HBI weltweit

3. Australien

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Eine andere Perspektive: Australien und Südostasien als Mittelpunkt der Welt


3.10. Alice Springs Public Library -- eine öffentliche Bibliothek in der Wüste

von Margarete Payer


Zitierweise / cite as:

Payer, Margarete <1942 - >: HBI weltweit. -- 3. Australien. -- 3.10. Alice Springs Public Library -- eine öffentliche Bibliothek in der Wüste. -- Fassung vom 1997-05-31. -- URL: http://www.payer.de/hbiweltweit/weltw310.html. -- [Stichwort].

Letzte Überarbeitung: 1997-05-31

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Die Erkundungen für diesen Abschnitt machte ich Ende November 1996 bei 43°C Lufttemperatur in Alice Springs.


Die öffentliche Bibliothek von Alice Springs (Nevil Shute Memorial Library) ist für Alice Springs und das südliche Northern Territory (Central Australia) zuständig. Sie wird in erster Linie vom Land Northern Territory finanziert.

Alice Springs (25.000 Einwohner) liegt im Zentrum Australiens mitten in der ariden Zone. Der jeweils nächste größere Ort ist in jeder Himmmelsrichtung mindestens 1.000 km entfernt, wobei Alice Springs nur in Nord-Südrichtung (Adelaide -- Darwin) auf einer geteerten Allwetterstrasse mit der Außenwelt verbunden ist. Sonst gibt es nur unbefestigte Wüstenrouten, die teilweise nur mit 4-Wheel-Drives befahrbar sind. Das Gebiet, das die Bibliothek bedient, ist ungefähr so groß wie ganz Deutschland! Sie betreut 374 Entleiher im einsamen Hinterland (d.h. auf gering bevölkerten Stationen (3 bis 8 Einwohner), die voneinander Hunderte von Kilometern entfernt sind). Die meisten dieser Stationen sind Fleischrinderzuchtstationen mit extensiver Weidewirtschaft (ca. 1km² pro Rind; Durchschnittgröße 3.000 km²). Für jeden dieser Benutzer (Kinder und Erwachsene) wird ein Interessenprofil erstellt, aufgrund dessen die Bibliothek jeweils eine Auswahl und Zeitschriften zuschickt. Zur Zeit benutzt man für alle Wege die Post. Wird das Postflugzeug benutzt, kostet die Zustellungsgebühr an das Postflugzeug 35 Aus$. Man plant gerade, das Internet in diese Versorgung des Hinterlandes einzubeziehen. Da viele dieser Zuchtstationen inzwischen Computer zum Verwaltung benutzen, rechnet damit, daß diese Computer auch für Internetanwendungen eingesetzt werden. (Die Telephonverbindung geht drahtlos zu automatischen Vermittlerstationen, die im Abstand von je 50 km solarbetrieben mit der transkontinentalen Glasfaserleitung verbinden.)


Abb.: Eine Outstation: Vielleicht bringt das wöchentliche Postflugzeug Materialien aus der Bibliothek.

Die Bibliothek selber beteiligt sich am LINNET -- Libraries in the Northern Territory Network. Zu LINNET gehören 37 öffentliche Bibliotheken, davon 13 in Aboriginal Siedlungen, 16 Schul- und College-Bibliotheken, 3 Behördenbibliotheken und die Landesbibliothek Nortern Territory Library. (Die Universitätsbibliothek Darwin beteiligt sich nicht am LINNET, weil sie Geld für den Aufbau eines moderneren Netzes hatte.)

Man kann also in der Bibliothek in Alice Springs den Bibliotheks-OPAC und andere Kataloge des Northern Territory befragen. Außerdem sind über LINNET das Australian Bibliographic Network (ABN) und Ozline (Australian Information Online) erreichbar. Im Zusammenhang mit WORLD 1, dem Ablösesystem von ABN und Ozline, ist man gerade dabei, die ganze Software von LINNET zu ändern. Eine wesentliche Anforderung an das neue System ist, daß die Internetprotokolle implementiert sind. Ausführlicher zu diesen Planungen: Foster, Terry: New Dreamings and Learnings Development of information service for Northern Territorians Lessons for all .

Die Bibliothek von Alice Springs ist gut ausgestattet, einschließlich Videos, Sprechkassetten und CD-ROMs. Sie beherbergt eine Spezialsammlung zur Geschichte von Alice Springs. Den Benutzern werden Computer mit einer Grundausrüstung an Programmen (Textverarbeitung, Graphik ...) zur Verfügung gestellt.

Neben Materialien in Englisch sind Bücher in Einwanderersprachen vorhanden. Materialien in Aboriginal Sprachen sind kaum vorhanden. Genannt werden dafür drei Gründe:

  1. Es gibt kaum Literatur in diesen Sprachen
  2. Die Druckkosten sind zu hoch
  3. Es gibt so viele Aboriginal Sprachen in der Gegend, daß ein Überwiegen einer Sprache (aus welchen Gründen auch immer) zu politischen Problemen führen würde

Außerdem gibt es für das Sammeln und Bereitstellen von Aboriginal Materialien einen Verhaltenscode für Bibliotheken, Archive und Informationsdienste, der festgehalten ist in: Aboriginal and Torres Strait Islander Protocols for Libraries, Archives and Information Services. Hauptpunkte des Verhaltenscodes:

Da die Lesekenntnisse vieler Aboriginal people nur sehr elementar sind, besuchen Aboriginal people die Bibliothek vor allem, um Videos und Bildbände anzuschauen.

Fernleihe über Alice Springs ist möglich, dauert aber wegen der immensen Entferungen etwas länger.

Alice Springs hat eine auffallend hohe Buchkultur, wie die zahlreichen, sehr gut geführten und sortierten, teilweise sehr großen Buchhandlungen zeigen.

Neben der öffentlichen Bibliothek spielen die Schulbibliotheken eine wichtige Rolle. Sie werden im allgemeinen von einem Teacher Librarian geführt. Ein Teacher Librarian ist ein Lehrer mit einer Zusatzausbildung im Bibliothekswesen. Man macht sehr gute Erfahrungen mit diesen Teacher Librarians, weil sie die Bedürfnisse ihrer Benutzer (Schüler und Lehrer) aus eigener Erfahrung kennen.

Die öffentliche Bibliothek Alice Springs ist verbunden mit dem Community Information Centre im selben Haus. Das Community Information Centre ist eine Informationsleitstelle für die Dienste der Kommune und gibt Hilfestellungen zur Inanspruchnahme öffentlicher Dienstleistungen (z.B. für Senioren, Behinderte, neu Zugewanderte). Die Arbeitsteilung ist so, daß die Bibliothekare für jede Art von Information zuständig sind, die Angestellten des Community Information Centre für die anderen Hilfestellungen, für den Verkauf von Regierungsveröffentlichungen des Northern Territory, Fahrplänen usw., sowie für die Ausleihe von Overheadprojektoren und anderen Hilfsmitteln an kommunale Gruppen.


Zu Kapitel 3.11. Virtuelle Gemeinschaften in der Wüste: Flying Doctors und School of the Air