Einführung in

Entwicklungsländerstudien

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8. Grundgegebenheiten: Tierische Produktion

4. Equiden: Pferde, Esel, Maultiere, Maulesel


zusammengestellt von Alois Payer

herausgegeben von Margarete Payer

mailto: payer@hdm-stuttgart.de


Zitierweise / cite as:

Entwicklungsländerstudien / hrsg. von Margarete Payer. -- Teil I: Grundgegebenheiten. -- Kapitel 8: Tierische Produktion. -- 4. Equiden: Pferde, Esel, Maultiere, Maulesel  / zusammengestellt von Alois Payer. -- Fassung vom 2018-10-09. -- URL: http://www.payer.de/entwicklung/entw084.htm. -- [Stichwort].

Erstmals publiziert: 2000-03-15

Überarbeitungen: 2018-10-09 [grundlegend überarbeitet] ; 2001-02-08 [Update]

Anlass: Lehrveranstaltung "Einführung in Entwicklungsländerstudien", HBI Stuttgart, 1998/99

©opyright: Dieser Text steht der Allgemeinheit zur Verfügung. Eine Verwertung in Publikationen, die über übliche Zitate hinausgeht, bedarf der ausdrücklichen Genehmigung der Herausgeberin.

Dieser Text ist Bestandteil der Abteilung Entwicklungsländer von Tüpfli's Global Village Library.


Skript, das von den Teilnehmern am Wahlpflichtfach "Entwicklungsländerstudien" an der HBI Stuttgart erarbeitet wird.


0. Übersicht



1. Familie Equidae -- Pferde (Einhufer)


Statt  eines Motto:

Abb.: Pferd, Rind, Esel und Maultier ziehen den Reichtumsgott
Bei Bauern beliebter Farbholzdruck, Schandong-Provinz, Volksrepublik China,  zwischen 1985 und 1992

[Quelle der Abb.: Thamm, Ludwig ; Thamm, Hedi: Glück, Geld und langes Leben : Tradition und Volksreligion im heutigen China. -- Regensburg : Mittelbayerische Zeitung, ©1995. -- ISBN 3927529710. -- S. 25. ]


1.1. Zoologische Systematik



1.2. Verhaltensunterschiede zwischen Eseln, Pferden und Maultieren


Einen für die Nutzung wichtigen Verhaltensunterschied zwischen Esel, Pferd und Maultier illustriert folgende Anekdote:

"Ein Militär-Tierarzt der britischen Armee in Indien erzählte mir von einem Unfall, als er für eine gemischte Gruppe aus Pferden, Eseln und Maultieren verantwortlich war, die mit der Eisenbahn transportiert wurden. Auf der Fahrt ereignete sich ein Zusammenstoß. 

  • Alle Pferde gerieten in Panik, bäumten sich hoch und schlugen aus, um zu entkommen, wobei sie sich gegenseitig schwer verletzten, die meisten brachen sich die Beine. 

  • Die Esel standen und zitterten, viele von ihnen starben am Herzschlag oder an einem Schock. 

  • Das Maultier ist halb Pferd, halb Esel, in seinen Eigenschaften wie in seiner Gestalt. Bei diesem Unglück gerieten sie weder in Panik wie die Pferde, noch starben wie durch den Schock wie die Esel; sie standen ruhig, bis jemand kam, um die Türen ihrer Wagons zu öffnen, dann stiegen sie gelassen aus und suchten sich etwas zum Grasen."

[Borwick, Robin: Esel halten. -- Stuttgart : Ulmer, ©1984 -- ISBN 3800171325. -- Originaltitel: The book of the donkey (1981). -- S. 16]

Vereinfachend kann man über das Verhalten in einer als Gefahr wahrgenommenen Situation sagen:


1.3. Vergleich von Rindern, Pferden und Eseln als Zugtiere


Bezüglich der Mechanisierung der Landwirtschaft kann man stark vereinfachend unterscheiden zwischen:

  • "Die Handarbeitsstufe, eigentlich ohne jegliche "Mechanisierung" überhaupt, ist gekennzeichnet durch den Gebrauch einfacher Werkzeuge und Geräte in reiner Handarbeit. Dies ist die in Afrika auch heute noch am häufigsten anzutreffende Form der Landbewirtschaftung, speziell im kleinbäuerlichen Bereich.
  • Die Stufe der Gespanntiernutzung als Beginn einer "intermediären" oder "angepassten" Agrartechnisierung, wobei nicht zu vergessen ist, dass Zugtiernutzung in einigen Gegenden [Afrikas] (z.B. Nordafrika und Äthiopien) seit Jahrhunderten bereits Tradition ist.
  • Die Traktornutzung als moderne, weitentwickelte Form der Agrarmechanisierung, wobei die verschiedensten Formen und Bautypen von Traktoren und Geräten einzubeziehen sind."

[Handbuch der Zugtiernutzung in Afrika / zusammengestellt und bearbeitet von Peter Munzinger. -- Eschborn : gtz, 1981. -- ISBN 3-88085-103-4. -- S. 15]

Equiden wurden als Gespanntiere für Feldarbeiten erst relativ spät eingesetzt: in Europa erst seit etwa 1200 nach Christus. Um von Equiden schwere Zugleistung zu erreichen, muss man eine Möglichkeit der Kraftübertragung finden, die der Anatomie der Pferde entspricht. Man erfand dazu prinzipiell zwei Methoden:

(s. unten). 

Folgende Übersicht vergleicht die Vor- und Nachteile der landwirtschaftlichen Anspannung von Rindern, Pferden und Eseln:

Rind Pferd Esel
Vorteile
  • beständige, wenn auch langsame Arbeit
  • für den Bauern weniger ermüdende Arbeit
  • Möglichkeit der Arbeitsdurchführung von nur einer Person
  • einfache Geschirre, die lokal hergestellt werden können
  • Ausführung schwerer Bodenarbeit
  • Arbeit mit breiteren oder mehreren Geräten
  • leicht zu füttern
  • Ankaufspreis pro Paar allgemein niedriger als für Pferde
  • beachtlicher Wertzuwachs als Schlachttier
  • Einsatz in tsetseverseuchten Gebieten
  • bei Zugkuhhaltung zusätzliche Milchproduktion zur Ernährung der Familie
  • leicht zähmbar, intelligent und zutraulich
  • hoher Prestigewert in vielen Gebieten
  • schnelle Gangart (Transport, Saat, Pflege)
  • während der Arbeit leicht zu handhaben und zu kontrollieren 
  • äußerst genügsam
  • leicht dressierbar
  • ruhig und geduldig bei der Arbeit
  • niedrige Anschaffungskosten
Nachteile
  • langsame Gangart
  • langsamere und schwierigere Dressur als bei Pferd/Esel
  • hoher Anschaffungspreis
  • Geschirr teuer und aufwendig
  • nicht typanotolerant (in tsetseverseuchten Gebieten wichtig)
  • Bedarf an hochwertigen Futtermitteln
  • Arbeit ermüdend und anstrengend für Bauer (schnelle Gangart)
  • zu leicht für schwere Bodenarbeit
  • oft kein Wert als Schlachttier
  • zu leicht für die Mehrzahl der landwirtschaftlichen Arbeitet
  • nicht typanotolerant (in tsetseverseuchten Gebieten wichtig)
  • empfindlich gegenüber Geschirrwunden
  • oft kein Wert als Schlachttier

[Quelle der Tabelle: Handbuch der Zugtiernutzung in Afrika / zusammengestellt und bearbeitet von Peter Munzinger. -- Eschborn : gtz, 1981. -- ISBN 3-88085-103-4. -- S. 130]

Arbeitsleistungen von Zugrindern, Pferden und Eseln im Erdnussanbau in Senegal:

Art der Arbeit Zeitbedarf in Stunden pro Hektar
Rind Pferd Esel
Pflügen 30 (nicht verwendet) (nicht verwendet)
Saatbereitung 10 8 16
Aussaat 9 7 9
Pflege 11 9 9
Häuflen 14 (nicht verwendet) (nicht verwendet)
Erdnussrodung 11 15 (nicht verwendet)

[Bigot, Y. ; Anne, S. (1974). -- Zitiert in:  Handbuch der Zugtiernutzung in Afrika / zusammengestellt und bearbeitet von Peter Munzinger. -- Eschborn : gtz, 1981. -- ISBN 3-88085-103-4. -- S. 127]


2. Esel



Abb.: Lastesel auf Markt, Tafilalet, Marokko (©Corbis)


Abb.: Familie mit Esel, Kappadokien, Türkei, 1969 (©Corbis)


2.1. Allgemeines



Abb.: Ren Yi (1840 - 1896): Mann reitet auf Esel über Schnee (chinesische Tuschmalerei, Ausschnitt) (©IMSI®)

Audio: Eselsgeschrei

Audio: Eselsgeschrei

Esel wurden seit spätestens der ersten Hälfte des 4. Jahrtausends vor Christus in Vorderasien domestiziert. Stammart ist der Afrikanische Wildesel Equus africanus. Die durchschnittliche Widerristhöhe von Eseln ist ca. 1 m. Es gibt aber auch  61 cm hohe Zwergesel und 1,50 m hohe Eselshengste.

"Esel -- weder blöd noch dumm. Doch Spaß beiseite! Der Esel ist besser als sein Ruf. Zum Haustier wurde er übrigens vor dem Pferd, und seine Verbreitung reicht um den ganzen Erdball. Fünfundzwanzig Millionen Esel sollen auf dieser Welt leben, fast zwei Millionen allein in Europa. Und es gibt sie in allen Größen, vom wunderschönen, riesengroßen und zottig behangenen Poitouesel in Südfrankreich bis zur kleinen Inselform, beispielsweise dem sardinischen Zwergesel. Seine weltweite Verbreitung verdankt das Grautier der von seinen wilden Vorfahren ererbten Anspruchslosigkeit. Es gibt wohl kein anderes Haustier, das, im Vergleich zu seiner Arbeitsleistung, sich dermaßen bescheiden ernährt. Ein bedürfnisloser Sohn der Wüste! Krank wird er kaum je, und er erreicht ein hohes Alter, oft über vierzig Jahre, was, im Vergleich zum Pferd, methusalemisch ist.

Als die Menschen dem Busen der Natur noch näher lebten, da schätzten sie auch noch solch biologische Delikatessen wie beispielsweise Eselmilch, die mehr Milchzucker als Kuh- und selbst als Frauenmilch enthält. Doch von der Milch zurück zum Charakter: Esel sind, kurz zusammengefasst, die zähesten unter allen domestizierten Equiden (Pferdeartigen), sind willige und langlebige Arbeitstiere, wenn auch ein bisschen eigensinnig. Merkwürdig: Der Esel ist willensstark, und willensschwache Zweibeiner schimpfen wir Esel. Wo bleibt da die Logik? . . ."

[Hofmann, Heini: Die Tiere auf dem Schweizer Bauernhof. -- 3. Aufl. -- Aarau : AT, 1985. -- ISBN 3855021678. -- S. 98]


2.2. Verbreitung von Eseln und Eignung für Entwicklungsländer



Abb.: Frau führt Esel auf Straße, Marokko (©Corbis)

"Esel, Maultiere und Maulesel haben als Trag-  und Reittiere sowie teilweise auch als Zugtiere besonders in den semiariden und ariden Gebieten seit langer Zeit Bedeutung. Ähnlich dem Pferd hat sich in den letzten Jahrzehnten auch ihre Bestandsentwicklung sowohl regional als auch nach Ländern sehr differenziert entwickelt. Schwerpunkte von Esel-, Maultier- und Mauleselhaltung bilden Asien (China, Westasien), das nördliche Afrika (einschließlich Äthiopien), der angrenzende Mittelmeerraum sowie Lateinamerika.

Der Esel ist dem Pferd in seinem Verbreitungsgebiet in wesentlichen Eigenschaften überlegen: er ist 

  • billiger, 
  • genügsamer, 
  • krankheitsresistenter und, 
  • in Bezug auf seine Körpermasse, als Last- und Zugtier leistungsfähiger

Von ihrer Bedeutung her ist neben der Esel- auch die Maultierhaltung erwähnenswert, während die Mauleselhaltung weniger verbreitet ist. In ihren Eigenschaften und folglich in ihrer Wirtschaftlichkeit können die Maultiere den Eseln überlegen sein, woraus sich auch die unterschiedliche Bestandsentwicklung in einigen Ländern erklärt."

[Heynoldt, Hans-Joachim. -- In: Nutztiere der Tropen und Subtropen / Hrsg. Siegfried Legel. -- Stuttgart [u.a.] : Hirzel.. -- Bd. 3: Pferde/Esel, Schweine, Elefanten, Geflügel, Bienen, Seidenspinner. --  ©1993. -- ISBN 3777604976. -- S. 16f.]

"Hausesel sind in trockenwarmen Klimazonen besonders stark verbreitet. Sie leben in Afrika nördlich der Sahara, in der Sahara und in der Sahelzone südlich der Sahara, in Ostafrika, Somalia und Äthiopien und im Norden Kenias. Bei den Masai im Hochland von Arusha wurden Esel eingeführt. Auf Sansibar und Pempa sind sie durch den starken arabischen Einfluss viel länger bekannt und werden stärker genutzt als auf dem tansanischen Festland. In den trockenwarmen bis subtropisch gemäßigten Klimazonen Südwest- und Südafrikas sowie auf Madagaskar sind sie ebenfalls von großer Bedeutung. In feuchtwarmen Gebieten Westafrikas wurden sie später eingeführt, sind dort aber nicht so häufig wie in den Trockengebieten West- und Zentralafrikas, obwohl sie gegen die Pferdepest und die Pferdetrypanosomiasis resistenter sind. Höhenlagen wirken sich auf die Eselhaltung nicht negativ aus. Die Trittsicherheit, durch die sich auch die Kreuzungen zwischen ihnen und Pferden, die Maultiere und Maulesel, auszeichnen, ist dafür besonders geeignet. ...

In Asien und auf der Arabischen Halbinsel haben die Esel wiederum vorrangig in trockenwarmen Gebieten eine Bedeutung, aber auch in feuchtwarmen Gebieten, wie den indonesischen und Südseeinseln. Sie kommen bis in Höhenlagen von 2000 m und teilweise sogar darüber vor. Auch die Maultiere und Maulesel finden auf diesem Weg ihre Verbreitung.

Mit den spanischen Eroberern kamen ab Ende des 16. Jahrhunderts nicht nur Pferde, sondern auch Esel und ihre Kreuzungen in die warmen Klimazonen Amerikas, wo sie in den Südregionen der USA bis in den Süden Südamerikas besonders in den trockenwarmen Gebieten von Bedeutung sind. Sie kommen hier ebenfalls vom Flachland bis in die Hochanden und andere Gebirge vor. Auch auf den Inseln der Karibik und Südamerikas sind Esel zu finden."

[Altmann, Dietrich. -- In: Nutztiere der Tropen und Subtropen / Hrsg. Siegfried Legel. -- Stuttgart [u.a.] : Hirzel.. -- Bd. 3: Pferde/Esel, Schweine, Elefanten, Geflügel, Bienen, Seidenspinner. --  ©1993. -- ISBN 3777604976. -- S. 22 - 24]


In der folgenden Auflistung der Weltbestände an Eseln werden einzelne Länder nur aufgeführt, wenn sie mehr als 500.000 Esel haben.

Weltbestände an Eseln 1999
Welt 43 Mio.
 Asien

20 Mio.

 Afrika

15 Mio.

 Lateinamerika und Karibik

8 Mio.

 Europa 0,8 Mio.
Länder mit mehr als 0,5 Mio. Eseln
  China 9,6 Mio.
  Äthiopien 5,2 Mio.
  Pakistan 4,3 Mio.
  Mexiko 3,3 Mio.
  Ägypten 3,0 Mio.
  Iran 1,4 Mio.
  Brasilien 1,4 Mio.
  Afghanistan 1,2 Mio.
  Indien 1,0 Mio.
  Nigeria 1,0 Mio.
  Marokko 1,0 Mio.
  Sudan 0,7 Mio.
  Kolumbien 0,7 Mio.
  Türkei 0,7 Mio.
  Mali 0,7 Mio.
  Bolivien 0,6 Mio.
  Niger 0,5 Mio.
  Peru 0,5 Mio.
  Jemen 0,5 Mio.

[Quelle: FAOSTAT. -- URL: http://apps.fao.org/lim500/nph-wrap.pl?Production.Livestock.Stocks&Domain=SUA&servlet=1. -- Zugriff am 21.1.2000]


2.3. Zum Verhalten von Eseln


Esel sind physiologisch sehr gut an hohe Temperaturen angepasst. Esel suchen -- wie Kamele -- auch während der größten Mittagshitze keinen Schatten auf.

Während ein Pferd, wenn es erschrickt oder eine Situation nicht versteht, durchzugehen versucht, bleibt ein Esel wie angewurzelt stehen: daher stammt die Legende vom störrischen Esel.


2.4. Fressverhalten von Eseln


"Da über die Ernährung von Eseln außer rein praktischen Erfahrungen keine ernährungsphysiologischen Untersuchungen vorliegen, sollte davon ausgegangen werden, dass auch bei Eseln dem Pferd ähnliche Verdauungsvorgänge existieren. ...

Esel sind mehr als andere Equiden an ungünstige Umweltverhältnisse und damit an minderwertiges Futter angepasst. 

  • Esel haben eine höhere Rohfaseraufnahmekapazität als Pferde und 
  • gehören zu den wenigen Tieren, die die kurzen Blätter bestimmter Gräser (z. B. Sporobolus spicatus) zu fressen vermögen. 
  • Esel benötigen weniger Tränkwasser als Pferde. Bei ruhenden Eseln kann der tägliche Tränkwasserverbrauch weniger als 2,5 % der Lebendmasse sein. Der auf 1 kg Lebendmasse bezogene Tränkwasserbedarf eines Esels entspricht unter tropischen Bedingungen etwa dem von Pferden unter gemäßigten Bedingungen. 
  • Nach Yousef und Dill (1969) sowie Bullard u. a. (1970) steigt der Wasserbedarf bei Eseln, die in Bewegung (Laufen) sind, im Vergleich zu anderen Nutztieren nur geringfügig gegenüber ruhenden Eseln an. Die Ursachen liegen im geringeren Schwitzen der Esel beim Laufen und darin, dass sich Esel mit ihrer Laufgeschwindigkeit so einrichten, dass die normalen Thermoregulationsmechanismen nicht überschritten werden. 
  • Esel reagieren bis zu einem Körperwasserverlust von 15 % (oft von 23 %) kaum mit einer verminderten Futteraufnahme, wobei der Körperwasserverlust nach zweitägigem Wassermangel 21 % betragen kann."

