Materialien zum Neobuddhismus

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Wilhelm II.: "Völker Europas, wahrt Eure heiligsten Güter!"

3. Deutschland

3. Karl Eugen Neumann (1865-1915)


von Alois Payer

mailto: payer@payer.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Alois <1944 - >: Materialien zum Neobuddhismus.  --   3. Deutschland. -- 3. Karl Eugen Neumann (1865-1915). -- Fassung vom 2005-05-05. -- URL: http://www.payer.de/neobuddhismus/neobud0303.htm . -- [Stichwort].

Erstmals publiziert: 1996-05-10

Überarbeitungen: 2005-05-05 [erweitert]; 2003-06-30 [überarbeitet und stark erweitert]

Anlass: Lehrveranstaltung Neobuddhismus, Univ. Tübingen, SS 1987, SS 2003, SS 2005

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0. Übersicht



1. Weiterführende Ressourcen


(Fast vollständige) Gesamtausgabe der Übersetzungen Neumann`s:

Die Reden Gotamo Buddhos : Gesamtausgabe in drei Bänden / Übertragen von Karl Eugen Neumann. -- Zürich : Artemis ; Wien : Zsolnay
Bd. I: Aus der mittleren Sammlung Majjhimanikâyo zum erstenmal übersetzt. -- 1956. -- 1197 S.
Bd. II: Aus der längeren Sammlung Dîghanikâyo des Pâli-Kanons übersetzt. -- 1957. -- 1063 S.
Bd. III: Die Sammlung der Bruchstücke. Die Lieder der Mönche und Nonnen. Der Wahrheitspfad. Anhang. -- 1957. -- 1006 S.

Digitale Edition davon: Die Reden Buddhas : Kommentierte Übertragung aus dem Pâli-Kanon / [Übers.:] K. E. Neumann. -- Berlin : Directmedia, 2003. -- 1 CD-ROM. -- ISBN 3-89853-186-4

Hecker, Hellmuth <1923 - >: Karl Eugen Neumann : Erstübersetzer der Reden des Buddha, Anreger zu abendländischer Spiritualität. -- Hamburg, 1986. -- 483 S. : Ill.
[Grundlegend. Dort Ausführliche Literaturangaben]

Hecker, Hellmuth <1923 - >: Lebensbilder deutscher Buddhisten ; ein bio-bibliographisches Handbuch. -- Band I: Die Gründer. -- Konstanz, 1990. -- S.100-114.
[Dort weitere Literatur]


2. Die Bedeutung von K. E. Neumann



Abb.: K. E. Neumann

1892

Buddhistische Anthologie : Texte aus dem Pâli-Kanon / zum ersten Mal übersetzt von K. E. Neumann. -- Leiden: Brill, 1892. -- 236 S. --
Teilweise Nachgedruckt: Zürich, 1957 in Gesamtausgabe Bd 3


"Neumann, Karl Eugen, österr. Indologe, geb. 18.10.1865 Wien, gest. 18.6.1915 Wien

Der Sohn Angelo Neumanns besuchte 1879-82 die Leipziger Handelsschule, um neue Sprachen zu lernen, unternahm dann Reisen nach England und Italien und arbeitete 1882-85 in einer Berliner Bank. Seit 1887 studierte Neumann Philosophie, Indologie und Religionswissenschaft in Berlin und Halle, wurde 1891 in Leipzig zum Dr. phil. promoviert und ließ sich dann als Indologe in Wien nieder. Er unternahm mehrmals Studienreisen nach Indien, hielt sich 1894/95 zur buddhistischen Textforschung in England auf und übersetzte buddhistische Texte. Sein Hauptwerk ist die erste umfassende Übersetzung des Pali-Kanons, die 1896-1905 unter dem Titel Die Reden Gotamo Buddhos in vier Bänden erschien. Neumann war der Vater des Sängers Karl August Neumann. "

[Quelle: Deutsche biographische Enzyklopädie & Deutscher biographischer Index. -- CD-ROM-Ed. -- München : Saur, 2001. -- 1 CD-ROM. -- ISBN 3-598-40360-7. -- s.v.]

Mit Neumann tritt der Übersetzer buddhistischer Schriften ins Deutsche mit der wohl breitesten Wirkung auf die Bühne. Allerdings hatte Neumann diese Wirkung erst nach seinem Tode in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg.

Die Wirkungen Neumanns:

Obwohl Neumanns Übersetzungen z. T. auf starke Kritik stießen (die schärfste ist die des Indologen R. O. Franke (1862-1928), 1913) erhielt Neumann nach seinem Tod sehr viel Zustimmung.

 
Abb.: Otto Franke, Neumanns schärfster Kritiker

"Franke, (Rudolf) Otto, Indologe, geb. 24.6.1862 Wickerode/Harz, gest. 5.2.1928 Königsberg

Nach dem Studium der klassischen, deutschen und indischen Philologie an der Univ. Göttingen (Promotion 1885) habilitierte sich Franke 1890 an der Univ. Berlin und folgte 1896 einer Berufung als a.o.Prof. der Sanskritwissenschaft an die Univ. Königsberg, wo er 1921 Ordinarius wurde. Er befasste sich mit alt- und mittelindischer Grammatik sowie mit sprachhistorischen Studien, wandte sich später vor allem den in Pâli verfassten buddhistischen Schriften zu und untersuchte ihre literaturgeschichtlichen Verbindungen. Obgleich einer der besten Kenner des Pâli (u.a. Geschichte und Kritik der einheimischen Pâli-Grammatik, 1902), fanden seine Theorien über die Entstehung des Buddhismus und seiner Schriften keine allgemeine Anerkennung. "

[Quelle: Deutsche biographische Enzyklopädie & Deutscher biographischer Index. -- CD-ROM-Ed. -- München : Saur, 2001. -- 1 CD-ROM. -- ISBN 3-598-40360-7. -- s.v.]

"... dass er [Neumann] seine Unfähigkeit (zu übersetzen, zu denken, zu schreiben) benutzt, um die buddhistischen Texte in mystische Nebel einzuhüllen, hinter denen sein Publikum wer weiß wie profunde Tiefsinnigkeiten wittert. Mystik ist für manche Schichten des Neuzeit-Publikums der beste Speck. Und dieser so geartete Herr Neumann hat, das ist der Gipfel, auch noch den Mut, den Kommentar Buddhaghosas ganz zu ignorieren (wahrscheinlich, weil er ihn nicht versteht)" (S. LXVIII).

"Und zu den offenkundigen Übersetzungs-Fehlern kommen dann noch die schier zahllosen Schiefheiten, Sinnverdrehungen, verschwommenen Ausdrucksweisen und sonstigen Delikte zweiter Ordnung. N. ist ein Meister in der Kunst, einen klaren Gedanken zu verdunkeln, scharfe Umrisse aufzuweichen, das logische Gedankengefüge auf den Kopf zu stellen, das Relief zu zerstören" (S. LXI).

"Dass ich [diese Kritik] sie überhaupt geschrieben habe, erscheint manchem vielleicht als unnötiger Kraftaufwand. Ich selbst betrachte sie mit gemischten Gefühlen. Es wäre mir als das Nächstliegendste erschienen, N's Übersetzungen von der scherzhaften Seite zu nehmen und in entsprechender Weise kurz und erheitert darüber zu quittieren. Denn a prima vista kann man ja kaum anders, als so ungeheuerliche Übersetzerei für einen beabsichtigten Scherz von jemandem zu halten, der sich über sein Publikum lustig macht. Der Witz wäre in diesem Falle nicht zu den schlechtesten zu rechnen. Es ist aber doch eine Unmöglichkeit, anzunehmen, dass jemand sein ganzes Leben bewusst der Aufgabe widme, einen Witz zu machen. So bliebe denn nichts anderes übrig als die Grausamkeit, N's Arbeiten für ernst zu nehmen" (S. LXX).

[Aus Frankes Kritik in: Dîghanikâya : das Buch der langen Texte des buddhistischen Kanons / in Auswahl übersetzt von R. O. Franke. -- Göttingen, 1913. -- (Quellen zur Religionsgeschichte ; G. VIII,4). -- Vorwort.]

Einige der positiven Urteile:

Albert Schweitzer (1875-1965):

"Ich halte es für außerordentlich verdienstvoll, dass der Artemis-Verlag die großartigen Reden Buddhos in der großartigen Übersetzung Karl Eugen Neumanns neu herausgibt und damit den großen indischen Denker weiter unter uns auftreten lässt."

[Waschzettel der Gesamtausgabe der Übersetzungen Neumanns, 1956-1957]

Thomas Mann (1875-1955):

"Die Reden Gotamo Buddhos in der Übersetzung von Karl Eugen Neumann habe ich durch alle Stationen meiner Wanderung glücklich hinübergerettet, und noch heute stehen sie in meiner Kilchberger Bibliothek. Sie bleiben mir ein wirklich kostbarer Besitz. Ich bin der Überzeugung, dass die Verdeutschung durch Karl Eugen Neumann zu den großen Übersetzungstaten der Weltliteratur gehört. Meinen Glückwunsch zur Neuausgabe."

[Waschzettel der Gesamtausgabe der Übersetzungen Neumanns, 1956-1957]

Hermann Hesse (1877-1962):

"Schwierig aber heilsam ist es, dem Abendland die Ohren für die Stimme des alten Asien zu öffnen. Diese Stimme klingt nirgends so eindringlich, so geduldig, so altersreif und leidenschaftlich wie im Vedanta und den reden Buddhos. Sie sind die Bibel einer Gemeinde von vielen Millionen gewesen, tausendmal von mönchischen Lehrern gepredigt, Gegenstand der Andacht und der Meditation für Millionen Fromme. Erst in unserer Zeit ist die deutsche Übersetzung Neumanns erschienen, ein edles Werk der Liebe, der Geduld und Versenkung. Es ist gut, dass diese große Werk jetzt neu erscheint und vielen ein Stein des Anstoßes, vielen ein Licht und ein Weckruf werden soll."

[Waschzettel der Gesamtausgabe der Übersetzungen Neumanns, 1956-1957]

Hugo von Hofmannsthal (1874-1929):

"Karl Eugen Neumann wird mit Ehrfucht genannt werden, sobald erkannt ist, was seine Übertragungen der heiligen Schriften des Buddhismus für die deutsche Sprache in einem Augenblick welthistorischer Krisis -- die nicht Geisteskrisis wäre, wenn sie nicht auch Sprachkrisis wäre -- bedeutet."

[Waschzettel der Gesamtausgabe der Übersetzungen Neumanns, 1956-1957]

Romain Rolland (1866-1944):

"Le génie de Neumann est fait d'abnégation si pure qu'il se fait oublier. Il s'est si parfaitement assimilé la forme et l'esprit du Maitre qu'il s'est fondu en lui. Pour moi, j'éprouve, en ouvrant ses livres enchantés, l'impression que me causent, au milieu d'une fpoule de théàtre assemblée, les premières notes du Prélude de Parsifal."

[Waschzettel der Gesamtausgabe der Übersetzungen Neumanns, 1956-1957]

George Bernard Shaw (1856-1950):

"I can say that in placing a complete translation of the Buddhist canonical scriptures within the reach of the German people you are rendering as great a public service as that of the first publishers of Luther's translation of the Bible, and I hope your enterprise will be adequately rewarded."

[Waschzettel der Gesamtausgabe der Übersetzungen Neumanns, 1956-1957]

Stefan Zweig (1881 - 1942):

"Von Zeit zu Zeit geschieht das Wunder, daß einer Sprache ein neuer Rhythmus geboren wird, die Möglichkeit der Entfaltung an neuem Keim fruchtend aufschießt, mit einem Male ungeborene Empfindung neugefundenen Formen zudrängt. Solch eine Übertragung ist die Karl Eugen Neumanns. Sie ist eigentlich keine dichterische im Sinne des Umdichtens oder Nachdichtens. ...

Seltsam: Seit Jahrhunderten besaß die Welt dieses Werk und wußte darum, Millionen, die nie eine Zeile zu lesen verstanden, tranken sich Kraft, wenn die Priester in den Tempeln ihnen die Worte vorsprachen, und nun erst besitzt sie auch das Abendland wahrhaft, da diese gesparte Weisheit zu jeder Stunde in unserer Sprache faßlich ist durch die heroische Hingabe eines einzigen Menschen, der sein Leben nahm und in diese Tat eingrub, wie jener König Asoka, statt seiner eigenen Kriegstaten diese Lehre in die Felsenwände eingraben ließ. Aber dieser Bote ist das Wort und selten - nicht oft genug kann man es sagen - ist dieser Bote beflügelter, getreuer und lobenswerter gewesen als in der Übertragung Karl Eugen Neumanns, die, selber ein Denkmal der Sprache, in die unsere geistige Welt wie einen erotischen Block/ riesenhaft und fremd, diese geheimnisvollen Urkunden eines gottnahen Menschen gestellt hat. Mag sein Leben nun lange genug unbedacht vergangen sein über diesem Werke, so gehört es doch mit seinem Vermächtnis ehrfürchtiger Gegenwart und Zukunft dauernd an" ( 26.9.1919).

[Zitat in: Hecker, Hellmuth <1923 - >: Karl Eugen Neumann : Erstübersetzer der Reden des Buddha, Anreger zu abendländischer Spiritualität. -- Hamburg, 1986. -- 483 S. : Ill. -- S. 240f.]

