Materialien zum Neobuddhismus

Knackfuß-Bild

Wilhelm II.: "Völker Europas, wahrt Eure heiligsten Güter!"

3. Deutschland

2. Die Entwicklung in Deutschland 1860-1890


von Alois Payer

mailto: payer@payer.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Alois <1944 - >: Materialien zum Neobuddhismus.  --  3. Deutschland. -- 2. Die Entwicklung in Deutschland 1860-1890. -- Fassung vom 2005-07-30. -- URL: http://www.payer.de/neobuddhismus/neobud0302.htm . -- [Stichwort].

Erstmals publiziert: 1996-05-15

Überarbeitungen: 2005-07-30 [Ergänzungen]; 2005-05-05 [Ergänzungen]; 2005-05-05 [überarbeitet]; 2005-04-28 [überarbeitet]; 2003-07-03 [überarbeitet]

Anlass: Lehrveranstaltung Neobuddhismus, Univ. Tübingen, SS 1987, SS 2003, SS 2005

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0. Übersicht



1. Weiterführende Ressourcen


Buttler, Paul-Gerhardt: Die buddhistische Bewegung in Deutschland. -- In: Asien missioniert im Abendland / hrsg. von Kurt Hutten und Siegfried von Kortzfleisch. -- Stuttgart : Kreuz-Verl., 1962. -- S. 73-120.

Chronik des Buddhismus in Deutschland / [von Hellmuth Hecker]. 3. neubearb. u. erw. Aufl. -- [Plochingen], 1985. (Schriftenreihhe der DBU; 5)

Notz, Klaus-Josef: Der Buddhismus in Deutschland in seinen Selbstdarstellungen : e. religionswiss. Untersuchung zur religiösen Akkulturationsproblematik. -- Frankfurt : Lang, 1984. -- (Europäische Hochschulschriften, Reihe XXIII; 223). -- Zugl. München, Univ. Diss., 1982.
[Fehlerhaft und schlecht gearbeitet]


2. 1860-1869


Kehren wir zur Abwechslung nach Deutschland zurück, das wir 1860 mit dem Tode Schopenhauers verlassen haben. Die wichtigsten Ereignisse seither:

1860


Abb.: Albrecht Weber

Albrecht Weber (1825 - 1901) veröffentlicht in der Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft eine Dhammapadaübersetzung, die aber außerhalb Fachkreisen unbekannt blieb.

"Weber, Albrecht, ausgezeichneter Sanskritist, geb. 17. Febr. 1825 in Breslau, gest. 30. Nov. 1901 in Berlin, machte 1846 eine wissenschaftliche Reise nach England und Paris, wo er zu Wilson, Burnouf, Reinaud u. a. in Beziehungen trat, habilitierte sich 1848 in Berlin und wurde daselbst 1856) um außerordentlichen, 1867 zum ordentlichen Professor der altindischen Sprache und Literatur ernannt. Seit 1857 war er Mitglied der Berliner Akademie. Viele wichtige und zum Teil umfangreiche Sanskrittexte sind von Weber zum erstenmal kritisch herausgegeben worden, namentlich der »Weiße Jadschurveda« (Berl. u. Lond. 1852-59, 3 Bde.) und die »Taittirîja Samhitâ« (dem »Schwarzen Jadschurveda« zugehörig; Leipz. 1871-72, als 11. u. 12. Bd. der »Indischen Studien«). In seiner »Indischen Literaturgeschichte« (Berl. 1852, 2. vermehrte Aufl. 1876; auch ins Englische und Französische übersetzt) lieferte er ein höchst wertvolles Handbuch. Sammlungen seiner kleinern Arbeiten, meist kritischen Inhalts, sind die »Indischen Skizzen« (Berl. 1857) und die »Indischen Streifen« (das. 1868-79, 3 Bde.); die letztern enthalten Rezensionen über fast alle bedeutendern Werke der betreffenden Zeit aus dem Gebiete des Sanskrits und der indischen Altertumskunde. Seit 1850 gab Weber mit Unterstützung der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft die »Indischen Studien« heraus, die außer der oben erwähnten Ausgabe der Taittirîja Samhitâ von ihm Abhandlungen über »Die Kastenverhältnisse in den Brâhmana und Sûtra«, über das »Vedische Opferritual«, das er als erster gründlich erforschte, über die Upanischads, über das Mahâbhâshya u. a. enthält. Wichtige Beiträge zur Kenntnis des Prâkrit lieferte er in den Abhandlungen: »Über ein Fragment der Bhagavatî« (Berl. 1866 bis 1867, in den Abhandlungen der Berliner Akademie) und über das »Saptaçatakam des Hâla« (Leipz. 1870; vollständige Ausg., das. 1881). Von seinen sonstigen in den Schriften der Berliner Akademie erschienenen Arbeiten sind namentlich die über die Nakshatras, die Sternbilder der Mondbahn (1860-61) und über die Entstehung des »Râmâjana« (1870) hervorzuheben. Ein hochwichtiges Werk Webers ist noch das »Verzeichnis der Berliner Sanskrithandschriften« (Berl. 1853; Bd. 2, 1886-92, 3 Tle.). Zahlreiche lexikalische Beiträge, besonders die Ritualtexte des Veda betreffend, lieferte er zum großen Petersburger Sanskritwörterbuch."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