[Legel, Siegfried. -- In: Nutztiere der Tropen und Subtropen / Hrsg. Siegfried Legel. -- Stuttgart [u.a.] : Hirzel.. -- Bd. 3: Pferde/Esel, Schweine, Elefanten, Geflügel, Bienen, Seidenspinner. --  ©1993. -- ISBN 3777604976]

Esel scharren in Trockengebieten in ausgetrockneten Flüssen bis zu 1 Meter tiefe Löcher, um an Wasser zu kommen. Sie meiden dagegen fließende Gewässer als Tränke: 

"Ein Esel braucht Wasser und Futter. Durch manche Weiden fließt ein Gewässer, aber die Esel werden es nicht zum Trinken benutzen, da Esel dazu neigen sich vor Bächen, Flüssen und Teichen zu fürchten. Stets bildet sich am Fluss oder Weiher, wo Tiere trinken eine durchnässte, schmutzige Stelle, unschön anzusehen und nicht ohne Gefahr zu begehen. Der Esel hält sie für gefährlich -- er könnte einsinken und im Sumpf stecken bleiben -- und meidet sie daher. Zu bedenken ist, dass ein Esel im Verhältnis zu seinem Gewicht eine viel geringere Trittfläche besitzt als der Mensch, und deshalb viel leichter einsinkt als ein Mensch im selben weichen Boden."

[Borwick, Robin: Esel halten. -- Stuttgart : Ulmer, ©1984 -- ISBN 3800171325. -- Originaltitel: The book of the donkey (1981). -- S. 27]

Bei Futtermangel am Boden richten sich Esel auf, um ans Laub von Bäumen zu kommen.


2.5. Formen der Eselshaltung


Esel werden vorwiegend in Einzelhaltung gehalten. Man kann sie frei, eingezäunt oder angebunden (angepflöckt) weiden lassen.

"Esel bekommen oft das Futter, das Pferde übriglassen. Viele Esel werden nicht durch Menschenhand ernährt oder erhalten nur ergänzend ein minderwertiges, rohfaserhaltiges Grobfutter. Kleinpferde und Esel werden bei kleinbäuerlicher oder nomadischer Haltung meist als Einzeltier oder in kleineren Stückzahlen gehalten. Die Ernährung dieser Tiere ist oft dem Zufall überlassen. Die einfachste Form der Ernährung von Kleinpferden und Eseln ist der Weidegang. Unter den Bedingungen der gemäßigten Breiten werden je Tier auf die Weideperiode bezogen etwa 0,3 bis 0,4 ha Weidefläche benötigt. Auf tropische Naturweiden (Savannen) bezogen würden etwa so viele Hektar Weidefläche benötigt wie die Anzahl der Trockenzeitmonate je Jahr. Da Esel nie allein die Naturweiden nutzen, stellt die letztgenannte Feststellung mehr eine theoretische Größe dar.

Wachsende, Arbeit verrichtende, hochträchtige und Taktierende Ponys und Esel müssen ergänzend ein Konzentratgemisch erhalten. In der vegetationsarmen Zeit genügt bei geringen Leistungen eine Heu- oder Strohgabe. In der kleinbäuerlichen Haltung werden meist anfallende Abfälle von Feld und Hof an Esel verfüttert. ...  Lastenesel erbringen höhere Leistungen als andere Tragtiere. Aus diesem Grund müssen Lasteneseln Rationen mit hohem Konzentratanteil verabreicht werden. ...

Im arabischen Raum benutzen Schafe und Ziegen besitzende Wanderviehhalter (Beduinen) in erheblichem Umfang Esel als Tragtiere. Diese Esel ziehen gemeinsam mit den Schaf- und Ziegenherden von Futterplatz zu Futterplatz. Eine besondere Ernährung erfolgt nicht. Sie sind auf die gleichen Futterpflanzen der Halbwüsten angewiesen wie die Schafe und Ziegen. Eine günstigere Situation ergibt sich bei Eseln, die von rinderhaltenden Nomaden in Savannen Afrikas gehalten werden. Da Esel genügsamer als Rinder sind, finden sie auch während der Trockenzeit nutzbares Futter, deren Nährstoffgehalt im Gegensatz zur Bedarfsdeckung der Rinder für die Sicherung des Erhaltungsbedarfes ausreicht."

[Legel, Siegfried. -- In: Nutztiere der Tropen und Subtropen / Hrsg. Siegfried Legel. -- Stuttgart [u.a.] : Hirzel.. -- Bd. 3: Pferde/Esel, Schweine, Elefanten, Geflügel, Bienen, Seidenspinner. --  ©1993. -- ISBN 3777604976. -- S. 91 - 93]


2.6. Krankheiten


Esel sind empfänglich für die Ansteckung mit Trypanosomen, die durch Tsetsefliegen übertragen werden. Diese Krankheit (Nagana, Tsetsekrankheit, Trypanosmomose)  ist in weiten Gebieten Afrikas äußerst verlustreich.

2.7. Eselsrassen und Eselzucht


Siehe:

Anhang A: Bilderbogen einiger Pferde- und Eselrassen  / zusammengestellt von Alois Payer.  -- URL: http://www.payer.de/entwicklung/entw084a.htm.

Esel wurden und werden selten gezielt gezüchtet. Meist überlässt man die Esel zur Paarung sich selbst. Deswegen gibt es sehr viele Eselstypen, aber kaum echte Rassen. 


2.8. Nutzung von Eseln


Esel werden genutzt

Esel als Tragtiere


Abb.: Esel mit Blättern für Betten, Albanien, 1995 (Bildquelle: FAO)


Abb.: Wassertransport mit Esel, 1997 (©ArtToday™)


Abb.: Wassertransport mit Esel, Äthiopien, 1992 (Bildquelle: FAO)


Abb.: Wassertransport mit Esel, Kap Verde (Bildquelle: FAO)


Abb.: Ziegeltransport mit Esel , Indien, 1997 (©ArtToday™)

Esel in Leichtanspannung


Abb.: Milchtransport mit Esel zur Molkerei, Pakistan, 1993 (Bildquelle: FAO)


Abb.: Milchtransport mit Esel zur Molkerei, Pakistan, 1993 (Bildquelle: FAO)


Abb.: Melonentransport mit Esel, Marokko, 1997 (©ArtToday™)

An Produkten des Esels werden verwendet:


3. Pferde


Abb.: Pferdegespann vor Pflug, Amish People, Pennsylvania, USA, 1990 (©Corbis)

"Man bedenke, dass das Arbeitspferd nur 50 Jahre bevor der erste Mensch auf dem Mond landete noch voll im Einsatz war."

[Edwards, Elwyn Hartley: Die BLV Enzyklopädie der Pferde. -- München : BLV, ©1999. -- ISBN 3405155568. -- Originaltitel: The encyclopedia of the horse (1994). -- S. 247. ]


3.1. Allgemeines


"Obschon unser Land [die Schweiz] nicht zu den ersten Pferdezuchtnationen zählt, hat das Ross doch auch bei uns Geschichte geschrieben, vor allem in der Landwirtschaft, bis die Maschinen es von der Scholle verdrängten. Zudem wechselte es vom Wagenzug vermehrt unter den Freizeitreiter. Heute aber erinnert sich auch die Landwirtschaft seiner wieder, und Pferdezucht erlebt ganz allgemein neuen Aufschwung.

Tierliebe allein, zumal sentimentale, hilft den Pferden im Zeitalter der motorisierten Technik jedoch nicht überleben. Sie muss getragen sein von Pferdekenntnis und -verständnis. Wir wollen daher die sachlichen Zusammenhänge der Interessengemeinschaft zwischen Mensch und Pferd erfahren und keinen schnulzigen Lobgesang auf das «edelste aller Tiere» und den «treusten Kriegskameraden des Menschen» anstimmen, wie er sonst die Publikumszeitschriften und Kalenderblätter füllt; denn wenn im Laufe der Geschichte Legionen von Pferden auf den Schlachtfeldern dieser Erde in den Tod galoppierten, dann taten sie das weniger aus Kameradschaft, sondern weil die Sporen sie dazu antrieben . . .

Mensch-Pferd-Schicksalsgemeinschaft im Zeitraffer. Das Zusammenfinden von Mensch und Pferd liegt keine 5000 Jahre zurück. Zuerst jagte der Zwei- den Vierbeiner als lebende Fleischkonserve, rund 2000 Jahre später folgte er ihm als Nomade, was die Sache mit der Fleischgewinnung wesentlich vereinfachte. Der Homo sapiens zeigte also schon einen Hang zur Rationalisierung, als er noch mit Fellen bekleidet umherirrte. So wurde -- mit Zuckerbrot und Peitsche -- aus dem einst gejagten Wild- ein folgsames Haustier, das sich, so etwa um 2000 vor Christus, vor den Kriegswagen spannen ließ. Die Legende vom treuen Kriegskameraden nahm ihren Anfang.

Als der Mensch gar Sattel und Steigbügel erfunden hatte, da kletterte er aufs Pferd. Das war im 17. Jahrhundert vor Christus, wie eine Abbildung aus jener Zeit belegt, die den ersten reitenden Menschen zeigt. Nun gab es zweierlei Zweibeiner: Herren, die ritten, und Knechte, die marschierten. Geschichte schrieb fortan das Kriegsinstrument Pferd, das zu Legionen auf den Schlachtfeldern der Welt für die streitsüchtigen Menschen ins Gras biss, in den Reiterheeren des großen Alexander, eines Hannibal oder Attila, auf Kreuz- und anderen Feldzügen. In den blutigsten Schlachten rannten mehrere zehntausend Pferde gegeneinander an. Die Erde hätte sich erbrechen müssen ob soviel Pferdeblut!

Dann kam der große Szenenwechsel in der Geschichte, das Ende der hippologischen Kriegführung. Kanonenkugeln waren schneller als galoppierende Pferde, und deren Leiber bildeten zu großflächige weiche Ziele. Bei Waterloo, wo Napoleon 20000 tote Pferde hinter sich ließ, kam das out fürs Kriegspferd. Und es war bloß noch eine equestrische Verzweiflungstat, wenn zu Beginn des Zweiten Weltkrieges polnische Ulanen gegen deutsche Kampfpanzer anritten. Nur auf dem Territorium der Friedensinsel Schweiz hielt sich die Kavallerie noch um einiges länger. Aber eben: Inseln haben immer eine besondere Fauna! . . ."

[Hofmann, Heini: Die Tiere auf dem Schweizer Bauernhof. -- 3. Aufl. -- Aarau : AT, 1985. -- ISBN 3855021678. -- S. 78]

"Das Pferd ist ein altes Haustier. Die Domestikation erfolgte in verschiedenen Regionen seines eurasischen Verbreitungsgebietes seit dem späten Neolithikum, d. h. etwa ab der Zeit um 4000 v. Chr. In der langen Geschichte der Pferdehaltung stand überwiegend die Nutzung der Muskelkraft des Pferdes im Vordergrund, sei es als Reit-, Trag- oder Zugtier. Bei vielen Völkern in den Steppen Osteuropas und Asiens haben Pferde bis heute auch eine große Bedeutung für die Fleischgewinnung. Der Einsatz des Pferdes als Reittier und als Zugtier vor dem Wagen hat den Personen- und Warentransport in den altweltlichen Kulturen revolutioniert. Auf dem Rücken des Pferdes konnte der Mensch die Grenzen in der Geschwindigkeit seiner Fortbewegung, die ihm durch seine Physis gesetzt sind, erstmalig deutlich überschreiten. Daneben stellten die Nutzung des Pferdes als Zugtier vor dem leichten Kampfwagen bzw. als Reittier des bewaffneten Kriegers bedeutende Neuerungen im Militärwesen jener Zeiten dar. Der Grad ihrer Beherrschung entschied häufig über Sieg oder Niederlage. Weltreiche, wie zuletzt das Reich der Mongolen unter Dschingis-Khan (1155 -1227), begründeten ihre Macht auf der Stärke ihrer Reiterarmeen. In dieser Hinsicht war das Pferd unter den Haustieren von einzigartiger Bedeutung für den Menschen. Seit dem frühen Mittelalter, mit dem Aufkommen des Kummet, wurden Pferde auch verstärkt als Zugtiere vor dem Pflug genutzt. Mit der Entwicklung moderner Zugmaschinen seit der ersten Hälfte des 19. Jh. sind sie jedoch als Zug- und Arbeitstiere allmählich aus dem Transportwesen und später auch aus der Landwirtschaft verdrängt worden. Lediglich in unterentwickelten Ländern hat das Pferd in diesen Aufgaben bis heute überlebt und ist darin weiterhin von großer wirtschaftlicher Bedeutung. In den Industrieländern werden Pferde heute vor allem für die verschiedenen Arten des Pferdesportes und für touristische Zwecke gehalten. Die Abstammungsverhältnisse beim Pferd sind eindeutig; das Hauspferd stammt vom Wildpferd (Equus ferus Boddaert, 1784) ab."

[Benecke, Norbert <1954 - >: Der Mensch und seine Haustiere : die Geschichte einer jahrtausendealten Beziehung. -- Stuttgart : Theiss, ©1994. -- ISBN 3806211051. -- S. 288f.]

Einige Begriffe:

Die Bezeichnungen "Kaltblut" und "Warmblut" sind irreführend, da sie nichts mit der Bluttemperatur zu tun haben, sondern mit dem Temperament: Kaltblutpferde haben oft sogar eine etwas höhere Bluttemperatur als Warmblut.


3.2. Verbreitung von Pferden und Eignung für Entwicklungsländer


In der folgenden Übersicht werden einzelne Länder nur aufgeführt, wenn ihr Bestand an Pferden über 1 Mio. ist

Weltbestände an Pferden 1999
Welt 61 Mio.
  Lateinamerika und Karibik 24,3 Mio.
  Asien 17,2 Mio.
  Europa 7,4 Mio.
  Nordamerika 6,5 Mio.
  Afrika 4,9 Mio.
  Australien und Ozeanien 0,4 Mio.
  China 9,0 Mio.
  Brasilien 6,4 Mio.
  Mexiko 6,3 Mio.
  USA 6,0 Mio.
  Argentinien 3,3 Mio.
  Mongolei 2,9 Mio.
  Äthiopien 2,8 Mio.
  Kolumbien 2,5 Mio.
  Russland 2,0 Mio.
  Kasachstan 1,1 Mio.
  Indien 1,0 Mio.
  Deutschland (zum Vergleich) 0,7 Mio.

[Quelle: FAOSTAT. -- URL: http://apps.fao.org/lim500/nph-wrap.pl?Production.Livestock.Stocks&Domain=SUA&servlet=1. -- Zugriff am 21.1.2000]


Veränderungen in Pferdenutzung, Pferdehaltung und Pferdezucht sind aufs engste mit der Industrialisierung, also "Entwicklung", verbunden, wie folgende Ausführungen zu Mitteleuropa zeigen:

"Im Vordergrund [der Nutzung der Pferde] stand seine Eignung als Reit-, Trag- und Zugtier. Das galt für Mitteleuropa bis vor wenigen Jahrzehnten und trifft für große Teile der Welt noch heute zu. Die Produkte Fleisch und Milch wurden, in Abhängigkeit vom Kulturkreis, lediglich in bestimmten Regionen verzehrt.

Lange Zeit befanden sich die meisten Pferde in bäuerlicher Hand. Diese Tiere wurden wegen ihrer Zugkraft gehalten; sie mussten also möglichst stark sein. In der Landwirtschaft verwendete Pferde gehörten deshalb vorwiegend dem Kaltblut oder dem Schweren Warmblut an. Unterschiedliche Typen waren häufig das Ergebnis verschiedener Bodenverhältnisse. Schwerer Marschboden konnte am besten mit kräftigen Kaltblutpferden bearbeitet werden, bei leichtem Sandboden genügte Warmblut; die Bewirtschaftung von Hängen im Gebirge erforderte ein kleineres, wendigeres Pferd. Häufig gab die wirtschaftliche Situation bei der Wahl der Zugtiere den Ausschlag. Waren die landwirtschaftlichen Betriebe traditionell klein bzw. durch Erbrechte geschmälert oder war der Boden wenig ergiebig, dann musste man häufig ganz auf Pferde verzichten und nutzte Rinder als Arbeitstiere. Entsprechende Gegenden hatten dann manchmal keine bodenständige Pferderasse; bei Änderung der wirtschaftlichen Voraussetzungen übernahmen sie bewährte Rassen anderer Regionen.

Die Beeinträchtigung der Pferdezucht durch Mechanisierung und Industrialisierung seit Beginn des 19. Jahrhunderts lässt sich in zwei Abschnitte unterteilen. Ab 1840 wurde das Pferd durch den Bau von Eisenbahnen aus dem Fernverkehr verdrängt. Die Industrialisierung erhöhte jedoch zunächst den Bedarf an starken Pferden. Das mussten nicht unbedingt Kaltbluttypen sein. In Anpassung an die gegebenen Verhältnisse wurden zum Beispiel im Bergbau in Großbritannien meist Shetlandponys eingesetzt. Mit Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes in den wachsenden Großstädten war man lange Zeit auf große, kräftige Pferde angewiesen.

Der zweite Abschnitt -- Verdrängung des Pferdes aus Landwirtschaft und Nahverkehr -- geschah durch die Motorisierung. Er setzte zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein, zog sich jedoch -- im wesentlichen bedingt durch die beiden Weltkriege -- bis zur Mitte des Jahrhunderts hin. Nur die inzwischen auch nicht mehr gültige Maßeinheit für die mechanische Leistung -- PS = Pferdestärke -- erinnert an die zentrale Bedeutung dieser Tierart.

Die Motorisierung leitete in vielfacher Hinsicht einen Umschwung ein. Personenkraftwagen ersetzten das Schwere Warmblut, den Karossier. Lastautos machten das Kaltblutpferd weitgehend überflüssig. Traktoren verdrängten das charakterstarke Bauernpferd. Der wirtschaftliche Aufschwung und der Wohlstand größerer Bevölkerungskreise gab einem leichteren Pferdetyp Auftrieb. Die Freizeitreiterei erforderte ein vielseitiges Sportpferd. Rassen wurden umgezüchtet und passten sich einem einheitlichen Zuchtziel an. Seit Mitte der 70er Jahre gibt es das Deutsche Reitpferd, das außer dem Trakehner alle einheimischen Warmblutpferde umfasst.

