Einführung in die Exegese von Sanskrittexten : Skript

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Kap. 4: Die Übersetzung

Anhang B: Blütenlese von Zitaten deutschsprachiger Schriftsteller zu den Problemen des Übersetzens


von Alois Payer

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Zitierweise / cite as:

Payer, Alois <1944 - >: Einführung in die Exegese von Sanskrittexten : Skript.  -- Kap. 4: Die Übersetzung. -- Anhang B: Blütenlese von Zitaten deutschsprachiger Schriftsteller zu den Problemen des Übersetzens. -- Fassung vom 2004-06-22. -- URL: http://www.payer.de/exegese/exeg04b.htm. -- [Stichwort].

Erstmals erschienen: 2004-06-08

Überarbeitungen: 2004-06-22 [Ergänzung]

Anlass: Lehrveranstaltung Indologie SS 2004

©opyright: Public domain


0. Übersicht



1. Vorbemerkung


Das Folgende ist eine unsystematische, unvollständige Blütenlese von Zitaten zu den Problemen des Übersetzens aus den deutschen Schriftstellern, die meist selbst große Erfahrung mit Übersetzen hatten.

Die Zitate sind leicht zu verifizieren mit Hilfe der Suchfunktionen in:

Deutsche Literatur von Lessing bis Kafka  / hrsg. von Mathias Bertram. -- Upgrade der Studienbibliothek. -- Berlin : Directmedia, 2000. -- 1 CD-ROM  -- (Digitale Bibliothek ; 1). -- ISBN 3-89853-006-X

Deutsche Lyrik von Luther bis Rilke .-- Berlin : Directmedia Publ., 2002. -- 1 CD-ROM  -- (Digitale Bibliothek ; 75). -- ISBN 3-89853-175-9


2. Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781)



Abb.: Gotthold Ephraim Lessing

Gotthold Ephraim Lessing <1729 - 1781>: Ein Vade mecum für Hrn. Sam. Gotth. Lange, Pastor in Laublingen. -- 1754:

Ich habe Ihnen gezeigt, Dass Sie weder Sprache, noch Kritik, weder Altertümer, noch Geschichte, weder Kenntnis der Erde noch des Himmels besitzen; kurz Dass Sie keine einzige von den Eigenschaften haben, die zu einem Übersetzer des Horaz notwendig erfordert werden. Was kann ich noch mehr tun?


Gotthold Ephraim Lessing <1729 - 1781>: Rettungen des Horaz. -- 1754

Die Treue eines Übersetzers wird zur Untreue, wann er seine Urschrift dadurch verdunkelt.


Gotthold Ephraim Lessing <1729 - 1781>: Briefe, die neueste Literatur betreffend. -- 1759-1765

Was der Übersetzer zur Entschuldigung seiner oft undeutschen Wortfügungen anführt; wie er sich in dieser Entschuldigung verwirrt und sich unvermerkt selbst tadelt, ist auf der 17ten Seite des Vorberichts lustig zu lesen. Er verlangt, Dass man, ihn zu verstehen, die Kunst zu lesen besitze. Aber da diese Kunst so gemein nicht ist; so hätte er die Kunst zu schreiben verstehen sollen. Und wehe der armen Kunst zu lesen, wenn ihr vornehmstes Geschäft sein muss, den Wortverstand deutlich zu machen! etc.


Gotthold Ephraim Lessing <1729 - 1781>: Briefe, die neueste Literatur betreffend. -- 1759-1765

Unsere Übersetzer verstehen selten die Sprache; sie wollen sie erst verstehen lernen; sie übersetzen sich zu üben, und sind klug genug, sich ihre Übungen bezahlen zu lassen. Am wenigsten aber sind sie vermögend, ihrem Originale nachzudenken. Denn wären sie hierzu nicht ganz unfähig, so würden sie es fast immer, aus der Folge der Gedanken abnehmen können, wo sie jene mangelhafte Kenntnis der Sprache zu Fehlern verleitet hat. Wenigstens geschieht es durch diese etwanige Fähigkeit, Dass ihr Leser oft mehrere als nur die gröbsten bemerkt;


