Internationale Kommunikationskulturen

5. Kulturelle Faktoren: Soziale Beziehungen

4. Teil IV: Lebensstile


von Margarete Payer

mailto: payer@hdm-stuttgart.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Margarete <1942 - >: Internationale Kommunikationskulturen. -- 5. Kulturelle Faktoren: Soziale Beziehungen. -- 4. Teil IV: Lebensstile. -- Fassung vom 2011-02-03. -- URL: http://www.payer.de/kommkulturen/kultur054.htm. -- [Stichwort].

Erstmals publiziert: 19.12.2000

Überarbeitungen: 2011-02-03 [Aktualisierung]

Anlass: Lehrveranstaltung, HBI Stuttgart, 2000/2001; MBA der HdM Stuttgart und der Westsächsischen Hochschule Zwickau, 2011

Unterrichtsmaterialien (gemäß § 46 (1) UrhG)

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Dieser Text ist Teil der Abteilung Länder und Kulturen von Tüpfli's Global Village Library


0. Übersicht



"Schilderung der Gemeinde: Es ist eine alte, in der Natur der Verhältnisse begründete Tatsache, dass es eine in sich geschlossene Gemeinde Tübingen eigentlich nicht gibt. Die einzelnen Gruppen der Bevölkerung -- Universität, Beamte, Studentenschaft, gewerbliche Mittelklasse, der Weingärtnerstand -- stehen mehr oder weniger berührungslos, mehr nur durch das Wechselverhältnis von materieller Produktion und Konsumption vermittelt, neben einander, ohne dass ein durch lebendige Gemeinsamkeit geistiger, sittlicher, religiöser Interessen bedingtes wirkliches Gemeindeleben zu Tage käme."

Pfarrbericht zu Tübingen, 1858 [Evangelisches Dekanatsamt Tübingen, Archiv-Nr. 100]


1. Nachbarschaften



Abb.: Eine Nachbarschaft in Wien, X. Bezirk

Nachbarschaften sind zwar oft auch direkte soziale Beziehungen, es gibt aber auch Nachbarschaften, die keine direkten sozialen Beziehungen sind (man lebt isoliert nebeneinander). Trotzdem geben Nachbarschaften, d.h. der genaue Ort, an dem man wohnt, fast immer sehr wichtige Informationen über die Person. Ein Wiener, der im 13. Bezirk (Hietzing), einem traditionellen Nobelbezirk, wohnt, gehört mit größter Wahrscheinlichkeit einer ganz anderen Kultur mit ganz anderen Kommunikationsformen (Umgangsformen) an als ein Wiener, der im 10. Bezirk (Favoriten), einem klassischen Proletarierbezirk, wohnt. Auch verstehen sich Menschen mit einem ähnlichen Lebensstil aus verschiedenen Kulturen oft gegenseitig besser als Menschen mit unterschiedlichem Lebensstil aus derselben Kultur: ein Wiener aus Hietzing versteht sich wahrscheinlich mit einem Berliner aus Frohnau besser als mit einem Wiener aus Favoriten. 

Weltweit gilt der Grundsatz:

Menschen tendieren dazu, mit Gleichartigen zusammen zu wohnen, mit Menschen, die in Altersaufbau, Lebensstil und Wertungen ähnlich sind

Im Bemühen um gezieltes Marketing hat man das sogenannte Mikromarketing (bzw. Präzisionsmarketing, precision marketing) entwickelt. Im Mikromarketing such man u.a., Wohnkomplexe zu bestimmen, die große kulturelle Gemeinsamkeiten haben, um so gemäß dem jeweiligen Lebensstil gezielt werben zu können. Dabei ist es gelungen, für viele Länder sogenannte "lifestyle clusters" zu erarbeiten, Grundmuster von Lebensstilen, die sich Wohngegenden zuordnen lassen.

Führend im englischsprachigen Raum sind hier folgende Präzisionsmarketing-Unternehmen:

Und ein  Beispiel für den deutschsprachigen Raum:

Eine hervorragende Darstellung der "lifestyle cluster", besonders der USA, ist:

Weiss, Michael J.: The clustered world: how we live, what we buy, and what it all means about who we are. -- Boston [u.a.] : Little, Brown and Co., ©2000. -- 323 S. : Ill. -- ISBN 0316929204. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}

Experian hat bisher Lifestyle clusters für 19 Länder mit insgesamt 800 Millionen Einwohnern entworfen. Dazu benötigte man 631 verschiedene Cluster. Die 19 Länder sind:

Folgende Tabelle gibt eine Überblick über die Anzahl der Lifestyle Cluster für einige ausgewählte Länder:

Land Anzahl der Lifestyle Cluster Größter Cluster (% der Haushalte) Wohlhabendster Cluster (% der Haushalte) Ärmster Cluster (% der Haushalte
Deutschland 38 Village Inhabitants -- Dorfbewohner
4,5%
Attractive City-Center Buildings -- Attraktive Gebäude im Stadtzentrum
2,1%
Younger Rural Population -- Junge Landbevölkerung
3,1%
Frankreich 52 Rural Industry -- Ländliche Industrie
7,7%
Inner Metro Elites -- Eliten der Innenstädte
0,8%
Agrarian Decline -- Absterbende Landwirtschaft
3,7%
Großbritannien 52 Pebble Dash Subtopia -- Edelputzgroßstadtrandgebiete
4,2%
Clever Capitalists -- Schlaue Kapitalisten
1,4%
Upland and Small Farms -- Bergbauern und Kleinbauern
1,4%
Spanien 37 Daytours & Detours -- Tagestouren und Umwege
8,2%
Classic Bourgeois Neighbourhoods -- Klassische bürgerliche Nachbarschaften
1,2%
Small, Scattered Stagnant & Secluded Rurals -- Kleine, verstreute, stagnierende und abgelegene Ländliche Gegenden
1,0%
Japan 39 Lower Status City Workers -- Stadtarbeiter mit niederem Status
5,1%
High Status City Households -- Städtische Haushalte mit hohem Status
2,0%
Old People's Home -- Heim alter Leute
0,3%
Südafrika 38 Matchbox Houses -- Streichholzschachtelhäuser
11,1%
Upper Crust -- Obere Kruste
0,9%
Forgotten People -- Vergessene Personen
0,6%

[Vorlage der Tabelle: Weiss, Michael J.: The clustered world: how we live, what we buy, and what it all means about who we are. -- Boston [u.a.] : Little, Brown and Co., ©2000. -- ISBN 0316929204. -- S. 135. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

Aus den Lifestyle Clusters in den genannten 19 Ländern hat Experian 14 Lifestyles herausgezogen, die in allen diesen Ländern vorkommen:

Lifestyle Cluster Beschreibung
Old Wealth -- Alter Reichtum Wohlhabende Intellektuelle in Großstädten, die hochwertige Produkte und Umweltschutzideen bevorzugen
Career Focused Materialists -- Karriereorientierte Materialisten Oberschicht-Familien der Vorstädte, die von Krediten stark Gebrauch machen, neue Technologien bald nutzen, stark Freizeitaktivitäten betreiben
Educated Cosmopolitans -- Gebildete Weltbürger Junge städtische Fachleute, die das Nachtleben, kulturelle Vielfalt und alternative Lebensstile  genießen
Midscale Metro Office Workers --  Mittlere Angestellte in Stadtbüros Mittelschicht-Pendler der Vorstädte, die in gemieteten Häusern wohnen, in ihren Anschaffungen zukunftsorientiert sind und für ihr Geld das Beste haben wollen
Farming Town Communities -- Bäuerliche Stadtgemeinschaften Entlegene Städte mit Mittelschicht-Familien, deren Ideen und Lebensstile beeinflusst sind durch die örtlichen Netzwerke von Freunden, Ladenbesitzern und sozialen Gruppen
Greys, Blue Sea & Mountain -- Grauhaarige, Blaues Meer und Berge Landschaftlich reizvolle Gegenden mit einer Dienstleistungsökonomie, die auf Feriengäste und wohlhabende Rentner ausgerichtet ist
Inner City Melting Pot -- Schmelztiegel der Innenstadt Mixtur aus städtischen Unterschichtnachbarschaften mit einem hohen Anteil an Immigranten sowie im Ausland geborenen Alleinstehenden und Familien
Agrarian Heartlands -- Agrarische Kerngebiete Entlegene landwirtschaftliche Gebiete, wo die Familien vorwiegend traditionsgebunden, selbstvertrauend und vom Land abhängig sind
Blue Collar Self Sufficiency -- Blue-Collar Selbstversorger Arbeiterfamilien in im Aufschwung befindlichen Gegenden, welche ihre manuellen Fähigkeiten für materialistische Mittelschicht-Lebensstile nutzen 
Lower Income Elderly -- Alte mit niedrigem Einkommen Unterschicht-Rentner, die in geräumigen, teils staatlichen, Wohnungen wohnen, wenig Kinder haben, eine geringe Mobilität haben und relativ wenig für den Konsum ausgeben
Hardened Dependency -- Abgestumpfte Abhängigkeit Innenstadt-Gebiete mit einem großen Anteil Arbeitsloser, Sozialhilfeempfänger, armen Alten sowie alleinerziehenden Eltern, die alle um das elementare Überleben kämpfen
De-Industrial Legacy -- Erbe der Entindustrialisierung Sehr arme Industriegebiete, in denen Handwerker  altmodische Weisen der Nahrung, Kleidung und Einrichtung aufrecht halten
Shack & Shanty -- Hütte und Baracke Verarmte Dörfer, vor allem in Ländern der Dritten Welt, die Heim sind für Einheimische, die in armseligen Wohnungen in traditionellen ländlichen Lebensstilen leben
Non-Family Residents -- Insassen ohne Familie Institutionelle Wohnorte wie Internate, Studentenwohnheime, Kasernen oder Gefängnisse, in denen das meiste an Nahrung, Einrichtung sowie Gebäulichkeiten von den Institutionen besorgt wird

[Vorlage der Tabelle: Weiss, Michael J.: The clustered world: how we live, what we buy, and what it all means about who we are. -- Boston [u.a.] : Little, Brown and Co., ©2000. -- ISBN 0316929204. -- S. 165. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

Man sieht: nicht sehr viele Lebensstile kann man als universal ansehen.


1.1. Zum Beispiel: Lifestyle Clusters in Berkeley, California, USA



Abb.: Satellitenfoto: Lage von Berkeley (©Corbis)


Abb.: Karte von Berkeley

Am Beispiel von Berkeley, California, 74704 soll im Folgenden die Lifestyle Cluster Analysis vorgestellt werden.