In diesem Zusammenhang scheint erwähnenswert, dass die »Rasse« bei Pferden schwerer zu definieren ist als bei anderen Haustierarten. Kaum eine Rasse hatte ein geschlossenes Zuchtbuch wie das Englische Vollblut. Die Hereinnahme von Hengsten anderer Rassen nach Bedarf ist üblich. Der Einsatz von Englischem Vollblut wird zum Beispiel nicht als Verfälschung angesehen. Diese Rasse galt als Veredler, und ihr Einsatz in der Zucht schien allein hierdurch häufig gerechtfertigt.
Der allgemeine Wandel in der Pferdezucht lässt sich kaum an einer einzelnen Rasse deutlich machen. Er kommt dagegen gut in der Zahl und im Anteil der Kaltblutpferde zum Ausdruck. Seit 1897 wurden wiederholt -- zunächst im Deutschen Reich, später in der Bundesrepublik Deutschland -- Erhebungen über die Verbreitung der Pferdeschläge durchgeführt. Dabei wurde in den einzelnen Regionen meist nicht nach Rassen unterschieden, sondern nur nach Kaltblut, Warmblut und Ponys differenziert. ...

Bis zur ausgehenden Nachkriegszeit bestand großer Bedarf an Kaltblut- und den nicht gesondert erfassten Schweren Warmblutpferden. Der große Wandel, ein Jahrhundertereignis in der Tierzucht, geschah in den 60er Jahren. Danach wurden Kaltblutpferde fast nur noch aus traditionellen und nostalgischen Gründen sowie zu Werbezwecken gehalten. Diese Beurteilung ist keine Wertung. Manche Rasse wurde lediglich über Restbestände und Einzeltiere erhalten. Nur sie machten einen relativen Aufschwung seit Anfang der 80er Jahre möglich.

Kaltblutpferde und Schweres Warmblut finden heute wieder ein bescheidenes Auskommen. Bei Rückearbeiten im Wald sind sie unersetzlich, wenn auch wirtschaftlich nicht unumstritten. Nach wie vor geben Brauereigespanne Festzügen und Stadtbildern Farbe und Leben. Vielfach tragen Kutschen und Planwagen mit Pferden gefährdeter Rassen zum Gelingen des Urlaubs bei; sie besitzen erheblichen Freizeitwert."

[Sambraus, Hans Hinrich: Gefährdete Nutztierrassen : ihre Zuchtgeschichte, Nutzung und Bewahrung. -- 2. Aufl. -- Stuttgart : Ulmer, ©1999. -- ISBN 3800141310. -- S. 25 - 27. ]

Für die meisten Pferde nutzenden Entwicklungsländer sind aus ökonomischen Gründen ähnliche Entwicklungen im Gange bzw. zu erwarten.


3.3. Anatomisch-physiologische Eigenheiten der Pferde


"Ganz besonders geprägt wird der Körper durch den Bewegungsapparat, zumal wenn die Bewegung eine so wichtige Rolle spielt wie bei einem ausgesprochenen Flucht- und Wandertier. Bei allen Rassen, die von Steppen- und Wüstenpferden abstammen, ist der Bewegungsapparat bis ins letzte auf Schnelligkeit ausgerichtet. Die Beine sind lang, schlank, sehnig und haben kleine, harte Hufe mit sehr geringer Auflagefläche. Die kraftvolle und entsprechend schwere Muskulatur, die der Fortbewegung dient, ist dicht an den Rumpf gepackt und überträgt die Kraft mittels Sehnen auf die Gliedmaßen. Der Kopf ist langgestreckt und verhältnismäßig fein, der Hals lang und sehr geeignet zur Erhaltung des Gleichgewichtes, solange das Pferd ihn frei tragen kann. Der Rumpf ist recht schlank, denn die nährstoffreichen Gräser erfordern keinen übermäßig großen Verdauungsapparat. Die Brust ist tief und breit und bietet einem hochleistungsfähigen Herzen und großen Lungen Raum.

Die von Urponys und nördlichen Tundrenpferden abstammenden Rassen sind weit weniger für große Schnelligkeit gebaut. Sie sind insgesamt kompakter und allein schon dadurch widerstandsfähiger gegen Kälte. Der Rumpf ist bedeutend geräumiger und enthält umfangreichere Verdauungsorgane zur Aufschließung der besonders rohfaserreichen, nährstoffarmen Nahrung. Der Kopf wirkt schwerer, vor allem wegen des im Verhältnis größeren Gebisses. Die Beine sind eher kurz und stämmig und haben mittelgroße bis sehr große Hufe. Sie sind dazu geeignet, den recht schweren Körper zu tragen und ihn in gemächlichem bis mittelschnellem Tempo, aber mit sehr großer Ausdauer fortzubewegen.

Als reine Pflanzenfresser haben alle Pferde einen Verdauungsapparat, der vergleichsweise weit größer und leistungsfähiger ist als bei Fleischfressern. So ist bei einem Hauspferd durchschnittlicher Größe der gesamte Darm bis fast 40 Meter lang. Allein der Blinddarm -- der ja bei Pflanzenfressern durchaus kein «Blinddarm» ist, sondern sehr aktiv bei der Verdauung mitwirkt -- misst etwa einen Meter. Der besonders voluminöse Grimmdarm, der dem Blinddarm angeschlossen ist, hat ein Fassungsvermögen von durchschnittlich etwa 80, gelegentlich bis über 130 Litern.

Auf der Flucht wird nicht nur der Muskulatur und dem Skelett des Fortbewegungsapparates eine riesige Leistung abverlangt, sondern auch Herz und Lunge. Bei einem Warmblutwallach durchschnittlicher Größe wiegt das Herz etwa drei Kilogramm, bei einem Hengst etwas mehr, bei einer Stute etwas weniger.

Die Lunge, die dem Körper auch bei höchster Leistung noch genügend Sauerstoff zuführen muss, hat für den Gasaustausch eine enorme innere Oberfläche zur Verfügung, nämlich rund 2500 [!] Quadratmeter (beim Warmblutpferd). Bei Rindern ist diese Alveolaroberfläche nur etwa 650, beim Menschen 90 bis 150 Quadratmeter groß.

Von den Sinnesorganen sind die Augen des Pferdes bedeutend besser als die des Hundes, aber weit weniger wichtig als beim Menschen. Sie sind vor allem für das Erkennen von Bewegungen auf größere Entfernung eingerichtet. Durch den seitlichen Sitz der Augen am Kopf ist zwar das plastische Sehen eingeschränkt, dafür vermag das Pferd nahezu den ganzen Horizont zu überblicken, ohne den Kopf wenden zu müssen, Wichtiger als der Gesichtssinn ist das Gehör, die bedeutendste Rolle aber spielt der Geruchssinn."

[Dossenbach, Monique ; Dossenbach, Hans D.: König Pferd. -- Augsburg : Bechtermünz, 1999 (©1991). -- ISBN 382891568X. -- S. 46. -- [Dort auch exzellente Transparentfolien zur Anatomie]


3.4. Zum Verhalten von Pferden


"Der bei weitem imposanteste Unterschied zwischen Wild- und Haustier liegt in der Fluchttendenz und Feindvermeidung.

Betrachten wir als konkretes Beispiel aus der Zoopraxis zunächst das Pferd, dessen Hufe und dessen Fell im Zoo täglich gereinigt werden. Ruhig stehen die Tiere in ihrem Stand und geben auf eine symbolische Aufforderung hin fast automatisch das Bein zum Hufreinigen. Wollte man dasselbe bei Zebras, also bei Wildpferden, versuchen, gäbe es schöne Überraschungen. Ein normales Zoozebra gestattet schon das Eintreten in seinen Stall nur unter gewissen Vorbehalten, und unter gar keinen Umständen würde es eine Inspektion seiner Hufe zulassen. Wegen seiner Fluchttendenz, die zwar durch die Zähmung ganz wesentlich gedämpft ist, duldet das Wildpferd keine derartige Berührung. Selbst geringfügige Hufkorrekturen, die oft durch ungenügende Abnützung, beziehungsweise durch zu geringe Aktivität, bedingt sind, müssen -- zum Schutz des Tieres und des behandelnden Menschen -- in Narkose vorgenommen werden.

Sogar das heutige Hauspferd hat, obgleich es nun seit rund 5000 Jahren im Dienste des Menschen steht, die urtümliche Fluchttendenz des Wildpferdes im Laufe ungezählter Generationen nur unvollständig abgelegt. Das kommt nicht von ungefähr. Die tropischen Wildpferde, die Zebras, sind Bewohner offener Steppenlandschaften. Sie bilden eine bevorzugte Beute der Großkatzen. Diesen Feinden gegenüber gibt es keine andere Fluchtreaktion als möglichst rasches Davonstürzen über weite Strecken. In jedem Augenblick kann das notwendig sein.

Andere Tiere können sich durch Klettern, Fliegen, Eingraben oder Sich-ducken ihren Feinden entziehen; dem Wildpferd und vielen anderen Huftieren bleibt nur das Davonrasen. Dieser Wesenszug ist gewissermaßen der Mittelpunkt, nach dem alle übrigen psychischen und somatischen Eigenschaften der Pferde ausgerichtet sind. Er ist durch die jahrtausendelange Domestikation wohl überdeckt, aber niemals ganz eliminiert worden; das zeigt sich auch heute noch im Alltag, und zwar auf recht drastische, ja auf tragische Weise: In der Schweiz allein kommen jährlich im Durchschnitt 15 Menschen ums Leben, weil die in jedem Hauspferd latent schlummernde Fluchttendenz durch irgendein Ereignis aktiviert werden kann, so dass mit andern Worten ein Pferd durchbrennt.


In den Tageszeitungen heißt es dann etwa folgendes (1. Fall, 1950) : «Rebstein (St. Gallen), 8. Mai. Am Samstagvormittag ereignete sich in Rebstein ein schweres Unglück. Zwei Pferde, die von ihrem Fuhrmann angebunden worden waren, wurden plötzlich scheu und rissen sich mit ihrem Gespann los. Sie rannten auf zwei spielende Kinder zu, von denen sich das eine retten konnte, während die dreijährige S. R. vom Gespann getroffen und so schwer verletzt wurde, dass das Kind bald darauf verschied.»

Ein weiteres Beispiel (2. Fall, 7950) : «Lengnau (Bern), 29. Juni. In Lengnau wurde am Dienstag der 66jährige, verwitwete H. G. von einem durchbrennenden Pferd, das er am Zaum führte, umgeworfen. Er geriet dabei unter die Räder und erlitt schwere Verletzungen, die sofort zum Tod führten.»

Die tierpsychologische Analyse solcher Unfälle mit Pferden ergibt in fast 100 Prozent der Fälle eine explosive Reaktivierung der für das Wildpferd so überaus bezeichnenden Fluchttendenz. ...

Dieser Gegenstand zeigt übrigens, wie unmittelbar Tierpsychologie mit der Praxis verknüpft sein kann; sie könnte hier direkt in die Unfallverhütung eingreifen. Wollte man aus dieser naheliegenden Analyse praktische Schlüsse ziehen, so müsste man beim Pferd eine Vorrichtung zum Bremsen und zum Vorbeugen gegen die fluchtauslösenden Eindrücke anbringen. Beides wird mit unterschiedlichem Erfolg schon längst angewandt, nämlich in Gestalt der Trense und Kandare einerseits und der Scheuklappe anderseits. Natürlich ist die partielle Ausschaltung von störenden optischen Reizen keine echte Maßnahme zur Ausschaltung von Fluchtanlässen. ...

Dass die latente Fluchtbereitschaft des Pferdes nicht nur Nachteile bietet, sei gleichfalls erwähnt. Die antreibende Wirkung der nur leicht bewegten Peitsche beruht im Grunde auf ihrer Bedeutung als symbolischer Fluchtauslöser, und das Leiten des Pferdes durch einen leichten Zug ist nichts anderes als eine einseitige symbolische Fluchthemmung."

[Hediger, Heini <1908 - >: Skizzen zu einer Tierpsychologie im Zoo und im Zirkus. -- Zürich : Büchergilde Gutenberg, ©1954. -- S. 193 - 195]

"Das Ergebnis aller Anpassungsprozesse an die Umweltgegebenheiten (ökologische Bedingungen) lässt sich grob vereinfacht wie folgt zusammenfassen:
  • in Trockengebieten wurden Pferdetypen heimisch, die bei wenig Ballastaufnahme lange Strecken zurücklegten
  • an futterreichen Standorten lebten muskulöse, weniger spezialisierte Universaltypen.

An diese Verhältnisse angepasst, entwickelten sich auch unterschiedliche Verhaltensweisen bei den Tieren:

  •  in futterreichen Gegenden lebten die Pferde friedlich nahe beieinander
  • in Gebieten mit spärlichem Futterangebot war die Individualdistanz erheblich größer. Futterneid war an der Tagesordnung.

Diese Besonderheiten wirken bis heute in der »Gefangenschaft« weiter.

  • Die Duldsamkeit der aus vegetationsreichen Klimazonen stammenden Pferde ist ganz allgemein groß. Das gilt zum Beispiel für Kaltblüter, schwere Warmblüter, viele Ponys und Robustpferde. Die Tiere leben friedlich in Gruppen relativ eng zusammen, ohne dass große Schwierigkeiten auftreten.
  • Aus relativ futterarmen Trockengebieten stammende Pferderassen dagegen verhalten sich weniger verträglich und sind vielfach futterneidisch. Es zählen dazu Araber, Berber, Andalusier und deren Nachfolgerassen. Sie entwickeln als Folge von Bewegungsmangel bisweilen Untugenden wie Koppen, Weben oder Rundlaufen in der Box. Diese Erscheinungen verstärken sich bei edlen, bewegungsaktiven Typen. Nicht selten treten Ängstlichkeit, Schreckhaftigkeit und sogar Aggressivität auf. ...

Pferde lieben Geselligkeit. In freier Wildbahn leben sie in familienähnlichen Verbänden mit einem Leithengst (3 bis 13 Tiere). Wo unter günstigen Umweltbedingungen Großverbände zusammenleben, bestehen sie aus mehreren oder vielen Kleinverbänden. Ausgewachsene oder sehr alte Hengste leben vielfach als Einzeltier. Die Rangordnung einer Herde orientiert sich normalerweise am Alter sowie an der Kraft und der Stärke der Einzeltiere. Nach dem Leithengst kommt die Leitstute, an die sich alle Gruppenmitglieder in festgefügter Rangfolge anschließen. Die Ranghöhe der Tiere legt fest, wer zuerst die Tränke benutzen darf und die besten Futter- und Schlafplätze beanspruchen kann.

Freundschaften unter Pferden können oft beobachtet werden, aber auch Unverträglichkeit oder gar Feindschaft, die zu Rangeleien und Raufereien führt.

Diese Verhaltensweisen bleiben beim Hauspferd weitgehend erhalten. ...

Jedes Pferd hält zu seinen Familien- und Artgenossen, wo immer es geht, einen individuellen, rassebedingt unterschiedlichen Abstand ein. Dieser notwendige » persönliche« Freiraum sollte bei der Stallhaltung beachtet werden.

Pferde haben ein großes Sicherheitsbedürfnis. In Freiheit bestimmt dieses Sicherheitsbedürfnis die Wahl der Futterplätze, der Tränken, der Raststellen und der Schlaforte. Pferde flüchten bei Gefahr. Sie suchen darum für ihren Aufenthalt vornehmlich Gelände auf, von dem aus sie Gefahren frühzeitig erkennen können.

Dieses Sicherheitsbedürfnis besteht auch bei den heute gezüchteten Hauspferderassen noch in hohem Maße. Das »Sich-Sicher-Fühlen« trägt zum Wohlbefinden der Tiere erheblich bei und sollte daher stets beachtet werden, besonders bei der Aufstallung. Einzelhaltung ohne Geruchs-, Gehör- und Sichtkontakt mit Artgenossen fördert Angst und Scheu. Die Stall- und Außenwelt sollte wahrgenommen werden können. Außenkontakt und Umweltorientierung fördern Sicherheitsgefühl und seelisches Gleichgewicht der Pferde.

Ein besonderes Problem stellt für domestizierte Pferde das Befriedigen der angeborenen Komfortbedürfnisse dar. Es geht um die Hautpflege (Scheuern, Suhlen, Wälzen), die Huf- und Beinpflege (in Bächen und Teichen) sowie das auf der Weide stets zu beobachtende sich gegenseitige Beknabbern, zum Beispiel am Mähnenkamm."

[Möhlenbruch, Georg ; Bottermann, Heinrich ; Schwitte, Walter: Beruf Pferdewirt. -- 2., korrigierte Aufl. -- Stuttgart : Ulmer, ©1999. -- ISBN 3800110962. -- S. 63 - 64. ]


3.5. Zur Anatomie, Physiologie und Ethologie der Futteraufnahme


"Für Pferde spielt die Wasserversorgung eine größere Rolle als bei anderen Nutztierarten. Neben der Bedeutung für den normalen Ablauf der Verdauungsvorgänge und den Stoffwechsel ist eine ausreichende Wasserzufuhr besonders unter tropischen und subtropischen Bedingungen für die Regulation des Wärmehaushaltes (Schweißabsonderung) notwendig. Der Wasserbedarf des Pferdes hängt von vielen Faktoren (Temperatur, Rationstyp, Rasse, Wassergehalt im Futter) ab und zeigt mehr als bei andern Nutztieren große individuelle Schwankungen. ...

Bei großen körperlichen Anstrengungen und hohen Umgebungstemperaturen können innerhalb weniger Stunden bis zu 7 Liter Schweiß je 100 kg Lebendmasse gebildet werden. Wie Beobachtungen des Verfassers ergaben, werden Pferde während der Verrichtung schwerer Arbeit an heißen Tagen in Afrika trotz hoher Schweißabsonderung oft nicht getränkt. Störungen des Stoffwechsels und Leistungsrückgang sind die unausweichliche Folge."