Carl Gustav Jung (1875 - 1961):

"Hier nun sind gerade die Reden des Buddho in der Neumannschen Bearbeitung von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Nicht zu sprechen von ihrem tiefen Sinne, geht auch von ihrer sozusagen rituellen Form, nämlich der einen feierlichen 'praefatio', eine durchdringende Strahlung von erhebender und entrückender Wirkung aus. ... Der Christ braucht keineswegs seine religiöse Überzeugung zu verleugnen, wenn er Anleihen beim Buddhismus aufnimmt, denn er kommt damit der Aufforderung des Apostels nach: 'Omnia autem probate; quod bonum est tenete' (1. Thess. 5, 21).
Zu diesem Guten, das man behalten soll, gehören zweifellos viele der Lehren Buddhos, die überdies noch dem, der sich keiner christlichen Überzeugung rühmen kann, vieles zu bieten haben. Sie vermitteln dem westlichen Menschen Möglichkeiten zur Disziplinierung seines seelischen Innenlebens, die seine verschiedenen Christentümer in oft beklagenswerter Weise vermissen lassen"

[Zitat in: Hecker, Hellmuth <1923 - >: Karl Eugen Neumann : Erstübersetzer der Reden des Buddha, Anreger zu abendländischer Spiritualität. -- Hamburg, 1986. -- 483 S. : Ill. -- S. 270f.]

Edmund Husserl (1859-1938):

"Ich habe nun den größten Teil der Karl Eugen Neumannschen Verdeutschungen von Hauptstücken der Heiligen Schriften des Buddhismus gelesen. Nachdem ich einmal angefangen, konnte ich davon trotz anderweitiger dringender Arbeiten gar nicht mehr loskommen. In der Tat, was ist da auch für ein herrlicher Schatz der deutschen Übersetzungsliteratur zugewachsen. ... Wohl die höchste Blüte indischer Religiosität, einer in Schau und ringender Tat rein nach innen gewandten - ich möchte sagen, einer nicht 'transzendenten', sondern 'transzendentalen' -tritt erst mit diesen Übertragungen in den Horizont unseres religiös-ethischen und philosophischen Bewusstseins, zweifellos dazu berufen, es von nun ab wirksam mitzubestimmen. ... Für uns alle, die in dieser Zeit des Zusammenbruchs unserer, durch Veräußerlichung entarteten Kultur sehnsuchtsvoll Umschau halten, wo noch seelische Reinheit und Echtheit, wo friedvolle Weltüberwindung sich bekunden, bedeutet dieses Sehendwerden für die indische Art der Weltüberwindung ein großes Erlebnis. Denn dass es sich im Buddhismus - so wie er aus seinen reinen Urquellen zu uns spricht - um eine religiös-ethische Methodik seelischer Reinigung und Befriedigung von einer höchsten Dignität handelt, durchdacht und bestätigt in einer inneren Konsequenz, einer Energie und einer edlen Gesinnung fast ohnegleichen, das muss jedem sich hingebenden Leser bald klar werden. Nur mit den höchsten Gestaltungen des philosophischen und religiösen Geistes unserer abendländischen Kultur kann der Buddhismus parallelisiert werden. ... Sicherlich unschätzbar sind diese herrlichen Neumannschen Nachgestaltungen für jeden, der an der ethischen, religiösen und philosophischen Erneuerung unserer Kultur Anteil nimmt. Mit Spannung sehe ich dem Erscheinen der letzten Stücke der Neumannschen Übersetzungen entgegen".

[Zitat in: Hecker, Hellmuth <1923 - >: Karl Eugen Neumann : Erstübersetzer der Reden des Buddha, Anreger zu abendländischer Spiritualität. -- Hamburg, 1986. -- 483 S. : Ill. -- S. 268f.]

Ein ausgewogenes Urteil aus der Feder des Indologen Helmuth von Glasenapp (1891 - 1963), der im Gegensatz zu den meisten bisher zitierten Lobrednern sowohl die Quellsprache (Pali) als auch die Zielsprache (Deutsch) beherrschte:


Abb.: Hellmuth von Glasenapp

"Glasenapp, (Otto Max) Helmuth von, Indologe, Religionswissenschaftler, geb. 8.9.1891 Berlin, gest. 25.6.1963 Tübingen

Der Sohn Otto von Glasenapps studierte Indologie, Religionswissenschaft und Philosophie an den Universitäten Tübingen, München, Berlin und Bonn und habilitierte sich 1918 an der Univ. Bonn. Seit 1920 Privatdozent an der Univ. Berlin, wurde er 1924 a.o.Prof. und folgte 1928 einem Ruf als o.Prof. der Indologie an die Univ. Königsberg. Von 1946 bis zu seiner Emeritierung 1960 hatte Glasenapp den Lehrstuhl für Indologie und vergleichende Religionswissenschaft in Tübingen inne. Seine Schriften erzielten durch Allgemeinverständlichkeit über die Fachwelt hinaus Wirkung. Glasenapp veröffentlichte u.a. Die Literaturen Indiens von ihren Anfängen bis zur Gegenwart (1921, veränderte Neuauflage 1961), Der Hinduismus (1922), Der Jainismus (1925), Der Buddhismus in Indien und im Fernen Osten (1936), Die Philosophie der Inder (1949) und Die fünf großen Religionen (2 Bde., 1951/52, (3)1958). Seine Autobiographie Meine Lebensreise erschien postum 1964. "

[Quelle: Deutsche biographische Enzyklopädie & Deutscher biographischer Index. -- CD-ROM-Ed. -- München : Saur, 2001. -- 1 CD-ROM. -- ISBN 3-598-40360-7. -- s.v.]

"Bald kam ich zu den Übersetzungen der Reden Buddhas von Karl Eugen Neumann. Zu erst erhielt ich die herrlich ausgestattete große Übertragung des Suttanipata, dann die des Wahrheitspfades (Dhammapada), und später habe ich mir alle anderen Bände gekauft, sogar zweimal, weil eine Ausgabe in Königsberg verbrannt ist. Natürlich war ich in der Jugend restlos begeistert. Je mehr ich jedoch die Pali-Sprache beherrschen lernte, desto mehr erkannte ich, dass Neumanns preziöse und teilweise unverständliche Ausdrucksweise der feierlichen, aber trotzdem einfachen Form der Originale nicht gerecht wird, und dass vor allem seine Wiedergabe der Termini wie 'Begriff und Bild' (nâma-rûpa) nicht den Vorstellungen entspricht, welche die Buddhisten selbst von der Lehre ihres Meisters hatten. Vor allem entbehren seine in den Anmerkungen weit ausgesponnenen Parallelen zur westlichen Geisteswelt oft der Begründung, und sein Versuch, Buddha im Sinne Schopenhauers zu erklären, übersieht trotz der Ähnlichkeit in einigen Punkten doch die großen Unterschiede, die zwischen dem modernen Denker und dem altindischen Meister bestehen. ...

Wenn ich im Verlauf der letzten vierzig Jahre auf Grund meiner andauernden Beschäftigung mit Buddhismus und Vedanta einerseits und mit Schopenhauer andererseits auch zu anderen Überzeugungen gelangt bin als der Gymnasiast, Student und junge Doktor, so muss ich doch gestehen, dass mir bis heute die Lektüre der damals studierten Werke immer wieder eine Freude bereitet, die objektive und kritische Einstellung, die Hermann Oldenberg in seinem mir um 1908 zuerst zugänglich gewordenen Buddha-Buch einnimmt und die mir anfangs allzu kühl und sachlich erschien, hat sich bei mir jedenfalls auf die Dauer als haltbarer erwiesen als die enthusiastischen Schwärmereien von Deussen und Neumann"

[Glasenapp, Helmuth von <1891 - 1963>: Meine Lebensreise : Menschen, Länder und Dinge, die ich sah. -- Wiesbaden : Brockhaus, 1964. -- 319 S. -- S. 30f.]

Meines Erachtens ist auch das Urteil des Buddhisten Paul Dahlke (1865 - 1928) zutreffend:

"Dahlke, Paul (Wilhelm Eduard), Mediziner, geb. 25.1.1865 Osterode (Ostpreußen), gest. 29.2.1928 Berlin-Frohnau

Nach dem Abschluss des Medizinstudiums mit der Promotion 1887 (Über den Hitzschlag) ließ sich Dahlke als Arzt in Berlin nieder, unterhielt eine erfolgreiche homöopathische Praxis, publizierte u.a. eine Arzneimittellehre (2 Bde., 1914-16) und wurde schließlich Medizinalrat. Er unternahm zahlreiche Reisen nach Asien und lernte dort -- vor allem bei seinem zweiten Aufenthalt auf Ceylon 1900 -- den Buddhismus kennen. Dahlke publizierte Übersetzungen von Pali-Texten und buddhistische Schriften (u.a. Buddhistische Erzählungen, 1904), gab seit 1918 die "Neubuddhistische Zeitschrift", seit 1924 deren Nachfolgerin "Brockensammlung, Zeitschrift für angewandten Buddhismus", heraus und begründete 1924 in Berlin-Frohnau das "Buddhistische Haus".

[Quelle: Deutsche biographische Enzyklopädie & Deutscher biographischer Index. -- CD-ROM-Ed. -- München : Saur, 2001. -- 1 CD-ROM. -- ISBN 3-598-40360-7. -- s.v.]

 

"WAS IST EINE GUTE ÜBERSETZUNG?

Kürzlich erhielt ich eine Zuschrift, in der ein Leser sich beklagt, dass ich in meiner kleinen Gelegenheitsschrift „Über den Pali-Kanon" bei den Übersetzungen die von K. E. Neumann nicht mit genannt hätte.

Wenn ich es nicht getan habe, so hatte das gewiss seinen Grund. Welcher Grund damals mich bestimmt hat, das weiß ich nicht mehr. Heute sage ich folgendes:
Es gibt drei Arten von Übersetzungen:

  1. philologische,
  2. ästhetische oder ästhetisierende,
  3. wirkliche.

Die philologische mag überall am Platz sein, nur nicht beim Buddhismus, die ästhetische mag bei Kunstwerken am Platz sein, die wirkliche ist die einzig mögliche beim Buddhismus und seinen Schriften.

Die drei unterscheiden sich folgendermaßen:

  • die philologische Übersetzung hängt ganz am Wort, einzig und allein aus dem Wort soll sich der Sinn ergeben.
  • Die ästhetische geht auf den Sinn; aus dem Sinn soll sich das Wort ergeben,
  • und die wirkliche ist die, in der Wort und Sinn, Form und Inhalt sich gegenseitig bestimmen.

Das Wort an sich kann hier freilich nie den Sinn ergeben; es ist Diener und dient der Wahrheit wie dem Irrtum, aber damit ist nicht gesagt, dass nun der Sinn das Wort ergeben soll, anders ausgedrückt: Dass man vorher, a priori des Wortes wissen muss, was gemeint ist, um den Sinn des Wortes zu verstehen.

Wenn ich mich derart in meiner Schrift über den Pali Kanon ausgedrückt habe, so habe ich mich eben falsch ausgedrückt. Derartige divinatorische Vorgänge gibt es nicht im Buddhismus, eben so wenig wie es hier an das Wort gebundene philologische Strenge gibt. Es gibt hier nur das, was es in der Wirklichkeit überall gibt, ein Wachstum, in diesem Fall zwischen Sinn und Wort sich vollziehend, ein Vorgang, bei dem der Sinn aus dem Wort, das Wort aus dem Sinn erwächst.

Der Sinn steigt nicht selbstherrlich auf, in wortloser Majestät dem Unbegreiflichen zuschwebend, um sich im Ton der Worte wieder zur Erde zu senken, sondern er wandert mit gebundener Marschroute, eben an das Wort gebunden, wie das Wort an ihn gebunden ist, und beides zusammen ergibt jenen erschütternden Wirklichkeitsgehalt, der den ergreift, der mit dem Buddha mitfühlt und mitdenkt.

Man sagt oft: die Neumannschen Übersetzungen sind schön! Mag sein! Mancher ist anderer Ansicht. Aber selbst wenn sie es sind, so bedenke man doch, dass bei einer Photographie es nicht darauf ankommt, dass sie schön ist, sondern dass sie gut getroffen ist. Eine Photographie, die als Bild schön ist, mag als Photographie unbrauchbar sein, eben um ihrer Schönheit willen.

Die Wirklichkeit ist nüchtern, und nüchtern wie sie ist das Buddha Wort. Alles ästhetische Pathos liegt ihm fern, aber wo es sich in jenen Momenten der inneren Glut aus dieser Nüchternheit erhebt, da genügt ein Wort, ein einziger Satz, um jene wahrhaft ergreifende Wirkung hervorzurufen, wie sie sich nur da ergeben kann, wo die Wirklichkeit, die geheimnisvolle, ihr Dunkel lüftet und das geblendete Auge in die Glut ihres Getriebes blicken lässt.
Hier ist ästhetische Schönheit in der Wiedergabe ebenso falsch wie philologische Korrektheit. Hier ist eines das rechte: ein hingebungsvolles Miterleben.