Berkeley ist Sitz der berühmten staatlichen University of California, Berkeley [Webpräsenz: http://www.berkeley.edu/. -- Zugriff am 6.12.2000; 2011-01-30]. An der UC Berkeley lehrten bzw. forschten im Dezember 2000 sieben (!) Nobelpreisträger:

Jahr des Nobelpreises Gebiet Name
2000 Wirtschaft Daniel L. McFadden (geb. 1937)
1986 Chemie Yuan T. Lee (geb. 1936, seit 1974 Prof. in Berkeley)
1983 Wirtschaft Gerard Debreu (geb. 1921)
1980 Literatur Czeslaw Milosz (geb. 1911; 1961 - 1978 Prof. für Slawistik in Berkeley)
1964 Physik Charles H. Townes (geb. 1915)
1960 Physik Donald A. Glaser (geb. 1926)
1959 Physik Owen Chamberlain (geb. 1920)

Webportal für Berkeley: http://dir.yahoo.com/Regional/U_S__States/California/Cities/Berkeley/. -- Zugriff am 6.12.2000; 2011-01-30

Nach dem Census von 1990 hat Berkeley folgende demographische Daten:

Bevölkerung 102000
Haushalte 44000
Familien 19000
Median des Haushaltseinkommens (1989) $29700
Median des Familieneinkommens $44600
Median des Einkommens von Singles $21200
Volksgruppen
Weiße 62%
Afroamerikaner 19%
Asiaten, Pazifik 15%
Lateinamerikaner 7%
Andere 4%
Ausbildungsstand
weniger als 9. Schuljahr 3000
9. bis 12. Schuljahr ohne Abgangszeugnis 4000
High School Abschluss 6000
College ohne Abschluss 11000
Associates-Abschluss 3000
Bachelor-Abschluss 18000
Gaduate/Professional Abschluss 19000


 

Das Folgende folgt dem Cluster-System PRIZM von

Claritas Inc., Arlington, Virginia, USA. -- URL: http://www.claritas.com/. -- Zugriff am 28.11.2000. Jetzt: Nielsen. - http://www.nielsen.com . -- Zugriff am 2011-01-30. -- [http://www.dellvader.claritas.com/YAWYL/Default.wjsp. -- Zugriff am 5.12.2000. -- zu US-ZIP-Codes die entsprechenden Cluster suchen]. Heute: http://www.claritas.com/MyBestSegments/Default.jsp . -- Zugriff am 2011-01-30.

Die häufigsten PRIZIM-Cluster in Berkeley sind:

Winner's Circle (Kreis der Gewinner) ist eine Nachbarschaft, die typisch ist für leitende Angehörige von Berufen in neuen Technologien und der New Economy. Menschen, die in diesen Nachbarschaften wohnen, legen großen Wert auf teure Statussymbole (Markenartikel, Autos, aufwendige Feiern). So kann es vorkommen, dass man für eine Bar Mitzvah (jüdische Konfirmation) bis zu $50000 ausgibt. Meistens sind schon die Kinder durch solche Statussymbole (z.B. Markenartikel) völlig verdorben.

 

Abb.: Winner's Circle Nachbarschaft, Berkeley (Bildquelle: http://www.ci.berkeley.ca.us/neighborhoods/. -- Zugriff am 11.12.2000)

Executive Suites ( Wohnungen leitender Angestellte) sind Nachbarschaften, die während der Baby-Boom-Jahre nach dem Krieg gebaut wurden. Heute wohnen dort wohlhabende Angehörige von White-Collar-Berufen. In der Darstellung des Wohlstands ist man eher konservativ zurückhaltend, d.h. man protzt nicht mit aufwendigen Konsumgütern. Ein zunehmender Prozentsatz der Einwohner sind Amerikaner asiatischer Abstammung. Religion spielt im Gemeinschaftsleben eine große Rolle.

 Bohemian Mix ( Mischung aus Bohemiens) ist der toleranteste Lebensstiltyp in den USA. In den 1960er Jahren lebten hier die Beatniks und Blumenkinder. Heute ist es eine multikulturelle, multirassische, progressive Mixtur aus Studenten, leitenden Angestellten, Schriftstellern sowie Umweltaktivisten u.ä. Fast drei Viertel der Einwohner sind Single oder Geschiedene, ca. ein Drittel sind Homosexuelle. Man ist technikfreundlich und offen für neue Produkte und Entwicklungen. Man lebt gesundheitsbewusst.

Upstarts & Seniors ( Emporkömmlinge und Senioren) ist eine Mixtur aus Alten und Jungen, Singles und Verwitweten. Ursprünglich waren dies Nachbarschaften von Hausbesitzern mit typisch amerikanischen Familien, Jetzt sind die Kinder erwachsen und weggezogen. An ihrer Statt sind viele junge Singles und Paare zugezogen, angezogen von den günstigen Mieten und guten Verkehrsverbindungen in die Stadt. In diesen Nachbarschaften lebt man wirklich nachbarschaftlich: man kennt sich gegenseitig und ist miteinander vorwiegend freundlich. Die Bewohner sind ein festes Wählerreservoir für die Demokraten: "Selbst wenn die Demokraten einen Affen als Präsidentschaftskandidaten aufstellen würden, würde man ihn hier wählen." In politischen Inhalten gibt es aber einen großen Unterschied zwischen den Alten und den Jungen.