[Legel, Siegfried. -- In: Nutztiere der Tropen und Subtropen / Hrsg. Siegfried Legel. -- Stuttgart [u.a.] : Hirzel.. -- Bd. 3: Pferde/Esel, Schweine, Elefanten, Geflügel, Bienen, Seidenspinner. --  ©1993. -- ISBN 3777604976. -- S. 81 - 82]

Im Folgenden einige Bemerkungen zum Verdauungsapparat:

Pferde nehmen ihr Futter hauptsächlich mit den Schneidezähnen und Lippen auf. Die Lippen ermöglichen selektives Fressen.


Abb.: Pferdegebiss (Quelle: Schmeil, Otto: Leitfaden der Tierkunde. -- 175. Aufl. -- 1951. -- S. 34)


Abb.: Backenzahn des Pferdes (Quelle: Schmeil, Otto: Leitfaden der Tierkunde. -- 175. Aufl. -- 1951. -- S. 34)

"Die mächtigen Backenzähne haben Schmelzfalten, -einstülpungen und -leisten, deren Kanten besonders hart sind, wodurch eine raspelartig raue Kaufläche entsteht, die eine sehr feine Zerkleinerung auch hölzerner Nahrung ermöglicht. Normalerweise werden diese Zähne gleichmäßig abgenützt. Einmal ausgebildet, wachsen die Zähne nicht mehr, aber die Zahnfächer werden allmählich von unten her mit Knochensubstanz aufgefüllt, wodurch die Zähne etwa im Maße ihrer Abnützung nachgeschoben werden. ...


Abb.: Schneidezahn des Pferdes: links im dritten Lebensjahr, rechts im 14 Lebensjahr (Quelle: Schmeil, Otto: Leitfaden der Tierkunde. -- 175. Aufl. -- 1951. -- S. 34)

Die Schneidezähne haben die Aufgabe, das mit den sehr beweglichen Lippen zusammengeraffte Futter abzuschneiden oder zu rupfen. Daneben benützt sie das Pferd zur Pflege der eigenen Haut wie auch zur sozialen Körperpflege, bei welcher die Pferde einander gegenseitig vor allem in der Widerristgegend und auf der Kruppe die Haut beknabbern. Schließlich stellen sie Waffen dar, allerdings bedeutend weniger wirksame als die Hufe. Fachleute können am Zustand der Schneidezähne das ungefähre Alter eines Pferdes erkennen. Freilich gehört dazu einige Erfahrung, und manchem, der mit anscheinend geübtem Griff ein Pferdemaul öffnet, nützt das nicht viel, außer dass es fachmännisch wirkt und vielleicht den «Rosstäuscher» verunsichert."

[Dossenbach, Monique ; Dossenbach, Hans D.: König Pferd. -- Augsburg : Bechtermünz, 1999 (©1991). -- ISBN 382891568X. -- S. 46]

Der Pferdemagen ist im Vergleich zur Größe des Tieres sehr klein. Dies bedeutet für die Futteraufnahme: wenig, aber häufig.

Abb.: Pferdemagen

[Quelle: Dobberstein, J. ; Hoffmann, G.: Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Haustiere. -- Bd. 2. -- 2. Aufl. -- Leipzig : Hirzel, 1963. -- Abb. 46]


Abb.: Magen-Darmtrakt des Pferdes (schematisch) 

[Bildvorlage: Dobberstein, J. ; Hoffmann, G.: Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Haustiere. -- Bd. 2. -- 2. Aufl. -- Leipzig : Hirzel, 1963. -- Abb. 65]

Der Blinddarm hat ein größeres Fassungsvermögen als der Magen. Er dient als Gärkammer, in der Bakterien und Protozoen Zellulose und anderes Raufutter abbauen. Bekommt das Pferd zu wenig Raufutter, verhungern diese Mikroorganismen und das Pferd bekommt Koliken.

Der Dickdarm hat bis fast 100 Liter Fassungsvermögen und arbeitet ebenfalls wie eine Gärkammer mit Mikroorganismen.


3.6. Formen der Pferdehaltung


Folgende Haltungsformen  sind verbreitet:

"In subtropischen und tropischen Ländern gehen Pferde ganzjährig auf die Weide. Dabei werden ihnen häufig die Vorderfüße zusammengebunden, damit sie in dem meist nicht eingezäunten Gelände am Weglaufen gehindert werden. Eingekoppelte Weiden lohnen sich bei größeren Pferdeherden besonders dort, wo Pferdezucht zu Sportzwecken betrieben wird oder Schlachtpferde produziert werden sollen."

[Lommatzsch, Roland. -- In: Nutztiere der Tropen und Subtropen / Hrsg. Siegfried Legel. -- Stuttgart [u.a.] : Hirzel.. -- Bd. 3: Pferde/Esel, Schweine, Elefanten, Geflügel, Bienen, Seidenspinner. --  ©1993. -- ISBN 3777604976. -- S. 109]

Fast alle Pferde sind zur Robusthaltung ohne Stall geeignet:

"Noch immer ist die Auffassung verbreitet, man könne nur Nordponys das ganze Jahr im Freien halten. Selbst so widerstandsfähige Gebirgspferde wie etwa Haflinger sperrt man in Ställe. Im Prinzip kann man jedes Pferd, vielleicht mit Ausnahme einiger ausgesprochen tropischer Rassen, robust halten. Wir haben -- und das im härtesten Klima Nordamerikas -- nicht nur Gebrauchspferde wie Western Horses auch winters im Freien gesehen, sondern sogar hochedle Araber und Englische Vollblüter. In den peruanischen Anden sahen wir Indiopferdchen, die in mehr als 4000 Meter Höhe über dem Meer lebten, wo es tagsüber sehr heiß werden kann, während nachts die Temperatur auf 10 bis 15 Grad unter Null sinkt. Diese Pferdchen haben meistens keinen Unterstand und selbstverständlich keine Bäume, die etwas Schutz bieten könnten, denn Bäume wachsen in dieser Höhe nicht mehr. Und sie sind von ihrem Ursprung her weder Nordponys noch Gebirgspferde, sondern stammen von wärmegewohnten, spanischen Pferden ab."

[Dossenbach, Monique ; Dossenbach, Hans D.: König Pferd. -- Augsburg : Bechtermünz, 1999 (©1991). -- ISBN 382891568X. -- S. 396]


3.7. Krankheiten und Gesundheitsprobleme


Abb.: "Vor Pferdeseuchen schützen", Farbholzdruck, Shaanxi-Provinz, Volksrepublik China, zwischen 1985 und 1992
Wird von Bauern in den Pferdestall gehängt als Amulett gegen Erkrankungen der Pferde 

[Quelle der Abb.: Thamm, Ludwig ; Thamm, Hedi: Glück, Geld und langes Leben : Tradition und Volksreligion im heutigen China. -- Regensburg : Mittelbayerische Zeitung, ©1995. -- ISBN 3927529710. -- S. 20. ]

Pferde sind nicht trypanosomentolerant, sind also für Gebiete, in denen die Tsetsefliege vorkommt wenig geeignet.

Ein besonderes Problem bietet der Magen der Pferde: da das Pferd nicht erbrechen kann, können Magenüberladungen zum Zerreißen des Magens führen, was immer tödlich ist. Auch Gaskoliken im Darm können lebensbedrohliche Ausmaße annehmen.

Sehr wichtig für die Gesundheitspflege von Pferden ist die Hufpflege, regelmäßiges fachgerechtes Beschlagen usw. Normalerweise müssen Pferde einmal im Monat zum Hufschmied.

Es gibt zwei Arten, ein Pferd mit Hufeisen zu beschlagen:


Abb.: Heiße Anpassung von Hufeisen (©IMSI®)


3.8. Pferderassen und Pferdezucht


Siehe:

Anhang A: Bilderbogen einiger Pferde- und Eselrassen  / zusammengestellt von Alois Payer.  -- URL: http://www.payer.de/entwicklung/entw084a.htm.

Siehe auch: 

Horse breeds of the world / The International Museum of the Horse. -- URL: http://www.imh.org/imh/bw/home2.html. -- Zugriff am 2001-02-08. -- ["Featuring information on more than 85 different breeds.". -- Sehr empfehlenswert!]


"Erstes und zunächst einziges Zuchtziel des Menschen war die Heranzüchtung eines brauchbaren Pferdes für den Krieg. Jahrtausendelang beruhten Macht und Überlegenheit von Völkern und Staaten nämlich auf schlagkräftigen Streitwagenformationen und Reiterheeren. Daher war die Pferdezucht in jenen Epochen der wichtigste Zweig der »Rüstungsindustrie« und das Wettzüchten die älteste Form des Wettrüstens, wie Bruno J. G. Dechamps ... schreibt."

[Basche, Arnim: Geschichte des Pferdes. -- Künzelsau : Sigloch, [1999]. -- ISBN 3893931724. -- S. 447. ]

Ausgangstypen der Pferdezucht:

Ausgangspunkt der Pferdezucht sind mindestens vier Haupttypen sowie mehrere Zwischentypen:


Abb.: Ungefähre geographische Verteilung der Urtypen (Vorlage der Abb.: Dossenbach, a.a.O.)


Zuchtprüfung (zum Beispiel Schweiz):

"Pferdezucht heißt Selektion, Auswahl der Besten. Jährlich finden Musterungen für Hengst-, Stuten- und Fohlenbestände statt. Wer gar Vater, das heißt Zuchthengst werden will, muss sich in besonderen Hengstleistungsprüfungen bewähren. Dies beginnt für die Zuchthengstanwärter aller drei Rassen (Freiberger, Haflinger und Warmblut) im zarten Alter von drei Jahren mit einer Hengstanerkennung, die sich aus Beurteilung von äußerer Erscheinung (Exterieur) und Abstammung zusammensetzt. Dann trennen sich die Wege zum Vaterwerden.

Die Freiberger- und Haflingerhengste haben mit fünf Jahren eine sportliche Leistungsprüfung zu bestehen: 

  • Kilometerlauf am Sulky (Zweiradwagen), 
  • Charakterprüfung im schweren Zug, 
  • Zugleistungs- und Gängigkeitsprüfung über 24 km, ferner 
  • Beurteilung von Schrittlänge, Exterieur und Kondition.

Ähnliches gilt für die Warmbluthengste, nur dass hier die Leistungsprüfung zweiteilig ist. 

Mit 3½ Jahren beinhaltet das Examen: 

  • Dressurprüfung, 
  • Zugwilligkeitsprüfung, 
  • Freisprünge im Couloir (Hindernisspringen ohne Reiter), 
  • Geländeprüfung (Cross-Country mit festen Hindernissen), 
  • km-lancé (Zählung der Galoppsprünge), 
  • Beurteilung von Schritt- und Trablänge sowie 
  • Überprüfung der Kondition. 

Mit 5½ Jahren heißt es für die Warmbluthengste: 

  • Dressurprüfung, 
  • Exterieurbeurteilung, 
  • Cross-Country mit noch mehr Hindernissen, 
  • Zugwilligkeitsprüfung, 
  • Springprüfung und 
  • Beurteilung der Kondition.

Neben den Hengstleistungsprüfungen gibt es 

  • Eignungsprüfungen für drei- und vierjährige Reitpferde auf Exterieur und Rittigkeit sowie
  • kombinierte Prüfungen Dressur/Springen für vier- bis sechsjährige Inlandpferde, ferner 
  • eine Ausbildungsprüfung für Schweizer Warmblutpferde im Alter von drei bis fünf Jahren (Arbeit unter dem Reiter).
  • Und schließlich gibt es für alle drei Rassen, also Warmblut, Freiberger und Haflinger den sogenannten Aufzuchtvertrag, der ebenfalls eine Art Examen darstellt; er endet mit einer Abschlussprüfung im Fahren.

Kurz und gut: Der Weg zum erfolgreichen Pferdeleben ist dornenvoll, gespickt mit Examen, Bewertungen, Prüfungen."

[Hofmann, Heini: Die Tiere auf dem Schweizer Bauernhof. -- 3. Aufl. -- Aarau : AT, 1985. -- ISBN 3855021678. -- S. 82f.]


Pferderassen der Entwicklungsländer:

"Bei tropischen Rassen handelt es sich um leichte Typen, also um Vollblut, um Übergänge von Vollblut zu leichtem Warmblut (Halbblut) und um leichtes bis mittelschweres, selten schweres Warmblut. Nur in den gemäßigten Regionen Südafrikas und Südamerikas werden auch Kaltblutpferde englischer, französischer und belgischer Herkunft gehalten und gezüchtet. In vielen Gebieten Südasiens, besonders auf den großen indonesischen Inseln und vielen Südseeinseln sind Kleinpferde oder Ponys leichten Typs zu finden, die auch im warmen Afrika und in Südamerika vorkommen. Größere Pferde treten zudem in Äthiopien und im Sudan (Galla- oder Oromopferd, Dongolapferd), im mittelasiatischen Teil der ehemaligen Sowjetunion (Achal Tekkiner, Yomud), in Indien (Araber, Berber) und in Lateinamerika (Schläge des Criollopferdes) auf.
Für die Pferdezucht spielen einige Pferderassen für die Tropen und Subtropen eine besondere Rolle. Hier sind die alten Zuchten der 
  • Turkmenier, 
  • Tscherkesen, 
  • Perser, 
  • Traker, 
  • Anatolier und 
  • Kurden 

zu nennen."

[Altmann, Dietrich. -- In: Nutztiere der Tropen und Subtropen / Hrsg. Siegfried Legel. -- Stuttgart [u.a.] : Hirzel.. -- Bd. 3: Pferde/Esel, Schweine, Elefanten, Geflügel, Bienen, Seidenspinner. --  ©1993. -- ISBN 3777604976. -- S. 27]


3.9. Nutzung von Pferden


Pferde werden gegenwärtig hauptsächlich auf folgende Weisen genutzt:

 

"Während sich die Hauptnutzung des Pferdes in den Industrieländern in den letzten Jahrzehnten eindeutig nach der ersten Nutzungsform [dem sportlich-kulturellen Bereich] hin verschoben hat, dominieren in den Entwicklungsländern nach wie vor die Arbeitsleistung des Pferdes als Reit- und Zugtier und die Produktion von Rohstoffen. Im Unterschied zu seiner früheren Bedeutung in den Industrieländern stellt das Pferd in den Tropen und Subtropen nicht die wichtigste tierische Zugkraft dar. Diese wird von den Rindern und Büffeln verkörpert. Pferde werden überwiegend traditionell als Reittiere und für leichte landwirtschaftliche Arbeiten genutzt, während die schweren Arbeiten auf Ochsen- und Büffelgespanne entfallen."

[Heynoldt, Hans-Joachim. -- In: Nutztiere der Tropen und Subtropen / Hrsg. Siegfried Legel. -- Stuttgart [u.a.] : Hirzel.. -- Bd. 3: Pferde/Esel, Schweine, Elefanten, Geflügel, Bienen, Seidenspinner. --  ©1993. -- ISBN 3777604976]


3.9.0. Beschirrung und Anspannung von Pferden


Damit Pferde leicht genutzt werden können, müssen sie mit Zaumzeug und gegebenenfalls Zugzeug ausgerüstet werden.


Abb.: Bemaltes Pferd mit voller Anschirrung an Karren, Jaipur, Rajasthan, Indien, 1986 (©Corbis)

Zum Zaumzeug gehören u.a.:

[Vorlage der Kandarenabb.: Brixner, Saskia: Pferde unsere starken Freunde. -- Köln : Neuer Honos Verlag, [ca. 1999]. -- ISBN 3829904576. -- S. 170. ]

Zum Zugzeug gehören die verschiedenen Geschirre (s. unten), die heute üblichsten sind


3.9.0.1. Die Erfindung effizienten Zuggeschirrs im alten China



Abb.: Chinesische Malerei: Pferdebad (©IMSI®)

Voraussetzung für die landwirtschaftliche Nutzung des Pferdes war die Erfindung eines der Pferdeanatomie angepassten Zuggeschirrs. Die beide Formen effizienten Zuggeschirrs verdanken wir China:

"Efficient horse harnesses (Fourth and third centuries BC)

The trace harness [Brustblattgeschirr]

China was the only ancient civilization to develop efficient horse harnesses. There were none in ancient Europe. Thus through most of man's history he has been severely handicapped by the lack of an efficient means of harnessing horsepower for transport. This had an enormous effect an the course of history.

Abb.: Hals- und Bauchriemen (throat-and-girth harness) (Quelle: Temple, Robert: The genius of China, S. 20)

From earliest times until the eighth century AD in the West (and, as we shall see, muck earlier in China), the only means of harnessing horses was by the 'throat-and-girth harness'. It was an absurd method since the strap across the throat meant that the horse was choked as soon as he exerted himself. Yet for thousands of years, nobody could think of anything better. As long as man was restricted to the use of this pathetic harness, horsepower was all but useless for transport by cart. Even individual riders could half-strangle their mounts at a gallop. The confusion and slaughter of cavalry battles must have been much increased by inadequate harnessing. Long-distance rides would have been seriously impeded, no matter how good the horse and rider, by the fact that the poor horse was being not merely tired but also choked half to death. If ever the feebleness of human ingenuity has been displayed, it is by the fact that mankind was prepared to put up with the throat-and-girth harness for millennia.

Those who read about ancient Rome are often struck by the importance attached to the shipping of grain from Egypt. Without Egyptian grain, Rome must starve. But why? What was wrong with grain grown in Italy, one asks? Why was Rome dependent an ships from Egypt in order to be able to eat? The answer is simply that there was no horse harness capable of making it possible for Italian grain to be transported to Rome. We often overlook such technological factors when we seek to interpret events in the ancient world.

In about the fourth century BC the Chinese made a great breakthrough. A lacquered box of the period bears a painting which Shows a yoke across the horse's chest, from which traces connect it to the chariot shafts. Although this cannot be considered a truly satisfactory harness, it shows that the throat-and-girth harness was abandoned in favor of a band across the breast of the horse. Soon, the hard yoke across the breast was also abandoned and replaced by the obviously more satisfactory breast strap, commonly called the 'trace harness'. There is no longer a strap across the horse's throat; the weight of the load is borne by the horse's chest and collar bones.


Abb.: Brustblattgeschirr (trace harness) (Quelle: Temple, Robert: The genius of China, S. 20)

Experiments have been carried out to establish the relative efficiency of the different types of harness. Two horses harnessed in the throat-and-girth fashion can pull a load of half a ton. But a single horse in a collar harness (described below) can easily pull a ton and a half. With a trace harness, the efficiency is only slightly less. As Needham says: 'The throat-and-girth harness would not have been able, therefore, to draw modern vehicles, even when empty.' The vehicles of the Greek's and Romans had to be so light, generally carrying no more than two people if they were for passengers, that effective transport by horse was impossible.