Gotthold Ephraim Lessing <1729 - 1781>: Briefe, die neueste Literatur betreffend. -- 1759-1765

Es ist aber auch keine wörtliche Übersetzung, denn Cowley sagt: »Wenn jemand den Pindar von Wort zu Wort übersetzen wollte, so würde man glauben, ein Rasender habe den andern übersetzt.«


Gotthold Ephraim Lessing <1729 - 1781>: Briefe, die neueste Literatur betreffend. -- 1759-1765

Man muss, überhaupt zu reden, den Übersetzungen, die uns aus der Schweiz kommen, das Lob lassen, Dass sie treuer und richtiger sind als andere. Sie sind auch ungemein reich an guten nachdrücklichen Wörtern, an körnichten Redensarten. Aber bei dem allen sind sie unangenehm zu lesen, weil selten eine Periode ihre gehörige Rundung und die Deutlichkeit hat, die sie durch die natürliche Ordnung ihrer Glieder erhalten muss.


Gotthold Ephraim Lessing <1729 - 1781>: Briefe, die neueste Literatur betreffend. -- 1759-1765

Eine wörtliche Übersetzung von dieser Art muss notwendig auch da, wo sie richtig ist, unendlichen Zweideutigkeiten unterworfen sein, und hat, wenn noch so wenig an ihr zu tadeln ist, doch weiter keinen Nutzen, als Dass der junge Mensch, dem Herr Dusch die Mühe zu erleichtern sucht, sein Wörterbuch seltener nachschlagen darf. Aber wehe dir, junger Mensch, »dem Herr Dusch die Mühe zu erleichtern sucht«, wenn du darum dein Wörterbuch seltener nachschlägst! Höre im Vertrauen: Herr Dusch selbst hat es zu wenig nachgeschlagen. Er hat dich keiner Mühe überhoben; weil er sich selbst die Mühe nicht geben wollen, das was er nicht wusste, dir zum Besten zu lernen! Nimm dein Wörterbuch, und schlage nach, was heißt Myrtus? du findest ein Myrtenbaum. Und Herr Dusch glaubt, es heiße ein Lorbeerbaum.


Gotthold Ephraim Lessing <1729 - 1781>: Hamburgische Dramaturgie. -- 1767/69.

Gute Verse indes in gute Prosa übersetzen, erfordert etwas mehr, als Genauigkeit; oder ich möchte wohl sagen, etwas anders. Allzu pünktliche Treue macht jede Übersetzung steif, weil unmöglich alles, was in der einen Sprache natürlich ist, es auch in der andern sein kann. Aber eine Übersetzung aus Versen macht sie zugleich wässrig und schielend. Denn wo ist der glückliche Versificateur, den nie das Sylbenmaß, nie der Reim, hier etwas mehr oder weniger, dort etwas stärker oder schwächer, früher oder später, sagen ließe, als er es, frei von diesem Zwange, würde gesagt haben? Wenn nun der Übersetzer dieses nicht zu unterscheiden weiß; wenn er nicht Geschmack, nicht Mut genug hat, hier einen Nebenbegriff wegzulassen, da statt der Metapher den eigentlichen Ausdruck zu setzen, dort eine Ellipsis zu ergänzen oder anzubringen: so wird er uns alle Nachlässigkeiten seines Originals überliefert, und ihnen nichts als die Entschuldigung benommen haben, welche die Schwierigkeiten der Symmetrie und des Wohlklanges in der Grundsprache für sie machen.


Gotthold Ephraim Lessing <1729 - 1781>: Hamburgische Dramaturgie. -- 1767/69.

