Religionskritik

Antiklerikale Karikaturen und Satiren XIII:

Kladderadatsch (1848 - 1944)

4. Jahrgang 53 - 58 : 1900 - 1905


kompiliert und herausgegeben von Alois Payer

(payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Antiklerikale Karikaturen und Satiren XIII: Kladderadatsch (1848 - 1944)  / kompiliert und hrsg. von Alois Payer. -- 4. Jahrgang 53 - 58 : 1900 - 1905. --  Fassung vom 2010-01-14. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/karikaturen134.htm      

Erstmals publiziert: 2004-04-30

Überarbeitungen: 2010-01-14 [Verbesserungen und Ergänzungen] ; 2010-01-10 [Teilung des Kapitels] ; 2009-12-22 bis 2010-01-09 [Ergänzungen]; 2009-12-21 [Teilung des Kapitels];  2008-08-18 bis 2008-09-06 [Ergänzungen]; 2008-01-10 [Teilung des Kapitels, Ergänzungen]; 2007-12-31 [Teilung des Kapitels, Ergänzungen]; 2007-12-21ff. [Ergänzungen]; 2007-11-22 [Ergänzungen]; 2005-02-06 [Ergänzungen]; 2004-12-24 [Ergänzungen]; 2004-11-20 [grundlegend erweitert und überarbeitet]; 2004-06-07 [Ergänzungen]; 2004-05-11 [Ergänzungen]

©opyright: abhängig vom Sterbedatum der Künstler

Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library



Abb.: Titelleiste von Nr 1, 1848

Kladderadatsch : humoristisch-satirisches. Wochenblatt. -- Berlin : Hofmann. -- 1848 - 1944

"Kladderadatsch, in Norddeutschland gebräuchlicher Ausruf, um einen mit klirrendem oder krachendem Zerbrechen verbundenen Fall zu bezeichnen; auch substantivisch gebraucht in der Berliner Redensart: »einen K. machen« (z. B. mit Fenster- und Laterneneinwerfen). Allgemeiner bekannt wurde das Wort als Titel des 1848 von David Kalisch (s. d.) gegründeten, in Berlin wöchentlich einmal im Verlage von A. Hofmann u. Komp. erscheinenden Witzblattes, das vorzugsweise die politische Satire kultiviert und besonders durch E. Dohm, R. Löwenstein und den Zeichner W. Scholz, dessen Karikaturen auf Napoleon III. und Bismarck große Popularität gewannen, zu literarischer und künstlerischer Bedeutung erhoben wurde. Auch die von den »Gelehrten« des K. erfundenen ständigen Figuren Müller und Schulze, Zwickauer, Karlchen Mießnik u. a. sind volkstümlich geworden. Gegenwärtig (1905) ist Joh. Trojan (s. d.) Redakteur des K. Die hervorragendsten künstlerischen Mitarbeiter sind G. Brandt und L. Stutz. Als Sonderausgaben erschienen unter anderm: »Bismarck- Album des K.« (300 Zeichnungen von W. Scholz, 1890; 27. Aufl. 1900), »Ein Kriegsgedenkbuch aus dem K. in Ernst und Humor aus den Jahren 1870 und 1871«, von J. Trojan und J. Lohmeyer (1891), »Die Kriegsnummern des K. 1870-1871« (1895), »Im tollen Jahr. 1. Jahrgang des K. 1848«, mit Anmerkungen und Erläuterungen (1898)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


Alle Jahrgänge von 1848 - 1944 online: http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/digi/kladderadatsch.html. -- Zugriff am 2007-12-21

Eine wichtige Quelle für 1870 bis 1910 ist auch der Sammelband:

Zentrums-Album des Kladderadatsch 1870 - 1910. -- Berlin: A. Hofmann, 1912. -- 286 S. : 300 Ill.

Audiatur et altera pars = es soll auch die Gegenseite gehört werden: Eine ausführliche Darstellung der Zentrumspolitik aus der Hand eines gemäßigt-katholischen - trotzdem furchterregenden - Mitspielers ist:

Bachem, Karl <1858 - 1945>: Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei : Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der katholischen Bewegung, sowie zur allgemeinen Geschichte des neueren und neuesten Deutschland 1815-1914. -- Köln : J. P. Bachem, 1927 - 1931. -- 9 Bände : 26 cm.


1900


Im Zeughaus1. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 53, Nr. 1. -- S. 3. -- 1900-01-07

Der deutsche Kaiser auf den Knien
Vor Gott dem Herrn und rings um ihn
Auf beiden Knien die Generale,
Von denen viele zum ersten Male
Das wieder übten seit manchem Jahr,
Ergreifend war der Anblick fürwahr.
Nur Eins, ich will es offen gestehn,
Hätt' lieber dabei ihn  nicht gesehn:
Den wackeren Anschütz2, ich sag' es frei,
Hätt' lieber ich vermisst dabei.
Wenn Christen zu ihrem Herrgott beten
In Demut und Ergriffenheit,
So braucht nicht gleich in Tätigkeit
Dabei der Photograph zu treten.

1 Zeughaus Berlin, zwischen 1877 und 1880 zur "Ruhmeshalle der brandenburgisch-preußischen Armee" umgebaut

2 Ottomar Anschütz (1846 - 1907): Photograph


♀Venus♀. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 53, Nr. 7. -- S. 26. -- 1900-02-18

Allnächtlich zeigt sie lichterhellt
Sich splitternackt vor aller Welt,
Sich fasernackt der ganzen Stadt,
So wie sie Gott geschaffen hat!

Nicht mal ein Hemdchen angetan,
Zieht sie gelassen ihre Bahn;
Für Hinz und Kunzen ist sie da,
Im vollsten Sinn - vulgivaga1!

Wenn sie beträf' der wackre Schrempf2
Bekäm' er tugendhafte Krämpf'!
Doch niemand, niemand stünd' ihm bei,
Nicht Staatsanwalt noch Polizei.

O, die ihr spät nach Hause geht,
Ihr Frommen, lallt ein Stoßgebet!
Dass, wenn ihr jählings sie erblickt,
Euch nicht ihr blanker Reiz bestrickt.

Dass nicht der böse Trieb erwacht,
Wenn ihre Schönheit niederlacht,
Dass nicht Frau Venus euch betört,
Die Schlaf und Seelenruhe stört!

Daheim mit bangem Brekekex³
Beschlaft die benedeite lex4,
Die solchem argen Spuk der Nacht,
So Gott will, bald ein Ende macht!

1 vulgivaga (lateinisch): die überall umherschweifende = Venus (Lucretius, 4, 1063)


Abb.: Die splitternackte Venus (mit Mond)
[Bildquelle: Kaippally / Wikimedia. -- GNU FDLicense]

² Friedrich Schrempf (1858 - 1913): Redakteur der konservativen Tageszeitung "Deutsche Reichspost" in Stuttgart und Sekretär der Konservativen Partei Württembergs. gehörte 1898-1903 dem Reichstag an.

³ Brekekex = βρεκεκεκέξ (griechisch) = lautmalerische Nachahmung des Froschgequaks

4 lex Heinze

"Lex Heinze heißt die auf Anregung des Kaisers aus Anlass der Berliner Gerichtsverhandlung gegen den Zuhälter Heinze und dessen der Prostitution ergebenen Ehefrau entstandene Novelle vom 25. Juni 1900 zum deutschen Strafgesetzbuch, welche die Strafvorschriften über Sittlichkeitsverbrechen (s. d.), insbes. Kuppelei (s. d.) und Zuhältertum (s. d.), erweitert und ergänzt. Der erste Entwurf vom 29. Febr. 1892 kam im Reichstag nicht einmal zur ersten Lesung. Im Winter 1892/93 ging der Entwurf dem Reichstag in gleicher Gestalt wieder zu. Er wurde von einer Kommission eingehend beraten. Mit 15 gegen 6 Stimmen lehnte sie den Teil des Entwurfs ab, der die Prostitution kasernieren, also die Wiederzulassung öffentlicher Häuser ermöglichen sollte. Dagegen fügte sie außer andern Zusätzen und Verschärfungen den sogen. Arbeitgeberparagraphen ein, der die Arbeitgeber oder Dienstherren mit Strafe bedrohte, die unter Missbrauch des Arbeits- oder Dienstverhältnisses ihre Arbeiterinnen zur Duldung oder Verübung unsittlicher Handlungen bestimmen, ferner einen Paragraphen, der Ansteckung durch Geschlechtskrankheit mit Strafe bedroht. Indes kam der Entwurf über die Kommissionsberatung nicht hinaus. In den folgenden Sitzungsperioden brachte das Zentrum den Kommissionsentwurf als eignen Antrag ein. In der Session 1899/1900 kam auch die Regierung wieder mit einem neuen Entwurf vor den Reichstag. Eine Kommission verband ihn mit dem Zentrumsantrag. Über die auf Kuppelei und Zuhältertum bezüglichen Bestimmungen herrschte Einverständnis. Die Regierung erklärte aber den Arbeitgeberparagraphen für unannehmbar, da er zu unbegründeten Strafanträgen seitens eines eifer- und rachsüchtigen Personals führen könnte, ebenso für unannehmbar, dass die Altersgrenze für die strafbare Verführung eines unbescholtenen Mädchens von 16 auf 18 Jahre hinausgesetzt werde. Anderseits wurde der Antrag der Regierung abgelehnt, wonach die Vorschriften über Kuppelei und Zuhältertum keine Anwendung finden sollen auf die Vermietung von Wohnungen an Frauenspersonen, die gewerbsmäßig Unzucht treiben, sofern damit nicht eine Ausbeutung des unsittlichen Erwerbes der Mieterin verbunden ist. Ende Februar 1900 erhob sich eine lebhafte öffentliche Bewegung gegen die sogen. Kunst- und den Theaterparagraphen, auf die sich Regierung und Reichstagskommission geeinigt hatten. Der eine Paragraph verbietet, Schriften und Darstellungen, die, ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich verletzen, zu geschäftlichen Zwecken in Ärgernis erregender Weise öffentlich (z. B. in Schaufenstern) auszustellen oder anzuschlagen. Der andre Paragraph wendet sich gegen öffentliche Aufführungen, die durch gröbliche Verletzung des Scham- und Sittlichkeitsgefühls Ärgernis zu erregen geeignet sind. Die Agitation, an deren Spitze sich der Goethe- Bund (s. d.) stellte, hatte Erfolg. Die aus Zentrum und Konservativen gebildete Reichstagsmajorität verzichtete auf beide Paragraphen. Als Rest blieb nur eine Bestimmung, die unter Strafe verbietet, Schriften, Abbildungen oder Darstellungen, die, ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich verletzen, Personen unter 16 Jahren gegen Entgelt zu überlassen oder anzubieten (Strafgesetzbuch, § 184 a). In einem neuen Paragraphen, dem sogen. Gerichtsberichtparagraphen (§ 184 b), wird bei Strafe verboten, aus Gerichtsverhandlungen, für die wegen Gefährdung der Sittlichkeit die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, öffentliche Mitteilungen zu machen, die geeignet sind, Ärgernis zu erregen."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Gipfel der Züchtigkeit. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 53, Nr. 8. -- S. 30. -- 1900-02-25

Erläuterung:

Hermann Roeren (1844 - 1920): Zentrumspolitiker, 1893 - 1912 Abgeordneter im Reichstag



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Auf nach Rom!. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 53, Nr. 8. -- S. 32. -- 1900-02-25

Im Jubeljahr wird das Zusammenströmen von Angehörigen aller Völker ohne Unterschied der Konfession in der ewigen Stadt erwartet.

Erläuterung: 1900 feierte Papst Leo XIII. ein Jubeljahr (Heiliges Jahr) mit besonderem Pomp und tollen Ablässen beim Besuch Roms und seiner Hauptkirchen.



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Nach der lex Heinze1. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 53, Nr. 9. -- S. 36. -- 1900-03-04

Im Heroldsamt ist man mit der Herstellung eines neuen deutschen Reichswappens beschäftigt. -- Eine Anschlagsäule in der Ära Roeren².

1 lex Heinze: siehe oben!

² Hermann Roeren (1844 - 1920): Zentrumspolitiker, 1893 - 1912 Abgeordneter im Reichstag



Abb.: Aus dem Vatikan.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 53, Nr. 10. -- S. 39. -- 1900-03-11

Der Heilige Vater im Vatikan,
Der spricht: "O Roeren1, Roeren,
Warum hast du mir das getan?
O wärest du nie geboren!

Weißt du denn nicht, wie gerade hier
Des Nackten Studium florierte,
Und wie so mancher Papst vor mir
Die nackte Kunst protegierte?

Du magst vielleicht sonst, obwohl Jurist,
Zu den leidlichen Christen zählen,
Allein für die Kunst, die auch göttlich ist,
Muss jedes Verständnis dir fehlen.

Wenn einmal hierher dich ein Schicksal bringt,
So kratzest du ab uns die Wände."
Der Heilige Vater spricht's und ringt,
Vergrämt seine beiden zwei Hände.

Erläuterung:

1 An der Spitze der Zentrumspartei trat der Abgeordnete Hermann Roeren (1844 - 1920) für die Lex Heinze ein, ein Gesetz gegen "Unsittlichkeit"

"Lex Heinze. Auf Anregung Kaiser Wilhelms II. entstand nach der Gerichtsverhandlung gegen den Zuhälter Heinze und seine der Prostitution verdächtigte Ehefrau eine Novelle zum Strafgesetz, in der die Strafvorschriften über Sittlichkeitsverbrechen, Kuppelei und Zuhältertum wesentliche Erweiterungen und Ergänzungen erfuhren. Diese Novelle, die am 25. November 1900 vom Reichstag beschlossen wurde, wird nach dem Anlassgeber »Lex Heinze« genannt. Der erste Entwurf, vom Februar 1892 stammend, kam im Reichstag nicht zur Lesung, im Winter darauf kam dem Reichstag der Entwurf wieder zu, der erst 1900 zum Gesetz wurde. Vorher hatte sich eine lebhafte öffentliche Bewegung gegen die sogenannten Kunst- und Theaterparagraphen in der Lex Heinze erhoben, auf die sich Regierung und Reichstagskommission schon geeinigt hatten. Der eine Paragraph verbot, Schriften und Darstellungen, die »ohne unzüchtig zu sein, doch das Schamgefühl verletzen«, öffentlich - in Schaufenstern - auszustellen, der andere wendete sich gegen Ärgernis erregende Theateraufführungen. Die Agitation hatte Erfolg, die Regierung verzichtete auf beide Paragraphen, und als Rest verblieb bloß eine Bestimmung, die unter Strafe verbietet, das Schamgefühl verletzende Bücher und Bilder an Jugendliche unter 16 Jahren zu verkaufen oder ihnen anzubieten."

[Quelle. Bilderlexikon der Erotik. -- Wien, 1928 - 1932: Bilderlexikon der Erotik. -- Berlin : Directmedia Publ., 1999. -- 1 CD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; Bd. 19). --ISBN 3-932544-24-2. -- s.v.]


Abb.: Nacktheit im Vatikan: Raffael (1483 - 1520):  Stanza della Segnatura im Vatikan für Papst Julius II., Deckenfresko, Detail: Eva. -- 1508



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Illustrierte Rückblicke <Ausschnitt>.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 53, Nr. 13. -- 1. Beiblatt. -- 1900-04-01

Ebenso unbesorgt können fortan die katholischen Gesellenvereine und die Vereine christlicher junger Männer [CVJM] abonnieren auf den Kladderadatsch.



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Graf Ballestrem1 beim Papst, oder: Es geht was vor, man weiß nicht was. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 53, Nr. 15. -- S. 60. -- 1900-04-15

Am Mittwoch vor Ostern fliegen die geweihten Kirchenglocken nach Rom - am Sonnabend kehren sie wieder in ihre Glockenstuben zurück.²

1 Franz, Graf von Ballestrem (1834 - 1910)

"Ballestrem, 1) Franz, Graf von, Reichstagsabgeordneter, geb. 5. Sept. 1834 zu Plawniowitz in Oberschlesien, wurde auf geistlichen Lehranstalten, zuletzt in Namur, gebildet, besuchte 1853–55 die Universität Lüttich und wurde 1855 Offizier. Nachdem er den Krieg von 1866 als Premierleutnant mitgemacht, wurde er 1867 Rittmeister und Eskadronschef und im Kriege gegen Frankreich 1870 erster Adjutant der 2. Kavalleriedivision (Graf Stolberg). Infolge eines Sturzes invalid geworden, ließ er sich 1872 in den Reichstag wählen und schloß sich der Zentrumspartei an. Er nahm an den Kulturkampfverhandlungen lebhaften Anteil und gehörte nach deren Beendigung zum konservativen Teil des Zentrums. 1890 wurde er zum ersten Vizepräsidenten des Reichstags und 1891 auch zum Mitgliede des preußischen Abgeordnetenhauses gewählt. Er ließ sich, weil er im Gegensatze zur Zentrumsmehrheit für die Militärvorlage gestimmt hatte, nach der Auflösung des Reichstags nicht wieder als Kandidat aufstellen, blieb aber Mitglied des Abgeordnetenhauses. 1898 wieder gewählt, ist er seit 7. Dez. d. I. Präsident des deutschen Reichstages. Schon seit 1873 päpstlicher Geheimer Kämmerer di spada e cappa, ward ihm 18. Juli 1900 wegen seiner Verdienste um das Zustandebringen der Flottenvorlage der Charakter als preußischer Wirklicher Geheimer Rat zu teil."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

² Bezieht sich auf die Geschichte, mit der gute Katholiken ihre Kinder anlügen: Am Gründonnerstag nach dem Gloria der Messe fliegen die Glocken nach Rom und kehren erst in der Osternacht wieder zurück. Darum ertönt in dieser Zeit kein Glockengebimmel, sondern nur Ratschen.


Es wird weiter verbrannt. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 53, Nr. 15. -- 1. Beiblatt. -- 1900-04-15

Pastor Dr. Pfannkuche1 zu Hannover ist vom Landekonsistorium auf ein entlegenes Dorf versetzt. Es soll keine Strafversetzung sein, nur "in wohlmeinender Absicht" geschehen: Pfannkuches Gehalt wird dabei nur um 300 M. gemindert. In der Hannoverschen Weingartversammlung2 hat Pfannkuche einem Pastor Strecker3 gegenüber einige Tatsachen richtig gestellt, auch hat der die Erklärung der 100 Pastoren4 mitunterschrieben.

Wohlauf, die Luft recht frisch und rein,
Pfannkuche1, sollst nicht rosten,
Nach Muffrika sollst du hinein
Und dort die Landlust kosten.
Du brauchst 'ne stramme Seelenkur.
Geh mach dich auf die Reise!
Hannover, das verdirbt dir nur
Die fromme Denkungsweise.

Was redest du denn auch ohne Not
In Weingarts² schlimmer Sache?
Das achte5 ist ein fein Gebot;
Doch hier verlangt es Rache.
Wenn auch der Pastor Strecker³ wollt'
Den Freund dir verunglimpfen,
Kann denn ein solcher Glaubensbold
Solch einen Mann beschimpfen?

Hilfspred'ger, Mensch, bedenkst du nicht?
Wie kannst du mit erklären:
Man solle Ritschl4 gleiches Licht
Und gleiche Luft gewähren?

Dass sie dafür dreihundert Mark
Dir jedes Jahr abknöpfen,
Freu dich, entbehr den öden Quark;
's ist besser noch als Köpfen.

Hör, wie das Konsistorium
Dir zuspricht fein und züchtig!
Erst macht es dich ganz sachte stumm
Und dann gesinnungstüchtig.
Und ist der wildste Schoss gekappt,
So kann sich alles wenden.
Werd fromm und brav, und noch als Abt
Wie Uhlhorn5 kannst du enden.

1 vermutlich August Pfannkuche (1870-1929)

² Hermann Weingart, Pastor in Osnabrück: gegen Weingart wurde im Februar 1899 ein Disziplinarverfahren eingeleitet, weil er in Predigten die Wirklichkeit von Auferstehung und Himmelfahrt Jesu leugnete und sie als Visionen bezeichnet hatte. Weingart wurde amtsenthoben. Bei Weingartversammlung handelt es sich wohl um eine Versammlung des liberalen Deutschen Protestantenvereins. Siehe: Der Prozeß Weingart in seinen Hauptaktenstücken mit Beilagen / Hrsg.: Pastor Hermann Weingart. -- 5. verb. Aufl. -- Osnabrück: Rackhorst, 1900. --  IV, 113 S. 8".

³ Strecker: kann ich nicht identifizieren

4 Für die Theologie Albrecht Ritschl's (1822 - 1889), des Bahnbrechers des "Kulturprotestantismus"

5 Gerhard Uhlhorn (1826 - 1901): seit 1878 Abt des Klosters Loccum, früher auch von Albrecht Ritschl beeinflusst


Eine schlimme Alternative. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 53, Nr. 16. -- 1. Beiblatt. -- 1900-04-22

Der Papst droht dem Fürsten von Bulgarien1 mit dem Interdikt² und dem großen Kirchenbann³, wenn er zur russisch-orthodoxen Kirche übertritt. Zeitungsnachricht.

Und wieder stehn, Mann gegen Mann,
Der Papst und Ferdinand1;
Es wiegt den großen Kirchenbann³
Der Papst in starker Hand,
Und wie ein scharfes Schwert gezückt
Hält drohend er empor
Der Sünder Schreck, das Interdikt² --
Nun, Ketzer, sieh dich vor!

Doch von der andern Seite winkt
Dem Fürsten Russlands Zar,
In seiner Hand ein Krönlein blinkt,
das funkelt wunderbar;
Liebreizend aus der Ferne grüßt
Ein hoheitsvolles Weib,
Ein wonnigliches Beben fließt
Ihm durch Seel' und Leib.