Needham suggests two factors which may have led the Chinese to invent the trace harness. 

  • There was the motivation of the Chinese, Mongols and Huns, living on the edge of the Gobi Desert where they were always getting stuck in the sand, from which horses using the throat-and-girth harness could not extricate them.
  •   Secondly, there was the use of human hauliers. Man's own experience of hauling, for example, canal boats upstream, meant that he was quickly aware of the inadequacy of a rope round the neck. Common sense dictated that the chest and collar bones should bear the weight. Therefore, the breast strap for the horse may well have been inspired by the breast strap used by humans.

The trace harness seems to have arrived in Europe by way of Central Asia. The Avars invaded Hungary from the East in 568 AD, and it is thought that they brought the trace harness with them. The same tribe brought the stirrup [Steigbügel] to Europe. The harness spread to the Magyars, Bohemians, Poles and Russians. Evidence for trace harnesses has been found by archeologists in graves of the seventh to the tenth centuries. By the eighth century, the trace harness had made its way across Europe and it appears for the first time in a Western depiction on an Irish monument. The Vikings also acquired it. Various
illustrations of it occur, notably in the Bayeux tapestry of 1130, where it is shown in a plowing scene.

The collar harness [Kummet]


Abb.: Kummet (colar harness) (Quelle: Temple, Robert: The genius of China, S. 20)

The most efficient harness is the collar harness. ... In the beginnig, this harness effectively overcame a deficiency in the horse's anatomy and supplied a horse with a feature of the ox. An ox has a perfectly horizontal spine, with a hump more or less above the shoulders. A yoke can be fitted there with great ease, enabling considerable weights to be pulled. But a horse's neck is an an upward slope and has no hump. The earliest Chinese collar harness provided the horse with an artificial 'hump', to which a yoke was then attached. In other words, the horse was transformed into an ox-substitute by the collar and the hump it created at the top of the horse's neck. The collar was padded to avoid rubbing and causing sores an the horse's back.

The earliest evidence for the collar harness in China may be seen in a rubbing from an ancient brick, showing the collar harness an three horses pulling a chariot. It dates from some time between the fourth and first centuries BC. Therefore, we must consider the collar harness as having been invented in China by the first century BC at the latest. This is a full thousand years before its appearance in Europe a century after the trace harness.

Abb.: Zugwirkung beim Kummet (rote Hilfslinie) [Quelle: Das Ganze der Landwirthschaft [!] in Bildern, 1872]

Abb.: Kummet [Quelle: Das Ganze der Landwirthschaft [!] in Bildern, 1872]

After some time, it was found by the Chinese that the collar could be used in another and simpler way: traces could be attached from the sides of the collar directly to the vehicle. It is this form of the collar harness which is used today all round the world.


Abb.: Waagscheit

In connection with the collar harness of the modern form, the Chinese invented the 'whippletree' [Waagscheit], which is an attachment to a vehicle. If two horses pull a modern cart, the collars and traces lead to the whippletree. The earliest evidence of the whippletree in China goes back to the third century AD, in use with oxen.

One other factor in the invention of the collar harness might have been that similar collars had for some time been used to place baggage on to Bactrian camels. China had a Camel Corps and considerable familiarity with large numbers of the animals by the second century BC at the latest. The camel pack-saddle at that time was a felt-padded, horseshoe-shaped wooden ring, and, with some modifications, could have been used an a horse."

[Temple, Robert: The genius of China : 3,000 years of science, discovery, and invention. -- New York : Simon and Schuster, ©1986. -- ISBN 1853752924. -- S. 20 - 23. ]


3.9.1. Nutzung als Reitpferde


Im Vergleich mit Eseln und Maultieren sind Pferde ziemlich dumme Reittiere: "Auf keinen Fall darf man dem Pferd das Gefühl geben, es müsse selber mit Schwierigkeiten fertig werden; es ist immer der Reiter, der entscheidet, was gemacht wird."

[Callery, Emma: Die neue Reitlehre. -- Bern : Hallwag, ©1995. -- ISBN 3444104499. -- Originaltitel: The new rider's companion (1994). -- S. 92]

Zum Reiten werden vor allem Pferde im Warmblut-, Halbblut- und besonders Vollbluttyp verwendet. In Gegenden mit einem wenig ausgebauten Wegenetz sind Reitpferde auch heute noch wichtig für den Verkehr. Außerdem sind Reitpferde wichtig bei großflächiger Weidetierhaltung (z.B. Gauchos in Südamerika) und bei nomadischen (bzw. transhumanten)  Hirten (vor allem Zentralasien).

Reiten ist möglich:

Weitere Hilfsmittel beim Reiten sind Sattel, Steigbügel, Sporen usw.

Statt zu versuchen, eine Übersicht über die unübersehbar vielen Sattelmodelle, die weltweit gebraucht werden, zu geben, sei hier beispielhaft eine Beschreibung des südamerikanischen Gaucho-Sattels gegeben:

"Der Gauchosattel ist je nach Region -- im Norden oder im Süden der Pampa, im gebirgigen Nordwesten oder in den chilenischen fundos -- von unterschiedlicher Machart. Trotz dieser Abweichungen haben aber alle bestimmte Charakteristika gemeinsam, so dass durchaus ein verbindlicher Grundtyp zu erkennen ist, der sich aus folgenden Bestandteilen zusammensetzt:
  •  


    Abb.: sudadera

Die sudadera, früher aus feinem Schafleder, heute aus wasserdichtem Tuch, liegt direkt auf dem Rücken des Pferdes; sie verhindert das Durchschwitzen in die anderen Schichten des Sattels.

  •  


    Abb.: matra

    Auf die sudadera folgen die matra, ein grober, roher Wollstoff, und 

  •  


    Abb.: corona

    die carona, aus geschmeidigem Kuhleder. Mit diesen Decken ist der Rücken genug geschützt, dass 

  •  


    Abb.: bastos

    die bastos, zwei dicke, gewalkte Lederstücke, nicht scheuern. Die bastos sind das «Sattelgerüst». Die beiden oberen Teile sind zu beiden Seiten der Wirbelsäule zu dicken Röhren geformt, die die Sitzfläche für den Reiter vergrößern.

  •  


    Abb.: corréon

Der correón, aus weicherem Leder, folgt auf die bastos. 

  • Daran befestigt sind die Boleadoras (die heute eine reine Dekorationsfunktion haben), 
  • die Steigbügel und 
  • der Bauchgurt. Ist letzterer angeschnallt, so kommt auf den Sattel noch 
  • der cojinillo, ein hochfloriges, polsterndes Lammfell, sowie 
  • der sobrepuesto, ein kleineres, dünnes, unbehaartes Fell, das seinerseits durch 
  • einen letzten Sattelgurt, den pegual, fixiert ist.

Wie man sieht, ein kompliziertes Gebilde mit den verschiedensten Vorrichtungen und Bestandteilen, wovon die einen stützende, die andern polsternde Funktionen haben. So ist das Pferd sowohl für ausgedehnte Ritte als auch für harte Arbeit gut gesattelt, und sein Reiter kann wie in einem Polstersessel stundenlang im Sattel sitzen. Der Gauchosattel ist gleichsam eine eiserne Faust in einem Samthandschuh."

[Text und Abb.: Bruggmann, Maximilian (Photos) ; Décotte, Alex (Text): Gauchos. -- Luzern [u.a.] : Bucher, ©1976. -- ISBN 3-7658-0226-3. -- S. 93]


Abb.: Eine Spezialnutzung: Rollen zur Filzherstellung, Undursant, Mongolei (©Corbis)


3.9.2. Nutzung als Tragpferde



Abb.: Pferd mit Tragelast von Holz, Albanien, 1994 (Bildquelle: FAO)


3.9.3. Nutzung als Zugpferde



Abb.: Pferdewagen voll Maisstängel für Futterzwecke, Albanien, 1994 (Bildquelle: FAO)


Abb.: Pferde als Transporttiere auf Sonntagsmarkt, Liaoning-Provinz, China, 1994 (Bildquelle: FAO)


Abb.: Pflügen mit Pferden, Innere Mongolei, China, 1994 (Bildquelle: FAO)


Abb.: Pflügen mit Pferd, Marokko, 1994 (Bildquelle: FAO)

Bei der Nutzung als Zugpferd ist zu unterscheiden

Regionale Bedeutung [in Afrika]: In Nordafrika, den Sahel- und Sahel-Sudanzonen West- und Zentralafrikas und des Sudan sowie in Äthiopien spielt die Pferdehaltung eine traditionelle Rolle. Hier überwiegt die Funktion als Reittier, gekoppelt mit der eines sozialen Statuswertes. Von nachgeordneter Bedeutung ist der Transport, während der Einsatz zu landwirtschaftlichen Arbeiten nur in einigen Gebieten (z.B. Senegal, Mali) erfolgt. In Ostafrika, im südlichen Afrika und auf Madagaskar hat die kleinbäuerliche Pferdehaltung keine Bedeutung. Mit Ausnahme von wenigen Transporttieren in der Hauptstadt Madagaskars findet so gut wie keine Verwendung zum Transport und zum landwirtschaftlichen Zug statt. ...

Rassen und Gewichte: In Nord- und Westafrika findet man hauptsächlich vier Rassengruppen, die gelegentlich zur Zugarbeit eingesetzt werden:

...
Arbeitseinsatz und Arbeitsleistungen: Im Senegal werden Pferde, außer zum Transport, zu folgenden Feldarbeiten herangezogen:

  1. Saatbettbereitung (kein Pflügen und Tiefgrubbern)

  2. Aussaat

  3. Pflege

  4. Erdnussrodung

Das Pferd wird im Gegensatz zum Rind in Afrika meistens noch einzeln angespannt. Aufgrund seiner Schnelligkeit hat es bei leichten Arbeiten trotzdem Vorteile gegenüber der Rinderanspannung, was zum Beibehalten der Pferdeanspannung auch nach Einführung der Rinderanspannung beigetragen hat. ...

Die mittlere Zugkraft eines Pferdes beträgt etwa 1/7 des Körpergewichtes, die höchste maximale Zugkraft wird von FAO (1972) mit 150 - 160% des Körpergewichtes angegeben."

[Handbuch der Zugtiernutzung in Afrika / zusammengestellt und bearbeitet von Peter Munzinger. -- Eschborn : gtz, 1981. -- ISBN 3-88085-103-4. -- S. 125 - 127]

Eine wichtige Rolle spielt das Zugpferd noch in den ehemaligen Ostblockstaaten (Polen, ehemaliges Jugoslawien, Russland usw.).

Doch wird das Pferd (wie auch das Zugrind und der Zugwasserbüffel) immer mehr durch Traktoren ersetzt, da diese bedeutend weniger Wartung als das Pferd verlangen und außerdem -- wenn sie bezüglich Reparaturmöglichkeiten den örtlichen Gegebenheiten angepasst sind -- in landwirtschaftlich bedingten Stoßzeiten viel länger einsetzbar sind als Tiere. Der Umstieg auf Traktoren kann auch Landressourcen freisetzen:

"Durch den Trecker wurden [in den USA] um 1940 20 Millionen Pferde arbeitslos, und etwa 32.376.000 ha bislang für den Anbau für Pferdefutter genutztes Land konnten anderweitig genutzt werden."

[Edwards, Elwyn Hartley: Die BLV Enzyklopädie der Pferde. -- München : BLV, ©1999. -- ISBN 3405155568. -- Originaltitel: The encyclopedia of the horse (1994). -- S. 255. ]


3.9.4. Nutzung als Zuchtpferde


Da manche Entwicklungsländer in jahrhundertlanger Selektion Pferdezucht betrieben haben, liegt in Pferdezucht und Export von Zuchtpferden wohl noch ein -- bisher weitgehend ungenutztes -- Potential.


3.9.5. Stutenmilch und Stutenmilchprodukte


Stutenmilch wird verwendet:

Gemolken wird

In der folgenden Tabelle sind für einige mittelasiatische Pferderassen die Milcherträge pro Laktation (ca. 348 Tage) aufgelistet:

Rasse Milchmenge pro Laktation
Sowjetisches Kaltblut

3490 kg

Russisches Kaltblut

2772 kg

Kasachische Rasse

2173 kg

Baschkirische Rasse

1780 kg

Buratische Rasse

1700 kg

Jakutische Rasse

1536 kg

[Angaben bei: Lommatzsch, Roland. -- In: Nutztiere der Tropen und Subtropen / Hrsg. Siegfried Legel. -- Stuttgart [u.a.] : Hirzel.. -- Bd. 3: Pferde/Esel, Schweine, Elefanten, Geflügel, Bienen, Seidenspinner. --  ©1993. -- ISBN 3777604976. -- S. 110]


3.9.5.1. Zum Beispiel: Im Kumys-Sanatorium in Lola (Kalmückien, Russland)


Abb.: Lage von Lola (Bildquelle: CIA)

"Das Kumys-Sanatorium in Lola liegt achtzehn Kilometer von Elista entfernt. Es ist ein Sanatorium besonderer Art, im europäischen Russland wohl sogar einmalig: Wer als Patient kommt, hat eine Lungenkrankheit hinter sich und macht hier eine Kumys-Nachkur, die in der Regel einen Monat dauert, sich aber auch fünf Monate hinziehen kann.

Kumys ist ein dem Kefir ähnliches Sauermilchgetränk aus Stutenmilch. Bei den Kalmücken war es, als sie noch als Nomaden lebten, ein wahrer Volkstrunk, über den der russische Schriftsteller Sergej Aksakow (1791 - 1859) geradezu schwärmt: »Schon ist der belebende Kumys gereift, und jeder, der trinken kann, vom Säugling bis zum Greis, trinkt, bis er nicht mehr kann, das heilkräftige, wohltuende Reitergetränk, und wie durch ein Wunder verschwinden alle Leiden des Hungerwinters und sogar des Alters; voll werden die hohlwangigen Gesichter, gesunde Röte bedeckt die bleichen, eingefallenen Wangen.«
Heute ist Kumys auch wissenschaftlich hergestellte Medizin. Kumys enthält zwei Prozent Fett, etwa zwei Prozent Eiweiß, mehr als sechseinhalb Prozent Zucker. Die Säuerung der Stutenmilch verläuft recht eigenartig. Es bildet sich kein fester Satz, sondern das Kasein zerfällt in zarte, weiche Flocken, Kumys bleibt also immer flüssig. Stutenmilch ist nicht nur ein hervorragendes Heilmittel, sondern auch heute noch ein ausgezeichnetes Getränk: Es stillt sofort und anhaltend heftigsten Durst. Der balkarische Lyriker Kaissyn Kulijew (geboren 1917) schreibt entzückt:

Kalmücken öffnen uns die Tür, 
so können wir der Glut entfliehen. 
Im kühlen Dämmer hören wir 
weit draußen eine Stute wiehern.


Jetzt reicht man uns Kumys. Vorbei 
die Qual des Durstes und vergessen! 
Der Trank ist eisigkalt, als sei's 
ein Schluck aus Hochgebirgsgewässern.


(Deutsch von Helmut Preißler)

Der Chefarzt Dr. Anatoli Tschurjumow überreicht jedem von uns ein Glas als Begrüßungstrunk; Kumys schimmert weiß-bläulich, schmeckt leicht süßlich und doch etwas herb. »Bei vierzig Grad plus«, so Dr. Tschurjumow, »das schmackhafteste und erfrischendste Getränk, das sich denken lässt.« Dass es uns nicht ganz so zusagt, liegt sicher einzig und allein daran, dass keine vierzig Grad sind.

Im Sanatorium betreuen sechs Ärzte und achtzehn Krankenschwestern einhundertfünfzig Patienten. Alle, die wir befragen, schwören auf Kumys, darauf, dass sie ihr augenblickliches Wohlbefinden auch diesem eiweißreichen Trunk verdanken.
Dr. Tschurjumow dazu: »Sorgfältige, von Ärzten durchgeführte Untersuchungen ergaben, dass Kumys zweimal mehr Vitamin C als Kuhmilch enthält. Durch seinen Gehalt an Eiweißen, Fetten und Salzen spürt ein an Tuberkulose erkrankter Mensch Erleichterung; Kumys stimuliert auch viele andere Prozesse im Organismus: den Kreislauf, die Blutbildung, die Verdauung. Außerdem regt er den Appetit an.« Weshalb sich der stattliche Chef des Sanatoriums gezwungen sieht, ihn zu verschmähen.
»Russische Ärzte«, erzählt Dr. Tschurjumow, »organisierten nach neunzehnhundertsiebzehn unser Gesundheitswesen. Heute sind die Geißeln Kalmekiens -- Fleckfieber, Pocken, Trachom  --  völlig liquidiert, auch der Tuberkulose haben wir fast den Garaus gemacht.«

In Lola erhält jeder Patient am Tag einen halben Liter Kumys natürlich kostenlos; der Alkoholgehalt beträgt vier Prozent. Der für die Patienten benötigte Kumys wird direkt im Sanatorium hergestellt, das dafür benötigte Ferment kommt aus dem Institut für Pferdezucht aus Rjasan.

Das Melken der Stuten erfordert viel Einfühlungsvermögen, »auch Mut«, sagt die Melkerin Polla Bogdanowa.  »Die Pferde sind wild, schnell bereit zuzubeißen. Wenn man nicht liebevoll genug mit ihnen umgeht, versagen sie die Milch.«

Hier geht man offensichtlich liebevoll genug mit ihnen um, denn es ist noch niemals vorgekommen, dass dem Sanatorium die Milch ausgegangen ist."

[Reller, Gisela <1938 - >: Von der Wolga bis zum Pazifik : Tradition und Umgestaltung. Bei Tiuwinern, Kalmyken, Niwchen und Oroken. -- Berlin, DDR : Verlag der Nation, ©1990. -- ISBN 3-373-00308-3. -- S. 123f.]


3.9.6. Rosshaar


Mähnen- und Schweifhaare von Pferden werden verwendet

"Dazu müssen die Haare gekocht, gewaschen, sortiert und gegebenenfalls gefärbt werden. Anschließend werden die Haare gleicher Länge gebündelt, erneut 2 Stunden unter Seifenzusatz gekocht, getrocknet, gekämmt und je nach Verwendungszweck in entsprechende Länge geschnitten. Für die Herstellung eines Besens werden etwa 100 g Rosshaare benötigt."