Man sagt: Wenn das so ist, warum soll dann die ästhetisierende Übersetzung in ihrer Art schlechter sein wie die exakte Übersetzung des Philologen? Ich sage: An sich mag sie nicht schlechter sein, beide mögen gleich weit von der Wirklichkeit abstehen, aber der Philologe begnügt sich meist mit der kahlen Wortübersetzung und überlässt die Sinnbildung dem Leser, während beim Ästhetiker schon allein die Verlegung des Schwerpunktes in den Sinn es mit sich bringt, dass er auch von sich selbst aus Sinn hineinlegen muss, und da der Sinn von sich selber aus immer ein rein Geistiges, von der Wirklichkeit Losgelöstes ist, so wird die sinnsvolle Übersetzung immer gefährlicher als die philologische Übersetzung, mag letztere auch noch so trocken sein.

Weil ihr stellenweise übertrieben hoher ästhetischer Wellengang, ihr „Dahinorgeln", wie L. Ziegler in seinem Ewigen Buddho unbewusst parodistisch sagt, dem wirklichen Charakter des Buddhas Wortes nicht entspricht und weil der Sinn, den Neumann hineindeutet, den Sucher irreführt, indem er immer wieder auf ein an sich Seiendes, Transzendentes, Ewiges an sich wie auf eine unterliegende Folie hinweist — das werden wohl die beiden Gründe gewesen sein, weshalb ich seine Übersetzung neben den andern nicht genannt habe. Dass sie von allen Übersetzungen den größten Einfluss ausgeübt hat, weiß ich wohl, aber das kann nicht entscheidend sein."

[Dahlke, Paul <1865 - 1928>. -- In: Die Brockensammlung : Zeitschrift für angewandten Buddhismus. -- Berlin-Frohnau : Neu-buddhistischer Verlag. -- 1. Doppelheft 1926. -- S. 58 - 60]

Viele weitere Urteile werden zitiert bei:

Hecker, Hellmuth <1923 - >: Karl Eugen Neumann : Erstübersetzer der Reden des Buddha, Anreger zu abendländischer Spiritualität. -- Hamburg, 1986. -- 483 S. : Ill. -- S. 218 - 366

Wer ist dieser vielgerühmte K. E. Neumann? Was hat er geleistet.


3. 1865-1891


1865-10-18

geboren in Wien. Vater: Angelo Neumann (1838 - 1910), Tenor an der Wiener Hofoper. Mutter: Pauline Aurelie von Mihalovits, eine ungarische Adlige.

"Neumann, Angelo, österr. Sänger, Theaterdirektor, geb. 18.8.1838 Wien, gest. 20.12.1910 Prag

Neumann erhielt eine Gesangsausbildung bei Therese Stilke-Sessi in Wien, debütierte 1859 am Theater in Krakau und gab im folgenden Jahr als Partner von Therese Tietjens ein aufsehenerregendes Konzert in Wien. Er sang dann an den Theatern in Ödenburg, Pressburg und Danzig, wurde 1862 an die Hofoper in Wien berufen und wirkte hier bis 1876 mit großem Erfolg, musste aber seine Bühnenkarriere wegen eines Herzleidens aufgeben. 1876-82 war Neumann Operndirektor am Leipziger Opernhaus, inszenierte hier vor allem Richard Wagner, u.a. 1879 den gesamten Ring-Zyklus, und war zeitweise Gastregisseur an der Berliner Hofoper. 1882/83 unternahm er mit dem von ihm gegründeten wandernden Wagner-Theater eine Tournee durch ganz Europa und veranstaltete auch die englische Erstaufführung des Ring-Zyklus an Her Majesty’s Theatre in London. 1883-85 leitete Neumann das Stadttheater in Bremen und 1885-1910 das Deutsche Landestheater in Prag. 1889 unternahm er eine Wagner-Tournee nach Russland und gab 1907 seine Erinnerungen an Richard Wagner heraus. Neumann war in zweiter Ehe mit Johanna Neumann verheiratet und Vater von Karl Eugen Neumann."

[Quelle: Deutsche biographische Enzyklopädie & Deutscher biographischer Index. -- CD-ROM-Ed. -- München : Saur, 2001. -- 1 CD-ROM. -- ISBN 3-598-40360-7. -- s.v.]

1876

Vater Angelo Neumann wird Direktor des Leipziger Stadttheaters. Karl Eugen Neumann kommt auf die Thomasschule, Leipzig und die höhere Handelsschule.

1882

Karl Eugen Neumann beginnt auf Wunsch des Vaters Banklehre in Berlin.

1884

K. E. Neumann liest Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, was nach seinen eigenen Worten die entscheidende Wende in seinem Leben brachte: An De Lorenzo am 27.8.1897:

"Damals, nämlich 1884, ist mir eine Sonne aufgegangen, die auch dir, Theurer leuchtet: Schopenhauer. Ich wurde so innig ergriffen, dass ich mit meinem ganzen bisherigen Leben brach, innerlich brach. Die romantische Jugendschwärmerei zerschmolz wie Blei auf der Opferplatte. Ich griff zu indischen Übersetzungen, und obzwar bei Tag in der Bank [in Berlin] durch meinen Beruf völlig absorbirt, versenkte ich mich bei Nacht, oft bis 3 Uhr morgens und später, in philosophische Studien. Endlich brach ich auch von außen durch. Ich studierte wieder praktisch, trat aus der Bank aus, ins Obergymnasium [in Prag] ein, das ich nach zwei schönen Jahren absolvierte, und zog dann zur Universität, nach Berlin, im Sommer 1887. Zwei Jahre später, natürlich noch als »Student« hab' ich geheiratet."

[Gesamtausgabe, Bd. 3, S. 959]

Über sein Bekanntwerden mit dem Buddhismus, schreibt er am 2.5.1899 an De Lorenzo:

"Aus Spence Hardys Eastern Monachism habe ich im Frühling 1884 zum ersten Male den Buddhismus kenne gelernt, auf Schopenhauers Empfehlung hin."

[Gesamtausgabe, Bd. 3, S. 964]

K. E. Neumann liest u.a. auch Hermann Oldenberg 's Buddha.

1885

Vater wird Direktor des Deutschen Landestheaters in Prag. K.E. Neumann besucht in Prag das Obergymnasium.

1887

Abitur in Prag. Fünf Semester Studium in Berlin: Indologie bei Hermann Oldenberg (1854-1920) und Albrecht Weber (1825-1901), Religionswissenschaft  bei Paul Deussen (1845-1919) und Philosophie. Das Studium enttäuscht ihn.


Abb.: Hermann Oldenberg

"Oldenberg, Hermann, Indologe, geb. 31.10.1854 Hamburg, gest. 18.3.1920 Göttingen

Der Pfarrerssohn studierte klassische und indische Philologie in Berlin, wo er sich 1878 habilitierte. 1889 wurde er o.Prof. der Indologie in Kiel, 1908 in Göttingen. Oldenberg verfasste grundlegende Schriften zur indischen Philologie, Linguistik und Religionsgeschichte, u.a. Buddha. Sein Leben, seine Lehre, seine Gemeinde (1881, (13)1959) und Die Religion des Veda (1894, (3)1927)."

[Quelle: Deutsche biographische Enzyklopädie & Deutscher biographischer Index. -- CD-ROM-Ed. -- München : Saur, 2001. -- 1 CD-ROM. -- ISBN 3-598-40360-7. -- s.v.]


Abb.: Albrecht Weber

"Weber, Albrecht, ausgezeichneter Sanskritist, geb. 17. Febr. 1825 in Breslau, gest. 30. Nov. 1901 in Berlin, machte 1846 eine wissenschaftliche Reise nach England und Paris, wo er zu Wilson, Burnouf, Reinaud u. a. in Beziehungen trat, habilitierte sich 1848 in Berlin und wurde daselbst 1856) um außerordentlichen, 1867 zum ordentlichen Professor der altindischen Sprache und Literatur ernannt. Seit 1857 war er Mitglied der Berliner Akademie. Viele wichtige und zum Teil umfangreiche Sanskrittexte sind von Weber zum erstenmal kritisch herausgegeben worden, namentlich der »Weiße Jadschurveda« (Berl. u. Lond. 1852-59, 3 Bde.) und die »Taittirîja Samhitâ« (dem »Schwarzen Jadschurveda« zugehörig; Leipz. 1871-72, als 11. u. 12. Bd. der »Indischen Studien«). In seiner »Indischen Literaturgeschichte« (Berl. 1852, 2. vermehrte Aufl. 1876; auch ins Englische und Französische übersetzt) lieferte er ein höchst wertvolles Handbuch. Sammlungen seiner kleinern Arbeiten, meist kritischen Inhalts, sind die »Indischen Skizzen« (Berl. 1857) und die »Indischen Streifen« (das. 1868-79, 3 Bde.); die letztern enthalten Rezensionen über fast alle bedeutendern Werke der betreffenden Zeit aus dem Gebiete des Sanskrits und der indischen Altertumskunde. Seit 1850 gab Weber mit Unterstützung der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft die »Indischen Studien« heraus, die außer der oben erwähnten Ausgabe der Taittirîja Samhitâ von ihm Abhandlungen über »Die Kastenverhältnisse in den Brâhmana und Sûtra«, über das »Vedische Opferritual«, das er als erster gründlich erforschte, über die Upanischads, über das Mahâbhâshya u. a. enthält. Wichtige Beiträge zur Kenntnis des Prâkrit lieferte er in den Abhandlungen: »Über ein Fragment der Bhagavatî« (Berl. 1866 bis 1867, in den Abhandlungen der Berliner Akademie) und über das »Saptaçatakam des Hâla« (Leipz. 1870; vollständige Ausg., das. 1881). Von seinen sonstigen in den Schriften der Berliner Akademie erschienenen Arbeiten sind namentlich die über die Nakshatras, die Sternbilder der Mondbahn (1860-61) und über die Entstehung des »Râmâjana« (1870) hervorzuheben. Ein hochwichtiges Werk Webers ist noch das »Verzeichnis der Berliner Sanskrithandschriften« (Berl. 1853; Bd. 2, 1886-92, 3 Tle.). Zahlreiche lexikalische Beiträge, besonders die Ritualtexte des Veda betreffend, lieferte er zum großen Petersburger Sanskritwörterbuch."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


Abb.: Paul Deussen mit Frau
[Bildquelle: http://perso.wanadoo.fr/nietzsche_a_la_lettre/deussenfraugr.htm. -- Zugriff am 2005-04-28]

"Deussen, Paul (Jakob), Philosoph, geb. 7.1.1845 Oberdreis bei Neuwied, gest. 6.7.1919 Kiel

Seit der Schulzeit an der Landesschule Pforta mit Nietzsche befreundet, studierte Deussen 1864-69 Theologie, Philosophie, Altphilologie und Sanskrit an den Universitäten Bonn, Tübingen und Berlin, war anschließend im Schuldienst tätig und seit 1872 Hauslehrer und Erzieher in Genf. 1873 habilitierte er sich an der dortigen Univ., hielt philosophische Vorlesungen und begründete das Studium des Sanskrit. Deussen wurde 1881 Privatdozent, 1887 a.o.Prof. der Philosophie an der Univ. Berlin, wechselte 1889 als Ordinarius an die Univ. Kiel und unternahm zahlreiche Reisen nach Griechenland, Spanien, Ägypten und Indien (1892). Als Grundlage seines philosophischen Denkens verstand Deussen die Philosophie Schopenhauers. 1911 rief er die Schopenhauer-Gesellschaft ins Leben, deren Jahrbücher er bis zu seinem Tod herausgab, und betreute den Beginn der Edition der historisch-kritischen Schopenhauer-Ausgabe (1911ff.). In seinen Arbeiten Das System des Vedânta (1883, (3)1920) und Die Sûtra’s der Vedânta (1887) interpretierte er den Monismus des Vedânta als Anfang einer Gedankenreihe, die über den Platonismus und das Christentum bis zu Kant und Schopenhauer führt. Als D.s Hauptwerk gilt eine Allgemeine Geschichte der Philosophie (6 Bde., 1894-1917), in der er der indischen und der europäischen Philosophie bis Schopenhauer je drei Bände widmete; seine Autobiographie Mein Leben erschien postum 1922. "

[Quelle: Deutsche biographische Enzyklopädie & Deutscher biographischer Index. -- CD-ROM-Ed. -- München : Saur, 2001. -- 1 CD-ROM. -- ISBN 3-598-40360-7. -- s.v.]

1889

Heirat mit Camilla Nordmann (1861 - 1930) aus Wien, der Tochter eines österreichischen Dichters.

1890


Abb.: Richard Pischel

Studium in Halle bei Richard Pischel (1849 - 1908)

"Pischel, Richard, Indologe, vergleichender Sprachwissenschaftler, geb. 18.1.1849 Breslau, gest. 26.12.1908 Madras (Indien)

Pischel wurde nach dem Studium der klassischen Philologie und des Sanskrits 1870 promoviert, ging dann zu weiteren Studien nach Großbritannien und habilitierte sich 1874 in Breslau. 1875 wurde er a.o., 1877 o.Prof. des Sanskrits und der vergleichenden Sprachwissenschaften an der Univ. Kiel, 1885 an der Univ. Halle, 1902 o.Prof. der indogermanischen Philologie an der Univ. Berlin. Pischel war Mitglied der Kgl. Preußischen Akademie der Wissenschaften. Er veröffentlichte eine Grammatik der Prakrit-Sprachen (1900, Nachdr. 1973) und Studien zur indischen Kultur- und Religionsgeschichte (u.a. Vedische Studien, 3 Bde., 1888-1901, mit Karl Geldner). "

[Quelle: Deutsche biographische Enzyklopädie & Deutscher biographischer Index. -- CD-ROM-Ed. -- München : Saur, 2001. -- 1 CD-ROM. -- ISBN 3-598-40360-7. -- s.v.]