Towns & Gowns ( Städte und Talare (= Hochschulangehörige)) ist typisch für manche Universitätsstädte (u.a. Berkeley, CA und Boulder, CO, vergleichbar mit z.B. Tübingen oder Marburg), die nicht nur Studenten anziehen. Oft gründen ehemalige Studierende ihre ersten Firmen in solchen Nachbarschaften. Man ist umweltbewusst, gesundheitsbewusst und New Age orientiert. Status ist, wenn man am Samstag am Bauernmarkt einkauft.

Die folgenden Tabellen geben einige Merkmale dieser Lifestyle Cluster wieder:

Wichtigste Lifestyle Cluster in Berkeley, CA (1)
  Winner's Circle -- Kreis der Gewinner Executive Suites -- Wohnungen leitender Angestellter Bohemian Mix -- Mischung aus Bohemiens
Sozioökonomische Rangstufe innerhalb der 62 Cluster der USA 2 3 10
Demographische Charakterisierung Familien von leitenden Angestellten

wohnen  in Einfamilienhäusern Vorstädten

vorwiegend Weiße und Asiaten

haben College-Abschluss

Oberschicht-Paare in White-Collar-Berufen

wohnen in Einfamilienhäusern

vorwiegend Weiße und Asiaten

haben College-Abschluss

Singles und Paare in White-Collar-Berufen 

wohnen in Mehrfamilienhäusern in Innenstädten in Miete

ethnisch gemischt

haben College-Abschluss

Hauptsächliche Altersgruppe 45 - 64 45 - 64 25 - 44
Mittleres jährliches Haushaltseinkommen $90700 $68500 $38500
Prozent der US-Haushalte, die zu diesem Cluster gehören 2,26% 1,25% 1.47%
Politische Einstellung vorwiegend gemäßigte Republikaner vorwiegend gemäßigte Parteiunabhängige vorwiegend liberale Demokraten
Wichtigste politische Anliegen Verbesserung der Wirtschaft

Verkleinerung der öffentlichen Verwaltung

Umweltschutz

Rettung bedrohter Tierarten

Finanzierung öffentlicher Bildung

Ausgeglichene Staatsfinanzen

Rechte von Homosexuellen

Legalisierung von Haschisch

Abbau von Rassenspannungen

"In" sind im Vergleich zum US-Durchschnitt (= 100) Autotelefone (242)
Reisebüros (234)
Autoverleih-Kreditkarten (227)
PCs (197)
Klaviere (170)
Kriminalromane (153)
Spielcasinos (150)
Quiz-Spiele (149)
Schwimmen (149)
Gärten (143)
Homebanking (376)
Espressomaschinen (138)
Fitnessclubs 220)
Versicherungen > $10000 (207)
Trockenreinigung (196)
Reisebüros (158)
Fotografieren (149)
Elektrische Saftmaschinen (148) 
Romane (144)
ausländische Videos (246)
Jogging (236)
Kondome (193)
Jazz (189)
Espressomaschinen (189)
Kino (170)
CD-Player (164)
American Express Cards (161)
"Out" sind im Vergleich zum US-Durchschnitt (= 100) Autokaufdarlehen (90)
Wendy's-Restaurants (86)
In-Home-Einkäufe (80)
Rolerskating (77)
Kondome (73)
Rap-Musik (73)
Rauchen (72)
Briefmarkensammeln (82)
Zigaretten (82)
Schreinern (78)
Lebensversicherungen < $20000 (68)
Süßwasserfischerei (67)
Satelliten-TV (62)
Lotterie (58)
Sticken (44)
Autorennen (38)
Golf (49)
Veteranenverbände (47)
Country-Musik (46)
Schreinern (33)
Motorboote (30)
Jagen (27)
College Football (12)
Einrichtungsdarlehen (5)
Beliebte Nahrungsmittel (US-Durchschnitt = 100) Gourmet-Kaffee (270)
Hauswein (206)
Kalbfleisch (173)
Bagels (169)
Kellogg's Special K (167)
Avocados (145)
Schokolade (138)
Brezel (137)
Frischfisch (125)
Gourmet-Kaffee (200)
Brie-Käse (175)
Kellogg's Fruitful Bran (172)
Alkoholfreies Bier (159)
Diät-Pepsi (148)
Yogurth (119)
Importbier (201)
Gourmet-Kaffee (191)
Importwein (180)
Ungeschälter Reis (174)
Kellogg's Fruitful Bran (174)
Olivenöl (147)
Mineralwasser (146)
Kalorienarme Tiefkühlkost (136)
Bagels (120)
Beliebte Zeitschriften und Zeitungen (US-Durchschnitt = 100) Kiplinger's Personal Finance (233)
Money (221)
PC Magazine (194)
Smithsonian (124)
Self (173)
House Beautiful (158)
USA Today (141)
Newsweek (135)
Consumers Digest (134)
People (132)
Inc. (343)
Skiing (295)
Wall Street Journal (257)
Sunset (254)
Metropolitan Home (251)
Bordmagazine von Luftfahrtgesellschaften (219)
Cooking Light (209)
Smithsonian  (202)
Self(193)
Newsweek (148)
New York (440)
GQ (340)
Esquire (307)
Mademoiselle (292)
Harper's Bazaar (222)
Life (180)
Ebony (180)
Rolling Stone (167)
Time (153)
Business-Magazine (149)
Beliebte Radio- und Fernsehsendungen (Auswahl) (US-Durchschnitt = 100) Radionachrichten (310)
Wall Street Week (248)
Tennis im TV (174)
Klassikradio (344)
Wimbledon (160)
Contemporary-Rock-Radio (184)
Beliebteste Automarken (US-Durchschnitt = 100) Land Rover (662)
Porsche (655)
Audi (649)
Mercedes (627)
Toyota (616)
Saab (576)
Volvo (554)
Lexus (382)
Toyota (373)
Alfa Romeo (368)
Acura Integra (340)
Nissan (329)
BMW (321)
Volvo (301)
Volkswagen (205)
Mazda (173)
Alfa Romeo (277)
Volkswagen (234)
Audi (228)
Saab (212)
Mazda (201)
Infiniti (104)
Land Rover (192)
Honda (172)
Sonstiges Buch in der Bibliothek, das die meisten Eselsohren hat: Fodor's Europe Tägliche Routine: Fahrgemeinschaften Treffpunkt: Gay- und Lesbenbuchläden