[Lossner, Günther. -- In: Nutztiere der Tropen und Subtropen / Hrsg. Siegfried Legel. -- Stuttgart [u.a.] : Hirzel.. -- Bd. 3: Pferde/Esel, Schweine, Elefanten, Geflügel, Bienen, Seidenspinner. --  ©1993. -- ISBN 3777604976. -- S. 112]


3.9.7. Pferdefleisch und Pferdefleischprodukte


In durch den Islam "stärker beeinflussten Regionen der Tropen und Subtropen wird das Fleisch von Pferd, Esel, Maultier und Maulesel nicht gegessen, obwohl es im Gegensatz zum Schwein kein eigentliches Speiseverbot gibt. Oft stehen kranke oder alte abgemagerte Equiden an den Ortsrändern, bis sie zugrunde gehen. 

Marokko, Algerien und Tunesien weisen dagegen ein relativ hohes Pferdefleischaufkommen auf. Von hier aus erfolgt vor allem der Export nach Frankreich, Belgien, Italien und Spanien. 

Auch in einer Reihe lateinamerikanischer Länder -- vor allem in Mexiko -- findet ein erheblicher Verzehr an Fleisch von Equiden statt. Das gilt auch für eine Reihe asiatischer Länder, z. B. für 

  • die ehemalige Sowjetunion, 
  • die Mongolische Volksrepublik, 
  • China und 
  • Japan. 

In einer Reihe europäischer, aber besonders auch tropischer und subtropischer Länder Lateinamerikas und Asiens werden Equiden speziell Pferde -- in zunehmendem Maße zur Fleischproduktion gezüchtet. Die Tiere werden dann im Alter von etwa 2 bis 3 Jahren geschlachtet, da zu diesem Zeitpunkt das Wachstum abgeschlossen, das Fleisch aber noch zart und wohlschmeckend ist."

[Altmann, Dietrich. -- In: Nutztiere der Tropen und Subtropen / Hrsg. Siegfried Legel. -- Stuttgart [u.a.] : Hirzel.. -- Bd. 3: Pferde/Esel, Schweine, Elefanten, Geflügel, Bienen, Seidenspinner. --  ©1993. -- ISBN 3777604976. -- S. 60 - 61]

Da -- im Unterschied zu französischsprachigen gebieten -- im deutschen Sprachraum der Genuss von Pferdefleisch immer noch etwas verpönt ist, sei hier Dr. med. L. Reinhardt zitiert, der 1909 folgenden Lobgesang auf Pferdefleisch veröffentlichte:

"Am nahrhaftesten ist das Fleisch der Säugetiere, wenn sie ausgewachsen und in gutem Futterzustand sind, und zwar steht das Pferdefleisch an Nährwert dem Fleisch der Ochsen durchaus nicht nach. Für unsere heidnischen Vorfahren war es das liebste und am meisten geschätzte Fleisch überhaupt... Das Pferdefleisch ist ein ganz außerordentlich nahrhaftes und wegen der geringen Nachfrage äußerst billiges Nahrungsmittel, dem jeder vernünftige Familienvater und jede sparsame Hausmutter die weitestgehende Aufmerksamkeit schenken sollte. Verspeisen wir doch ungescheut das durch seinen großen Fettgehalt schwerverdauliche Fleisch des unreinsten aller Haustiere, das sich vielfach von Kot ernährt und in seinen Gedärmen und in seinem Fleische meist von Parasiten strotzt, weshalb gerade bei ihm die Untersuchung auf Trichinen und Finnen zu den wichtigsten Geschäften der Nahrungsmittelkontrolle gehört. Das Fleisch des reinlichsten und vornehmsten aller Haustiere verschmähen wir aber törichterweise, und zwar aus dem einzigen Grund, weil die römischen Priester unseren Vorfahren aus politischen Gründen einredeten, es sei unrein und nachteilig, was ganz absurd war, aber schließlich vom gemeinen Manne doch geglaubt wurde . . . Fände nun das wertvolle Fleisch den verdienten Absatz, so würden jährlich ungezählte Tausende von um die Menschheit verdienten  Pferden ein sanftes Ende beim Schlächter finden, die nun, weil sie keinen nennenswerten Fleischwert besitzen, bis auf den letzten Blutstropfen und bis zum endlichen Zusammenbrechen als Zug-Tiere ihren hartherzigen, oft auch pekuniär schlechtgestellten Brotherren dienen und unnötige Qualen durchmachen müssen, bis sie schließlich ihr Schicksal ereilt und der Tod als großer Wohltäter ihnen erscheint... Kein Fleisch ist appetitlicher als gerade Pferdefleisch . . . Es schmeckt allerdings etwas süßlich infolge seines Reichtums an durch den Speichel im Munde in Zucker verwandeltem Glykogen oder tierischer Stärke neben dem Eiweiß; aber richtig zubereitet, ist dieser uns an Schweine- und Ochsenfleisch gewöhnten Kulturmenschen unangenehme, weil ungewohnte Beigeschmack sehr leicht zu verdecken, so daß jedermann, dem wir es ohne sein Vorwissen zum Essen vorsetzen, es als feinstes Wildbret, gewöhnlich Reh- oder Hirschfleisch, taxiert und mit bestem Appetit verspeist. Erst wenn er dann über den richtigen Sachverhalt aufgeklärt wird, gewinnt das eingefleischte Vorurteil wieder die Oberhand . . . "

[Zitiert in: Basche, Arnim: Geschichte des Pferdes. -- Künzelsau : Sigloch, [1999]. -- ISBN 3893931724. -- S. 53 - 54. ]


3.9.8. Pferdehaut und -fell


"Die Häute von Pferden (Rosshaut), Eseln und Maultieren werden zu Leder verarbeitet, das sich besonders gut zur Herstellung von Schuhen eignet. Dabei tritt bei allen von Equiden gewonnenen Häuten die Besonderheit auf, dass die an der Kruppe zu beiden Seiten der Rückenlinie liegende Hautschicht aus ungewöhnlich dicht miteinander verflochtenen Kollagenfasern besteht. Diese Schild oder Spiegel genannte Stelle der Haut wird gewöhnlich vor dem Gerben herausgeschnitten und gesondert gegerbt. Rossschilde liefern ein sehr festes und widerstandsfähiges, zur Herstellung von Schuhsohlen geeignetes Leder. Die übrigen Teile der Haut, der Rosshals, dienen zur Anfertigung von Schuhoberteilen. ...

Die Felle von Pferdefohlen werden in der Pelzindustrie zu Mänteln und Jacken verarbeitet oder ergeben den Rohstoff für die Produktion eines kräftigen Handschuhleders. Erstklassige Felle erhält man von Fohlen, deren Alter nicht mehr als 2 Monate betrug. Ältere Tiere liefern ein zu schweres Leder mit sehr groben Haaren. Ross- und Eselshäute gelangen getrocknet oder gesalzen in den Handel."

[Lossner, Günther. -- In: Nutztiere der Tropen und Subtropen / Hrsg. Siegfried Legel. -- Stuttgart [u.a.] : Hirzel.. -- Bd. 3: Pferde/Esel, Schweine, Elefanten, Geflügel, Bienen, Seidenspinner. --  ©1993. -- ISBN 3777604976. -- S. 111]

Besonders in der Mongolei werden Fohlen zur Fell- und Pelzproduktion genutzt. Fohlenmäntel sind sehr haltbar und leicht.


3.9.9. Pferdemist


Pferdekot hat einen sehr hohen Wert als Dünger. Auch als Substrat für die Championzucht ist er sehr geeignet: auf dem in einem Jahr von einem Pferd produzierten Mist kann man 1 bis 1,5 Tonnen Rohchampion züchten.

Sehr amüsant schildert der spätere Direktor des Basler Zoos, Heini Hofmann, seine Karriere als Pferdemistsammler während des Ersten Weltkriegs:

"Zum Haustier fand ich über seinen Mist. Das kam so:

Beim Heranwachsen in den mageren Kriegsjahren lernte ich schon als Dreikäsehoch den Wert der Dinge richtig einschätzen, bevor ich noch zur Schule ging. Auch den vom Mist, vom Mist vom Ross, um genau zu sein. Vater konnte ihn im Garten gebrauchen, ich fand ihn auf der Gasse. Pro Karren ein Batzen. So wurde des Pferdes Letztes zu meinem ersten Geld.

Meine Karriere als Rossmistsammler. Damals gab es noch Pferde, die ihren Mist auf der Dorfstrasse fallen ließen. Da lag er feil, gratis und franko, man musste ihn nur holen. Und ein Batzen war Geld, und die Zeiten schlecht. Gesagt, getan. Mein umgebauter Kinderwagen, oder besser gesagt meiner Mutter Kinderwagen, in dem zuerst mein Bruder und dann ich gefahren wurden, eben dieser Kinderwagen wurde jetzt zum Rossmistwagen deklariert und umfunktioniert. Die aufmontierte Holzkiste fasste gut und gerne das Geschäft von einem Dutzend Pferden. Ein halbes Tagewerk -- für mich, nicht für die Pferde. Klopfte man das Überstehende mit den Händen etwas an, ging noch mehr rein. Doch wozu auch, bezahlt wurde ja pro Fuhre, ob locker oder gepresst. Also besser locker, das brachte mehr.

Frische, saftige, große Äpfel füllten die Kiste rascher als alte, ausgetrocknete, zerfallene. Schlecht war die Zeit des jungen Grases; denn da waren die Äpfel wie Ketchup -- Sisyphusarbeit für einen Rossmistsammler. Nun, man konnte sich damals auf der Strasse ja Zeit lassen, der Autos gab es noch wenige, und sie brannten nicht ständig durch, wie sie es heute tun; das taten damals höchstens mal die Rosse.

Relativitätstheorie über Hygiene. Schlimm war's im Winter; da musste ich die gefrorenen Rossbollen oft zuerst lospickeln. Deshalb war ich froh, wenn ich mal gerade kurz nach dem Ereignis eintraf; dann waren sie noch warm und dampften, dann konnte man sogar die klammen Hände daran wärmen  . . . Mistwärmerli. Ich höre Euch nach der Hygiene fragen. Na ja, so wie dieser Begriff damals mehrheitlich noch ein spanisches Dorf war, so wird er doch heute gelegentlich ad absurdum geführt. Ganz abgesehen davon, dass manches Kind mit ein bisschen mehr biologischem Dreck und etwas weniger resistenzvermindernder Sterilhygiene gesünder bliebe. ...

Nach drei Jahren Mistrecycling fand ich es an der Zeit, ein Jubiläum zu feiern. Bescheiden, versteht sich. Der Kindermistwagen wurde bekränzt, mit Efeu und Margeriten. Und auf einer kleinen Schrifttafel stand zu lesen: Drei Jare Roosmischtcharen (von der Orthografie war ich damals dispensiert, da ich noch nicht zur Schule ging). Und siehe, das Dorf staunte: So ein fleißiger Bub! Da stieg mir der Mist in den Kopf. Ich begann mein Unternehmen zu rationalisieren.

Vor den Dorfbeizen standen immer Pferde angebunden. Da brauchte man sich nur hinzustellen, zu warten, bis ein Schwanz hochging, dann rasch den Karren hinten druntergestellt und der Selbstlader war perfekt. War das ein Fest, wenn's Militär ins Dorf kam! Fünfzig und mehr Pferde standen dann in einer Reihe. Das lief wie am Fliessband. Das Geschäft florierte. Aber eben, wer viel hat, will mehr. Die Praktiken begannen illegal zu werden. So ganz per Zufall kam ich mit Nachbars Karrer ins Gespräch. Der war einverstanden. Die paar Gabeln voll, die er mir vermachte, die musste er jeweilen nicht zum Miststock schleppen. So war beiden geholfen. Und zwei Rösslistumpen für soviel Rösslimist lagen Ende Jahr als Geschäftspräsent meinerseits auch noch drin.

Der Mist im Dorf blieb fortan liegen -- und trotzdem rollten die Batzen. Gesteigerter Umsatz bei verkürzter Arbeitszeit. Alles schien bestens -- bis der Schwindel aufflog. So ein Mist! Das war das Ende meiner Rossmistkarriere. Nun, so tragisch war das nicht; denn ich fand mich jetzt ohnehin zu Höherem als Mist geboren, musste ich doch im Frühjahr zur Schule gehen.

Mist war mein Berufsberater. Merkwürdig, viel später lief mir dieser Rossmist wieder über den Weg. Das war im Studium, als ich Tierarzt wurde. Damals habe ich oft heimlich gelacht, wenn in Physiologie oder Parasitologie von Pferdemist die Rede war, und wenn der Professor seine graue Theorie über Form, Farbe, Schleimüberzug, Konsistenz und Verdauungsgrad von Pferdeäpfeln von sich gab. Schließlich verfügte ich über jahrelange praktische Erfahrung in Sachen Rossbollen, hatte ich doch in meinen großen Rossmistjahren alle Pferde in ganz Uetendorf durch ihre Verdauung gekannt. Ich wusste genau, wenn Fankhausers Max und Moritz verstopft waren, wenn Bühlmanns Bobby am Gegenteil litt, oder wenn Messerlis Nelly und Santschis Lotti wieder mal Untermieter hatten, diese großen, weißen Spulwürmer. Ich sah aber auch, ob Durtschis Coquette neben Heu und Gras auch etwas Hafer oder bloß Kleie erhalten hatte. Und kein Wunder, dass Bilangs Mädi, die brave Stute mit dem Stichelstern auf der Stirn, immer so mager war. Bei der erschienen die Haferkörner total ungebrochen im Mist, die konnte nicht richtig kauen, die hatte offensichtlich Spitzzähne, die gehörte zum Tierarzt, so gut wie die Nelly und die Lotti mit ihren Würmern. So war denn der Mist auf der Strasse zu meinem Berufsberater geworden."

[Hofmann, Heini: Die Tiere auf dem Schweizer Bauernhof. -- 3. Aufl. -- Aarau : AT, 1985. -- ISBN 3855021678. -- S. 13 - 16]


3.9.10. Pferdeurin


Der Urin trächtiger Stuten wird zur Produktion von Östrogen für Antibabypillen sowie zur Behandlung während der Menopause verwendet. Allein in der kanadischen Provinz Ontario gibt es über 100 Pferdefarmen mit diesem Produktionsziel.


3.9.11. Pferdeblut


Pferde werden zur Herstellung von Serum (z.B. Schlangenserum) verwendet. So wird den Pferden z.B. eine nicht tödliche Menge Schlangengift eingespritzt, die Pferde entwickeln Antikörper, und wöchentlich können ihnen 5 bis 10 Liter Blut entnommen werden, aus denen das Serum gegen Schlangenbisse extrahiert wird.


3.9.12. Nutzung von Pferden in Religion und Aberglaube


Abb.: "Schatzpferd", Papierschnitte in Goldpapier, farbig unterlegt, Volksrepublik China, zwischen 1985 und 1992
Neujahrswunsch für Fenster oder Wand: Das Pferd möge alles das bringen, was es auf seinem Rücken trägt: Goldbarren, Baum mit Münzen, Perle. Auf Satteldecke: "Fu"-Zeichen = "Glück"

[Quelle der Abb.: Thamm, Ludwig ; Thamm, Hedi: Glück, Geld und langes Leben : Tradition und Volksreligion im heutigen China. -- Regensburg : Mittelbayerische Zeitung, ©1995. -- ISBN 3927529710. -- S. 122. ]

Eine besondere Wertschätzung genießt das Pferd im Islam. Diese Wertschätzung ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass dem Propheten Mohammed persönlich die Gründung der Zucht von Araberpferden zugeschrieben wird:

"Mohammed, der Prophet des allbarmherzigen Gottes, lagerte einst am Ufer eines silbern glänzenden Flusses. Da hielt er hundert Stuten abseits des Wassers eingepfercht, und er gab ihnen drei Tage lang nichts zu trinken, und die Tiere litten großen Durst. Zum Fluss hinab stürmte die Herde, als er sie endlich freiließ. Da aber ließ der Prophet die Trompete den Ruf zum Kampfe blasen. Und siehe, aus dem Strom der Leiber, die durstgetrieben zum Wasser eilten, rangen sich fünf heraus. Fünf Stuten kehrten ohne den erfrischenden Trunk, doch mit hellem Auge und  frohem Gewieher zu ihrem Herrn zurück. Da segnete sie der Prophet, und fortan hießen sie Khamsa ar-Rasul Allah, die Fünf des Propheten Gottes. Sie wurden Hüter der edelsten Stämme Arabiens. Ihre Namen waren:
  • Abbayah,
  • Saqlawiah,
  • Kuhaylah,
  • Hamdaniyah,
  • Hadbah

Alles, was sich asih nennen darf, reinen Blues, hat seinen Ursprung in diesen fünf Stuten. An den fünf Fingern seiner Hand kann der Beduine die edelsten Stämme aufzählen."

[Isenbart, Hans-Heinrich ; Bührer, Emil Martin: Das Königreich des Pferdes. -- München [u.a.] : Bucher, ©1969. --  ISBN 3-7658-0413-4. -- S. 47]


3.10. Zum Beispiel: Dsachtschin, Pferdenomaden in der Mongolei



Abb.: Karte der Mongolei (Quelle: CIA)

[Vorbemerkung: Die Abbildungen zu folgendem Text stammen zwar aus der Mongolei, nicht aber unbedingt von den Dsachtschin!]

"Immer waren es die Pferde, die in einem Atemzug mit den Mongolen genannt wurden, diese kleinen, stämmigen und ausdauernden Pferde, an denen die Achtung und Liebe der Mongolen hängt. Mongolische Pferde haben ein Stockmaß von höchstens 140 Zentimetern bei einer Körperlänge von etwa 150 Zentimetern. Das Durchschnittsgewicht eines gut genährten männlichen Tieres liegt bei etwa 350 Kilogramm.