1891

Promotion in Leipzig bei Richard Pischel (1849-1908) mit einer 33-seitigen Dissertation über den Sarasangaho, einen Pali-Traktat des 14. Jhdts.:

Des Sârasangaho, eines Kompendiums buddhistischer Anschauungen erstes Kapitel / hrsg., übersetzt und erläutert von Karl Eugen Neumann. -- Leipzig, 1890. -- 33 S.

1891

Zwei buddhistische Suttas und ein Traktat Meister Eckharts / aus dem Original übersetzt und mit einer Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von K. E. Neumann. -- Leipzig : Spohr, 1891. -- 109 S.


4. 1892: Buddhistische Anthologie


1892

In Wien wohnhaft.

Buddhistische Anthologie : Texte aus dem Pâli-Kanon / zum ersten Mal übersetzt von K. E. Neumann. -- Leiden: Brill, 1892. -- 236 S.
Teilw. Nachgedr. Zürich, 1957 in Ges.Ausg. Bd 3

Die Anthologie umfasste (soweit ich sehe) erstmals in einer europäischen Sprache Teile aus allen fünf Teilen des Suttapitaka. Ihren historischen Ort gibt die Datierung des Vorwortes sehr schön an: "Leiden, an Schopenhauers 104. Geburtstage."

Die Vorrede ist in manchen Punkten programmatisch für Neumanns späteres Übersetzungswerk, deshalb einige Auszüge im Wortlaut:

§. 1. ...

"»So wenig soll erst vom authentischen Buddhismus bekannt geworden sein?« wird Mancher ungläubig ausrufen: leider ist es so. Die Zahl der über den Buddhismus geschriebenen und alljährlich erscheinenden Bücher ist freilich legio; aber die meisten liefern nur eine Illustration zu der bekannten Thatsache, dass Jeder sich für kompetent hält, über eine Sache zu schreiben und sie zu beurtheilen, die er nicht kennt. Die gesammte, stattliche Bibliothek in fünf europäischen Sprachen über den Buddhismu weist nur ein einziges Werk aud, das seiner Darstellung den ächten, d.i. ältesten buddhistischen Kanon, das Pâli-Tipitakam, zugrunde gelegt hat: das Buch Oldenbergs. Die übrigen zerfallen in fünf Klassen:

  1. solche, die ihrer Darstellung schon bekannte ältere, oder aber jüngere, also nicht zuverlässige, Pâli-Texte untergelegt haben: hierher gehören vor allem die ausgezeichneten Arbeiten Spence Hardy's, dann Köppen's, Sangermano's, Bigandet's, Alabaster 's;
  2. solche, die den nördlichen, d.i. degenerirten Buddhismus aus seinen nepalischen, tibetischen, chinesischen, mongolischen, oder japanischen Quellen geschöpft haben: die sehr zahlreichen Werke dieser Klasse -- ich nenne vor allem Burnouf, I. J. Schmidt, Csoma Körösi, Feer, Beal, Bunyiu Nanjio, Wassiljew -- bieten überaus viel Hochbedeutendes in philosophischer und kulturhistorischer Sicht, für die Erkenntnis des ursprünglichen Buddhismus sind sie ohne jeden Werth;
  3. drittens solche, die eine allgemeine kulturhistorische Übersicht des Buddhismus geben: ein sehr lehrreiches, aber schwierig zu bewältigendes Thema, das zwar häufig, doch ganz unzulänglich bearbeitet wurde; es erfordert umfassende Kenntnisse, Scharfsinn und unbefangenes Urtheil, drei seltene Eigenschaften, die noch seltener vereint auftreten;
  4. viertens solche, die den Buddhismus mit ächter Begeisterung, jedoch ohne wirklich zureichende Mittel verkünden: das sind z.B., die, theilweise vorzüglichen, sog. buddhistischen Katechismen;
  5. und endlich solche, die, meistens mit triumphirender Anpresisung des unendlich vollkommeneren »Christentums«, den Buddhismus kritisiren, depreziren, kondamniren: es ist die Messwaare ..., die weit überwiegende Mehrzahl.

In der That ist also nur ein kleines Bruchstück der uns erhaltenen authentischen Denkmääler des Buddhismus bisher bekannt geworden.

Die vorliegende Anthologie wird daher denen willkommen sein, welche den wahren Buddhismus aus seinen eigenen Urkunden genauer kennen lernen wollen: denn sämmtliche Stücke sind, mit möglichster Sorgfalt, zum ersten Mal aus dem Urtext übersetzt worden. Das Suttapitakam aber ist sowohl das älteste und zuverlässigste Denmal des ursrpünglichen Buddhismus, als auch als dessen reichste und vielseitigste Quelle anerkannt. Es ist nämlich, als der hervorragendste Bestandtheil des Kanons, in den ältesten buddhistischen Schriften selbst, dem Vinayapitakam übergeordnet, indem stets zuerst der Dhammo (=Suttapitakam, Lehre) und dann erst der Vinayo (vinayapitakam, Disziplin) genannt wird. ...

§.2.

...

So verdienstvoll auch Oldenbergs pragmatische Darstellung und paraphrasierende Zusammenziehung der Texte ist: ich halte es für eine fundamentale Wichtigkeit zum tieferen Verständnis der buddhistischen Lehre, die Texte ungekürzt wiederzugeben und sich des den Leser nur verwirrenden besser-verstehenwollenden Dareinsprechens, wenigstens einstweilen, gänzlich zu entschlagen. Dann wird Vieles, was in den europäischen Darstellungen des Buddhismus als unauflösbare Dissonanz erscheint, sich von selbst in harmonische Melodie auflösen.

Freilich macht man den buddhistischen Schriften oft den Vorwurf, ihr Stil sei zu monoton, sie enthielten endlose Wiederholungen derselben Begriffskomplexe u. dergl. m. Wenn wir aber bedenken, dass die vollkommen reine Erhaltung dieser kostbaresten Urkunden, welche das Menschengeschlecht besitzt, durch mehr als 2300 Jahre hindurch, nur durch die peinlichste, minutiöseste Akribie, in Allem und Jedem, überhaupt zu ermöglichen war, dann werden wir es vielleicht nicht mehr so überaus plump finden, zu sehn, wie jene ehrwürdigen Mönche der Vorzeit dieselben Begriffsreihen in den verschiedenen Suttas immer von neuem wiederholen, um durch eine durchgängige, organische Übereinstimmung der Texte untereinander das Aechte für immer festzustellen und der Nachwelt rein zu überliefern. -- Doch der Geschmack ist verschieden wie die Farben: Manchen sagt die leidenschaftlich-unruhige, oft wilde Diction unserer Bibel besser zu, als der einfache, gemessene, erhaben-ruhige und dabei doch tiefergreifende Stil des buddhistischen Kanons. Für solche ist diese Anthologie nicht bestimmt, oder nur cum grano salis: als unfehlbares Schlafmittel. Wird sie dagegen von der Oligarchie Heraklits sympathisch begrüßt, so hat sie ihren Zweck erreicht.

§. 3.

Ein Wort sei mir hier gestattet über meine Auffassung des Buddhismus als Kunstwerks. Die bisherigen, z. Th. vorzüglichen Darstellungen der buddhistischen Lehre haben einen wichtigen Punkt entweder kaum berührt, oder, noch häufiger, ganz verkehrt behandelt. Es ist die Frage nach der Originalität, bez. der Abhängigkeit des Buddhismus von früheren und gleichzeitigen philosophischen und religiösen Anschauungen. Bei weitem am treffendsten hat Oldenberg sich hierüber ausgesprochen: »Den Ausgangspunkt für die Darstellung der buddhistischen Lehre giebt uns die Überlieferung wie die Natur der Sache deutlich an die Hand. Dem gesamten Gedankenkreis des Buddhismus liegt als die überall sich hindurchziehende Voraussetzung die Anschauung vom Leiden allen Daseins hieniden zugrunde. ...« [Buddha, 2. Aufl. p. 225ff.] Der ausgezeichnete Gelehrte, dem wir erst ein reineres Verständnis des Buddhismus verdanken, hat hiermit das Wesen der buddhistischen Lehre klar gezeigt, jedoch nicht begründet. Das Folgende ist ein erster Versuch eine erschöpfende, kurze Begründung der vollkommen richtigen Darlegung zu geben.

Die Lehre Gotamo Buddho's ist, wie die Philosophie Schopenhauer's, die Religion als Kunst und nicht als Wissenschaft. Sie erkennt die platonischen Ideen und folgt nicht dem Satz vom Grunde. Sie liefert daher ein Ganzes, ein durchaus Vollständiges, ein organisch Zusammenhängendes -- wo jeder Theil nothwendig zum Ganzen gehört, dieses aber nur durch das Erblicken des inneren Zusammenhanges aller Theile erkannt wird -- da sie nur einen Gedanken aussprechen will und zwar einen Gedanken, der das Wesen dieser uns Allen anschaulich vorliegenden Welt erschöpft. Wie also der Künstler, z.B. der Bildhauer einen Apollo schafft und damit das Wesen der menschlichen Gestalt, der höchsten Jünglingsschönheit, vollkommen adäquat ausspricht, sein Kunstwerk also nicht »historisch« sondern allein als Spiegel der Idee erklären kann: so auch ist die Lehre Gotamo Buddho's dder vollendete Ausdruck der tiefsten Erkenntnis des Wesens der Welt.

»Was durch dieses Buch mitgetheilt werden soll, ist ein einziger Gedanke. Dennoch konnte ich, aller Bemühungen ungeachtet, keinen kürzeren Weg ihn mitzutheilen finden, als dieses ganze Buch. -- Ich halte jenen Gedanken für Dasjenige, was man unter dem Namen der philosophie sehr lange gesucht hat, und dessen Auffindung, eben daher, von den historisch Gebildeten für so unmöglich gehalten wird, wie die des Steines der Weisen« -- mit diesen Worten hat Schopenhauer im Jahre 1818 Die Welt als Wille und Vorstellung eingeleitet; und mit wachsendem Erstaunen und inniger Bewunderung sehn wir jetzt, da uns die authentischen Texte des Buddhismus, der Pâli-Kanon in der Editio princeps allmälig zugänglich wird, wie sich Schopenhauer und Gotamo Buddho , über die Jahrtausende hinweg, die Hand reichen. Jeder von ihnen hat durch sich selbst die Wahrheit erkannt, jenen einzigen Gedanken, der in verschiedener Beleuchtung das alleinige Thema ihrer Lehre ist. Gewiss hat Schopenhauer, und auch Gotamo Buddho, von seinen Vorgängern gelernt, ebenso, wie etwa Raphael, oder Mozart von seinem Vater im Technischen, überhaupt im Untergeordneten der betreffenden Kunst unterwiesen wurde; aber der Künstler, sei er nun Maler, Dichter, Musiker oder Philosoph, sieht meist seinem eigenen, völlig ungetrübtem reinen Auge in die Welt hinein. Er erfasst einen bestimmten Gegenstand, der Allen anschaulich vorliegt -- als Philosoph das Ganze der Anschauung, innerer sowohl wie äußerer -- und stellt ihn objektiv , so wie er sich im reinen, willenslosen Subjekt des Erkennens, als seinem Spiegel zeigt, dar: ein Fall gilt für tausend, und das Wesen des betreffenden Gegenstandes ist ein für allemal adäquat dargestellt. Daher ist die Kunst allgenugsam, während die Wissenschaft ewig bedürftig bleibt und niemals zu einem wirklich befriedigenden Resultate gelangenkann. Ein Kunstwerk erstrahlt in ewiger Jugend, eine Wissenschaft wird von Tag zu Tag älter, und die vorhergehende ist, wenn sie auch zu ihrer Zeit unübertrefflich gehalten wurde, veraltet. Der Apollo vom Belvedere oder die kapitolinische Venus sagen uns das Selbe, was sie einst den Griechen gesagt haben; die Astronoimie des Aristoteles oder die Farbenlehre Newton's sind uns nur mehr wissenschaftliche Mumien.

Man möge uns also mit dem beliebten historischen Schellengeklingel

»Mit trefflichen pragmatischen Maximen,
Wie sie den Puppen wohl im Munde ziemen!«

verschonen -- als ob von der historischen Entwicklung und geschichtlichen Wirkung der buddhistischen Lehre Wunder was abhienge! »Nur Eines, ihr Jünger, verkündige ich, heute wie früher: das Leiden und des Leidens Vernichtung.« Diese Worte Gotamo Buddhos enthalten die Quintessenz seiner Lehre. ...