Schon streckt er beide Hände aus
Nach seinem Doppelglück,
Da zieht der Papst die Stirne kraus,
Und finster droht sein Blick:
"Weh dir, du gottvergessner Tor,
Der fremden Glauben sucht
Und an die Höll' sein Heil verlor,
Verflucht! Verflucht! Verflucht!"

Der Herzschlag stockt ihm in der Brust,
Bald wieder schlägt's wie toll,
Und schwebend zwischen Qual und Lust,
Weiß er nicht, was er soll.
So schwankt ein Schifflein auf der Flut,
Ein Glück war's offenbar,
Dass er an seiner Nase gut
Und fest verankert war.

1 Ferdinand I. von Bulgarien (Фердинанд I) (1861 - 1948): wird in Karikaturen mit riesiger Nase dargestellt

"Ferdinand I., Fürst von Bulgarien, geb. 26. Febr. 1861 in Wien als Prinz F. Maximilian Karl Leopold Maria zu Sachsen-Koburg, jüngster Sohn des Prinzen August (gest. 26. Juli 1881) von der katholischen, in Ungarn begüterten Linie Koburg-Koháry und der Prinzessin Klementine von Orléans, Tochter des Königs Ludwig Philipp, trat früh in ein österreichisches Husarenregiment ein und ging 1886 zur ungarischen Honvédarmee über. Am 7. Juli 1887 vom Sobranje zum Fürsten von Bulgarien gewählt, leistete er 14. Aug. in Trnowo den Eid auf die Verfassung und hielt 28. Aug. in Sofia seinen Einzug. Obwohl er infolge von Rußlands Einspruch von den Mächten anfangs nicht als Fürst anerkannt wurde, behauptete er sich doch in der Herrschaft und wurde als Fürst mit dem Prädikat Königliche Hoheit 2. März 1896 auch von der Pforte bestätigt. Am 20. April 1893 vermählte er sich mit der Prinzessin Marie Luise von Parma (gest 31. Jan. 1899), die ihm 30. Jan. 1894 einen Sohn Boris (14. Febr. 1896 griechisch-orthodox getauft) und 1895,1898 und 1899 drei weitere Kinder gebar."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

² Interdikt

"Interdikt (lat., »Untersagung«), im katholischen Kirchenrecht soviel wie Verbot gottesdienstlicher Handlungen. Ein solches wurde in frühern Zeiten öfters in Ansehung eines bestimmten Bezirks erlassen (interdictum locale); nach dem Umfang des letztern, und je nachdem dadurch ein ganzes Land, eine Provinz, eine Stadt oder nur eine einzelne Kirche betroffen wurden, unterschied man zwischen Interdictum generale und particulare. Nach einem derartigen Verbot durfte im Mittelalter kein Gottesdienst gehalten, durften mit Ausnahme des Bußsakraments und der Wegzehrung an reumütig Sterbende keine Sakramente gespendet und kein christliches Begräbnis gewährt werden. Dieses I. war in den Händen der Päpste eine furchtbare Waffe gegen die weltlichen Fürsten in einer Zeit, in der das Interesse an der Kirche und ihren Instituten noch das ganze Leben beherrschte, so daß das Volk eine Sistierung des Gottesdienstes und der ganzen darauf bezüglichen Verhältnisse selten lange zu ertragen vermochte. Gegenwärtig ist das I., das übrigens schon seit dem 12. Jahrh. vielfach gemildert wurde, außer Gebrauch. Dagegen wird es als sogen. Interdictio ingressus in ecclesiam heutzusage noch gegen einzelne Geistliche zur Anwendung gebracht, indem es den dadurch betroffenen Geistlichen an der Vornahme gottesdienstlicher Handlungen in der Kirche verhindert."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

³ Großer Kirchenbann

"Kirchenbann, Bann oder Exkommunikation, die feierliche Ausschließung aus der Kirchengemeinschaft wegen Ketzerei oder anderer kirchlicher Vergehen, besteht entweder nur in zeitweiligem Ausschluß vom Gottesdienst und Sakramentsgenuß (Kleiner K.), oder in völligem Ausschluß unter Verfluchung (Anathema; Großer K.). Der K. steht in der kath. Gesamtkirche dem Papste, den Bischöfen nur in ihren Diözesen zu. Ein über ganze Länder oder Gebiete verhängter K. heißt Interdikt (s.d.). Im Mittelalter zog der K. den Verlust aller bürgerlichen Ehren und Rechte nach sich; das neuere Staatsrecht verbietet fast überall das Übergreifen der kirchlichen Strafen auf das bürgerliche Gebiet. In der evang. Kirche ist auch der (von den Pfarrern, später den Konsistorien verhängte) kleine K. fast ganz außer Gebrauch gekommen. – Vgl. Kober (kath., 1857), Hinschius, »Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten«, Bd. 5 (1895)."

[Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon. -- 5., vollständig neubearbeitete Auflage.  -- Leipzig : F.A. Brockhaus, 1906. -- s.v.]



Abb.: Zur lex Heinze1. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 53, Nr. 18. -- S. 71. -- 1900-05-06

Der bayerische Minister v. Landmann2 hat erklärt, ein Gesetz sei um so besser, je weiter man es auslegen kann.

1 lex Heinze: siehe oben!

² Robert, Ritter von Landmann (1845 - 1926): 1895-1902 bayerischer Staatsminister des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten



Abb.:
Gustav Brandt (1861 - 1919). -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 53, Nr. 21. -- S. 84. -- 1900-05-27

Volksbelehrung.  "Da schau mal, Kathi, so wollen sie alle Weibspersonen fotografieren, und da sollen wir nicht mit der lex Heinze1 einschreiten dürfen." -- "O Jessa! Jessas!"

Ein Gegner der Nuditäten. Groeber2: "Halt, halt sag' ich, lieber Freund! Lassen Sie den Pfarrer Kiffler3 nur laufen. Der hat ja mit einer Dreizehnjährigen zu tun gehabt, die doch nichts davon versteht. Konfiszieren Sie lieber die Bilder dort, an denen sich der Unglückliche vergiftet hat."

1 lex Heinze: siehe oben

² Adolf Gröber (1854 - 1919)

"Gröber, Adolf, ultramontaner Politiker, geb. 11. Febr. 1854 in Riedlingen, studierte die Rechte, trat 1878 in den württembergischen Justizdienst, wurde Staatsanwalt in Rottweil und Ravensburg, Landrichter in Hall und darauf Landgerichtsrat in Heilbronn. 1887 ward er in den Reichstag und 1889 in die württembergische Zweite Kammer gewählt, schloss sich in beiden dem Zentrum an und gehört zu dessen demokratisch gesinnten Mitgliedern."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

³ Pfarrer Kiffler: kann ich nicht identifizieren



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Im Reichstage
. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 53, Nr. 22. -- S. 87. -- 1900-06-03

Unserem Spezialfotografen ist es gelungen, an dem Tage, wo die Entscheidung über die lex mit dem hässlichen Namen1 fiel, von der Tribüne aus eine solche Gruppe aus dem Zentrum aufzunehmen.

1 lex Heinze: siehe oben!


Französische Pilger-Schnadahüpfl. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 53, Nr. 24. -- S. 95. -- 1900-06-17

Im Dom zu Sankt Peter
Gibt es Ablass in Meng',
Drum kommen die Pilger
In dichtem Gedräng'! Holdrio!

Das Singen und Beten
Kann den Pilger erbaun,
Dann geht's an die Deutschen,
Die werden verhaun. Holdrio!

Im Dom zu Sankt Peter
Da haben wir gezischt
Und haben den Deutschen
Verschiedne gewischt. Holdrio!

Die röm'schen Kardinäle,
Die schmunzelten leis,
Und der Papst hat gesegnet
uns dreimal mit Fließ. Holdrio!

Zu Paris in der Kammer
Mach man's ebenso genau:
Politik sind und  Pilgern
Nichts ohne Radau. Holdrio!

Melodie eines Schnadahüpfl

[Quelle der .mid-Datei: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/ec/Schnaderh%C3%BCpfel.mid. -- Zugriff am 2009-12-22]



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Vom Bonner Katholikentag.
-- In: Kladderadatsch. -- Jg. 53, Nr. 37. -- 2. Beiblatt. -- 1900-09-16

Die 47. Generalversammlung der Katholiken Deutschlands hat mit besonderem Nachdruck Protest erhoben gegen die Lage des heiligen Stuhls in Rom seit 1870 und Abhilfe verlangt.


Gottesdienst an Bord.-- In: Kladderadatsch. -- Jg. 53, Nr. 39. -- S. 154. -- 1900-09-30

Die "Sachsen" dampft durchs Rote Meer,
Da kommt der Tag des Herrn heran;
Zum Gottesdienst versammeln sich
Die Chinafahrer1 Mann für Mann.

Als schlichte Altardecke dient
Die Flagge Waldersees² dabei;
Die weltberühmte Flagge zeigt
Gekreuzt der Marschallstäbe zwei.

Ergreifend spricht der Pfarrer; als
Den Segen er erteilt, enthüllt
Der Photograph sein Objektiv -
Er knipst und fertig ist das Bild.

Das Bild ist gut, nach kurzer Zeit
Schon wird es in der "Woche"3 stehn;
Wie fromm die Chinafahrer sind,
Mit Rührung wird die Welt es sehn.

Wie gut, dass so brillant der Mann
Die ganze Schiffsgemeinde traf!
Die rechte Weihe gibt doch erst
Dem Gottesdienst der Photograph.

1 Chinafahrer: im internationalen Truppenaufgebot zur Unterdrückung des Boxeraufstands

² General Alfred, Graf Waldersee (1832 - 1904): Oberkommandant über das internationale Aufgebot zur Unterdrückung des Boxeraufstandes

³ Die Woche

"Woche, Die, moderne illustrierte Zeitschrift, die sich hauptsächlich der Zeitgeschichte widmet. Sie wurde 1899 vom Verleger A. Scherl in Berlin gegründet."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Was zagst du, Herz, in solchen Tagen1.
-- In: Kladderadatsch. -- Jg. 53, Nr. 49. -- S. 196. -- 1900-12-09

Der Toleranz-Antrag² des Zentrums findet in immer weiteren Kreisen Anklang und Unterschriften

1 Ludwig Uhland (1787–1862): Frühlingstrost

Was zagst du, Herz, in solchen Tagen,
Wo selbst die Dorne Rosen tragen?

² Toleranzantrag

"Toleranzantrag, offiziell »Antrag, die Freiheit der Religionsübung betreffend«, wurde zuerst von der Zentrumsfraktion des Deutschen Reichstags in der Session 1900/1901 gestellt und seitdem regelmäßig wiederholt. Der Reichstag nahm 5. Juni 1902 den Antrag an, aber der Bundesrat fasste überhaupt keinen Beschluss darüber. Der Zweck ist die Beseitigung jeder staatlichen Aussicht über die Ausübung des religiösen Bekenntnisses. "

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


An einen Oberhofmeister. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 53, Nr. 52. -- S. 206. -- 1900-12-30

Traue nicht den allzu Frommen,
Denn es könnt' dir schlecht bekommen
Und ist ebenfalls gefährlich.
Manchmal sind Gottlose ehrlich,
wenn auch höllenwärts sie sausen,
Und die Frommen sind's, die mausen.

Vor den fromm verdrehten Augen
Nimm in Acht dich, denn sie taugen
Niemals was. Dergleichen Knappen
Denken heimlich ans Erschnappen
Nur, so lang' noch was vorhanden.
bau nicht mehr auf solchen Sanden1.

1 Der königliche Kommerzienrat Eduard Sanden, Bankdirektor der "Aktiengesellschaft für Grundbesitz und Hypothekenverkehr zu Berlin": Prozess wegen Bilanzfälschung und fiktiver Dividenden



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Illustrierte Rückblicke <Ausschnitt>.
-- In: Kladderadatsch. -- Jg. 53, Nr. 52. -- 1. Beiblatt. -- 1900-12-30

Die bayerische Stadt Leipheim ist von der Gefahr bedroht, einen protestantischen Schornsteinfeger zu erhalten, was zu kräftiger paritätischer Abwehr herausfordert.


Das Kreuz auf dem neuen Dome in Berlin. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 53, Nr. 52. -- 2. Beiblatt. -- 1900-12-30

Oben ein gar fromm erhöhtes
Kreuz, das euch zur Demut mahne,
Doch das Kreuz, befestigt steht es
Dort auf einer Wetterfahne.

Merkt den Sinn ihr, liebe Christen?
Nach dem Kreuze sollt ihr trachten,
Doch dabei mit allen Listen
Auch den Wind, der weht, beachten.


Abb.: Kreuze mit Windfahnen auf dem Berliner Dom
[Briefmarke / Wikimedia. -- Public domain]


1901



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Das Ideal einer Aufsichtsratssitzung.
-- In: Kladderadatsch. -- Jg. 54, Nr. 1. -- S. 4. -- 1901-01-06

Unter Staatsaufsicht wird über die Mündelsicherheit der Hypothekenbankbriefe und die Anlegung von Kirchenbaugeldern beraten.



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Die Verlängerung des Jubiläumsjahrs.
-- In: Kladderadatsch. -- Jg. 54, Nr. 2. -- S. 8. -- 1901-01-13

Rampolla1: Kapitän, ich melde, es hat eben 1901 geschlagen, wir müssen die Fracht abfahren. — Leo [XIII.]: Ich habe noch nicht genug und hoffe, die dicksten Kartoffeln kommen noch. Wir müssen noch ein wenig warten. -- In: Kladderadatsch. -- 1901

Erläuterung: Papst Leo XIII. hatte das Heilige Jahr um sechs Monate verlängert.

1 Mariano Rampolla,  Marchese von Tindaro (1843 - 1913), Kardinal-Staatssekretär seit 1887


Versus memorialis nach Trimborn-Köln1. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 54, Nr. 8. -- S. 31. -- 1901-02-24

Der Cölibat ist wunderschön
Ein frommer Mann wird nie obszön.
Versucht die Cölestine ihn,
Fleht er zum heil'gen Cölestin.
So bleibt er brav und wandelt rein
Einst zu der Sel'gen Cötus² ein.

1 Karl Trimborn (1854 - 1921)

"Trimborn, Karl, deutscher Politiker, geb. 2. Dez. 1854 in Köln, seit 1882 Rechtsanwalt in Köln, trat 1894 in das dortige Stadtverordnetenkollegium ein und gehört seit 1896 als Mitglied des Zentrums dem preußischen Abgeordnetenhaus und dem Reichstag an. T. ist Mitglied des Beirats für Arbeiterstatistik und des Landesgewerberats; er forderte 1902 für Preußen planmäßige Gewerbeförderung nach österreichischem Muster und ist Urheber der Lex T., wonach gewisse Mehrerträge der Zölle zur Begründung einer Witwen- und Waisenversicherung verwandt werden müssen. T. half den Volksverein für das katholische Deutschland gründen und verfasste mehrere Reichstagsberichte über Gesetzesvorlagen (Novelle zum Unfallversicherungsgesetz 1897 und 1900, zur Zivilprozessordnung 1898 und über die Reform des Reichsgerichts 1905)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

² coetus (lateinisch) = Versammlung, Gemeinschaft



Abb.: Je nachdem. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 54, Nr. 8. -- 2. Beiblatt. -- 1901-02-24

In Europa verbietet - in China gebietet die christliche Religion zu ihrer Erhaltung den Selbstmord.


Religion auf der Kneipe. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 54, Nr. 20. -- S. 74. -- 1901-05-19

Zitiert die erste Strophe von: Die Moritat von Karl Pistorius. -- 1848

Zu Freiburg lebt und tat viel Buß,
der Pfarrer Carl Pistorius
Er, der zu Freiburg Pfarrer war
das gute wollt´ er immerdar

Daselbst wohnt auch ein Mägdelein
die wollt´ so gern Frau Pfarrer sein
Verführt ihn eines Abends spat
ein Knäblein war das Resultat

Die Schand´ ertrug der Pastor nicht
er bracht mit einem Kirchenlicht
das wohlgebor´ne Knäblein um
Entsetz dich laut, oh Publikum

Die arme Mutter starb vor Gram
noch eh sie aus den Wochen kam
Und Kind und Mutter schliefen beid´
Den Schlaf der ew’gen Seligkeit

Dem Tod durchs Rad entging Pistor
und schifft sich ein nach Baltimore
verbüßt die Schuld im fremden Land
als Saurer-Essig-Fabrikant

Und die Moral von der Geschicht
Verführe keinen Pastor nicht.
Denn einer von der Geistlichkeit
ist wahrlich keine Kleinigkeit.


Die alte Betschwester. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 54, Nr. 45. -- S. 175. -- 1901-11-10

Betschwester, alte, sprich und sieh mir ins Gesicht:
Du bist jetzt gar so fromm, das war doch früher nicht.
"Ja, wenn das Alter kommt und grau sich färbt das Haar,
Dann wird Betschwester oft, die einstmals etwas ganz anderes war."


Die Christen am heiligen Grabe. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 54, Nr. 46. -- S. 179. -- 1901-11-17

Es steht in der Schrift geschrieben:
Wir sollen unsre Feine lieben1,
Und wen Gott lieb hat, züchtigt er².
Deshalb bemüht ihr euch auf Erden,
Wenn's geht, gottähnlich schon zu werden,
Denn wen ihr liebt, den haut ihr sehr.

1 Matthaeusevangelium 5,44 (und Parallelen): "Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde!"

² Hebräerbrief 12,6: "Denn welchen der HERR liebhat, den züchtigt er; und stäupt einen jeglichen Sohn, den er aufnimmt."



Abb.: Gustav Brandt <1861-1919> : Der Türke als gutes Beispiel. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 54, Nr. 46. -- 2. Beiblatt. -- 1901-11-17

Wieder einmal stiftet der Türke in der Kirche vom heiligen Grabe in Jerusalem zwischen Priestern der griechisch-katholischen und der römisch-katholischen Kirche, die in eine furchtbare Schlägerei mit einander geraten sind, in echt christlichem Sinne Frieden.
 


Auch ein Milchkrieg. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 54, Nr. 48. -- 2. Beiblatt. -- 1901-12-01

Auf hohen Schulen schenkt man
Die Milch der Wissenschaft,
Die Studios labt und tränkt man
Von je mit ihrem Saft.

Da nahte eine kleine,
Doch mächtige Partei,
Warf auf die Schule Steine
Mit wütendem Geschrei:

"Ihr sollt das Zeug nicht saufen,
Ihr schädigt euren Hals,
Was jene euch verkaufen,
Ist Halbmilch bestenfalls.

Sie ist verfälscht, verwässert
Mit des Unglaubens Saft.
Der Glaube nur verbessert
Die Milch der Wissenschaft.

Wollt ihr zum Geistesmahle
Sie gut und rein beziehn,
Kauft bei der Milchzentrale
Des Glaubens in Berlin!

Schlimm ist ein Glaubensmanko,
Trinkt unsre Milch darum!
Wir senden gern sie franko
Ins Haus dem Publikum."

So rufen sie und preisen
Die Milch des Zentrums an,
Die einzig uns zu Weisen
Und Frommen machen kann.

Hört auf, ihr Klerikalen,
Mit eurem wüsten Schrein,
Ihr Glaubensmilchzentralen,
Trinkt eure Milch allein.



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917):

"Frisch auf, mein Volk! Die Flammenzeichen rauchen,
Hell aus dem Norden bricht der Freiheit Licht."1. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 54, Nr. 49. -- 3. Beiblatt. -- 1901-12-08

Der Oberprokurator des heiligen Synods2: Herzlichen Dank, lieber sächsischer Staatsanwalt, dass Sie gegen die Verbreiter von Tolstois³ Werken wegen Gotteslästerung und Beschimpfung der russischen Kirchengemeinschaft einschreiten. Uns selbst ist es bei dem Holzmangel und der Milde der russischen Gesetze leider nicht möglich."

1 Theodor Körner (1791-1813):  Aufruf 1813

² Heiliger Synod (Священный Синод): ständiges Gremium, das sich an der Spitze der orthodoxen Kirchen befindet.

³ Lew Nikolajewitsch Graf Tolstoi ( Лев Николаевич Толстой) (1828 - 1910). Wurde 1901 wegen seines Romans "Auferstehung" vom Heiligen Synod exkommuniziert. Von Tolstojs »Antwort an den Synod« wurde die deutsche Übersetzung (Anhang zu Tolstojs Broschüre »Der Sinn des Lebens«) im Oktober 1901 in Leipzig beschlagnahmt.



Abb.: Gustav Brandt <1861-1919> : Das Erdenwallen des Preußen. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 54, Nr. 51. -- 1. Beiblatt. -- 1901-12-22

Der Säugling wird an Sittlichkeit
Und Milch gewöhnt zu gleicher Zeit.

Und wird er später Redakteur,
So fesselt sein Beruf ihn sehr.

Verpönt ist, wenn vor einem Akt,
D.h. vor einem Mann, der nackt,
Sich zeichnend finde beide ein,
Der Jüngling und das Jungfräulein.

Hast du des Lebens Strafmandat
Bezahlt, die Polizei sich naht,
Damit nicht Reden und Gebärden
Des Erdenwallers Ruh gefährden.


Bischöflicher Aufruf für die katholische Universität zu Salzburg1. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 54, Nr. 52. -- 1. Beiblatt. -- 1901-12-29

Auf, ihr zwanzig Millionen
in dem heil'gen Staphansland²!
Papst und Kirche werden's lohnen,
Drum das Portemonnaie zur Hand!
Seht, es ist ja nicht gefährlich.
Wenn der Klingelbeutel geht,
Opfert nur fünf Kreuzer jährlich!
Hoch die Universität!