Abb.: Pferderennen für Kinder, Naadan-Fest, Ulan Bator, Mongolei, 1992 (©Corbis)

Mensch und Tier bilden eine Einheit, die ihresgleichen sucht. Kleine Kinder sind, noch bevor sie richtig gehen können, schon auf dem Pferderücken zu Hause. Lächelnd erzählen die Mongolen von sich, dass sie leider über die Namen ihrer Urgroßeltern und Großeltern nicht so genau Bescheid wissen, jedoch sind die Namen der Ahnen und Urahnen ihrer Pferde sowie deren Großtaten allen ein Begriff. Mongolische Nomaden gehen nicht gerne zu Fuß und Dsachtschin schon gar nicht. Neben der klassischen mongolischen Behausung, der Filzjurte, sind daher an einem Seil, das zwischen zwei Pflöcken oder Stangen gespannt ist, den ganzen Tag über Pferde angebunden. Mindestens eines davon ist immer gesattelt. Man hat damit stets ein Pferd zur Hand, um zu den Herden reiten zu können, falls etwa ein Notfall schnelles Reagieren erforderlich macht. Alle übrigen Tiere weiden irgendwo unbeaufsichtigt, bis sie eines Tages ausgewählt werden, um ihren Dienst für die Nomaden zu versehen. Reitpferde werden alle ein bis zwei Wochen ausgewechselt. Aufgrund der spärlichen Vegetation finden die Tiere, wenn sie bei der Jurte bleiben müssen, nicht genug Futter und bauen ihre Kraftreserven rasch ab. Das Austauschen der Tiere stellt eine beliebte Abwechslung im Alltag dar. Meistens sind es die jungen Männer, die mit der Urga, einer langen Stange, an deren Ende eine Schlinge befestigt ist, hinausreiten, um ausgeruhte, kräftige Pferde aus der Herde auszuwählen. Geschickt umkreisen sie die Herde und entscheiden sich bald für ein Tier. Das Pferd versucht zu fliehen und rast davon. Aber einer der jungen Nomaden treibt sein Pferd noch mehr an, erreicht das davonjagende Tier, und schon legt sich die Urga um dessen Hals. Die Schlinge zieht sich nicht zu, sondern bremst nur den Lauf des eingefangenen Tieres. Die anderen, die ebenfalls herbeigeeilt sind, haben dem Tier in bewundernswerter Schnelligkeit Sattel und Zaumzeug übergeworfen und fixiert. Einer der jungen Männer schwingt sich sofort in den Sattel und beginnt, dem Tier seinen Willen aufzuzwingen. Sind alle benötigten Pferde eingefangen, beginnt für die bisher als Reittiere verwendeten Pferde wieder die Zeit der völligen Freiheit. 

Heute leben in der Mongolischen Volksrepublik etwa zwei Millionen Menschen und rund zweieinhalb Millionen Pferde -- und das auf einer Fläche von 1,560.000 Quadratkilometern! Es ist somit eines der am dünnsten besiedelten Gebiete der Erde. Aber auf jeden dort lebenden Menschen kommt im Durchschnitt etwas mehr als ein Pferd. Auch heute noch ist in den unendlichen Weiten der Mongolei ein Leben ohne Pferd undenkbar. Sich auf sein Pferd verlassen zu können, ist vor allem eine Frage des Überlebens.


Abb.: Zusammentreiben von Yaks, Uliastay, Mongolei, 1984  (©Corbis)

Vor allem der Winter, der im Oktober beginnt und sich bis in den April hinzieht, macht in dieser Region Mensch und Tier zu schaffen. Es herrschen extreme Bedingungen, oft werden Temperaturen bis minus 40 Grad Celsius gemessen. In den Weiten der Steppe bläst immer ein starker Wind. Dieser Wind ist es, der die Kälte verschlimmert und fast unerträglich macht. Minus 40 Grad Celsius werden bei einer Windgeschwindigkeit von 40 Stundenkilometern wie minus 76 Grad Celsius empfunden! Ein Stück Fleisch kann unter diesen Bedingungen binnen 30 Sekunden gefrieren! Im Winter ist der Boden bis tief unter die Oberfläche gefroren, da die Niederschläge fast gänzlich fehlen. Der kurze Sommer bringt zwar Tagestemperaturen von bis zu plus 25 Grad Celsius, aber in den Nächten kühlt es bis knapp über den Gefrierpunkt ab. Dadurch kann der Boden auch im Sommer nur oberflächlich auftauen. Nirgendwo auf der Welt erstreckt sich der Dauerfrostboden so weit nach Süden wie in dieser Gegend. Durch den starken Frost werden die stehengebliebenen Halme rasch tiefgefroren und behalten dadurch ihren Nährwert. Ein Überleben der Herdentiere ist erst aufgrund dieses Umstandes möglich.


Abb.: Pferdehürden, Gobi, Mongolei, 1961  (©Corbis)

Weiter nach Süden hin nimmt die Vegetationsdichte vorerst zu, um dann in ein anderes Extrem, die Wüste Gobi, überzugehen. Das Weidegebiet der Dsachtschin ist äußerst karg. Die Gewächse, meistens verschiedene Artemisia-Arten, stehen nur vereinzelt und werden fünf bis maximal zehn Zentimeter hoch. Der ständige Wind lässt kein höheres Wachstum zu. Es gibt keinen Baum, keinen Strauch, nichts, um sich vor den Witterungsunbilden zu schützen. Daher ist es lebensnotwendig, bei der Beweidung sehr sorgfältig vorzugehen. Die Plätze mit kräftigem, dichtem Bewuchs müssen für den Winter aufgespart werden. Das restliche Jahr hindurch müssen Lagerplatz und Viehweiden, je nach den äußeren Bedingungen, alle vier bis acht Wochen verlegt werden. In welchem Rhythmus der Weidewechsel stattfindet, wann das Lager abgebrochen wird und vor allem in welchem Gebiet es wieder aufgebaut wird, bestimmt das Familienoberhaupt. Die Karawanenführerin ist traditionsgemäß aber eine Frau. Sehr sorgfältig wird darauf geachtet, dass die Herde weiterwandert, bevor alles abgeweidet ist. Die Natur ist sehr sensibel, und eine Überweidung rächt sich bitter und bedeutet im nächsten Jahr Hunger.

Als unter dem Einfluss der mächtigen Nachbarn Russland und China in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts versucht wurde, die Dsachtschin in Kollektive zusammenzufassen, kam es sehr bald zu Hungersnöten. Die Bevölkerung verarmte rasch, und die Maßnahme musste rückgängig gemacht werden. Zu sensibel ist die Natur in diesem Bereich der Erde, und wer gegen diese Regeln verstößt, kann nicht überleben.

Reichtum, wirtschaftliche Basis und Zentrum des täglichen Lebens sind die Herdentiere. Traditionell werden fünf Tierarten gehalten. Neben Pferden und Kamelen sind dies Schafe, Ziegen und Rinder. Derzeit leben in der Mongolei etwa 15 Millionen Schafe, fünf Millionen Ziegen und drei Millionen Rinder, die von Reitern, oft noch im Kindesalter, beaufsichtigt werden. Große Entfernungen müssen im alltäglichen Leben beim Beaufsichtigen der Herden zurückgelegt werden. Die damit verbundenen Strapazen, vor allem während der Wintermonate, sind enorm. Die Nomaden sind bestrebt, besonders im Winter die Herden möglichst dicht beisammenzuhalten, da die Tiere einander dadurch Schutz und Wärme bieten. In der Hoffnung, Futter zu finden, versuchen die Tiere bei diesen extremen Verhältnissen immer wieder, die dünne, festgefrorene Schneeschicht aufzuscharren, was zu gravierenden Problemen an den Hufen der Tiere führen kann. Vor allem für allein stehende Tiere sind Wölfe eine große Gefahr. Auch hier sind es wieder der Winter und das geringe Nahrungsangebot, die den Nomaden besonders achtsam werden lassen. Der Ausfall an Tieren, die den Winter nicht überleben, kann oft das beträchtliche Ausmaß von bis zu einem Drittel des Tierbestandes betragen. Zu spät geborene Ziegen oder Schafe werden daher mit in die Jurte genommen, oder es wird ein eigener Unterstand für sie gebaut. Ohne Umsicht und Fürsorge ist ein Überleben in diesen Weiten nicht möglich. Und so schön diese Landschaft auch ist -- das Zusammenfließen von Ebene und Wolken am Horizont, das Schauspiel, das Wind und Wolken bieten, die friedlichen Herden in einer scheinbaren Unendlichkeit --, immer ist die Gefahr allgegenwärtig."

[Schmid, Robert C. <1965 - > ; Bendl. Oswald <1939 - >: Die letzten Nomaden : vom Leben und Überleben der letzten Hirtenvölker Asiens. -- Graz [u.a.] : Styria, ©1997. -- ISBN 3222125376. -- S. 34 - 37]


4. Maultiere und Maulesel



Abb.: Maultier, 1994 (©Corbis)


4.1. Allgemeines


Begriffe
  Vater Mutter
Maultier (mule)

Esel

Pferd

Maulesel (hinny, hinney)

Pferd

Esel

"Wenn man sich über die Schweizer Pferdezucht unterhält, dann darf ein ganz besonders liebenswertes Kreuzungsprodukt nicht vergessen werden: das Maultier. Der Vater dieses Mischlings ist ein Eselhengst, die Mutter eine Pferdestute, in der Maultierzucht unseres Landes naheliegenderweise eine solche der Freibergerrasse, die zudem für diesen Zweck besonders geeignet sein muss; man nennt sie Mulassiere.

Maultiere sind in der Regel nicht mehr fortpflanzungsfähig, weshalb die Zucht hier immer wieder bei Null anfangen muss. Das äußerlich sehr ähnlich aussehende Gegenstück zum Maultier, den Maulesel, das heißt die Kreuzung zwischen Eselstute und Pferdehengst, gibt es bei uns nicht.


Abb.: Klassische Nutzung von Maultieren im Krieg: Ho Chi Minh (1890 - 1969, Gründer der Kommunistischen Partei Vietnams) sattelt Maultier im Krieg gegen die Kolonialmacht Frankreich, Vietnam, 1945  (©Corbis)

Napoleon wählte den hippologischen 4x4. Kreuzungen zwischen Esel und Pferd wurden schon im klassischen Altertum durchgeführt. Die alten Römer waren diesen leistungsfähigen Bastarden besonders zugetan und führten sie auch auf ihren Heereszügen mit. Maulesel gibt es heute nur noch in ein paar südlichen Ländern und in Nordafrika. Maultiere waren schon immer weiter verbreitet. Sie sind vielseitig verwendbar, genügsamer und weniger schreckhaft als Pferde. Sie sollen auch das Feuer minder fürchten, weshalb frühere Feuerwehren oft Maultiergespanne statt Rosse vor die Spritzenwagen spannten. Und die Armeen aller Zeiten setzten sie als Zug- und Lasttiere im Gebirge ein; denn Maultiere sind zäher, trittsicherer und bescheidener in ihren Nahrungsansprüchen als Pferde und zudem noch resistenter gegen Hitze und Kälte. Daher kommt es wohl nicht von ungefähr, dass Napoleon, als er die Alpen überquerte, sich nicht einem Araberhengst anvertraute, wie dies der Maler David wahrhaben wollte, sondern dem unerschütterlichen Rücken einer Maultierstute; er hatte angesichts des unwirtlichen Geländes auf den 4x4 unter den Equiden umgestellt, im Bewusstsein, dass er hier mit Allrad- oder besser gesagt Allbeinantrieb besser beraten sei.

Der Muli - ein aussterbendes Haustier. Das Maultier, einst wichtiges ziviles und militärisches Transportmittel vor allem in den Walliser Bergen, aber auch im Berner Oberland und in andern Gebirgskantonen, ist heute sozusagen ein vom Aussterben bedrohtes Haustier. Das ist ja das Erstaunliche -- und Betrübliche zugleich: Nicht nur viele Wildtierarten sind in ihrer Existenz bedroht; das kann selbst Tieren in menschlicher Obhut passieren. Ein klassisches Beispiel dafür ist das Maultier.

Seit der Erschließung auch entlegenster Berge mit Jeepstrassen und Transportseilbahnen ist das gutmütige Langohr brotlos geworden. Seine Zucht hat sich von der Notwendigkeit zur Nostalgie gewandelt. Im Mittelwallis in den Kantonen Bern und Freiburg Mulis oder, wie der Walliser sagt, Mültis gezüchtet. Dabei ist das Maultier ein ganz vortreffliches Geschöpf, von dem es heißt «es läuft wie ein Pferd, zieht wie ein Ochse, frisst wie ein Esel und wird nur krank, um zu sterben».

Tatsächlich sind es extrem zähe, anspruchslose und geländetüchtige Tiere, die spielend über 100 kg Last auf- und abwärtstragen. Auf verschiedenen Alpen pendelten sie früher sogar ohne Begleitung vom Maiensäß ins Tal und zurück: basten, beladen, einen Klatsch auf die Hinterbacke -- und der Muli trottete unbeirrt seinen Weg auf die Alp. Oben, abgeladen, wieder ein Klaps auf die Kruppe -- und allein zog er talwärts. . . Welcher Jeep kann das schon?

Bei guter Behandlung sind Maultiere auch keineswegs bösartig, es sei denn, sie seien verdorben worden. Alles andere ist Verleumdung."

[Hofmann, Heini: Die Tiere auf dem Schweizer Bauernhof. -- 3. Aufl. -- Aarau : AT, 1985. -- ISBN 3855021678. -- S. 96f.]


4.2. Verbreitung von Maultieren und Mauleseln und Eignung für Entwicklungsländer


In der folgenden Übersicht sind einzelne Länder nur aufgeführt, wenn es dort über 0,5 Mio. Maultiere gibt.

Weltbestände an Maultieren 1999
Welt 14 Mio.
  Lateinamerika und Karibik 7,1 Mio.
  Asien 5,4 Mio.
  Afrika 1,3 Mio.
  Europa 0,2 Mio.
  China

4,7 Mio.

  Mexiko

3,3 Mio.

  Brasilien 2,0 Mio.
  Äthiopien

0,6 Mio.

  Kolumbien 0,6 Mio.
  Marokko 0,5 Mio.

[Quelle: FAOSTAT. -- URL: http://apps.fao.org/lim500/nph-wrap.pl?Production.Livestock.Stocks&Domain=SUA&servlet=1. -- Zugriff am 21.1.2000]

"Viele der Länder, die wir noch heute als Dritte-Welt-Länder bezeichnen, haben eine lange Tradition im Gebrauch von Maultieren. Manche gehören sogar zu den Ursprungsländern der Maultierzucht. Im allgemeinen hat das Arbeitstier sicherlich mehr Tradition als das Fahrzeug, und es bringt entsprechend viele Vorteile mit sich. Es kann vielseitiger eingesetzt werden, und vor allem braucht es keine Straßen. Es kann an Ort und Stelle gezüchtet werden, kommt mit einheimischem Futter aus und braucht keine Ersatzteile. Das Arbeitstier kann im Gegensatz zu einer Maschine von der ganzen Familie eingesetzt werden, ohne dass eine technische Ausbildung vorausgehen muss. All dies macht den Besitzer selbständiger und unabhängiger. Unter diesen Arbeitstieren hat sich das Maultier am besten durchgesetzt. Seine Leistungsfähigkeit im Vergleich zum Fütterungsaufwand ist sehr groß. Seine Unfruchtbarkeit macht es zu einem reinen Arbeitstier; nie wird es ausfallen, weil es gerade abgefohlt hat. Zudem hat es eine höhere Lebenserwartung als das Pferd.

Die Maultiere in der dritten Welt werden meist mit dem dort vorhandenen Esel- und Pferdebestand gezüchtet. Daraus ergibt sich eine ungemeine Vielfalt von Tieren in allen Farben und Größen. Je nach Größe und in zweiter Linie nach Farbe (in vielen Ländern gilt Weiß als besonders edel) wird ihm dann die Arbeit zugeteilt. In der Regel kann ein Maultier 25 % seines Körpergewichts über lange Distanzen tragen und etwas mehr bei guter Fütterung und guter Verfassung über kurze Strecken. Mit einer Schleppe zieht es sein eigenes Körpergewicht und am Wagen sein doppeltes Körpergewicht. Da das Maultier vielseitiger und leistungsfähiger und länger verwendbar ist, ist es meist teurer im Ankauf als das Pferd oder der Esel. 

Von allen aufstrebenden Ländern hat China am meisten den Wert des Maultieres für seine Landbevölkerung erkannt. Die Regierung hat darum riesige Zuchtstätten aufgebaut und wichtige Pionierarbeit in der künstlichen Besamung bis zum Embryotransfer geleistet. China hat, trotz seiner Größe, eine Maultierdichte von zwei Tieren pro Quadratkilometer.

Aber auch in allen anderen Ländern sind die Tierbestände wieder steigend. Mit der fortschreitenden Entwicklung wird das Bedürfnis nach kostengünstigen Arbeitstieren und Transportmitteln immer größer. Das Maultier erfüllt hier eine wichtige Aufgabe. Es ist im Vergleich zum Fahrzeug oder der Landmaschine günstig im Ankauf, sein «Benzin» wächst im eigenen Land, es kann praktisch von jedermann bedient werden und braucht kaum Reparaturen. Vieles, was hier über Maultiere steht, gilt auch für die anderen traditionellen Arbeitstiere wie den Ochsen, das Lama, den Yak, den Elefanten usw., doch im Vergleich mit all denen arbeitet das Maultier schneller, hat im Verhältnis zur Körpergröße die größere Kraft, ist gesund, trittsicher und leicht zu handhaben."

[Gugelberg, Helene von ; Bähler, Cordula: Alles über Maultiere. -- Cham : Müller Rüschlikon, ©1994. -- ISBN 327501956. -- S. 64f.]

"Im Mittleren Osten, so z. B. im Iran, gibt es eine ausgedehnte Zucht und Haltung von Maultieren. Bei diesen Tieren handelt es sich um leichte bis höchstens mittelschwere Tiere mit gutartigem Charakter, die von starken, gutartigen Eseln abstammen.

Die syrischen Maultiere mit feurigem Temperament stammen meist von den kleinen syrischen Eseln und arabischen Stuten ab.

Auch in Indien haben wir von alters her eine bewährte Maultierzucht. Das indische leichte Maultier gilt als eines der besten seiner Art. Während der Kolonialzeit Indiens versuchte man, die heimische Maultierzucht Indiens noch durch Einführung von ausländischen, hauptsächlich italienischen Eseln zu steigern. Als Stuten wurden Tiere benutzt, die sich für die Pferdezucht nicht eigneten, und man stellte fest, dass mit gutem «Eselmaterial» ein brauchbares, ziemlich großes Maultier gezogen werden kann. In der indischen Provinz Punjab waren Anfang 1900 die Maultiere noch höher geschätzt als die Pferde, wenn sie von guten Stuten abstammten und von vorzüglichen Eseln.

