisch stellte man Charqui (Trockenfleisch) her, das zur Aufbewahrung in die Lagerhäuser gelangte. Den Rest der Beute verspeisten die Jäger bei einem großen Festmahle. Der Chronist dieses Berichtes, Garcilaso de la Vega, berichtet außerdem: 

«Diese Treibjagden wurden nur alle vier Jahre in den einzelnen Landesteilen veranstaltet, da man von einer Jagd zur anderen eine entsprechende Frist verstreichen ließ. Die Indianer sagten nämlich, dass in der Zwischenzeit die Wolle des Vikunjas wieder voll nachwachsen würde und dass sie es vorher nicht scheren wollten. Inzwischen hätten die Tiere wieder Zeit gefunden, sich zu vermehren, und sie würden auch wegen dieser Schonzeit nicht so stark in Mitleidenschaft gezogen wie bei einer jährlichen Treibjagd ...»"

[Bollinger, Armin ; Dörig, Hansruedi: Die Inka. -- Lausanne : Mondo, ©1977. -- S. 104]


3.4. Nutzung von Neuweltkameliden



4. Weiterführende Ressourcen



4.3. Organisationen


International Alpaca Association -- Asociación Internacional de la Alpaca -- IAA. -- URL: http://www.aia.org.pe/. -- Zugriff am 2001-02-08. -- [Gute Informationen zu Alpakas. "The Internacional Alpaca Association (IAA) is a private-sector association with nonprofit purposes.  The IAA brings together companies and individual breeders involved in the production and commercialization of fiber from alpacas, llamas, and other South American camelidae and their hybrids.
IAA OBJECTIVES:

Alpaca Owners and Breeders Association, Inc. -- AOBA. -- URL: http://www.aoba.org/. -- Zugriff am 2001-02-08. -- ["Purposes. (1) To promote public awareness and membership appreciation of the Alpaca's unique qualities; (2) To educate the membership on the care and breeding of the Alpaca; (3) To promote the growth of the Alpaca industry as a whole; and (4) To foster the establishment of the breed outside of its native land by encouraging husbandry and breeding practices based upon, but not limited to, herd health, overall soundness, and wool production."]

The Alpaca Registry -- ARI. -- URL: http://www.alpacaregistry.net/home.html. -- Zugriff am 2001-02-08. -- ["The Alpaca Registry is a database housing the genealogy, blood typing and ownership records of alpacas in North America and those of a few alpacas outside this area."]

Suri Network. -- URL: http://www.surinetwork.org/. -- Zugriff am 2001-02-08. -- ["Dedicated to the preservation of Suri_Alpacas"]


4.4. Andere Internetressourcen


The Ultimate Llama Connection. -- URL: http://www.ismi.net/llamaconnect/. -- Zugriff am 2001-02-08. -- [Enthält: "Well written, useful llama information, Llama events all over the U.S. and Canada, Llama breeders in your area, Llama products and services, Llamas and products for sale, Organizations, Auction and sale information"]

AlpacaNet / Sharon McIntosh. -- URL: http://www.alpacanet.com/. -- Zugriff am 2001-02-08. -- ["AlpacaNet has been organized to help newcomers to the breed learn quickly about the animals and to offer advertising at reasonable rates. It also offers a listing of alpaca-related events around the globe. Public interest led to the Alpaca Products Online Store."]


4.5. Ressourcen in Printform


Beattie, Linda: Making the most of your Llama. -- 2. ed. -- Kalama, WA : Kopacetic, ©1998. -- 88 S. : Ill. -- ISBN 0961963417. --

Grzimeks Tierleben : Enzyklopädie des Tierreichs. -- Bd. 13: Säugetiere 4. -- Zürich : Kindler, ©1968. -- S. 126 -148

Neuweltkameliden : ein Leitfaden für Halter, Züchter und Tierärzte / Matthias Gauly (Hrsg.). -- Berlin : Parey, ©1997. -- 173 S. : Ill. -- ISBN 3826331443. --

Nutztiere der Tropen und Subtropen / Hrsg. Siegfried Legel. -- Leipzig : Hirzel.. -- Bd. 2: Büffel, Kamele, Schafe, Ziegen, Wildtiere. --  ©1990. -- ISBN 3740101768. --  S. 113 - 205

Périquet, Jean-Claude: Les nouveaux élevages : autruches, sangliers, bisons, cerfs, lamas. -- Paris : Rustica, ©1997. -- (Les cahiers de l'élevage). -- ISBN 2840381915. -- S. 45 - 55: Les camélidés (mit Ill.)


Zu Kapitel 8.4.: Equiden: Esel, Pferde, Maultiere