Einführung in die Exegese von Sanskrittexten : Skript

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Kap. 8: Die eigentliche Exegese, Teil II: Zu einzelnen Fragestellungen synchronen Verstehens

Anhang C: Grundbegriffe der Sanskrit-Poetik nach Mammaṭa

Anlage 1: Deutsche Beispiele für bhāva m. - Gefühlsäußerung


herausgegeben und übersetzt von Alois Payer

mailto:payer@payer.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Alois <1944 - >: Einführung in die Exegese von Sanskrittexten : Skript.  -- Kap. 8: Die eigentliche Exegese, Teil II: Zu einzelnen Fragestellungen synchronen Verstehens. -- Anhang C: Grundbegriffe der Sanskrit-Poetik nach Mammaṭa. -- Anlage 1: Deutsche Beispiele für bhāva m. - Gefühlsäußerung. -- Fassung vom 2012-09-16. -- URL: http://www.payer.de/exegese/exeg08c01.htm 

Erstmals publiziert: 2012-09-16

Überarbeitungen: 

Anlass: Lehrveranstaltung Proseminar Indologie WS 1995/96

©opyright: Dieser Text steht der Allgemeinheit zur Verfügung. Eine Verwertung in Publikationen, die über übliche Zitate hinausgeht, bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Verfassers.


Übersicht



1. sthāyibhāva m. - Grundgefühle


1.1. रति - rati  f. - Lust


E. T. A. Hoffmann <1776 - 1822>: Lebensansichten des Katers Murr

Glosse

Liebe schwärmt auf allen Wegen,
Freundschaft bleibt für sich allein,
Liebe kommt uns rasch entgegen,
Aufgesucht will Freundschaft sein.

Schmachtend wehe, bange Klagen
Hör' ich überall ertönen,
Ob den Sinn zum Schmerz gewöhnen,
Ob zur Lust, ich kann's nicht sagen,
Möchte oft mich selber fragen,
Ob ich träume, ob ich wache.
Diesem Fühlen, diesem Regen,
Leih ihm, Herz, die rechte Sprache;
Ja, im Keller, auf dem Dache,
Liebe schwärmt auf allen Wegen!

Doch es heilen alle Wunden,
Die der Liebesschmerz geschlagen,
Und in einsam stillen Tagen
Mag, von aller Qual entbunden,
Geist und Herz wohl bald gesunden;
Art'ger Kätzchen los Gehudel,
Darf es auf die Dauer sein?
Nein! – fort aus dem bösen Strudel,
Unterm Ofen mit dem Pudel,
Freundschaft bleibt für sich allein!

Wohl, ich weiß es, widerstehen
Mag man nicht dem süßen Kosen,
Wenn aus Büschen duft'ger Rosen
Süße Liebeslaute wehen.
Will das trunkne Aug' dann sehen,
Wie die Holde kommt gesprungen,
Die da lauscht an Blumenwegen,
Kaum ist Sehnsuchts-Ruf erklungen,
Hat sich schnell hinangeschwungen.
Liebe kommt uns rasch entgegen.

Dieses Sehnen, dieses Schmachten
Kann wohl oft den Sinn berücken,
Doch wie lange kann's beglücken,
Dieses Springen, Rennen, Trachten!
Holder Freundschaft Trieb' erwachten,
Strahlten auf bei Hespers Scheine.
Und den Edlen brav und rein,
Ihn zu finden, den ich meine,
Klettr' ich über Maur und Zäune,
Aufgesucht will Freundschaft sein.

Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Schnurrdiburr oder die Bienen


Herr Knörrje aber fasst ans Kinn
Christinen, seiner Nachbarin.
Er hebt es leise in die Höh' –
Ach ja! und sie errötete! –


»Hier diese Blumen, darf ich's wagen?«
Christine wagt nicht nein zu sagen. 


Jetzt fasst er sanft ihr um das Mieder,
Ach ja! und sie errötet wieder. 


Und jetzt, da gibt er gar zum Schluss
Dem guten Mädchen einen Kuss. 


»Ade! und also so um zehn
Beim Bienenhaus! Auf Wiedersehn!«
Eugen, der horcht, bemerkt mit Schmerzen
Das Einverständnis dieser Herzen. –


1.2. हास - hāsa m. - Heiterkeit


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Plisch und Plum


Schlich, der durch das Fenster sah,
Ruft verwundert: »Ei, sieh da!