Auch Gotamo Buddho hat seine Vorgänger gehabt, die Philosophie der Upanischaden war für ihn das, was für Schopenhauer Kant war, und er hat von ihnen ebensoviel und ebensowenig gelernt und aufgenomme, wie etwa Shakespeare oder Richard Wagner von ihren Vorgängern: diese anschauliche Welt war sein Lehrbuch, wie das Schopenhauer's und jedes ächten Künstlers; was er gesehen und erkannt hat, das hat er verkündet, nicht für Kinder und Thoren, sondern für die wenigen Einsichtigen, für Jeden, der sein Jünger im Geiste und der That ist. An einen solchen wendet er sich auch heute noch mit dem Goethe'schen Wort:

»Er stehe fest und sehe sich hier um!
Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm.«


1890-93

K. E. Neumann versucht erfolglos, einen Posten im Civil Service bzw. bei einem Maharaja in Indien zu bekommen.


5. Übersicht über die Übersetzertätigkeit K. E. Neumanns



6. 1893: Dhammapada-Übersetzung


1893

Der Wahrheitspfad (Dhammapadam) : ein buddhistisches Denkmal / aus d. Pali in den Versmassen des Originals übers. von Karl Eugen Neumann. -- Leipzig : Veit, 1893. -- 182 S.
1. Münchener Aufl.: München : Piper, 1918 (500 Ex.)
2. Aufl.: München : Piper, 1921 (5.550 Ex.)
3. Aufl.: 7.-9. Tsd. -- München : Piper, 1949
4. Aufl.: 17.-21. Tsd. Zürich, 1957 (Ges. Ausg.)
5. Aufl.: München : Piper, 1984

Obwohl es vor Neumann schon mehrere Übersetzungen dieses Textes gegeben hat, die Neumann auch bekannt sind, schreibt er im Vorwort:

"Jedoch halte ich sie für die erste wirkliche Übersetzung: der Kenner möge urteilen. Das große deutsche Volk aber, dem ich sie widme, möge kommen und sich daran erquicken."

7. 1893-1896


1893/94

K. E. Neumann wohnt ein Jahr lang in London

1894

K.E . Neumann zwei Monate in Ceylon und einen Monat in Indien. In Ceylon traf er u.a. Sumangala Maha Thera (1827 - 1911).

Neumann führt ein Tagebuch und macht Notizen.:

Neumann, Karl Eugen <1865-1915>: Flüchtige Skizzen und Notizen aus Zeilon und Indien im Sommer 1894 / Karl Eugen Neumann. Hrsg. von Detlef Kantowsky.  -- Konstanz : Univ., Forschungsprojekt "Buddhistischer Modernismus", 1994. -- 120 S. : Ill. ; 21 cm. -- (Forschungsberichte / Universität Konstanz, Arbeitsbereich Entwicklungsländer, Interkultureller Vergleich, Forschungsprojekt "Buddhistischer Modernismus" ; 9)

Auszüge aus dem Tagebuch:

Colombo, 3. Juni 1894


Abb.: A. E. Buultjens, Principal Ananda College 1890 - 1898
[Bildquelle: http://www.anandanet.org/prs/prs02.html. -- Zugriff am 2005-05-03]

"Endlich bei Mr. Buultjens1. Ein zuvorkommender, in Europa gebildeter (Cambridge Univ.) junger Mann, Herausgeber des "Buddhist", Lehrer einer sinhalesischen Bürgerschule. Wir gehen zusammen zu Sumangalo2, dem derzeit berühmtesten buddhistischen Priester Colombo's. Nach viertelstündiger Fahrt langen wir vor dem Vidyodayo-College an, einem Kloster in entzückendem Garten gelegen, mit weißen langen Säulengängen, die lebhaft an den altromanischen, so einfach wie schönen Baustil italienischer Klöster erinnern. Geräumige Refektorien, luftige Schulzimmer mit Bänden. Denn die Priester sind die Lehrer der Jugend, allerdings in besserem Sinne, als bei uns.

1 Alfred Eernest Buultjens: christlich erzogener Burgher aus Matare. 1888 bekannte er sich zum Buddhismus

Buultjens, Alfred Ernest: Warum ich Buddhist wurde : eine Vorlesung, gehalten am 25. März 1899. -- München-Neubiberg : O. Schloss, [1924]. -- 22 S. ; 8°. -- (Buddhistische Volksbibliothek ; No 20). -- Originaltitel: Why I became a Buddhist. -- Online: http://www.geocities.com/Area51/Starship/7077/Aloka/pers1.htm#why. -- Zugriff am 2005-05-03] 

2 Sumangala Maha Thera (1827 - 1911). Zu Sumangala siehe:

Payer, Alois <1944 - >: Materialien zum Neobuddhismus.  --   Kapitel 5: Buddhismus und theosophische Bewegung.  -- 1. Bis 1878.. -- URL: http://www.payer.de/neobuddhismus/neobud02011.htm


Abb.: Sumangala

Wir kommen zu Sumangalo. Gegenseitige Vorstellung. Sumangalo spricht leidlich gut englisch, und sehr gut Pâli. So verständigen wir uns gegenseitig. Gelegentlich interpretiert Mr. Buultjens einerseits- sinhalesisch, anderseits englisch. Sumangalo ist ein sympathischer alter Herr, von ungefähr 55 - 60 Jahren. In seine gelbe Toga gehüllt, mit entblößter rechter Schulter, sitzt er in einem bequemen Polstersofa, vor einem großen Tische, der mit Handschriften, Büchern, Journalen und Zeitungen bedeckt ist. Wir gehn bald medias in res. Er lässt sich von einem Mönche, der intelligent und schlau wie ein römischer Konsul dreinschaut, aus der reichen Klosterbibliothek einen heiligen Text bringen. Es ist der Majjhimanikâyo, 1. Suttam. Er lässt mich die erste Hälfte desselben vorlesen und erklärt mir den Text und die Textgestalt auf seine Weise, wobei er an der mustergültigen Textrezension Trenckers die vor uns liegt, manches zu tadeln findet. Dann liest er mir die andere Hälfte vor, rasch aber sehr deutlich und pointiert, in rezitierendem Tone, wobei er natürlich auch gelegentliche Bemerkungen einfließen lässt. Beides ist für die Kenntnis des heutigen Buddhismus, und mittels gewisser Rückschlüsse auch für die des einstigen, von symptomatischer Wichtigkeit. Nach ungefähr anderthalb Stunden, während welcher Zeit noch manche interessante Frage mehr oder weniger eingehend erörtert wurde, verabschieden wir uns von diesen gelehrten Mönchen, die tatsächlich den heute blühenden buddhistischen Scholastizismus repräsentieren."

[Quelle: Neumann, Karl Eugen <1865-1915>: Flüchtige Skizzen und Notizen aus Zeilon und Indien im Sommer 1894 / Karl Eugen Neumann. Hrsg. von Detlef Kantowsky.  -- Konstanz : Univ., Forschungsprojekt "Buddhistischer Modernismus", 1994. -- 120 S. : Ill. ; 21 cm. -- (Forschungsberichte / Universität Konstanz, Arbeitsbereich Entwicklungsländer, Interkultureller Vergleich, Forschungsprojekt "Buddhistischer Modernismus" ; 9). -- S. 10f.]

Neumann traf auch Waskaduwe Subhûti (1835 - 1917) in Kalutara. Subhuti war 25 Jahre vorher der persönliche Freund und Gönner Robert Caesar Childers (1838-1876) gewesen.

14. Juni 2894

"Von dort aus ... ging es endlich zu dem gelehrtesten Mönche neben oder vor Sumangalo, denn das ist Subhûti, ohne Zweifel. Er ist ein höchst einfacher, bescheidener Mann, mager, asketisch, von ungemein sympathischen Manieren. Wir sprachen über Mancherlei uns nahe Liegendes; doch konnte mir Subhuti leider keine Interpretation geben, da die Bibliothek 1 Stunde weit entfernt von uns war (wir trafen uns beim sehr zuvorkommenden Stationschef von Kalutara, einem Freunde Subhuti's), und so beschränkte ich mich auf Erreichbares. Subhûti will mich hier in Galle Face besuchen, und auch ich werde vielleicht noch einmal in das reizend gelegene Kalutara kommen."

[Quelle: Neumann, Karl Eugen <1865-1915>: Flüchtige Skizzen und Notizen aus Zeilon und Indien im Sommer 1894 / Karl Eugen Neumann. Hrsg. von Detlef Kantowsky.  -- Konstanz : Univ., Forschungsprojekt "Buddhistischer Modernismus", 1994. -- 120 S. : Ill. ; 21 cm. -- (Forschungsberichte / Universität Konstanz, Arbeitsbereich Entwicklungsländer, Interkultureller Vergleich, Forschungsprojekt "Buddhistischer Modernismus" ; 9). -- S. 29f.]

Die für Neumann beeindruckendste Begegnung mit einem Mönch:

28. Juli [1894].

Heute früh erhielt ich den unerwarteten Besuch eines jungen Mönchs, der gekommen war, "um mich zu sehn". Alles was ich bisher an den Hauptpriestern vermisste, fand ich in diesem außerordentlichen Manne vereinigt: freies, selbständiges Urteil, unbeeinflusst von Buddhaghoso, tiefes ernstes Sinnen und Streben. Seine Darstellung der 4 heiligen Wahrheiten meisterhaft. "Wer die Wahrheit vom Leiden nicht versteht, kann auch die Wahnerlöschung nicht verstehn." Seine Worte. Er legte in streng logischer Form seine Gründe dar, warum auch heute noch Nibbânam erreichbar ist, und warum die allgemein hier als orthodox geltende Lehre "heute nicht mehr", falsch sei. Er interpretierte höchst geistreich das Saranagamanasuttam, wonach nur derjenige, der aus Liebe zur Wahrheit entsagt hat der ächte Asket ist. Und so vieles wichtige Andere.- Er speiste mit mir im Rasthaus hier, wunderbar in all seinen ruhigen, sanften Bewegungen und Manieren, ein echter bhikkhu vom Scheitel zur Sohle. Nachmittags begleitete ich ihn zu seinem Vihâro, der 1 Stunde Eisenbahnfahrt von hier entfernt ist. Sein Name: Dhammadharo vom Selabimbaviharo bei Galle auf Ceylon. Er ist 37 Jahre alt, sieht aber jünger aus, war in Indien, Burma, Siam und China, kennt alle diese Landessprachen."

[Quelle: Neumann, Karl Eugen <1865-1915>: Flüchtige Skizzen und Notizen aus Zeilon und Indien im Sommer 1894 / Karl Eugen Neumann. Hrsg. von Detlef Kantowsky.  -- Konstanz : Univ., Forschungsprojekt "Buddhistischer Modernismus", 1994. -- 120 S. : Ill. ; 21 cm. -- (Forschungsberichte / Universität Konstanz, Arbeitsbereich Entwicklungsländer, Interkultureller Vergleich, Forschungsprojekt "Buddhistischer Modernismus" ; 9). -- S. 56.]

Aus Neumanns Tagebucheintragungen zum ceylonesischen Buddhismus:

"24. Juni [1894].

Es macht mir den Eindruck, als ob das saddhâ âgarasmâ anagariyam pabbajitum [Gehen aus dem Heim in die Heimlosigkeit] längst vergangenen Zeiten angehörte. Die Mönche werden Mönche, wie eben Einer Gelehrter wird: um des Lebensunterhaltes willen, und außerdem werden sie ja sehr oft von Kindheit auf im Kloster erzogen, so dass die Ordination nur als konsequenter Abschluss erscheint. Daher darf es nicht Wunder nehmen oder befremden, dass es auch manche räudige Schafe gibt, ja vielmehr, dass es im Allgemeinen mit der Hausmoral vortrefflich steht muss aufrichtig erfreuen. Sonst sagen die Mönche, in Beziehung auf Höheres meine ich: Heutzutage gibts' keine Heiligen, keine Arahâs mehr; spätere Kalpas müssen abgewartet werden. Bequem und modern. Aber seien wir dankbar, dankbar für das, was reichlich da ist, vor Allem schätzen wir den köstlichen Fleiß dieser gelehrten geistlichen Herren, die uns die ächten Texte durch die Jahrtausende hindurch rein überliefert haben."

[Quelle: Neumann, Karl Eugen <1865-1915>: Flüchtige Skizzen und Notizen aus Zeilon und Indien im Sommer 1894 / Karl Eugen Neumann. Hrsg. von Detlef Kantowsky.  -- Konstanz : Univ., Forschungsprojekt "Buddhistischer Modernismus", 1994. -- 120 S. : Ill. ; 21 cm. -- (Forschungsberichte / Universität Konstanz, Arbeitsbereich Entwicklungsländer, Interkultureller Vergleich, Forschungsprojekt "Buddhistischer Modernismus" ; 9). -- S. 36.]

"21. Juli [1894].

Mit dem sehr lieben, 38jährigen Ratanajyoti lange diskutiert über dogmatische Themata. Er ist gelehrt und gescheit, aber folgt leider ganz dem verderblichen Buddhaghoso, einer wässerigen Praedestinationslehre. Kein Nibbânam, keine Heiligkeit, ja nicht einmal Sotâpatti ist jetzt mehr zu erreichen, nur Himmel und Hölle und Tierreich und Menschenreich, je nach den Taten; so ist's 1000 Jahre nach dem Buddho und wer die Erlöschung erreichen will, muss auf den künftigen Buddho Metteyyo warten, dann gibt's wieder Heiligkeit und Erlösung, in einigen 1000 Jahren - recht bequem, einstweilen, zur Beschönigung der bestia trionfante."

