Mahavamsa : die große Chronik Sri Lankas

1. Kapitel 1: Buddhas Besuche in Sri Lanka

Anhang A: Der Adams-Pik auf Ceylon / von Ernst Haeckel (1883)


verfasst von Mahanama

übersetzt und erläutert von Alois Payer

mailto: payer@hdm-stuttgart.de


Zitierweise / cite as:

Mahanama <6. Jhdt n. Chr.>: Mahavamsa : die große Chronik Sri Lankas / übersetzt und erläutert von Alois Payer. -- 1. Kapitel 1: Buddhas Besuche in Sri Lanka -- Anhang A: Der Adams-Pik auf Ceylon / von Ernst Haeckel (1883). -- Fassung vom 2006-07-13. -- URL: http://www.payer.de/mahavamsa/chronik01a.htm. -- [Stichwort].

Erstmals publiziert: 2006-04-03

Überarbeitungen: 2006-07-13 [Ergänzungen]; 2006-06-04 [Ergänzungen]

Ursprünglich erschienen als:

Haeckel, Ernst <1834 - 1919>: Der Adams-Pik auf Ceylon. -- In: Deutsche Rundschau. -- 1883-10

Gekürzt wieder abgedruckt in:

Sri Lanka : aus Legende, Märchen, historischer Überlieferung und Bericht ; [2500 Jahre Reisen nach Ceylon] / [hrsg. von Heinz Mode. Fotos von Günter Clauss]. -- 2. Aufl., [6. - 15. Tsd.] -- Leipzig [u.a.] : Kiepenheuer, 1981. -- 319 S. : Ill. ; 28 cm. -- S. 251 - 279. -- Hier nach diesem Nachdruck wiedergegeben.

Überarbeitungen:

Anlass: Lehrveranstaltungen, Sommersemester 2001, 2006

©opyright: Public domain.

Dieser Text ist Teil der Abteilung Buddhismus von Tüpfli's Global Village Library



Abb.: Ernst Haeckel

"Ernst Heinrich Philipp August Haeckel (* 16. Februar 1834 in Potsdam; † 9. August 1919 in Jena) war ein deutscher Zoologe und Philosoph, der die Arbeiten von Charles Darwin in Deutschland bekannt gemacht und hinsichtlich einer Abstammungslehre des Menschen ausgebaut hat.

Haeckel war Arzt und später Professor für vergleichende Anatomie. Er war auch einer der ersten, die Psychologie als Zweig der Physiologie verstanden. Er prägte einige heute geläufige Begriffe der Biologie wie Stamm oder Ökologie und bezeichnete die Politik als angewandte Biologie. Er gilt als einer der wichtigen Wegbereiter der Eugenik und der Rassenhygiene. Seine Aussagen wurden später durch die Nazi-Ideologie übernommen und als Begründung für Rassismus und "Sozial-Darwinismus" herangezogen.

Ernst Haeckel wurde 1834 als Sohn des Regierungsrates Philipp August Haeckel (1781-1871) und seiner, aus einer Juristenfamilie stammenden, Frau Charlotte geb. Sethe (1799-1889) in Potsdam geboren.

1835 siedelte die Familie nach Merseburg um. 1852 absolvierte Haeckel sein Abitur am Domgymnasium in Merseburg. Dann studierte er Medizin in Berlin bei Albert von Kölliker, Franz Leydin, Rudolf Virchow, bei dem er später kurzzeitig als Assistent arbeitete, und bei Johannes Müller. 1857 und 1858 Promotion zum Dr. med. gefolgt von der Approbation. Der Arztberuf erscheint ihm auch wegen des Kontakts mit leidenden Patienten als wenig erstrebenswert. Ebenfalls 1858 verlobt er sich mit seiner Kusine Anna Sethe die er 1862 heiratet. 1859-1860 Reise nach Italien, meeresbiologische Studien im Golf von Neapel. Nach der Rückkehr nach Deutschland Lektüre der "Entstehung der Arten".

1861 habilitiert er sich und wird Privatdozent für Vergleichende Anatomie in Jena. 1862 hält er die erste Vorlesung über die Entstehung der Arten und Heiratet mit Anna Sethe (1835-1864). 1865 erhält er einen Ehrendoktor in Philosophie, und eine Berufung zum ersten ordentlichen Professor für Zoologie in Jena, diese Professur gehört zur Philosophischen Fakultät. 1866-1867 Reise zu den kanarischen Inseln Erstbesteigung des Teide im Winter. Treffen mit Charles Darwin, Thomas Huxley und Charles Lyell. 1867 heiratet er Agnes Huschke. Geburt des Sohnes Walter 1868. 1869 Norwegenreise. 1871 Geburt der Tochter Elisabeth und Reise nach Dalmatien. 1873 Reise nach Ägypten, Türkei und Griechenland, Geburt der Tochter Emma.

1876 Prorektor der Universität Jena, Vortragsreise durch Deutschland. Treffen mit Darwin in England. 1877 Reise nach Korfu. 1878 Vortragsreise durch Deutschland. 1879 Reise nach England und Schottland, Begegnung mit Darwin in England. 1881-1882 erste Tropenreise nach Ceylon. 1882 Bau der Villa Medusa und des zoologischen Institutes der Universität. 1884 erneut Prorektor. 1887 Reise nach Palestina, Syrien, Kleinasien. 1890 Reise nach Algerien. 1897 Reise durch Südfinnland und Russland. 1899 Reise nach Korsika, Beginn der Freundschaft mit Frida von Uslar-Gleichen (1864-1903). 1900 zweite Tropenreise. 1906 Gründung des Monistenbundes im Jenaer Zoologischen Institutes. 1907 Schwedenreise. 1908 Stiftung des Phyletischen Museums in Jena.

1909 Ende der Lehrtätigkeit, 1910 Austritt aus der evangelischen Kirche. Seine Frau Agnes stirbt 1915. Haeckel ist zunehmend gebrechlich (Oberschenkelhalsbruch, Armbruch). 1918 Verkauf der Villa Medusa an die Karl- Zeiss-Stiftung. Er stirbt am 9. August 1919 im Schlaf im eigenen Bett."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Haeckel. -- Zugriff am 2006-04-03. -- Der ganze Artikel dort ist sehr lesenswert!]



Abb.: Ernst Haeckel: Adams Peak

[Bildquelle: Haeckel, Ernst <1834 - 1919>: Tropenfahrten : Reiseschilderungen aus Ceylon, Java und den Mittelmeergebieten / Ernst Haeckel. Hrsg. von Anneliese Dangel. -- Leipzig : Brockhaus VEB, 1969. -- 278 S. : Ill ; 21 cm. -- Nach S. 48.]

Der Adams-Pik auf Ceylon

von

Ernst Haeckel

1883

"Unter den hervorragenden Berghöhen, welche seit grauem Altertum besondere Gegenstände der Bewunderung und Verehrung für die Menschen gewesen sind, nimmt der weltberühmte Adams-Pik auf Ceylon eine der ersten Stellen ein. Denn seit mehr als zwei Jahrtausenden verherrlicht ihn die Sage bei den größten Kulturnationen Asiens als Schauplatz der ältesten und wunderbarsten Ereignisse. Wie schon der Name sagt, ist seine Geschichte mit dem Schicksale des Mannes verknüpft, der nach dem Mythus der mosaischen Schöpfungsgeschichte als erster Mensch erschaffen und gemeinsamer Stammvater der ganzen Menschheit wurde. Aber nicht allein der Adam der mosaischen Legende, der von hier sowohl in das Christentum als in den Islam als erster Mensch herübergenommen wurde, spielt auf dem sagenumwobenen Adams-Pik eine hervorragende Rolle; sondern auch Buddha, der Gründer der weitverbreiteten Weltreligion, und Siva, sein mächtiger brahmanischer Rivale. Wie Ceylon selbst lange Zeit als das eigentliche Paradies galt, und wie es hinsichtlich seiner wunderbaren Naturpracht wirklich den Namen eines irdischen Paradieses verdienst, so ist auch die Geschichte von Adam und Eva, den ersten Paradiesbewohnern, mit derjenigen seiner merkwürdigsten Bergspitze verwebt; und wie die mannigfaltigsten Schling- und Kletterpflanzen in unübertroffener Schönheit und Fülle die gewaltigen Baumriesen von Ceylon mit phantastischem Schmuck umranken, so hat die erfindungsreiche religiöse Dichtung die kegelförmige Spitze des Adams-Pik oder des Samanala mit einem Kranze von wunderbaren Legenden umsponnen.