 

Wichtigste Lifestyle Cluster in Berkeley, CA (2)
  Upstarts & Seniors -- Emporkömmlinge und Senioren Towns & Gowns -- Städte und Talare (= Hochschulangehörige)
Sozioökonomische Rangstufe innerhalb der 62 Cluster der USA 23

36

Demographische Charakterisierung Familien, deren erwachsene Kinder ausgezogen sind, und Singles in White-Collar-Berufen mit mittleren Einkommen

wohnen in Mehrfamilienhäusern in Vorstädten in Miete

vorwiegend Weiße

haben teilweise College-Abschluss

Singles in White-Collar-Berufen und im Dienstleistungssektor

wohnen in Mietblöcken  in College-Städten

vorwiegend Weiße und Asiaten

haben College-Abschluss

Hauptsächliche Altersgruppe 25-54, 65+

18-34

Mittleres jährliches Haushaltseinkommen $35600

$19700

Prozent der US-Haushalte, die zu diesem Cluster gehören 1.35%

1.35%

Politische Einstellung vorwiegend gemäßigte Demokraten vorwiegend liberale Parteiunabhängige
Wichtigste politische Anliegen Steuerreform

aktive Sterbehilfe

Rechte von Homosexuellen

Menschenrechte im Ausland

Rechte von Homosexuellen

Legalisierung von Haschisch

"In" sind im Vergleich zum US-Durchschnitt (= 100) AOL (331)
College Football (311)
Reisen (229)
Briefmarkensammeln (152)
Kino (148)
Golfurlaub (145)
Museen (132)
Erwachsenenbildungskurse (132)
Bars und Nightclubs (125)
Segeln (121)
ausländische Videos (551)
Volleyball (269)
Billard (221)
Online-Services (216)
Bars  / Nightclubs (192)
Jogging (186)
Kondome (148)
Stereoanlagen (147)
Museen (128)
"Out" sind im Vergleich zum US-Durchschnitt (= 100) TV-Boxen (96)
Rap-Musik (93)
Spaghetti in Dosen (86)
Pfeifenrauchen (79)
Kindervitaminpräparate (79)
Country Clubs (43)
Online-Shopping (43)
Eishockey (30)
New-Age-Musik (0)
Traktorenwettbewerbe (0)
Familienvideos (78)
Diskount-Koupons (60)
GroßbildschirmTV (56)
Hunde (54)
Trockenreinigung (54)
Premium-Kreditkarten (43)
Nähen (35)
Beliebte Nahrungsmittel (US-Durchschnitt = 100) Espresso / Capuccino (176)
Bohnenkaffee (158)
Hauswein (156)
Kellogg's Special K (149)
Kalorienarme Tiefkühlkost (133)
Brezel (113)
Kalbfleisch (102)
Tequila (183)
Coca Cola Classic (145)
Kellogg's All-Brain (142)
Tiefkühlkost (136)
Dosenfleisch (132)
Fastfood (105)
Beliebte Zeitschriften und Zeitungen (US-Durchschnitt = 100) Saturday Evening Post (263)
Inside Sports (257)
Travel & Leisure (197)
Elle (196)
Muscle & Fitness (175)
Cooking Light (168)
Ladies' Home Journal (161)
Cosmopolitan (138)
Better Homes and Gardens (138)
Money (128)
Scientific American (215)
Cosmopolitan  (183)
Sports Illustrated (182)
Parenting (177)
Rolling Stone (175)
Self(126)
U.S. News & World Report (126)
Field & Stream (119)
Golf Digest (116)
Better Homes & Gardens (113)
Beliebte Radio- und Fernsehsendungen (Auswahl) (US-Durchschnitt = 100) Soft Rock Radio (198) Progressive Rock Radio (217)
College Basketball TV (161)
Star Trek (161)
Beliebteste Automarken (US-Durchschnitt = 100) Nissan (144)
Imuzu (139)
Suzuki (139)
Toyota (134)
Saturn (132)
Ford (121)
Buick (120)
Volkswagen (220)
Mazda (155)
Hyundai (141)
Subaru (137)
Nissan (128)
Audi (118)
Sonstiges Beliebte Freizeitbeschäftigung: Herumhängen am Schnellimbiss  

[Zugriff auf alle Links in den beiden Tabellen am 11.12.2000]