[Quelle: Neumann, Karl Eugen <1865-1915>: Flüchtige Skizzen und Notizen aus Zeilon und Indien im Sommer 1894 / Karl Eugen Neumann. Hrsg. von Detlef Kantowsky.  -- Konstanz : Univ., Forschungsprojekt "Buddhistischer Modernismus", 1994. -- 120 S. : Ill. ; 21 cm. -- (Forschungsberichte / Universität Konstanz, Arbeitsbereich Entwicklungsländer, Interkultureller Vergleich, Forschungsprojekt "Buddhistischer Modernismus" ; 9). -- S. 54.]

In Kalkutta trifft Neumann Dharmapâla (1864 - 1933):

"[Kalkutta,] 7. August [1894].

Abb.: Dhamapala

Mit Dharmapâla1, Mahâbodhi-society, Nachmittags und Abends zusammen. Er ist ein tüchtiger, 29jähriger Apostel de Propaganda fide und, ich glaube, durchaus rechtschaffen. Hohe, stattliche, schlanke Erscheinung, dunkelhäutig, schwarzhaarig, in weisse Chinaseide-Tunica einfach und malerisch gekleidet. Vornehme Manieren. Reist morgen früh auf 6 Wochen nach Ceylon. Sein Traum: ein buddhistisches Indien und Verbindung aller Sekten des Buddhismus der ganzen Erde. Ausgangspunkt: Kalkutta; Beginn mit der Aussendung 100 der besten ceylonesisehen Mönche von Buddhagaya aus."

1 Zu Dharmapâla siehe:

Payer, Alois <1944 - >: Materialien zum Neobuddhismus.  --   Kapitel 6: Das Weltparlament der Religionen in Chicago 1893. -- URL: http://www.payer.de/neobuddhismus/neobud0202.htm

[Quelle: Neumann, Karl Eugen <1865-1915>: Flüchtige Skizzen und Notizen aus Zeilon und Indien im Sommer 1894 / Karl Eugen Neumann. Hrsg. von Detlef Kantowsky.  -- Konstanz : Univ., Forschungsprojekt "Buddhistischer Modernismus", 1994. -- 120 S. : Ill. ; 21 cm. -- (Forschungsberichte / Universität Konstanz, Arbeitsbereich Entwicklungsländer, Interkultureller Vergleich, Forschungsprojekt "Buddhistischer Modernismus" ; 9). -- S. 57f.]

In Darjeeling (Bengalen) den tantrischen Lama Dausamdup:

"[Darjeeling,] 12. August [1894].

Den Buddhistischen Tempel in Bhutia Basti besucht. Tibetanisch. Gebetsrollen. Schöne Kanjur- und Tandjur-Sarrmlung. Mein Einführungsschreiben beim Lama Rai Bahadur Ugyan Gyotscho, dem angesehensten der Gegend, abgegeben. Ausgezeichnet aufgenommen. Spricht fließend englisch. Höchst interessant ist jedoch sein Schüler und Vertreter, zugleich Dolmetsch der Regierung, Dausamdup, ein junger Mann von 27 Jahren. Er war sechs Jahre in Tibet, bei einem dortigen alten Lama-Asketen und hat sich den tibetischen Buddhismus ganz angeeignet. Wir sprachen gen 2 Stunden über diese Lehren. Bemerkenswert: Überzeugung von der Grundwahrheit des Leidens, von der Irrealität der Außenwelt, die durch und durch Mâyâ ist, dann Mystik und dann leider die völlig verkehrte tantrische Lehre, dass der Vollkommene - soviele hübsche Weiber nehmen darf, als er will: es ist einfach unglaublich, wie diese tantrische Korruption sich in die sonst streng asketische Lehre einnisten konnte und nun den Gipfel derselben in Tibet darstellt; unglaublich, wenn man sich nicht beizeiten erinnert, dass alles Edle verdorben wird, von den Wesen die wie Menschen aussehn, aber Bestien sind. Da ist eben Ceylon doch noch die feste Burg des Buddhismus, wenn gleich Scholastik den Platz der Philosophie eingenommen hat."

[Quelle: Neumann, Karl Eugen <1865-1915>: Flüchtige Skizzen und Notizen aus Zeilon und Indien im Sommer 1894 / Karl Eugen Neumann. Hrsg. von Detlef Kantowsky.  -- Konstanz : Univ., Forschungsprojekt "Buddhistischer Modernismus", 1994. -- 120 S. : Ill. ; 21 cm. -- (Forschungsberichte / Universität Konstanz, Arbeitsbereich Entwicklungsländer, Interkultureller Vergleich, Forschungsprojekt "Buddhistischer Modernismus" ; 9). -- S. 60.]

Beispiel aus den Notizen:

"Für das interessante sûkaramaddavam liegen vier Erklärungen der Kommentatoren vor,
  1. Pilz (Mushrooms)
  2. Eberfleisch
  3. eine gewisse Medizin
  4. gewisse Kräuter, die von Schweinen aufgesucht werden. also etwa = 1.

Dies die traditionelle Reihenfolge. Die Bedeutung im Mahâparinibbânasuttam ist oder scheint Sumangalo zweideutig. Erst hielt er Nr. 2 für die zu wählende, jetzt neigt er zu Nr. 1. Ob so oder so: "für den Buddhismus ist das recht gleichgültig, berührt ihn nicht, da ja alle Nahrung elend ist. Es ist falsch, wenn Einer glaubt durch Beobachtung gewisser Nahrungsvorschriften Reinheit des Herzens zu erlangen.": Die die Worte Sumangalos. Man sieht, zuweilen leuchtet ein Strahl durch die Jahrtausende hindurch, auch in die scholastische Nacht."

[Quelle: Faksimile der Handschrift. -- In: Neumann, Karl Eugen <1865-1915>: Flüchtige Skizzen und Notizen aus Zeilon und Indien im Sommer 1894 / Karl Eugen Neumann. Hrsg. von Detlef Kantowsky.  -- Konstanz : Univ., Forschungsprojekt "Buddhistischer Modernismus", 1994. -- 120 S. : Ill. ; 21 cm. -- (Forschungsberichte / Universität Konstanz, Arbeitsbereich Entwicklungsländer, Interkultureller Vergleich, Forschungsprojekt "Buddhistischer Modernismus" ; 9). -- S. 100f.]

1894

Herbst 1894 wieder in Wien. Vier Jahre lang Assistent am Orient-Institut beim Indologen Georg Bühler (1837-1898).


8. 1896-1902: Majjhimanikâya-Übersetzung


1895

Neumann bietet 30 Verlagen vergeblich die Übersetzung des ersten Bandes der Mittleren Sammlung an.

1896-1902

Die Reden Gotamo Buddhos aus der Mittleren Sammlung (Majjhimanikâyo).
Bd I: Leipzig : Friedrich, 1896.
Bd II: Leipzig : Friedrich, 1900.
Bd III: Berlin : Altmann, 1902
Italienische Übersetzung von De Lorenzo: Bari, 1907-27 [Giuseppe De Lorenzo (1871-1957), Neumanns bester Freund, ab 1905 ao. Prof. der Geologie und Physischen Geographie in Neapel. 1925 Ordinarius. 1913-1945 Mitglied des italienischen Senats.]
1. Münchener Aufl.: München : Piper, 1919
2. Aufl.: München : Piper, 1921 (5000 Ex.)
3. Aufl.: 7.-36. Tsd. -- München : Piper, 1922
4. Aufl.: 37.-40. Tsd. Zürich, 1956 (in Ges. Ausg.)
1987 Auswahlausg. von H. Hecker in Sammlung Piper

Bei weitem die breitenwirksamste Übersetzung.

Ende des Vorwortes:

"Die Reden stammen zwar aus dem 6. Jhdt. v. Chr.: aber sie machen zuweilen den Eindruck als gehörten sie ins 6. Jhdt. nach Schopenhauer ."

Aus dem Vorwort zum dritten Band:

"Nicht als ob es gälte späterhin Sendboten heranzubilden, den Erdball rings zu bekehren und, wenn es hoch kommt, noch ein paar Planeten dazu. Es müßte ja für die meisten empfindsamen Gemüter eine arge Aussicht sein, wenn this goodly frame, the earth, wie Hamlet bewundernd sagt, veröden und - o Graus - aussterben, etwa in ein far niente der Ewigkeit, um einen Ausdruck Jean Pauls zu gebrauchen, einmünden sollte, so da alle Menschen veritable Buddhisten, d.h. leibhaftige Heilige, würden: ein schnackischer Angstschrei, den man hin und wieder, nicht in Indien, vernimmt; oder wie unser Poeta poetarum mit lächelndem Auge spricht:


If all were minded so, the times should cease,
And threescore years would make the world away.

Davor brauchen wir, verehrte Anwesende, keine Furcht zu haben. Die buddhistische Lehre wird ihrer außerordentlichen Dichte wegen in Wirklichkeit immer doch nur einer kleinen Schar, immer nur einem oder dem anderen abseit gegründeten, ungeselligen, beharrlichen Erzgrübler nicht undurchdringlich erscheinen, nicht lästig und beschwerlich fallen. Die Hunderte und die Tausende werden sich nach wie vor zu eigener und fremder Aufklärung mit den astralen Weltproblemen weiterbeschäftigen, die himmlischen Progressionen zu berechnen suchen, das Ewige und das Zeitliche trennen und versöhnen, Freiheit und Notwendigkeit scheiden und verbinden, Geheimwissenschaft und Gemeinnützigkeit enträtseln und verhäkeln, ganze Realität und halbe Evolution oder umgekehrte Ethik und Ästhetik sowie Kulturpragmatik und Religionsphilosophie sub specie professoritatis und verwandte allerangelegentlichste Fragen, sabbasamukkamsika pañha, behandeln und festzustellen hoffen »Dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes«, wie eben die gewöhnlichen Meister und Altmeister, Büßer und Pilger, Asketen und Priester schon zu Gotamos Zeiten je nach ihrer Art behauptet, gelehrt, bewiesen, erläutert und ausgelegt haben; von den Hunderttausenden nicht zu reden, denen die heiligen Fußspuren, Knochen, Zähne, Nägel, Hostien, Fetische, Inkarnationen, Folklorisierungen usw. ungekränkt überlassen seien: und auch nicht von den Dutzenden, denen Abrakadabrahuitzilopochtligelehrsamkeit und Beckmesserpoesie, oder blaublumige Düfte und faselnde Flöten schon genügen. An einzelne wenige aber, die mit den mehr oder minder spröden oder mürben Allotria nicht recht umzugehn wissen, denen unsere eigenartige Dichte allmählich ohne Beschwer vertrauter wird, sogar anziehend, einladend, wie beim gediegenen Golde von selbst verständlich erscheint, oder wie dem Grafen Russell seine dreißig Jahre inniger Lauterkeit an den höchsten Gipfeln der Pyrenäen, ist heute wie einst ein oft wiederholter Nachhall im vorletzten Buche, der Spruch vom »Stillen Denker« gerichtet.

Wien, Anfang April 1901.
K.E.N."

Als Beispiel für Neumanns Stil der Beginn der 2. Lehrrede in Neumanns Übersetzung und in Pali:

Eva*m me suta*m. Eka*m samaya*m bhagavâ sâvatthiya*m viharati jetavane anâthapi*n*dikassa ârâme. Tatra kho bhagavâ bhikkhû âmantesi bhikkhavo ti. Bhadante ti te bhikkhû bhagavato paccassosu*m. Bhagavâ etad avoca sabbâsavasa*mvarapariyâya*m vo bhikkhave desessâmi. a*m su*nâtha sâdhuka*m manasi karotha. Bhâsissâmî ti. Eva*m bhante ti kho te bhikkhû bhagavato paccassosu*m. Bhagavâ etad avoca.

Jânato aha*m bhikkhave passato âsavâna*m khaya*m vadâmi no ajânato no apassato. Kiñca bhikkhave jânato kiñca passato khaya*m vadâmi. Yoniso ca manasikâra*m ayoniso ca manasikâra*m. Ayoniso bhikkhave manasikaroto anuppannâ ceva âsavâ uppajjanti uppannâ ca âsavâ pava*d*dhanti. Yoniso ca kho bhikkhave manasikaroto anuppannâ ceva âsavâ na uppajjanti uppannâ ca âsavâ pahîyanti.