In erster Linie verdankt der Adams-Pik diese hervorragende Rolle offenbar seiner ausgezeichneten Lage und Gestalt. Spitz wie ein schlanker Zuckerhut erhebt sich sein Felsenkegel an der südwestlichen Ecke des zentralen Gebirgslandes, hoch alle benachbarten Berggipfel überragend. Allerdings ist er nicht der höchste von allen. Denn der Pedura-Talla-Galla (Pidurutalagala), im Zentrum des Hochlands bei Nurellia gelegen, übertrifft ihn um volle 1000 Fuß und erreicht 8200 englische Fuß Meereshöhe. Aber der Pedura bildet gleich den allermeisten Bergen von Ceylon eine rundlich gewölbte Gneiskuppe von wenig auffallender Form und tritt neben seinen gleichgestalteten Nachbarn wenig hervor. Im Gegensatz dazu macht sich der schlanke Kegel des Adams-Pik um so mehr geltend, als seine flachgewölbten Nachbarkuppen bedeutend niedriger sind. Er krönt gewissermaßen als südwestlicher Eckturm die steile Gebirgsmauer des Hochlandes, das als zusammenhängende Urgebirgsfeste in der Südhälfte der Insel emporsteigt. Weithin ist daher der Pik auch bei klarem Wetter sichtbar und bildet auf viele Meilen Entfernung die ersehnte Landmarke, welche dem Seefahrer die Nähe der immergrünen Wunderinsel ankündigt. Häufig ist sein isoliertes Haupt mit einer einzelnen Wolke, wie mit einem Hute bedeckt, und dann erinnert er an einen Vulkan mit seiner Rauchsäule, an den Vesuv mit seiner Pinienwolke.

Hervorragende Berggipfel, welche in ähnlicher Weise, bald mehr durch isolierte Lage, bald mehr durch auffallende Gestalt sich bemerkbar machen, sind in vielen verschiedenen Ländern seit altersgrauer Vorzeit Gegenstand phantasiereicher Dichtung und abergläubischer Verehrung geworden. Oft haben auch besondere, an solche isolierte Bergspitzen geknüpfte Naturerscheinungen, oder die mit ihrer Ersteigung verknüpften Gefahren Veranlassung gegeben, sie mit einem Gewände von geheimnisvollen Sagen oder religiösen Mythen zu schmücken. Wir brauchen bloß an unseren Brocken im Harze, oder an die Schneekoppe im schlesischen Riesengebirge zu denken. In Neapel ist der feuerspeiende Vesuv, in Sizilien der gewaltige Ätna, in Griechenland der heilige Götterberg Olympus, in Arabien der einsame Sinai der Mittelpunkt eines solchen Sagenkreises geworden. Kein Wunder, dass bei dem phantasiereichen Volke der alten Inder, inmitten der großartigsten Pracht der Tropennatur, der imposante Pik von Ceylon frühzeitig eine ähnliche Bedeutung gewann. In den alten einheimischen Annalen der Singhalesen, in dem berühmten Geschichtswerk des Mahavansa (Mahavamsa), tritt der Adams-Pik schon vor mehr als zwei Jahrtausenden auf, und zwar als Samanala, oder Samanto-Kuta, als die Burg des Wächtergottes Saman. Zuerst wird er erwähnt in der Legende des frommen Heldenkönigs Dutu Gameni (Duttha-gamani), 150 Jahre vor Christi Geburt. Die Priester, welche dessen Sterbebett umstehen, preisen seine vielen guten Werke; sie erzählen das Wunder vom Reiskorn, welches der gute König als Almosen verteilt hatte und welches von den Priestern auf dem Gipfel des Wächterberges noch unter 900 andere Priester verteilt werden konnte.

Die Burg des Wächtergottes gilt in dieser uralten Sage bereits als berühmtes Heiligtum, und dies gestattet den Schluss auf ein noch viel höheres Alter des betreffenden Kultus. In der Tat spielt derselbe bereits in den ältesten Legenden des Buddhismus eine Rolle, wie die schöne Insel selbst in dieser mächtigsten Religion des Ostens. Als Buddha inmitten eines furchtbaren Gewittersturmes herniederfährt, betritt er die grüne Insel unter Donner und Blitz; er verjagt das wilde Heer der bösen Geister, die bis dahin Lanka-Diva, die glückselige Insel, beherrscht hatten, und schlägt selbst inmitten dieses Paradieses seinen Sitz auf. Hier verkündigt er zuerst sein Evangelium vom Nirwana und lehrt die Menschen ihr Glück in der Entsagung suchen: ohne Wunsch zu leben, um ohne Furcht zu sterben. Hier ist es, wo der Pessimismus, die in unseren Tagen wieder auflebende Philosophie des Unbewussten, zuerst klaren Ausdruck fand: »Resignation, dies herbste aller Worte, Eröffnet uns allein des Friedens Pforte!« Andächtig lauscht das zusammengeströmte Singhalesenvolk der Heilsbotschaft des Mensch gewordenen Gottes. Die berauschende Pracht der umgebenden Tropennatur, die uns armen Nordländern als der verkörperte Paradiesgarten erscheint, hindert die Eingeborenen nicht, auf alles Glück derselben Verzicht zu leisten; und dem Beispiele seiner versammelten Fürsten und Adelsgeschlechter folgend, wird bald das Lankavolk zur Buddhalehre bekehrt. Als bleibende Denkmäler seines Besuches hinterlässt Buddha bei seiner Himmelfahrt nicht allein eine Handvoll seines Haupthaares, sondern auf besonderes Gebet des Königs auch den Eindruck seines Fußes. Dieser heilige Fußtapfen, der wundertätige Sripada, blieb an dem Punkt zurück, auf welchem der Fuß des Buddha die Erde zum letzten Male berührte, auf der höchsten Felsenspitze des Samanala.

Seit dieser Zeit, also seit mehr als 2500 Jahren, entwickelte sich dieses Heiligtum zu einem Wallfahrtsorte ersten Ranges, zu welchem in zunehmendem Maße die gläubige Buddhistenwelt des ganzen Ostens zusammenströmte. Aber ehe sie dahin gelangten, mussten die frommen Pilger sich durch dichte Urwälder hindurcharbeiten, reich an Elefanten, Bären, Leoparden und anderen wilden Tieren; sie mussten zahlreiche Bäche und Ströme durchkreuzen, die in wilden Schluchten als brausende Wasserfälle herabstürzen; sie mussten an senk-rechten Felswänden emporklimmen, die allein dem fliegenden Vogel zugänglich erschienen. Freilich, je größer diese Gefahren und Beschwerden, desto höher das Verdienst der gläubigen Wallfahrer. Auch sorgten kluge Priester schon frühzeitig dafür, dass ein Opferbecken auf dem Gipfel die reichen Spenden der wohlhabenden Pilger aufnahm, und dass ein verheißungsvoller Legendenkranz das Verdienst dieses Peterspfennigs in gehöriges Licht setzte.