1861

Handels-Vertrag Japan-Preußen

1869

Eröffnung des Suezkanals: entscheidende Verkürzung des Seeweges nach Indien und Ostasien.


3. 1870-1880


1871

Gründung des Deutschen Reiches

1871-12-10  - 1886-05-21

"Kulturkampf" zwischen dem Deutschen Reich und der katholischen Kirche

1875

Karl Hagenbeck (18344 - 1913) führt erstmals seine Völkerschauen ("Völkerausstellungen") vor. Die Ceylon-Show zieht in Paris 1886 innerhalb von zwei Monaten über eine Million Besucher an.


Abb.: Plakat für Hagenbecks Völkerschau "Ceylon", 1886. Diese Schau wurde auch in der Schweiz, England und Frankreich gezeigt


Abb.: Ankündigung der Singhalesen-Truppe, 1886

"Hagenbeck, Karl, Tierhändler, geb. 10. Juni 1844 in Hamburg, entwickelte aus dem 1852 begonnenen Tierhandel seines Vaters (gest. 1887), den er 1866 übernahm, ein Geschäft von großer Bedeutung. Er rüstete großartige Expeditionen zum Tierfang, hauptsächlich nach Afrika, aber auch nach andern Weltteilen, aus, die alljährlich 4-5 Transporte nach Hamburg einbrachten, und sandte auch mehrere Reisende aus. Seit 1875 begann Hagenbeck ethnographische Schaustellungen (Lappländer, Nubier, Eskimo etc.) in allen größern Städten Europas. 1893 besuchte er mit mehr als 1000 Tieren die Weltausstellung in Chicago. - Seine Schwester Christiane Hagenbeck betreibt seit 1873 den Vogelhandel selbständig und führt jährlich 40-50,000 Stück ein; auch sie rüstet direkte Expeditionen nach Madagaskar, Brasilien etc. aus. "

[1907 gründete Hagenbeck den Tierpark Hagenbeck.
1913 starb er.]

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


4. 1881: H. Oldenberg: Buddha


1881


Abb.: Hermann Oldenberg

Oldenberg, Hermann <1854 - 1920>: Buddha, sein Leben, seine Lehre, seine Gemeinde. -- 1. Aufl. -- Berlin, 1881.
7. Aufl. 1920.
13. Aufl. (mit Ergänzungen von H. v. Glasenapp). -- 1959.

Ein überaus einflussreiches Buch. Das Nachwort von Helmuth v. Glasenapp zur Ausg. von 1959 sagt alles Wesentliche zu diesem Buch (lesen!).