Die Übersetzung der Zelmire ist nur in Prosa. Aber wer wird nicht lieber eine körnichte, wohlklingende Prosa hören wollen, als matte, geradebrechte Verse? Unter allen unsern gereimten Übersetzungen werden kaum ein halbes Dutzend sein, die erträglich sind. Und Dass man mich ja nicht bei dem Worte nehme, sie zu nennen! Ich würde eher wissen, wo ich aufhören, als wo ich anfangen sollte. Die beste ist an vielen Stellen dunkel und zweideutig; der Franzose war schon nicht der größte Versifikateur, sondern stümperte und flickte; der Deutsche war es noch weniger, und indem er sich bemühte, die glücklichen und unglücklichen Zeilen seines Originals gleich treu zu übersetzen, so ist es natürlich, Dass öfters, was dort nur Lückenbüßerei, oder Tautologie, war, hier zu förmlichem Unsinne werden musste. Der Ausdruck ist dabei meistens so niedrig, und die Konstruktion so verworfen, Dass der Schauspieler allen seinen Adel nötig hat, jenen aufzuhelfen, und allen seinen Verstand brauchet, diese nur nicht verfehlen zu lassen. Ihm die Deklamation zu erleichtern, daran ist vollends gar nicht gedacht worden!

Aber verlohnt es denn auch der Mühe, auf französische Verse so viel Fleiß zu wenden, bis in unserer Sprache eben so wässrig korrekte, eben so grammatikalisch kalte Verse daraus werden? Wenn wir hingegen den ganzen poetischen Schmuck der Franzosen in unsere Prosa übertragen, so wird unsere Prosa dadurch eben noch nicht sehr poetisch werden. Es wird der Zwitterton noch lange nicht daraus entstehen, der aus den prosaischen Übersetzungen englischer Dichter entstanden ist, in welchen der Gebrauch der kühnsten Tropen und Figuren, außer einer gebundenen kadensierten Wortfügung uns an Besoffene denken lässt, die ohne Musik tanzen. Der Ausdruck wird sich höchstens über die alltägliche Sprache nicht weiter erheben, als sich die theatralische Deklamation Über den gewöhnlichen Ton der gesellschaftlichen Unterhaltungen erheben soll. Und so nach wünschte ich unserm prosaischen Übersetzer recht viele Nachfolger; ob ich gleich der Meinung des Houdar de la Motte gar nicht bin, Dass das Sylbenmaß überhaupt ein kindischer Zwang sei, dem sich der dramatische Dichter am wenigsten Ursache habe zu unterwerfen. Denn hier kömmt es bloß darauf an, unter zwei Übeln das kleinste zu wählen; entweder Verstand und Nachdruck der Versifikation, oder diese jenen aufzuopfern. Dem Houdar de la Motte war seine Meinung zu vergeben; er hatte eine Sprache in Gedanken, in der das Metrische der Poesie nur Kitzelung der Ohren ist, und zur Verstärkung des Ausdrucks nichts beitragen kann; in der unsrigen hingegen ist es etwas mehr, und wir können der griechischen ungleich näher kommen, die durch den bloßen Rhythmus ihrer Versarten die Leidenschaften, die darin ausgedrückt werden, anzudeuten vermag. Die französischen Verse haben nichts als den Wert der überstandenen Schwierigkeit für sich; und freilich ist dieses nur ein sehr elender Wert.


Gotthold Ephraim Lessing <1729 - 1781>: Hamburgische Dramaturgie. -- 1767/69.

Aber wie viel leichter ist es, eine Schnurre zu übersetzen, als eine Empfindung! Das Lächerliche kann der Witzige und Unwitzige nachsagen; aber die Sprache des Herzens kann nur das Herz treffen. Sie hat ihre eigene Regeln; und es ist ganz um sie geschehen, sobald man diese verkennt, und sie dafür den Regeln der Grammatik unterwerfen, und ihr alle die kalte Vollständigkeit, alle die langweilige Deutlichkeit geben will, die wir an einem logischen Satze verlangen.


3. Georg Christoph Lichtenberg (1742 - 1799)



Abb.: G. C. Lichtenberg

Lichtenberg, Georg Christoph <1742 - 1799>: Aus den »Sudelbüchern«. -- 1800-1806

Ist es nicht sonderbar, Dass eine wörtliche Übersetzung fast immer eine schlechte ist? und doch lässt sich alles gut übersetzen. Man sieht hieraus, wie viel es sagen will, eine Sprache ganz verstehen; es heißt, das Volk ganz kennen, das sie spricht.


4. Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832)



Abb.: J. W. von Goethe

Goethe, Johann Wolfgang von <1749 - 1832>: Faust . der Tragödie erster Teil. -- Tübingen, 1808

Aber ach! schon fühl' ich, bei dem besten Willen,
Befriedigung nicht mehr aus dem Busen quillen.
Aber warum muss der Strom so bald versiegen,
Und wir wieder im Durste liegen?
Davon hab' ich so viel Erfahrung.
Doch dieser Mangel lässt sich ersetzen:
Wir lernen das Überirdische schätzen,
Wir sehnen uns nach Offenbarung,
Die nirgends würd'ger und schöner brennt
Als in dem Neuen Testament.
Mich drängt's, den Grundtext aufzuschlagen,
Mit redlichem Gefühl einmal
Das heilige Original
In mein geliebtes Deutsch zu übertragen.
 Geschrieben steht: 'Im Anfang war das Wort!'
Hier stock' ich schon! Wer hilft mir weiter fort?
Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen,
Ich muss es anders übersetzen,
Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.
Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn.
Bedenke wohl die erste Zeile,
Dass deine Feder sich nicht übereile!
Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?
Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft!
Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,
Schon warnt mich was, Dass ich dabei nicht bleibe.
Mir hilft der Geist! Auf einmal seh' ich Rat
Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat!


Goethe, Johann Wolfgang von <1749 - 1832>: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. -- Zweiter Teil. -- 1812

Nun erschien Wielands Übersetzung. Sie ward verschlungen, Freunden und Bekannten mitgeteilt und empfohlen. Wir Deutsche hatten den Vorteil, Dass mehrere bedeutende Werke fremder Nationen auf eine leichte und heitere Weise zuerst herübergebracht wurden. Shakespeare prosaisch übersetzt, erst durch Wieland, dann durch Eschenburg, konnte als eine allgemein verständliche und jedem Leser gemäße Lektüre sich schnell verbreiten, und große Wirkung hervorbringen. Ich ehre den Rhythmus wie den Reim, wodurch Poesie erst zur Poesie wird, aber das eigentlich tief und gründlich Wirksame, das wahrhaft Ausbildende und Fördernde ist dasjenige, was vom Dichter übrig bleibt, wenn er in Prose übersetzt wird. Dann bleibt der reine vollkommene Gehalt, den uns ein blendendes Äußere oft, wenn er fehlt, vorzuspiegeln weiß, und, wenn er gegenwärtig ist, verdeckt. Ich halte daher zum Anfang jugendlicher Bildung prosaische Übersetzungen für vorteilhafter als die poetischen; denn es lässt sich bemerken, Dass Knaben, denen ja doch alles zum Scherze dienen muss, sich am Schall der Worte, am Fall der Silben ergetzen, und durch eine Art von parodistischem Mutwillen den tiefen Gehalt des edelsten Werks zerstören. Deshalb gebe ich zu bedenken, ob nicht zunächst eine prosaische Übersetzung des Homer zu unternehmen wäre; aber freilich müsste sie der Stufe würdig sein, auf der sich die deutsche Literatur gegenwärtig befindet. Ich überlasse dies und das Vorgesagte unsern würdigen Pädagogen zur Betrachtung, denen ausgebreitete Erfahrung hierüber am besten zu Gebote steht. Nur will ich noch, zu Gunsten meines Vorschlags, an Luthers Bibelübersetzung erinnern: denn Dass dieser treffliche Mann ein in dem verschiedensten Stile verfasstes Werk und dessen dichterischen, geschichtlichen, gebietenden, lehrenden Ton uns in der Muttersprache wie aus einem Gusse überlieferte, hat die Religion mehr gefördert, als wenn er die Eigentümlichkeiten des Originals im einzelnen hätte nachbilden wollen. Vergebens hat man nachher sich mit dem Buche Hiob, den Psalmen und andern Gesängen bemüht, sie uns in ihrer poetischen Form genießbar zu machen. Für die Menge, auf die gewirkt werden soll, bleibt eine schlichte Übertragung immer die beste. Jene kritischen Übersetzungen, die mit dem Original wetteifern, dienen eigentlich nur zur Unterhaltung der Gelehrten untereinander.