Auch in China sind Esel- und Maultierzucht weit verbreitet. Hier wird die Zucht des leichten Maultieres bevorzugt. Als Hengste kommen vor allem die Schantung-Esel zur Verwendung, die sich durch ihre Eigenschaften besonders eignen sollen.

Eine ähnlich weite Verbreitung wie in Asien haben Maultierzucht und -haltung in Afrika gefunden. Im allgemeinen überwiegt die Zucht eines kleinen, leichten Maultieres, das aus dem leichten afrikanischen Pferd gezogen wurde.

Im Süden Afrikas hat man vielfach europäische Esel eingeführt und diese teils mit warmblütigen, teils mit schweren kaltblütigen Pferden gekreuzt und auf diese Weise Maultiere unterschiedlichster Größe und Schwere erhalten.

Die Spanier haben Pferde und Maultiere auf ihren Eroberungszügen durch ganz Süd- und Zentralamerika mitgenommen. Später, ca. 1530, zehn Jahre nachdem Cortes Mexiko erobert hatte, wurden auch die ersten Eselhengste in die neuen Kolonien gebracht, um den Maultierbestand zu erhöhen. Noch immer werden Maultiere, vor allem Gangmaultiere, in Südamerika sehr geschätzt. Vor allem in Peru stellen sie ein wichtiges Bindeglied in der Transportkette vom Gebirge zum Meer dar, durch die dazwischen liegende Wüste, die von den einheimischen Lamas nicht begangen werden kann, aber auch im Gebirge findet man sie häufig, da sie die doppelte Last eines Lamas tragen können."

[Gugelberg, Helene von ; Bähler, Cordula: Alles über Maultiere. -- Cham : Müller Rüschlikon, ©1994. -- ISBN 327501956. -- S. 21f.]


4.3. Zum Verhalten von Maultieren und Mauleseln


Für die Nutzung des Maultiers sehr wichtige Verhaltenseigenschaften sind Trittsicherheit und selbständige Einschätzung der Situation (Vorsicht):


Abb.: Karawane von Maultierreitern, Grand Canyon, USA, 1986  (©Corbis)

 

"Vor allem im Gebirge ist die Trittsicherheit des Maultieres von großem Vorteil. Das Muli hat einen schmaleren Körper als ein Pferd gleicher Größe und gleichen Gewichts. Seine Beine sind stark und seine Hufe klein. Diese schmale Statur hilft ihm, seine Schrate vorsichtig zu wählen. Dazu schaut das Maultier genau auf den Weg vor sich und ins Tal, nicht bergwärts wie das Pferd, wodurch das Maultier weniger in Gefahr gerät, mit der Hinterhand auszurutschen. Dazu überlässt das Maultier nicht dem Reiter das Denken. Aus reinem Überlebenswillen beurteilt es die Situation immer wieder aufs neue und reagiert entsprechend."

[Gugelberg, Helene von ; Bähler, Cordula: Alles über Maultiere. -- Cham : Müller Rüschlikon, ©1994. -- ISBN 327501956. -- S. 12]

Maultiere neigen auch nicht zur Panik wie Pferde:

"A mule won't intentionally harm himself. This refers to the fact that the flight instinct does not take over as strongly as it does in the Horse. When a horse gets in a tangled situation, such as wrapping his legs around barbed wire, it could be extremely dangerous to them. Most horses have a tendency to react with panic and try to fight their way out. A mule will usually not let that fear take over. He can switch over to a logic mode and figure out a solution, rather than immediately trying to fight his way out."

Maultiere sind hitzetoleranter als Pferde:

"Mules can stand the heat and cold better than the Horse. True. Cowboys in Brazil and other South American countries prefer a mule over a horse because it handles the heat better. Plantation owners in the south choose mules over horses for their ability to stand up under intense heat and a long season. lf the weather is unbearably hot, the mule slows his pace and no amount of prodding will hurry him."

[Attar, Cynthia: The mule companion : a guide to understanding the mule. -- 3. ed. -- Portland, OR : Partner Communications, 1998 (©1993). -- ISBN 0965177610. -- S. 103. ]


4.4. Fressverhalten von Maultieren und Mauleseln


Maultiere sind ziemlich anspruchslos bezüglich Futter: ihr Futterverwertungsvermögen ist erheblich höher als das von Pferden: gegenüber einem vergleichbaren Pferd kann die Futterersparnis bis zu 25% betragen. Trotzdem muss die Ernährung an Mineralien, Spurenelementen und Vitaminen ausgewogen sein.

Im Gegensatz zu Pferden überfressen sich Maultiere fast nie bis zur Kolik. Man kann sie also mit Futter für mehrere Tage allein lassen.


4.5. Gesundheitsprobleme


Maultiere sind abgehärteter als Pferde:

"The mule has far fewer medical ailments compared to the horse. True. The mule is definitely hardier and is not as prone to the wide array of horse problems. He may suffer lameness, colic, cold and disease, but some of the advanced horse ailments seem to bypass the mule. It is not known if the mule does not suffer from intricate pain or just lacks the sensitivity to feel this pain."

[Attar, Cynthia: The mule companion : a guide to understanding the mule. -- 3. ed. -- Portland, OR : Partner Communications, 1998 (©1993). -- ISBN 0965177610. -- S. 110. ]

Ein Beschlagen der Hufe mit Hufeisen ist in vielen Fällen nicht nötig. Regelmäßige Hufpflege ist jedoch nötig.


4.6. Maultier- und Mauleselzucht


"Das Maultier (equus mulus) ist ein Kreuzungsprodukt des Eselhengstes (equus asinus) und der Pferdestute (equus caballus). Bei der Kreuzung eines Pferdehengstes und einer Eselstute entsteht der gegenüber dem Maultier etwas kleinere Maulesel. Die Züchtung von Maultieren und Mauleseln erfordert eine Tripelzucht, das heißt die gleichzeitige Haltung von Pferd, Esel und deren Kreuzungsprodukt. Dieser Umstand gestaltet die Zucht und die Haltung schwieriger als diejenige von artreinen Tieren. Die Maultierzucht beruht auf einer Gebrauchskreuzung, also auf einem Züchtungsverfahren, das wir in der Haustierzucht nur selten anwenden. Es darf bei dieser Züchtungsmethode ganz allgemein bei der Nachzucht nicht mit einer zielgerichteten Beständigkeit gerechnet werden wie bei den übrigen in Reinzucht gehaltenen Haustieren.

Bei der ersten Kreuzungsgeneration zwischen zwei artreinen Ausgangstieren zeigen die Maultiere durchschnittlich hinsichtlich des Aussehens und der inneren Eigenschaften und Merkmale eine stark ändernde Mischung der Erbanlagen der beiden Elterntiere. Ein Maultierzüchter beschrieb die Besonderheiten dieses Kreuzungsproduktes mit dem Satz: «Das Maultier läuft wie ein Pferd, zieht wie ein Ochse und frisst wie ein Esel.» ...

Über den Erbgang einzelner Merkmale liegen aber beim Maultier noch zu wenig sichere Massenfeststellungen vor, um zuverlässige spezielle Erbregeln anführen zu können. Man kann jedoch davon ausgehen, dass, wenn es sich bei den Elterntieren um reinrassige Tiere handelt, die Nachkommen derselben sehr einheitlich ausfallen werden.


Abb.: Weißes Maultier, Tennessee, USA, 1992 (©Corbis)

In Ländern, wo die Zucht weniger systematisch betrieben wird, wie z. B. in Äthiopien, ist die Vielfalt der Maultiere viel größer. Kleine und große Tiere, weiße, braune und schwarze werden zum Kauf angeboten und je nach Eignung als Reit- oder Tragtier verwendet. Weiße Maultiere werden in Äthiopien besonders geschätzt. In den Gebirgsprovinzen werden Maultiere den Pferden vorgezogen und sind auch erheblich teurer. 

In den Vereinigten Staaten, wo die Maultierzucht um die Jahrhundertwende in großer Blüte stand, züchtete man ganz gezielt spezielle Typen von Reit-, Trag- und Zugmaultieren. 

Liebhaber extremer Formen hat es unter den Haustierzüchtern immer gegeben. Wer das Kleine liebt, kreuzt einen sardinischen Zwergesel mit einem Shetlandpony. Wer ein Riesenmaultier besitzen möchte, wählt statt dessen einen amerikanischen Mammotli-Esel und ein englisches Shire-Pferd. Das Resultat ist in beiden Fällen ein Maultier mit spezifischen Eigenschaften. 

Maultiere sind nicht irgendwelche Kreuzungsprodukte, sondern wertvolle, einmalige Haustiere. Die Maultierzucht wird gelegentlich, und zwar zu Unrecht, als Rivalin der Pferdezucht angesehen. ...

Es darf nicht vergessen werden, dass jedes Maultier einzigartig ist, ein Einzelstück der Natur. Das Maultier stellt aufgrund seiner Unfruchtbarkeit keine Gefahr für eine Zuchtverfälschung dar. Der Rassetyp der Zuchtstute bzw. dessen Vererbung spielt eine geringere Rolle als Charakter, der Körperbau und Gesundheit. Eine Stute, die für die Zucht ihrer Rasse nicht verwendet wird, kann sich darum als Maultiermutter ausgezeichnet eignen."

[Gugelberg, Helene von ; Bähler, Cordula: Alles über Maultiere. -- Cham : Müller Rüschlikon, ©1994. -- ISBN 327501956. -- S. 84f.]

"Die Zucht des Maulesels ist heute vor allem noch in den Ländern üblich, die über einen größeren Esel- als Pferdebestand verfügen und deren Landbevölkerung auf die Bewirtschaftung von kleinen Landstücken angewiesen ist. Der Maulesel ist in der Regel kleiner als das Maultier, jedoch größer und kräftiger als die Eselstute; dadurch ist er leistungsfähiger als der Esel.

Im Wesen ist der Maulesel dem Esel näher. Dies wird darauf zurückgeführt, dass er mit der Eselstute zusammen aufwächst und daher von ihr lernt, wie er das Leben zu meistern hat. ...

Für die Zucht von Mauleseln muss bei der Auswahl des Deckhengstes unbedingt auf die Größe der Eselstute Rücksicht genommen werden. Für eine Eselstute kann es lebensgefährlich werden, wenn sie von einem zu großen Pferdehengst gedeckt wird und sie versucht, diese Frucht auszutragen. Wohl sagt man im Volksmund, die Frucht passe sich dem Körper an, und doch ist es schon vorgekommen, dass die wachsende Frucht für die Stute zu groß wurde, so dass Stute und Fohlen ein klägliches Ende nahmen. Möchte man aber trotzdem ein Mauleselfohlen, so kommt in vielen Fällen eher ein Ponyhengst als ein Pferdehengst in Frage. Auf der Insel Lamu vor Kenia z. B. waren die einheimischen Esel zu kümmerlich, um die anfallenden Arbeiten erledigen zu können. Der Internationale Eselschutzbund (International Donkey Protection Trust) hat der Bevölkerung von Lamu darum einen Ponyhengst zur Verfügung gestellt. Mit ihm werden nun Maulesel gezüchtet, die der Arbeit viel besser gewachsen sind, denn der Maulesel bringt die gleichen Vorteile mit sich wie das Maultier: große Kraft für die Körpergröße, Genügsamkeit und Ausdauer."

[Gugelberg, Helene von ; Bähler, Cordula: Alles über Maultiere. -- Cham : Müller Rüschlikon, ©1994. -- ISBN 327501956. -- S. 88f.]


4.7. Nutzung von Maultieren und Mauleseln


Einige englische Bezeichnungen für bestimmte Maultierformen deuten auf die Vielfalt der Bereiche, in denen Arbeitsmaultiere genutzt wurden bzw. werden:

Maultiere werden in großem Umfang auch für militärische Zwecke in Gebirgsgegenden verwendet:

"In beiden Weltkriegen waren Maultiere im Transportwesen in großem Rahmen eingesetzt worden, besonders jedoch z.B. in Burma und Italien während des Zweiten Weltkriegs. Viele der Maultiere in den Transport-Kompanien kamen von der indischen Armee, die seit jeher bekannt ist für den Einsatz von Maultieren.

Auch heute werden viele Maultiere von der indischen Armee eingesetzt, und bei den Grenzstreitigkeiten nach dem Krieg, besonders in den Gebirgsgegenden von Kaschmir und seinen Nachbargebieten, spielten die Maultier-Transport-Kompanien eine große Rolle. Indien unterhält außerdem seine legendäre Gebirgs-Artillerie, die mit beispielloser Effektivität in unwegsamem Gelände operiert, wo es unmöglich wäre, konventionelle Räder- oder Kettenfahrzeuge einzusetzen. Maultiere tragen zerlegte Geschütze -- Fahrgestell, Räder und Achse, Geschützrohr etc. -- sowie schwere Munitionskisten über steile, felsige Bergpfade."

[Edwards, Elwyn Hartley: Die BLV Enzyklopädie der Pferde. -- München : BLV, ©1999. -- ISBN 3405155568. -- Originaltitel: The encyclopedia of the horse (1994). -- S. 329. ]

Maultiere (Maulesel) können genutzt werden als:

Die  besondere Eignung des Maultiers als Tragetier (Saumtier) ergibt sich aus folgender Gegenüberstellung:

Tierart Ladung in kg km-Leistung mit dieser Traglast pro 7-Stunden-Tag
Elefant

460

25

Maultier 181 46
136 58
90 91
Pferd 60 39
Esel 54 39
Ochse 55 24

[Iverson, Eve (1988). -- Zitiert in: Gugelberg, Helene von ; Bähler, Cordula: Alles über Maultiere. -- Cham : Müller Rüschlikon, ©1994. -- ISBN 327501956. -- S. 32]


5. Weiterführende Ressourcen




5.3. Organisationen


Übergreifendes:

FAO -- Food and Agriculture Organisation of the United Nations. --  http://www.fao.org/. -- Zugriff am 2001-02-08. -- [Sehr ergiebig!]


5.4. Andere Internetressourcen


Esel:

The Blue Mountain donkey page / Jeanine A. Rachau. -- URL: http://www.orednet.org/~jrachau/. -- Zugriff am 2001-02-08. -- ["All about donkeys. What to do with them, why they are what they are. Lots of info, pictures and links."]

Pferde:

The International Museum of the Horse at the Kentucky Horse Park. --  http://www.imh.org/imh/imhmain.html. -- Zugriff am 2001-02-08. -- ["The on-line version of the Museum is already one of the largest internet museum projects ever undertaken. Over 1,000 pages of information, including the complete text from the Museum's exhibits, and hundreds of photographs are now available to school children, scholars, and horse lovers throughout the world. In addition, specialty exhibits have been provided by many of the nations' leading horse related museums.". -- Sehr empfehlenswert!]


5.5. Ressourcen in Printform


Übergreifendes:

Nutztiere der Tropen und Subtropen / Hrsg. Siegfried Legel. -- Stuttgart [u.a.] : Hirzel.. -- Bd. 3: Pferde/Esel, Schweine, Elefanten, Geflügel, Bienen, Seidenspinner. --  ©1993. -- ISBN 3777604976

Pagot, Jean: Animal production in the Tropics. -- London [u.a.] : Macmillan Education, 1992. -- 517 S. : Ill. -- ISBN 0333538188. --  {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.co.uk bestellen}

Sambraus, Hans Hinrich: Atlas der Nutztierrassen : 250 Rassen in Wort und Bild. -- 5. Aufl. -- Stuttgart : Ulmer, 1996. -- 304 S. : Ill. -- ISBN 3800173484.

Sambraus, Hans Hinrich: Nutztierkunde : Biologie, Verhalten, Leistung und Tierschutz. -- Stuttgart : Ulmer, ©1991. -- (UTB ; 1622). -- ISBN 3825216225.

Esel:

Borwick, Robin: Esel halten. -- Stuttgart : Ulmer, ©1984. -- 224 S. : Ill. -- ISBN 3800171325. -- Originaltitel: The book of the donkey (1981)

Pferde:

Aus der unübersehbaren Masse an Pferdeliteratur sei genannt:

Basche, Arnim: Geschichte des Pferdes. -- Künzelsau : Sigloch, [1999]. -- 559 S. :Ill. -- ISBN 3893931724.

Callery, Emma: Die neue Reitlehre. -- Bern : Hallwag, ©1995. -- 224 S. : Ill. -- ISBN 3444104499. -- Originaltitel: The new rider's companion (1994)

Dossenbach, Monique ; Dossenbach, Hans D.: König Pferd. -- Augsburg : Bechtermünz, 1999 (©1991). -- 448 S. : Ill. -- ISBN 382891568X

Edwards, Elwyn Hartley: Die BLV Enzyklopädie der Pferde. -- München : BLV, ©1999. -- 400 S. : Ill. -- ISBN 3405155568. -- Originaltitel: The encyclopedia of the horse (1994). . -- [Sehr informativ, besonders gut bezüglich Indien]

Haller, Martin: Kosmos Pferdeführer. -- 2. Aufl. -- Stuttgart : Frankh-Kosmos, ©1999. -- 247 S. : Ill. -- ISBN 3440077594.

Isenbart, Hans-Heinrich ; Bührer, Emil Martin: Das Königreich des Pferdes. -- München [u.a.] : Bucher, ©1969. -- 303 S. : Ill. -- ISBN 3-7658-0413-4

Koch, Michael: Traditionelles Arbeiten mit Pferden in Feld und Wald. -- Stuttgart : Ulmer, ©1998. -- !60 S. : Ill. -- ISBN 3800173832.

Möhlenbruch, Georg ; Bottermann, Heinrich ; Schwitte, Walter: Beruf Pferdewirt. -- 2., korrigierte Aufl. -- Stuttgart : Ulmer, ©1999. -- 364 S. : Ill. -- ISBN 3800110962. -- [Lehrbuch].

Maultiere / Maulesel:

Attar, Cynthia: The mule companion : a guide to understanding the mule. -- 3. ed. -- Portland, OR : Partner Communications, 1998 (©1993). -- 186 S. : Ill. -- ISBN 0965177610.

Gugelberg, Helene von ; Bähler, Cordula: Alles über Maultiere. -- Cham : Müller Rüschlikon, ©1994. -- 152 S. : Ill. -- ISBN 327501956


Zu Kapitel 8.5: Elefanten