Dort, wo mit dem Eisenbesen
Sauber von dem heim'schen Herd
Firmian³ das Ketzerwesen
Gott zur Ehre weggekehrt,
Wo er, allen blutgen Zähren
Trotzend stand voll heil'ger Kraft,
Dort ertönen sollen Lehren
Echt kathol'scher Wissenschaft.

Firmian sei der Berater,
Sei der rector spiritus4
Unsrer neuen alma mater5
An dem schönen Salzachfluss!
Dafür, dass die Professoren
Ketzerische Weisheit nie
Träufeln in der Jugend Ohren,
Sorgen wir Episcopi6.

Was auch Menschengeist entdeckte,
Du nur, Mutter Kirche, gabst
Uns Marie, die Unbefleckte7
Und den unfehlbaren Papst8.
Du nur sollst in Salzburg trohnen;
Was du billigst, wird gelehrt.
Das, ihr zwanzig Millionen,
Ist bei Gott! fünf Kreuzer wert.

1 Die 1622 gegründete Universität Salzburg wurde 1810 nach der Angliederung Salzburgs an Bayern aufgehoben. 1850 wurde die dortige Theologie zu einer Universitätsfakultät erhoben. Die Bemühungen um eine Wiedererrichtung der Universität Salzburg konzentrierten sich auf eine katholische Universität, die Anfang 1938 knapp vor der Verwirklichung stand. 1962 wurde die Universität Salzburg als staatliche Einrichtung wiedergegründet.

² Stephansland = Österreich (nach dem Stephansdom in Wien)

³ Erzbischof Leopold Anton, Graf von Firmian (1679 - 1744)

Firmian, Leopold Anton, Graf von, Erzbischof von Salzburg, geb. 27. Mai 1679 aus einem alten Tiroler Geschlecht, gest. 22. Okt. 1744, ward 1718 Bischof von Lavant, 1724 von Seckau und 1727 Fürsterzbischof von Salzburg. Da seine Versuche, die Protestanten im Erzstift durch Jesuiten zu bekehren, erfolglos blieben, vertrieb er, von seinem Kanzler Christian v. Räll übel beraten, gegen 30,000 protestantische Salzburger, deren Güter er zum Teil einzog (1731–32). "

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

4 spiritus rector (lateinisch) = lenkender Geist

5 alma mater (lateinisch) = gütige Mutter = Hochschule

6 episcopi (lateinisch) = Bischöfe

7 Unbefleckte

"Unbefleckte Empfängnis (Conceptio beatae Mariae virginis), die Lehre, daß Maria, die Mutter Jesu, ohne Erbsünde empfangen worden sei, ward im 12. Jahrh. von Kanonikern in Lyon verkündigt, bald aber der Gegenstand eines heftigen Streites, vorzüglich zwischen den Franziskanern und Dominikanern, von denen letztere die u. E. verwarfen. Das Konzil zu Basel sprach sich 1439 für die Franziskaner aus, war aber, damals schon schismatisch, nicht beschlußfähig. Die Konstitution Sixtus' IV. (1483), die das Tridentiner Konzil 7. Juni 1546 neu einschärfte, verhielt sich neutral. Schon Clemens XI. weihte jedoch 1708 der unbefleckten Empfängnis ein Festum duplex secundae classis (s. ð Marienfeste, S. 297; vgl. Feste, S. 464 f.), und Pius IX. erhob die Lehre auf Grund von 1. Mos. 3,15; Hoheslied 4,7. 12; Luk. 1,28 am 8. Dez. 1854 zum Dogma."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

8 unfehlbaren Papst (falls er ex cathedra spricht): Dogma des 1. Vatikanischen Konzils

"Ex cathĕdra oder Ex cathĕdra Petri (lat.), »vom Stuhl Petri herab« erlassen, wird von Dekreten etc. des Papstes gebraucht. Zu einem solchen »Stuhlspruch« ist aber, damit er unfehlbar (irreformabel) sei, nach der Bestimmung des vatikanischen Konzils von 1870 erforderlich, daß der Papst als Vater und Lehrer aller Christen gemäß seiner obersten apostolischen Autorität eine von der ganzen Kirche festzustellende Glaubens- oder Sittenlehre endgültig verkündige (definiere)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


Neujahrskantate eines gläubigen Dichters in Münster. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 54, Nr. 52. -- 1. Beiblatt. -- 1901-12-29

Papst Leos bessres Befinden
Erfüllt uns mit frohem Mut:
Die Schwäche ist im Schwinden
Der heil'ge Stuhlgang ist gut.


1902



Abb.: Gustav Brandt <1861-1919>: Illustrierte Rückblicke <Ausschnitt>. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 55, Nr. 1. -- 3. Beiblatt. -- 1902-01-05

In Frankreich erschallt der Ruf: Völker Chinas, wahrt eure heiligsten Güter1, denn unsere Missionare kommen.

1 Anspielung auf das Bild von H. Knackfuß "Völker Europas, wahret Eure heiligsten Güter", nach einem Entwurfe von Kaiser Wilhelm II., Geschenk des deutschen Kaisers an den Zaren von Russland.


Abb.: H. Knackfuß "Völker Europas, wahret Eure heiligsten Güter"


Der arme Friede. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 55, Nr. 5. -- 1. Beiblatt. -- 1902-02-02

Im zwanzigsten Jahrhundert geschehn
Noch Zeichen und Wunder hiernieden:
Herr Adolf Stöcker1 plädiert für den
Konfessionellen Frieden.

Oft hat man dem Frieden zugesetzt
Mit Schlägen, Schüssen und Wunden,
Man hat ihn getreten, zerrissen, zerfetzt,
Geknetet, gequält und geschunden.

Der Friede erlitt viel Todesqual
Im dreißigjährigen Kriege,
Noch heute leidet er in Transvaal
In manchem blutigen Siege.

Wie oft - ach - hat es die Welt gesehn,
Dass man den Frieden beleidigt.
Doch jetzt ist ihm das Schlimmste geschehn :
Herr Stöcker hat ihn verteidigt!

1 Adolf Stöcker (1835 - 1909)

"Stöcker, Adolf, Theolog und Sozialpolitiker, geb. 11. Dez. 1835 in Halberstadt, studierte in Halle und Berlin Theologie, wurde 1863 Pfarrer in Seggerde (Kreis Gardelegen), 1866 in Hamersleben, 1871 Divisionspfarrer in Metz und 1874 Hof- und Domprediger in Berlin. Seit 1877 trat er in öffentlichen Versammlungen gegen die Führer der Sozialdemokratie auf und suchte durch Gründung einer christlich- sozialen Partei (s. Christlich-soziale Reformbestrebungen) die Arbeiter für christliche und patriotische Anschauungen wiederzugewinnen, zugleich aber ihre Forderungen des Schutzes gegen die Ausbeutung des Kapitals und einer Verbesserung ihrer Lage zu unterstützen. Die neue Partei gewann aber nur an wenigen Orten zahlreichere Anhänger, da Stöcker durch seinen fanatischen Eifer gegen alles, was liberal hieß, besonders in kirchlicher Beziehung die Opposition der öffentlichen Meinung wach rief. Auch ging er in seinen Agitationen gegen das Judentum oft weiter, als es sich mit seiner Stellung vertrug. 1879 in das Abgeordnetenhaus, 1880 (bis 1893) und 1898 auch in den Reichstag gewählt, wo er sich der streng konservativen Partei anschloss, erhielt er 1890 seine Entlassung als Hofprediger; 1896 trat er aus der deutsch- konservativen Partei und dem Evangelisch-sozialen Kongress aus und gründete mit andern die Christlich- soziale Konferenz. Stöcker ist Vorsitzender der Berliner Stadtmission, Mitglied des Generalsynodalvorstandes und seit 1892 Herausgeber der »Deutschen evangelischen Kirchenzeitung«. Er veröffentlichte mehrere Jahrgänge »Volkspredigten« (gesammelt in 7 Bänden), »Das Leben Jesu in täglichen Andachten« (Berl. 1903, Volksausg. 1906), sowie zwei Sammlungen seiner Reden und Aufsätze: »Christlich-sozial« (das. 1885, 2. Aufl. 1895), »Wach' auf, evangelisches Volk« (das. 1893) und »Gesammelte Schriften« (das. 1896 f.). Vgl. seine Schrift »Dreizehn Jahre Hofprediger und Politiker« (Berl. 1895)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


Die metaphysische Familie in Berlin W. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 55, Nr. 10. -- 1. Beiblatt. -- 1902-03-09

Der Vater macht in Hypnose,
Die Mutter betet gesund,
Die Tochter ist Medium, die Tante
Sagt wahr aus Kaffeegrund.

Großmütterchen spukt, dass jeden
Es kalt dabei überläuft.
Geistig normal ist einzig
Der Sohn, jedoch er säuft.



Abb.: Die Münchner Ultramontanen und der "Toleranz-Antrag"1. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 55, Nr. 12. -- 2. Beiblatt. -- 1902-03-23

Blut ist dicker als Bier, dachten die Toleranten in München, da tauften sie das Geisteskind ihrer Partei mit beiden Flüssigkeiten.

1 Toleranz-Antrag

"Toleranzantrag, offiziell »Antrag, die Freiheit der Religionsübung betreffend«, wurde zuerst von der Zentrumsfraktion des Deutschen Reichstags in der Session 1900/1901 gestellt und seitdem regelmäßig wiederholt. Der Reichstag nahm 5. Juni 1902 den Antrag an, aber der Bundesrat fasste überhaupt keinen Beschluss darüber. Der Zweck ist die Beseitigung jeder staatlichen Aussicht über die Ausübung des religiösen Bekenntnisses."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]



Abb.: Buschfeier1 in Österreich. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 55, Nr. 17. -- S. 68. -- 1902-04-27

Die Alldeutschen² wollen im österreichischen Abgeordneten hause wegen des Verbots des Heiligen Antonius von Padua³ interpellieren. Zeitungsnotiz.

Und auch die Schwarzen kamen in Scharen
Und wollten sich gegen das Schwein verwahren.

1 am 15. April 1902 war Wilhelm Buschs 70. Geburtstag

² Alldeutsche Vereinigung:  deutschnationale, antiklerikale, antisemitische, österreichische Partei im Wiener Reichsrat, die 1891 von Georg von Schönerer (1842 - 1921) als Alldeutsche Bewegung (1896 in Alldeutsche Vereinigung umbenannt) gegründet wurde.

³ Der heilige Antonius von Padua (1870) / von Wilhelm Busch. -- Online: http://www.payer.de/religionskritik/karikaturen7.htm  


Die Praxis und die Theorie. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 55, Nr. 19. -- 1. Beiblatt. -- 1902-05-11

Der Abgeordnete Dr. Dittrich1 rühmte im Abgeordnetenhause die Verdienste der katholischen Kirche, besonders der Jesuiten, im Kampfe gegen die Trunksucht.

Die Kirche predigt - Dank sei Gott -
Enthaltsamkeit dem Haufen;
Sie strafte stets trotz Hohn und Spott
Das Zechen und das Saufen.
Es trank die fromme Klerisei
Unter der Klosterlinde
In Hochheimer Domdechanei²
Ein Pereat³ der Sünde.

Trinkt Wasser! Wasser ist gesund,
Es wehrt den Fleischeslüsten!
So predigten mit frommem Mund
Kartäuser allen Christen.
Und hatten sie genug verdammt
Das Schlechte und das Böse,
Dann gingen still sie an ihr Amt
Zu brauen die Chartreuse4.

Wer sich der Völlerei ergibt,
Der ist ein Sündenlümmel.
Nur wer die Mäßigkeit hier liebt,
Der kommt einst in den Himmel.
Im Jenseits sind wir alle gleich,
Doch ist bereits hienieden
Das schöne Graacher Himmelreich5
Den Pfäffelein beschieden.

O fastet, eingedenk der Pflicht,
Am Leib und an der Seele,
Damit euch einst nicht beim Gericht
Die ew'ge Gnade fehle.
Kauft Ablass auch nach frommem Brauch,
Ihr Herren und ihr Diener,
Und kauft vom Klosterseckel auch
Recht viel Benediktiner6.

Die Jesuiten haben Hass
Geschworen jedem Weine
Und deshalb alles edle Nass
Vertilgt in der Gemeine.
Das ist (ihr Brüder sagt es nie
Den gläub'gen Eingepfarrten)
Die Praxis und die Theorie
Im Jesuitengarten7.

1 Franz Dittrich (1839 - 1915), Prof der Kirchengeschichte und des Kirchenrechts in Braunsberg, seit 1893 Zentrumsabgeordneter im Preußischen Landtag, wo er insbesondere für das Schulwesen und für Kirchenfragen zuständig war.

² Hochheimer Domdechaney: Rheinwein einer Lage in Hochheim, die früher dem Mainzer Domkapitel gehörte

³ pereat (lateinisch) - es gehe zugrunde!

4 Chartreuse: (grüner, gelber und weißer) Kräuterlikör, von den Kartäusern der La Grande Chartreuse, Frankreich, hergestellt

5 Graacher Himmelreich: Moselwein, der in kirchlichen Kreisen sehr beliebt war 

6 Benediktiner: Kräuterlikör, der in Fécamp (Frankreich) hergestellt wird.

7 Rheingauer Jesuitengarten: Rieslinglage



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Ein dankbarer Gast. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 55, Nr. 28. -- 2. Beiblatt. -- 1902-07-13

Generaloberst Frh. von Loë1 (beim Verlassen des Vatikans): Wie danke ich dir, o Himmel, dass es noch so gute Menschen gibt.

1 Walter Freiherr von Loë (1828 - 1908): dem preußischen Herrscherhaus treu ergebener Katholik, spielte eine bedeutende Rolle im Kulturkampf.


Die verdächtigen Heiligtümer: Nach der Ansprache des Weihbischofs Dr. Fischer. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 55, Nr. 29. -- S. 113. -- 1902-07-20

Nun wieder man die alten Sachen
Zur Schau im frommen Aachen stellt,
Wie können recht plausibel machen
Wir ihren Wert der bösen Welt?
Wir halten fest am rechten Glauben,
Doch auch am Aberglauben? Nein!
Wir wollen arglos wie die Tauben
Und klug doch wie die Schlangen sein1.

Ob einstmals lag in dieser Windel,
Der uns gebracht das Himmelreich,
Ob man getrieben frechen Schwindel
Damit, das ist doch völlig gleich.
Dies Hemd und diese Unterröcke,
Ob sie die Mutter Gottes trug,
Wer fragt danach? Für unsre Zwecke
Ist jeder Lappen gut genug.

Was tut's ob ketzerisch Gekrittel
Die heilgen Fetzen uns entweiht?
Sie sind nicht Zweck, sie sind ein Mittel,
Das uns verhilft zur Seligkeit.
Und wüssten wir, dass man entnommen
Sie gestern einem Warenhaus,
Wir hängten doch zum heil der Frommen
Die hohen Heiligtümer aus.

Den wahren Glauben aufzufrischen
Zum Trotz der schnöden Ketzerei,
Lasst nach bewährter Vorschrift mischen
Uns Frömmigkeit und Heuchelei.
Loyolas2 würdig sich zu zeigen,
Glückt heut auch rechten Christen noch:
Die Spötter bringen wir zum Schweigen,
Und alle Dummen kommen doch.

Erläuterung: In Aachen wurden 1902 Reliquien der Krönungskirche ausgestellt: Windeln Christi, Lendentuch Christi u. ä. Obwohl Weihbischof Antonius Fischer (1840 - 1912, ab 1903 Erzbischof von Köln) zugegeben hatte, dass die Echtheit dieser Reliquien nicht nachweisbar sei, strömten zahlreiche Pilgerzüge aus Nah und Fern herbei.

"Der von Karl dem Großen erbaute und vor 1200 Jahren vollendete Dom war von Anfang an das Ziel vieler Wallfahrer, die Maria, die Patronin des Münsters, um ihre Fürbitte anriefen. Der Kaiser hatte seine Pfalzkapelle reich mit Reliquien ausgestattet. Besondere Verehrung fanden seit Jahrhunderten vier Reliquien aus Stoffen, die nach Alter und Machart auf die antike Welt des Mittelmeeres hindeuten. Sie werden verehrt als das Kleid, das Maria bei der Geburt Jesu getragen hat, als die Windeln Jesu, als das Tuch, in das man das Haupt des Täufers Johannes nach seiner Hinrichtung barg, und als das Lendentuch, das Jesus am Kreuz trug.

Im Laufe der Jahrhunderte entstanden kostbare Geräte und Gefäße zur Aufbewahrung der Reliquien. So auch der goldene Marienschrein, ein Meisterwerk der Goldschmiedekunst im Land zwischen Rhein und Maas. Die notwendige Konservierung wird im Heiligen Jahr vollendet sein, so dass der Schrein. der seit Jahrhunderten diese großen Reliquien geborgen hatte, am Fest der Verkündigung des Herrn, 25. März 2000, in der Chorhalle des Domes seine Aufstellung finden kann.

Mit der Heiligtumsfahrt im Heiligen Jahr wird der seit 1349 nachweisbare siebenjährige Turnus fortgesetzt, ein Rhythmus, der nur ganz selten unterbrochen wurde. Die Tradition dieser Reliquienverehrung lässt sich mit Sicherheit nur bis auf Karl den Großen zurückführen. Wichtiger aber ist, und das erscheint weder als eine Erkenntnis unserer kritischen Zeit noch als eine Ausflucht aus der Verlegenheit: Die Frage der Echtheit dieser Reliquien ist zweitrangig. Entscheidend war und ist, dass in Aachen immer wieder gläubige Menschen in diesen Stoffreliquien Zeichen fanden und finden, die ihnen das Leben und Sterben des Herrn anschaulich machen. Zeichen, die ohne sie jeweils nach ihrer Authentizität zu befragen, den pilgernden Menschen den Blick öffnen für die Grundwahrheiten seines Glaubens."

[Quelle: Aachener Heiligtumsfahrt vom 9. bis 18. Juni 2000 [!]. -- http://www.oih.rwth-aachen.de/~hendrik/heiligtumsfahrt.html. -- Zugriff am 2004-11-16. -- Dort sehenswerte Photos]

"Die vier großen textilen Heiltümer des Aachener Doms, wohl von Karl I. dem Großen für seine neuerrichtete Marienkirche erworben, mehrheitlich um 1238 aufgefunden und seit 1239 im Marienschrein aufbewahrt, sind vermutlich jedes Jahr, seit 1349 alle sieben Jahre ausgestellt worden:
  • Das Umstandskleid Mariens,
  • die Windeln Jesu,
  • das Lendentuch Jesu,
  • das Tuch, auf dem der Kopf des Täufers Johannes lag.

In Anlehnung an den römischen Brauch der sieben Hauptkirchen bildete sich am Rhein die Gewohnheit aus, im Juli der Heiligtumsjahre sieben reliquienträchtige Orte zu besuchen: Trier, Kapellen bei Heimerzheim, Köln, Gräfrath, Düsseldorf, Mönchengladbach und Aachen.

In Aachen bekamen Pilger auf Verlangen und gegen Bezahlung eigene Bescheinigungen (Teilnahmenachweise) ausgestellt, mit deren Hilfe sie den Obrigkeiten, die ihnen die Wallfahrt als Buße auferlegt und damit die Wallfahrt per Amtshilfe gefördert hatten, ihre Anwesenheit belegen konnten. 

Die Torwächter im Dom zu Aachen wollten 1496 an einem einzigen Tag 142000 Pilger gezählt haben. Die Vorweisung der Aachener Heiltümer zog immer wieder Zehntausende, 1861 erstmals mehr als 100 000 Menschen an."

[Quelle: Herrmann, Horst <1940 - >: Lexikon der kuriosesten Reliquien : vom Atem Jesu bis zum Zahn Mohammeds. -- Berlin : Rütten und Loening, 2003. -- 235 S. : Ill. -- ISBN 3-352-00644-X. -- S. 102f. <gekürzt>]

1 Matthäusevangelium 10, 16: "Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe; darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben."

2 Ignatius von Loyola, Gründer des Jesuitenordens



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Der Sturz der verdammten - Kunst in Bayern, oder Das Jüngste Gericht. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 55, Nr. 31. -- S. 124. -- 1902-08-03

Das Zentrum des bayerischen Abgeordnetenhauses feiert das Andenken des Kultusministers v. Landmann1 durch Hekatomben von Abstrichen in Kunstsachen.

1 Robert, Ritter von Landmann (1845 - 1926): 1895-1902 bayerischer Staatsminister des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten.



Abb.: Grenz-Phantasie. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 55, Nr. 38. -- S. 150. -- 1902-09-21

An der Grenze stehn die Schweine,
An der Grenze die Jesuiten.
Beider Schicksal ist das gleiche:
Beide nicht hineingelassen
Werden sie ins Deutsche Reich.

Gerne ließen wir die Schweine
Ein, wenn auch auf einem jeden
Ein Jesuit säß' und der ganze
Orden käm' hereingeritten
Also in das Deutsche Reich.

In das Schlachthaus dann die Schweine
Führte man, doch die Jesuiten,
Zwänge man nur abzusteigen
Und dann würfe man sie wieder
Aus dem Deutschen Reich hinaus.


Der Justizrat an der Lahn. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 55, Nr. 38. -- 1. Beiblatt. -- 1902-09-21

Das Strafverfahren gegen den Übersetzer und den Verleger der Tolstoischen Schrift an den heiligen Synod1, das in Freisprechung endete, war auf Veranlassung des Justizrats Pelizäus in Oberlahnstein eingeleitet worden.