Das ist freilich ärgerlich,
Hehe! aber nicht für mich!!«


1.3. शोक - śoka m.  - Kummer


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Die fromme Helene


Ach! da schau'n sich traurig an
Pilgerin und Pilgersmann.

Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Der heilige Antonius von Padua

Ach, ja, ja! – so seufz' ich immer –;
Denn die Zeit wird schlimm und schlimmer.
Oder kann in unsern Tagen
Einer wagen, nein! zu sagen,
Der mit kindlichem Gemüt
Morgens in die Zeitung sieht?

Hier Romane, dort Gedichte,
Malzextrakt und Kursberichte,
Näh- und Mäh- und Waschmaschinen,
Klauenseuche und Trichinen – –
Dieses druckt man groß und breit –
Aber wo ist Frömmigkeit??? –
Hält denn nicht, o Sünd und Schand,
Weltlicher Arm die geistliche Hand,
Dass man also frech und frei
Greife den Beutel der Klerisei?!

 

Wehe! Selbst im guten Öster-
Reiche tadelt man die Klöster – –
Und so weiter und so weiter – – –
Doch das Ende ist nicht heiter!!!

  

Ja, es ist abscheulich, greulich!!


1.4. क्रोध - krodha m. - Zorn



Hier sitzt Knopp am selbigen Morgen
Greulich brütend im Stuhl der Sorgen;
Tyrann vom Scheitel bis zur Zeh;
Und heftig tut ihm der Daumen weh.

[...]

Reumütig nahet Frau Doris sich.
Knopp zeigt sich als schrecklicher Wüterich.


Perdatsch! – Mit einem großen Geklirr
Entfernt er das schöne Porzlangeschirr.


Dann klopft er über den ganzen Graus,
Ohne Rücksicht zu nehmen, die Pfeife aus.

Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Trinklied


Darum sitz ich heut im Loch. –
Ach! und dieser Kater!
Fluchend geh ich auf und ab,
Wie ein heil'ger Vater.


1.5. उत्साह - utsāha m. - Tatkraft


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Pater Filucius


Drei Gestalten huschen näher
An das Bett voll Hinterlist.


1.6. भय - bhaya n. - Angst und Furcht


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Herr und Frau Knopp


Oh, was hat in diesen Stunden
Knopp für Sorgen durchempfunden!

 
Rauchen ist ihm ganz zuwider
Seine Pfeife legt er nieder.

 
Ganz vergebens tief im Pult
Sucht er Tröstung und Geduld.

 
Oben auf dem hohen Söller, 


Unten in dem tiefen Keller –
Wo er sich auch hinverfüge –
Angst verkläret seine Züge.

 
Ja, er greifet zum Gebet,
Was er sonst nur selten tät. –

 
Endlich öffnet sich die Türe,
Und es heißt: ich gratuliere! –
Friedlich lächelnd, voller Demut,
Wie gewöhnlich, ist Frau Wehmut. –
Stolz ist Doktor Pelikan,
Weil er seine Pflicht getan. –
Aber unser Vater Knopp
Ruft in einem fort: Gottlob! –


1.7. जुगुप्सा - jugupsā f. - Ekel


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Abenteuer eines Junggesellen


»Ich« – so spricht er – »heiße Krökel
Und die Welt ist mir zum Ekel.
Alles ist mir einerlei.

[...] 


Oh, ihr Bürsten, oh, ihr Kämme,
Taschentücher, Badeschwämme,
Seife und Pomadebüchse,
Strümpfe, Stiefel, Stiefelwichse,
Hemd und Hose, alles gleich,
Krökel, der verachtet euch.
Mir ist alles einerlei.

[...]


Oh, ihr Mädchen, oh, ihr Weiber,
Arme, Beine, Köpfe, Leiber,
Augen mit den Feuerblicken,
Finger, welche zärtlich zwicken
Und was sonst für dummes Zeug –
Krökel, der verachtet euch.
Mir ist alles einerlei.