Goethe, Johann Wolfgang von <1749 - 1832>: »German romance«. -- Edinburgh, 1827

Und so ist jeder Übersetzer anzusehen, Dass er sich als Vermittler dieses allgemein-geistigen Handels bemüht und den Wechseltausch zu befördern sich zum Geschäft macht. Denn was man auch von der Unzulänglichkeit des Übersetzens sagen mag, so ist und bleibt es doch eines der wichtigsten und würdigsten Geschäfte in dem allgemeinen Weltverkehr.

Der Koran sagt: »Gott hat jedem Volke einen Propheten gegeben in seiner eigenen Sprache.« So ist jeder Übersetzer ein Prophet in seinem Volke. Luthers Bibelübersetzung hat die größten Wirkungen hervorgebracht, wennschon die Kritik daran bis auf den heutigen Tag immerfort bedingt und mäkelt. Und was ist denn das ganze ungeheure Geschäft der Bibelgesellschaft anders, als das Evangelium einem jeden Volke in seine Sprache und Art gebracht zu überliefern?
 


Goethe, Johann Wolfgang von <1749 - 1832>: Maximen und Reflexionen

Beim Übersetzen muss man bis ans Unübersetzliche herangehen; alsdann wird man aber erst die fremde Nation und die fremde Sprache gewahr.


5. Friedrich Schlegel (1772-1829)



Abb.: Friedrich Schlegel

Schlegel, Friedrich <1772 - 1829>: Fragmente. -- 1798

[393] Um aus den Alten ins Moderne vollkommen übersetzen zu können, müsste der Übersetzer desselben so mächtig sein, Dass er allenfalls alles Moderne machen könnte; zugleich aber das Antike so verstehn, Dass ers nicht bloß nachmachen, sondern allenfalls wiederschaffen könnte.


6. Friedrich Rückert (1788-1866)



Abb.: Friedrich Rückert

"Rückerts dichterische Übertragungen von Perlen der Kunstpoesie des indischen Mittelalters sind in weiten Kreisen nur wenig bekannt, und doch verdienten sie mehr gelesen zu werden. Die einzelnen Stücke, die bisher nur in den, in verschiedenen Zeitschriften verstreuten Originalpublikationen Rückerts und in den schwer erhältlichen Nachdrucken von Jolowicz und Hirschberg zugänglich waren, erscheinen in dem vorliegenden Bändchen zum ersten Male zu einem in sich geschlossenen Ganzen vereinigt. In ihrer Gesamtheit geben sie ein getreues Bild von einer fremdartig wirkenden, aber geistreichen und auch für unser Empfinden anziehenden Literaturgattung, die wegen ihres Inhalts wie wegen ihrer Form des Interesses aller Freunde orientalischer Dichtung gewiss sein darf. "

[Aus dem Vorwort von Helmuth von Glasenapp <1891 - 1963> zu: Indische Liebeslyrik / [von Helmuth v. Glasenapp eingel. u. hrsg. Übertr. Friedrich Rückerts. Titelumrahmung sowie Einbandzeichn. Emil Preetorius]. --  München : Hyperionverlag,1921. -- 288 S. : 10 Taf. -- (Dichtungen des Ostens)]


Friedrich Rückert <1788-1866>. -- 1833

Wer Philolog und Poet ist in Einer Person, wie ich Armer,
Kann nichts besseres tun als übersetzen wie ich.
Wie Poesie und Philologie einander fördern
Und zu ergänzen vermag, hat mein Hariri gezeigt.
Wenn du nicht zu philologisch, nicht überpoetisch es ansiehst,
Wird dich belehrend erfreun, Leser, das Zwittergebild.
Was philologisch gefehlt ist, vergibst du poetischer Freiheit.
Und die poetische Schuld schenkst du der Philologie.