's wohnt ein Justizrat an der Lahn,
Der wandelte stets auf rechter Bahn.
Gar viele Tolstoihasser,
Die sitzen um den Tisch herum,
Zu trinken gibt's nur Wasser.

Der Rat hat einen Sekretär,
Der schnüffelt immer kreuz und quer.
Er roch an den Broschüren,
Und wenn er eine sündhaft fand,
Tät er sie denunzieren.

Der Rat hat eine Küchenmaid,
Die roch die Ketzer meilenweit.
Sie möchte alle Wochen
Am liebsten einen oder zwei
Mit Mostrichsauce kochen.

Der Rat, der hatte auch ein Blech,
Das sprach er manchesmal - o Pech!
Gar weh tat dies den Ohren.
Mit Tolstoi hat in Leipzig er
Unsterblich sich blamoren.

Und ist der fromme rat einst tot,
Dann weint der heilige Synod².
Der Mensch stirbt - ach - so jähe;
Die Englein singen in der Höh:
"O sancte Pelicaee!"³

Erläuterung: eine der unzähligen Parodien zu "Es steht ein Wirtshaus an der Lahn":

Es steht ein Wirtshaus an der Lahn,
Da kehren alle Fuhrleut' an,
Frau Wirtin sitzt am Ofen,
Die Fuhrleut' um den Tisch herum,
Die Gäste sind besoffen.

Die Wirtin hat auch einen Mann,
Der spannt den Fuhrleut'n selber an.
Er hat vom allerbesten
Ullrichsteiner Fruchtbranntwein
Und setzt ihn vor den Gästen.

Es gibt dazu unzählige Varianten, teils obszönen Inhalts.

Melodie zum Wirtshaus an der Lahn

[Quelle der .mid-Datei: http://ingeb.org/Lieder/esstehtw.html. -- Zugriff am 2009-12-25]

1  Lew Nikolajewitsch Graf Tolstoi ( Лев Николаевич Толстой) (1828 - 1910). Wurde 1901 wegen seines Romans "Auferstehung" vom Heiligen Synod exkommuniziert. Von Tolstois »Antwort an den Synod« wurde die deutsche Übersetzung (Anhang zu Tolstojs Broschüre »Der Sinn des Lebens«) im Oktober 1901 in Leipzig beschlagnahmt.

² Heiliger Synod: siehe oben

³ O sancte Pelicaee = O heiliger Pelizäus!


Das Familienbad. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 55, Nr. 45. -- S. 179. -- 1902-11-09

Urahne, Ahne, Mutter und Kind
Mit Vatern zusammen im Bade sind.

Der Konsistorialrat1 wandelt vorbei,
Das Kindlein sieht er und spricht: "Ei, ei!"

Und Vater neckt sich mit Muttern froh,
Da seufzt der Konsistorialrat: "Oh!"

Und der Ahne Formen bespült die See,
Da ächzt der Konsistorialrat: "Weh!"

Doch als er erst die Urahne gesehn,
Trieb es ihn eilig von dannen zu gehn.

Und auf der Synode zu Stettin
Erfasst ein heiliger Eifer ihn.

Aufs tiefste bedauert er, dass man hat
Erlaubt das schlimme Familienbad.

Urahne, Ahne, Mutter und Kind
Nebst Vatern daraus zu vertreiben sind.

So hat sich selbst im Pommerland
zur Fleischnot2 die Synode bekannt.

1 Konsistorialrat = Angehöriger des landeskirchlichen Konsistoriums, des obersten Leitungsorgans von protestantischen Kirchen mit Konsistorialverfassung.

2 Fleischnot = Teuerung des Fleisches 1902


Der Bischof von Rottenburg. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 55, Nr. 50. -- 1. Beiblatt. -- 1902-12-14

Bischof v. Keppler1 hielt am 1. Dezember 1902 in Rottenburg eine Rede gegen die sog. katholischen Reformer, die sich um die Zeitschrift "Das 20. Jahrhundert"2 in München gesammelt haben, und sprach darin von "Verrätern, Kompromisskatholiken, Margarinekatholizismus, Pharisäertum, unklaren Köpfen, Lügnern, Reformsimpeln usw." (Zeitungsbericht)

Von Rottenburg der Bischof
Der schimpft nur, wenn er muss,
Doch wenn er schimpft, dann ist es auch
Ein wahrer Hochgenuss;
Dann fließt's wie heiße Butter
Aus seiner breiten Schnut.
Der weiland Dr. Luther,
Der konnt es nicht so gut

Von Rottenburg der Bischof,
Der sprach: "Potz Stein und Schwein!
Uns macht das böse zwanzigste
Jahrhundert große Pein.
Die Herren tun gescheuter
Als manch ein Kirchenlicht!
Des Glaubens strotzend Euter
Stillt all ihr Dürsten nicht!"

Von Rottenburg der Bischof
Der schrie: "Du Rabenaas!
Das Denken und die Wissenschat
Erfand der Satanas.
Wer da macht gute Miene
Zu solchem Bubenstück,
Der ist ein Margarine-
garine-Katholik!"

Von Rottenburg der Bischof,
Den juckt die große Zeh;
Drum macht er gegens Zipperlein
Ein klein Autodafè3.
Da wird ihm selber weh um
Sein christlich Priesterherz;
Drum sinkt er ein Tedeum4
Und stillt so seinen Schmerz.

Erläuterungen:

1 Bischof Keppler

"KEPPLER, Paul Wilhelm von (seit 1899 württembergischer Personaladel), Dr. theol., Bischof, * 28.9. 1852 in Schwäbisch Gmünd als fünftes von sieben Kindern, + 16.7. 1926 zu Rottenburg. - Nach dem Studium der Theologie in Tübingen - 1874 mit dem Homiletischen Preis der Universität ausgezeichnet - wurde er am 2. August 1875 in Rottenburg zum Priester geweiht. Von 1875 bis 1876 wirkte er als Vikar in Ulm und Gmünd, danach bis Oktober 1880 als Repetent am Wilhelmsstift in Tübingen. Anschließend war er drei Jahre Stadtpfarrer und Schulinspektor in Cannstatt. 1883 erfolgte die Berufung zum o. Professor für Neutestamentliche Exegese an die Katholisch-Theologische Fakultät Tübingen, wo er im folgenden Jahr zum Dr. theol. promoviert wurde. Neben Vorlesungen in Exegese hielt er solche über Kunst und gab homiletische Einführungen. Er avancierte 1885 überdies zum Vorstand des Kunstvereins der Diözese Rottenburg und zum Redakteur des »Archivs für christliche Kunst«. Einen Ruf an die Bonner Universität lehnte er 1887 ab; zwei Jahre später übernahm er als Nachfolger von Franz Xaver Linsenmann in Tübingen den Lehrauftrag für Moral- und Pastoraltheologie. Nach längeren Querelen innerhalb der Fakultät erging im Herbst 1894 an ihn der Ruf auf den Lehrstuhl für Moraltheologie an der Universität Freiburg i.Br. - Das Rottenburger Domkapitel wählte Keppler am 11. November 1898 einstimmig zum Bischof dieser Diözese, sehr zur Überraschung der württembergischen Regierung, der er wegen seiner streng kirchlichen Gesinnung nicht besonders genehm war. Nur notgedrungen hatte sie ihn an »aussichtsloser« Stelle auf der Kandidatenliste geduldet. Bereits zweieinhalb Wochen später erfolgte die Präkonisation durch den Papst. Die vom Freiburger Erzbischof Thomas Nörber vorgenommene Konsekration und Inthronisation fanden am 18. Januar 1899 in Rottenburg statt. - Keppler war ein äußerst produktiver Schriftsteller, dessen Werke zum Teil recht hohe Auflagen erlebt haben und in mehrere Sprachen übertragen worden sind. Daneben publizierte er regelmäßig in vielen Periodika. Zu den bekanntesten Büchern zählen »Wanderfahrten und Wallfahrten im Orient«, »Mehr Freude«, »Aus Kunst und Leben«, »Unsere toten Helden und ihr letzter Wille« sowie homiletische Werke. In seinem Schrifttum widmete er sich auch der sozialen Frage. Dabei ging es ihm vornehmlich um das rechte Verständnis der Arbeit und ihrer Bedeutung im Leben des Menschen, insbesondere des Christen. Außerdem war er ein gefragter und gefeierter, laut Auskunft der Quellen zum Pathos neigender Redner, der auf zahlreichen Versammlungen, Tagungen, Kongressen und bei verschiedensten Anlässen sprach. Es seien lediglich erwähnt seine Rede in Mergentheim gegen den Reformkatholizismus (1903), seine Rede auf dem Katholikentag zu Aachen (1912) und auf dem Eucharistischen Weltkongress in Rom (1922). - Getreu seiner bischöflichen Devise »Non recuso laborem« verrichtete Keppler, weit über die Grenzen der eigenen Diözese bekannt, in unermüdlichem Einsatz die ihm anvertrauten Aufgaben. Ihn zeichneten aus Willens - und Tatkraft, Volksverbundenheit, Humor und Frömmigkeit. Auf dem Gebiet der Homiletik, einem Fach, das er glänzend beherrschte, erwarb er sich um die Weiterbildung des Klerus beachtenswerte Verdienste, außerdem solche um die Organisation und den Ausbau der Seelsorge wie um den Kirchenbau. Von den 80 in den Jahren 1898 bis 1922 neuerbauten Kirchen hatte er 72 selbst konsekriert. Auf der Grundlage der 1862 zwischen Kirche und Staat getroffenen Übereinkunft bemühte sich Keppler - nach Auffassung des Kirchenrats klug, aber unpolitisch und reserviert - um ein loyales und konfliktfreies Verhältnis zur Regierung. Falls kirchliche Interessen es jedoch erforderten, konnte er - wegen einer gewissen Unselbständigkeit häufig von Ratgebern stark abhängig - unnachgiebig und autoritär auftreten. Mit dem Landesherrn König Wilhelm II. und späteren Herzog von Württemberg verbanden ihn freundschaftliche Beziehungen. Auch nach des Königs Thronverzicht in der Novemberrevolution 1918 und unter der neuen Staatsform bestand ein gutes Einvernehmen zwischen Bischof und Regierung. - Besonders prekäre Problemfelder, mit denen Keppler sich konfrontiert sah, bildeten die Antizölibatsbewegung, der Simplizissimusprozess, der Reformkatholizismus und die Kontroversen um den Antimodernisteneid. Die um die Wende zum 20. Jahrhundert aufkommende geistig-religiöse Bewegung des Modernismus, von Pius X. als ein »Sammelbecken aller Häresien« apostrophiert, machte ihm arg zu schaffen. Auf der freien Konferenz des Rottenburger Domkapitels vom 1. Dezember 1902 erteilte er in seinem Referat »Wahre und falsche Reform« den Vertretern des sogenannten Reformkatholizismus eine harsche Abfuhr. Keppler, der einst als Professor die katholische Moraltheologie für antiquiert erklärt hatte, nannte jetzt die Reformtheologen realitätsfremde Stubengelehrte; ja, er qualifizierte sie diskriminierend als »Kompromiss«- und »Margarinekatholiken«, die einer »flachen Bildungssucht« und einem» verblasenen Rationalismus« huldigten. Zugleich attestierte er ihnen einen Mangel an innerer Wahrhaftigkeit und am Geist der Nachfolge Christi. Den »Vernunftkatholiken», die das katholische Volk gering schätzten, stellte er die »Glaubenskatholiken« antithetisch und polarisierend gegenüber. Eindringlich warnte er die Gläubigen vor den Lockungen der Moderne wegen der äußersten Seelengefahr. Die moderne Kultur und Menschheit sah er als senil an; sie bedürften einer notwendigen Verjüngung. Den Ausführungen des bisweilen populistisch agierenden und polemisierenden Bischofs spendete die Gesinnungspresse panegyrischen Beifall. Darüber hinaus lobte ihn Kardinalstaatssekretär Rampolla im Auftrag Leos XIII. für die »gründliche Beweisführung« in seiner Rede, die den Papst »sehr erfreut« habe. Die Feierlichkeiten im Jahr 1925 aus Anlass des Goldenen Priester- und des Silbernen Bischofsjubiläums stellten einen Höhepunkt in Kepplers Episkopat dar. Wie seine Vorgänger wurde der im folgenden Sommer überraschend an Herzinsuffizienz verstorbene Bischof in der Gruft der Sülchen-Kirche zu Rottenburg beigesetzt. "

[Quelle: Karl Josef Rivinius. -- http://www.bautz.de/bbkl/k/Kepler_p_w.shtml. -- Zugriff am 2004-11-16] 

2 Nachgewiesen: Das zwanzigste Jahrhundert : Organ für fortschrittlichen Katholizismus. - München : Verl. des XX. Jahrhunderts. --   2.1902,Apr. - 8.1908

3 Autodafé

"Autodafé (portug. auto da fé, span. auto de fe, v. lat. actus fidei, »Glaubenshandlung, Glaubensgericht«), die feierliche Vollstreckung der von der spanischen Inquisition wegen Ketzerei erlassenen Straferkenntnisse. Zunächst bezeichnete A. nur die öffentliche, feierliche Vorlesung des Urteils, dessen unmittelbare Folge jedoch immer die Vollstreckung war. Oft verschob man nach beendigter Untersuchung jene feierliche Urteilsverkündigung, um an einem hohen Festtag den Triumph der Kirche durch gleichzeitiges Abtun einer größern Zahl von Opfern zu verherrlichen. Das Volk strömte dazu in Masse herbei, da schon das Zuschauen für verdienstlich galt, und selbst die vornehmsten Männer suchten eine Ehre darin, dabei als Schergen des heiligen Gerichts zu figurieren. Auch der König pflegte zur Erhöhung der Feierlichkeit mit dem ganzen Hofe zugegen zu sein. In Prozession führte man die zum Tode verurteilten Ketzer, die barfuss gingen und mit dem Bußkleid (saco bendito, Sanbenito) und einer spitzen Mütze angetan waren, und hinter denen die Bildnisse entflohener und in Särgen die Leichname verstorbener Angeklagten hergetragen wurden, zur Kirche, wo die Verurteilten mit ausgelöschter Kerze in der Hand vor einem Kruzifix aufgestellt wurden, um ihr Urteil zu vernehmen. Darauf wurden sie dem weltlichen Richter überliefert und gefesselt in den Kerker zurückgebracht, um von da zum Richtplatz geführt zu werden. Widerriefen sie schließlich noch ihre Ketzerei, so wurden sie vorher erdrosselt, im entgegengesetzten Fall aber lebendig verbrannt und mit ihnen die Bildnisse und Gebeine der entflohenen oder verstorbenen Angeklagten. Seit 1481 waren diese Massenhinrichtungen im Schwange, und eins der glänzendsten Autodafés war das, welches noch 1680 unter Karl II. zu Madrid stattfand. Während des 18. Jahrh. kamen sie in Abnahme. Der Unterschied des spätern Verfahrens von dem frühern bestand darin, dass man die Hinrichtungen in der Regel im Inquisitionsgebäude vollzog. In Spanien allein sind von 1481-1808, den 1834 veröffentlichten Berichten zufolge, 34,658 Menschen öffentlich oder im geheimen hingerichtet, 288,214 zu lebenslänglichem Gefängnis oder zu den Galeeren verurteilt worden."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

4 Tedeum: Hymnus in der katholischen Kirche, der sogen. Ambrosianische Lobgesang nach den Anfangsworten: »Te deum laudamus« (»Dich, o Gott, loben wir«)



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Philosophia ancilla religionis1. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 55, Nr. 50. -- 3. Beiblatt. -- 1902-12-14

Von dem nach Straßburg berufenen Professor Bäumker2 behauptet die "Rheinisch-Westfälische Zeitung": "Seine philosophischen Ergebnisse stehen mit der katholischen Dogmatik vollständig im Einklang."
Das ist ein Kunststück, das ohne Apparate nicht vorgeführt werden kann.

1 philosophia ancilla religionis (lateinisch) = Die Philosophie ist die Magd der Religion

² Clemens Baeumker (1853 - 1924), ab 1883 o. Prof. der Philosophie in Straßburg, Spezialist für mittelalterliche Philosophie.


Der Streik der Mönche. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 55, Nr. 52. -- S. 207. -- 1902-12-28

Die Brüder der Kongregation der hl. Martha in Lissabon sind aus dem Hospiz ausgewandert, weil ihnen von den 4 Gängen des Mittagsmahls einer gestrichen wurde.

Es lebt im frommen Lissabon
Gar mancher Mönch und manche Nonn';
Sie tragen froh des Ordens Joch.
Der Himmel, der ernährt sie doch.
Dort steht auch ein Hospitium,
Drin gehen Mönche still herum,
Sie pflegen heil'ge Bräuche
Gar fromm und ihre Bäuche.
Sie leben eingepfarrt da
Im Haus der heil'gen Martha.

Ein Mönch kasteit sich spät und früh.
Darum umfasste ihr Menu
Vier Gänge nur; die Klerisei
Vermeidet jede Völlerei.
Der Bischof strich - o welche Qual -
Den vierten Gang von ihrem Mahl.
Da schrien die frommen Väter
Laut Mordio und Zeter.
Das ist ja wie in Sparta
Jetzt bei der heil'gen Martha!

Drei  Gänge nur - Schockschwerenot -,
Da stirbt man ja den Hungertod!
Sie zogen drum mit Mann und Maus
Aus dem Hospitium hinaus
Und blieben draußen in der Stadt,
Da isst man wenigstens sich satt.
Verödet ist der Hausstand,
Die Patres sind im Ausstand.
Verlassen steht und harrt da
Zu Haus die heil'ge Martha.

Der Spahn1 dies in der Zeitung las,
Rief nur: "Das ist fürwahr kein Spaß.
Jetzt streiken unsere Mönche schon
Und treiben beinah Obstruktion.
Das ist Sozialdemokratie,
Der Kampf um Lohn und ums Menu!
Weh, ich erkenn den Finger
Hierin von unserm Singer².
Er war's! Er hat genarrt da
Die arme heil'ge Martha."

1 Peter Spahn (1846 - 1925). 1884 - 1917 Zentrumsabgeordneter im Deutschen Reichstag. Vertreter des bürgerlich-konservativen Flügels des Zentrums.

² Paul Singer (1844 - 1911)

"Singer, Paul, sozialdemokrat. Politiker, geb. 16. Jan. 1844 in Berlin von jüdischen Eltern, gründete 1869 in Gemeinschaft mit seinem Bruder eine Damenmäntelfabrik, durch die er Vermögen erwarb, schloss sich der sozialdemokratischen Bewegung an, kam 1884 als Vertreter dieser Partei in die Berliner Stadtverordnetenversammlung und in den Reichstag. 1886 schied er aus dem Geschäft seines Bruders aus, widmete sich ausschließlich der Partei, leitete mit großem Geschick die Verhandlungen der sozialdemokratischen Parteitage, gehört zu den häufigsten Sprechern im Reichstag und ist neben Bebel der einflussreichste Führer der Partei und Reichstagsfraktion."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


1903



Abb.: Ernst Retemeyer: Illustrierte Rückblicke <Ausschnitt>. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 1. -- 1. Beiblatt. -- 1903-01-04

Mit dem Reform-Katholizismus geht es gut vorwärts. Zahlreiche Geistliche stellen sich mit Eifer in den Dienst der "Aufklärung".



Abb.: Ernst Retemeyer: Illustrierte Rückblicke <Ausschnitt>. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 1. -- 1. Beiblatt. -- 1903-01-04

Die Fleischnot wächst und hat bedauerliche Geschmacksverirrungen zur Folge. Die zur Erholung in Deutschland befindlichen Missionare verzichten auf den Rest ihres Urlaubs.



Ludwig Stutz (1865-1917): O Straßburg, du wunderschöne Stadt. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 3. -- 1. Beiblatt. -- 1903-01-18

Die Wehemutter Hertling²: Beunruhigen Sie sich nicht, Herr Graf [v. Bülow³]. Es ist Ihr Kind, es hat nur die Farbe seiner Mama

1 O Straßburg, du wunderschöne Stadt. -- Sesenheimer Liederbuch, 1771

1. O Straßburg, o Straßburg,
Du wunderschöne Stadt,
|: Darinnen liegt begraben
   So mannicher Soldat. :|

Melodie zu O Straßburg

[Quelle der .mid-Datei: http://ingeb.org/Lieder/ostrassb.html . -- Zugriff am 2009-12-27]

Das Deutsche Reich wollte die mittels der Errichtung einer katholisch-theologischen Fakultät an der Universität Straßburg die Integration des Elsass vorantreiben. 