 

"Das hab ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sâvatthî, im Siegerwalde, im Garten Anâthapindikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhaben sprach also:

»Wie allem Wähnen gewehrt wird, Mönche, das will ich euch weisen: höret es und achtet wohl auf meine Rede.«

»Ja, o Herr!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. der Erhabene sprach also:

»Dem Kenner, ihr Mönche, dem Kundigen verheiße ich Wahnversiegung, keinem Unbekannten, keinem Unkundigen. Was soll aber, Mönche gekannt, was erkundet sein zur Wahnversiegung? Gründliche Achtsamkeit und seichte Achtsamkeit. Seichte Achtsamkeit, ihr Mönche, zeitigt neues Wähnen und lässt das alte erstarken, gründliche Achtsamkeit, ihr Mönche lässt neues Wähnen nicht aufkommen und zerstört das alte.«"

Hermann Hesse (1877-1962) rezensierte diese Übersetzung in: Die neue Rundschau, Okt. 1921:

"zuweilen sind Neumanns Übersetzungen, ihrer Wörtlichkeit in den anscheinend endlosen Wiederholungen wegen, von deutschen Literaten bespöttelt worden. Manche fühlten sich durch diese geruhigen, endlosen fließenden Betrachtungsreihen an Gebetsmühlen erinnert. Diese Kritik, so witzig sie sein mag, geht von einer Einstellung aus, welche der Sache nicht gerecht zu werden fähig ist. Buddhas Reden nämlich sind nicht Kompendien einer Lehre, sondern sie sind Beispiele von Mediationen, und das meditierende Denken eben ist es, was wir bei ihnen lernen können. Ob Meditation zu anderen wertvollen Ergebnissen führen könne als wissenschaftliches Denken, ist eine müßige Frage. Zweck und Resultat der Meditation ist nicht ein Erkennen im Sinn unserer westlichen Geistigkeit, sondern ein Verschieben des Bewusstseinszustandes, eine Technik, deren höchstes Ziel eine reine Harmonie, ein gleichzeitiges und gleichmäßiges Zusammenarbeiten von logischem und intuitivem Denken ist. Über die Erreichbarkeut dieses Zieles steht uns kein Urteil zu, wir sind in dieser Technik durchaus Kinder und Anfänger. Zum Eindringen in die Technik der Meditation aber gibt es keinen direkteren Weg als die Beschäftigung mit diesen Buddha-Reden.

Es gibt zahlreiche nervöse deutsche Professoren, welche etwas wie eine buddhistische Überschwemmung, einen Untergang des geistigen Abendlandes befürchten. Das Abendland wird jedoch nicht untergehen, und Europa wird nie ein Reich des Buddhismus werden. Wer Buddhas Reden liest und durch sie Buddhist wird, der mag für sich einen Trost gefunden haben -- statt des Weges, den uns Buddha vielleicht zeigen kann, hat er aber einen Notausgang gewählt.

Die Modedame, die neben den bronzenen Buddha aus Ceylon oder Siam nun die drei Bände der Reden Buddhas legt, wird ebensowenig jenen Weg finden wie der Asket, der sich aus dem Elend eines öden Alltags zu dem Opium eines dogmatischen Buddhismus flüchtet. Wenn wir Abendländer erst etwas Meditation gelernt haben werden, wird sie uns ganz andere Resultate zeigen als den indern. Sie wird uns nicht zum Opium werden, sondern zu einer vertieften Selbsterkenntnis, wie sie als erste und heiligste Forderung den Schülern der griechischen Weisen gestellt wurde."

[Abgedruckt in: Materialien zu Hermann Hesses Siddhartha . -- Bd. 1. -- -Frankfurt : Suhrkamp, 1975. -- (Suhrkamp Taschenbuch ; 129). -- S. 140-142]

1896-Frühjahr

 
Abb.: Giuseppe De Lorenzo

Der süditalienische Geologe Giuseppe De Lorenzo (1871 - 1957) erwirbt den gerade erschienen ersten Band der Majjhima-Übersetzung, ist begeistert und schreibt 1896-09 einen begeisterten Brief an K. E. Neumann. Neumann antwortet sehr erfreut. Daraus entsteht eine enge Freundschaft zwischen beiden.

Zu Giuseppe De Lorenzo siehe:

Payer, Alois <1944 - >: Materialien zum Neobuddhismus.  --  11. Buddhismus in Italien. -- URL: http://www.payer.de/neobuddhismus/neobud1101.htm


Abb.: Georg Bühler

Georg Bühler (1837-1898) ertrinkt im Bodensee. Georg Bühler war für Neumann

"der einzige Mensch mit dem man ein paar gründliche Worte hier sprechen konnte, dessen Umgang eine stete Quelle der Belehrung für mich war, der einzige Gelehrte, der mich nicht, wie alle anderen, unsympathisch abgestoßen hat, weil er in der Tat Indien kannte, übrigens mehr Engländer als Deutscher war"

[Brief an De Lorenzo vom 19.4. 1898; Gesamtausgabe, Bd. 3, S. 959].

 

"Bühler, Georg, Sanskritist, geb. 19. Juli 1837 in Borstel bei Nienburg in Hannover, gest. 8. April 1898 (bei Lindau im Bodensee ertrunken), studierte in Göttingen Philologie und orientalische Sprachen, besonders Sanskrit, unter Benfey, promovierte daselbst 1858, folgte 1863 einem Ruf nach Indien als Professor der orientalischen Sprachen an dem Elphinstone College in Bombay. Er bearbeitete dort mit R. West das indische Erbrecht auf Grund der Originalstellen in den Sanskritgesetzbüchern (»A digest of Hindu law«, Bomb. 1867-69, 2 Bde.; 3. Aufl. 1880), gründete 1868, zum Educational Inspector (Oberschulrat) befördert, zahlreiche neue Primär- und Sekundärschulen und kaufte auf seinen Visitationsreisen eine sehr bedeutende Anzahl von wichtigen alten Sanskrithandschriften teils für die indische Regierung, teils für die Bibliotheken von Oxford, Cambridge und Berlin, teils auch für sich selbst an. Über die in Kaschmir, in Zentralindien, Gudscharat und der Radschputana erworbenen Handschriften, über 5000 an der Zahl, gab er wertvolle Kataloge heraus, von denen der besonders interessante kaschmirsche 1877 als Extranummer des »Journal of the Royal Asiatic Society« von Bombay erschien. Auch als Herausgeber von Sanskrittexten war B. vielfach tätig, namentlich für die »Bombay Sanskrit Series«, die er zusammen mit Kielhorn gründete. Sie umfasst jetzt eine bedeutende Zahl Sanskritwerke, die größtenteils von indischen Gelehrten (wie Bhandarkar, Telang, Shankar Pandit u. a.) ediert worden sind, wie überhaupt das Studium des Sanskrits im westlichen Indien durch B. einen bedeutenden Aufschwung nahm. Für die von Max Müller herausgegebene Sammlung »Sacred Books of the East« übersetzte er die Gesetzbücher des Apastamba, Gautama, Vasischtha, Baudhâyana (Oxf. 1879-82, 2. Aufl. 1897). Auch an der Entzifferung und Erklärung indischer Inschriften nahm B. lebhaften Anteil. Ferner schrieb er Sanskritschulbücher. Im September 1880 nahm B. aus Gesundheitsrücksichten seinen Abschied aus dem indischen Dienst und wurde schon einen Monat später zum Professor des Sanskrits und der indischen Philologie in Wien ernannt. Dort entfaltete er die umfassendste Wirksamkeit und bildete zahlreiche Schüler heran. Er veröffentlichte in dieser Zeit außer zahlreichen Abhandlungen über indische Altertumskunde einen »Leitfaden für den Elementarkursus des Sanskrits, mit Glossaren« (Wien 1883). Sein außerordentliches Wissen, mehr über die jüngere indische Literatur als über die des Veda sich erstreckend, seine tiefe Kenntnis Indiens und der Inder verlieh ihm eine Autorität, die ihn als den Berufenen zur Begründung des großartigen »Grundrisses der indoarischen Philologie und Altertumskunde« erscheinen ließ (Straßb. 1896ff.), in dem er selbst sein Werk »Indische Paläographie« (1896) veröffentlichte. Die Herausgabe dieses Grundrisses, an dem etwa 30 europäische, amerikanische, indische Gelehrte mitarbeiten, wird nach seinem Tode von Kielhorn (s.d.) geleitet. "

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

K. E. Neumann zieht nach Berlin. In Berlin begegnet er Robert L'Orange (1877 -- ????)


Abb.: Der siamesische Gesandte in Berlin und Robert L'Orange [Bildquelle: Hecker, Hellmuth <1923 - >: Karl Eugen Neumann : Erstübersetzer der Reden des Buddha, Anreger zu abendländischer Spiritualität. -- Hamburg, 1986. -- 483 S. : Ill. -- Vor S. 47]

"In den Anmerkungen zu den Bänden des Werkes Neumanns findet sich häufig der Name eines solchen höheren Wesens: Robert L'Orange. Er stammte aus einer ausgewanderten Hugenottenfamilie, war in Deutschland am 11.6.1877 bei einem Arzt geboren und stammte mütterlicherseits direkt von J.S. Bach ab. Dieser ungewöhnliche Jüngling hatte von Kind an eine unvergleichliche Gute gezeigt: nichts, was er unternahm, sollte niedrig enden. Eine starke Beobachtungsgabe und verschiedene Talente bewirkten, dass er sich glänzender Erfolge in den logischen und positiven Wissenschaften rühmen konnte. Er war schön und stark und geradezu tadellos in jeder Art Sport: ein wunderbarer Reiter, Schwimmer, Ruderer, Segelflieger, Fechter usw. Viele und lange Reisen seit seiner Jugend nach den Meeren des Nordens, in ganz Europa, in Ägypten, Syrien, Indien, hatten aus ihm einen Humoristen gemacht, der sich mit seiner vis comica leicht in der großen Gesellschaft bewegte. Die Natur weckte nicht nur seine Neugier, sondern auch sein lebhaftes Interesse: und seine Kenntnisse der Physik, Mechanik, Chemie waren ungewöhnlich. Dem standen seine Kenntnisse der Literatur und Kunst nicht nach. Mit etwa 20 Jahren wurde er ein leidenschaftlicher Schuler Schopenhauers und des Buddhismus, vor allem der Übersetzung der Mittleren Sammlung. Er studierte damals in Straßburg. Dann begab er sich nach Berlin zu Albrecht Weber, der sich schon zu einem solchen Schüler beglückwünschte. Aber bald zog er sich von allem Universitätsleben zurück und begann Tag und Nacht Sanskrit und Pâli zu studieren. In kurzer Zeit beherrschte er es so, dass er anfangen konnte, mit Neumann die interessantesten Diskussionen Über schwierige Punkte zu fuhren und ihn von einigen Korrekturen Überzeugte, die Neumann in seinen Werken dann Übernahm. Seine Briefe von 1899 an Neumann - sei es unter philologischem oder philosophischem Aspekt, vor allem durch die Kritik an zweifelhaften Stellen des Schopenhauerischen Denkens - und die Randbemerkungen zu seinen Büchern, die er dem siamesischen Fürsten und Gesandten in Berlin, Phya Nond Buri schenkte, enthüllen einen Geist von außerordentlicher Stärke, vor dessen Äußerungen man von allergrößter Bewunderung erfüllt wird.
Aber all dies Wissen, all diese Intelligenz waren für Robert L'Orange nur eine Brücke, ein Floß, dessen er sich bediente, um das andere Ufer des Lebensstromes zu erreichen, das von Gotamo gezeigte Ufer der Erlösung, und er konnte die unnütze Last fahren lassen. In der Tat verließ er 1900 mit kaum 23 Jahren Bücher, Studien, Familie und Welt, zog sich in völlige Einsamkeit in die arabische Wüste zurück, um von dort aus zu erlöschen, nicht zurückzukehren in diese Welt"

[Lorenzo,  Giuseppe de <1871-1957>: Oriente ed Occidente -- .Bari : G. Laterza, 1931. -- 263 S. -- ( Biblioteca di cultura moderna). --  S. 179 f.. -- Zitiert und übersetzt in: Hecker, Hellmuth <1923 - >: Karl Eugen Neumann : Erstübersetzer der Reden des Buddha, Anreger zu abendländischer Spiritualität. -- Hamburg, 1986. -- 483 S. : Ill. -- S. 47f.]

1899

K. E. Neumann kehrt nach Wien zurück.


9. 1899: Thera/Therîgâthâ-Übersetzung

1899

Die Lieder der Mönche und Nonnen Gotamo Buddhos / aus den Theragâthâ und Therîgâthâ zum erstenmal übers. -- Berlin : Hofmann, 1899.

Bis Apr. 1901 werden gerade 130 Ex. verkauft, darum nun auf Tandelmarkt.
1. Münchner Aufl.: München : Piper, 1918
Aufl.: 2.-11.Tsd. -- München : Piper, 1923
3. Aufl.: 11.-15. Tsd. Zürich, 1957 (Ges. Ausg.)

Über die Art, wie Neumann an der Übertragung von Versen gearbeitet hat, schreibt er am 11.2.1902 an De Lorenzo:

"Über deine Übersetzung des MN I lässt sich nur sehr günstig urtheilen. aber mit Ausnahme der metrischen Stellen. Die Mehrzahl dieser scheinst du am Schreibtisch sitzend Zeile umd Zeile übertragen zu haben, so dass es eben schlechte Prosa geworden ist. Wenn ich nicht deine 3 Sonette Shakespeares kennte, müsste ich meinen, du kannst gar nicht nachdichten. Auch jene indischen Gâthâ erfordern dieselbe liebevolle Behandlung und Aufmerksamkeit und heißen Fleiß. Glaubst du etwa, ich hätte einen einzigen Vers übersetzt, ohne ihn vorher auswendig zu kennen, de coro, by heart, und ohne ihn immer und immer wieder nach allen Seiten hin zu drehen, bis er endlich eine entsprechende Form angenommen? So habe ich gelegentlich an bloßen 4 Zeilen 2 und 3 volle Tage unermüdlich gearbeitet, auf dem Sopha liegend, auf Spaziergärten, in der Tramway, überall; anders geht es nicht, sonst kommen eben Deussensche Upanishad's-Verse heraus. Als Zeichen, wie ich gerarbeitet habe, lege ich die mein zufällig noch vorhandenes 1. Ms. der Übers. der Thag und Thîg bei."