Oldenberg war Indologe und kein Buddhist. Obwohl sein Werk nicht leicht zu lesen ist, erschienen bisher 15 Ausgaben. Oldenberg versucht den ursprünglichen Buddhismus Gotama Buddhas zu rekonstruieren. Dabei verwendet er vor allem den Pali-Kanon der Theravadabuddhisten, weniger die Überlieferungen der anderen Schulen. Obwohl Oldenberg der Bedeutung der Ordenszucht nicht ganz gerecht wird und wohl auch die Bedeutung des Weltbildes für Buddha verkennt, ist sein Verdienst, dass er für lange Zeit der wichtigste Vertreter der Frage nach dem ursprünglichen Buddhismus des historischen Buddha blieb.

Starke Kritik an Oldenbergs anatta-Vorstellung und Nirvana-Vorstellung bei Paul Carus: Buddhism and its Christian critics. -- 1897. -- S. 59ff.

"Oldenberg, Hermann, Sanskritist, geb. 31. Okt. 1854 in Hamburg, studierte in Berlin und Göttingen, promovierte in Berlin, wirkte dort auch als Privatdozent und wurde 1881 außerordentlicher Professor in Berlin, 1889 ordentlicher Professor in Kiel. Seine besonders für die Geschichte des Buddhismus in Indien wichtigen Veröffentlichungen umfassen außer kleinern Arbeiten folgende größere Werke: »The Vinayapitakam« (Pâlitext, Lond. 1879 ff., 5 Bde.); »Buddha, sein Leben, seine Lehre, seine Gemeinde« (Berl. 1881; 5. Aufl., Stuttg. 1906); »Vinaya Texts« (engl. Übersetzungen, mit Davids, in den »Sacred Books of the East«, Oxf. 1881-85, 3 Bde.); »Grihya-Sûtras« (ebenda, das. 1886-90, 2 Bde.); »Die Hymnen des Rigveda« (Berl. 1888, Bd. 1); »Die Religion des Veda« (das. 1894); »Aus Indien und Iran« (das. 1899); »Vedaforschung« (Stuttg. 1905); »Indien und die Religionswissenschaft« (das. 1906)."

[1908 wurde Oldenberg Professor in Göttingen. 1920 starb er.]

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


1884

Deutsche "Schutzgebiete" in Afrika: Beginn des deutschen Kolonialreiches


5. 1885: Theodor Schultze: Dhammapadaübersetzung


Zu Theodor Schultze:

Pfungst, Arthur: Ein deutscher Buddhist : Oberpräsidialrat Theodor Schultze. -- 1. Aufl. -- Stuttgart : Fromanns, 1899. -- 50 S.
2., verm. Aufl. -- Stuttgart : Fromanns, 1901. -- 52 S.
Engl. Übersetzung: 1902. -- 79 S.

Zu Arthur Pfungst s.:

Hecker, Hellmuth <1923 - >: Lebensbilder deutscher Buddhisten ; ein bio-bibliographisches Handbuch. -- Band II: Die Nachfolger. -- Konstanz, 1992. -- S. 216-218.
[Dort weitere Literatur]

1885

Übersetzung des Dhammapada durch Theodor Schultze (wurde bekannt):

Das Dhammapada : eine Verssammlung, welche zu den kanonischen Büchern der Buddhisten gehört / aus der engl. Übers. von Prof. F. Max Müller in Oxford, Sacred books of the East vol x, metrisch ins Deutsche übertragen. Mit Erläuterungen. -- Leipzig, 1885.

Theodor Schultze (1824 - 1898), ein Jurist im u.a. preußischen Verwaltungsdienst, beschäftigte sich seit 1882 mit indischer Philosophie. Das Dhammapada übersetzte er nicht direkt aus dem Pali, sondern aus der englischen Übersetzung von Max Müller im 10. Bd. von The sacred books of the East. Schultze fügte eigene Erläuterungen hinzu. Die Übersetzung erschien anonym. Schultze wollte damit das Interesse des deutschen gebildeten Publikums für die indische Geisteswelt wecken.