Friedrich Rückert <1788-1866>: Bausteine zu einem Pantheon. -- 1843:

Ermutigung zur Übersetzung der Hamasa. -- 1828.

Die Poesie in allen ihren Zungen
Ist dem Geweihten eine Sprache nur,
Die Sprache, die im Paradies erklungen,
Eh' sie verwildert auf der wilden Flur.
Doch wo sie nun auch sei hervorgedrungen,
Von ihrem Ursprung trägt sie noch die Spur;
Und ob sie dumpf im Wüstenglutwind stöhne,
Es sind auch hier des Paradieses Töne.

Die Poesie hat hier ein dürft'ges Leben,
Bei durst'gen Herden im entbrannten Sand,
Mit Blütenschmuck und Schattenduft umgeben,
Mit Abendtau gelöscht den Mittagsbrand,
Verschönt, versöhnt ein leidenschaftlich Streben
Durchs Hochgefühl von Sprach- und Stammverband,
Und in das Schlachtgrau'n Liebe selbst gewoben,
Die hier auch ist, wie überall, von oben.

Wer aber soll die nord'sche Nacht erheitern
Mit solchem Abglanz von des Südens Glut?
Wer den Gesichtskreis meines Volks erweitern,
Dass seinem Blick auf jene Welt sich thut?
Das enge Leben freilich geht zu scheitern,
Je mehr hereinströmt diese Geisterflut;
Doch, soll der Ost einmal zum Westen dringen,
Wer ist der Mann, ihn ganz heranzubringen?

Darum nur mutvoll vorwärts, auszubeuten
Den spröden Schacht, den nicht erwühlt ein Scherz,
Das fremde Leben deinem Volk zu deuten,
Das ohne dich ihm bliebe taubes Erz.
Wann erst der Menschheit Glieder, die zerstreuten,
Gesammelt sind ans europäische Herz,
Wird sein ein neues Paradies gewonnen,
So gut es blühn kann unterm Strahl der Sonnen.

Und lass dich nicht im edlen Tagwerk irren
Von Schülern, die nur meistern meisterlich,
Die in des Worts zerrütteten Geschirren
Den Geist verschütten, aber trau' auf mich,
Zu sammeln rein den Hauch arabischer Myrrhen,
Geweiht zu meinem Priester hab' ich dich,
Komm, mir im deutschen Pantheon zu räuchern
Und lass die trockne Spreu den trocknen Keuchern!


7. Joseph von Eichendorff (1788-1857)



Abb.: Joseph von Eichendorff

Eichendorf, Joseph von <1788-1857>: Erlebtes. -- 1866

Bei weitem unmittelbarer indes wirkte Gries [Johann Dietrich Gries (1775-1842)]. Wilhelm Schlegel hatte soeben durch das dicke Gewölk verjährter Vorurteile auf das Zauberland der südlichen Poesie hingewiesen. Seine meisterhaften Übersetzungen von Ariost, Tasso und Calderons Schauspielen treffen, ohne philologische Pedanterie und Wortängstlichkeit, überall den eigentümlichen Sinn und Klang dieser Wunderwelt; sie haben den poetischen Gesichtskreis unendlich erweitert und jene glückliche Formfertigkeit erzeugt, deren sich unsere jüngeren Poeten noch bis heut erfreuen.


8. Ludwig Börne (1786-1837)



Abb.: Ludwig Börne

Börne, Ludwig <1786 - 1837>: Aufsätze und Erzählungen

Eine gute Stilübung für Männer (denn Knaben auf Schulen im Stile zu üben, finde ich sehr lächerlich) ist das Übersetzen, besonders aus alten Sprachen. Ich meinerseits pflege mich am Horaz zu üben, und - es kommt hier nicht darauf an, ob mir die Übersetzungen mehr oder minder gelungen, aber das habe ich dabei gelernt: dass die Reichtümer der deutschen Sprache, wie wohl jeder, nicht oben liegen, sondern dass man darnach graben muss. Denn oft war ich tagelang in Verzweiflung, wie ich einen lateinischen Ausdruck durch einen gleich kräftigen deutschen wiedergeben könne, ich ließ mich aber nicht abschrecken und fand ihn endlich doch. So erinnere ich mich, acht Tage vergebens darüber nachgedacht zu haben, wie sub dio moreris zu übersetzen sei, und erst am neunten kritischen Tage fand ich das richtige Wort.