[Gesamtausgabe. -- Bd. 3. -- S. 983]

Beginn der Theragâthâ:

Namo tassa bhagavato arahato sammâsambuddhassa

"Verehrung, Ihm, dem Helden hoch,
Dem heilig auferwachten Herrn!"

"Wie Löwenruf im Felsentor
Aus tiefen Rachen fern ertönt,
Ertönt euch Sang Erlöster hier,
Zum eignen Heil gesungen einst.

Und was ihr Stamm und Stand auch war,
So viel da weilten ordensecht,
Mit hellem Witze gut begabt:
Beharrlich hielt ein jeder aus.

Ein jeder sah die Satzung fein
Und fand was nicht verwesen kann,
Gewahrte wohl der Taten Ziel,
Und sprach bedächtig seinen Spruch."


1904


Abb.: Reinhard Piper mit Frau

[Bildquelle: Piper, Ernst ; Raab, Bettina: 90 Jahre Piper : die Geschichte des Verlages von der Gründung bis heute. -- München [u.a.] : Piper, 1994. -- 441 S. : Ill. -- (Serie Piper ; Bd. 1990). -- ISBN 3-492-11990-5. -- S. 59]

Reinhard Piper (1879-1953)München, der 19. Mai 1904 den Verlag R. Piper & Co. ins Münchner Handelsregister eintragen gelassen hat, wird Neumanns Verleger. Bis her war jedes Buch Neumanns in einem anderen Verlag erschienen. Piper war während seiner Lehrzeit in Berlin auf Schopenhauer und Deussen und durch diese auf den Buddhismus gekommen. Deshalb kannte und schätzte er auch Neumanns bisher erschienene Übersetzungen.

"Piper, Reinhard, Verleger, geb. 31.10.1879 Penzlin (Mecklenburg), gest. 21.10.1953 München

Der Sohn Otto Pipers trat nach dem Besuch des Gymnasiums 1895 als Lehrling in die Palmsche Hofbuchhandlung in München ein. Die Wanderjahre führten ihn nach Berlin, Paris und Dresden. 1904 gründete Piper mit Georg Müller den "R. Piper & Co. Verlag" in München, der vor allem durch Publikationen auf den Gebieten der Belletristik, Kunst und Philosophie rasch Bedeutung erlangte. Als erstes Buch erschien Dafnis von Arno Holz. Piper verlegte die erste deutsche Dostojewski-Ausgabe, die Schriften Dmitri Mereschkowskis und Christian Morgensterns, die große Schopenhauer-Ausgabe (seit 1911, hrsg. von Paul Deussen), die Reden Buddhas (in der Übertragung von Karl Eugen Neumann), kunsttheoretische Schriften und Monographien zur bildenden Kunst (u.a. Moderne Illustratoren, Klassische Illustratoren) und die Denkmäler des Theaters (12 Mappen). 1912 erschien bei Piper der Almanach "Der Blaue Reiter". 1917 gründete der Verlag in Verbindung mit Julius Meier-Graefe die Marées-Gesellschaft, deren Faksimiliereproduktionen 1923 zur Herausgabe der "Piperdrucke" anregten, die seit 1932 als "Verlag Die Piperdrucke" selbständig firmierten. 1937 ging Pipers Verlag, an dem über 30 Jahre verschiedene Teilhaber beteiligt waren, ganz in seinen Besitz über. In das erste Programm der Nachkriegszeit fiel der Beginn der Piper-Bücherei (1946). Pipers autobiographische Aufzeichnungen erschienen unter den Titeln Vormittag (1947) und Nachmittag (1950), 1964 zusammengefasst in einem Band als Mein Leben als Verleger. 1953 wurde Pipers Sohn Klaus, seit 1941 Mitinhaber, Leiter des Verlags."

[Quelle: Deutsche biographische Enzyklopädie & Deutscher biographischer Index. -- CD-ROM-Ed. -- München : Saur, 2001. -- 1 CD-ROM. -- ISBN 3-598-40360-7. -- s.v.]


10. 1905: Suttanipâta-Übersetzung


1905

Die Reden Gotamo Buddhos aus der Sammlung der Bruchstücke (Suttanipâto). -- Leipzig : Barth, 1905
Bis Febr. 1906 24 Exemplare verkauft
1. Münchner Ausg.: München : Piper, 1911
2. Aufl.: 2.-11. Tsd. -- München : Piper, 1923
3. Aufl. 11.-15. Tsd. -- Zürich, 1957 (in Ges.-Ausg.)

Die Leipziger Ausgabe wird nach dem Verkauf von 100 Exemplaren eingestampft.

1905


Abb.: Einbandtitel von Neumanns erstem bei Piper verlegten Buch

Paul, A. <Pseud. für K. E. Neumann>: Krishnas Weltengang : ein indischer Mythos in 20 Andachten aus dem Visnupuranam / übertragen von A. Paul. Mit einem Geleitwort von K. E. Neumann. -- München : Piper, 1905. -- 132 S.

Dazu schreibt Neumann am 4.11.1901 an De Lorenzo:

"Das sehr schöne kleine Büchlein über Krsnas den indischen Helden habe ich Friedrich schon vor zweiJjahren versprochen. Es war schon im Winter 1899 vollkommen druckfertig. Da das Buch der Initiative meiner Mutter zu danken ist, wird es unter ihrem namen erscheinen; jedoch kryptogrammisch nur mit dem Vornamen A. Paul (= Paula). Es wird in der That das erste Werk sein, das indische Mythologie künstlerisch und ächt darstellt und zwar ausschließlich auf Grund der Purânen. es ist im besten Sinne im Geiste Bühlers gearbeitet."

[Gesamtausgabe. -- Bd. 3. -- S. 981]

1906

Neumann verliert sein ganzes Vermögen bei einem Bankkrach, er muss u.a. seine Bibliothek (über 4.000 Bände) verkaufen, um leben zu können. Er muss auch die siamesische Edition des Tipitaka verkaufen. Georg Grimm, der spätere Gründer der Altbuddhistischen Gemeinde, steckt ihm mehrfach Geld zu. Nach dem Tode seines Vaters erbt Neumann ein kleines Vermögen und kann das siamesische Tipitaka (ein Geschenk des Königs von Siam) wieder zurückkaufen.


11. 1907-1918: Dîghanikâya-Übersetzung


1907-1918


Abb.: Einbandtitel

Die Reden Gotamo Buddhos aus der längeren Sammlung.
Bd I: München : Piper, 1907
Die letzten Tage Gotamo Buddhos (Mahâparinibbânasutta). -- München : Piper, 1911 (2. Aufl. 1923)
Bd II: München : Piper, 1912.
Bd III: München : Piper, 1918
2. Aufl.: 2. -- 3. Tsd. -- München : Piper, 1927-1928
3. Aufl.: 4. -7. Tsd. Zürich, 1957 (in Ges. Ausg.)


1915-10-18

K. E. Neumanns stirbt in Wien an Herzstillstand durch Lungenentzündung. Er wird auf dem Zentralfriedhof (Gruppe 82b, Reihe 2, Nr. 18) beigesetzt.

Neumanns geistiges Erbe wurde betreut vom Schauspieler Ernst Reinhold (1886 - 1961).


1956-1957


Abb.: Umschlagtitel

Karl Eugen Neumanns Übertragungen aus dem Pâli-Kanon. -- Gesamtausgabe in drei Bänden. -- Zürich : Artemis; Wien : Zsolnay, 1956-57. (s. oben). Erscheint zu Buddha Jayanti (2500. "Todestag" Buddhas).

1991

Der literarische Nachlass Neumanns, den Ernst Reinhold dem Piper-Verlag vermacht hatte, wird von einem Antiquariat angeboten. Die Österreichische Buddhistische Religionsgemeinschaft erwirbt ihn für DM 9650. - und übergibt ihn dem Buddhistischen Dokumentationsarchiv e.V. (Wien) zu Verwaltung.

Inhalt des Nachlasses:

Karl Eugen Neumann (K.E.N)

Umfangreiche Sammlung von handgeschriebenen Original-Manuskripten, (Übersetzungen, -Notizen, -Entwürfen) & eigenhändigen Briefen, sowie Dokumenten von K.E.N. Dabei: Zahlreiche Briefe Prominenter an K.E.N. & diverses Material über ihn.

  1. Manuskripte:
    1. Tagebuch der indischen Reise 1894. "Fluechtige Skizzen". 91 S.,30 leere Bl., 1 Bl., 15 S. (Notizen). 8°. HLdr.-Kladde. Dabei: Abschrift des Tagebuches. Maschinen-Manuskript (mit Durchschlag). DIN A4. Lose Bl. 44 S.,10 S. (Notizen).
    2. Längere Sammlung (Dighanikâyo) III. Teil (24.-34. Rede. = Buch des Pâtikaputto). 1913.4°. VI.l Bl.,311 S. Lose Bl. zwischen Deckeln.
    3. Ergänzungband zur Längeren Sammlung (Dighanikâyo) III.Teil. Nachweise (bzw. Anmerkungen) zur (24.-34. Rede. Buch des Pâtikaputto). 4°. 401 Bl. Lose Bl. zwischen Deckeln. Dabei: 2 photographische Vervielfältigungen dieses Manuskripts (positiv & negativ), lose in Mappe u. gebunden.
    4. Teile der Übertragung des Thera- und Therîgâthâ (Lieder der Mönche u. Nonnen). Ca. 30 lose Bl. in Bleistift (sehr klein geschrieben).
    5. Desweiteren:
      • Satzvorlage für das Register zu den Anmerikungen des II. Bandes (der Längeren Sammlung). 4°. Ca. 100 S. HLwd.-Kladde mit Griffregister. Dabei: Dasselbe (ungeordnet). Kart.-Kladde mit Griffregister.
      • Einige Entwürfe von Titelseiten zur "Mittleren" u. "Längeren Sammlung" (1890?-1912) mit Korrekturseiten u. Probedrucken (gestempelt 1911), Manuskript der Vorrede zur "Längeren Sammlung" 2.Bd. 4°. (10 Bl.) sowie zahlr. Abb. auf Taf. (Probedrucke zur Korrektur, gestemp. 1911).
  2. Briefe & Karten : Ca. 120 (teils unveröffentlichte) Briefe & Karten aus den Jahren 1896-1914 von K.E.N. an seinen Freund, Prof. Giuseppe de Lorenzo.
  3. Dokumente:
    • Taufschein,
    • Bescheinigung der Eheschließung,
    • Ungarischer Paß (1892),
    • Totenschein,
    • 3 Dokumente des Militärs (Meldeschein, Zeugnis & Landsturmlegitimationsblatt).
    • Dabei: Einige Photos.
  4. Briefe & Karten an K.E.N.:

    Insgesamt ca. 70 Briefe u. Postkarten von:
    • Brieger-Wasservogel,
    • Hofrat Bühler (ca.45),
    • Cossmann (2),
    • Dahlke,
    • Deussen (2),
    • Dharmapala,
    • Gjellerup,
    • Grisebach,
    • Hardy,
    • Jasneckey,
    • v. Mensi,
    • Oldenberg,
    • Rhys Davids,
    • Pater W.Schmidt (2),
    • L.V.Schröder (6),
    • Robert Sobrsak &
    • Stolz.
  5. Material über K.E.N.:
    • Sehr zahlr. Briefe an Ernst Reinhold (1886-1961), den Hrsg. der "Reden Gotamo Buddhos", über K.E.N. (Verlage, Würdigungen etc.).
    • Abschriften von Briefen Prominenter an Reinhold (dabei Original von Hermann Graf Kayserling).
    • Korrespondenz Reinholds mit Verlagen zu einer Neuausgabe der "Reden..".
    • Zeigenössische Rezensionen & Verlageprospekte zum Werk von K.E.N.
    • Konvolut kleinerer Veröffentlichungen von K.E.N. in Zeitschriften etc.
  6. Beiliegend: Diverses Material von & zu Ernst Reinhold als Hrsg., Schauspieler, Regisseur u. Schriftsteller. Hand- u. maschinenschriftliches (teils in Engl.), Zeitungsausschnitte, Vertrag mit dem Burgtheater etc."

[Quelle: Katalog Nr. 4 / Antiquariat für Occulta und Masonica (Wolfgang Kistermann). -- Berlin. -- Abgedruckt in: Neumann, Karl Eugen <1865-1915>: Flüchtige Skizzen und Notizen aus Zeilon und Indien im Sommer 1894 / Karl Eugen Neumann. Hrsg. von Detlef Kantowsky.  -- Konstanz : Univ., Forschungsprojekt "Buddhistischer Modernismus", 1994. -- 120 S. : Ill. ; 21 cm. -- (Forschungsberichte / Universität Konstanz, Arbeitsbereich Entwicklungsländer, Interkultureller Vergleich, Forschungsprojekt "Buddhistischer Modernismus" ; 9). -- S. 7]

2003

Digitale Edition der Gesamtausgabe:


Abb.: Kassettentitel

Die Reden Buddhas : Kommentierte Übertragung aus dem Pâli-Kanon / [Übers.:] K. E. Neumann. -- Berlin : Directmedia, 2003. -- 1 CD-ROM. -- ISBN 3-89853-186-4


Zu 3.4.: Buddhistische Vereinigungen in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg