Materialien zum Neobuddhismus

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Wilhelm II.: "Völker Europas, wahrt Eure heiligsten Güter!"

3. Deutschland

4. Buddhistische Vereinigungen in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg


von Alois Payer

mailto: payer@payer.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Alois <1944 - >: Materialien zum Neobuddhismus.  --  3. Deutschland. -- 4. Buddhistische Vereinigungen in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg. -- Fassung vom 2006-05-05. -- URL: http://www.payer.de/neobuddhismus/neobud0304.htm . -- [Stichwort].

Erstmals publiziert: 1996-07-15

Überarbeitungen: 2005-05-05 [überarbeitet]; 2003-07-14 [überarbeitet]

Anlass: Lehrveranstaltung Neobuddhismus, Univ. Tübingen, SS 1987, SS 2003, SS 2005

Copyright: Dieser Text steht der Allgemeinheit zur Verfügung. Eine Verwertung in Publikationen, die über übliche Zitate hinausgeht, bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Verfassers.

Dieser Text ist Teil der Abteilung Buddhismus von Tüpfli's Global Village Library


0. Übersicht



1. Weiterführende Ressourcen


Steinke, Ulrich:

Karl Bernhard Seidenstücker (1876-1936) : Leben, Schaffen, Wirken. -- Zugl.: Tübingen, Univ., Magisterarbeit, 1989. -- URL: http://www.payer.de/steinke/steink0.htm

Insbesondere:

Kapitel 3: Vereins- und Zeitschriftengründungen

Anhang 6: Buddhistische Zeitschriften

Anhang 7: Buddhistische Vereinsgründungen mit oder um Karl Seidenstücker

Hecker, Hellmuth <1923 - >:

Deutsche buddhistische Zeitschriften 1905-1972.
In: Buddhismus, Staat und Gesellschaft / Heinz Bechert. -- Wiesbaden. -- 3 (1973). -- S. 325-332

[Hecker schreibt zu recht: "Die große Verzettelung der buddhistischen Publikationstätigkeit hat bisher verhindert, dass buddhistische Zeitschriften einen größeren Einfluss ausgeübt haben oder auch nur dem Suchenden einen repräsentativen Überblick über den abendländischen Buddhismus geben konnten." (S. 325)].


2. 1884: Theosophische Gesellschaft in Deutschland


1884


Abb.: Dr. jur. Wilhelm Hübbe-Schleiden, Theosoph
[Bildquelle: Deutsches Geschlechterbuch. -- Band 205 = Hamburgisches Geschlechterbuch. -- Bd. 14. -- Limburg : Starke, 1997´. -- S. 373]

Dr. Wilhelm Hübbe-Schleiden (1847-1916) gründet die erste Theosophischen Gesellschaft in Deutschland, die sich jedoch -- im Unterschied zu Ceylon -- nicht als betont buddhistisch ausgibt.

"Hübbe-Schleiden, Wilhelm, Kolonialpolitiker, geb. 20. Okt. 1846 in Hamburg, studierte Volkswirtschaft und die Rechte, war während des Krieges 1870/71 dem deutschen Generalkonsulat in London zugewiesen, lebte 1875-77 in West-Äquatorialafrika, wo er eine Handelsfaktorei am Gabun begründete, und trat nach seiner Rückkehr nach Hamburg eifrigst für eine energische deutsche Kolonialpolitik ein. 1896 bis 1897 bereiste er Britisch-Indien. Er veröffentlichte: »Ethiopien, Studien über Westafrika« (Hamb. 1879); »Überseeische Politik« (das. 1881); »Deutsche Kolonisation« (das. 1881); »Kolonisationspolitik und Kolonisationstechnik« (das. 1883); »Das Dasein als Lust, Leid und Liebe. Die altindische Weltanschauung in neuzeitlicher Darstellung« (Braunschw. 1891); »Indien und die Indier« (Hamb. 1898) u. a. Auch gab er von 1886-96 die okkultistische Monatsschrift »Sphinx« heraus."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

"Hübbe-Schleiden hatte zunächst als Kolonialpolitiker gewirkt und sich mit einigen Schriften auf diesem Gebiet bekannt gemacht, bis er ab 1883 über die Familie Gebhard in Wuppertal in Kontakt mit der Theosophie kam, der er als Privatgelehrter sein ganzes weiteres Leben widmen sollte. Als Herausgeber der Zeitschrift ,Sphinx", die sich als ,Monatsschrift für die geschichtliche und experimentale Begründung der übersinnlichen Weltanschauung auf monistischer Grundlage" verstand und die ab Januar 1886 erschien, hatte er ein bedeutendes Publikationsorgan zur Hand. Jedoch fungierte die ,Sphinx" zunächst keineswegs als interne Mitgliederzeitschrift der Theosophischen Gesellschaft. Vielmehr hatte sie den Anspruch und das Auftreten einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift, die sich metaphysischen Themen widmete. Überhaupt kann das Bemühen um eine wissenschaftliche Begründung der Theosophie als ein Wesensmerkmal der von Hübbe-Schleiden geprägten theosophischen Richtung angesehen werden.

Die Theosophische Bewegung in Deutschland begann unter wenig glücklichen Umständen. Schon bald nach der Gründung erschütterten die im Zusammenhang mit der Coulomb-Affäre erhobenen und durch den Hodgson-Bericht publik gewordenen Betrugsvorwürfe gegen Helena Petrowna Blavatsky die junge Gesellschaft. Frau Blavatsky gelang es offenbar auch durch ihr persönliches Auftreten nicht, die Vorwürfe in den Augen der Mitglieder zu entkräften. Die Mehrheit der Mitglieder (18 von 33) trat wieder aus, und die Theosophische Societät Germania wurde darum am 31. Dezember 1886 wieder aufgelöst.

Neue Ansätze zur Bildung theosophischer Organisationen gingen aus dem Leserkreis der Sphinx hervor. 1892 entstand so auf Veranlassung von Hübbe-Schleiden in Berlin die ,Theosophische Vereinigung" und am 3. November 1893 der ,Esoterische Kreis". Diese Gruppierungen fanden neue Anhänger und wurden am 29. Juni 1894 in Berlin unter Beisein von Oberst Olcott zur ,Deutschen Theosophischen Gesellschaft" (D.T.G.) als Zweig der Europäischen Sektion umgewandelt. Zunehmend entstanden überall in Deutschland theosophische Logen, so in Berlin, München, Hamburg, Kassel, Düsseldorf und - wiederum durch Hübbe-Schleiden in Verbindung mit seinem Vetter Günther Wagner - in Hannover. Neben seinem Hauptanliegen, der wissenschaftlichen Begründung der Theosophie, hat sich Hübbe-Schleiden auch für das Rosenkreuzertum interessiert, wie sein Antrag auf Mitgliedschaft in dem ,Order of the Rosy Cross" vom 6. Juli 1912 belegt. Eine weitergehende Auseinandersetzung damit ist aber nicht bekannt geworden.

Nicht mit diesem ,indischen" Zweig, sondern mit der amerikanischen Richtung der Theosophie unter W. Q. Judge und Katherine Tingley verbunden war eine andere Gründung, die am 24. Juni 1896 unter Paul Raatz in Berlin erfolgte. Über die ,I. Nationalkonvention" dieser ,Theosophischen Gesellschaft in Europa (Deutschland)" am 30. August 1896 berichtet die Metaphysische Rundschau in ihrem ersten Band. Leiter dieser Versammlung (an der auch die als Kreuzfahrer durch Europa ziehenden Leiter des amerikanischen Zweiges, E. T. Hargrove und Katherine Tingley, selbst teilnahmen) war - hier noch ganz untemplerisch - Theodor Reuß, der auch Vizepräsident wurde. Präsident wurde Franz Hartmann, Schatzmeister Leopold Engel.uch dieser Gesellschaft war jedoch keine dauerhafte Existenz beschieden. Bereits am 3. September 1897 trennte sich Franz Hartmann von K. Tingley und begründete in München seine eigene Richtung, die ,Internationale Theosophische Verbrüderung" (I.T.V.), die als ,Theosophische Gesellschaft in Deutschland" (T.G. in D.) 1898 ihren Sitz in Leipzig nahm. Dieser Zweig wurde von den Zeitgenossen meist kurz als ,Hartmannianer" bezeichnet. Von ihnen wird im folgenden Abschnitt ausführlicher zu berichten sein.

Die Zersplitterung der Theosophischen Bewegung in Deutschland erschien auch den beteiligten Personen unvorteilhaft. So fehlte es nicht an Versuchen, die verschiedenen Gruppen zu vereinigen. Nachdem ein diesbezügliches Unternehmen des Tingley-Zweiges unter Paul Raatz auf einem Theosophischen Kongress am 25. August 1901 ohne Ergebnis verlief, unternahmen die Mitglieder der Berliner Deutschen Theosophischen Gesellschaft die Gründung einer Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft. Generalsekretär dieser Sektion wurde der erst 10 Monate zuvor in die Theosophische Gesellschaft eingetretene Dr. Rudolf Steiner. Mit ihm wird am 19. Oktober 1902 die Gründung der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft vollzogen. Schon bald sorgen jedoch die Differenzen zwischen Steiner und der indischen Führung unter Annie Besant für Spannungen innerhalb der neuen Sektion. Steiner faßte die Theosophie vor allem als eine Methode zur Erlangung übersinnlicher Erkenntnisse auf. Dies verband er in ausgeprägter Weise mit dem Bezug auf das Rosenkreuzertum, das er als spezifisch westlichen Einweihungsweg verstand und explizit gegen den ,östlichen" Weg der Adyar-Theosophie akzentuierte. Hübbe-Schleiden sah bereits 1906 in einem Brief an Deinhard die Trennung sich abzeichnen:

, Steiner ist jetzt offenbar ganz Rosenkreuzer. Das Programm der Theos. Gesellschaft, was eben wir Beide allein in Deutschland noch vertreten, scheint er sachlich auch bewußtermaßen zu verwerfen. Selbstverständlich spricht er das nicht aus; und ausser mir ahnd davon Niemand Etwas. Aber es würde mich garnicht wundern, wenn er bald sein Generalsekretariat niederlegte oder es zu einer formellen Vertretung der Rosenkreuzerei auf Grund seiner esoterischen Schule umgestaltete. Von den Engländern müßte er sich dann wahrscheinlich ganz lossagen, wenigstens formell, vielleicht auch von Frau Besant."

In diesem Punkt sollte Hübbe-Schleiden recht behalten, auch wenn die neue Bewegung sich nicht als Rosenkreuzertum, sondern unter dem Namen der Anthroposophie formierte. Ausschlaggebend für die Trennung seitens der Führung in Adyar waren aber nicht so sehr die Lehrdifferenzen in der Christusfrage, so gewichtig sie auch gewesen sein mögen, sondern vor allem die Tatsache, daß Steiner nicht zwischen seiner besonderen Lehrauffassung und seiner Tätigkeit als Generalsekretär der Deutschen Sektion unterschied. Dies äußerte sich darin, daß er jeden aus der Sektion ausschloß und jedem die Aufnahme verweigerte, der seiner besonderen Lehrauffassung nicht zustimmte. Eine solche Praxis widersprach klar den auf Toleranz ausgerichteten Grundsätzen der Gesellschaft. Infolgedessen entzog Annie Besant Steiner am 7. März 1913 die Stiftungsurkunde der Deutschen Sektion. Fast 90% der Mitglieder der Deutschen Sektion (ca. 2400) gingen mit Steiner zur Anthroposophischen Gesellschaft über. Hübbe-Schleiden bemühte sich - durch eine neue Stiftungsurkunde von Frau Besant autorisiert - mit den verbleibenden etwa 320 Mitgliedern um eine Neugründung der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft. Übermäßig erfolgreich waren diese Versuche nicht. Zwar konnte Hübbe-Schleiden das provisorische Generalsekretariat zu Pfingsten 1913 an den Niederländer Johannes Ludovicus Mathieu Lauweriks (1864-1932) abgeben, doch wurde dieser bereits 1914 im Zusammanhang mit der deutsch-nationalen Gesinnung, die in Verbindung mit dem ersten Weltkrieg ausbrach, durch den deutschen Nervenarzt Sixtus von Kapff ersetzt.Der Krieg bringt auch Spannungen zwischen der neuen Sektion und dem Hauptquartier hervor, als Frau Besant Deutschland für den Ausbruch des ersten Weltkrieges verantwortlich macht. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen und der Kriegswirren verliert die Theosophische Gesellschaft weitere Mitglieder. Mit dem Tod von Wilhelm Hübbe-Schleiden am 17. Mai 1916 in Göttingen findet dieser Abschnitt der Geschichte der Theosophischen Gesellschaft in Deutschland sein Ende."

[Quelle: http://www.neue-rosenkreuzer.de/material/material-20.html. -- Zugriff am 2005-05-03]

1897

Franz  Hartmann (1838 - 1912) gründet in Frankfurt die Theosophische Gesellschaft in Deutschland.


Abb.: Dr. Franz Hartmann
[Bildquelle: http://www.ullrich-verlag.de/hartmann.html. -- Zugriff am 2005-05-03]

"Hartmann, Dr. Franz (1838-1912)  

Dr. Franz Hartmann wurde am 22.11.1838 in Donauwörth (Bayern) geboren und starb am 7.8.1912 in Kempten (Allgäu); die bekannteste deutsche Persönlichkeit in der Theosophie ...

1859 meldete sich Hartmann freiwillig zur bayerischen Armee und diente in Würzburg; 1860 ging er an die Universität München, um Pharmakologie zu studieren und sich auf den Apothekerberuf vorzubereiten. ..

1882 erhielt Hartmann ein Exemplar der Entschleierten Isis von H. P. Blavatsky, wodurch er mit der Theosophie Bekanntschaft machte. Ein Werk, dass ihm diejenigen Erklärungen aufzeigen sollte, die er in aller Welt gesucht hatte.

1883 wurde er Mitglied der Theosophischen Gesellschaft in Amerika und hatte den Wunsch, nach Indien zu gehen, um aus der Quelle der Weisheit zu schöpfen und mit den geheimnisvollen Adepten in Beziehung zu treten.

Da gelangte an ihn unerwarteter Weise ein Ruf aus Indien, indem auf Veranlassung des Meisters Morija Franz Hartmann durch einen Brief Olcotts, des Präsidenten der Theosophischen Gesellschaft in Adyar, aufgefordert wurde, nach Indien zu kommen, um in Abwesenheit des Präsidenten dessen Amt zu versehen. Am 11. Oktober 1883 verließ er San Franzisko und kam nach kurzem Aufenthalt in Japan und China am Ende des Jahres (am 4.12.1883) in Madras an. Er wurde mit Blavatsky, Subba Row und anderen Mystikern befreundet und kam mit gelehrten Brahmanen, okkulten Forschern und sogar Adepten in Beziehung und wurde schnell engster Mitarbeiter von Olcott und H.P.Blavatsky und schließlich der administrative Leiter der Zentrale. Die Verbindung mit den Adepten war eine beständige. Franz Hartmann wurde mit der theosophischen Weltanschauung vollends vertraut, lernte die Geheimlehre der Weisen kennen und war der treue Mitarbeiter Blavatskys. 1883 trat Hartmann offiziell zum Buddhismus über.

Nach den Auseinandersetzungen um Blavatskys geheimen Schrank und die sog. »Meisterbriefe« musste H. P. Blavatsky Indien verlassen; Hartmann begleitete sie auf der Schiffsreise mit dem Dampfer »Tibre« nach Neapel. 

Am 1. April 1885 verließt er Indien, um in Begleitung Blavatskys nach Europa zurückzukehren. Der Weg ging über Italien nach Deutschland, wo sich H.P.Blavatsky in Würzburg aufhielt, während Franz Hartmann am 20.5.1885 in seine Heimatstadt Kempten zurückkehrte. Dieser Besuch sollte ein vorübergehender sein, denn Hartmann hatte die Absicht, Deutschland wieder zu verlassen, wurde aber für eine Inhalationsanstalt gegen Tuberkulose in Hallein gewonnen, deren Direktor er wurde. Seitdem hat er Europa nicht wieder verlassen und bis zu seinem Tode (7. August 1912) fast ausschließlich in Deutschland für die theosophische Bewegung gewirkt.

Hartmann kam zu der Erkenntnis, dass in Deutschland eine völlig neue Theosophische Gesellschaft ins Leben gerufen werden müsse, um sich von den Schatten Adyars zu befreien. So gründete Hartmann im Jahre 1896 die Deutsche Theosophische Gesellschaft, für die er 1898 von Frau Tingley - der Nachfolgerin H. P. Blavatskys - als Präsident eingesetzt wurde. Die von Hartmann initiierte Theosophische Gesellschaft trat damit die direkte geistige Erbschaft von H. P. Blavatsky an.

Als internationale Plattform der theosophischen Arbeit gründete Hartmann am 3.9.1897 die Internationale Verbrüderung (I.T.V.). "

[Quelle: http://www.allgaeu-web.de/imbolc/Biographien/h/franz_hartmann/hartmann.htm. -- Zugriff am 2003-05-30]

 

1902


Abb.: Rudolph Steiner

Die meisten Mitglieder der genannten Theosophischen Gesellschaften schließen sich. der Theosophischen Gesellschaft in Adyar als Deutsche Sektion an. Deren Generalsekretär ist bis 1913 Dr. Rudolf Steiner (1861-1925), der dann aber die Anthroposophische Gesellschaft gründet.


3. 1903-1907: Buddhistischer Missionsverein für Deutschland / Buddhistische Gesellschaft für Deutschland


1903-08-15

Buddhistischer Missionsverein für Deutschland durch den Zusammenschluss von 8 in Leipzig wohnhaften Mitgliedern gegründet. Initiator wohl: Karl Seidenstücker (1876-1936);

Wir sind diesem Verein schon oben begegnet, wiederholen wir das Wichtigste:

  1. Der Verein ist keine Vereinigung von Buddhisten
  2. Der Verein greift keine bestehende Religion an
  3. Der Verein ist unabhängig, insbesonders auch von den Theosophen
  4. Der Verein ist ökumenisch, dh. propagiert keine bestimmte Richtung innerhalb des Buddhismus. Er hat aber nicht das geringste mit den Lehren des sogenannten esoterischen Buddhismus (Theosophie) zu schaffen.

Aus dem Tätigkeitsbericht des Vereins von 1903-1905:

"Einen Auszug aus den Satzungen dieses Vereins findet der Leser auf der Rückseite des Umschlages. Hier sei nur folgendes hervorgehoben: Die Gründung erfolgte am 15. August 1903 durch den Zusammenschluss von acht in Leipzig domicilierten Mitgliedern. Etwa vier Wochen später wurde dem Vorsitzenden offiziell die Genehmigung seitens des Polizeiamtes zu Leipzig bekannt gegeben. Kurze Zeit darauf machte die Notiz von der Konstituierung dieses Vereins die Runde durch die gesamte deutsche und einen Teil der ausländischen Presse. Zahlreiche Anfragen und Mitteilungen liefen ein aus den verschiedensten Orten Deutschlands, sowie aus Österreich, Ungarn, der Schweiz, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Groß-Britannien, Russland, Griechenland, Nord-Amerika und Süd-Afrika. Der Missions-Verein versandte zunächst eine große Anzahl der von ihm herausgegebenen Gratis-Schriften und fasste dann den Beschluss, durch eine Reihe von Vorträgen an die Öffentlichkeit zu treten. Es wurden während des Winterhalbjahres 1903/1904 insgesamt 22 öffentliche Vorträge über Buddhismus in Leipzig gehalten. Ferner hat der Verein eine Anzahl von Schriften in deutscher Sprache herausgegeben, die wir hier anführen wollen:
  • Freydank [= Karl Seidenstücker]: Kleiner buddhistischer Katechismus, (bis jetzt 3 Auflagen)
  • Kuroda: Mahâyâna, die Hauptlehren des nördlichen Buddhismus (Übersetzung) [ursprünglich für den Weltkongress der Religionen, 1893 verfasst]
  • Kuroda: Das Licht des Buddha (Übersetzung und Bearbeitung)
  • Tilbe: Dhamma oder die Moral-Philosophie des Buddha-Gautama [Tilbe war Professor für Pâli in Rangoon und hatte 1900 in Rangoon Pâli-Buddhism als Handreichung für christliche Missionare verfasst]
  • Tilbe: Sangha oder der buddhistische Mönchsorden; (die beiden letzteren Schriften sind Übersetzungen aus der Autors Werk »Pâli-Buddhism«)
  • Freydank [= Karl Seidenstücker]: Buddhistisches Vergissmeinnicht; eine Sammlung buddhistischer Sprüche für alle Tage des Jahres
  • Skesaburo Nagao: Der Weg zu Buddha (Übersetzung aus einem uns von Rev. K. Hori freundlichst zugesandten Buch) [The outlines of Buddhism, San Francisco, 1900]
  • Bowden: Die Nachfolge Buddhas (Übersetzung) [The imitation of Buddha (Titel nach dem Vorbild von Thomas a Kempis: Imitatio Christi. In der Art der protestantischen Losungen für jeden Tag ein frommer Spruch]

Wir weisen ferner an dieser Stelle darauf hin, dass Herr Dr. Paul Carus (La Salle, Nord-Amerika) kürzlich die Freundlichkeit hatte, uns die Autorisation zu der Übersetzung seines Werkes »Buddhism and its Christian Critics« zu geben; voraussichtlich wird auch binnen kurzem das bekannte schöne Buch desselben Verfassers »The Gospel of Buddha« in einer zweiten deutschen Auflage publiciert werden. Endlich hat der »Misisons-Verein« die schon seit einem jahr projektierte Herausgabe der Monatsschriften »Der Buddhist« und »Die buddhistische Welt« jetzt zur Tatsache gemacht."

[Die buddhistische Welt. -- 1, Nr 1/2 (April/Mai 1905). -- S. 8-9]

Der Verein hatte allmählich 50 Mitglieder. [Buddhistische Warte. -- 3 (1911). -- S. 62]. Er stellte die Verbindung der deutschen Buddhisten zu denen in Asien (insbesonders Japan) und in den USA her.


Abb.: Karl Bernhard Seidenstücker
[Bildquelle: Archiv Hermann Schiewe]

1904


Abb.: Friedrich Otto Schrader

Der Indologe Dr. Friedrich Otto Schrader (1876 - 1961) versucht eine Monatsschrift Zeitschrift für Buddhismus erscheinen zu lassen, doch scheiterte das Projekt in letzter Minute, nachdem die Verhandlungen mit Verleger und Drucker fast beendet waren. [Die buddhistische Welt. -- 2 (1906). -- S. 2].

"Schrader, Friedrich Otto, Indologe, geb. 16.3.1876 Hamburg, gest. 3.11.1961 Kiel

Schrader wurde 1902 in Straßburg mit einer Dissertation Über den Stand der indischen Philosophie zur Zeit Mahaviras und Buddhas zum Dr. theol. promoviert und war 1905-16 Leiter der Bibliothek der Theosophischen Gesellschaft in Adyar. 1921 wurde er Prof. der Indologie in Kiel. Schrader beschäftigte sich mit indischer Philosophie, mit der Bhagawadgita und den drawidischen Sprachen. Grundlegend sind seine Forschungen zum Pantscharatra. Er veröffentlichte u.a. Die Fragen des Königs Menandros (1907), Introduction to the Pañcaratra (1916) und The Kashmir recension of the Bhagavadgita (1930)."

[Quelle: Deutsche biographische Enzyklopädie & Deutscher biographischer Index. -- CD-ROM-Ed. -- München : Saur, 2001. -- 1 CD-ROM. -- ISBN 3-598-40360-7. -- s.v.]

[Zu Schrader siehe auch: German Indologists : biographies of scholars in Indian studies writing in German ; with a summary on Indology in German speaking countries / Valentina Stache-Rosen. -- 2., rev. ed.. -- New Delhi : Max Mueller Bhavan, 1990. -- 271 S. : Ill. -- (Dialogue / Goethe Institute Max Mueller Bhavan, New Delhi ; 1990). -- ISBN 81-85054-97-5. -- S. 186f.]

1905

Publikationsorgan des Buddhistischen Missionsvereins:

Die buddhistische Welt : deutsche Monatsblätter zur Orientierung über die buddhistische Mission im Morgen- und Abendlande / Publikationsorgan des Buddhistischen Missions-Vereins in Deutschland. Hrsg. von Karl B. Seidenstücker. -- Leipzig : Buddhistischer Verlag [der Theosophischen Zentral-Buchhandlung affiliiert].
1 (2449 nach Buddha. April 1905-März 1906). -- 96S.
2, Nr. 1-3. April-Dez. 1906
Dann gerieten die Theosophische Zentral-Buchhandlung und der ihr affiliierte Buddhistische Verlag in Zahlungsschwierigkeiten [Buddhistische Warte. -- 3 (1911). -- S. 63], deshalb Nr. 4 erst August 1910.
Bd 3-5. 1909-1912 erscheinen als Organ der Deutschen Pâli-Gesellschaft.
Bd. 6.1913 unter dem Titel: Indien und die buddhistische Welt (s. Deutsche Pâli Gesellschaft).

Die ersten zwei Jahrgänge der Buddhistischen Welt sind ein echtes Nachrichtenorgan mit Nachrichten undRezensionen zum Buddhismus auf der ganzen Welt, zurchristlichen Polemik gegen den Buddhismus usw.

Die Buddhistische Welt, Bd 1-2 ist Beiblatt zur ersten buddhistischen Zeitschrift in Deutschland:

[Der Buddhistische Verlag war ein vom Buddhistischen Missionsverein vollständig unabhängiges Privatunternehmen:

"Verein und Verlag arbeiten zwar bei der Verbreitung buddhistischer Lehren Hand in Hand, doch hat der Verlag keinerlei Einfluss auf geschäftliche Einrichtungen etc. des Vereins und umgekehrt."

[Die buddhistische Welt. -- 1, Nr 5 (Aug. 1905). -- S. 37].

In Die buddhistische Welt 1, Nr 12 (März 1906) gibt der Buddhistische Missionsverein folgende Erklärung ab:

"Der Buddhistische Missionsverein erklärt hierdurch offiziell, dass er in keinerlei Verbindung mit dem Buddhistischen Verlage in Leipzig steht und für etwaige Geschäftsmanipulationen dieses Privatunternehmens in keiner Weise verantwortlich ist. der Verein erkläret ferner, dass er mit der im Buddhistischen Verlage erschienenen und von demselben jüngst zur Ansicht versandten Schrift »Das christliche Barbarentum in Europa« nicht das Geringste zu tun hat."

1905

Der Buddhist : unabhängige deutsche Monatsschrift für das Gesamtgebiet des Buddhismus / hrsg. von Karl B. Seidenstücker -- Leipzig : Buddhistischer Verlag [der Theosophischen Zentralbuchhandlung angeschlossen].
1.Jahrgang. 2449 nach Buddha. April 1905 -- März 1906. -- 12 Nummern, 384 S.
2. Band, Heft 1-3
Zu Beginn des 2.Jahrgangs mehr als 500 Abonnenten. [S. Buddhistische Warte. -- 3 (1911). -- S. 62]. Dann Zahlungsschwierigkeiten (s. oben), deshalb erscheint Heft 4 erst: August 1910). Damit stellt die Zeitschrift Der Buddhist ihr Erscheinen ein, wobei Seidenstücker den Theosophen mit gerichtlichen Schritten drohte, falls sie den Buddhist weiterführen sollten, da ihnen die intellektuellen und anderen Vorbedingungen zur Führung einer buddhistischen Zeitschrift fehlten. [Buddhistische Warte. -- 1 (1907). -- S. 32].

Im Buddhist begegnen uns u.a.: Paul Carus, Ananda Metteya, Nyânatiloka, Dharmapala, Kentok Hori (Buddh. Mission in USA), Seidenstücker.

Als Zielgruppe nennt Der Buddhist im Geleitwort von Seidenstücker zum 1. Heft:

"Der Buddhist will niemandem seine religiöse Überzeugung rauben; wir wünschen allen Menschen von Herzen inneren Frieden und freuen uns aufrichtig, wenn wir sehen, dass ein Mensch in seiner religiösen Überzeugung Trost und Ruhe gefunden hat. Andererseits aber wissen wir sehr wohl, dass Hunderttausende, ja viele Millionen in Deutschland sich von der landesüblichen KIrchenreligion abgewandt haben; ein sehr großer Prozentsatz dieser Millionen sehnt sich nach einem Ersatz; diesen ungläubigen, gottentfremdeten und doch nach Religion dürstenden Gemütern will unser Journal die Lehren einer undogmatischen Religion und vernünftigen Weltanschauung vortragen."

[Der Buddhist. -- 1 (1905). -- "Unser Programm"]

Vom Presseecho auf Der Buddhist [eine wichtige zu untersuchende Sache] kenne ich an gänzlich abfälligen:

Der Buddhist wollte ein offener Sprechsaal sein, in dem verschiedene Ansichten zu Wort kommen können. "Buddhismus ist eben kein Dogmatismus." [Die buddhistische Welt. -- 1, Nr 12 (1906). -- S. 92].

1905

Man machte dem Verein den Vorschlag, "den Verein der Mahâbodhi-Gesellschaft als eine Landes-Sektion zu affiliieren".

Dem "konnte aus taktischen Gründen [welchen?] nicht stattgegeben werden. Dagegen wird der Verein demnächst mit einem Projekt hervortreten, welches den Zusammenschluss aller buddhistischen Korporationen im Westen zu einer »Abendländisch-buddhistischen Gesellschaft« bezweckt; dabei soll die Selbständigkeit der einzelnen Vereine durchaus bestehen bleiben."

[Die buddhistische Welt. -- 1, Nr 3 (Juni 1905). -- S. 22].

[Das Projekt wurde nicht verwirklicht].

Ein Vortrags-Fond wurde gegründet, um in den verschiedenen Teilen Deutschlands durch große öffentliche Vorträge wirken zu können. [Die buddhistische Welt. -- 1, Nr 3 (Juni 1905). -- S. 22]. Es wurden die verschiedensten Vorträge gehalten, so z.B. 1905/06 monatlich im vegetarischen Speisehaus Manna in Leipzig. [Themen der Vorträge s. Die buddhistische Welt. -- 1, Nr 7 (Okt 1905). -- S. 50].

Man veröffentlichte u.a. die Aufsätze Ânanda Metteyas aus Der Buddhist als billige Broschüren zu 30 Pfg.

Ânanda Maitriya: Buddhismus : gesammelte Aufsätze / von Ânanda Maitriya. Deutsch hrsg. von Karl B. Seidenstücker. -- Leipzig : Buddhistischer Verlag, o.J.
1. Heft: Der Wert des Buddhismus. -- 19 S.
2. Heft: Die vier erhabenen Wahrheiten. -- 27 S.

"jeder Freund und Anhänger des Buddhismus sollte das Seine dazu tun, dass diese Hefte in Lesehallen, Bibliotheken, vegetarischen Speisehäusern, Cafés, in den Sprechzimmern von Ärzten, Rechtsanwälten usw. ausgelegt werden."

[Die buddhistische Welt. -- 1, Nr 4 (Juli 1905). -- S. 27].

Man wies darauf hin, dass man nun auch mit der Herausgabe der ethischen und Erbauungsliteratur des Buddhismus begonnen habe. Interessant ist folgender Passus, der die Zielgruppe der Veröffentlichungen des Vereins nennt:

"Alle freireligiösen, ethischen, fortschrittlichen Vereinigungen, Tierschutzvereine, alle freigesinnten Eltern und Lehrer und alle, die für einen undogmatischen Religionsunterricht, für reine Moralunterweisung eintreten, sollten diese Bücher wenigstens prüfen."

[Die buddhistische Welt. -- 1, Nr 4 (Juli 1905). -- S. 37].

Zu den Tierschutzvereinen vgl. den Bericht über das Tierasyl in Leipzig des Neuen Leipziger Tierschutzvereins in: Die buddhistische Welt. -- 2, Nr. 2 (Juli-Sept. 1906). -- S. 30-32:

"Die in Europa sich immer mehr verbreitende Fürsorge für die Tiere ist absolut keine christliche Institution, sondern die Folge einer von den Schranken jüdisch-christlicher Moralbegriffe sich allmählich emanzipierenden Sittlichkeit, deren Elemente in indisch-buddhistischer Denkweise wurzeln."

Man begann auch mit der Einrichtung einer öffentlichen Bibliothek zum Buddhismus. [Die buddhistische Welt. -- 1, Nr 5 (Aug 19059. -- S. 36f.].

1905-09-05


Abb.: Karrikatur zum Sieg Japans über Russland

Frieden von Portsmouth beendet russisch-japanischen Krieg (seit 9. Febr. 1904), in dem Japan siegt (Seeschlacht bei Tsushima mit Vernichtung der baltischen Flotte). Russland verpflichtet sich zur Räumung der Mandschurei, tritt Südsachalin an Japan ab, überträgt zwei Pachtverträge an Japan, erkennt japanische Hegemonie in Korea an usw.

Schon im September-Heft 1905 von Die Buddhistische Welt (S.41f.) kommt in der Rundschau als erster Artikel unter dem Titel Friede eine Stellungnahme, aus der ich folgenden Passus zitiere (eine der wenigen Stellungnahmen zu aktuellen politischen Vorgängen!):

"Japan hat den ostasiatischen Völkern die Wege zu einer friedlichen Weiterentwicklung und geistigen Regeneration ebnen wollen; Japan wollte den Frieden und hat, als alle anderen Mittel fehlschlugen, zu dem schwersten, schmerzlichsten, opferreichsten Mittel gegriffen: zum Kriege. Und dieses Mittel hat den Zweck erreicht: Die Völker im fernen Osten haben nun für Jahre hinaus Frieden.

Der Friedensabschluss zu Portsmouth, dessen Zustandekommen der weisen Einsicht der japanischen Staatsmänner zur hohen Ehre gereicht, ist für die buddhistische Welt in zwiefacher Hinsicht von höchster Bedeutung:

  • Erstens sind die Völker Ostasiens für absehbare Zeit vor der russischen Knute und Finsternis, der»weißen Gefahr« für Asien, geschützt; und mit Japans Dominat in Ostasien ist diesen Völkern die Möglichkeit eines geistigen Aufschwungs gewährleistet.
  • Zweitens bricht für die buddhistische Mission mit dem frieden von Potsmouth eine neue Ära an. Japan wird jetzt mit Nachdruck dafür eintreten können, dass seinen buddhistischen Untertanen, die in andere Länder das Licht des Buddha tragen wollen, und ihrer Mission dieselbe Freiheit gewährleistet wird, die andere Missionen schon seit langem genießen. Dies wird zunächst für die ostasiatischen Länder in Frage kommen; im Lauf der Zeit wird sich aber die Wirkung auch im Westen bemerkbar machen. Die Buddhisten Japans sind in erster Linie dazu berufen und unter den momentanen Verhältnissen am meisten dazu befähigt, die Mission-Arbeit im großen Maßstabe aufzunehmen und durchzuführen. Die buddhistische Welt ist daher Japan zu großem Danke verpflichtet."

1905


Abb.: Ernst Ludwig Großherzog von Hessen

Der Großherzog Ernst Ludwig von Hessen (1863 - 1937) errichtet nach der Rückkehr einer Indienreise in seinem Park eine Buddha-Statue. Die veranlasste die Vossische Zeitung vom 25. Aug. 1905 zu folgenden Betrachtungen in einem Leitartikel:

"Die Heidenmission erlebt gegenwärtig offenbar eine ernste Krisis. Man kann kein kirchliches Blatt in die Hand nehmen, in dem nicht ein beweglicher Aufruf zur Sammlung von Geldmitteln zu lesen wäre. Fast ausnahmslos klagen die Missionsgesellschaften, dass ihre Kassen ein Defizit aufzuweisen haben von einem derartigen Umfang, dass der weitere Betrieb der Vereinsarbeit in Frage gestellt ist. Man greift zu den seltsamsten Mitteln, die treugebliebenen Freunde der Missionssache zu immer neuen und immer größeren Opfern willig zu machen.

...

In diesem Zusammenhang ist eine Notiz von Interesse, die jüngst durch die Blätter lief: Der Großherzog von Hessen habe von dem Darmstädter Bildhauer Professor Habich eine große Buddha-Statue aus Odenwälder Syenit herstellen lassen und ihr einen Platz unter einer mächtigen Eiche seines Wolfgartener Schlossgartens angewiesen. Schwerlich ist dies geschehen, weil der Fürst ein ästhetisches Wohlgefallen an der Buddha-Figur gefunden hat. Es soll dieser Akt vielmehr ohne Zweifel eine Huldigung vor dem Stifter der tiefsinnigen Religion des Ostens darstellen, deren reine und erhabene Gedanken unter uns weit mehr stille Bekenner gefunden haben, als man vermutet. Würde ein japanischer Fürst vom Range des hessischen Großherzogs in seinem Schlosspark ein steinernes Kruzifix aufrichten, so würden die Missionare seinen Übertritt zum Christentum melden. Vielleicht wird mancher unserer Frommen deshalb erschreckt aufgefahren sein, als er diese Darmstädter Nachricht las. es ist ein deutsch-protestantischer Bundesfürst, der oberste Bischof einer deutschen Landeskirche, der dem indischen Königssohn dieses Monument errichtet hat, der in stillen Stunden vielleicht religiösen Ideen nachhängt, von denen die christlichen Priester nichts wissen. In jedem Falle ist es ein sympathisches Zeichen persönlichen Mutes, wenn der Großherzog einem achtenswerten Zuge seines Herzens rückhaltlosen Ausdruck verleiht, unbekümmert um höfisches Zeremonienchristentum und unduldsame Eiferer."

[Zitiert in: Die buddhistische Welt. -- 1, Nr. 6 (Sept. 1905). -- S. 45-48]

1905 -- 18. Nov.

Buddhistische Gesellschaft in Berlin konstituiert sich, kann aber ihre Tätigkeit nicht aufnehmen, da ihr Leiter nach Breslau übersiedelt. [Die buddhistische Welt. -- 1, Nr 8 (Nov 1905). -- S. 60; + 2 (1906). -- S. 2].

1906

Der Buddhistische Missionsverein ernennt Repräsentanten für Nordamerika (Kentok Hori); Ceylon (W. A. de Silva); Österreich (Erich Matzner); Schweiz (Dr. Alois Führer)

"Es ist das Verdienst von Urs von Arx, in der letzten Ausgabe des christkatholischen Pfarrblattes darauf hingewiesen zu haben, dass der Entdecker des Geburtsortes Buddhas, Pfarrer Alois Führer, während knapp einem Vierteljahrhundert Pfarrer für das Birsigtal und Prediger am Binninger Margarethenkirchlein war.

1853 in Limburg an der Lahn geboren, studierte er in Würzburg römisch- katholische Theologie und Orientalistik und wurde 1877 zum Priester geweiht. Später wurde er Sanskrit-Lehrer am St. Xavier Instiutut der Jesuiten in Bombay und betrieb archäologische Forschungen im Auftrag der englisch-ostindischen Regierung. Im Jahre 1896 konnte er aufgrund einer Säuleninschrift den Geburtsort von Siddhartha Gautama, genannt Buddha (= der Erleuchtete) präzise bestimmen. Buddha wurde demnach in der Nähe von Kapilavastu im Terai-Gebiet im heutigen Nepal geboren. Nach Auseinandersetzungen mit einem Bischof wandte Führer sich von der römisch-katholischen Kirche ab und trat der anglikanischen Kirche bei. Weshalb er in die Schweiz gekommen ist, kann sich auch von Arx nicht schlüssig erklären. Jedenfalls suchte er eine Professur und eine Seelsorgestelle und kam so nach Binningen. Die Professur bliebt ihm verwehrt, die Seelsorgestelle füllte er mit großem Eifer und gewissenhaft vorbereiteten Predigten. Dass er nie die angemessene akademische Anerkennung fand, daran hat er gelitten. "

[Quelle: http://www.kirche-heute.ch/index.php?AusgabenNummer=41-42&Jahrgang=32&Id=1743. -- Zugriff am 2005-05-03]

1906-05-08

Die Generalversammlung des Buddhistischen Missionsvereins beschließt, den "unzweckmäßigen Namen" [Buddhistische Warte. -- 3 (1911). -- S. 62] zu ändern in Buddhistische Gesellschaft in Deutschland [Satzung: Die buddhistische Welt 2 (1906). -- S.3].

"§ 2. Zweck der Gesellschaft.
  • a) Der Zweck der Gesellschaft ist die Bekanntmachung und Verbreitung des Buddhismus, sowie die Förderung buddhologischer Forschung in den Ländern deutscher Zunge.
  • b) Die zunächst zu ergreifenden Mittel zur Erreichung dieses Zweckes sind:
    1. Herausgabe (bzw. Übersetzung) buddhistischer Bücher, Broschüren und Flugschriften;
    2. Herausgabe buddhistischer Zeitschriften;
    3. Abhaltung von Vorlesungen und Vorträgen über Buddhismus;
    4. Gründung von Büchereien.
  • c) Die buddhistische Gesellschaft macht für keine spezielle Richtung, Kirche oder Schule innerhalb des Buddhismus Propaganda; sie repräsentiert den Buddhismus im allgemeinen, nicht aber eine einzelne Richtung desselben.
  • d) Die buddhistische Gesellschaft steht auf dem Boden der Toleranz und hält sich von jedwelchem Angriff auf irgendwelche religiösen oder kirchlichen Gemeinschaften fern. Sie erklärt ihre Sympathie mit allen Bestrebungen, die dem geistigen Fortschritt und wahrer Kultur dienen und den lebenden Wesen zum Wohl und Heil gereichen.

§ 3. Mitgliedschaft ...

  • b) Die Mitgliedschaft wird erworben durch Beitrittserklärung und Anerkennung der Satzungen; sie ist nicht abhängig von dem Übertritt zu einer buddhistischen Gemeinschaft oder von der Anerkennung irgend welcher Glaubenssätze; die Mitgliedschaft steht vielmehr jedem offen, der mit der Gesellschaft und ihren Zielen sympathisiert."

Im Rechenschaftsbericht sieht Seidenstücker, der Generalsekretär des Missionsvereins zwei Schwerpunkte in der bisherigen Arbeit:

Hinzu kommt:

[Die buddhistische Welt 2, Nr 1 (April/Juni 1906). -- S. 1-3].

1907

Buddhistische Warte : Monatshefte für Ethik, Erkenntnis und Geisteskultur / Organ der "Buddhistischen Gesellschaft". Hrsg. von Karl Seidenstücker. -- Leipzig : Verlag der Mahâbodhi-Zentrale.
1 (2451 nach Buddha. April 1907 -- März 1908). -- 12 Nr. -- 372 S.
2. Bd. -- Nr 1/2-3/4 (April - Juli 1908); Nr 5/8 (April-Nov. 1908) ohne Zusatz Organ der Buddhistischen Gesellschaft; Nr 9/10-11/12 (Mai - Aug. 1911)
3. -- Nr 1/2-3/4 (Sept.Dez. 1911) Untertitel: Eine Monatsschrift für Buddhismus. Deutsches Organ der Mahâbodhi-Gesellschaft (s.u.)].

[Der Untertitel ... für Ethik, Erkenntnis und Geisteskultur entspricht der Begriffsreihe sîla, paññâ, samâdhi. S. Buddhistische Warte. -- 1, Nr 1 (April 1907). -- S. 32].

Die buddhistische Warte war ökumenisch. In einer Antwort auf eine Anfrage schreibt Seidenstücker 1908:

"Nach dem jetzigen Stande der Forschung kann man das Hînayâna und den Pâli-Kanon nicht mehr als den ursprünglichen Ausdruck des Budhismus bezeichnen. Parallelen aus dem chinesischen Tripitaka weisen vielfach auf eine ältere, einfachere Fassung hin als die., welche dem Pâli-Kanon eigen ist. Die ursprüngliche Rezension des Kanons kennen wir nicht mehr, wissen auch nicht, in welcher Sprache er verfasst war. Das Hînayâna kann nur als eine, allerdings sehr alte Schule gelten. Andererseits lassen sich mahâyânistische Doktrinen bis in das zweite vorchristliche Jahrhundert zurück verfolgen."

[Buddhistische Warte 2, Nr 5/8 (1908). -- S. 190f.].

1907 -- Frühjahr

Paul Carus (1852-1919) macht eine Rundreise durch Deutschland, trifft Seidenstücker und überträgt diesem für sämtliche in der Open Court Publishing Co, Chicago erschienenden und noch erscheinenden buddhistischen Werke die deutschen Übersetzungsrechte. [Buddhistische Warte. -- 1 (1907). -- S. 134].

1907-12-04

Christlich-buddistische Debatte in Leipzig im Rahmen einer Versammlung der Evangelisch-sozialen Vereinigung. Erstmals konnten die Leipziger Buddhisten

"inmitten einer von Christen einberufenen Versammlung" ihre "Ideen frei entwicken... Und wir behaupteten bis zuletzt das Feld, obwohl in einer Hinsicht unsere Stellung gegenüber dem liberalen Christentum viel schwieriger ist als gegenüber der Orthodoxie."

[Buddhistische Warte. -- 1 (1907). -- S. 282-288].

1907

Die Buddhistische Gesellschaft schläft ein.

1908

In einer Rezension des 1. Bandes von Nyanatilokas Anguttaraübersetzung schreibt Ferdinand Hornung (gest. 1929):

"Das vorliegende Werk gehört zum Notwendigsten, was wir gebrauchen; denn einstweilen ist uns europäischen Buddhisten nichts unentbehrlicher, als der Besitz der echten, alten buddhistischen texte in unseren eigenen Muttersprachen. Nur mit diesen wird sich die buddhistische Mission fortsetzen lassen, nicht mit Anthologien und Bearbeitungen des Buddhismus im allgemeinen, denn so ausgezeichnet und empfehlenswert nicht wenige derartiger Schriften sind: die Gegner des Buddhismus waren geschäftsklug genug, neben jede derartige eine Anzahl anderer zu legen, die sich am letzten Ende doch nur als christlich-apologetische Schmähschriften zu erkennen geben in extremen Fällen, in anderen aber über eine gewisse lauwarme, gönnerhafte Anerkennung von Moralvorschriften und dergleichen Nebensächlichkeiten nun einmal nicht hinauskommen. Und wie soll da der Fernstehende unter diesem Wuste seine Wahl treffen! Da hilft eben auf die Dauer nur eins: die Texte selber."

[Buddhistische Warte. -- 2 (1908). -- S. 60f.].

Seidenstücker setzt sich dagegen in einer Kritik der Kritik Hornung's energisch für populäre Kompilationen ein:

"In einem Punkte erlaube ich mir freilich wesentlich anderer Meinung zu sein, was nämlich die Exzerpierung, Modernisierung, Umgestaltung und ähnliches der Pali-Texte anbetrifft. Ich gebe allerdings ohne weiteres zu, dass der ernste Schüler des Buddhismus zu den alten Quellen selbst greifen wird und muss, wenn er die Buddhalehre nach allen Richtungen hin eingehend kennen lernen will. Ist es aber unser Bestreben, die buddhistischen Ideen wirklich weiteren Kreisen unseres Volkes zugänglich zu machen, ja das Interesse der letzeren für den Buddhismus überhaupt erst einmal wachzurufen, so bezweifle ich denn doch recht sehr, dass diese zum größten Teil ungeschulten und (nach Herrn Dr. H.[ornung] zugestandenermaßen) denkfaulen Massen uns oder dem Buddhismus zuliebe sich zur Sammasati [rechte Achtsamkeit] (die doch zum Studium der Pali-Text einmal nötig ist) bequemen werden. Vielmehr dürfte meines Erachtens die Sache gerade umgekehrt liegen: Wollen wir den Buddhismus in weitere Kreise tragen, müssen wir uns naturgemäß dem Milieu, in dem wir wirken wollen, anpassen, dürfen aber beileibe nicht verlangen, dass die Menge ohne weiteres sich zu einem disziplinierten Studium der zwar wundervollen, aber schwierigen Pali-Texte bereit finden werde. Ich möchte bei dieser Gelegenheit daran erinnern, dass auch der missionierende Buddhismus alter Tage den hohen Wert von Kompilationen und kurzen Exzerpten aus dem Tipitakam sehr wohl zu schätzen wusste: e.g. das Dhammapadem, der Udanavarga, der Gathasamgraha, das Sutra der 42 Teile, das Fa-keu-pi-ü, Buddhas Abschiedsrede aus dem Fo-shu-hing-tran und andere Schriften mehr, die noch heute bei den Buddhisten äußerst beliebt sind und eifrig studiert werden. Das Bedürfnis nach buddhistischen Kompilationen ist also durchaus vorhanden, wie auch die kolossale Verbreitung beweist, die Dr. Carus' »Evangelium Buddhas« in der buddhistischen Welt und im Abendlande gefunden hat. Ich halte es geradezu für unsere nächstliegendste, brennendste Aufgabe, billige und gute systematische Auszüge aus resp. Umarbeitungen von buddhistischen Texten herauszubringen, wenn wir wirklich das Interesse weiterer Kreise unseres Volkes für die Lehre des Buddha wachrufen wollen. ... Ob und inwieweit indessen Herrn Dr. Hornungs Standpunkt oder der meine zurecht besteht, werden nur die Erfahrungen der Zukunft wirklich beweisen können."

[Buddhistische Warte. -- 2 (1908). -- S. 63f.].


4. 1907- nach 1921: Mahâbodhi-Centrale/Zentrum Leipzig


1907

von Seidenstücker gegründet. Zweck:

"Diese Centrale soll der bescheidene Anfang zu einer wirklichen Zentralisierung der buddhistischen Bewegung in Deutschland sein. Nachdem die letztere nunmehr in der »Buddhistischen Warte« ein selbständiges Organ gefunden, welches unabhängig von Hinterkulissen- Interessen ihr allein zur Verfügung steht, ist es ihr endlich gelungen, sich ganz auf die eigenen Füße zu stellen. Es ist ferner geplant, mit der Mahâbodhi-Centrale eine neue, rein buddhistische Verlagsanstalt aufzutun, deren Vorabeiten in einigen Monaten erledigt sein werden. ... Des ferneren ist beabsichtigt, in der Mahâbodhi-Centrale ein Lehr-Institut zu schaffen, in welchem unentgeltlich buddhistische Unterrichtskurse abgehalten und unter gewissenhafter Leitung orientalischer Buddhisten Einführungen in die meditative Praxis gegeben werden sollen."

[Buddhistische Warte. -- 1, Nr .1 (1907). -- S. 31].


5. 1909-1914: Deutsche Pâli-Gesellschaft


1909-09-12

Deutsche Pâli-Gesellschaft wird von fünf Mitgliedern gegründet. Vorsitzender: Dr. Wolfgang Bohn (1871 - ); Geschäftsführer Herr Verlagsbuchhändler Walter Markgraf (gest. 1914/15) in Breslau. [Die buddhistische Welt. -- 3 (1909). -- S. 40].

Aus der Satzung:

"§ 1. Die deutsche Pâli-Gesellschaft hat den Zweck, die Kenntnis der Pâli-Literatur und das Verständnis für das System des Pâli-Buddhismus zu fördern und zu verbreiten.

§ 2. Diesen Zweck sucht sie durch folgende Mittel zu erreichen:

  1. durch Lieferung einer Monatsschrift für ihreMitglieder,
  2. durch ordentliche Veröffentlichungen aus dem Gebiete der Literatur des südlichen Buddhismus, vor allem durch Herausgabe eines Sprachbuches, sowie guter Übersetzungen und Erläuterungen aus dem Gebiete des Pâli-Buddhismus,
  3. durch Unterhaltung einer Bücherei, welche den Mitgliedern gratis zur Verfügung steht,
  4. durch Unterstützung eines Vihâro (Einsiedelei) in Europa [auf deutschem Sprachgebiete]." [Text zwischen [ ] wurde am 1.5.1910 hinzugefügt. Die buddhistische Welt. -- 4 (1910). -- S. 23].

[Die buddhistische Welt. -- 2, Nr 4 (August 1910). -- S. 58f.].

Den denominationellen Charakter der Deutschen Pâli-Gesellschaft (DPG) beschreibt sehr klar Dr. Ph. Derval

"Die Aufgaben der Deutschen Pâligesellschaft.

... Die Deutsche Pâli-Gesellschaft ist von deutsch redenden und deutsch gesinnten Freunden des Buddha-Dhammo gegründet worden, als sie daran gingen, den nur locker gezogenen Kreis der Gesinnungsgemeinschaft zu einer Arbeitsgemeinschaft fester zusammenzuschließen. Der Name Pâli-Gesellschaft (nicht buddhistischer Verein oder dergl.) wurde gewählt, weil von vornherein von den Gründern darauf Wert gelegt wurde, zu erklären, dass die Erforschung und die religiöse-wissenschaftliche Arbeit auf der Grundlage geplant sei, welche der Pâlikanon uns gibt im Gegensatz, nicht gerade zu dem noch wenig bekannten Sanskritkanon, sondern zu dem aus diesem in seiner chinesischen und tibetanischen Übersetzung und Fassung entwickelten in hunderte von Schulen gespaltenen »großen Fahrzeug«, Mahâyâna, dessen äußerste Ausläufer in der japanischen Zenschule mit der völligen Aufgabe des Askeseprrinzips und der Lehre von der Erlösung durch gute Werke, mit der restierenden Verehrung und brünstigen Anrufung des Amitaba nicht mehr auf dem Heilsboden der nüchternen Selbsterlösungs- und Weltverneinungslehre des Erhabenen steht. ...

... deshalb werben wir unter den deutschen Freunden des Buddhismus um Mitglieder. Buddhistische Mission bei Nichtbuddhisten treibt die deutsche Pâligesellschaft nicht; wissen wir doch, dass jedes neue Buch aus dem Dreikorb, das deutsch erscheint, dem Buddhismus Freunde und Anhänger wirbt."

[Die buddhistische Welt. -- 3, Nr 11 (Mai 1910). -- S 107].

Mitgliederzahl

1.5.1910: 25 [Die buddhistische Welt. -- 4 (1910). -- S. 23]
August 1910: 32 [Die buddhistische Welt. -- 4 (1910). -- S. 84].

An welches Publikum man sich richtete zeigt folgende Nachricht:

"Die Herren Fischer in Wien und Erichs in Hamburg haben sich freundlichst bereit erklärt, die Adressen der dortigen Herren Ärzte auszuschreiben, damit die Statuten der D.P.G. sowie Flugschriften und Verzeichnisse buddhistischer Bücher hingesandt werden können."

[Die buddhistische Welt. -- 4 (1910). -- S. 84].

1909-07

Die buddhistische Welt : deutsche Monatsschrift für Buddhismus. [Ab III. Nr 4. Okt. 1909:] Organ der deutschen Pâli-Gesellschaft / Schriftleiter: Karl B. Seidenstücker und Wolfgang Bohn. -- Breslau : Walter Markgraf.
3. Jahrgang (1.Juli 1909-1.Juni 1910). -- 12 Nr., 120 S.

Ist nicht mehr nur Nachrichtenblatt wie Vorgänger, sondern Vollzeitschrift.

"Die buddhistische Bewegung in Deutschland hat sich jetzt -- auch buchhändlerisch -- von der theosophischen Bestrebungen völlig unabhängig gemacht."

[Die buddhistische Welt. -- 2, Nr 4 (August 1910). -- S. 57].

In Nr 9, März 1910 teilt Seidenstücker mit, dass er die Schriftleitung abgegeben hat

"weil der Standpunkt, den der Herr Verleger und Eigentümer der buddhistischen Welt, Walter Markgraf in Breslau, in seiner Beurteilung des Buddhismus einnimmt, sowie seine Stellung zu gewissen Fragen von theoretischer und praktischer Bedeutung von meiner Anschauung in erheblichen Masse abweichen."

[Die buddhistische Welt. -- 3 (1910). -- S. 90]

4. Jhrg. / Hrsg.: Walter Markgraf. 1.Juli 1910 -- 1. Juni 1911. -- 12 Nr. -- 260 S.

5. Jahrgang / Hrsg.: Walter Markgraf. 1. Juli 1911-30 Juni 1912. -- 12 Nr. -- 424 S.

6. Jhrg. ohne Untertitel Organ der deutschen Pali-Gesellschaft unter dem Titel:

Indien und die buddhistische Welt : deutsche Zeitschrift für das Gesamtgebiet des Buddhismus und der indischen Kultur / Hrsg. Walter Markgraf. -- Breslau : Walter Markgraf. -- 6. Jhrg. 1913. -- 6 Doppelnummern. -- 480 S. Damit eingestellt. Markgraf legt den Vorsitz der deutschen Pâli-Gesellschaft nieder. Plant Heftserie: Indische Studien und eine "auf weiterer Basis stehende" Gesellschaft für indische Kultur.

1910-04-10

Der Übersetzer Karl Eugen Neumann (1865-1915) in einem Brief an Giuseppe De Lorenzo (1871-1957) über die Deutsche Pali-Gesellschaft:

"Die Deutsche Pali-Gesellschaft in Breslau hat sicher die besten Absichten. Sie gibt eine Zeitschrift, ich glaube Die Buddhistische Welt, heraus, deren Redakteur bis vor kurzem Seidenstücker war; jetzt vom Verleger selbst, Markgraf, redigiert. Ehrenmitglieder sind die Reverends (sie) Nyânatiloka, Silâcâra, Rhys Davids, Vertreter A. Costa, Via Sixtina (sic) Rom etc. Ein Delegierter, Dr. Karny, hat mich vor 14 Tagen aufgesucht, um mir die Repräsentanz und den Vorsitz für Wien zu übertragen. Da derselbe ein sehr lieber junger Mann ist, war ich sehr freundlich, habe aber dann abgelehnt. Er kam wieder und wieder, und dann war ich gestern abend endlich so weit, im Interesse der guten Sache (es ist Tierschutz und allgemeine populäre Propaganda damit verbunden) halb zuzusagen, und zugleich Deinen Beitritt und Deine Mitarbeiterschaft (ins Deutsche zu übersetzen wie bei Südd. Monatsh.) in Aussicht zu stellen. -- Da habe ich denn gestern abend zu meinem Glücke noch einen Prospekt Markgrafs durchgesehen, wo das Erscheinen der Puggalapannatti (eines öden scholastischen Büchleins in der Übersetzung Nyânatilokas angezeigt wird, mit der Bemerkung, dass dies eben das Richtige wäre, im Gegensatz zu den anderen Übersetzungen, die an Bizarrereien und Sprachverrenkungen nahezu den Kulminationspunkt erreicht hätten*. Da sich diese Bemerkung nur auf meine Arbeiten beziehen kann, hatte ich nun guten Grund, dem Herrn Delegierten sofort freundlichst mitzuteilen, dass es zu meinem großen Bedauern nicht anginge, mich zum Präsidenten einer Gesellschaft zu wählen, deren Gründer und Leiter gegen mich Front macht".

* Es steht dies in einer Besprechung Seidenstückers (Buddh. Welt 1909/10, S. 72).

[Zitat in: Hecker, Hellmuth <1923 - >: Karl Eugen Neumann : Erstübersetzer der Reden des Buddha, Anreger zu abendländischer Spiritualität. -- Hamburg, 1986. -- 483 S. : Ill. -- S. 116f.]

1910-09-15

"Mit diesen Breslauern ist es eine vertrackte Geschichte. ... Man kann aber diese Bestrebungen nicht a limine abweisen, muss sie also doch wohl, nach Möglichkeit fördern. Von diesem Standpunkte aus habe ich denn auch dem Dr. Karny versprochen, nunmehr gelegentlich auch einen Beitrag zu liefern, und zwar einen Beitrag, worin ich die Prinzipien der Übersetzung aus dem Pâli darlegen wolle, anlässlich der in den bisherigen Heften der Gesellschaft erschienenen Übersetzungen Seidenstückers. Diese zeigen nämlich eine derartige Ignoranz, dass mir selbst Pfungst aus Stuttgart neulich geschrieben hat, er habe diesbezüglich sich berichtigend an Seidenstücker gewendet, jedoch keine Antwort erhalten".

[Zitat in: Hecker, Hellmuth <1923 - >: Karl Eugen Neumann : Erstübersetzer der Reden des Buddha, Anreger zu abendländischer Spiritualität. -- Hamburg, 1986. -- 483 S. : Ill. -- S. 117]

1910-10-09

Die Gesellschaft erhält eine Geschäftsordnung und die Rechte an der Buddhistischen Welt gehen an die DPG über, Vertrag mit Markgraf. [Die buddhistische Welt. -- 4 (1910). -- S. 118-121]. Bei der gleichen Jahres-Hauptversammlung am 9.10.1910 wird in der Satzung § 2. Abs. "Gründung eines Vihâro in Europa auf deutschem Boden" auf Antrag Markgrafs ersetzt durch "4. durch allgemeine Unterstützung buddhistischer Bestrebungen."

"Begründung: Viele, sonst ganz buddhistisch denkende Europäer sympathisieren mit der Unterstützung eines Vihâro in Europa nicht; man sollte daher dieselbe nicht ausdrücklich in den Statuten ansprechen. Dieser Antrag wird einstimmig angenommen."

[Die buddhistische Welt. -- 4 (1910). -- S. 121].

Bei der Generalversammlung 1911 wird dieser Passus ganz gestrichen. [Die buddhistische Welt. -- 5 (1911). -- S. 195].

1911


Abb.: Buddhistisches Marterl in Dölau bei Halle. Davor Wolfgang Bohn (1871 - ), Karl Seidenstücker (1876-1936), Carl Theodor Strauss (1852 - 1937)

1911-12-22

Gründung der Landesgruppe Schlesien der D.P.G.; Ende Februar Gründung einer Landesgruppe Brandenburg der D.P.G.

1911-07 bis 1911-09

Es erscheinen:

Buddhismus : Flugschriften des Buddhistischen Bundes / Hrsg.: Walter Markgraf. -- No. 1 -3 (Juli - Sept. 1911)
No 1: Dhammânusârî [=W. Markgraf]: Das Leben des Buddha und die Ausbreitung seiner Lehre.
No 2: Ruvessâvi: Die Lehre des Buddha.
No 3: Dhammânusârî: Die drei Merkmale.

Die Flugschriften waren zur Auslage in vegetarischen Speisehäusern, Cafés usw. und zur Verteilung an die Freunde gedacht. [Die buddhistische Welt. -- 3 (1909). -- S. 40].

1911

In Leipzig treffen sich die Freunde des Buddhismus jeden Mittwochabend zu Vorlesungen.

1911

Landesgruppen für Schlesien und Brandenburg. "Bald kam es jedoch zu Gegensätzen. Markgraf vertrat einen Mönchsbuddhismus und wollte ein Theravâda-Kloster in Europa gründen; Seidenstücker hatte von Anfang an den Mahâyâna-Buddhismus mit berücksichtigt und dachte mehr an Laienbuddhismus. 1911 trat er aus." [Hecker, Hellmuth : Buddhismus in Deutschland : eine Chronik. -- 2., erweiterte Auflage. -- Hamburg, 1978 --S. 41f.].

1913 -- Mai

Markgraf legt Vorsitz der DPG endgültig nieder und stellt seine Mitarbeit ein, wodurch DPG zum Erliegen kam. Markgraf plante die Herausgabe einer Heftserie Indische Studien und die Gründung einer auf weiterer Basis stehenden Gesellschaft für indische Kultur. [Die buddhistische Welt. -- 4 (1913). -- S. 480].

1914/15

Markgraf fällt im Krieg in Russland.


6. Exkurs: 1911: Der gelbe Erzähler



Abb.: Der gelbe Erzähler, Nr.3, 1911-03

1911

Noch eine kleine Kuriosität: in: Die buddhistische Welt. -- 5 (1911). -- S. 36 wird folgende Zeitschrift als neue buddhistische Zeitschrift angekündigt:

"Der gelbe Erzähler erscheint monatlich einmal und kostet jährlich nur 1- Mk bei portofreier Zusendung. Die Auflage jeder Nr beträgt 9000 Exemplare, die teils an die bereits zahlreichen Abonnenten, teils als Probenummern versandt werden. Wir wünschen der hübschen kleinen Zeitschrift vollen Erfolg. M.[arkgraf]"

Der Gelbe Erzähler im zwanzigsten Jahrhundert / für den Inhalt verantwortlich: Gustav Koethe, Breslau. -- Breslau : Schatzky, 1911. -- 12 Nummern.

Der Gelbe Erzähler ist eine Verbindung von erbaulichen buddhistischen Artikeln und Werbung für Achinin-Seife:

"Diese synthetische Sauerstoff-Salmiak-Benzin-Terpentin-Kali-Natron-Seife ist frei von Fischtran, Wollschweiß- und Kadaverfetten und unter Verwendung nur erstklassiger Öle und Fette hergestellt, welche ebensogut Speisezwecken hätten dienen können. Schon aus ästhetischen Gründen sollten moderne Kulturmenschen nur mit dieser Seife behandelte Leib-, Bett- und Tisch-Wäsche mit ihrem Körper in engste Berührung bringen."

[Nr 1 (1911). -- S.6].

Aus dem Inhalt:

Nr 1 (Januar 1911):

Nr 2 (Februar 1911):

Nr 3 (März 1911):

Nr 4 (April 1911):

Nr 5 (Mai 1911):

Nr 6-8 (Juni-August 1911)

Nr 9-12 (Sept. -Dez. 1911):

In Buddhistische Warte. -- 2, Nr 11-12 (Juli-Aug. 1911). -- S. 275 erscheint zum Gelben Erzähler im Briefkasten folgende Notiz:

"Abonnent aus Breslau. Sie schreiben uns: »Ist es Ihnen bekann, dass in Breslau seit einigen Monaten eine pseudo-buddhistische Zeitschrift unter dem Titel 'Der Gelbe Erzähler' erscheint und kolportiert wird ...«

Antwort: Die von Ihnen angeführten Tatsachen sind uns genau bekannt; wir könnten Ihnen sogar verraten, welche Persönlichkeiten hinter dem Seifen-Reklame-Unternehmen stehen. Der »gelbe Erzähler« hat bei unseren Freunden, die ihn zuGesicht bekamen, ausnahmslos teils helle Entrüstung, teils schallende Heiterkeit ausgelöst. Aber was wollen Sie? Es ist eben nicht alles buddhistisch, was gelb ist, und man kann den Menschen doch nicht verbieten, sich zu blamieren, wenn sie absolut darauf ausgehen. ..."


7. 1911-1921: Mahâbodhi-Gesellschaft (Deutscher Zweig)


1911-05-01

Seidenstücker gründet den Deutschen Zweig der Maha Bodhi Gesellschaft mit Geschäftsstelle Leipzig. Vorsitzender: F. Zimmermann (Subhadra Bhikshu)

In der Mitteilung über die Gründung der Gesellschaft betont Seidenstücker ausführlich den eklektischen Charakter dieser Gesellschaft, die nicht auf bestimmten Formen insistiere (im Gegensatz zu den deutschen Palibuddhisten):

"Ihrem Charakter nach ist die Mahâbodhi-Society eklektisch. ... Die Mahâbodhi-Gesellschaft bildet also gleichsam ein Grundterrain, auf welchem die Anhänger aller Richtungen des Buddhismus zu stehen und zu arbeiten vermögen. Es ist ihr nur darum zu tun, Geist und Wesen der Buddha-Lehre zu verbreiten, dagegen hält sie sich nicht an äußere Formen und Schablonen. Sie versteht die Zeichen der Zeit und berücksichtigt die Bedürfnisse der einzelnen Länder, in denen sie wirkt, und weiß sich in sehr geschickter Weise den jeweiligen Verhältnissen anzupassen. Das ist ein sehr weiser und vollständig buddhistischer Grundsatz. Denn äußerliche Institutionen, Formen und Formalitäten, die dem Verhältnisse eines Landes vollständig angemessen sind, können unter Umständen für ein anderes Land ganz verfehlt sein, und eine Einrichtung, die vor zweitausend Jahren in die kulturellen Verhältnisse Indiens durchaus hineinpasste, braucht deswegen für das Europa des zwanzigsten Jahrhunderts noch lange nicht geeignet zu sein. Auch Buddha vertrat stets den vernünftigen Grundsatz der Anpassungg; wenn sich gewisse Gemeinde-Einrichtungen als notwendig erwiesen, rief er sie ins Leben, andere wieder, die unzweckmäßig erschienen, hob er auf oder veränderte sie. Sofern die buddhistischen Ideen und Einrichtungen im modernen Abendlande wirklich heimisch werden sollen, darf das Prinzip der Anpassung an die bestehenden Zeitverhältnisse nie aus dem Auge gelassen werden. Obwohl sich das für jeden einsichtigen Menschen von selbst versteht, muss es hier aus bestimmten Gründen als besondere Programm-These der Mahâbodhi-Gesellschaft mit allem Nachdruck hervorgehoben werden. Das Kleben an versteinerten Formen ist der Tod, aber der Geist, der die für seine Zeit geeigneten Formen schafft, ist das Leben, das Frucht trägt tausendfältig."

[Buddhistische Warte 2, Nr 9-10 (Mai/Juni 1911). -- S.227f.].

Zweck und Ziel: Satzungsentwurf:

"§ 3. Zweck und Ziel der Gesellschaft.
  • a) Die Mahâbodhi-Gesellschaft (D. Z.) verfolgt einen doppelten Zweck:
    1. Das Studium des Buddhismus, insonderheit in seiner ursprünglichen Form, zu fördern.
    2. Die Kenntnis der Grundgedanken des Buddhismus zu verbreiten, sowie Verständnis und Achtung für die Größe und Schönheit der buddhistischen Weltanschauung und Sittenlehre zu erwecken.
  • b) Die Mittel, welche zur Erreichung dieser Zwecke geeignet erscheinen, sind. Herausgabe einer Zeitschrift (Buddhistische Warte) und billiger Flugschriften; Abhaltung von Vorträgen und Vorlesungen über Buddhismus; Einrichtung von Lehr-Kursen; Gründung von Büchereien.
  • c) Die Mahâbodhi-Gesellschaft (D. Z.) ist in ihrem Wesen eklektisch; sie macht für keine spezielle Richtung oder Schule Propaganda. Auch ist es keineswegs nötig, dass ein Mitglied der Gesellschaft selbst Buddhist ist; vielmehr kann Mitglied jede volljährige Person werden, die mit einem der Zwecke der Mahâbodhi-Gesellschaft (D. Z.) sympathisiert und geneigt ist, die Arbeit der letzteren zu unterstützen (vergl. §4,b).
  • d) In dem Bestreben, dem erhabenen Beispiel des großen Begründers des Buddhismus zu folgen, hält die Mahâbodhi-Gesellschaft (D.Z.) an dem Grundsatz fest, in ihren offiziellen Auslassungen und Kundgebungen niemals eine andere Religion anzugreifen, zu verunglimpfen oder lächerlich zu machen. Unduldsamkeit läuft dem Geist des Buddhismus direkt zuwider. Die Mahâbodhi-Gesellschaft erwartet daher auch von ihren Mitgliedern die Anerkennung und Beobachtung des Grundsatzes der Toleranz. Demgemäß wird auch jedem einzelnen Mitgliede in seiner Auffassung und Auslegung buddhistischer Lehren vollkommene Freiheit gewährleistet."

[Buddhistische Warte. -- 2, Nr 9-10 (Mai/Juni 1911). -- S. 228. Ganzer Satzungsentwurf: ibid., S. 225-233].

Innerhalb der Gesellschaft gibt es einen engeren Kreis sich zum Buddhismus bekennender Mitglieder:

"§ 5. Der engere Kreis. Der engere Kreis ist eine Gruppe von solchen Mitgliedern der Mahâbodhi-Gesellschaft (D. Z:), die sich direkt zum Buddhismus zu bekennen wünschen. Allen denen, die ihren Übertritt zum Buddhismus vollziehen wollen, bietet der engere Kreis hierzu Gelegenheit. Um von vornherein etwaigen Missverständnissen vorzubeugen, sei hier ein für allemal bemerkt, dass der engere Kreis der Mahâbodhi-Gesellschaft (D. Z.) mit sog. esoterischen Zirkeln, geheimen Lehren, Kulten, Mysterien u. dergl. nicht das Geringste zu tun hat. Alle Geheimniskrämerei widerspricht dem Geist der Buddha-Lehre."

[Buddhistische Warte. -- 2, Nr 9-10 (Mai/Juni 1911). -- S. 231].

Fast alle Mitglieder der Buddhistischen Gesellschaft schlossen sich der neuen Gesellschaft an. [Buddhistische Warte. -- 3 (1911). -- S. 63].

Zur Frage, ob die Gründung der neuen Gesellschaft nicht eine Zersplitterung der buddhistischen Bewegung in Deutschland bedeutet, schreibt Seidenstücker in Buddhistische Warte. -- 3 (1911). -- S. 65:

"Da hinsichtlich der Auffassung des Buddhismus und der Art der Propaganda unter den deutschen Freunden des Buddhismus zwei verschiedene Standpunkte vertreten werden, schritt man am 1. Mai dieses Jahres zur Gründung eines Deutschen Zweiges der Mahâbodhi-Gesellschaft mit der Geschäftsstelle Leipzig. .. Dieser Gründung verdankt die Bewegung in Deutschland einen gewaltigen neuen Antrieb; denn seit dieser Zeit arbeitet erfreulicherweise auch die 'Deutsche Pâli-Gesellschaft' mit doppeltem Eifer. Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Gründung des Deutschen Zweiges der Mahâbodhi-Gesellschaft neben der anderen Gesellschaft bedeutet keineswegs eine Zersplitterung. Im Gegenteil: jetzt beteiligen sich viele an der Arbeit, die bisher am Markte der Bewegung müßig standen, da sie sich aus diesem oder jenem Grunde der DPG nicht anschließen wollten, und wir sind der Meinung, dass in einem Lande von über sechzig Milölionen Einwohnern sehr wohl Platz ist für zwei Gesellschaften, die im Dienste derselben Idee stehen, wenn sie auch verschiedene Wege gehen mögen. Der Schreiber dieser Zeilen wünscht beiden Gesellschaften auch für die Zukunft gutes Wachstum und Gedeihen."

1911-05 bis 1911-12

Offizielles Organ:

Buddhistische Warte : eine Monatsschrift für Buddhismus. Deutsches Organ der Mahâbodhi-Gesellschaft.
Bd II. No 9-12 (Mai-Aug. 1911) (Vorgänger s. bei Buddhist Missionsverein)
Bd III. No 1/2-3/4 (Sept.-Dez. 1911)

1911-09/10

Im Sept/Okt-Heft der Buddhistischen Warte schreibt Seidenstücker über Die Weltmission des Buddhismus und das Abendland, dort gibt Seidenstücker auf S. 8 sein Grundanliegen gut wider:

"Die Folge davon ist, als eine der brennendsten Fragen unserer Zeit, die Forderung einer Aussöhnung zwischen Wissenschaft, Philosophie und Religion, das Suchen nach einem Prinzip der Lebensführung, das, während es auf das Willens- und Gefühlsleben des Einzelnen läuternd, veredelnd, beglückend einwirkt, andererseits in den Grundlagen seines spekulativen Aspektes, als Weltanschauung, mit unserer Naturerkenntnis jederzeit vereinbar sein muss und sich mit dieser in keinem Punkte in Widerspruch setzen darf."

1912-04-07/08


Abb.: Carl Strünckmann

Bei der Generalversammlung kommt es zu einem Eklat: [s. Jahresbericht in: Mahâbodhi-Blätter. -- 2, Nr. 1 (Mai/Juni 1913). -- S. 14ff.]. Dr. med. Carl Strünckmann (1872-1953) hatte vor der Gründung der Mahabodhigesellschaft (D. Z.) Seidenstücker einen größeren Geldbetrag geschenkt, und zwar einen "nicht näher bestimmten Teil der betr. Summe" zum privaten Gebrauch, der Rest zur Herausgabe der Buddhistischen Warte, die Seidenstückers buchhändlerisches Eigentum war. Nun verlangte Strünckmann von der Mahâbodhi-Gesellschaft 600 Mark zurück. Seidenstücker reagierte auf die Bitte der Gesellschaft um Aufklärung dieser Angelegenheit mit der Austrittserklärung und der Niederlegung seines Vorstandsamtes. Die Mahâbodhigesellschaft wies darauf hin selbstverständlich Strünckmanns Ansinnen zurück. Zwei Tage später, am 9. April, teilte Dr. Strünckmann dem Vorsitzenden, Dr. Hornung schriftlich mit, dass er nunmehr an die Öffentlichkeit appellieren wolle, mit dem Nachsatz:

"Überhaupt die ganze buddhistische Bewegung, soweit sie nicht um Herrn Markgraf gruppiert ist, würde dann bloßgestellt werden, resp. auseinandergesprengt werden."

Strünckmann wurde darauf hin aus der Gesellschaft ausgeschlossen.

1912-05-07

Fünf Mitglieder der Gesellschaft, vier davon aus Breslau, schreiben an die Mitglieder, an deren Adressen sie kommen konnten, dass sie selbst nun der Vorstand der Mahabodhigesellschaft seien (auf der Hauptversammlung war keiner von ihnen gewählt worden). Die Mitglieder wurden aufgefordert, ihre Mitgliedsbeiträge nun nach Breslau zu senden. Selstverständlich wurden diese 5 Herren aus der Mahabodhigesellschaft Sitz Leipzig ausgeschloßen, die sich mit Datum vom 12. Juni 1912 vom Hauptquartier der Mahâbodhi-Society (u.a. Dharmapâla) bestätigen ließ, dass sie die einzige legitime Deutsche Gesellschaft ist. [Mahâbodhi-Blätter. -- 1, Nr. 2 (Juli/Aug. 1912). -- S. 28f.]. Friedrich Zimmermann (Subhadra Bhikshu), der Gründungsvorsitzende der Gesellschaft, wurde von Strünckmann u. Co. mit gerichtlicher Verfolgung bedroht, sodass er in Hinblick auf seine schlechte Gesundheit aus der Gesellschaft austrat. Als weiterer Schlag gegen die Mahâbodhigesellschaft gedacht war die Gründung eines Konkurrenzvereins: Bund für buddhistisches Leben am 18.8.1912 in Halle.

Hornung in seinem Jahresbericht:

"Hat die Sache sonst keinen Erfolg gehabt, so doch den, dass man sich im Auslande besonders nach und nach wundert, dass die doch nicht gerade allzu zahlreichen Buddhisten und buddhistischen Interessenten in Deutschland nun bereits drei Vereinigungen haben. Im übrigen halten wir es natürlich nach wie vor für unserer Mitglieder eigenste, persönlichste Angelegenheit, buddhistisch zu leben, soviel sie mögen, und lehnen es ab, sie, etwa nach irgend einer asketischen Richtung hin, zu beeinflussen oder zu bevormunden."

1912

Wohl durch den Austritt Seidenstückers, der die Verlagsrechte an der Buddhistischen Warte hatte wurde es notwendig, wieder einmal eine neue Zeitschrift herauszugeben:

Mahâbodhi-Blätter : eine Zweimonatsschrift für Buddhismus / hrsg. von der Mahâbodhi-Gesellschaft (Deutscher Zweig). -- Leipzig : Selbstverlag
1. Nr 1-6. Mai 1912-April 1913. -- 120 S.
2. Nr 1-6, Mai 1913- April 1914. -- 100 S.
3. Nr. 1/2-5/6, Mai 1914- April 1915. -- 92 S.
4. Nr 1/2-5/6, Mai 1915-April 1916. -- 96 S.

1912

In einer Rezension von

Walter Markgraf: Kleiner buddhistischer Katechismus : zum Gebrauch für Eltern und Lehrer. -- Breslau : Markgraf, 1912.

kritisiert F. Hornung das buddhistische Mönchtum:

"Einen verhältnismäßig recht breiten Raum nimmt die Schilderung der Lebensweise der burmanischen Bhikkhus ein. Mögen ihre deutschen Leser nicht übersehen, dass »Frieden und Glück« als buddhistisches Endziel nach dem Vorbilde des Buddha selber und gemäß seiner Lehre nur durch Taten , und zwar durch solche, die dem Wohle und der kulturellen Hebung unserer Mitmenschen förderlich sind, erworben werden können, während rein persönliche Meditationen im Wohlwollen und Mitleid, die keine Taten auslösen, hierzu garnichts nützen. »Es geht mich an, wenn des Nachbars Haus brennt«, sagt ein deutsches Sprichwort. Und es geht wohl auch den Bhikkhu an, oder es sollte das doch, wenn die europäische Barbarei mit ihren sittlichen und wirtschaftlichen Irrlehren, mit ihren Lastern und Gewalttätigkeiten in die alten buddhistischen Kulturstaaten einbricht und ihre Völker zersetzt und vernichtet. Damit aber ergeben sich andere Wege zur Erreichung von Glück und Frieden, als das bloße Meditieren. Da nicht wenige Buddhisten das jetzt auch schon in Südasien begriffen haben, hätte das auch der Verfasser nicht gänzlich zu ignorieren brauchen."

[Mahâbodhi-Blätter. -- 1 (1912). -- S. 110].

1921

Die Mahâbodhi Gesellschaft (Deutscher Zweig) geht im Bund für Buddhistisches Leben auf.


8. 1912-1928: Bund für buddhistisches Leben


1912-08-18

In Halle wird der Bund für Buddhistisches Leben gegründet als Konkurrenzverein zur Mahâbodhi-Gesellschaft (Deutscher Zweig). Gründer und Vorsitzender: Dr. Wolfgang Bohn (1871-).

"Lag bei der DPG der Nachdruck auf der Verbreitung der Kenntnis des Pâli-Buddhismus, so sah der Bund seine Hauptaufgabe in der »Einführung der buddhistischen Heilswahrheiten und der hohen ethischen Heilslehren in das persönliche Leben der europäischen Freunde des Buddhismus«. Seine Mitglieder sollten durch Lehre und Beispiel für die Beobachtung der fünf Sîla wirken. Ein Gewissenszwang sollte dabei nicht ausgeübt werden, doch verpflichtete der Bund seine Mitglieder, »sich gegenseitig in der Durchdringung buddhistischer Morallehren durch Rat, Tat und Briefwechsel beizustehen«."

[Die buddhistische Welt. -- 6 (1912). -- S. 271; Buddhistischer Weltspiegel. -- 1 (1919). -- S. 44].

1913

Zeitschrift für Buddhismus und verwandte Gebiete / hrsg. vom Bund für buddhistisches Leben. Schriftleitung: Wolfgang Bohn. -- Trier : Otto Schloss. -- 1. Heft 1/2 9/10. Okt. 1913 -- Juli/Aug. 1914. -- 284 S. (Nachdruck des 1. Bandes: 1928). -- Erst 1920 mit dem 2. Jhrg. und Verlagsort München weitergeführt

1913/14

Bildung von Ortsgruppen in Berlin, Hamburg, München.

1919

Der Bund wird in München mit neuer Satzung fortgesetzt. (S. nach dem 1. Weltkrieg).


9. Exkurs: 1913: Fritz Mauthner: Der letzte Tod des Gautama Buddha



Abb.: Fritz Mauthner [Bildquelle: http://www.gutenberg2000.de/autoren/mauthner.htm. -- Zugriff am 2003-05-20]

1913

Es erscheint:

Mauthner, Fritz <1849 - 1923>: Der letzte Tod des Gautama Buddha. -- München : Georg Müller, ©1913. -- 171 S.

"Mauthner, Fritz, Schriftsteller, geb. 22. Nov. 1849 zu Horitz bei Königgrätz in Böhmen, studierte in Prag Rechtswissenschaft, trat mit einem Sonettenzyklus: »Die große Revolution« (1871), der ihm beinahe eine Anklage auf Hochverrat eingetragen hätte, zuerst literarisch auf und ließ einige kleinere Lustspiele folgen, die auch mit Beifall ausgeführt wurden. Seitdem widmete er sich ausschließlich dem literarischen Beruf, zunächst als Mitarbeiter der deutschen Blätter Prags, und ließ sich 1876 in Berlin dauernd nieder. Einen durchschlagenden Erfolg erzielte er mit einer Reihe satirischer Studien, die den Stil der hervorragendsten deutschen Dichter der Gegenwart parodierten: »Nach berühmten Mustern« (Stuttg. 1879, 28. Aufl. 1895; neue Folge 1880, ebenfalls in zahlreichen Auflagen; Gesamtausgabe 1897). Weitere Sammlungen von kritischen Feuilletons und Satiren sind: »Kleiner Krieg« (Leipz. 1878), »Einsame Fahrten. Plaudereien und Skizzen« (das. 1879, 3. Aufl. 1890), »Dilettanten- Spiegel. Travestie nach Horazens Ars poetica« (Dresd. 1883), »Aturenbriefe« (2. Aufl., das. 1885), »Credo« (Berl. 1886), »Von Keller zu Zola« (das. 1887), »Schmock, oder die literarische Karrière der Gegenwart« (das. 1888), »Tote Symbole« (Kiel 1891). M. veröffentlichte ferner die Erzählungen und Novellen: »Vom armen Franischko« (Bern 1880; 7. Aufl., Dresd. 1886), »Die Sonntage der Baronin« (1880; 3. Aufl., Dresd. 1884), »Zehn Geschichten« (Berl. 1891), »Bekenntnisse einer Spiritistin (Hildegard Nilson)« (das. 1891), »Der wilde Jockey und anderes« (Münch. 1897), »Der steinerne Riese« (Dresd. 1897); sodann die Romane: »Der neue Ahasver« (das. 1881), »Xantippe« (das. 1884. 6. Aufl. 1894), »Berlin W« (I.: »Quartett«, das. 1886; II.: »Die Fanfare«, 1888; III.: »Der Villenhof«, 1890, mehrfach aufgelegt), »Der letzte Deutsche von Blatna« (Dresd. 1886, 5. Aufl. 1890), »Der Pegasus, eine tragikomische Geschichte« (das. 1889, 3. Aufl. 1894), »Hypatia« (Stuttg. 1892), »Der Geisterseher« (Berl. 1894), »Kraft« (Dresd. 1894, 2 Bde.; 3. Aufl. 1899), »Die bunte Reihe« (Münch. 1896), »Die böhmische Handschrift« (das. 1897). Auch veröffentlichte er Fabeln und Gedichte in Prosa u. d. T.: »Lügenohr« (Stuttg. 1892; 2. Aufl.: »Aus dem Märchenbuch der Wahrheit«, das. 1896). Neuerdings erregte Mauthner die Aufmerksamkeit weiterer Kreise durch ein umfangreiches wissenschaftliches Werk: »Beiträge zu einer Kritik der Sprache« (Stuttg. 1901-02, 3 Bde.), in dem er mit Scharfsinn die Unzulänglichkeit des Ausdrucksmittels der Sprache darlegt."

[Fritz Mauthner starb 1923 in Meersburg am Bodensee.]

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

Widmung:

MEINER LIEBEN FRAU
Francisci Schülerin, des einen und andern,
Hast du die Heiligen mir ganz nah gebracht,
Die arm und selig über die Erde wandern,
Wie Tierlein fromm und klug und unbedacht.

Die Antwort auf deine christlichen Legenden
Vernimm jetzt: eines gütigen Menschensohns
Selbstüberwinden, Entsagen und Vollenden.
Nicht wahr, du hörst den Nachklang deines Tons ?

Sonst wäre die Sage ungesagt geblieben;
Wer sich kein Echo weckt, ist stumm.
Ich habe dir das Büchlein zugeschrieben.
Du weißt, warum.

In unsrem Glaserhäusle bei Meersburg
Anfang September 1912

P.M.

Das Schlusskapitel:

X. Bestattung des Dauergedankens

Das habe ich gehört.

Ein Göttermantel, der dunkle schwefelumsäumte Schmetterling, den sie im Abendlande den Trauermantel nennen, flatterte vom Munde des erloschenen Buddha nach dem Hochgebirge, wo die Götter hausen. Der Göttermantel trug die Seele des Buddha in seinem zarten Körperchen. Noch war diese Seele nicht entlassen. Fünf Schauungen, fünf Befreiungen hatte die Seele eines Buddha nach dem letzten Tode noch zu erfahren, bevor, was in dieser Seele noch Buddha war, sich entschließen durfte, die Seele zu entlassen. Welche fünf? Die Befreiung von der Erdenschwere, die Befreiung von den Elementen, die Befreiung vom Herzschlage, die Befreiung von Erinnerung, die Befreiung von Menschheit. Drei Befreiungen, drei Schauungen hatte der Göttermantel mit der Seele schon erfahren, drei Bande hatte er bereits abgestreift, die Erdenschwere, die Elemente und den Herzschlag, als er sich in der ungestalten Behausung der Götter niederließ.

Wolkengebilde. Ungeheuer ohne Herz. Formlose Ungestalten. Tiger, Krokodile, Seetiere, Skorpione und Elefanten aus Wolkendunst. Keine Menschenerscheinung. Nur was vom Buddha übrig war, dem Buddha, das schwankte jetzt wieder in den Wolkenwandlungen, bald ein Göttermantel, bald ein schöner alter Mann.

Die Götter, Buddhas der Vorzeit, drängten sich in ihren Wolkengetiergestalten um den neuen Gott. Sie redeten in einer ganz unmenschlichen Sprache, in einer ungeworteten Sprache, und trotzdem verstand er sie. Wie aus weiter Ferne, nicht klar bewusst. So weit war er von ihnen getrennt, wie er vom Jüngling Subhadda getrennt gewesen war, da er eben zu ihm gesprochen.

'"Das als ist Gautama, der Buddha dieses Weltenalters. Hat die beiden letzten Befreiungen noch nicht erfahren, hat noch Erinnerung, hat noch Menschheit. Ist noch nicht leicht genug. Auch Erinnerung ist noch Erdenschwere. Auch Menschheit ist noch Erdenschwere."'

Gautama, der tote Buddha, fragte die Götter wieder, was er schon vor seinem letzten Tode oft und gern gefragt hatte: '"Wer ist der Gott, dass Menschen ihm opfern mögen? Seid ihr solche Götter? Bin ich so ein Gott? Bin ich noch nicht den letzten Tod gestorben? Ist das hier nochmals ein Sein? Wo ist das Nichtsein, wo ich nicht mehr bin?"'

Wieder verstand Gautama, der tote Buddha, wie von ferne, was die dreiunddreißig Götter untereinander murmelten in ihrer ganz unmenschlichen Sprache, in ihrer ungeworteten Sprache: '"Da war nicht Nichtsein und da war auch Sein nicht. Da war die Freiheit zu wählen zwischen Sein und Nichtsein. Gautama ist noch nicht leicht genug, hat noch Erinnerung, hat noch Menschheit. Schau! Augengestalten sind wir, um zu schauen. Du kannst was Besonderes schauen. Nach dem letzten Tode die eigene Bestattung zu schauen, das ist für einen toten Buddha der Anfang der Weisheit. Schau! Die Wolken sind gefällig. Die eigene Bestattung zu schauen ist die letzte Befreiung von Menschheit, von Erdenschwere. Schau und lerne das tote Lachen der toten Buddhas, die Götter geworden sind."'

Die gefälligen Wolken öffneten einen Ausblick auf die Erde und die ungestalten Göttergestalten drängten sich, der Bestattung Gautamas zuzusehen. Auf einen Stirnknochen des Krokodils, das Sakka war, ein Buddha der Vorzeit und jetzt der Gott Indra, setzte sich der Göttermantel mit dem Seelchen des toten Buddha, weil das ein ruhiges Plätzchen zu schauen war. Und in der Wolkenbehausung der Götter war kein Jahr und keine Zeit, war keine Weltgegend und kein Raum, darum konnten die dreiunddreißig Götter schnell und wie auf einmal betrachten, was sieben Tage auf der Erde dauerte: die Bestattung des Buddha mit allen Ehren eines Erdeneroberers.

Die Fürsten der Maller kamen mit Blumen und Weihrauch, mit Zelten und Baldachinen, mit Wimpeln und flatternden Fahnen; und Gesang und Tanz hörten nicht auf während siebenmal die Erde hell wurde und wieder dunkel unter den Blicken der dreiunddreißig Götter. Fünfhundertmal wurde der Leichnam des Buddha in feine Linnen gebunden. Dann wurde der Leichnam in einen erzenen Sarkophag gelegt, oben und unten durchbrochen, und wurde von Mönchen und Fürsten bis an die Stelle getragen, wo viele Straßen sich kreuzten und wo ein Scheiterhaufen von Sandelholz errichtet war. Der Sarkophag wurde auf den Scheiterhaufen gelegt und bei Gesang und Tanz aus Sandelholz in Brand gesteckt. Und man hörte das Gemurmel der Fürsten:' "Lieb ist uns der tote Buddha, der keine Geschenke mehr von uns verlangt für den Heuschreckenschwarm seiner Mönche."' Und man hörte das Gemurmel der Mönche: '"Erlöst hat uns die Erlösung des Buddhas endlich von dem großen Asketen. Heimgesucht waren wir und unsere Brüder fünfzig Jahre lang von seinem Das müsst ihr tun! Das müsst ihr lassen! Jetzt wollen wir nicht traurig sein, wenn wir auch nicht mit den Tänzern und mit den Sängern tanzen und singen dürfen. Tun wollen wir, was uns beliebt. Was uns nicht beliebt, wollen wir nicht tun. Der ehrwürdige Ananda ist kein Buddha."'

Der ehrwürdige Ananda aber saß mit gekreuzten Beinen auf Polstern und achtfach gefalteten Pilgermänteln neben dem erkalteten Sarkophag und blickte wie ein Heerführer am Tage der siegreichen Schlacht und verhandelte mit den Abgesandten der fürstlichen Familien, die auf die Kunde von Tode des Buddha und von überall herbeigeeilt waren. Die wollten die Überreste des Buddha haben, acht Familien.

Da ertönte von den Zinnen der nahen Mallerstadt kriegerischer Lärm, Posaunen wurde geblasen, Trommeln wurden gerührt. Aus dem geöffneten Tore nahte der regierende Fürst der Maller an der Spitze von vielen Gewaffneten. Er schritt bis an die Stelle, wo vier Straßen sich kreuzten, hielt die gepanzerte Hand über der erzenen Sarkophag und sagte:' "Auf unserem Boden ist der Buddha seinen letzten Tod gestorben. Unser sind darum seine heiligen Überreste. Nicht eine einzige Aschenflocke werde ich hergeben, solange auch nur ein einziger Maller, ein einziger Krieger aus dem Stamme der Maller noch am Leben ist. Und meine Macht ist groß. Zehnmal zehntausend bis an die Zähne bewaffnete Krieger sind bereit, meinen Befehlen zu gehorchen und die heiligen Überreste des Buddha zu verteidigen. Ein Frevel wäre es, die Ruhe des Buddha zu stören. Nirgendwo als an dieser heiligen Stätte darf ein Kuppelmal sich erheben, und wenn acht Städte darüber in Flammen aufgehen und unzählige Muttersöhne darüber ihr Blut vergießen müssten. Wie es Euch beliegen mag, ihr Herren."'

Tosendes Gezänk entstand am Sarkophage des Buddha. Die Abgesandten schrien durcheinander; und schwuren, alle ihre Krieger zu vereinigen und die Stadt der Maller dem Erdboden gleich zu machen.' "Lieber wollen wir die Asche und die Knochen dieses Asketen Gautama in den Fluss werfen und alles ins Weltmeer hinuntertreiben lassen, als dass wir den Übermut der frechen Maller noch länger dulden."'

Schlimmere Worte noch flogen hin und her; drohend wurden die Fäuste geschwungen. Viel fehlte nicht und am Sarkophage des Buddha wären Menschen getötet worden um des Buddhas willen.

Da trat Ananda dazwischen und suchte die Streitenden zu besänftigen. Silbe für Silbe und Ton für Ton sprach Ananda die Lehre des Buddha nach, dass Hass niemals durch Hass getilgt würde, dass des Friedfertigen allein der Friede nach dem Tode wäre. Und aus eigener Weisheit, aus eigener Überredungskunst fügte Ananda hinzu, was etwa die erbitterten Gegner zum Nachdenken bewegen könnte; er schilderte die grausamen Höllenstrafen, die der Höllenrichter über jeden verhängen würde, der dem Nachfolger des Buddha nicht gehorchte.

'"Nicht einmal zehn mal zehntausend, höchstens dreimal zehntausend Krieger kann der Fürst der Maller aufbringen"', so redeten zueinander die Abgesandten.

'"Vielmal soviel Krieger als wir können die vereinigten Fürsten bis zum nächsten Vollmonde aufbringen; und der Fürst der Licchaver gar hat zwei starke Mauerbrecher in seinem Zeughause"', so redetet ein Hauptmann zu dem regierenden Fürsten der Maller.

Da schlossen die Abgesandten ihren Frieden mit den Mallern, und die Maller schlossen ihren Frieden mit den Abgesandten. Jeder sollte sein Teil haben an den heiligen Überresten.' "Wie es dem ehrwürdigen Herrn Ananda belieben mag."'

Da setzte sich der ehrwürdige Ananda wieder mit gekreuzten Beinen auf die Polster und die achtfach gefalteten Pilgermäntel und ordnete die Anteile.

Weiße Knochen des Buddha waren auf den Rosten des Sarkophags geblieben und gar keine Asche. Der ehrwürdige Ananda verhandelte mit allen acht Familien. Die Familie der Sakya erhielt den Kopf des Buddha, weil Gautama ja aus dem Geschlecht der Sakya stammte und von seinen Verwandten den Namen Sakyamuni erhalten hatte (das ist der Weise aus dem Sakyageschlechte), seitdem er als ein Buddha geehrt war. Die übrigen Knochen, weiß gebleicht durch das Feuer, wurden sorgsam und wohl abgewogen an die sieben Familien verteilt, die sich als Anhänger um den Buddha verdient gemacht hatten und jetzt Kuppelmale über seinen Knochen errichten wollten.

Auch die Fürstin Tschundi hatte ihre Ansprüche angemeldet: in ihrem Lusthause hatte sich Gautama, der Buddha, die Verheißung, die Gewähr, die Ursache zu seinem letztem Tod geholt. Als die Fürstin Tschundi erfuhr, es gäbe keine Knochen mehr, da wollte sie wenigstens die Asche des Buddha haben.' "Die Asche kannst du haben, Fürstin"', sagte da der ehrwürdige Ananda, '"wenn du über ihr ein Kuppelmal aufzurichten versprichst. Doch es ist nicht die Asche des Buddha; es ist nur Holzasche, die sich unter dem Sarkophag gesammelt hat." "Ei, so will ich die Sandelholzasche nehmen und ein Kuppelmal über ihr errichten. Mein Kuppelmal wird größer sein als alle anderen und darum größeren Zulauf haben, ob auch nur Sandelholzasche darinnen ist."'

Auch die Buhlerin Ambapali, die Freundin der Fürsten, wollte die Überreste des Buddha besitzen. Der ehrwürdige Ananda, weil sie dem Buddha und seiner Jüngerschar den Mangopark zum Geschenk gemacht hatte, der hunderttausend Goldgulden wert war, überließ ihr den Sarkophag, in dem der Leichnam des Buddha verbrannt worden war. '"Wertvolleres habe ich erworben als meine Fürsten, die einen weißgebleichten Schenkelknochen des Buddha erhalten haben. Den Sarkophag habe ich erworben, den erzenen, in welchem, eine vorübergehende Erscheinung, der Körper des Buddha lag, wie in seiner menschlichen Gestaltung der Geist des Buddha lebte, eine vorübergehende Erscheinung."' Da lachten die Fürsten der Licchaver und schnalzten mit den Fingern und riefen:' "Und klüger ist die Ambapali auch noch, als wir andern alle!"'

Die dreiunddreißig Göttter sahen zu mit ihrem toten Götterlachen.' "Es tut gut, der Bestattung eines Buddha zuzuschauen."' Nur das Seelchen des Gautama, weil es noch nicht befreit war von Erinnerung und von Menschheit, starrte ohne göttliche Heiterkeit auf die Erde hinunter. Müde war es der Gautama der eigenen Bestattung zuzuschauen. Da hörte er, da sah er, was ihn nicht mehr müde bleiben ließ. Der ehrwürdige Ananda gab seinen Mönchen Befehl, den Jüngling Subhada zu fesseln. Als der Jüngling, den man von den Polstern hatte wegreißen müssen, auf denen der Buddha erloschen, von den Mönchen gefesselt worden war, schickte ihn der ehrwürdige Ananda zu dem gelehrten Brahmanen Kassapa mit folgender Botschaft: '"Unsere Lehre und Satzung verbietet uns, den Jüngling Subhada zu töten, den du ausgesandt hast, unsern Buddha auszuforschen, zu widerlegen, zu vernichten. Dein Schüler Subhada hat dich verraten, hat dich geschmäht. Deine Satzung verbietet nicht, einen Abtrünnigen mit dem Tode zu bestrafen. Wie es dir belieben mag."' Und die dreiunddreißig Götter sahen mit ihrem toten Götterlachen, wie der gelehrte Brahmane Kassapa den abtrünnigen Jüngling steinigen ließ.

Nur das Seelchen des Gottes Gautama fühlte wie aus weiter Ferne einen Schmerz. Er hatte ein Leides, weil er ein Liebes hatte. Er hörte und er verstand, wie die dreiunddreißig Götter untereinander murmelten:' "Noch ist er nicht befreit von Erinnerung, von Menschheit. Er muss Gottheit lernen. Gottheit fühlt keinen Schmerz, wenn Millionen Kiesel in der Welle der Brandung hinaufgeschoben werden auf den Strand und dann knirschend wieder hinunter rollen ins Meer. Nichts anderes haben wir erlebt. Rollende Kiesel."'

Der Göttermantel mit dem Seelchen des Gautama war ungeduldig, ein Gott zu werden wie die anderen Vorzeitbuddhas in der Wolkenwohnung des Hochgebirges. Riesenhaft wuchsen die dunklen Flügel, dass er aussah wie eine ungeheure Wetterwolke mit Schlossenschwefelsäumen; und purpurne Blitze zuckten über die breiten dunklen Flächen. Zu einem Ungeheuer wuchs der Göttermantel, und die dreiunddreißig Götter, der Tiger und das Krokodil, der Skorpion und der Haifisch, der Elefant und die Schlange murmelten untereinander:' "Stärker, als wir alle wächst der Göttermantel heran, der Gott Gautama."' Mit dem toten Götterlachen murmelten sie das.

Gautama, der Buddha, der Gott Gautama war aber nach seinem letzten Tode noch stärker, als sein Göttermantel. Klein wurde der Göttermantel und in Wolkengestaltung stand Gautama wieder da als ein schöner alter Mann. Mit Donnerstimme herrschte er die dreiunddreißig Götter an, dass sie wie von ferne ihn vernahmen und ihm winselnd um die Füße krochen.

'"Wer ist es, der da gelogen hat? Mein Erlösergedanke oder ihr? Noch habe ich nicht die beiden letzten Befreiungen erfahren: die Befreiung von Erinnerung und die Befreiung von Menschheit. Eintauschen soll ich Gottheit gegen Menschheit, Gottheit gegen das Nichtsein, dessen Wonnen ich den armen flüchtig lebenden Menschen in ihrer Not gezeigt, zu ihrem Troste gedeutet habe. Und gäbe es nach dem Tode, nach dem Erlöschen der Erscheinung nichts als das andere Nichtsein, das leere, das die guten Menschen so fürchten, die armen, dann will ich meinetwegen so ein Gott werden, noch eine Weile den Tierlein zuschauen. Nur will ich vorher erfahren, klar bewusst, was Gottheit ist. Zeigt mir, ihr scheußlichen Wolkengestalten, dass Gottheit etwas anderes ist als dies Nichtsein, das den meisten Menschen ein Schrecken ist, den weisen und ganz unseligen aber eine Sehnsucht. Dass Gottheit nicht ein bloßes Wort ist den müden Willen nach dem letzten Tode noch einmal anzustacheln zu neuem Sein. Zeigt mir, dass ihr euch des leeren Götternamens nicht bloß bemächtigt habt, mich dem seligen Nichtsein untreu zu machen. Ist einer von euch, er irgend etwas geschaffen hat: den Himmel oder die Sonne, mich oder einen Grashalm, ein Steinbröckchen nur? Erweist mir, dass es Gottheit gibt."'

Winselnd krochen die dreiunddreißig Götter um seine Füße. Da erkannte Gautama, dass Gottheit nichts war als die letzte Versuchung des fahlen Mara, die letzte Versuchung nach dem letzten Tode. Und Gautama, der Buddha, war der erste Buddha nach dreiunddreißig Vorzeitbuddhas, welche Götter geworden waren, war der erste Buddha, der der schwersten Versuchung widerstand, der jetzt mit den letzten Banden, mit Erinnerung und Menschheit, auch Gottheit über seine Achsel hinwegwarf. Gautama, der Buddha, war der erste echte Buddha. Einer, den es nicht gelüstete, ein Gott zu sein.

Gautama, der Buddha, der arme Gott Gautama hörte da auf zu wollen und entließ sein Seelchen und entließ seinen Göttermantel und erlosch im seligen Nichtsein. Wie ein weißes Wölkchen in der Mittagssonne zergeht. Wie der heilige Strom sich in das Weltmeer ergießt, seinen Namen verliert und seine Gestalt.

Stille und Frieden hatte er gesucht; jetzt war er die Stille und der Frieden und wusste es nur nicht mehr.

Das Nichtsein hatte er gepriesen; jetzt war er das Nichtsein und wusste es nur nicht mehr.

All-Einheit hatte er gelehrt, Einheit mit dem All der Tierlein, der Blumen und der Steinbröckchen; jetzt war er die Einheit mit allem und wusste es nicht. Und war die Einheit ganz, weil er es gar nicht wusste.

Ein Wissen war untergegangen, war heimgegangen. Eine Sonne war untergegangen. Klar bewusst untergegangen, gern untergegangen, um niemals wieder aufzugehen, niemals wieder. Eine Sonne war heimgegangen.

Das habe ich gehört."

[a.a.O., S. 121 - 135]


Zu 3.5.: Buddhismus in Deutschland zwischen den beiden Weltkriegen