9. Franz Grillparzer (1791-1872)



Abb.: Franz Grillparzer

Grillparzer, Franz <1791 - 1872>: Nachteile der Übersetzungen. -- 1834

  1. Ein Dichter lässt sich nicht übersetzen.

  2. Sie werden uns zu nahe gerückt.

    1. Wir vergessen die Zeit- und Länderzwischenräume, welche die großen Geister voneinander trennen und spannen die Forderung an die Gegenwart zu hoch.

    2. Wir vergessen, dass die Denk- und Empfindungsweise des Autors die einer fremden Zeit und eines fremden Volkes sind, nehmen sie als unsere an und verlieren dadurch die richtige Empfindung der Gegenwart.

  3. Verderbnis der Form durch zu genaue Übersetzung.


Grillparzer, Franz <1791 - 1872>: Zur Literargeschichte. -- 1872

Es ist schon die Übersetzung fremder Dichter, besonders wenn ihre Formen schon künstlich sind, und man sie möglichst genau übersetzen will, ein halbes Unglück. Die in einer solchen Übersetzung kaum zu vermeidenden verrenkten Redensarten und das daraus entstehende Wort-Gepolter, erzeugen bei den der Original-Sprache Unkundigen die Meinung, die Dichter selbst hätten sich auf eine so ungeschickte und verworrene Art ausgedrückt, was in der Nachahmung dieser Vorbilder die schauerlichsten Wirkungen hervorbringt. Vielleicht ist unsere poetische Sprache hauptsächlich durch solche wortgetreue Übersetzungen verdorben worden.


10. Wilhelm Müller (1794-1827)



Abb.: Wilhelm Müller

Wilhelm Müller ist der Vater des berühmten Indologen Max Müller (1823 - 1900)

Müller, Wilhelm <1794 - 1827>: Lyrische Reisen und epigrammatische Spaziergänge. -- 1827

33. Die metrische Übersetzung

Wer heißt euch Fell und Federn der Nachtigall zerfetzen?
Wir wollen ihre Lieder nur metrisch übersetzen.


11. Heinrich Heine (1797 - 1856)



Abb.: Heinrich Heine´

Heine, Heinrich <1797 - 1856>: Die romantische Schule. -- 1836

Seit dem Erscheinen der Frau v. Staëlschen »De l'Allemagne« hat Fr. Schlegel das Publikum noch mit zwei großen Werken beschenkt, die vielleicht seine besten sind und jedenfalls die rühmlichste Erwähnung verdienen. Es sind seine »Weisheit und Sprache der Indier« und seine »Vorlesungen über die Geschichte der Literatur«. Durch das erstgenannte Buch hat er bei uns das Studium des Sanskrit nicht bloß eingeleitet, sondern auch begründet. Er wurde für Deutschland, was William Jones für England war. In der genialsten Weise hatte er das Sanskrit erlernt, und die wenigen Bruchstücke, die er in jenem Buche mitteilt, sind meisterhaft übersetzt. Durch sein tiefes Anschauungsvermögen erkannte er ganz die Bedeutung der epischen Versart der Indier, der Sloka, die so breit dahinflutet wie der Ganges, der heilig klare Fluss. Wie kleinlich zeigte sich dagegen Herr A. W. Schlegel, welcher einige Fragmente aus dem Sanskrit in Hexametern übersetzte und sich dabei nicht genug zu rühmen wusste, Dass er in seiner Übersetzung keine Trochäen einschlüpfen lassen und so manches metrische Kunststückchen der Alexandriner nachgeschnitzelt hat. Fr. Schlegels Werk über Indien ist gewiss ins Französische übersetzt, und ich kann mir das weitere Lob ersparen. Zu tadeln habe ich nur den Hintergedanken des Buches. Es ist im Interesse des Katholizismus geschrieben. Nicht bloß die Mysterien desselben, sondern auch die ganze katholische Hierarchie und ihre Kämpfe mit der weltlichen Macht hatten diese Leute in den indischen Gedichten wiedergefunden. Im »Mahabharata« und im »Ramayana« sahen sie gleichsam ein Elefantenmittelalter. In der Tat, wenn, in letzterwähntem Epos, der König Wiswamitra mit dem Priester Wasischta hadert, so betrifft solcher Hader dieselben Interessen, um die bei uns der Kaiser mit dem Papste stritt, obgleich der Streitpunkt hier in Europa die Investitur und dort in Indien die Kuh Sabala genannt ward.


Heine, Heinrich <1797 - 1856>: Aphorismen und Fragmente. -- 1869

Wir haben das körperliche Indien gesucht und haben Amerika gefunden; wir suchen jetzt das geistige Indien - was werden wir finden?

Wie überhaupt jeder einen bestimmten Gegenstand in der Sinnenwelt auf eine andre Weise sieht, so sieht auch jeder in einem bestimmten Buche etwas anderes als der andre. Folglich muss auch der Übersetzer ein geistig begabter Mensch sein, denn er muss im Buche das Bedeutendste und Beste sehen, um dasselbe wiederzugeben. Den Wortverstand, den körperlichen Sinn kann jeder übersetzen, der eine Grammatik gelesen und ein Wörterbuch sich angeschafft hat. Nicht kann aber der Geist von jedem übersetzt werden. Möchte dies nur bedenken jener nüchterne, prosaische Übersetzer Scottscher Romane, der so sehr prahlt mit seiner Übersetzungstreue und über das »braune Bier« so hübsch lacht et sic porro. Wie es auf den Geist ankommt, beweise zunächst Forsters Wiederübersetzung der »Sakontala«.

Es ist zu wünschen, Dass sich das Genie des Sanskritstudiums bemächtige; tut es der Notizengelehrte, so bekommen wir bloß - ein gutes Kompendium.

Der Indier konnte nur ungeheu'r große Gedichte liefern, weil er nichts aus dem Weltzusammenhang schneiden konnte, wie überhaupt der Anschauungsmensch; die ganze Welt ist ein Gedicht, wovon der »Mahabharata« nur ein Kapitel. - Vergleich der indischen mit unsrer Mystik, diese übt den Scharfsinn an Zerteilung und Zusammensetzung der Materie, bringt es aber nicht zum Begriff. - Anschauungsideen, etwas, das wir gar nicht kennen. - Die indische Muse ist die träumende Prinzessin in dem Märchen -

Goethe, im Anfang des »Fausts« benutzt die »Sakontala«.

Die epischen Gedichte der Indier sind ihre Geschichte; doch können wir sie erst dann zur Geschichte benutzen, bis wir die Gesetze entdecken, nach welchen die Indier das Geschehene ins phantastisch Poetische umwandeln; dies ist uns noch nicht bei der Mythologie der Griechen gelungen, doch mag es bei diesen schwerer sein, weil diese das Geschehene beständig zur Fabel ausbildeten in immer bestimmterer Plastik. Bei den Indiern hingegen bleibt die phantastische Umbildung noch immer Symbol, das das Unendliche bedeutet und nicht nach Dichterlaune in bestimmteren Formen ausgemeißelt wird.


12. Arno Holz (1863-1929)



Abb.: Arno Holz

Bjarne P. Holmsen [= Arno Holz]: Papa Hamlet. -- 1889

Die Übersetzung war, wie sich aus dem Vorstehenden wohl bereits von selbst ergibt eine ausnehmend schwierige. Die speziell norwegischen Wendungen, von denen das Original begreiflicherweise nur so wimmelt, mussten in der deutschen Wiedergabe sorgfältig vermieden werden. Doch glaube ich, Dass dies mir in den meisten Fällen gelungen ist. Ich habe keine Arbeit gescheut, sie durch heimische zu ersetzen, wo ich nur konnte.


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