² Georg, Freiherr von Hertling (1843 - 1919)

"Hertling, Georg, Freiherr von, philosoph. Schriftsteller und Abgeordneter, geb. 31. Aug. 1843 in Darmstadt, studierte in München, Münster und Berlin, habilitierte sich 1867 als Privatdozent in Bonn, wurde 1880 zum außerordentlichen Professor ernannt und 1882 als ordentlicher Professor der Philosophie an die Universität München berufen. Seit 1875 ist er als Mitglied des Zentrums im deutschen Reichstag einer der einflußreichsten Wortführer seiner Partei, besonders in sozialen Fragen, weilte auch als Vermittler zwischen Deutschland und der Kurie (katholisch-theologische Fakultät in Straßburg u. a.) öfter in Rom. H. ist Präsident der 1876 von ihm mitbegründeten Görres-Gesellschaft und wurde 1894 zum bayrischen Kämmerer ernannt."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

³ Bernhard, Graf von Bülow (1849 - 1929)

"Bülow, Bernhard, Graf von, deutscher Reichskanzler, Sohn von B. 10), geb. 3. Mai 1849 in Klein-Flottbeck (Holstein), studierte in Lausanne, Leipzig und Berlin die Rechte, trat 1870 als Avantageur in das Bonner Königshusarenregiment, wurde nach dem Krieg Offizier, kehrte aber zur Justiz zurück und ging nach längerer Tätigkeit beim Landgericht und Bezirks präsidium in Metz in den diplomatischen Dienst über. Er wurde 1876 der deutschen Botschaft in Rom als Attaché beigegeben, dann im Auswärtigen Amt beschäftigt, 1880 Sekretär bei der deutschen Botschaft in Paris, 1883 Botschaftsrat in Petersburg, 1888 Gesandter in Bukarest und 1893 Botschafter beim Quirinal. Im Sommer 1897 mit der Stellvertretung des Freiherrn v. Marschall beauftragt, wurde er im Oktober 1897 zum Staatssekretär ernannt, nach dem Abschluss des Vertrags mit Spanien über die Abtretung der Marianen und Karolinen 22. Juni 1899 in den Grafenstand versetzt und 17. Okt. 1900 nach dem Rücktritt Hohenlohes zum Reichskanzler, preußischen Ministerpräsidenten und Minister des Auswärtigen ernannt. B. ist mit einer Prinzessin Camporeale, Stieftochter des italienischen Ministers Minghetti, vermählt. Die Universität Königsberg ernannte ihn 18. Jan. 1901 zum Ehrendoktor der Rechte. »Graf Bülows Reden nebst urkundlichen Beiträgen zu seiner Politik« veröffentlichte I. Penzler (Leipz. 1903)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]



Abb.: Das abnehmende Jesuitengesetz. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 6. -- 2. Beiblatt. -- 1903-02-08

Die Nebel zerreißen,
Der Himmel ist helle,
Und Äolus löset
Das ängstliche Band.
Es säuseln die Winde,
Es rührt sich der Schiffer.
Geschwinde! Geschwinde!
Es teilt sich die Welle,
Es naht sich die Ferne;
Schon seh ich das Land!

("Glückliche Fahrt" von Goethe)



Abb. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 7. -- S. 26. -- 1903-02-15



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Eine kleine Überraschung. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 7. -- S. 28. -- 1903-02-15

Der köstliche, vom Reichskoch angerichtete Gang wird mit Spannung erwartet.

Es sind aber falsche Ingredienzien  in den Topf geraten, und es kommen anstatt der Diäten die Jesuiten zum Vorschein.


Der Hofjesuit. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 9. -- S. 34. -- 1903-03-01

Es genügt nicht, die Jesuiten wieder nach Deutschland zu verpflanzen, man muss auch dafür sorgen, dass sie dort gedeihen; denn jede Pflanze braucht Luft und Licht, und wenn es auch eine Giftpflanze ist. Nun gibt es aber für diese netten Pflanzen bekanntlich keine bessere Luft als die der Höhe und kein besseres Licht als die Sonne fürstlicher Gunst; darin schießen sie geil auf und entfalten alle ihre Triebe. Man sorge also dafür, dass an jedem Hofe - gleichgültig, zu welcher Konfession er sich öffentlich bekennt - ein Hof Jesuit angestellt werde. Er wird sich auf jede Weise nützlich, ja bald unentbehrlich machen. Die Hofschranzen unterweist er im Bauchrutschen und Speichellecken, die Kammerdiener im Horchen und Hinterbringen, und den fürstlichen Kindern bringt er jesuitische Kasuistik bei. (Den Sprachunterricht mag er immerhin anderen geeigneteren Subjekten überlassen.) Auch erteilt er geheimen Ablass, entbindet von Eiden und anderen lästigen konventionellen Verpflichtungen, leitet das Verleumdungswesen, besoldet Hofreptile und dergl. mehr. Missliebige Mitglieder beißt er schneller und gründlicher weg als jeder Hofhund. Auch seine geselligen Talente sind nicht zu unterschätzen: mit dem Hofprediger spielt er «Tod und Leben», «Sechsundsechzig» und selbst «Schafskopf»; als «Blindekuh» und «Schwarzer Peter» tritt er mit großer Naturwahrheit auf, und auch den Fackeltanz macht er in der Erinnerung an die Autodafés gern mit. Trägt er hierbei die sog. «kurze Robe», so stehen ihm auch der Schnallenschuh und Kniestrümpfe sehr gut, und sein leiser Tritt empfiehlt ihn für Menuetts und Gavotten. Musikalisch wirkt er namentlich als gewandter Ohrenbläser, schriftstellerisch als anonymer Briefschreiber. Nur zum Parademarsch ist er nicht zu gebrauchen, weil er, der sonst alles durchzudrücken versteht, die Knie niemals durchdrückt und immer nur auf den Fußspitzen auftritt - aber Staat zu machen braucht man mit ihm ja eigentlich auch wohl nicht.


Die Prunk-Tiara1. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 10. -- S. 38. -- 1903-03-08

Fast frivol mag man es nennen,
Aber offen muss ich sagen:
Wären nicht die frommen Bilder
In dem Rankenwerk zu schauen,
Müsste jedermann das Kunstwerk,
Das sich dreigeteilt emporbaut,
Für die schönste Bowle halten,
Dargebracht von frommen Gläub'gen,
Dass der heil'ge Vater Stärkung
Und Erquickung aus ihr schlürfe
Nach des Tages Last und Müh.
Schade, dass das Prunkstück unten
Offen und geschlossen oben,
Dass es nichts als eine Mütze
Darstellt, die wohl kaum bequem sitzt,
schade, wirklich schade drum.

1 Tiara

"Tiāra (griech.), die Kopfbedeckung der persischen Könige, von aufrechtstehender Form mit darum geschlungenem Diadem; dann die hohe päpstliche Krone, anfangs eine helmartige Mütze aus weißem Stoff mit edelsteingeschmücktem Goldreifen am untern Rand, an dessen Stelle Ende des 13. Jahrh. eine Zackenkrone trat."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


Abb.: Tiara, einmal richtig, einmal verkehrt herum
[Bildquelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Trieraro, die Jesuiten sind do!. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 11. -- S. 44. -- 1903-03-15

Welche Gefühle hatte Nausikaa1 beim Anblick des Odysseus?

1 Nausikaa (Ναυσικάα): Tochter des phaiakischen Königs Alkinoos und seiner Frau Arete. Nach Homers Odyssee findet Nausikaa am Strand einen Fremden, der offensichtlich Schiffbruch erlitten hat. Nausikaa bringt ihn an den väterlichen Hof, wo er sich während des Gastmahls als Odysseus zu erkennen gibt und einen Bericht seiner Irrfahrten gibt.


Die Kirche an den Staat. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 11. -- 1. Beiblatt. -- 1903-03-15

Wir wollen um die Schule uns nicht schlagen,
Wir teilen sie zufriedenen Gesichts.
Ich lasse gern dich alle Lasten tragen,
Gib mir nur ihren Geist! Sonst will ich nichts.


Die Bibel wird verbrannt. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 11. -- 3. Beiblatt. -- 1903-03-15

Auf den schönen Fidschi-Inseln
Lehrten fromme Methodisten,
Und die Fidschileute wurden
Brave evangel'sche Christen.

Auch erhielt ein jeder Fidschi
Bei der Taufe eine Bibel;
Doch da kamen Jesuiten,
Und da gings den Fidschis übel.

Jede Fidschiseele wurde
Flink katholisch umgeknetet,
Und verdammen musst' der Fidschi.
Was er jüngst erst angebetet.

Musst' die Bibeln al' verbrennen,
Das ist keine Fidschifabel.
Also lösten Jesuiten
Kinderleicht das Bibel-Babel.


Der moderne Totentanz. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 11. -- 3. Beiblatt. -- 1903-03-15

Und was im Sonnenlicht scharf und grell
Sich schied in Glaubensfeinde,
Das schlummert hier unkofessionell
Im Friedhof der Gemeinde.
Doch schlägt die Turmuhr Mitternacht,
Dann steigen sie aus den Gräbern sacht
Und hängen auf Weide und Esche
Die überflüssige Wäsche.

Miss Duncan1 hätt' ihre helle Freud'
An diesen Männern und Weibern,
Sie tanzen, da nicht die Scham gebeut,
In ihren bloßen Leibern.
Sie fassen sich zierlich an die Hand,
Ob Katholik, ob Protestant.
Das ist eine böse Schule,
Liegt man so Kuhl' an Kuhle.

Doch was katholisch ist, lässt voll Graun
Die Partner plötzlich stehen;
Sie haben über den Kirchhofzaun
Den Dr. Porsch² gesehen.
Sie reißen die Laken vom Weidenbusch
Und fahren hinunter in einem Husch,
Dass er nur nicht sie beide
Auch noch im Grabe scheide.

1 Isadora Duncan (1877 - 1927): Tänzerin und Choreografin.

² Felix Porsch (1853 - 1930)

"Porsch, Felix, deutscher Politiker, geb. 30. April 1853 in Ratibor, seit 1879 Rechtsanwalt in Breslau, gehörte 188 1–93 als Mitglied der Zentrumsfraktion dem Reichstag und seit 1884 ununterbrochen dem preußischen Abgeordnetenhaus an, dessen erster Vizepräsident er seit 1903 ist. P. ist Vorsitzender der Zentrumsfraktion des Abgeordnetenhauses, Mitglied des Kolonialrats, Justizrat, Rechtsanwalt am Oberlandesgericht Breslau, richterliches Mitglied des fürstbischöflichen Konsistoriums, päpstlicher Geheimkämmerer di spada e cappa; auch war er 1899 Vorsitzender der Kommission des Abgeordnetenhauses, die über die Einführungsgesetze zum Bürgerlichen Gesetzbuch beriet, und führte den Vorsitz bei den Katholikenversammlungen 1892 in Mainz und 1904 in Regensburg."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


Die Wacht am Rhein1 (für die schwarzen Husaren bearbeitet). -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 15. -- 1. Beiblatt. -- 1903-04-12

Es braust ein Ruf wie Donnerhall:
Herbei ihr Dunkelmänner all,
Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein!
Nicht lang, so wird er römisch sein.
:|: Papst Leo, du magst ruhig sein :|:
:|: Bald kommen doch die Jesuiten 'rein :|:

Mit langem Hut, mit schwarzem Rock,
So kommen heimlich Schock für Schock;
Mit List und Ränken fest und stark
Umgarnen sie die Landesmark.
:|: Papst Leo, du magst ruhig sein :|:
:|: Bald kommen doch die Jesuiten 'rein :|:

So lange wacht der Jesuit,
So lang das Volk zum Beichtstuhl zieht.
So lang der Rhein das Ufer netzt,
So lange wird von uns gehetzt.
:|: Papst Leo, du magst ruhig sein :|:
:|: Bald kommen doch die Jesuiten 'rein :|:

Der Schwur erschallt, die Woge rinnt,
Den Weihrauch treibt umher der Wind.
Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein!
Nicht lang, so wird er unser sein.
:|: Papst Leo, du magst ruhig sein :|:
:|: Fest steht die Wacht, die Wacht am Rhein :|:

1 Die Wacht am Rhein / von Max Schneckenburger, 1840

1. Es braust ein Ruf wie Donnerhall,
Wie Schwertgeklirr und Wogenprall:
Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein,
Wer will des Stromes Hüter sein?
|: Lieb' Vaterland, magst ruhig sein, :|
|: Fest steht und treu die Wacht am Rhein! :|

Melodie zur Wacht am Rhein

[Quelle der .mid-Datei: http://ingeb.org/Lieder/esbraust.html . -- Zugriff am 2009-12-27]



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Rückkehr von Rom : Nachtstück1 nach Callots2 Manier. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 20. -- 1. Beiblatt. -- 1903-05-17

In hoc signo non vinces³.

1 Anspielung auf E. T. A. Hoffmann: Fantasiestücke in Callots Manier (1814), auf die 1817 Nachtstücke folgten

2 Jacques Callot (1592 -1635): Zeichner, Kupferstecher und Radierer

³ In hoc signo non vinces (lateinisch) = In diesem Zeichen wirst du nicht siegen. Anspielung auf In hoc signo vinces

"In hoc signo vinces (lat., »in diesem Zeichen wirft du siegen«, abgekürzt I. H. S.; griech.: ἐν τούτω νίκα, die Inschrift, die nach Eusebios dem Kaiser Konstantin d. Gr., als er wider Maxentius zog, neben dem Bilde des Kreuzes am Himmel erschienen sein soll."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]



Abb.: Ein erschreckendes Bild. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 22. -- S. 88. -- 1903-05-31

Was für ein Bild sich nach der falschen Zeitungsnachricht, dass im Berliner Dom die Statue Kaiser Karls V.1 aufgestellt werden solle, einige Leser von der Ausschmückung des neuen Doms gemacht haben.

1 Karl V. (1500 - 1558): 1530 durch den Papst zum Kaiser gekrönt.


An Fürstbischof Kopp1. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 24. -- S. 94. -- 1903-06-14

Du meinst, dass zu frech der "Gornoslazak"²
In Kattowitz sein Handwerk treibt,
Und wenig ist nach deinem Geschmack,
Was hetzerisch jeden Tag er schreibt.
Wer sollte nicht mit dir ergrimmen,
Wenn den Beichtstuhl er eine "Marktbude" nennt?
Nur muss und dabei bedenklich stimmen,
Dass gründlich er doch den Beichtstuhl kennt.

1 Georg Kopp (1834 - 1914)

"Kopp, Georg, Kardinal und Fürstbischof von Breslau, geb. 27. Juli 1837 in Duderstadt als Sohn eines Webers, besuchte das Gymnasium in Hildesheim, war 1856–58 Telegraphist im hannoverschen Staatsdienst, studierte 1858–61 in Hildesheim Theologie und ward 1862 Priester. Nachdem er Schulvikar in Henneckenrode und Kaplan zu Detfurt gewesen, ward er 1865 Hilfsarbeiter am Generalvikariat in Hildesheim, 1872 Generalvikar und Domkapitular und 1881 Bischof von Fulda. Trotz der gehässigsten Anfeindungen seitens der ultramontanen Presse bemüht, ein friedliches Verhältnis der Kirche zur preußischen Regierung herzustellen, unterstützte er den Papst Leo XIII. bei den Verhandlungen über die Revision der Maigesetzgebung. Zum Mitgliede des Herrenhauses ernannt, nahm er 1886–87 an den Beratungen über die neuen Kirchengesetze vom 21. Mai 1886 und 30. April 1887 hervorragenden Anteil, gab auch im Namen des Papstes bindende Erklärungen ab. Der Papst ernannte ihn 1887 mit Zustimmung der preußischen Regierung zum Fürstbischof von Breslau, 1893 zum Kardinal."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

² eine polnische Tageszeitung: Górnoślązak : pismo codzienne. - Katowice. --  13.1914 - 18.1919 nachgewiesen


Aus dem schwarzen Liederbuch. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 29. -- S. 115. -- 1903-07-19

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten1,
Dass ich noch protestantisch bin;
Ich werde katholisch bei Zeiten,
Das bringt den meisten Gewinn.

1 Die Lorelei / von Heinrich Heine, 1822

1. Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Daß ich so traurig bin,
Ein Märchen aus uralten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.
Die Luft ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig fließt der Rhein;
Der Gipfel des Berges funkelt,
Im Abendsonnenschein.

Melodie zur Lorelei

[Quelle der .mid-Datei: http://ingeb.org/Lieder/ichweiss.html . -- Zugriff am 2009-12-28]


Zur Papstwahl1. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 31. -- S. 122. -- 1903-08-02

Sagt, o sagt, wen wird man wählen?
Wird's ihm nicht an etwas fehlen,
Was dem Papst nicht fehlen darf?
Wird er kräftig, laut und scharf
Fluchen können? Wenn's nur nicht
Einer wird, der milde spricht:
"Nicht will fluchen ich, will segnen
Auch die Ketzer!" Sollt's begegnen
Jetzt der Kirche, wäre sie
So blamiert doch wie noch nie.
Leute drum mit weichem Herzen
Wären sorglich auszumerzen,
Eh' man bald die Kardinäle
Führt in des Konklaves Säle.

Wär's nicht gut, erst zu versuchen
Durch ein Wett- und Probefluchen
Stets in solchem ernsten Falle,
Ob des Postens würdig alle?
Mit den Ketzern, wie's ja üblich
Fängt man an, denn nicht betrüblich
Ist es auch für diese. Scheint
Schlimm es auch, es ist gemeint
Nicht so böse, wie wir wissen.
Wenn die Ketzer sind verrissen,
Sind die Flucher anderweitig
Zu beschäft'gen: gegenseitig
Müssen sie alsdann versuchen,
In den Boden sich zu fluchen.
Viele werden bald schon schweigen,
Wen'ge nur sich fähig zeigen,
Fluchend weiter noch zu fechten.
Leicht so findet man den Rechten,
Der allein in wildem Grimme
Stets noch flucht mit kräft'ger Stimme.
Dieser ist der einzig Wahre,
Ihm drum reicht man die Tiare²,
Und rings schallt es: "Jubilemus!
Novum Papam jam habemus!"³

1 Am 20. Juli 1903 ist Papst Leo XIII. (geb. 1810) (Papst seit 1878) gestorben

² Tiara = Papstkrone

³ Jubilemus! Novum Papam jam habemus! (lateinisch) = "Lasst uns jubeln! Wir haben schon den neuen Papst!"



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Wettspringen: Das nächste Mal besser, Eminenz Rampolla!. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 32. -- 1. Beiblatt. -- 1903-08-09

Erläuterung: Bei der Wahl des Nachfolgers des verstorbenen Papstes Leo XIII. legte der österreichische Kaiser Franz Joseph I. ein Veto gegen die Wahl von Kardinalstaatssekretär Mariano Rampolla, Marchese del Tindaro (1843 - 1913) ein. Gewählt wurde dann stattdessen Giuseppe Melchiorre Sarto (Pius X.).

"Die Regierungen in Wien und Berlin sahen in Rampolla wohl nicht zu Unrecht den eigentlichen Gestalter der päpstlichen Außenpolitik, deren Ziele sie beargwöhnten. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch das Scheitern Rampollas im Konklave von 1903. Nach dem Tod Leos XIII. (20.7. 1903) galt der begabte Kardinalstaatssekretär als aussichtsreichster Kandidat für das Papstamt. In den beiden ersten Wahlgängen erhielt er jeweils die höchste Stimmenzahl. Zu Beginn des dritten Wahlgangs sprach jedoch Kardinal Puzyna von Krakau im Namen Kaiser Franz Josephs von Österreich die Exklusive, eine Art Veto, gegen Rampolla aus. Ein solches Ausschließungsrecht, das katholische Monarchen für sich in Anspruch nahmen, war zuletzt 1830 ausgeübt worden. Der Heilige Stuhl hat diese Praxis nie anerkannt; folglich protestierte das Kardinalskollegium einmütig gegen den Eingriff der weltlichen Macht in eine innerkirchliche Angelegenheit. Zwar stieg die Stimmenzahl für Rampolla im dritten Wahlgang noch einmal an, fiel dann aber ab, so dass schließlich im siebten Wahlgang am 4.8. 1903 die Entscheidung zugunsten von Kardinal Giuseppe Sarto ausfiel, der als Papst Pius X. den Stuhl Petri bestieg. Neben politischen Gründen, der Abneigung gegen den dezidiert frankophilen Rampolla, dürften persönliche Motive den Kaiser zu seinem außergewöhnlichen Schritt bewogen haben: der Wiener Hof verübelte der Kurie noch immer die kühle Reaktion auf den Freitod von Kronprinz Rudolf im Jahre 1889, die sog. `Mayerling-Affäre', wofür Rampolla als verantwortlich galt. Ob er ohne das Einschreiten des österreichischen Kaisers wirklich zum Papst gewählt worden wäre, bleibt hingegen zweifelhaft, denn in und außerhalb der Kurie war der Ruf nach einem `Seelsorgepapst' als Nachfolger des `Diplomatenpapsts' laut geworden. Jedenfalls brach Rampollas Karriere abrupt ab."

[Quelle: Christof Dahm. -- http://www.bautz.de/bbkl/r/rampolla_d_t.shtml. -- Zugriff am 2004-11-16]  



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Die neueste Errungenschaft. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 34. -- 1. Beiblatt. -- 1903-08-23

Von der Agitationsschule für die Zentrumspartei, die für Arbeiter und Bauern bestimmt ist, verspricht sich die Parteileitung großen Erfolg.


Stoßseufzer. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 38. -- 1. Beiblatt. -- 1903-09-20

Sehr lustig ist das Kartenspiel,
Weswegen es auch mir gefiel,
Da ich noch lebte schlicht und karg,
Als Kardinal und Patriarch.

Doch seit ich Papst geworden bin,
Da sinn ich her und sinn ich hin,
Und grübeln muss ich kreuz und quer:
Wo krieg ich meine Partner her?

Ein König oder Kaiser hat
Doch seinesgleichen noch zum Skat;
Nur ich, der Papst, hab in der Welt
Nicht einen, der mir gleichgestellt!



Abb.: Die Generalsynode1. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 46. -- 2. Beiblatt. -- 1903-11-15

Die Vermehrung der Sonnenflecke beeinflusst wieder einmal das Klima auf der deutschen Erde ungünstig.

1 Vom 1903-10-15 bis 1903-11-04 tagte in Berlin die fünfte preußische Generalsynode der evangelischen Landeskirche. Auf der Tagesordnung standen u. a. die Erhöhung des Witwen- und Waisenfonds, die Besetzung theologischer Professuren, die Jesuitenfrage und die Frage der Feuerbestattung.


Freiheitstraum. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 47. -- 1. Beiblatt. -- 1903-11-22

Wenn die Frauen zwar Studenten
Werden, doch nur in Segmenten
Treiben dürfen Politik,
Wenn die strammsten Korporale
Schlagen so und so viel Male
Die Rekruten dünn und dick,
Dann - hurra, hurra, hurra - glüht der Freiheit Morgenrot!

Wenn die Frömmelei der Pfaffen
Mit reaktionären Waffen
Alle Schulen reformiert,
Und die Städte-Selbstverwaltung
In parademäßger Haltung
Vor dem Staate salutiert,
Dann - hurra, hurra, hurra - glüht der Freiheit Morgenrot!

Wenn der biedere Ostelber
Beim Verkaufe seiner Kälber
Schlauen Handelssinn beweist,
Und den Kaufmann, der an Schienen
Oder Weizen will verdienen,
Einen Blutaussauger heißt,
Dann - hurra, hurra, hurra - glüht der Freiheit Morgenrot!

Wenn die Scharen orthodoxer
Dunkelmänner wie die Boxer
Jeden Zweifler niederhaun,
Und die Diener frommer Liebe
Sich durch welchselseitge Hiebe
In demütgem Sinn erbaun,
Dann - hurra, hurra, hurra - glüht der Freiheit Morgenrot!

Wenn nach heilgen Traditionen
Kasten bei einander wohnen
Brüderlich, doch scharf getrennt,
Und wenn zu den höchsten Stufen,
Die die Staatenlenker schufen,
Steigt empor der Corpsstudent,
Dann - hurra, hurra, hurra - glüht der Freiheit Morgenrot!

Wenn der Freiheit Flammen strahlen
Überall in Opferschalen
Wie bei uns im Deutschen Reich,
Wenn die Herren und die Knechte,
Wenn die Bürger vor dem Rechte
Alle wie bei uns sind gleich,
Dann - hurra, hurra, hurra - glüht der Freiheit Morgenrot!
 


Demonstranda1. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 50. -- 1. Beiblatt. -- 1903-12-13

In Lourdes, dem schönen frommen Ort,
Geschehen Wunder fort und fort,
Und frech verleugnen kann sie nur,
Wer eine Ketzer-Kreatur.
Weit schlimmres als der schlimmste Star
Ergreift den, der des Glaubens bar;
Doch weil der Zweifel weiter frisst
Mit Teufelsbosheit, Teufelslist,
So wird, und das soll bald geschen,
Zu Rom ein hoh Konzil erstehn,
Dem Männer höchster Geisteskraft,
Die Zierden jeder Wissenschaft,
Doctores medicinae gar
Beweisen werden klipp und klar,
Dass alles, was in Lourdes geschehn,
Als reinste Wahrheit anzusehn.

Sehr gut! Vielleicht beweisen sie
Auch gleich noch der Astronomie,
Dass sie auf falschem Wege geht,
Und dass die Erde stille steht,
In Rom, das leuchtet jedem ein,
Kann der Beweis nicht schwierig sein!

1 demonstranda (lateinisch) = zu Beweisendes


Aufruf, vorgetragen vom bayerischen Abgeordneten Stadtpfarrer Kohl1. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 52. -- S. 206. -- 1903-12-27

Frisch auf, mein Volk! Die Scheiterhaufen rauchen,
Hell an der Isar strahl der Freiheit Licht.
Moderne Dichtung können wir nicht brauchen;
Frisch auf, mein Volk! Die Scheiterhaufen rauchen,
Her mit den Büchern, Bayern, zaudert nicht!
Vernichtet alle Formen, alle Platten,
Sofern ihr nur die meine dabei schont,
Und was versäumt die Staatsanwälte hatten,
Vollende, Volk, das unterm Krummstab wohnt.

Zerbrich die Pflugschar auf den Zeitungsschreibern,
Sobald sie schreiben, was nicht approbiert!
Du sollst dein Haus von ihren Schriften säubern
Und wirst dabei von deines Haushalts Schreibern
In unserm Auftrag täglich kontrolliert.
Du darfst auch nicht bei einem Kaufmann kaufen,
Der eine liberale Zeitung hält:
Die Losung sei, sobald du mal willst - trinken
Katholisch Bier für gut katholisch Geld.

Der Himmel hilft, wir helfen den Gerichten;
Drauf, wackre Richter, konfisziert drauf los!
Fort mit den Bildern, fort mit den Gedichten,
Die Paragraphen kümmern uns mitnichten,
Den eitler Menschenwitz erfand sie bloß.
Dann werden dir der Freiheit Freuden winken,
Und als lebendiges Kultursymbol
Soll neben einer vollen Maß dir blinken
Solide Weißwurst eingerahmt von Kohl.

1 Anton Kohl (1851-1913): Pfarrer, Domkapitular, Abgeordneter



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Der schwarze Bachem1.-- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 52. -- Beilage. -- 1903-12-27

1 Karl Bachem (1858 - 1945)

"Bachem, Karl, deutscher Politiker, Bruder des vorigen, geb. 22. Sept. 1858 in Köln, studierte die Rechte und wirkt seit 1887 in Köln, kurze Zeit auch in Berlin, als Rechtsanwalt. Er vertritt seit 1889 Krefeld im preußischen Adgeordnetenhaus und seit 1890 auch im Reichstag als Mitglied der Zentrumspartei. Sowohl in diesen Körperschaften als auf den Katholikenversammlungen trat er oft als gewandter Redner auf und wurde bald, namentlich seit Liebers Tode (1902), einer der angesehensten Führer seiner Partei. Er gab eine Erläuterung des Reichsgesetzes über die Gewerbegerichte (Köln 1890) heraus."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


Beichtväterstreik. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 56, Nr. 52. -- 1. Beiblatt. -- 1903-12-27

Ich starre an mit offnem Munde
Des "Klassenkampfes" neusten Zweig:
Aus München tritt die dunkle Kunde
Vom plötzlichen Beichtväterstreik.

Die schwarzen Herren hat verdrossen
Des "Arbeitgebers" Übermut.
Drum haben sie den Streik beschlossen
Am Krankenhaus in blinder Wut.

Den Trost versagen sie den Kranken
- Natürlich zu des Höchsten Ruhm.
Man kriegt da allerlei Gedanken
Von dieser Herren Christentum.

O kehrt zurück  zu euren Werken
Der Nächstenliebe, eh's zu spät.
Sonst könnte mancher Kranke merken,
Dass es auch ohne Beichte geht.


1904



Abb.: Motu proprio. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 2. -- S. 8. -- 1904-01-10

Die ultramontane Presse wird vom Papst mit der Präventivzensur beglückt.



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Erzbischof Dr. Kohn1 in Rom. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 4. -- 1. Beiblatt. -- 1904-01-24

Man kann einen Schwamm pressen soviel man will - sobald man ihn loslässt, wird er wieder seine frühere Gestalt annehmen.

1 Theodor Kohn (1845 - 1915)

"Kohn, Theodor, Fürst-Erzbischof von Olmütz, geb. 22. März 1845 in dem tschechisch-mähr. Gebirgsdorf Brzeznitz, von Eltern jüdischer Abkunft, ward 1871 zum Priester geweiht und Kaplan in Wsetin und 1873 Religionsprofessor. 1874 berief ihn der Kardinal-Erzbischof Landgraf Fürstenberg als Zeremoniär, 1875 erwarb er die theologische Doktorwürde, wurde dann Konsistorialrat, päpstlicher Kämmerer und Professor des Kirchenrechts an der theologischen Fakultät zu Olmütz; auch veröffentlichte er einige Abhandlungen über Kirchenrecht und andres, teilweise in tschechischer Sprache. Als der Kardinal Fürstenberg 1883 erkrankte, übertrug er K. die Verwaltung der Diözese und ernannte ihn zum Kanzler des Erzbistums. 1887 wurde er Domherr. Im November 1892 wurde er an Stelle des verstorbenen Kardinals zum Fürst-Erzbischof erwählt. Seine Strenge insbes. bei der Verwaltung der großen dem Erzbistum gehörigen Güter erzeugte ihm mancherlei Gegnerschaft, Prozesse und Angriffe durch die Presse. Auch der niedere Klerus fand Grund zu Klagen, und berühmt wurden die nach dem anonymen Autor genannten, in einem tschechischen Olmützer Blatt Anfang 1903 erschienenen »Rectus-Briefe«. Bei dem Versuche, den Verfasser zu ermitteln, geschah ein Missgriff, indem ein Unschuldiger vom Erzbischof interniert wurde, worauf sich P. Hofer aus Zabrzeh zur Verfasserschaft bekannte. Im weitern Verlaufe dieser Angelegenheit wurde der Erzbischof im Juni und wiederum im Dezember 1903 nach Rom berufen und dankte, nachdem das sogen. ökonomische Verfahren der Kongregation des Konzils zu seinen Ungunsten entschieden hatte, dem Wunsche des Papstes zuvorkommend, freiwillig ab (14. März 1904). Er lebt jetzt auf dem von ihm erkauften Gut Ehrenhausen in Steiermark."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]



Abb.: Die Austreibung des Teufels. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 5. -- S. 20. -- 1904-01-31

Der Antrag des Grafen Moy1, der den bayerischen Geistlichen das passive Wahlrecht für den Landtag und damit die Diäten entziehen will, muss mit allen Mitteln bekämpft werden.

1 vermutlich Ernst, Graf von Moy (1860 - 1922)



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Spahn1, der Beschützer der Secession2. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 8. -- 3. Beiblatt. -- 1904-02-21

Er meint es so gut mit ihm3, dass Misstrauen geboten ist.

1 Peter Spahn (1846 - 1925): 1884 - 1916 Abgeordneter der Zentrumspartei im Deutschen Reichtag. Vertreter des bürgerlich-konservativen Flügels des Zentrums.

2 Secession: Kaiser Wilhelm II. hatte beschlossen, dass für die Weltausstellung in St. Louis nur traditionelle Kunstwerke aus Deutschland geschickt werden dürfen. Gegen diese Entscheidung bildete sich großer Protest. Die Vertreter der Moderne hatten sich u.a. in der "Secession" zusammengeschlossen, der  Maler wie Walter Leistikow und Fritz Klimsch angehörten. Spahn hat sich dafür eingesetzt, dass auch Werke der Secessionisten in St. Louis ausgestellt werden.

³ Max Liebermann (1847–1935): Maler


Abb.:
Max Liebermann (1847–1935): Max Liebermann: Zwei Reiter im Meer, nach 1900


Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Max Liebermann. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 50. -- Beilage. -- 1904-12-11


Eine Pilgerfahrt. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 9. -- S. 35. -- 1904-02-28

Ein Comité französischer und italienischer Ärzte fordert zu einer Pilgerfahrt katholischer Ärzte nach Rom auf; dort würden Vorlesungen über medizinische Wunder, namentlich die Wunderheilungen von Lourdes gehalten werden.

Ihr Herren Mediziner spart, ci, ca, einer spart
Zu einer großen Pilgerfahrt, Pi, Pa, Pilgerfahrt.
Kommt nur in großen Scharen
Zur ewigen Stadt gefahren
Von Westen und von Osten!
Es wird euch nicht viel kosten. Ach herrje, herrjemine!

Kommt alle her von weit und breit, wi, wa, weit und breit;
Denkt an die ewge Seligkeit, Si, Sa, Seligkeit.
Wer hier nicht ist zur Stelle,
Der fährt dereinst zur Hölle.
Drum naht mit frommen Mienen
Und lasst uns was verdienen. Ach herrje, herrjemine!

Es wird hier vordemonstriert, di, da, demonstriert,
Wie durch ein Wunder ward kuriert, wi, wa, ward kuriert
Karbunkel, Diphteritis,
Sterilität, Rachitis,
Katarrh - Sapienti satis1!
Und alles beinah gratis! Ach herrje, herrjemine!

Und klingt's den Ketzern auch absurd, i, a, auch absurd,
So war's ein Wunder doch in Lourdes, di, da, doch in Lourdes,
Ein rechtes, rechtes Wunder.
Die Krankheit fiel wie Zunder.
Das sieht der Orthodoxe;
Wer's nicht sieht, ist ein Ochse! Ach herrje, herrjemine!

Was ihr gelernt, das wendet dann, wi, wa, wendet dann
Daheim in eurer Praxis an, Pri, Pra, Praxis an.
Das heißt, schickt eure Kunden
Zu uns, dass sie gesunden,
Schickt uns in ganzen Herden
Die, die nicht alle werden. Ach herrje, herrjemine!

Und wird auch mancher kränker noch, kri, kra, kränker noch;
So kommt er in den Himmel doch, Hi, Ha, Himmel doch.
Viel besser, gläubig sterben
Und 's Himmelreich erwerben,
Als ungläubig genesen,
Ein sichrer Fraß des Bösen! Ach herrje, herrjemine!

Erklärung: nach "Freifrau von Droste-Vischering", ein Spottlied von Rudolf Löwenstein (1844):

Freifrau von Droste-Vischering, Vi-, Va-, Vischering,
zum heilgen Rock nach Trier ging, Tri-, Tra-, Trier ging.
Sie kroch auf allen Vieren,
sie tat sich sehr genieren,
sie wollt gern ohne Krücken
durch dieses Leben rücken. Ach herrje, herrjemine, ach, herrje, herrjemine,
ach herrje, herrjemine – Josef und Maria!

usw.


Entheiligung. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 9. -- 1. Beiblatt. -- 1904-02-28

Ein großes Wunder ist wieder geschehn:
Rom hat sich entschlossen, einzugestehn,
Dass auch ein wirklicher Heiligenschein
Scheinheiligen kann verliehen sein.

In de der Sankt Markus Basilika
Wurde verehrt Fortissima1;
Man nannte sie heilig, rief an sie gern,
Wie es geschieht mit Märtyrern.

Seit langen Jahren war dies der Brauch,
Die Gläubigen sahen ein Fläschchen auch
Mit ihrem Blute, und es geschah
Viel Frommes bei Sancta Fortissima.

Nun wurde auf einmal es offenbar,
Dass nicht ein bisschen von allem wahr.
Verschwendet all die Reverenz:
Das Fläschchen enthält nur Riechessenz.

Und weiter fand sich noch, sapperlot,
Sie starb gar nicht den Martertod!
Zu Unrecht trägt sie den Heiligenschein
Und muss sogleich konfiszieret sein.

Gesagt, getan! Fortissima
Entfernt man aus der Basilika.
Das Volk, das immer ihr viel vertraut,
Ist von der Entdeckung wenig erbaut.

Auch uns erscheint es bemerkenswert,
Dass man mit Heiligen so verfährt.
Wer weiß, am Ende passiert so was
Auch noch der Sancta Simplicitas2.

1 Noch 1842 war erschienen:

Bartolini, Domenico:  Iscrizione posta al sepolcro della santa martire Fortissima, nel cimitero suburbano di Santa Ciriaca / illustrata da monsignore Domenico Bartolini, e letta nell' Accademia romana d'archeologia, il giorno 7 aprile 1842. -- Roma : Tip. delle belle arti, 1842. -- 32 S.


Abb.: Titelblatt

² sancta simplicitas (lateinisch) = heilige Einfalt

"O sancta simplicĭtas! (lat., »o heilige Einfalt!«), Ausruf, den Hus auf dem Scheiterhaufen getan haben soll, als er sah, wie eine Bauernfrau glaubenseifrig ihr Stück Holz zu den Flammen herbeitrug."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]



Abb.: Das Hintertürchen. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 10. -- S. 38. -- 1904-03-06

 Die Ratten: O seht, da hat der brave Studt uns ein Hintertürchen aufgemacht. Rasch hinein! Wenn wir erst drinnen sind, kann keine Macht der Hölle uns wieder austreiben.

Erläuterung: Am 1904-01-23 hob der preußische Kultusminister Konrad Heinrich Gustav von Studt (1838 - 1921) das Verbot religiöser Schülerverbindungen und der Marianischen Kongregationen an den höheren Schulen auf. Auch fünf weitere Erlasse aus der Kulturkampfzeit werden aufgehoben, die sich gegen den Einfluss der katholischen Kirche im Schulwesen gerichtet hatten.

"Marianische Kongregationen (Marianische Sodalitäten), religiöse Vereinigungen in der katholischen Kirche mit dem Zweck, die sittliche Reinheit und Tugend ihrer Mitglieder zu fördern und sie für ihren besondern Berufsstand tüchtig zu machen. Als das vornehmste Mittel der Tugendförderung gilt die Marienverehrung. Die Marianischen Kongregationen waren in ihrer ursprünglichen, von dem belgischen Jesuiten Johannes Leunis (Leonis, geb. 1535, gest. 1584) im Collegium Romanum (s. d.) 1563 geschaffenen und bald in den jesuitischen Kollegien Belgiens und Frankreichs, Österreichs und Deutschlands verbreiteten Gestalt Schülervereinigungen. Die römische Kongregation wurde 1584 von Papst Gregor XIII. kirchlich gutgeheißen, mit Ablässen versehen und zur Stammkongregation (Erzbrüderschaft) erhoben. Infolge des dem Jesuitengeneral durch Sixtus V. 1586 zuerkannten Rechtes, jede unter der Pflege seiner Gesellschaft stehende, aus Gläubigen männlichen Geschlechts beliebigen Standes zusammengesetzte Kongregation der römischen Stammkongregation anzuschließen, wurden die Marianischen Kongregationen auf die katholische Männerwelt überhaupt ausgedehnt. Leo XII. ermächtigte 1825 den Jesuitengeneral, jede kanonisch, d. h. mit Zustimmung des Diözesanbischofs, errichtete Marianische Kongregation, gleichviel wo und von wem sie gegründet sei, auf ihr Ansuchen der römischen Stammkongregation anzugliedern. Kann diese Erweiterung der Marianischen Kongregationen auf nichtjesuitische Gründungen theoretisch als eine Einschränkung des jesuitischen Monopols angesehen werden, zumal ein Zwang für die Marianischen Kongregationen, sich der Mutterkongregation anzuschließen, nicht besteht, so ist doch tatsächlich der jesuitische Einfluss stets der beherrschende gewesen. Die Verbreitung ist sehr groß und ständig im Wachsen begriffen: 1824 zählte man 2476, von 1829-92 weitere 16,674, von 1892-99: 4568 der römischen Kongregation angegliederte M. K., die sich hauptsächlich aus Schülern, Studenten, jungen Kaufleuten und Handwerkern zusammensetzen. M. K. von Frauen und Jungfrauen sind seit dem 18. Jahrh. gestattet, aber niemals zur Blüte gekommen. In Preußen wurden die Marianischen Kongregationen 1872 zusammen mit dem Jesuitenorden aufgehoben, durch Ministerialerlass vom 23. Jan. 1904 aber wieder gestattet. Vgl. Niederegger, Der Studentenbund der marianischen Sodalitäten (Regensb. 1884); Delplace, Histoire des congrégations de la sainte vierge (Lille 1884); Martin, Präses- Büchlein der marianischen Kongregationen (Ravensburg 1898); Frey, Der gute Kongreganist (10. Aufl., Paderb. 1899); Eringer, Die Ablässe, S. 659 ff. (12. Aufl., das. 1900); Schneider, Regel- und Gebetbuch für die Mitglieder der Marianischen Kongregationen (26. Aufl., das. 1905). Seit 1895 erscheint in Wien (Verlag Austria) eine »Sodalen-Korrespondenz für M. K.« (jährlich 12 Nummern). Zur Beurteilung der Marianischen Kongregationen vgl. J. Werner, Die Marianischen Kongregationen (in der »Christlichen Welt«, 1904, Nr. 19); Gebhardt, Die Marianischen Kongregationen (Leipz. 1904); »Die Marianischen K. und der Ministerialerlass vom 23. Januar 1904, verfasst und aktenmäßig zusammengestellt von einem Priester der Erzdiözese Breslau« (vom Kardinal Kopp, Bresl. 1904)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Das Ende der Falkschen1 Erlasse : Frei nach der Fabel vom Geizhals und seinem Affen². -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 10. -- 1. Beiblatt. -- 1904-03-06

Einem armen Zentrumsmann gab der Geizige den § 2 des Jesuitengestzes³. Dadurch zu Wohltaten angespornt, verteilte sein geliebtes Haustier in einem unbewachten Moment den Rest der Kulturkampfmünze unter die Bedürftigen. Moral: Gib mir durch Wohltaten ein gutes Beispiel.