Schon im zehnten Jahrhundert nach Christi Geburt hatten die Wallfahrten auf den Adams-Pik eine solche Ausdehnung erlangt, dass der fromme König Khirti Nissunka Wijeya Chako, von der beschwerlichen Pilgerfahrt zurückgekehrt, es für nötig fand, besondere Zugangswege für dieselbe durch die ganze Insel anzulegen und allenthalben freie Herbergen für die Pilger zu errichten, Tschultris oder Ambalams. 300 Jahre später wurde an Stelle des alten, äußerst mühsamen und gefährlichen Pilgerpfades ein bequemerer Weg angelegt und über die wildesten Bergströme eine Anzahl von Brücken gebaut, stark genug, um selbst Pferde und Elefanten zu tragen. Über dem heiligen Fußtapfen des Buddha selbst erhob sich ein kleiner Tempel.

Der >Sripada< oder der heilige Fußtapfen in der Felsenspitze des Samanala ist aber nicht allein Gegenstand höchster Verehrung für die Buddha-Religion, der fast zwei Drittel der Inselbevölkerung, die eigentlichen Singhalesen, zugetan sind. Vielmehr wird derselbe in gleicher Weise als wundertätige Reliquie auch von den brahmanischen Anhängern der Hindu-Religion verehrt, zu welcher sich ungefähr ein Drittel der Ceylonbewohner bekennt, die schwarzen Tamilen oder Malabaren, Eroberer dravidischen Stammes, die von der indischen Halbinsel über die Adamsbrücke herübergekommen sind. Nach ihrer Legende ist es der Gott Siva, welcher bei seiner Himmelfahrt hier seine Spur hinterlassen hat. Wieder eine andere Bedeutung wird dem Sripada von den mohammedanischen Arabern beigelegt, die schon sehr frühzeitig auf ihren unternehmenden Handelsfahrten gegen Osten Ceylon kennenlernten. Nach der arabischen Legende, die aus der älteren buddhistischen hervorwuchs, rührt der heilige Fußtapfen vom Stammvater des Menschengeschlechts, von Adam her. Als derselbe nach dem Sündenfalle aus dem Paradiese vertrieben wurde, ergriff ihn ein Engel beim Arm und setzte ihn auf dem Gipfel des nach ihm nunmehr benannten Ceylon-Piks nieder. Gleichzeitig büßte Eva, die schöne Verführerin, ihre Schuld auf dem weit entfernten einsamen Berggipfel Arafath, oberhalb des heiligen Mekka in Arabien. Wenn Adam hier wirklich all' den endlosen Jammer voraussah, den sein Genuss der Frucht vom Baume der Erkenntnis für das arme Menschengeschlecht bis auf den heutigen Tag zur Folge hatte, dann ist es freilich kein Wunder, dass sein stehender Büßerfuß sich tief in den harten Gneisfelsen der Bergspitze einbohrte und dass seine reuevollen Tränen einen kleinen See bildeten. Noch heute wird diese heilige Flut von den andächtigen Pilgern als wundertätiges Medikament gegen die verschiedensten Übel getrunken.

Der Islam hat übrigens diese Adamslegende gleich vielen anderen Sagen aus der christlichen Mythologie entnommen. Denn sie findet sich bereits drei Jahrhunderte vor Mohammed in dem berühmten Kopten-Manuskripte über »die Glaubensweisheit«, aus dem 4. Jahrhundert nach Christus, welches Tertullianus dem großen Gnostiker Valentinus zuschreibt. Hier wird zum ersten Male der heilige Fußtapfen des büßenden Adam erwähnt und erzählt, wie der Erlöser der Jungfrau Maria mitteilte, er habe einen besonderen Engel als Wächter über denselben angestellt.

Auch die chinesischen Ceylonpilger haben zum Teil diesen Mythus adoptiert und beziehen den heiligen Fußtapfen auf Twan-Koo, den ersten Menschen, während andere ihn dem Buddha zuschreiben. Hingegen leiten ihn die ersten christlichen Eroberer der Insel, die Portugiesen, vom heiligen Thomas ab, dem Apostel, der hier zuerst das Christentum gepredigt habe. Wiederum eine andere Deutung gewann er schon frühzeitig bei den Persern. Hier ist der Urheber desselben Alexander der Große, dessen Inderzug für das ganze Morgenland eine reiche Sagenquelle wurde. Der persische Dichter Aschref aus Herath, der selbst eine Pilgerfahrt auf den Adams-Pik unternommen hatte, beschreibt in einem blumenreichen Epos den fabelhaften Seezug Iskanders oder Alexanders nach Serendib (der alte Name der Insel bei den Arabern). Der mazedonische Eroberer besteigt, am Ende der Welt angelangt, die höchste Bergspitze der wundervollen Paradiesinsel und hinterlässt daselbst als bleibendes Denkmal den Eindruck seines gewaltigen Fußes. Freilich wissen die griechischen Geschichtsschreiber nichts von einer solchen Umschiffung Indiens und von dem Besuche Alexanders auf Ceylon; aber nichtsdestoweniger gewann auch dieser persische Mythus eine weite Verbreitung. So ist es denn eine gar seltsame und wunderliche Gesellschaft, welche die erfindungsreiche Sage auf dem himmelanstrebenden Gipfel des blauen Ceylon-Piks versammelt. Da streiten sich um die Ehre ihres Fußtapfens der indische Gott Buddha mit dem christlichen Apostel Thomas, der brahmanische Gott Siva mit dem singhalesischen Wächtergott Saman, der mazedonische Welteroberer Alexander mit dem semitischen Urvater des Menschengeschlechts, mit Adam. Dieser letzte aber hat in dem schwierigen Wettkampfe den Sieg gewonnen; denn nach ihm wird der weltberühmte Berg noch heute endgültig benannt, und er ist es ja auch, der so vielen andern wichtigen Punkten der uralten Paradiesinsel seinen Namen hinterlassen hat. Denn die Adamsbrücke ist es, die Ceylon früher mit dem indischen Festlande in Verbindung setzte und auf welcher die indischen Tiere und Pflanzen in früheren geologischen Perioden ebenso auf die Insel hinüberwanderten, wie später die malabarischen Eroberer, die schwarzen Tamilen. Adamsgarten ist das prachtvolle, blumenreiche Paradies, welches sich am Fuße des Berges ausbreitet, und Adamsfrucht die herrliche Paradiesfeige oder Banane, die zu den edelsten Geschenken der reichen singhalesischen Flora gehört; sie bildete die Nahrung der ersten Menschenkinder, der Adamiten von Ceylon. Die kostbaren Edelsteine, an denen die Insel reich ist, sind Adamstränen. Eine dunkle Felsenhöhle unterhalb des Berggipfels ist das Adamshaus, von ihm selbst mit eigenen Händen aus Felsplatten erbaut; und die prachtvollen Rhododendronbäume, die dasselbe beschatten und mit ihren blutroten Riesenblumen überschütten, sind Adamsrosen. Der schöne Teich endlich am Fuße des Berges, dessen kristallklares Wasser ein Felsenquell direkt aus dem Paradiese herleitet, ist das heilige Adamsbad. Angesichts dieses blumenreichen Sagengewandes, das den stolzen Adams-Pik vom Fuße bis zum Gipfel umhüllt, und das über drei Weltteile seinen mystischen Schatten ausbreitet, dürfen wir wohl mit Fug und Recht behaupten, daß der heilige Wächterberg von Ceylon einer der merkwürdigsten Berggipfel unserer Erde sei, selbst ganz abgesehen von der unbeschreiblichen Naturpracht, welche die Tropensonne in verschwenderischer Fülle über seine Gestalt ausgießt. Wer daher in Ceylon war und den Adams-Pik nicht besteigt, begeht eigentlich eine größere Unterlassungssünde, als derjenige, welcher in Rom war und den Papst nicht gesehen hat. Trotzdem wird aber der wunderbare Berg in der Tat nur selten bestiegen; und unter hundert Europäern, die dort lebten oder sich vorübergehend dort aufhielten, ist wohl kaum einer auf seinen Gipfel gelangt. Freilich ist aber diese Pilgerfahrt auch heute noch keine Kleinigkeit und sie erfordert mancherlei Vorbereitungen und Hilfsmittel.

Die erste Besteigung des Adams-Pik, über die wir eine ausführliche Beschreibung besitzen, ist diejenige des arabischen Gelehrten Ibn Batuta, aus dem Jahre 1340 . . . In unserem Jahrhundert wurde der Adams-Pik zuerst 1817 von einem Europäer bestiegen, von dem britischen Militärarzte John Davy, einem Bruder des berühmten Physikers Sir Humphry Davy. Er führte die Besteigung von der Südseite aus, über Ratnapura und Palabatula, und das ist auch der Weg, den die meisten folgenden Reisenden einschlugen, von Deutschen insbesondere der Prinz Waldemar von Preußen, in dessen Begleitung der Naturforscher Hoffmeister war, später Friedau, Königsbrunn, Schmarda, Ransonnet und andere. Dieser südliche Weg hat den Vorzug, dass man in aller Bequemlichkeit auf guten Wegen bis nach Ratnapura, der berühmten Stadt der Edelsteine, fahren kann, und von hier noch über Gillimalle nach Palabatula, das unmittelbar am Fuße des jäh aufsteigenden Gebirgsstocks liegt. Aber der Bergpfad von hier hinauf ist äußerst steil und beschwerlich, und man ist genötigt, nahezu 7000 Fuß auf demselben ununterbrochen aufwärts zu steigen. Bequemer und weniger anstrengend hat sich in neuerer Zeit die Ersteigung von der Nordseite gestaltet. Diese wurde zuerst 1819 von dem Engländer Sawers ausgeführt. Er war der erste Europäer, der eine Nacht auf dem Gipfel zubrachte. Auch dieser Bergpfad war damals noch äußerst beschwerlich aus Mangel an Wegen und Brücken. Sawers brauchte nicht weniger als fünf volle Tagereisen, um von Ambegamma, am Nordfuße des Pik in bedeutender Höhe gelegen, die kurze Strecke bis auf den Gipfel zurückzulegen. Undurchdringliche Urwälder, steile Felsgehänge, jähe Abgründe, wilde Bergbäche und Wasserfälle ohne Brücken erschwerten das Vordringen außerordentlich.

In den letzten vierzig Jahren ist das ganz anders geworden. Der vordringenden Kaffeekultur ist der größte Teil jener herrlichen Urwälder zum Opfer gefallen, und Hunderte von englischen Pflanzer-Bungalows sind allenthalben in den ausgedehnten Kaff e-, Tee- und Cinchonanpflanzungen zerstreut. Gutgebahnte Pfade, zum Teil sogar bequeme Fahrwege führen von einer Pflanzung zur anderen; und über die Bergströme und Abgründe sind sichere Brücken geschlagen. Seit einigen Jahren führt selbst eine kleine Eisenbahn - ein südlicher Zweig der Colombo-Kandy-Bahn - von Peradenia über Gampola nach Nawala-Pitya, und von hier kann man in einem Postomnibus südwärts in 4-5 Stunden bis nach Dickoya gelangen. Letzteres ist aber nur einen Tagemarsch von den südlichsten Pflanzungen entfernt, die gegenwärtig schon bis unmittelbar an den nördlichen Fuß der Pik-Pyramide hinaufgehen.

Diesen bequemeren Weg schlug auch ich auf Anraten meiner Freunde ein, als ich im Februar vorigen Jahres eine Reise in das Gebirgsland von Ceylon unternahm. Gut mit Empfehlungen ausgestattet, fuhr ich von Peradenia am 10. Februar in einer Strecke ununterbrochen bis Dickoya und wanderte von da zu Fuß durch die südwestlichen Kaffeedistrikte des Hochlandes nach St. Andrews. Es ist dies die höchstgelegene Pflanzung unmittelbar am nördlichen Fuße des Adams-Pik, und an ihren gastfreien Besitzer, Mr. Christie, war ich schon vorher besonders empfohlen.

Der südliche Felsenabsturz des Samanala erhebt sich so steil aus der blühenden Ebene, in welcher am Ufer des herrlichen schwarzen Flusses, noch nicht 100 Fuß über dem Meeresspiegel, die Singhalesenstadt Ratnapura liegt, dass der rüstige, von hier aus emporklimmende Wanderer in einem Tage bis auf den Gipfel des heiligen Pilgerberges gelangen kann. Für die harten Beschwerden dieser anstrengenden Bergpartie wird man dabei durch den großen Genuss entschädigt, welchen der schnelle Wechsel der verschiedenartigen übereinander aufsteigenden Vegetationszonen gewährt. Allerdings ist dieser Wechsel nicht so auffallend, wie bei manchen höheren Bergen der heißen Zone, wie z. B. beim Pik von Teneriffa, bei dessen gelungener Besteigung ich vor 16 Jahren die einzelnen Pflanzengürtel in der Tat so regelmäßig geschieden fand, wie es Alexander von Humboldt schon früher beschrieben hatte. Aber der schneebedeckte Gipfel des Pik von Teneriffa erreicht auch fast die doppelte Höhe des Adams-Pik, und wir bleiben daher auf letzterem wie auf allen Hochgipfeln von Ceylon noch weit unter der Schneegrenze. Dahingegen ist andererseits hier, unter dem 7. Grade nördlicher Breite, die unvergleichliche Pflanzenpracht der Äquatorialzone in ungleich größerer Fülle und Mannigfaltigkeit entwickelt, als indem reizenden Tale von Orotava an dem subtropischen Gestade der Kanarischen Inseln. Bei der beständigen Temperatur von 22-260 R und bei der nahezu vollkommenen Feuchtigkeit der heißen Luft, welche in der südwestlichen Küstenzone von Ceylon herrscht, stellt dieselbe ein großartiges natürliches Treibhaus dar, dessen wundervolle Produkte von keiner anderen Gegend der Erde übertroffen werden. Hier finden wir vereint in der herrlichsten Entwicklung die edelsten und großartigsten von allen Gewächsen, die Palmen und Pisange, die Bambussen und Banyanen. Fast jede von den singhalesischen Hütten, die in dieser Kokosregion allenthalben zerstreut sind, ist von einem Kranze solcher prächtigen Tropenbäume geschmückt. Da wetteifert die stolze Kokos- mit der schlanken Arekapalme; der eichenartige Brotfruchtbaum mit dem zierlichen Melonenbaum. Die Pfefferrebe klettert um die Wette mit dem indischen Wein an den schlanken Stämmen empor und hängt in reizenden Festons und Kränzen von ihren Ästen herab. Unten aber bilden die riesengroßen Blätter der Bananen und Caladien, die handförmigen Blätter der Cassaven die schönste Umzäunung der idyllischen Gärten, in denen prachtvolle Blumen neben den nützlichsten Kulturgewächsen gepflanzt werden. Sobald wir uns aus diesem üppigen Paradiesgarten zu den Vorbergen des Hochlandes erheben und die erste Stufe desselben emporsteigen, treten andere Kulturpflanzen an die Stelle der erstgenannten. Die wasserreichen Täler erscheinen terrassiert und mit einem zarten Sammetteppich belegt, dessen leuchtendes Grün dasjenige des schönsten englischen Rasenbeetes übertrifft. Es ist der junge Reis, der Paddy, der diese maigrünen Saatfelder bildet. In ihrer Umgebung und an den trockneren Stellen zwischen ihnen stehen Fruchtgärten, in denen die Orangen und Guayaven gedeihen, daneben die zottige Zuckerpalme, der Kittul, und die wundervolle Riesenschirmpalme, der Talipot.

Einige hundert Fuß höher verlassen wir diese zweite Palmenzone und treten nun aus der niederen Bergregion in die heiligen Säulenhallen eines Urwaldes, der die höchste Baumpracht unserer gemäßigten Zone eben so weit oder noch mehr überflügelt, als diese letztere die kümmerlichen Birken- und Föhrenwälder der nördlichsten Waldgürtel hinter sich lässt. Da wandern wir stundenlang aufwärts in einem Naturtempel, dessen schlanke, glatte Baumsäulen kerzengerade und unverzweigt sich zu 80-100 Fuß Höhe erheben, ehe sie sich zu einer mächtigen dunkelgrünen Krone ausbreiten. So dicht ist das undurchdringliche Schattendach derselben, dass selbst die mächtige Tropensonne nur hie und da einen schwachen Lichtstrahl verstohlen in die tiefe Dämmerung fallen lässt, welche die kühlen Tempelhallen erfüllt. Garzinien, Dillenien, Terminalien und verschiedene Rubiaceen sind es, die nebst wunderbaren Fikus-, Ebenholz-, Sandelholz- und vielen anderen Waldbäumen dieselben zusammensetzen. Die prachtvollen, seltsamen Blüten von schmarotzenden Orchideen und Gewürzlilien zieren ihre Stämme. Kletternder Pandanus, Freycinctia, Purtada und andere Schmarotzerbäume winden sich an den hohen Stämmen kühn empor, schwingen sich in stolzen Bogen von einem Baum zum andern und bilden die Turngerüste für die munteren Scharen der Affen und Eichhörnchen, die hier ihre bewunderungswürdigen gymnastischen Künste zeigen. Prächtige, metallglänzende, goldiggrüne Waldtauben, Papageien und Bienenfresser fliegen scharenweise hoch oben zwischen den Kronen hin, während unten am rauschenden Waldbache große, blaugrüne Eisvögel mit der Fischjagd beschäftigt sind. Zwischen den braunen Luftwurzeln der Schmarotzerpflanzen hängen auch zahlreiche grüne von den Baumästen herab. Sobald wir diese letzteren aber erfassen wollen, entschlüpfen sie uns zwischen den Händen; denn es sind zierliche Baumschlangen, die sich mit ihrem dünnen Peitschenschwanze an einen Baumast aufgehängt haben. Auch die niedlichen kleinen Laubfrösche, die sich in den weißen Blumenkelchen der großen Lilien verstecken und da ihre glockenähnliche Silberstimme ertönen lassen, sind schön grün bemalt, und so tragen auch noch viele andere Tiere des Waldes auf der immergrünen Wunderinsel deren herrschende Charakterfarbe, entsprechend Darwins Gesetze der gleichfarbigen Zuchtwahl.

Wie gerne würden wir in dem kühlen Schatten dieser erhabenen Urwälder länger weilen und an den rauschenden Wasserfällen ihrer Bäche die zierlichen Farne und Selaginellen oder die seltsam gestalteten Malsaminen und Begonien sammeln, die deren Ufer schmücken; oder zwischen den pfeilförmigen Riesenblättern der Araceen die großen Nachtfalter und bunten Spinnen jagen; oder zwischen dem wirren Wurzelgeflecht der umgestürzten Baumriesen die goldglänzenden Prachtkäfer (Buprestis), zwischen ihrem abgefallenen Laub die wunderbaren ast- und blattgleichen Heuschrecken suchen, die stabförmigen Gespenstschrecken (Phasma) und. die wandelnden Blätter (Phyllium). Aber leider drängt unsere Zeit; und leider lassen uns auch hier wieder die zahllosen kleinen Landblutegel nicht zu vollem Genüsse gelangen.

Während dieser stolze Hochwald auf den steilen südlichen und westlichen Gehängen des Adams-Pik noch jetzt einen zusammenhängenden immergrünen Mantel bildet und an 4 bis 5000 Fuß emporsteigt, ist er dagegen an der nördlichen und östlichen Seite jetzt größtenteils den vordringenden Kaffeepflanzungen zum Opfer gefallen. Er besteht hier nur noch in den steilen, unzugänglichen Felsenschluchten siegreich den Vernichtungskampf, mit dem ihn Axt und Feuer des feindlichen Pflanzers bedroht. Höher hinauf hingegen, oberhalb 5000 Fuß, ist auch jetzt noch der grüne Waldmantel des Pilgerberges unversehrt, und gerade die charakteristische Gipfelpyramide, welche sich gegen 2000 Fuß hoch weit über alle Nachbarn erhebt und über Land und Meer hinweg für den nahenden Schiffer das untrügliche Wahrzeichen der Insel bildet, gerade diese Landmarke ist noch jetzt bis zur höchsten Spitze hinauf von einer zusammenhängenden grünen Decke umschlossen. In diesem obersten Gürtel, zwischen 5000 und 7000 Fuß, zeigt aber der Urwald eine ganz andere Zusammensetzung und Physiognomie, als in den zauberhaften grünen Tempelhallen, die wir soeben verlassen haben. Dieser Unterschied ist schon von ferne sichtbar, indem das matte, ins Graue spielende Grün der oberen Zone weit blasser erscheint als das intensive Dunkelgrün des unteren Waldgürtels. Das rührt hauptsächlich davon her, dass die lederartigen Blätter der immergrünen Bäume hier oben meistens matter auf ihrer Oberseite gefärbt sind, hingegen filzig oder silberweiß auf der Unterseite. Ihre dunklen Stämme sind knorrig, oft sehr winkelig verzweigt und von gelben Moosen dicht umhüllt. Die Waldbäume, die hier oben an die Stelle der vorher genannten der unteren Zone treten, gehören vorzugsweise zu den Familien der Myrten und Lorbeern, zu den Gattungen Eugenia und Syzygium, Tetranthera und Actinodaphne. Aber auch die indische Magnolie, die schöne Michelia, sowie das herrliche, baumförmige Rhododendron spielt in denselben eine große Rolle, und nicht minder das Lieblingsfutter der wilden Elefanten, die merkwürdige Nillustaude, die Akanthacee Strobilanthus. Die Elefanten gehen derselben fast bis zum Gipfel des Pik nach, und wir waren nicht wenig erstaunt, ihre festgetretenen Pfade noch eine halbe Stunde unterhalb des Gipfels zu finden. Unser Gastfreund, Mr. Christie, hatte selbst noch im vorigen Jahre hier oben einen mächtigen Elefanten geschossen, dessen kolossaler Schädel unter den Jagdtrophäen in seinem Bungalow eine hervorragende Stelle einnahm. Es ist höchst überraschend, die frischen Spuren dieser schwerfälligen Kolosse an steilen, wenn auch dichtbebuschten Felsenabhängen zu finden, an denen sich der kletternde Wanderer nur mit Mühe emporarbeitet. Auch Leoparden sind in diesen Walddickichten des Hochgebirges noch jetzt sehr häufig, und nicht minder der gefürchtete Lippenbär (Ursus labiatus). Diese Räuber leben hauptsächlich von der Jagd auf Elkhirsche (Russa hippelaphus), die noch in großen Scharen hier zu finden sind. Auch der große graue Affe des Hochlandes, Presbytis ursinus, fällt dem grimmen Leoparden hier oft zum Opfer. Wir sahen die schönen Felle beider in einem kleinen Bazar, den ein spekulativer Araber mitten am Pilgerwege errichtet hatte, ungefähr eine Stunde oberhalb St. Andrews.

Die Hütten, die diesen bunten Pilgerbazar bildeten, waren höchst malerisch im Grunde einer tief eingeschnittenen Schlucht gebaut; am Ufer eines rauschenden Gebirgsbaches, der in kühnen Sprüngen über steile Felsen an der Nordwestseite der Pikpyramide hinabstürzt. Nichts kann den romantischen Reiz dieser wilden Bergbäche in den Urwäldern des Gebirges von Ceylon übertreffen. Bald stürzen sie sich in ungezähmter Kraftfülle tobend und schäumend über senkrechte Felswände herab; bald springen sie im gemäßigten Laufe sprudelnd und rauschend über die Steinblöcke ihres Granitbettes; bald bleiben sie vor einer Quermauer, die das letztere riegelartig durchsetzt, stehen und sammeln ihre klaren Wassermassen zu einem kleinen Teich oder Seebecken an, in dem der Himmel das Spiel seiner ziehenden Wolken abspiegelt. Allenthalben aber sind diese herrlichen Gewässer von einem üppigen, grünen Rahmen eingefasst, dessen Reize weder Feder, noch Pinsel vollkommen wiederzugeben vermögen.

Wohl die höchste Zierde dieser wasserreichen, kühlen Bergbachbetten sind die prächtigen Baumfarne, eine der edelsten Vegetationsformen, von deren Schönheit uns die verkrüppelten Exemplare in unseren Treibhäusern kaum eine annähernde Vorstellung geben können. Sie ersetzen im Hochlande den Schmuck der Palmen, der fast ausschließlich auf das heiße Tiefland beschränkt ist. Aus einiger Entfernung sind beide zum Verwechseln ähnlich. In beiden trägt der schlanke, ungeteilte, hoch aufstrebende Stamm eine einfache Krone von riesengroßen Fiederblättern; diese Wedel sind aber bei den Farnbäumen viel zarter und feiner, viel tiefer eingeschnitten und viel mehr fiederig zusammengesetzt, als bei den derberen und robusteren Palmen. Neben diesen Farnbäumen (Alsophila) sind es aber auch niedere, stammlose Farnkräuter (Angiopteris), die durch die kolossale Größe ihrer 15-20 Fuß langen Wedel an den Ufern dieser Bergbäche unser höchstes Erstaunen hervorrufen.

Ein anderer Schmuck derselben besteht in den reizenden Lianen, in den mannigfaltigen Schling- und Kletterpflanzen, die in üppigster Fülle Stamm, Äste und Zweige der Bäume bedecken. Bald hängen sie gleich den zierlichsten Ampeln von den Kronen senkrecht herab, bald schlingen sie sich rings von Zweig zu Zweig wie bei einem schöngeputzten Weihnachtsbaum ; bald umhüllen sie die mächtigen alten Baumstämme mit einem dichten grünen Mantel; und bisweilen erscheint dieser letztere mit prachtvollen Blumen wie mit leuchtenden Edelsteinen verbrämt. Besonders sind es unter diesen Lianen die Orchideen, Ingwer, Gewürzlilien und die kletternden Pandangs (Freycinetia), die durch die Farbenpracht und seltsame Form ihrer großen Blütenähren unser Entzücken erregen. Bald sollten wir aber den Nutzen dieser Lianengeflechte im Urwalde noch näher kennen lernen. Denn nachdem wir oberhalb des Wasserfalls auf einem Baumstamme über den tosenden Bach glücklich hinüber balanciert waren, führte uns unser schmaler und beschwerlicher Pilgerpfad in ein Dickicht hinein, dessen Baum- und Strauchmassen durch erstaunliche Lianengeflechte zu einer geradezu undurchdringlichen Mauer verwebt waren. Keinen Schritt weit konnten wir seitlich von dem glatt getretenen Wege abweichen, der nur durch Tausende von Pilgern gangbar erhalten wird. Über eine Stunde stiegen wir so in einem grünen Tunnel empor, dessen mächtiges Schattendach keinen Sonnenstrahl durchdringen ließ und uns durch seine kühle Dämmerung die heiße Mühe des jähen Kletterns wesentlich erleichterte. Aber nicht allein dieses kostbare Schattendach bilden die mächtigen Netze der verwebten Lianenstricke über unseren Häuptern, sondern auch förmliche Leitersprossen am Boden zum Anklammern der Füße, und zu beiden Seiten biegsame, aber feste Treppengeländer, an denen wir uns mit den Händen emporziehen.

Mitten in diesem reizenden, immergrünen Gange begegneten wir einer Pilgerschar von etwa 30 schwarzen Tamilen oder Malabaren; halbwilden Leuten von jener interessanten Dravidarasse, die wahrscheinlich zu den Urbewohnern Vorderindiens gehört. Vor mehr als 1000 Jahren sind sie vom Festland auf die Insel herübergekommen und haben fast deren Hälfte mit Gewalt erobert; gegenwärtig bilden sie die Hauptmasse der Arbeiter in den Kaffeeplantagen und besiegen in friedlichem Wettkampfe fleißiger Arbeit die trägen und weichlichen Singhalesen. Bei der geringen Breite des steilen Waldpfades blieben die Tamilpilger ehrerbietig stehen, um uns aufwärts Klimmende erst vorüber zu lassen, und so fanden wir Gelegenheit, die Schönheit ihres schlanken und doch kräftigen Körperbaues aus nächster Nähe zu bewundern; um so mehr, als die Kleidung der meisten sich auf einen weißen Turban und einen roten Lendenschurz beschränkte. Alle Lebensalter waren unter dieser Pilgerschar vertreten, vom reizenden jugendlichen Knaben und zierlichen Mädchen bis zum zitternden Greise und der welken Matrone; und die kräftigen Frauen trugen selbst teilweise einen Säugling am Busen oder ein einjähriges Kind reitend auf der Hüfte. Denn es gilt sowohl bei diesen brahmagläubigen Tamilen als bei den buddhagläubigen Singhalesen für höchst verdienstlich und gottgefällig, die Pilgerfahrt auf den heiligen Berg schon in frühester Jugend zu unternehmen; nicht allein glauben die frommen Pilger sich dadurch Gesundheit und langes Leben zu sichern, sondern auch Schutz vor bösen Geistern und Vergebung für zukünftige Sünden.

Ein interessantes Schauspiel ganz anderer Art überraschte uns, als wir eine viertel Stunde später abermals einen rauschenden Waldbach überschritten, und durch einige prachtvolle Balsaminen verlockt, einen kleinen Seitenabstecher im Flussbette aufwärts machten. Bei einer plötzlichen Biegung desselben standen wir vor einem reizenden Bassin, das von hohen Urwaldriesen eingeschlossen und mit kühnen Girlanden phantastisch verziert war. Eine Herde von großen grauen Gebirgsaffen (Presbytis ursinus), deren lebhafte Stimmen wir schon unmittelbar vorher gehört hatten, trieb hier ihr munteres Spiel, wurde aber durch unsere unvermutete Erscheinung so erschreckt, dass sie eilends auf die entgegengesetzte Seite flüchtete. Dabei benutzten die kühnen Seiltänzer die überhängenden Lianen als Klettertaue, mit erstaunlicher Geschicklichkeit sich von einem Baum zum anderen schwingend. Als wir etwas weiter oberhalb aus dem schattenspendenden Dickicht heraustraten, standen wir unmittelbar vor einer hohen Felswand, in der eine lange Treppe von eingehauenen Stufen aufwärts führte. Am oberen Rande derselben bemerkten wir auf einer vorspringenden Plattform mehrere Ambalams oder Pilgerherbergen. Wir hatten schon weiter unten mehrere derselben passiert. Diese Gruppe aber war weit ansehnlicher und bildete die letzte Hauptstation auf dieser Nordseite des Pikkegels. Viele Pilger sind schon hier von den Beschwerden des steilen und steinigen Weges so ermüdet, dass sie daselbst übernachten, obgleich man von hier bis zum Gipfel kaum mehr als eine starke Stunde zu klettern hat, freilich sehr mühselig. Andere Pilger rasten hier nur ein paar Stunden und erquicken sich an feilgebotenen Früchten oder an Curry und Reis, welchen sie sich selbst am offenen Feuer bereiten. Ein großes solches Feuer flackerte gerade am oberen Felsrande unter einem Zelte von hohen Bäumen; eine Schar von braunen Singhalesen war malerisch rings um dasselbe gelagert. Nach kurzer Rast bei diesem Ambalam und erquickt durch den Genuss einiger saftiger Bananen, brachen wir auf, um die letzte und steilste Strecke unserer Pilgerfahrt zu vollenden. Es beginnt nun jener berüchtigte und gefürchtete Teil der höchsten Pik-Pyramide, an welchem auf lange Strecken Treppenstufen in den nackten, jähen, oft senkrecht aufsteigenden Felsenabhängen angebracht sind, und zur Seite derselben mächtige eiserne Ketten, an denen man sich beim Aufwärtsklimmen festhalten muss. Manche von diesen Riesenketten, von frommen Pilgern gestiftet, sind wohl über 1000 Jahre alt; die verwitternden und verrostenden Ringe werden aber stets durch neue ersetzt. Starke eiserne Pflöcke, in den nackten Gneisfelsen tief eingetrieben, halten von Strecke zu Strecke die klirrenden Ketten fest.

Für Bergwanderer, die zum Schwindel geneigt sind, ist dieser Kettenpfad freilich kein passender Weg, und wir mussten um so mehr die Kletterkünste der schwarzen Tamilfrauen bewundern, die, mit Säuglingen und Kindern beladen, oft dazu noch einen Korb mit Lebensmitteln auf dem Kopfe, hier frei hinauf und hinab balancierten, mit den beweglichen Zehen der nackten Füße sich gleich Vierhändern anhaltend. Aber wenn diese Himmelsleiter auch sehr beschwerlich ist und höchst gefährlich aussieht, so ist sie das doch nur an wenigen Stellen. Denn wenn man, wie es oft geschieht, auf den schlüpfrigen Steinstufen ausgleitet oder wenn die trügerische Kette den Händen entschlüpft, so stürzt man nicht in eine jähe Tiefe, um unten zerschmettert liegen zu bleiben, sondern man fällt in ein weiches, grünes Bette, in dem höchstens einzeln hervorragende Baumäste uns einige unsanfte Rippenstöße erteilen. So undurchdringlich ist auch hier die zauberhafte Fülle der wuchernden Tropenvegetation, und so dicht werden die Laubmassen durch schlingende Lianen verwebt, dass aus der jähen Tiefe vielfach die wogenden Blätterkissen der hohen Baumkronen bis zum Fuße des Wanderers heranreichen und bei einem unvorsichtigen Fehltritte den Fallenden in ihren weichen Armen auffangen.


Abb.: Spitze des Adams Peak


Abb.: Plan der Spitze des Adams Peak

[Quelle der beiden Abb.: Tennent, James Emerson <1804-1869>: Ceylon: an account of the island. --  2nd ed. --  London : Longman, Green, Longman, and Roberts, 1859. --  2 Bde. : Ill. ; 23 cm. -- Bd. 2, S. 140.]

Endlich war auch diese letzte Prüfung glücklich überstanden. Nachdem wir die oberste Kettentreppe erklommen hatten, erblickten wir unmittelbar über uns die nackte Felsenspitze des Wunderberges und auf derselben den weltberühmten Buddhatempel, das Endziel unserer mühsamen Pilgerfahrt. Wenige steile Stufen noch, und wir standen am Eingang in das ehrwürdige Heiligtum, ehrerbietig begrüßt von den alten weißbärtigen Buddhapriestern, die hier als Wächter dasselbe hüten und die Opfer der Wallfahrer entgegennehmen. Sie wohnen indessen hier oben nur 4-5 Monate, von Januar bis April oder Mai. Während des übrigen Jahres ist der Samanala wegen der täglichen, überaus heftigen Regengüsse ganz unzugänglich. Der oberste Gipfel des Adams-Pik entspricht ganz den Vorstellungen, die wir uns als kleine Kinder von hohen Bergspitzen zu machen pflegen; wir denken sie uns so spitz zulaufend, wie einen Zuckerhut, und begreifen nicht, wie ein Haus da oben stehen kann. In der Tat ist die oberste Gneiskuppe des Samanala so zugespitzt, dass nur das kleine Heiligtum darauf Platz findet, welches sich baldachinartig über dem heiligen Fußtapfen wölbt. Und auch unmittelbar am Fuße dieses heiligen Felsblockes, 20 Fuß tiefer, ist der Raum so beschränkt, dass neben der schmalen, hinaufführenden Treppe nur ein paar enge Priesterwohnungen nebeneinander stehen, winzige, einstöckige Steinhütten. Dieser ganze enge Raum ist umfriedet von einer niedrigen weißen Mauer mit zwei Eingangspforten, einer im Norden, der anderen im Süden. Die schönste Einfassung derselben aber bilden die prachtvollen Rhododendronbäume, die sich zu unsern nahe verwandten Alpenrosen ähnlich verhalten wie der tropische Riesenbambus zu unserem zarten Grashalm. Jeder Zweig dieser knorrigen, 30—50 Fuß hohen Bäume trägt ein schimmerndes Ballbukett, eine mächtige Rosette von dunkelgrünen Blättern, aus deren Mitte 20-30 prachtvoll scharlachrote Rosen hervorleuchten. Nachdem wir die schmale Treppe hinaufgestiegen und unter das Dach des kleinen, halboffenen, baldachinartigen Tempelchens getreten waren, standen wir vor dem Sripada, vor dem ehrwürdigen Heiligtume, welches seit mehr als 2000 Jahren der Gegenstand andächtigster Verehrung für so viele Millionen frommer Pilger gewesen ist. Der heilige Fußtapfen an sich scheint nicht geeignet, diese Anbetung zu rechtfertigen. Es ist eine einfache, länglich runde Vertiefung in der obersten Fläche der Felsenkuppe, 5V4 Fuß lang, 21/2 Fuß breit. Es gehört viel Einbildungskraft dazu, um in diesem flachen Felsenbecken auch nur annähernd den Abdruck eines menschlichen Riesenfußes zu erkennen. Unsere Paläontologen, die aus den fünfzehigen und vierzehigen Fährtenabdrücken in bunten Sandstein und Keuper mit voller Sicherheit auf die Existenz der Reptilien, Vögel und Säugetiere schließen, die dort im Meeresschlamme vor Millionen von Jahren lustwandelten, würden sich schwerlich bereit finden, den Sripada hier als Abdruck eines Wirbeltierfußes gelten zu lassen. Indessen der feste Glaube vermag viel; und um der ringenden Phantasie skeptischer Pilger zu Hilfe zu kommen, haben die Buddhapriester

schon seit langer Zeit dem verwaschenen Umrisse des Fußtapfens mit einer leistenförmigen Gipseinfassung nachgeholfen, die an einem Ende durch vier einspringende Kämme die Spalten zwischen den fünf Zehen angeben soll. Leider ist jedoch diese künstliche Nachhilfe so mangelhaft, dass man daraus nur auf eine recht plumpe Form des Fußes schließen kann. Um unsere kritischen Bedenken etwas zu beschwichtigen, machte einer der Priester darauf aufmerksam, dass der Abdruck ursprünglich vollkommen scharf und erst durch die Berührungen der zahllosen Pilger mit Lippen und Händen verwischt worden sei; und darin kann der fromme Mann wohl Recht haben, wenn man sich erinnert, wie die Erzfüße des Apostels Petrus in der Peterskirche zu Rom durch das gleiche Verfahren gelitten haben.

Rings um den heiligen Fußtapfen war der rötliche Gneisfels mit den duftigen Blumen bestreut, welche die Singhalesen gewöhnlich als Opfer vor ihren Buddhatempel zu bringen pflegen: die großen, weißen und gelben, aromatischen Blüten des Tempelbaums (Plumiera) und des Jasmin, die roten Rosen der Melastomen und des Rhododendron. Diese und andere Opferblumen sowie Betelblätter, Arekanüsse und Reishaufen lagen auch in kleinen Felsennischen außerhalb des Tempelchens sowie auf der grünen Balustrade, welche dessen unteren Teil umgibt. Auf der letzteren erheben sich zwölf kleine, grüne Säulen, welche das vorspringende Ziegeldach des Tempelchens mit zwei goldenen Knäufen tragen. An den vier Ecken ist dasselbe, gleich einem verankerten Luftballon, an vier starken, in dem Felsboden befestigten Eisenketten angelegt, damit es nicht von den heftigen, oft über die Pikspitze hinfegenden Windstößen fortgetragen wird.

Während der sechs Stunden, die wir auf dem Gipfel des Adams-Pik zubrachten, sahen wir mehrere Pilgerscharen daselbst ihre Andacht verrichten; abwechselnd buddhistische Singhalesen und brahmanische Tamilen. Auch ein paar arabische Mohammedaner kamen dazwischen herauf und beteten mit derselben Andacht den Sripada als Fußabdruck des Urvaters Adam an, mit welcher unmittelbar vorher die schwarzen Malabaren denselben als Reliquie des Siva, und die braunen Singhalesen als Andenken an Buddha verehrt hatten. Die gegenseitige friedliche Duldung, welche diese drei ganz verschiedenen Religionen hier oben gegeneinander seit mehr als 1000 Jahren üben, ist in der Tat erhebend; sie ist in vieler Beziehung beschämend, namentlich für die verschiedenen christlichen Sekten, die sich mit größter Intoleranz befehden. Man denke nur an die blutigen Kämpfe der griechischen und römischen Christen am heiligen Grabe in Jerusalem; oder an die widerwärtigen Beweise von gehässiger Unduldsamkeit, die wir selbst gegenwärtig noch jedes Jahr in unserm Vaterlande erleben müssen.

Die Andachtsübungen der Pilger selbst waren meist einfach < und bescheiden: tiefe Verbeugungen und Gebete vor dem < Sripada, Streuen von Blumen und Räuchern mit aromatischen < Gewürzen, Anbrennen von Kerzen und Anschlagen kleiner < Glocken, endlich Geschenke an die Priester, bestehend in , Reis, Betel, verschiedenen anderen Nahrungsmitteln, Silber- '( und Kupfermünzen. Wunderlicherweise gilt auch das Opfer \ von alten abgetragenen Kleidungslappen als verdienstlich; ' solche hingen in großer Zahl an dem Treppengeländer. Aus < dem Munde der Betenden ertönte oft wiederholt der Ruf < Sadu, Sadu! (Heilig, Heilig! Amen, Amen!). Die Mehrzahl < der ankommenden Wallfahrer verweilte nun sehr kurze Zeit , auf dem Gipfel und stieg alsbald wieder hinab, nachdem die < Andacht beendigt war. \

Weit interessanter und erhebender als diese Andachtsübungen ; der Pilger und die Zeremonien der Priester war für uns das < großartige Panorama, welches die unbeschränkte Aussicht von * diesem isolierten Berggipfel darbietet. Mit einem Blick über- j schauen wir hier den größten Teil der immergrünen Insel, die * in so vieler Beziehung zu den schönsten und merkwürdigsten 4 der Welt gehört. Allerdings ist das Großartigste an unserem 4 Panorama gerade diese Vorstellung und die Erinnerung an die \ tausend herrlichen und interessanten Bilder, mit denen unsere Streifzüge durch dies irdische Paradies uns bereichert haben. Indem wir hier den Schauplatz derselben von einem Punkte aus rings überschauen, durchfliegen wir gewissermaßen das Inhaltsverzeichnis des Skizzenbuches, das wir hier mit Feder und Pinsel gesammelt haben.

Hingegen ist der malerische Wert dieses merkwürdigen Panoramas nicht so groß, als er von manchen Reisenden geschildert wird. Denn so weit das Auge auch nach allen vier Himmelsgegenden reicht, sieht es nichts als ewig grünes Waldgebirge, Ketten über Ketten getürmt, Täler an Täler gereiht. So üppig ist der wunderbare Pflanzenwuchs von Ceylon, dass derselbe

alles andere überwuchert und verdeckt. Höchstens kann man an der helleren oder dunkleren Farbe des immergrünen Inselmantels unterscheiden, ob mehr fruchtreiches Kulturland oder mehr dichter Urwald denselben zusammensetzt. Selbst in den fruchtreichen Kulturtälern des Saffragam, am südlichen Fuße des Adams-Pik, unmittelbar zu unseren Füßen, sind die zahlreichen Dörfer und Pflanzungen von den hochragenden Kronen der Palmen, der Mango, Brotfruchtbäume usw. vollständig verdeckt; und ebenso können wir auch in den zahlreichen Plantagen der nördlich vor uns liegenden Kaffeedistrikte die Bungalows und Hütten nicht unterscheiden. Die einzigen Gegenstände, welche die immergrüne Inseldecke unterbrechen, sind die glitzernden Silberfäden ihrer zahlreichen Bäche und Ströme; und die größeren Wasserflächen, die in weiter Entfernung den Sonnenglanz spiegelnd zurückwerfen, die Salzseen von Hambangtotte im Südosten, der Indische Ozean im Westen.

Indessen ist es vielleicht gerade diese grüne Einförmigkeit, die sanfte Wellenform der gerundeten Gebirgsrücken, der Mangel phantastischer Felsformen, überhaupt die Abwesenheit aller schroffen Gegensätze, welche dem ausgedehnten Panorama vom Samanala seine eigentümlich einfache Größe und Erhabenheit verleihen. Nicht wenig trägt dazu die wundervolle reine und frische Bergluft bei, die majestätische, tiefblaue Kuppel des indischen Himmels und die lautlose Stille der Umgebung - der Ausdruck des paradiesischen Friedens und des harmlosen Naturlebens, das die wundervolle Insel überhaupt charakterisiert. Man lernt hier begreifen, wie diese isolierte Bergspitze der einigende Mittelpunkt andächtigen Gottesdienstes für mehrere ganz verschiedene Religionsformen werden konnte . . .

Ich hatte die Absicht gehabt, auf dem Gipfel des Pik zu übernachten, um die Phänomene beim Untergang und Aufgang der Sonne, insbesondere den Wechsel seines kegelförmigen Schattens zu beobachten. Allein ich war durch den mehrmonatigen Aufenthalt in dem feuchtheißen Treibhausklima des Küstenlandes so verwöhnt, dass mich schon um Mittag bei 15°R empfindlich fror, trotzdem ich mich fest in Plaid und Wolldecke gewickelt hatte. Da nun das Thermometer während der Nacht hier um diese Jahreszeit auf 3-4° sinkt, und da der kühle Nordost-Monsun durch die Fugen der Wände der elenden und schmutzigen Priesterwohnungen frei hindurchstrich, verlor ich die Lust, auf dem harten Felsenboden der letzteren zu übernachten. Zum Glück machte am Nachmittage auch das Wetter allen Zweifeln ein Ende. Die strahlende Reinheit des sonnigen Morgenhimmels war schon gegen Mittag durch Ansammlung zahlreicher kleiner Haufenwolken getrübt worden, die aus den dampfenden Tälern aufstiegen. Gegen zwei Uhr ballten sich dieselben zu dichten Nebelmassen, welche schleierartig die Bergketten eine nach der andern verhüllten. Nur dann und wann tauchte noch ein grünes Berghaupt aus dem wogenden Nebelmeer für kurze Zeit auf. Die Aussichten auf einen klaren Abend schwanden bald ganz, und die zunehmende Kühle bestimmte uns, schon gegen vier Uhr aufzubrechen und unsern steilen Rückweg nach St. Andrews anzutreten . . . Der Rückweg im Nebel, besonders das Hinabklettern an den jähen Felswänden, war noch beschwerlicher als das Hinaufsteigen; ich fühlte es nachher noch mehrere Tage in den Knien. Sehr ermüdet langte ich nach Sonnenuntergang wieder in St. Andrews an, aber höchst befriedigt von den reichen Eindrücken der Pilgerfahrt, einer der dankbarsten unter allen meinen Wanderungen auf Ceylon."


Abb.: Sonnenaufgang auf dem Adam's Peak
[Bildquelle: fotofreund. -- http://www.flickr.com/photos/fotofreund/147147384/. -- Creative Commons Lizenz. -- Zugriff am 2006-06-04]


Abb.: Aussicht vom Adam's Peak
[Bildquelle: Still searching. -- http://www.flickr.com/photos/stillsearching/27201462/. -- Creative Commons Lizenz. -- Zugriff am 2006-06-04]


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