2. White Collar und Blue Collar, Dienende 


"Feine" Leute und nützliche Leute


Abb.: Bildungsdünkel (©IMSI)


Abb.: Nepali-Frauen klopfen Steine für Straßenbau, Bhutan (©Corbis)


Abb.: Krankenschwester, ein in Indien und Rotchina verachteter Beruf, da er dient (©ArtToday)


Abb.: Hände einer arabischen Braut: der Schmuck und die Fingernägel sollen zeigen, dass die Frau es nicht nötig hat, manuell zu arbeiten (©Corbis)

In vielen Ländern, besonders Entwicklungsländern, gilt es als "fein", keine manuelle Arbeit zu leisten und keine dienenden Berufe auszuüben. Das ganze berufliche Streben gilt dem Ziel, einen Bürojob zu ergattern bzw. selbst, wenn man einen praxisorientierten Beruf -- z.B. Landwirtschaftsingenieur -- hat, sich dabei die Hände nicht schmutzig zu machen. Selbst Geologiestudenten in Entwicklungsländern empfinden es als Zumutung, dass sie während ihrer Ausbildung auf der Suche nach Fossilien in Steinbrüchen eigenhändig Steine klopfen sollen.

Dieses Phänomen hat der amerikanische Ökonom Thorstein Veblen (1857 - 1929) in seiner Theorie der feinen Leute (1899) treffend als "zivilisierte" Form des Raubrittertums -- des Beraubens der produktiv Tätigen --  beschrieben:

"Der Kampf stellt in diesem Stadium der Kultur [nämlich der Barbarei] die allgemein anerkannte und für wertvoll gehaltene Selbstbestätigung dar, durch Raub oder Zwang erbeutete Dienste oder Gebrauchsgegenstände zeugen für einen glücklichen Ausgang. Aus demselben Grund bringt man der produktiven Arbeit oder der Beschäftigung im Dienst einer andern Person nichts als Verachtung entgegen." (S. 35)

"Dieses auf der Arbeit lastende Tabu besitzt weitere Folgen für die Arbeitsteilung der Klassen. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung und der Entwicklung der räuberischen Gruppe zu einer sesshaften Gesellschaft nehmen Umfang und innere Folgerichtigkeit der konstituierten Autorität und der das Eigentum regelnden Sitten zu. Es ist nicht länger möglich, Reichtum einfach durch Raub anzuhäufen; logisch gesehen ist es jedoch für hochgesinnte, aber mittellose Menschen ebenfalls unmöglich, Reichtum durch Arbeit zu erwerben. Damit bleibt ihnen nichts anderes übrig, als zu betteln oder Enthaltsamkeit zu üben. Wo immer sich das Gesetz des demonstrativen Müßiggangs ungestört entfalten kann, entsteht daher eine weitere, sozusagen unechte vornehme Klasse, die in tiefster Armut ein fragwürdiges Leben voller Entbehrungen und Unannehmlichkeiten fristet, der es jedoch moralisch nicht erlaubt ist, gewinnbringende Arbeit zu leisten. Der heruntergekommene Gentleman und die Dame, die einst bessere Tage sah, sind selbst heute noch alltägliche Erscheinungen. 

Das tief verwurzelte Gefühl von der Unwürdigkeit selbst der leichtesten Handarbeit ist nicht nur allen Kulturvölkern, sondern auch allen jenen Völkern eigen, deren Kultur in geringerem Ausmaß auf Geldbesitz beruht. In Menschen von feinem Empfinden, die seit langem an vornehme Sitten und Manieren gewöhnt sind, kann das Gefühl der Schändlichkeit, die der Handarbeit anhaftet, so stark werden, dass es in kritischen Zeiten sogar den Selbsterhaltungstrieb verdrängt. So wird beispielsweise von Häuptlingen polynesischer Stämme berichtet, dass sie unter dem Zwang solch feiner Lebensformen lieber Hungers starben, als dass sie die Nahrung mit eigenen Händen zum Munde führten. Tatsächlich mag dieses Verhalten zum Teil auf die extreme Heiligkeit des Häuptlings zurückzuführen sein oder auf das Tabu, das seine Person umgibt. Dieses Tabu wäre durch die Berührung seiner Hände übertragen worden und hätte die Nahrung für den menschlichen Konsum ungeeignet gemacht. Doch ist das Tabu selbst aus der Unwürdigkeit oder moralischen Unmöglichkeit der Arbeit abgeleitet, so dass also das Verhalten der polynesischen Häuptlinge unter allen Umständen dem Gesetz des ehrenvollen Müßiggangs besser entsprach, als es zunächst scheinen möchte. Ein noch besseres oder wenigstens eindeutigeres Beispiel bietet ein gewisser König von Frankreich, von dem es heißt, dass er im Dienste der feinen Lebensformen sein Leben einbüßte. Als nämlich einmal jener Höfling abwesend war, dessen Amt darin bestand, den Sessel Seiner Majestät zu verrücken, blieb der König ohne Klage vor dem Kaminfeuer sitzen und erduldete die Verbrennung seiner erhabenen Person so lange, bis eine Heilung unmöglich war. Auf diese Art rettete sich Seine Allerchristlichste Majestät vor der schändlichen Befleckung durch gemeine Arbeit." (S. 56 - 58)

[Veblen, Thorstein <1857 - 1929>: Theorie der feinen Leute : eine ökonomische Untersuchung der Institutionen. -- Frankfurt a. M. : Fischer, 1986. -- 382 S. -- (Fischer Wissenschaft ; 7362). -- ISBN 3596273625. -- Originaltitel: The theory of the leisure class (1899). -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

Beispiel: Gesellschaftsschichten in China:

Xiaowei Brügmann unterscheidet vier Gesellschaftsschichten in China:

[vgl.:  Brügmann, Xiaowei: Kulturen von Arbeit und Kapital - China. Manuskript eines Seminarreferates 2005]


3. Städter -- Bauern



Abb.: Reisbauern (©Corel)

"Friede den Hütten! Krieg den Palästen!

Im Jahre 1834 siehet es aus, als würde die Bibel Lügen gestraft. Es sieht aus, als hätte Gott die Bauern und Handwerker am fünften Tage und die Fürsten und Vornehmen am sechsten gemacht, und als hätte der Herr zu diesen gesagt: 'Herrschet über alles Getier, das auf Erden kriecht', und hätte die Bauern und Bürger zum Gewürm gezählt. Das Leben der Vornehmen ist ein langer Sonntag: sie wohnen in schönen Häusern, sie tragen zierliche Kleider, sie haben feiste Gesichter und reden eine eigne Sprache; das Volk aber liegt vor ihnen wie Dünger auf dem Acker. Der Bauer geht hinter dem Pflug, der Vornehme aber geht hinter ihm und dem Pflug und treibt ihn mit den Ochsen am Pflug, er nimmt das Korn und lässt ihm die Stoppeln. Das Leben des Bauern ist ein langer Werktag; Fremde verzehren seine Äcker vor seinen Augen, sein Leib ist eine Schwiele, sein Schweiß ist das Salz auf dem Tische des Vornehmen."
[Büchner, Georg <1813 - 1837>: Der hessische Landbote. --  Darmstadt, 1834. --  S. 3.. -- In: Deutsche Literatur von Lessing bis Kafka. -- Studienbibliothek. --  Berlin : Directmedia, 2000. -- 1 CD-ROM. -- ( Digitale Bibliothek ; Band 1). -- ISBN 3898531015. -- S. 17202. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie diese CD-ROM  bei amazon.de bestellen}]

Das Bild, das Nichtbauern von Bauern haben und das ihre Einstellung zu Bauern mitbestimmt, schwankt zwischen Verachtung ("dummer Bauer") und  Verklärung (Bauerntumsideologien).


3.1. Der "dumme, unzivilisierte Bauer"



Abb.: Postkarte "Dem dümmsten Bauern wachsen die größten Kartoffeln", o.J.

Einige deutsche Redensarten, die in diese Sparte fallen:

Noch im 18. und 19. Jahrhundert hielten in Europa manche sogenannte Gebildete Bildung für Bauern für unnötig oder gar schädlich. Ähnliche Ansicht haben manche heute noch in Entwicklungsländern:

[Zitate nach: Das Bild vom Bauern : Vorstellungen und Wirklichkeit vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. -- Berlin : Museum für Deutsche Volkskunde, 1978. -- S. 126. -- Dort leider ohne Stellennachweise!]


3.2. Bauerntumsideologien


Abb.: Verniedlichung der bäuerlichen Arbeit: Schulwandbild, BRD 1960 (!)

Ulrich Plank und Joachim Ziche fassen die Bauerntumsideologien kritisch so zusammen:

"Die Blütezeit der Bauerntumsideologien scheint sowohl in Deutschland als auch in Nordamerika -- zwei klassischen Verbreitungsgebieten -- vorüber zu sein. Weltweit lässt sich dagegen ein Phänomen beobachten, das als »agrarischer Fundamentalismus« bezeichnet wird. Je mehr nämlich die landwirtschaftliche Bevölkerung im Verlauf der Industrialisierung in eine Minderheitensituation gerät, desto nachdrücklicher wird ihre grundlegende wirtschaftliche, politische und soziale Bedeutung für die Gesellschaft behauptet. Ideologien sollen jedoch nicht nur bäuerliches Selbstbewusstsein stärken, sondern auch erzieherisch wirken. So wollte GÜNTHER (1939, S. 4) Bauerntumsideologie auch als Kritik am bestehenden Bauerntum verstanden wissen. In seinem Hauptwerk Das Bauerntum als Lebens- und Gemeinschaftsform schreibt er idealisierte bäuerliche Lebenswerte nicht unbedingt den Bauern seiner Zeit zu, sondern will zeigen, wie »echtes Bauerntum« aussehen müsste. Er zählt folgende »ländliche Lebenswerte» auf, die übrigens auch in nordamerikanischen Farmerideologien auftauchen:

[Günther, Hans F. K. <1891-1968>: Das Bauerntum als Lebens- und Gemeinschaftsform. --  Leipzig [u.a.] : Teubner, 1939. -- S. 643f.]

Diese Werte verkörpern laut Bauerntumsideologie in besonders hohem Maße oder gar ausschließlich bodenständige Menschen, »men whose grass roots are in the soil« [Crampton, John A.: The National Farmers Union : ideology of a pressure group. -- Lincoln : University of Nebraska Press, [1965]]. Sie sind von besonderem »soziologischen« Wert, denn sie erfüllen drei, für jede freie, lebenskräftige Gesellschaft angeblich unentbehrliche Aufgaben:

  1. Sie bilden ein Bollwerk gegenüber 
    1. totalitären, besonders kommunistischen Gesellschaftssystemen und 
    2. gegenüber Kräften, die den Untergang der Gesellschaft von innen heraus herbeiführen wollen. In den USA gilt der Familienfarmer als stärkste Wurzel der Demokratie. Kein anderes Haus als das Farmhaus könne der Nation diese »perfekte Art des intelligenten und patriotischen Bürgers schenken«. In Deutschland glaubte man, »in einer Zeit der Vermassung... seien Menschen für die Gemeinschaft unentbehrlich, die das Erlebnis der Freiheit, der natürlichen Ordnung und der Gemeinschaft von Menschen, Tieren und Pflanzen mitbringen»«, sie seien „ein Gegengewicht zur Gesunderhaltung gegen alle schleichenden Krankheiten des Industriezeitalters« [zit. bei Ziche, Joachim: Kritik der deutschen Bauerntumsideologie. -- In: Sociologia ruralis. -- 8(1968). -- S. 124].
  2. Sie halten Verbindung zur »Welt des Gewachsenen«. Ihr Unbehagen an der rationalisierten Welt drücken manche Bauerntumsideologen aus, wenn sie die Völker in eine Gleichgewichtsstörung geraten sehen, »durch die einseitige Entwicklung der Wissenschaft im Bereich der anorganischen Natur und die daraus entstandene Welt der technischen Zivilisation«. Nur wenn eine genügende Verankerung der Völker in der organischen Natur durch ein hinreichend starkes Bauerntum erhalten bliebe, ließe sich die Gleichgewichtsstörung heilen. Amerikanische Bauerntumsideologen sehen den Farmer wegen seiner engen Verbindung mit der Natur als eine heroische Gestalt: »Er ist keine Treibhauspflanze, sondern ein zerzauster Baum am windgepeitschten Berghang; er scheut weder Schmutz noch Hitze, jedem Sturm blickt er furchtlos ins Gesicht« [zit. bei Crampton, John A.: The National Farmers Union : ideology of a pressure group. -- Lincoln : University of Nebraska Press, [1965]]. Seine Naturverbundenheit entwickle im Bauern »besondere« Werte wie Geduld, Ausdauer, Gemessenheit, Würde, Denken und Vorsorge für Generationen. Die »gemachte« Welt könne im allgemeinen nur von Menschen der »gewachsenen« Welt gemeistert werden. In Wirklichkeit ist der Bauer kein Naturmensch. Seit Jahrtausenden geht sein Bestreben dahin, die Natur in Grenzen, wenn nicht zu beherrschen, so doch zu kontrollieren. Die bäuerliche Existenz ist das Ergebnis einer jahrtausendealten Agrarkultur, wenngleich selbstverständlich Reste von Naturabhängigkeit bleiben.
  3. Sie sind der »Blutsquell der Nation«. Bauerntumsideologen glauben, »ein Volk erzeuge sich auf dem Lande und sterbe in den Städten aus« (GÜNTHER), wobei wertvolles Erbgut für immer verloren gehe. Auch die amerikanischen grass-roots-Ideologen behaupteten, das wichtigste Produkt der Farm seien Menschen, nicht Agrarerzeugnisse, obwohl sie weniger der deutschen Vorstellung vom menschenfressenden Moloch Großstadt anhängen. Ihnen war es mehr um Qualitätsunterschiede zu tun, weniger um den quantitativen Nachschub für die Städte. Diese Sicht setzte sich nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus auch in Deutschland durch; die übersteigerte Blut und Boden-Ideologie Darrés war schon während des Dritten Reiches nicht mehr ernst genommen worden. Richard Walter Darré (1895-1953) hatte sich den nordisch hochgezüchteten Bauern als Blutquell der Herrenrasse vorgestellt; auf seinem Erbhof sollte er als Lehensmann des Staates sitzen und sich in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der tierzüchterischen Auslese fortpflanzen. Die zahlenmäßige Minderheit des Bauerntums in modernen Industriestaaten schließt heute zwar biologistische Blutsquell-Spekulationen aus, aber manchen Agrarideologen erscheint es möglich, dass diese Minderheit zu einer Elite wird. Eliten sind immer klein. Ideologen sparen daher nicht mit hohen charakterlichen Anforderungen an die bäuerlichen Menschen. Die Vorstellung, aus der bäuerlichen Minorität könne eine gesellschaftliche Elite werden, setzt, um denkbar zu bleiben, einen möglichst geringen Annäherungsgrad zwischen Bauerntum und übriger Gesellschaft voraus; sonst könnte das Bauerntum ja nicht von der Majorität her gesehen als Randgruppe erscheinen, was jedoch zum Wesen jeder Elite gehört. Täglicher Augenschein und agrarsoziologische Befunde bestätigen immer wieder, dass die Bauern in Wirklichkeit nicht Randgruppen sein, sondern so leben wollen wie alle anderen Menschen auch."

[Plank, Ulrich ; Ziche, Joachim: Land- und Agrarsoziologie : eine Einführung in die Soziologie des ländlichen Siedlungsraumes und des Agrarbereichs. -- Stuttgart : Ulmer, ©1979. -- ISBN 3800121239. -- S. 269 - 272. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]


Zu Kapitel 6: Kulturelle Faktoren: Lehr und Lernstile