Ich gehe hier nicht weiter auf Schultze und seine Auseinandersetzung mit dem Christentum ein. Siehe dazu besonders:

Schultze, Theodor <1824 - 1898>: Das Christentum Christi und die Religion der Liebe : ein Votum in Sachen der Zukunftsreligion. -- Leipzig, 1891. -- 80 S.

Schultze, Theodor <1824 - 1898>: Das rollende Rad des Lebens und der feste Ruhestand. -- Leipzig, 1892. -- 143 S.

Beides erschien 1893 zusammengefasst als:

Schultze, Theodor <1824 - 1898>: Vedanta und Buddhismus als Fermente für eine künftige Regeneration des religiösen Bewusstseins innerhalb des europäischen Kulturkreises. -- Leipzig, 1893.
2. Aufl. -- 1898
3. Aufl. u.d.Titel: Die Religion der Zukunft. -- Frankfurt, 1901

1894

Buddhas Leben und Wirken / nach der chinesischen Bearbeitung von Açvagoshas Buddha-Carita und deren Übersetzung in das Englische durch Samuel Beal in deutsche Verse übertragen von Th. Schultze. -- Leipzig : Reclam, [1894]. -- 303 S. ; 15 cm.


6. 1888: Subhadra Bhikschu: Buddhistischer Katechismus


Zu Friedrich Zimmermann:

Hecker, Hellmuth <1923 - >: Lebensbilder deutscher Buddhisten ; ein bio-bibliographisches Handbuch. -- Band II: Die Nachfolger. -- Konstanz, 1992. -- S. 286-290
[Dort weitere Literatur]

1888


Abb.: Friedrich Zimmermann
[Bildquelle: Archiv Hermann Schiewe]

Während Oldenbergs Darstellung eine wissenschaftliche Abhandlung über den Buddhismus als religionsgeschichtliche Merkwürdigkeit ist, versucht Friedrich Zimmermann (Degerloch, 1852 - 1917) den Buddhismus 1888 in Katechismusform als Wahrheit darzustellen:

Subhadra <Bhikschu> (=Friedrich Zimmermann 1852-1917): Buddhistischer Katechismus zur Einführung in die Lehre des Buddha Gotama. -- Braunschweig, 1888. -- 88 S.
2.-6. Aufl.: 1890 (2. Aufl.); 1892 (3. Aufl.); 1894 (4. Aufl.); 1896 (5. Aufl.); 1898 (6. Aufl.)
7. Aufl. -- Berlin, 1902. 85 S.
8. - 11. Aufl. -- Leipzig, 1908
12.-14. Aufl., durchges. von K. Seidenstücker. -- Leipzig, 1921. -- 107 S.
Englische Übersetzung: London, 1890; 1891 (2. Aufl.); 1892 (3. Aufl.); 1894 (4. Aufl); 1895 (amerikan. Ausg. der 4. Aufl. -- New York); 1906 (5. Aufl. -- Colombo; Nachdruck: 1949); 1920 (6. Aufl. -- New York); 1922 (7. Aufl. -- New York); 1970 (8. Aufl. -- Kandy; Nachdruck: 1980)
Französische Übersetzung: Paris, 1889; Genf, 1998; Louvain, 1892 (gekürzte Fassung)
Holländische Übersetzung: Haag, 1889; Arnheim-Nijmwegen, 1897 (2. Aufl.); Amsterdam, 1906 (3. Aufl.)
Italienische Übersetzung: Neapel, 1897; 1922 (2. Aufl.)
Japanische Übersetzung: Otsu, 1891; Osaka, 1893 (2. Aufl.)
Schwedische Übersetzung: Stockholm, 1890
Ungarische Übersetzung: 1893, 1896, 1901, 1906
Tschechische Übersetzung: 1919.

Die Katechismusform ist eine Anpassung an das, was sich im christlichen Religionsunterricht bewährt hatte.

Über Friedrich Zimmermann schreibt Hellmuth Hecker:

"Friedrich Albert Oswald Zimmermann war von Beruf Mathematiker, wie es hieß »graduated in engineering«. Später war er redakteur. Wie er von Berlin nach Stuttgart kam, ist nicht bekannt. In Stuttgart war er Mitbegründer des Litterarischen Klubs. Er war verheiratet und Vegetarier. Durch Schopenhauer war er früh zum Buddhismus gekommen. Wie viele, so wollte er in Asien buddhistischer Mönch werden, wurde aber durch ein Herzleiden daran gehindert."

Die Bibliothek von Friedrich Zimmermann wurde von seiner Frau der Universitätsbibliothek Tübingen geschenkt. Deshalb hat die UB Tübingen ausgezeichnete Bestände zum frühen Buddhismus in Deutschland.

"Vorwort zur sechsten bis achten Auflage

Die vorliegende kurzgefasste Darlegung der Grundzüge des Buddhismus ist aus den ältesten und zuverlässigsten Quellen, den Pali-Suttas des Tipitakam geschöpft und enthält den Geist und Kern der echten Buddhalehre, unter Weglassung alles Beiwerks, mit welchem die scholastische Gelehrsamkeit späterer Zeiten die Worte des Meisters umgeben, und der Aberglaube und die kindliche Phantasie des Volkes sie ausgeschmückt haben.

Als im Jahre 1888 die erste Auflage des »Buddhistischen Katechismus« erschien, gab es zwar schon wissenschaftliche Werke über den Buddhismus genug, aber selbst in den gebildeten Kreisen Deutschlands kannte man die reine Lehre des Buddha Gótamo kaum dem Namen nach, und wenige gab es, die in dieser ältesten und edelsten Weltreligion etwas anderes, als eine längst vergangene und abgetane kultur- und religionsgeschichtliche Merkwürdigkeit sahen, nicht aber eine lebendige, heute wie vor 2400 Jahren gültige Wahrheit. Hier trat der »Buddhistische Katechismus« als Bahnbrecher auf. sein Verfasser wagte den Versuch, die weitesten Kreise der gebildeten für die Größe und Schönheit der buddhistischen Weltanschauung zu interessieren, Verständnis und Achtung dafür zu erwecken und ihr Freunde und Anhänger zu gewinnen. Er wurde dabei geleitet von der festen Überzeugung, dass die echte Buddhalehre von weittragendem Einflusse auf die geistigen Bewegungen der Gegenwart werden müsse, und ihre Verbreitung eine Kulturmission im höchsten Sinne sei.

Wenn jetzt die sechste Auflage des Katechismus erscheinen kann, wenn in der kurzen Zeit bereits eine ganze Reihe von Schriftstellern für und wider den Buddhismus in Büchern, Broschüren und Aufsätzen Partei ergriffen hat, wenn überall Vergleiche zwischen Christentum und Buddhismus gezogen werden, die Kirchen besorgt auf den neuen Gegner zu blicken beginnt, und sogar Kaiser Wilhelm II. es für nötig hielt durch ein allegorisches Gemälde die europäische Christenheit zu gemeinsamem Kampfe gegen den eindringenden Buddhismus aufzurufen, so zeigt dies zur Genüge, wie genau sich des Verfassers Voraussicht bestätigt hat. Die erhabene Lehre des indischen Weisen beginnt auf alle Denkenden mächtig einzuwirken und ihre Weltanschauung umzugestalten.

Zimmermann bezieht sich auf das Bild von H. Knackfuß "Völker Europas, wahret Eure heiligsten Güter", nach einem Entwurfe von Kaiser Wilhelm II., Geschenk des deutschen Kaisers an den Zaren von Russland.


Abb.: H. Knackfuß "Völker Europas, wahret Eure heiligsten Güter",

Äußerlich freilich bemerkt man davon noch nicht viel; die stärksten Strömungen gehen oft in der Tiefe. Aber der deutsche Kaiser hat richtig erkannt, dass der christlichen Kirche von keiner Seite so ernste Gefahr droht als von der Lehre des indischen Königssohnes aus dem Stamme der Sákyos, die er sich nur deshalb als eine unheilvolle, Zerstörung um sich verbreitende Macht vorstellt, weil er sie nicht kennt.

Wohl ist die von dem Buddha verkündete Wahrheit eine Zerstörerin, aber nicht der heiligsten Güter der Völker Europas, sondern des Irrtums, des Wahnes, des Aberglaubens und der geistigen und moralischen Knechtschaft, worüber in Schrecken zu geraten nur jene Ursache haben, in deren Vorteil es liegt, wenn statt des Lichtes die Finsternis herrscht.

Die Lehre Buddhas wendet sich an alle die, welche nicht von »göttlicher Gnade ohn' eignes Verdienst« das Heil erwarten, sondern die Muth und Kraft genug haben, auf eigenen Füssen zu stehen; die kühn genug sind, nicht glauben, sondern wissen, und nicht blind der Autorität folgen, sondern selbst für sich denken zu wollen. Sie ist die wahre Zuflucht derer, die nicht in materiellem Fortschritt und gesteigertem Wohlleben das höchste Ziel des Daseins erblicken, sondern abgestoßen von dem wilden Kampfe um Besitz und Genuss, den die Selbstsucht trotz unserer hochgesteigerten Kultur noch heute so erbarmungslos führt, wie vor Jahrtausenden, sich sehnen nach neuen Lebensformen, unter denen wahre Menschlichkeit gedeihen kann. Sie ist die rechte Trösterin und Führerin für alle, die unbefriedigt von den Lehren der herrschenden Religionen nach einem weiteren Ausblick, einem höheren Ziele und einem festeren Halt verlangen, als ihnen die Dogmen und Mythen des Christentums oder selbst die trotz ihrer glänzenden Ergebnisse doch stets auf die Erscheinungswelt beschränkt bleibende, nie in das Wesen der Dinge eindringende Wissenschaft gewähren kann.

Für alle diese ist der »Buddhistische Katechismus« verfasst. Wenn sie ihn recht lesen und verstehen, so werden sie darin finden, was sie suchen: eine Lehre, welche frei von Dogmen und Formenwesen, im Einklang mit der Natur und ihren Gesetzen, die höchsten, Geist und Herz gleichermaßen befriedigenden Wahrheiten in so einfachem Gewande enthält, dass sie selbst dem bescheidenen Verstande fassbar sind, und dabei doch von einer Tiefe, die auch von dem philosophisch und wissenschaftlich gebildeten, mit allen geistigen Errungenschaften einer hochgesteigerten Kultur ausgerüsteten Europäer nicht leicht ergründet werden kann.

Glaube Niemand, mit der Lehre des indischen Weltweisen schnell fertig zu werden. Alles Große ist schwierig, und die Erkenntnis hat viele Grade. Jede erkannte Wahrheit ist nur die Stufe zu einer höheren, noch nicht erkannten.

Wer in diesem Sinne den »Buddhistischen Katechismus« liest, der allein liest ihn recht.

Und so möge denn das Licht der wetterleuchtenden Lehre, das aus dem fernen Osten, woher ja alles Licht stammt, jetzt seine Strahlen in das Abendland hinübersendet, sich siegreich immer weiter ausbreiten, zum Wohle, zum Heile, zur Befreiung für Jedermann.

Im Jahre 2441 nach dem Nirwána des Vollendeten.

Subhadra Bhikschu."

Einen ersten Eindruck dieses Katechismus mögen die 1. bis 11. Frage geben:

1. Zu welcher Religion bekennst du dich?
Ich bin ein Buddhist.

2. Was versteht man unter einem Buddhisten?
Einen Menschen, welcher den Buddha als den Welterleuchter, unsern höchsten geistigen Führer und Meister verehrt und sich ernstlich bestrebt, im Sinne seiner Lehre zu leben.

3. Wie wird man ein Buddhist?
Durch freie Entschliessung. Nicht durch die Geburt, nicht durch Nationalität, noch Rasse; nicht durch eine Weihe, Taufe oder sonst eine rechtsverbindliche Ceremonie, denn der Buddhismus besitzt weder die Gewalt einer Staatsreligion, noch eine Hierarchie. Wer die Lehre des Buddha nachlebt, ist ein Buddhist, mag er einer Buddhistengemeinde angehören oder nicht. Der Eintritt zu einer solchen erfolgt durch einfache Willenserklärung und Aussprechen der Zufluchtsformel.

4. Wie lautet die Zufluchtsformel?
Ich nehme meine Zuflucht zum Buddha.
Ich nehme meine Zuflucht zur Lehre.
Ich nehme meine Zuflucht zur Brüderschaft der Erlesenen.

5. Was soll durch das feierliche Aussprechen dieser Formel ausgedrückt werden?
Der, welcher sie ausspricht, will dadurch vor aller Welt bezeugen, dass er den Buddha fortan zu seinem Lehrer und Vorbild erwählt; dass er in der Lehre den Inbegriff und die Grundprinzipien der Wahrheit und Gerechtigkeit, sowie den Weg zur Selbstvervollkommnung und Befreiung erblickt; dass er die Brüderschaft der Erlesenen als die verehrungswürdigen Nachfolger des Buddha, als die wahren Ausüber, Verkünder und Ausleger der Lehre betrachtet.

6. Ist diese Zufluchtsformel für alle Buddhisten bindend?
Für alle ohne Ausnahme, mögen sie nun der Brüderschaft der Erlesenen angehören und damit das Leben eines Bettelmönches erwählt haben, oder weltliche Anhänger sein. Doch ist das Aussprechen der Zufluchtsformel ein freies Gelübde und hat nur moralische Gültigkeit. Rechtliche Verpflichtungen irgend welcher Art knüpfen sich daran nicht.

7. Wie nennt man die heilige Dreiheit, deren Führung sich der Buddhist durch das Aussprechen der Zufluchtsformel anvertraut?
Die drei Kleinode. Sie sind die Vorbilder der Vollkommenheit, die höchsten Ideale des Buddhisten und leuchten ihm voran als Leitsterne durch das wilde Meer der Unwissenheit, der Begier und des Leidens zum Hafen des ewigen Friedens.

Darum blickt der Buddhist voll Vertrauen, voll Dankbarkeit und voll Ehrfurcht auf diese drei Kleinode hin und spricht mit andächtigem Gemüthe:

Verehrung dem heiligen, dem Weltüberwinder, dem Buddha.
Verehrung der heiligen, der reinen, der befreienden Lehre.

Verehrung der Brüderschaft der Erlesenen.

Der Buddha

8. Wer ist der Buddha?
Der aus eigener Kraft zur Vollendung und Befreiung gelangte, schon in diesem Leben erlöste, heilige und weise Verkündiger der Wahrheit und Stifter der buddhistischen Religion.

9. Ist der Buddha ein Gott, welcher sich den Menschen geoffenbart hat?
Nein.

10. Oder war er ein Gottgesandter, der zur Erde herabstieg, um den Menschen das Heil zu bringen?
Nein.

11. So war er also ein Mensch?
Ja, er war ein Mensch. Aber ein Mensch, wie er in vielen Jahrtausenden nur einmal geboren wird, einer jener erhabenen Weltüberwinder und Welterleuchter, die geistig und moralisch die irrende und leidende Menschheit so hoch überragen, dass sie der kindlichen Anschauung des Volkes als »Götter« oder »Gottgesandte« erscheinen."


Zu 3.3.: Karl Eugen Neumann (1865-1915)