1.8. विस्मय - vismaya m. - Staunen, Verwunderung


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Schnurrdiburr oder die Bienen


Wie staunt Hans Dralle, als er's da
Schön abgerundet stehen sah! –

Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Die Drachen


Grad kommt Zöpfel wie gewöhnlich,
um sich wieder mal persönlich
und gewiss zu überzeugen,
dass sein Obst noch an den Zweigen.
Wer - ruft er - hat dies getan??
Damit stockt sein Sprachorgan.


2. bhāva m. - Wechselnde Gefühlsäußerungen


2.1. निर्वेद - nirveda m. - Verdruss, Überdruss


Gerrit Engelke <1890 - 1918>: Die Frauen gehen an Don Juan vorüber

Geh! Weib!
Deinen Leib,
Dein Wort,
Was du denkst:
Kenne ich längst!

Geh! fort!
Du mit dem Glutblick,
Du Schwarze erschrick
Ich spei dich an!
Ich lache deiner Liebe, –
Weißt ja, Triebe
Hat der Mann.

Dir hab ich frech das Herz entblößt
Und holden Wahnsinn eingeflößt;
Und dein Blut war wie Gärwein flüssig; –
Auch du warst einst für mich entbrannt,
Doch glaub, du warst mir Tand.
Ihr wart mir Alle, Alle überdrüssig!

Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Die beiden Schwestern



Da sitzt sie nun bei Wasserratzen,
muss Wassernickels Glatze kratzen,
trägt einen Rock von rauhen Binsen,
kriegt jeden Mittag Wasserlinsen;
und wenn sie etwas trinken muss,
ist Wasser da im Überfluss.


2.2. ग्लानि - glāni f. - Erschöpfung


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Kühlung


Es ging Professor Schretter
Ins Feld bei heißem Wetter.


Er bückt sich tief, auf dass er
Mal tränke, übers Wasser.


2.3. शङ्का - śaṅkā f. - Befürchtung, Sorge


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Plisch und Plum


Und auch Fittig hat Beschwerden.
»Dies« – denkt er – »muss anders werden!
Tugend will ermuntert sein,
Bosheit kann man schon allein!«


2.4. असूया - asūyā f. - Groll


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Pater Filucius


Pater Luzi aber schleichet
Heimlich lauschend um das Haus.
Ein pechschwarzes Ei der Rache
Brütet seine Seele aus.


2.5. मद - mada m. - Rausch


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Herr und Frau Knopp


Knopp ist etwas schwach im Schenkel,
Drum so führt man ihn am Henkel.

Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Der Undankbare


Schnell sucht er sich aufzurappeln.
Weh, jetzt wird die Straße krumm, 


Und es drehn sich alle Pappeln,
Und auch Meier dreht es um. 


Knacks, er fällt auf seine Taschen,
Worin er mit Vorbedacht
Noch zwei wohlgefüllte Flaschen
Klug verwahrt und mitgebracht.


2.6. श्रम - śrama m. - Abmühen


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Der Bauer und sein Schwein


Ans Ufer springt das böse Schwein,
Der Bauer mühsam hinterdrein.


2.7. आलस्य - ālasya n. - Trägheit


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Der heilige Antonius von Padua

Zuweilen auch, bei kühler Zeit,
Trieb ihn der Geist zur Einsamkeit,


So dass er morgens auf dem Pfühle,
Entfernt vom Schul- und Weltgewühle,
Bis in den hellen Wintertag,
Ein stiller Klausner, sinnend lag. –


2.8. दैन्य - dainya n. - Niedergeschlagenheit


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Die Prise


Der Herr Direktor sitzt beim Wein
Und schaut gar sehr verdrießlich drein.

Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Die Drachen


Aber ach, wie traurig stand's
um den Fritze und den Franz.
Soviel ist gewiss für sie:
ihre Drachen steigen nie,
während Conrad seiner schon,
dieser Erdenwelt entflohn,
höher stets und höher steigt,
bis man vor Erstaunen schweigt.


2.9. चिन्ता - cintā f. - Grübeln


Gottlieb Konrad Pfeffel <1736 - 1809>: Epistel an Göckingk

Heut saß ich im Zypressenhaine,
In dessen Schatten, Freund, auch ich
Um einen kleinen Liebling weine,
Und meine Schwermut wiegte mich
In schwarze martervolle Träume.
An ihrer Hand ging ich zurück
Zu meines Daseins erstem Keime,
Und fragte mich: ist's wohl ein Glück
Zu sein? Warum bin ich auf Erden?
Um eine Wallfahrt voll Beschwerden
Ins grauenvolle Grab zu tun?
Ach! ist im Schoß des Nichts zu ruhn
Nicht besser, als geboren werden?
Ich dacht es noch, so sank mein Haupt,
Vom Grübeln matt, in einen Schlummer,
Den bange Furcht und stiller Kummer
Mir lange, lange schon geraubt.

Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Der Knoten

Als ich in Jugendtagen
Noch ohne Grübelei,
Da meint ich mit Behagen,
Mein Denken wäre frei.

Seitdem hab ich die Stirne
Oft auf die Hand gestützt
Und fand, daß im Gehirne
Ein harter Knoten sitzt.

Mein Stolz, der wurde kleiner.
Ich merkte mit Verdruss:
Es kann doch unsereiner
Nur denken, wie er muss.


2.10.मोह - moha m. - Verwirrung


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Herr und Frau Knopp

Knopp, welcher seine Pfeife vermißt
Und gar nicht weiß, wo sie heute ist.
Schweift sorgenschwer im Haus umher,
Ob sie nicht wo zu finden wär. 


Er denkt: »Wo mag die Pfeife sein?«
Und zwickt die Liese ins Bein hinein.
Obgleich dies nur ganz unten geschehen,
Frau Doris hat es nicht gern gesehen.


2.11. स्मृति - smṛti f. - Achtsamkeit


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Der heilige Antonius von Padua

Der heilige Antonius, so wird berichtet,
Hat endlich ganz auf die Welt verzichtet;
Ist tief, tief hinten im Wald gesessen,
Hat Tau getrunken und Moos gegessen,
Und sitzt und sitzt an diesem Ort
Und betet, bis er schier verdorrt
Und ihm zuletzt das wilde Kraut
Aus Nase und aus Ohren schaut.


2.12. धृति - dhṛti f. - Festigkeit


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Plisch und Plum



»Nunmehr« – so sprach er in guter Ruh –
»Meine lieben Knaben, was sagt ihr dazu??
Seid ihr zufrieden und sind wir einig??«
»Jawohl, Herr Bokelmann!« riefen sie schleunig.


2.13. व्रीडा - vrīḍā f. - Verlegenheit, Scham


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Die fromme Helene

»Schang!« – sprach sie einstens – »Deine Taschen
Sind oft so dick! Schang! Tust du naschen?


Ja, siehst du wohl! Ich dacht es gleich!
O Schang! Denk an das Himmelreich!«


Dies Wort drang ihm in die Natur,
So dass er schleunigst Bess'rung schwur.


2.14. चपलता - capalatā f. - Wankelmut, Unstetigkeit


Wilhelm Busch <1832 - 1908>:  Die fromme Helene

Es ist ein Brauch von alters her:
Wer Sorgen hat, hat auch Likör!


»Nein!« – ruft Helene – »Aber nun
Will ich's auch ganz – und ganz – und ganz –
und ganz gewiss nicht wieder tun!« 


Sie kniet von ferne fromm und frisch.
Die Flasche stehet auf dem Tisch. 


Es lässt sich knien auch ohne Pult.
Die Flasche wartet mit Geduld. 


Man liest nicht gerne weit vom Licht.
Die Flasche glänzt und rührt sich nicht. 


Oft liest man mehr als wie genug.
Die Flasche ist kein Liederbuch. 


Gefährlich ist des Freundes Nähe.
O Lene, Lene! Wehe, Wehe!


2.15. हर्ष - harṣa m. - Entzücken, Schauder


E. T. A. Hoffmann <1776 - 1822>: Lebensansichten des Katers Murr

Was ist's, das die beengte Brust
Mit Wonneschauer so durchbebt,
Den Geist zum Himmel hoch erhebt,
Ist's Ahnung hoher Götterlust?
Ja – springe auf, du armes Herz,
Ermut'ge dich zu kühnen Taten,
Umwandelt ist in Lust und Scherz
Der trostlos bittre Todesschmerz,
Die Hoffnung lebt – ich rieche Braten!

Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Pater Filucius


Außerdem, muss ich bemerken,
Ist noch eine Base da,
Hübsch gestaltet, kluggelehrig,
Nämlich die Angelika.

Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Der Zylinder

Jetzt kommt die Ecke. Immer schlimmer
Weht hier der Wind. – Ein Frauenzimmer,
Obschon von Wuchse schön und kräftig,
Ist sehr bewegt und flattert heftig,
So dass man wohl bemerken kann – – –


O Joseph, was geht dich das an?

Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Der schöne Ritter


Ein Magenbitter


Brrr!


2.16. आवेग - āvega m. - Erregung, Aufregung


Deutsches Beispiel für āvega - Erregung, Aufregung:

E. T. A. Hoffmann <1776 - 1822>: Lebensansichten des Katers Murr

Sehnsucht nach dem Höheren

Ha, welch Gefühl, das meine Brust beweget?
Was sagt dies unruh- – ahnungsvolle Beben,
Will sich zum kühnen Sprung der Geist erheben,
Vom Sporn des mächt'gen Genius erreget?

Was ist es, was der Sinn im Sinne träget,
Was will dem liebesdrangerfüllten Leben
Dies rastlos brennend feurig-süße Streben,
Was ist es, das im bangen Herzen schläget?

Entrückt werd' ich nach fernen Zauberlanden,
Kein Wort, kein Laut, die Zunge ist gebunden,
Ein sehnlich Hoffen weht mit Frühlingsfrische,

Befreit mich bald von drückend schweren Banden.
Erträumt, erspürt, im grünsten Laub gefunden!
Hinauf mein Herz! beim Fittich ihn erwische!

Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Abenteuer eines Junggesellen

Kurz war dieser Aufenthalt.
Und mit Eifer alsobald
Richtet Knopp sein Augenmerk
Auf das angefangne Werk. –
Kaum hat er den Zweck erreicht,
Wird er heftig aufgescheucht,
Und es zeigt sich, ach herrje,
Jetzt sind Damen in der Näh. 


Plumps! – Man kommt. – Indes von Knopp

 
Sieht man nur den Kopf, gottlob! – 


Wie erschrak die Gouvernante,
Als sie die Gefahr erkannte.
Ängstlich ruft sie: »O mon dieu!
C'est un homme, fermez les yeux!«


2.17. जडता - jaḍatā f. - Apathie


Karl Henckell <1864 - 1929>: Pump von Pumpsack

[...]

Ein Pump von Pumpsack auf dem Balle –
Mit Fräulein Gretchen Kotillon –
Da lohnt sich schon in jedem Falle
Die exquisiteste Bouillon.
Schon macht der Premier Attacke,
Kein Dolch sticht ihm die Seele wund,
Er siegt auf seinem Bettelsacke,
Zugleich ein Leutnant und ein Hund.

Pump findet Gretchen etwas schlapp zwar,
Apathisch leider zum Exzess,
Ihr Herz kommt nimmermehr in Trab zwar,
Geschweige in Galopp ... indes
Herr Pump von Pumpsack ist zufrieden
Mit dem realen Hintergrund,
Den ihm sein Achselstern beschieden –
Zugleich ein Leutnant und ein Hund.


2.18.गर्व - garva m. - Hochmut, Stolz


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Die Brille


So triumphiert das brave Weib. –
Die Wurst hat Tapp, der Hund, im Leib.

Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Der neidische Handwerksbursch



Er zahlt drei Kreuzer sehr verlegen,
Stolz nimmt sie der Herr Wirt entgegen.

Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Abenteuer eines Junggesellen


Und er schreitet stolz und frei
Wiederum zu seinem Tische,


2.19. विषाद - viṣāda m. - Verzagung, Verzweiflung


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Der heilige Antonius von Padua

Dem Bruder tät die Sache scheinen,
Nimmt die heiligen Gefäße aus den Schreinen,
Packt's in die Kutten emsiglich
Und lässt das Kloster hinter sich. –
Aber da draußen im freien Feld
Ward ihm die Lieb und Lust vergällt.
Statt der guten Jungfrau Laurentia
War plötzlich der leidige Satan da.
»Heihei!« – lacht der Teufel – »so ist's der Brauch!
Du maltest den Teufel, nun zahlt er auch!«

  

Flugs flog er auf und dem Kloster zu
Und rüttelt die Paters aus ihrer Ruh.

  

Bruder Antonio wär' schier verzagt,
Ringt seine Hände, weint und klagt,
Vermeinend, dass aus dieser Beschwer
Nirgends ein Ausgang zu finden wär'.


2.20. औत्सुक्य - autsukya n. - Sehnsucht, Wehmut


E. T. A. Hoffmann <1776 - 1822>: Kater Murr an Johanna die Sängerin. Am 2. März 1820

Mir träumt', es wär' ein holdes Kind geboren,
Und dies und jenes dachten die Gedanken,
Es saßen Richter in Gerichtes Schranken
Und sprachen: ja! das Kindlein ist erkoren!

Wollt' Satan murmeln: Ha! sie ist verloren?
Nein! — sanft und engelsmild — wo gäb' es Wanken?
Wo leuchtet Licht, dem Tod und Nacht nicht sanken?
O schlimmer Klang, entfleuch betörten Ohren!

Ein liebes Kind, gewiegt in duft'gen Rosen,
Kann, Himmelskeim entstammt, der Welt gebieten,
Kann Blitz entzünden in dem kirren Herzen.

Doch Bildlein zart, in süßem sanften Kosen
Verschleuß dein Ohr nicht bangem Sehnsuchtswüten:
Denn Kater Murr klagt auch romant'sche Schmerzen.

Murr, étudiant en belles lettres et chanteur trés renommé.

Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Julchen

Und mit Tönen zu umstricken.
Dazu hat er sich gedichtet,
Aufgesetzt und hergerichtet
Ein gar schönes Schlummerlied,
Horch! er singt es voll Gemüt.


2.21. निद्रा - nidrā f. - Tiefschlaf


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Die fromme Helene


Stille wird es nach und nach,
Friede herrscht im Schlafgemach.


2.22. अपस्मार - apasmāra m. - Besinnungslosigkeit


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Die fromme Helene


Putsch!! – Ach, der Todesschreck ist groß!
Er hupft in Tante ihren Schoß. 


Der Onkel ruft und zieht die Schelle:
»He, Hannchen, Hannchen, komme schnelle!« 

Und Hannchen ohne Furcht und Bangen
Entfernt das Scheusal mit der Zangen. 


Nun kehrt die Tante auch zum Glück
Ins selbstbewusste Sein zurück.

Wie hat Helene da gelacht,
Als Vetter Franz den Scherz gemacht!

Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Plisch und Plum


Aber was sich nun begibt,
Macht Frau Kümmel so betrübt,
Dass sie, wie von Wahn umfächelt,
Ihre Augen schließt und lächelt.


Mit dem Seufzerhauche: U!
Stößt ihr eine Ohnmacht zu.


2.23. सुप्त - supta n. - Schlaf


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Herr und Frau Knopp


O wie behaglich kann er nun
An Doris' treuem Busen ruhn.
Gern hat er hierbei auf der Glatze
Ein loses, leises Kribbelkratze.
So schläft er mit den Worten ein:
»Wie schön ist's, Herr Gemahl zu sein!«


2.24. प्रबोध - prabodha m. - Aufwachen


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Herr und Frau Knopp


Früh schon erhebt man die Augenlider,
Lächelt sich an und erkennt sich wieder,


2.25. अमर्ष - amarṣa m. - Unduldsamkeit, Unmut


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Herr und Frau Knopp


Grollend hat Madam soeben
Sich bereits zur Ruh begeben.

 
Freundlich naht sich Knopp und bang –

 
Bäh! – nicht gut ist der Empfang.

 
Demutsvoll und treu und innig
Spricht er: »Doris, schau, da bin ich!«

 
Aber heftig stößt dieselbe –
Bubb! – ihn auf sein Leibgewölbe.

 
Dieses hat ihn sehr verdrossen.
Tiefgekränkt, doch fest entschlossen,
Schreitet er mit stolzem Blick
Wieder ins Hotel zurück.


2.26. अवहित्थ - avahittha n. - Verstellung


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Pater Filucius


Leichter schmiegt sich Seel an Seele
In der schmerzensreichen Stund,
Und man schwört in der Bergère
Sich den ew'gen Freundschaftsbund.

 

Aber wie sie da so sitzen,
Öffnet plötzlich sich die Tür.
Gottlieb ruft mit rauher Stimme:
»Ei ei ei, was macht man hier?«

 
Freilich hüllen sich die beiden
Schnell in fromme Lieder ein;
Doch nur kurze Zeit erschallen
Diese schönen Melodein.


2.27. उग्रता - ugratā f. - Grausamkeit


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Metaphern der Liebe

Welche Augen! Welche Miene!
Seit ich dich zuerst gesehen,
Engel in der Krinoline,
Ist's um meine Ruh' geschehen.
Ach! in fieberhafter Regung
Lauf' ich Tag und Nacht spazieren,
Und ich fühl' es, vor Bewegung
Fang' ich an zu transpirieren. 


Und derweil ich eben schwitze,
Hast du kalt mich angeschaut;
Von den Stiefeln bis zur Mütze
Spür' ich eine Gänsehaut.
Wahrlich! Das ist sehr bedenklich,
Wie ein jeder leicht ermisst,
Wenn man so schon etwas kränklich
Und in Nankinghosen ist. 


Würde deiner Augen Sonne
Einmal nur mich freundlich grüßen,
Ach! vor lauter Lust und Wonne
Schmölz ich hin zu deinen Füßen.
Aber ach! Aus deinen Blicken
Wird ein Strahl herniederwettern,
Mich zerdrücken und zerknicken
Und zu Knochenmehl zerschmettern.

Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Die Drachen


Gern entrönnen nun die beiden,
um das Weitre zu vermeiden,
wären nicht die nötigen Beine
tief verwickelt in die Leine. -
Also folgt der Rest der Hiebe. -
Zöpfel tut's mit Lust und Liebe.


2.28. मति - mati f. - Bedachtsamkeit


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Max und Moritz

Also lautet ein Beschluss:
Dass der Mensch was lernen muss. –
– Nicht allein das A-B-C
Bringt den Menschen in die Höh';
Nicht allein im Schreiben, Lesen
Übt sich ein vernünftig Wesen;
Nicht allein in Rechnungssachen
Soll der Mensch sich Mühe machen;
Sondern auch der Weisheit Lehren
Muss man mit Vergnügen hören. – 


Dass dies mit Verstand geschah,
War Herr Lehrer Lämpel da. –

Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Balduin Bählamm der verhinderte Dichter

Sofort im ländlichen Logis
Geht Bählamm an die Poesie.
Er schwelgt im Sonnenuntergang,


Er lauscht dem Herdenglockenklang,
Und ahnungsfroh empfindet er's:
Glück auf! Jetzt kommt der erste Vers!


2.29. व्याधि - vyādhi f. - Krankheit


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: : Balduin Bählamm der verhinderte Dichter


Das Zahnweh, subjektiv genommen,
Ist ohne Zweifel unwillkommen;
Doch hat's die gute Eigenschaft,
Dass sich dabei die Lebenskraft,
Die man nach außen oft verschwendet,
Auf einen Punkt nach innen wendet
Und hier energisch konzentriert.
Kaum wird der erste Stich verspürt,
Kaum fühlt man das bekannte Bohren,
Das Rucken, Zucken und Rumoren –
Und aus ist's mit der Weltgeschichte,
Vergessen sind die Kursberichte,
Die Steuern und das Einmaleins.
Kurz, jede Form gewohnten Seins,
Die sonst real erscheint und wichtig,
Wird plötzlich wesenlos und nichtig.
Ja, selbst die alte Liebe rostet –
Man weiß nicht, was die Butter kostet –
Denn einzig in der engen Höhle
Des Backenzahnes weilt die Seele,
Und unter Toben und Gesaus
Reift der Entschluss: Er muss heraus!! –

[...]

Dem hohen lyrischen Poeten
Ist tiefer Schmerz gewiss vonnöten;
Doch schwerlich, ach, befördert je
Das ganz gewöhnliche Wehweh,
Wie Bählamm seines zum Exempel,
Den Dichter in den Ruhmestempel.


Die Backe schwillt. – Die Träne quillt.
Ein Tuch umrahmt das Jammerbild.


2.30. उन्माद - unmāda m. - Verrücktheit


Johann Wolfgang von Goethe <1749 - 1832>:

Läßt mich das Alter im Stich?
Bin ich wieder ein Kind?
Ich weiß nicht, ob ich
Oder die andern verrückt sind.

Franz Grillparzer <1791 - 1872>:

Weh mir! ich bin verrückt.
Ich hoffs zu Deutschlands Ehre,
Denn, wenn ich es nicht wäre,
Wär Deutschland selbst verrückt.

Denkt nur – ich sags mit Schaudern –
Der deutschen Weisheit Zier
Scheint mir ein leeres Plaudern,
Fast schäm ich mich vor mir.

Was ihre Philosophen
Erschaut in Gottes Geist,
Scheint – ohne Vers und Strophen –
Mir Dichtung allermeist.

Und zwar von schlechtster Sorte,
Wo Meistrin Phantasie
Zu Nebeln ballt die Worte,
Doch zu Gestalten nie.

Viel Wissen der Gelehrten,
Vielwisserei genannt,
Nimmt sie nicht als Gefährten
Den leitenden Verstand.

...

Johann Peter Uz <1720 - 1796>: Palinodie

Was Aberglaub im Finstern ausgebrütet,
Hört itzt mein Ohr, von banger Lust entzückt,
Seit über mich der Hypochonder wütet,
Und mein Gehirn verrückt.


2.31. मरण - maraṇa n. - Sterben


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Julchen


Knopp der hat hienieden nun
Eigentlich nichts mehr zu tun. –
Er hat seinen Zweck erfüllt. –
Runzlich wird sein Lebensbild. –
Mütze, Pfeife, Rock und Hose
Schrumpfen ein und werden lose,
So dass man bedenklich spricht:
»Hört mal, Knopp gefällt mir nicht!!«
In der Wolke sitzt die schwarze
Parze mit der Nasenwarze, 


Und sie zwickt und schneidet, schnapp!!
Knopp sein Lebensbändel ab.


2.32. त्रास - trāsa m. - Erschrecken


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Abenteuer eines Junggesellen


Knarr! – da öffnet sich die Tür.
Wehe! Wer tritt da herfür!?
Madam Sauerbrot, die schein-
Tot gewesen, tritt herein. 


Starr vor Schreck wird Sauerbrot,
Und nun ist er selber tot. –

Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Schnurrdiburr oder die Bienen


Hans Dralle steht das Haar nach oben,
Die Zipfelhaube wird gehoben. 


Schon kommt's mit fürchterlichen Sprüngen,
Den Bienenvater zu verschlingen. 

Und dumpf ertönt's wie Geisterstimmen:
»Hans Dralle, kiek na dinen Immen!« 

Es hebt sich auf die Hintertatzen,
Man hört es an den Wänden kratzen.


Gottlob! jetzt kehrt es wieder um!
Hans Dralle ist vor Schrecken stumm. 


Ihm hängt der Schweiß an jedem Haar,
Bis das Phantom verschwunden war.


2.33. विर्तर्क - vitarka m. - Überlegung, Abwägung


Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Julchen

Vatersorgen


Julchen ist nun wirklich groß,
Pfiffig, fett und tadellos,
Und der Vater ruft: »Was seh ich?
Die Mamsell ist heiratsfähig!«
Dementsprechend wäre ja
Mancher gute Jüngling da. 


Da ist Sutitt; aber der
Praktiziert als Vetrinär. 


Da ist Mickefett; doch dieser
Ist Apthekereiproviser. 


Da ist Klingebiel; was ist er?
Sonntags Kanter, alltags Küster. 


Und dann Fritz, der Forstadjunkt,
Das ist auch kein Anhaltspunkt.
Einfach bloß als Mensch genommen
Wäre dieser höchst willkommen,
Nur muss Knopp sich dann entschließen,
Ganz bedeutend zuzuschießen. – –
Kurz gesagt mit wenig Worten,
Ob auch Knopp nach allen Orten
Seine Vaterblicke richte,


Nirgends passt ihm die Geschichte. –

Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Balduin Bählamm der verhinderte Dichter


Scharf sinnend geht er hin und wider,
Bald schaut er auf, bald schaut er nieder.


Jetzt steht er still und ruft: »Aha!«
Denn schon ist ein Gedanke da.

[...]


's ist abgetan. – Das Haupt gesenkt,
Steht er schon wieder da und denkt.


Begeistert blickt er in die Höh:
»Willkommen, herrliche Idee!«


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