1 Adalbert Falk (1827 - 1900)

"Falk,  Adalbert, preuß. Staatsmann, geb. 10. Aug. 1827 zu Metschkau in Schlesien, gest. 7. Juli 1900 in Hamm, studierte die Rechte, trat in den Justizdienst, bearbeitete als Staatsanwalt das für Juristen wichtige Ergänzungswerk zum allgemeinen Landrecht in der 4. Auflage, das sogen. »Fünfmännerbuch« (ursprünglich hrsg. von Gräff, Koch, Wentzel, Rönne und Heinrich Simon), und wurde deshalb in das Justizministerium berufen. Unter dem neuen Justizminister Lippe 1862 zum Appellationsgerichtsrat in Glogau ernannt, ward F. von Leonhardt in das Ministerium zurückberufen und zum vortragenden Rat befördert. 1871 Bevollmächtigter der Regierung im Bundesrat und Mitglied der Kommission für die deutsche Zivilprozessordnung, erhielt F. nach dem Rücktritt des Ministers v. Mühler das Kultusministerium (22. Jan. 1872) und damit die Aufgabe, der katholischen Kirche gegenüber die unveräußerlichen, seit Eichhorn geschmälerten Hoheitsrechte des Staates wieder geltend zu machen. F. löste die Aufgabe durch die sogen. Maigesetze unter heftigem Widerspruch der Klerikalen, allerdings ohne den passiven Widerstand des katholischen Klerus zu brechen. Durch das Schulaufsichtsgesetz befreite er die Volksschule von dem Einfluss der Kirche, vermehrte durch Erhöhung der Gehalte, Vermehrung der Seminare und zweckmäßige Organisation die Zahl der Lehrer und der Schulklassen sehr beträchtlich und setzte der Polonisierung der katholischen Schulkinder in Posen und Westpreußen ein Ziel. Die Universitäten versah er mit reichlichern Mitteln, erhöhte die Ausgaben für die Pflege der Kunst, aber ein Unterrichtsgesetz, welches das Schulwesen fortan gegen Verwaltungswillkür sicherstellen sollte, scheiterte 1876 an den dadurch erwachsenden Mehrkosten. Der evangelischen Kirche Preußens gab F. durch die 1875 von einer außerordentlichen Generalsynode gebilligte und 1876 vom Landtage genehmigte Synodalverfassung für die acht alten Provinzen eine selbständige Stellung, erregte aber damit den Unwillen der orthodoxen Hofpredigerpartei, die erst den von F. berufenen Präsidenten des Oberkirchenrats, Herrmann, stürzte, dann F. selbst 1878 zum Abschiedsgesuch nötigen wollte. Blieb F. 1878 noch im Amte, so nahm er im Juli 1879 den Abschied, als Bismarck aus Anlaß der Zolltarifsverhandlungen im Reichstag sich der Zentrumspartei näherte, und betätigte sich nur noch parlamentarisch. Seit 1858 dem Abgeordnetenhaus angehörend, ward er 1867 in den konstituierenden Reichstag und seit 1873 wiederum gewählt, zog sich aber nach seiner Ernennung zum Präsidenten des Oberlandesgerichts in Hamm 1882 vom politischen Leben ganz zurück. Eine Sammlung seiner »Reden 1872–1879« (Berl. 1880) blieb unvollendet. Vgl. H. R. Fischer, Adalbert v. F., Preußens einstiger Kultusminister (Hamm 1901)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

² Der Geizige und der Affe / Fabel von Friedrich von Hagedorn (1708 - 1754)

³ Jesuitengesetz: das Reichsgesetz vom 4. Juli 1872, betreffend den Orden der Gesellschaft Jesu: § 2. Die Angehörigen des Ordens der Gesellschaft Jesu oder der ihm verwandten Orden oder ordensähnlichen Kongregationen können', wenn sie Ausländer sind, aus dem Bundesgebiet ausgewiesen werden; wenn sie Inländer sind, kann ihnen der Aufenthalt in bestimmten Bezirken oder Orten versagt oder angewiesen werden.


Ein Wort zur Zeit. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 11. -- S. 41. -- 1904-03-13

Fortschreitet ja die Welt im Allgemeinen,
Doch sieht man oft auch zu so mancher Leid,
Was schon vergangen schien, aufs Neu erscheinen.

So sind z. B. wieder wir so weit
In Glaubenssachen, wie wir einst schon waren,
Es kehrt zurück die gute alte Zeit.

Mit welcher Freude wohl hat das erfahren
Der selge Windthorst1, als er niedersah
Und sah erfüllt, was er gewünscht seit Jahren.

"Jetzt", rief er fröhlich, "ist die Stunde nah,
Da wiederum wird glänzend triumphieren
Der heilge Ignaz²! Kommen sah ich 's ja.

Dagegen nutzen wird kein Protestieren
Der frechen Ketzer, denn zu uns ja stehn
Diejenigen, die heut den Staat regieren.

Dann werden bald wir es vollendet sehn,
Wonach so lange wir umsonst gerungen,
Ein Wunder wird, ein herrliches, geschehn.

Dasbach³ und Bachem4, habet Dank, ihr Jungen,
Und du, o Spahn5, der ritterlich und keck
Die Lanze für die Secession6 geschwungen!

Ja, ja! Das Mittel heiligt doch den Zweck7!
Schon kommt hervor, was lange sich verborgen
Und schüchtern sich gehalten im Versteck.

Schon fühl ich mich befreit von allen Sorgen.
Mit den Marianern8 fängt die Sache an,
Und die Jesuiten folgen ihnen morgen."

So redet Windthorst, der als kluger Mann
Gegolten schon, als er noch war am Leben,
Und mehr seitdem an Klugheit noch gewann.

Nichts Gutes, fürcht ich, wird es für uns geben,
Es fließt zurück mit großer Kraft der Strom
Der Aufklärung, der vorwärts floss noch eben.

Der heilge Vater in St. Peters Dom
Mag wohl sich als der Herr der Welt gebärden,
Denn unsre Mächtgen neigen sich vor Rom:

Nachgerade ist es zum Katholischwerden.

1 Ludwig Windthorst (1812 - 1891)

"Windthorst, Ludwig. deutscher Politiker, geb. 17. Jan. 1812 in Osterkappeln bei Osnabrück, gest. 14. März 1891 in Berlin, wurde auf dem Carolinum in Osnabrück für den geistlichen Stand vorbereitet, studierte 1831–34 die Rechte, wurde Rechtsanwalt in Osnabrück, dann ritterschaftlicher Syndikus und vorsitzender Rat des katholischen Konsistoriums daselbst und 1848 Oberappellationsgerichtsrat in Celle. Seit 1849 Mitglied der hannoverschen Zweiten Kammer, im unterstützte W. die partikularistische, preußenfeindliche Politik Stüves, wurde 1851 als Führer der ministeriellen Partei Präsident der Kammer, 22. Nov. Justizminister und setzte die Errichtung des katholischen Bistums Osnabrück durch. 1853 schied er aus dem Ministerium und ward wieder Abgeordneter, 1862 in dem Ministerium Brandis-Platen Justizminister, unterstützte die Bemühungen Österreichs, Hannover an seine Politik zu ketten, und ward 21. Okt. 1865 Kronoberanwalt in Celle. Nach der Annexion von 1866 legte er sein Amt nieder und führte 1867 die Verhandlungen mit Bismarck über die Abfindung des Königs Georg, die mit dem Vertrage vom 29. Sept. 1867 endeten. Seit 1867 auch Mitglied des norddeutschen Reichstags und des preußischen Abgeordnetenhauses für Meppen (»Perle von Meppen«), hielt er sich anfangs zurück, nahm 17. Juni 1869 an dem anti-infallibilistischen Laienkonzil in Berlin teil, stellte sich aber zuerst im Reichstag im März 1871, dann auch im Abgeordnetenhaus entschieden an die Spitze der ultramontanen Partei, die er straff zusammenhielt, und mit der er die partikularistischen Elemente der Opposition (Polen und Welfen) gegen die Regierung verschmolz. Schlagfertig und witzig, in allen Künsten sophistischer Dialektik erfahren, errang W. als Führer der Opposition bedeutende rednerische Erfolge, und wenn er auch die Maigesetzgebung nicht hindern konnte, so bereitete er doch Bismarck und Falk durch seine scharfe Opposition manche Schwierigkeiten, verzögerte durch seine zahllosen Reden den Fortgang der Geschäfte und suchte jede Erstarkung der Reichsgewalt zu verhindern. Ein Staatsmann war W. nicht, aber ein ausgezeichneter Parlamentarier. Auf den jährlichen Katholikenversammlungen gab er die politische Parole für die ultramontane Partei aus. Nach seinem Tod erschienen seine »Ausgewählten Reden, gehalten in der Zeit 1851–1891« (Osnabr. 1901–02, 3 Bde.). "

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

² Ignatius von Loyola (Íñigo López de Loyola) (1491 - 1556): Gründer des Jesuitenordens

³ Georg Friedrich Dasbach (1846 - 1907)

"Dasbach, Georg Friedrich, ultramontaner Politiker, geb. 9. Dez. 1846 in Horhausen, studierte in Trier und Rom katholische Theologie und wurde 1871 Kaplan in Trier. Nachdem ihm 1875 die Erteilung des Religionsunterrichts und jede geistliche Amtshandlung verboten worden war, ward er 1884 Aushilfspriester in Trier, widmete sich aber nach wie vor hauptsächlich der ultramontanen Agitation in der Presse und in Vereinen, gründete die »Trierer Landeszeitung«, ward Präsident des Trierer Bauern- und des Trierer Winzervereins und erreichte dadurch seine Wahl 1890 ins Abgeordnetenhaus, 1898 in den Reichstag, obwohl ihn selbst die höhere Geistlichkeit bekämpfte. Er schrieb zahlreiche Wahlbroschüren und wurde in viele Prozesse verwickelt."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

4 Karl Bachem (1848 - 1945)

"Bachem, Karl, deutscher Politiker, Bruder des vorigen, geb. 22. Sept. 1858 in Köln, studierte die Rechte und wirkt seit 1887 in Köln, kurze Zeit auch in Berlin, als Rechtsanwalt. Er vertritt seit 1889 Krefeld im preußischen Adgeordnetenhaus und seit 1890 auch im Reichstag als Mitglied der Zentrumspartei. Sowohl in diesen Körperschaften als auf den Katholikenversammlungen trat er oft als gewandter Redner auf und wurde bald, namentlich seit Liebers Tode (1902), einer der angesehensten Führer seiner Partei. Er gab eine Erläuterung des Reichsgesetzes über die Gewerbegerichte (Köln 1890) heraus."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

5 Peter Spahn (1846 - 1925): 1884 - 1916 Abgeordneter der Zentrumspartei im Deutschen Reichtag. Vertreter des bürgerlich-konservativen Flügels des Zentrums.

6 Secession: Kaiser Wilhelm II. hatte beschlossen, dass für die Weltausstellung in St. Louis nur traditionelle Kunstwerke aus Deutschland geschickt werden dürfen. Gegen diese Entscheidung bildete sich großer Protest. Die Vertreter der Moderne hatten sich u.a. in der "Secession" zusammengeschlossen, der  Maler wie Walter Leistikow und Fritz Klimsch angehörten. Spahn hat sich dafür eingesetzt, dass auch Werke der Secessionisten in St. Louis ausgestellt werden.

7 Der Zweck heiligt die Mittel: wurde den Jesuiten als moralische Maxime zugeschrieben

8 Marianen:  Deutschland erwarb Marianeninseln (außer Guam) von Spanien durch Kauf.



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Kultus und Kultur. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 11. -- 2. Beiblatt. -- 1904-03-13

 Im Schulbezirk Potsdam V zwingt der katholische Schulinspektor und Erzpriester Faber die Lehrer zum Kirchenbesuch, und in Fameck1 verhängt der Bischof von Metz Benzler2 über den Kirchhof das Interdikt3, weil dort ein Protestant begraben worden ist.

Erläuterungen:

1 Fameck (Lothringen): heute: Region: Lorraine Departement: Moselle (57) Arrondissement: Thionville-Ouest Canton(s): Fameck Postleitzahlen: F-57290

2 Benzler:

"Benzler, Willibrord, Bischof von Metz, geb. 16. Okt. 1853 zu Niederhemer bei Iserlohn, verließ 1871 das Gymnasium zu Münster und erhielt seine theologische Bildung in Innsbruck und Beuron, wo er 1874 in den Benediktinerorden eintrat. 1883 ward er Prior im Kloster Seckau, 1887 in Beuron, 1893 Abt des dem Benediktinerorden zurückgegebenen Klosters Maria-Laach, als den ihn Kaiser Wilhelm II. bei zwei Besuchen schätzen lernte. Im Sommer 1901 zum Bischof von Metz ernannt, wirkte er namentlich auf die vielfach französisch gesinnte lothringische Geistlichkeit in nationalem Sinn ein."

[Er verzichtete 1919 auf das französisch gewordene Bistum und wurde vom Papst in den Ruhestand entlassen. 1921 starb er]

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

3 Interdikt: (lat., "Untersagung"), im katholischen Kirchenrecht soviel wie Verbot gottesdienstlicher Handlungen. Der Bischof musste auf öffentlichen Druck hin das Interdikt über den Friedhof am 13. Mai 1904 aufheben.



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Tra, ri, ro - Die Jesuiten sind do! -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 12. -- S. 48. -- 1904-03-20



Abb.: Frühling 1904. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 13. -- S. 50. -- 1904-03-27

O seht, von Süden her ins Land
Kommt  wieder der Lenz gegangen!
Ein Körbchen trägt er in der Hand
Gefüllt mit Blumen und Schlangen.



Abb.: Aus dem Lande des Kuhhandels. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 13. -- S. 52. -- 1904-03-27



Abb.: Wundertätigkeit. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 13. -- 3. Beiblatt. -- 1904-03-27

Die dem Oberbefehlshaber Kuropatkin1 nach dem Kriegsschauplatz² mitgegebenen Heiligenbilder werden bei zweckmäßiger Verwendung nicht verfehlen, ihrem Schützling die Stellung des Feindes zu offenbaren.

1 Alexei Nikolajewitsch Kuropatkin (Алексей Николаевич Куропаткин) (1848 - 1925)

"Kuropátkin, Alexei Nikolajewitsch, russ. General, geb. 29. März 1848, trat 1864 in das turkistanische Schützenbataillon und zeichnete sich 1865 bis 1868 unter Konst. v. Kaufmann so aus, daß er als Chef einer diplomatisch-militärischen Mission zu dem Emir Jakub Chan nach Kaschgar entsandt wurde. Hierauf machte K. 1872–74 die Nikolai-Akademie des Generalstabs durch. 1874 begab er sich als Volontär nach Algier, ging nach seiner Rückkehr (1875) abermals nach Turkistan, hielt sich 1876/77 zum zweiten Male bei Jakub Chan auf und wurde darauf nach Petersburg in den Generalstab berufen, wo er eine Zeitlang Chef der asiatischen Sektion und Adjunktprofessor für militärische Statistik war. Im Türkenkrieg 1877–78 war er Chef des Stabes unter Skobelew sowie (1880–81) Befehlshaber der turkistanischen Schützenbrigade gegen Achal Tekke. 1882 ward er Generalmajor im Generalstab, 1890 Generalleutnant und Gouverneur des Transkaspigebiets, 13. Jan. 1898 Verweser des Kriegsministeriums und bald darauf Kriegsminister. 1901 wurde er zum General der Infanterie, 1902 zum Generaladjutanten befördert und Ende Februar 1904 zum kommandierenden General des aktiven Heeres in der Mandschurei ernannt, aber nach der Niederlage bei Mukden (s. ð Russisch- japanischer Krieg) 16. März 1905 des Oberkommandos enthoben, bereits am 19. jedoch mit dem Befehl über die erste mandschurische Armee betraut. Zahlreiche kriegshistorische und militärische Artikel veröffentlichte er in Zeitschriften. Außerdem schrieb er (in russischer Sprache) ein Werk über Algerien und 1879 eine historisch-geographische Skizze über Kaschgar (engl. Übersetzung, Lond. 1883); ferner: »Lowtscha, Plevna und Scheinowo« (1879), »Die Tätigkeit der Abteilungen des Generals Skobelew im russisch-türkischen Kriege« (1884), beide Werke von Krahmer deutsch bearbeitet u. d. T.: »Kritische Rückblicke auf den russisch-türkischen Krieg 1877/78« (Berl. 1885–90, 3 Bde.), und »Die Eroberung von Turkmenien« (1899; deutsch von Ullrich, Mülheim a. Rh. 1904). Vgl. D. Story, The campaign with K. (Lond. 1904)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

² Russisch-japanischer Krieg (Februar 1904 - September 1905)


Die einzig sittlich erlaubte Partei. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 14. -- S. 55. -- 1904-04-03

Das war vor dem Beuthener Landgericht,
Da hub man zum Streite die Waffen,
Da schimpften mit puterrotem Gesicht
Die oberschlesischen Pfaffen.
Es pries die würdige Klerisei
Die einzig sittlich erlaubte Partei.

Da hieß es: Wer nicht zum Zentrum gehört,
Der ist ein Schwein oder Ochse,
Die andern sind all von der Lüge betört,
So spottete der Orthodoxe.
Vom Wahne des Irrtums ist lediglich frei
Die einzig sittlich erlaubte Partei.

Wer nach dem Gebote der Pfaffen nicht wählt,
Die Seligkeit hat er verloren.
Und wer zu den Demokraten gar zählt,
Muss in der Hölle einst schmoren.
In den Himmel kommt mit Gesang und Schalmei
Nur die einzig sittlich erlaubte Partei.

Wer einen Ungläubigen nimmt ins Haus,
Der ist ein Sünder und Schächer;
Man wirft den Frevler zur Kirche hinaus,
Er entweiht sie, der ekle Verbrecher.
Sein Tun weckt einen entrüsteten Schrei
Der einzig sittlich erlaubten Partei.

So kämpft sie unten als Deutschtums-Hort
Mit wütenden Rachegebärden.
Ach, mit den Polen werden wir dort
Allein schon fertig werden.
Wenn uns der Himmel nur schützt dabei
Vor der einzig sittlich erlaubten Partei!

Und du, o Kanzler1, nährtest du nicht
An deiner Brust eine Schlange?
Wird dir bei diesem Ketzergericht
Vor deinen Freunden nicht bange?
Landgraf, werd hart und mache dich frei
Von der einzig sittlich erlaubten Partei!

1 Fürst Bernhard von Bülow (1849–1929): Reichskanzler von 1900 bis 1909



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Der Große K*) empfängt die vertriebenen Hugenotten (frei nach dem Gemälde von H. Vogel1). -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 14. -- S. 56. -- 1904-04-03

*) Kanzler oder Kurfürst

1


Abb.: Hugo Vogel (1855 - 1934): Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der große Kurfürst, empfängt die aus Frankreich geflohenen Hugenotten im Potsdamer Schloss, 1885


Römische Forschung. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 14. -- 2. Beiblatt. -- 1904-04-03

Mein Sohn, verderbt ist die moderne,
Kritikgenährte Wissenschaft.
Nimm dir den Glauben zur Laterne
Und folge ihr gewissenhaft.

Bei ihrer Leuchtkraft, der geringen,
Schweifst du nicht ab wer weiß wie weit,
Und um nach Rom dich hinzubringen,
Genügt auch ihre Helligkeit.



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Liborius Gerstenberger1 spricht: -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 15. -- S. 58. -- 1904-04-10

Heissa, Jucheissa! Dudeldumdei!
Beim Kollektieren2 bin ich dabei.
Mögen die Bischöfe Kirchen bauen,
Die den Nickel so gut wie die Mark verdauen,
Die Salber, die trotz ihrer Pfründen
Den Weg zu eurer Tasche finden.
Ich rufe: Halt, keinen Pfennig mehr,
Gebt euer Geld für die Presse her!
Für die arme katholische Press,
Ubi erit victoriae spes³,
Wenn ihr fleißig auf sie abonniert,
Sie kolportiert, für sie existiert.
Kirchen gibt es so viel im Land,
Mehr als ich Krüge im Hofbräu fand;
Aber es gibt so manches Haus
Ohne katholisches Blatt, o Graus!
Drum lasst den Kirchenbau bei der Seite
Und sorgt, dass sich unsre Presse verbreite!

1 Liborius Gerstenberger (1864 - 1925): Priester, 1895 Redakteur des "Fränkischen Bauern". Seit 1903 Chefredakteur des "Fränkischen Volksblattes" in Würzburg, ründete 1905 das "Schweinfurter Volksblatt". 1895-1918 gehörte er dem Bayerischen Landtag, 1895-1925 dem Deutschen Reichstag an.

² kollektieren = sammeln

³ ubi erit victoriae spes (lateinisch) = wo es Hoffnung auf Sieg geben wird



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Kopp1 und seine lieben Oberschlesier. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 15. -- 1. Beiblatt. -- 1904-04-10

So kann nur der wahrhaft Starke verzeihen!

1 Georg von Kopp (1837 - 1914): Fürstbischof von Breslau



Abb.: Die feindlichen Brüder. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 16. -- S. 63. -- 1904-04-17

Die Auseinandersetzungen zwischen der evangelischen Orthodoxie und dem Evangelischen Bunde1 erhalten den Segen der katholischen "Germania"².

1 Evangelischer Bund zur Wahrung der deutsch-protestantischen Interessen

"Evangelischer Bund zur Wahrung der deutsch-protestantischen Interessen, Name einer aus Anlass der Art, wie in Preußen der sogen. Kulturkampf beigelegt wurde, 1886 zustande gekommenen Vereinigung evangelischer Christen verschiedener Richtungen, die den Zweck verfolgt, das evangelische Bewusstsein zu stärken, alle Protestanten zur gemeinsamen Abwehr römischer Übergriffe zu vereinigen und durch diese gemeinsame Arbeit zugleich die lähmenden Parteigegensätze innerhalb der evangelischen Kirche Deutschlands zu überwinden. Bereits auf der Jahresversammlung der evangelischen Mittelpartei zu Halle 26. Mai 1886 in Aussicht genommen, wurde die Gründung des Bundes in Erfurt 5. Okt. 1886 beschlossen. Die konstituierende Generalversammlung fand 15.–17. Aug. 1887 in Frankfurt a. M. statt. Als eine Hauptaufgabe betrachtet der Bund den Kampf gegen Rom in der Presse, zu welchem Behuf er zeitgemäße Flugschriften (bisher 215 Hefte) verbreitet und die wirksame »Kirchliche Korrespondenz für die deutsche Tagespresse« herausgibt. Die Mehrzahl der bisher dem Bunde beigetretenen Männer gehört den mittlern Richtungen an, doch sind auch die kirchliche Rechte und Linke durch namhafte Persönlichkeiten vertreten, trotzdem sich der Vorstand der positiven Unionspartei in Preußen veranlaßt gefunden hat, vor der Teilnahme am Bunde zu warnen. Ende 1903 bestanden 37 Hauptvereine mit 694 Zweigvereinen und rund 172,000 Mitgliedern; daneben noch eine Anzahl angeschlossener Vereine sowie akademischer Ortsgruppen. Vorsitzender des Bundes ist Graf von Wintzingerode-Bodenstein, in seiner Stellvertretung Konsistorialrat Goebel in Halle, Schriftführer Professor Witte in Halle. Vgl. Nippold, Ziele und Vorgeschichte des Evangelischen Bundes (Berl. 1889); Warneck, Der Evangelische Bund und seine Gegner (Gütersl. 1889); Witte, Der Evangelische Bund, sein gemeinsames Recht und sein getanes Werk (25. Aufl., Barm. 1902)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

² Germania

"Germania, am 1. Jan. 1871 begründete, täglich zweimal in Berlin erscheinende politische Zeitung ultramontaner Richtung, vertritt die Interessen der deutschen Zentrumspartei und des römischen Stuhles unter jesuitischem Einfluß. Eine hervorragende Rolle spielte sie während des Kulturkampfes unter der Leitung Paul Majunkes, der 1878 aus der Redaktion ausschied. Gegenwärtig (1904) ist Chefredakteur H. ten Brink."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


Eine Anfrage. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 17. -- S. 66. -- 1904-04-24

Kluger Bachem1, ist es möglich,
Dass in jenem bessern Jenseits
Einst die frommen Katholiken
Und die bösen Lutheraner
In demselben Himmel hausen?
Nein, zwei Himmel muss es geben,
Einen bessern für die Gläubgen,
Einen andern zweiter Klasse
Für das schlimme Ketzervolk.
Beide Himmel sind geschieden
Durch solide Plankenwände,
Und an diesen Wänden schreiten
In Patrouillen auf und nieder
Engel, die auf Ordnung halten.
Wenn trotzdem bei einem Ausgang
Einmal eine Ketzerseele

In den bessern Himmel arglos
Sich verirrt, wird auf der Stelle
Wieder sie hinausgeworfen,
Und ein Dutzend kräftger Flüche
Fliegt ihr überm Zaun noch nach.

Frommer Bachem, deinem Geiste
Ist es sicher nicht verborgen,
Wie's beschaffen ist da droben.
Wird 's nicht ganz genau, wie hier ich
Kurz geschildert, mit den beiden
Himmeln eingerichtet sein?

1 Karl Bachem (1858 - 1945): siehe oben!


Römische Trauung. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 17. -- 1. Beiblatt. -- 1904-04-24

Wie man in Rom jetzt wird getraut,
Das glaubt nur, wer es selbst geschaut!
Dort krankt' an Amors Pfleilgeschoss
Cäsar, ein Professorenspross,
Denn ach, er liebte Annunciaten,
Die lieblich war und wohl geraten.
Doch war ihr Vater nur ein Schuh-
Macher und ein Portier dazu.
Drum fasst' der alte professore
Den ungeratnen Sohn beim Ohre
Und schrie: "Nie will'ge ich darein!
Fort mit dem Schustertöchterlein!
Was will sich so ein Balg erdreisten?
So bleibe bei des Vaters Leisten!"
Doch Cäsar lachte nur ironisch
Und sprach: "Dann machen wir 's kanonisch1!"
(Denn nicht umsonst las er - aha! -
Die "Voce della Veritá²!")
Drum wartet er in aller Ruh
Bis zur Zeit der Ostermessen
Und ward nicht müßig unterdessen:
Hatt' mit dem Schatz ein Rendezvous;
Nach eingem Küssen und Geknutsche
Hob er sie dann in eine Kutsche
Und warf dem Kutscher hin ein Stück:
"Schnell, du fährst Cäsar uns sein Glück!"
Zwei Zeugen las er auf am Weg
(Die kriegt man dort schon für 5 Lire)
Und also fuhren alle Viere
Getrost bis an die Kirchentüre
Von Sant Andrea delle Fratte³,
Wo man schon fast beendet hatte
Die Messe - "Ite, missa est",
Der Pfarrer just sich hören lässt,
Da tauchen jäh vor ihm empor
Die Viere, und es klingt im Chor:
"Dies ist mein Mann" - "Dies meine Frau!" -
"Und wir sind Zeugen." - "Na, so blau!",
Rief da empört der alte Pfarr,
"Packt euch! Ich bin nicht euer Narr."
Doch Cäsar machte gleich ihm klar,
Wie alles stimmte auf ein Haar
Und laut Beschlüssen von Trient4
Perfekt der Ehe Sakrament.
Und fröhlich segnete die Eh'
Der brave Schuster und Portier.
So schuf viel Glück - wer lacht denn da? -
Die "Voce della Veritá".

1 gemeint ist die Gewissensehe (matrimonium conscientieae), die kanonisch - d.h. nach dem Kirchenrecht - eine gültige Eheschließung ist

"Gewissensehe (Matrimonium conscientiae sive secretum) heißt eine geschlechtliche Verbindung, die ohne bürgerliche Beurkundung und ohne kirchliche Einsegnung, aber von beiden Teilen in der Absicht eingegangen wird, sich gegenseitig als wirkliche Eheleute zu betrachten und sich allen daraus hervorgehenden Verpflichtungen zu unterwerfen. Eine solche G. erscheint rechtlich nur als strafbares Konkubinat, keineswegs aber als eine Ehe im Sinne des Gesetzes. Im heutigen katholischen Eherecht versteht man unter einer G. eine solche Ehe, die unter Beobachtung der wesentlichen Formen der Eheschließung, also in Gegenwart des zuständigen Pfarrers oder eines delegierten Geistlichen und zweier (vertrauter) Zeugen, jedoch mit Unterlassung der unwesentlichen Formen, nämlich des kirchlichen Aufgebots und des Eintrags in die gewöhnlichen Kirchenbücher, geschlossen wird."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

² katholische Wochenzeitung: La voce della verità : giornale della Società Primaria Romana per gl'Interessi Cattolici. -- Roma. -- 1.1871 - 1904,Aug.; damit Erscheinen eingestellt

³ Kirche an der Via di Sant’Andrea delle Fratte

4 Konzil von Trient (1545 bis 1563), Canones über die Ehe in der 24. Sitzung (11. November 1563)


Unerwarteter Effekt. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 19. -- 1. Beiblatt. -- 1904-05-08

Herr Loubet1 suchte jüngst in Rom
Italiens Herrscher auf.
Dagegen stiegt zum Vatikan,
Zum Papst, er nicht hinauf.

Der hat nun darauf hin Protest
Den Nuntien zugesandt.
So ward der Papst durch Loubets Schnitt
Aus Ärger Protestant.

1 Emile Loubet (1838 - 1929): französischer Staatspräsident

"Loubet (spr. lūbä, sūdfranz. lubett), Emile, franz. Politiker, geb. 31. Dez. 1838 in Marsanne (Drôme), wurde Advokat, dann Bürgermeister der Stadt Montélimar. Mit dem spätern Präsidenten Carnot eng befreundet, wurde er 1876 in die Abgeordnetenkammer gewählt, wo er sich hauptsächlich als fleißiger und tüchtiger Arbeiter in den Ausschüssen bewährte und sich zu den gemäßigten Republikanern hielt. Nachdem L. bereits unter Tirard Arbeitsminister gewesen, erhielt er 1892 das Ministerpräsidium sowie das Departement des Innern. Da er sich aber außerstande fühlte, den Forderungen der Radikalen Halt zu bieten, nahm er 28. Nov. 1892 seine Entlassung. Freilich erhielt er in dem neuen Kabinett Ribot das Ministerium des Innern wieder; da er aber auf Seite der im Panamaskandal Kompromittierten trat, ward er von Ribot zur Amtsniederlegung gezwungen (10. Jan. 1893). Allein seine Ehrenhaftigkeit konnte nicht angefochten werden, und so ward er 16. Jan. 1896 zum Präsidenten des Senats, 18. Febr. 1899 sogar mit 483 Stimmen gegen 279 für Méline abgegebenen zum Präsidenten der Republik gewählt. Als solcher hat er streng konstitutionell regiert. Seine Reise nach Italien (im April 1904), wo er mit großer Begeisterung aufgenommen wurde, aber den Besuch beim Papste vermied, hat zur engern Verbindung des französischen und des italienischen Volkes beigetragen, die Klerikalen freilich tief erbittert."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


 


Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Überflüssige Wünsche. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 20. -- 1. Beiblatt. -- 1904-05-15

"meine Herren," sprach der Reichskanzler1, "von den "Hamb. Nachr." wird verlangt, es möge der Ultramontanisierung der Reichspolitik durch Einsetzung eines Zentrumsmannes in mein Amt auch äußerlich Ausdruck gegeben werden. Wozu? Ich kann Ihnen jederzeit auch klerikal kommen."

1 Fürst Bernhard von Bülow (1849–1929): Reichskanzler von 1900 bis 1909


Eine Enthüllung in Nürnberg. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 20. -- 1. Beiblatt. -- 1904-05-15

Miss Howard de Grey,
Sie tanzte als Fee
Beim freundlichen Bach;
Da gab 's einen Krach.
Der Staatsanwalt kam,
Und Einsicht nahm
Und fand ohne Scham
Die tanzende Dam'.
Ei, was ist denn los?
Nun machten den Stoß
Der Akten sie groß:
Sie tanzte ja bloß!



Abb.: Der Jesuitengeneral. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 21. -- S. 82. -- 1904-05-22



Abb.: Die Schmollenden. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 21. -- S. 82. -- 1904-05-22

Sie schmollen und grollen noch immer die Zwei,
La France und der heilige Vater.
Fast scheint 's mit der Liebe für immer vorbei -
Ach käm' doch dem Paar ein Berater!

Sie haben 's ja beide so bös nicht gemeint,
Und möchten so gern sich versöhnen-
Ach, möchte das Wort, das sie wieder vereint,
Recht bald doch, recht dringend ertönen!

Doch keines getraut sich und keines fängt an,
Ob ihnen das Herz auch will brechen.
Am Ende wär' Bülow1 der richtige Mann,
Den Zwein nach dem Munde zu sprechen.

Erläuterung: siehe oben bei Loubet

1 Fürst Bernhard von Bülow (1849–1929): Reichskanzler von 1900 bis 1909


Seht, die Ketzer sind doch bessre Menschen! -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 22. -- S. 87. -- 1904-05-29

Der Papst spricht sorgenvoll zu sich:
"Das sind ja Teufelslisten:
Loubert1 ist hier und schneidet mich
Und wohnt beim Antichristen!
Bei Gott, der deutsche Kaiser fuhr
Nicht so an mir vorüber.
Er ist ja, ach, ein Ketzer nur,
Und doch ist er mir lieber.

Wie sie in Frankreich wild und blind,
Pfui, gegen Orden wüten!
Die Deutschen streicheln sanft und lind
Die guten Jesuiten.
In dem Pariser Parlament
Da sitzen hohle Schwätzer
Und reden Unsinn ohne End'.
Da lob ich mir die Ketzer!

Combes² will die Glaubenslosigkeit,
Besonders in der Schule.
Der deutsche Mann jedoch erfreut
Mich hier auf Petri Stuhle.
Ach, Frankreich ist ein schwacher Zwerg,
Deutschland ist eine Perle.
Der Friedberg³ und der Hackenberg4
Sind ein paar prächtge Kerle.

Dies Frankreich ist jetzt so nervös
Und furchtbar leicht empfindlich.
Es fährt gleich auf und wird gleich bös,
Ist man nicht sehr verbindlich.
Da lob ich wieder Deutschland mir,
Das hat 'nen bessern Magen
Und kann, wie neulich erst in Trier5,
'ne kräftge Kost vertragen.

Ich muss ja diesen deutschen Herrn
Als Protestanten fluchen,
Allein ich hab sie doch ganz gern.
Man soll sich bessre suchen!
Es tut mir in der Seele weh,
Dass diese deutschen Herden
Im höllischen Autodafé
Als Ketzer schmoren werden!

1 Der französischer Staatspräsident Emile Loubet (1838 - 1929) hatte in Rom einen Staatsbesuch gemacht ohne Papst Pius X. zu besuchen. Daraufhin richtete der Papst eine Protestnote an die katholischen Regierungen in Europa. Daraufhin berief Frankreich seinen Botschafter beim Vatikan ab.

² Iustin Combes

"Combes, Iustin Louis Emile, franz. Politiker, geb. 6. Sept. 1835 in Roque-Courbe (Depart. Tarn), widmete sich zuerst der Theologie und empfing die niedern Weihen, studierte dann aber Medizin, wurde 1875 Bürgermeister in Paris (Charente-Inférieure) und 1885 Senator und als solcher ein Führer der Radikalen und Präsident der demokratischen Linken. 1895 bis 1896 war er Unterrichtsminister. Einer der heftigsten Gegner des Klerikalismus, übernahm er 7. Juni 1902 die Portefeuilles des Innern und des Kultus und zugleich die Ministerpräsidentschaft, um sofort die Schließung der nicht autorisierten geistlichen Körperschaften durchzuführen. Im Januar 1903 von der Charente-Inférieure zum Senator gewählt, kämpfte er unentwegt gegen den Widerstand, den die klerikal gesinnten Landesteile der Aufhebung der geistlichen Körperschaften leisteten."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

³ Emil Friedberg (1837 - 1910)

"Friedberg, Emil Albert, Kirchenrechtslehrer, Neffe des vorigen, geb. 22. Dez. 1837 zu Konitz in Westpreußen, studierte seit 1856 in Berlin und Heidelberg die Rechte, habilitierte sich 1862 in Berlin als Privatdozent, wurde 1865 außerordentlicher Professor in Halle, folgte 1868 einem Ruf als ordentlicher Professor nach Freiburg und wirkt als solcher seit 1869 in Leipzig, wo er zum königlich sächsischen Geheimrat und zum Ehrenbürger der Stadt ernannt wurde. In dem Streik zwischen Staat und Kirche ist er einer der bedeutendsten Vorkämpfer der staatlichen Oberhoheit, wie er denn auch bei den preußischen Kirchengesetzen von 1872 in einflußreicher Weise beteiligt war. Bereits in seiner Inauguraldissertation »De finium inter ecclesiam et civitatem regundorum judicio« (Leipz. 1861) trat er für die Rechte des Staates über die Kirche ein, und die gleiche Tendenz verfolgte er in seinen übrigen zahlreichen Schriften: »Ehe und Eheschließung im deutschen Mittelalter« (Berl. 1864); »Das Recht der Eheschließung in seiner geschichtlichen Entwickelung« (Leipz. 1865); »Die evangelische und katholische Kirche der neu einverleibten Länder in ihren Beziehungen zur preußischen Landeskirche und zum Staat« (Halle 1867); »Aus deutschen Bußbüchern« (das. 1868); »Das Veto der Regierungen bei Bischofswahlen« (das. 1869); »Agenda, wie es in des Churfürsten zu Sachsen Landen in den Kirchen gehalten wirdt« (das. 1869); »Die Geschichte der Zivilehe« (Berl. 1870, 2. Aufl. 1877); »Der Staat und die katholische Kirche im Großherzogtum Baden« (Leipz. 1871, 2. Aufl. 1873); »Das Deutsche Reich und die katholische Kirche« (das. 1872); »Die Grenzen zwischen Staat und Kirche« (Tübing. 1872); »Sammlung der Aktenstücke zum ersten vatikanischen Konzil« (das. 1872); »Die preußischen Gesetzentwürfe über die Stellung der Kirche zum Staat« (Leipz. 1873)"

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

4 Albert Hackenberg (1852-1912): evangelischer Pfarrer, Abgeordneter im Preußischen Landtag, Kirchenpolitiker und Dichter: "1904 war er am Zustandekommen des Schulkompromisses zwischen Konservativen und Nationalliberalen beteiligt. Dadurch wurde die Schulunterhaltung neu geregelt, aber auch der Vorrang der Bekenntnisschule festgeschrieben, was manche liberalen Parteifreunde Hackenberg übel nahmen. " (http://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Hackenberg. -- Zugriff am 2009-12-30

5 Bezieht sich auf den Bischof von Trier, Felix Korum (1840 - 1921), der 1903 die staatliche höhere Töchterschule in Trier angriff.



Abb.: Benzler1 in Metz. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 22. -- 2. Beiblatt. -- 1904-05-29

Korum²: Wohin so eilig, lieber Brucer?
Benzler: Mein Zahn, mein bester Zahn ist mir gezogen worden durch Versehen!

1 Benzler: Bischof Willibrod Benzler (1853 - 1921) von Metz hatte Anfang März katholische Beerdigungen auf dem Friedhof des Dorfes Fameck verboten, weil dort ein Protestant beerdigt worden war. Am 13. Mai musste er das Interdikt zurückziehen.

² Felix Korum (1840 - 1921): Bischof von Trier



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Zur Schulfrage. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 23. -- 3. Beiblatt. -- 1904-06-05

In der nationalliberalen1 Jugendschule geht wieder einmal alles drunter und drüber.

Auf der Tafel: die konfessionelle Volksschule ist das einzig Wahre.

1 In Preußen hat am 2004-05-13 das preußische Abgeordnetenhaus den sog. Schulkompromiss verabschiedet. Danach ist die Regelschule eine streng konfessionell getrennte Volksschule. Nur in Ausnahmefällen soll es eine Simultanschule geben, wie sie die Nationalliberalen gefordert hatten.



Abb.: Im Echternacher Prozessionsschritt. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 24. -- S. 96. -- 1904-06-12



Abb.: Moderne Kirchenzerstörung. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 26. -- S. 104. -- 1904-06-26

Die Stifter holen ihre Stiftungen wieder ab, um die Erbauung evangelischer Kirchen nach rein konfessionellen Gesichtspunkten zu ermöglichen.


Abb.: Die Errettung des Berliner Bären. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 26. -- S. 104. -- 1904-06-26

Das Reichsgericht hat die Consistorial-Ordnung1 von 1573 für obsolete erklärt, und die kraft ihrer erzwungenen Kirchenbaugelder müssten an die Stadt Berlin zurückgezahlt werde. (Zeitungsnachricht)

... doch fuhr er empor vom mächtigen Schlage.
Rasend fuhr er unter die Weiber, die untereinander
Taumelten, fielen und schrien, und einige stürzten ins Wasser,
... O helft, ihr Männer! Ich gebe
Bier zwei Tonnen zum Lohn und großen Ablass und Gnade.«

[Goethe:] Reinecke Fuchs, II. Gesang

1 Visitations- und Consistorial-Ordnung von Johann Georg, Kurfürst von Brandenburg, 1573



Abb.: Paradiesische Zustände. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 26. -- 2. Beiblatt. -- 1904-06-26

Nach der Rede des Grafen Douglas1 im Preussischen Abgeordnetenhaus ist der Friede zwischen den Konfessionen gesichert; jeder Staatsbürger erhält ein Kirchengesangbuch, und die Wandelhalle des hohen Hauses wird mit einem Gemälde "Adam und Eva" geschmückt.

1 Hugo Sholto (Oskar Georg), Graf vonDouglas (1837 - 1912): Bergbauindustrielle; 1882-1906 freikonservatives Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses, seit 1902 Staatsrat.



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Kissingen1. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 29. -- 1. Beiblatt. -- 1904-07-17

Die Trennung der Badegäste nach Konfessionen wird zur Freude der Zentrumspresse endlich streng durchgeführt.

Allerdings geraten dabei zuweilen Leute, die die Brille konfessioneller Anschauung nicht benutzen wollen, in Verlegenheit.

Bewährte Zentrumskräfte sorgen aber dafür, dass keine Übergriffe in das den katholischen Brunnentrinkern gewährleistete Gebiet vorkommt.

1 Kissingen

"Kissingen, Bezirksamtsstadt und berühmter Badeort im bayr. Regbez. Unterfranken, an der Fränkischen Saale und durch die Zweigbahn Ebenhausen-K. mit der Staatsbahnlinie Meiningen-Schweinfurt verbunden, 201 m ü. M., hat eine evangelische, eine englische, 3 katholische und eine russische Kirche, Synagoge, Denkmäler der Könige Ludwig I. und Max I. von Bayern und von Bismarck, Realschule, Amtsgericht, Theater, Wagenfabrikation, Wein- und Obstbau, Sandsteinbrüche und (1900) 4757 Einw., davon 704 Evangelische und 333 Juden.

[...]

lDie Badeeinrichtungen in K. sind mustergültig. Es bestehen drei größere Badeanstalten für Solbäder, das schon erwähnte königliche Salinenbadehaus (Gasbad) über dem Solensprudel, das Badehaus am königlichen Kurhaus und die 1869 eröffnete großartige Aktienbadeanstalt: neues Kasino mit Lesesaal, Kurhaus, Konversationssaal, einem Pavillon aus Gußeisen, 1842 von König Ludwig I. über der Rákóczi- und Pandurquelle errichtet, der zugleich als Trinkhalle dient, und eine Wandelbahn. Außer den gewöhnlichen Solbädern werden auch Bäder in Kohlensäure, Salzdampf, Schlammbäder, Soleinhalationen verabreicht, ferner bestehen eine Molkenkur-, Kaltwasser-, pneumatische und elektrische Anstalt. Seit 1886 hat K. auch eine Heilanstalt für skrofulöse und rachitische Kinder. Die königlichen Badeanstalten sind von 1900 an samt Kurhaus, Wasserversendungsgeschäft für K., Bocklet und Brückenau (5–600,000 Krüge jährlich) auf 25 Jahre an den Hofrat Hessing in Göggingen verpachtet worden. Das Mineralwasser ward bereits im 17. Jahrh. in Krügen versendet."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


Mirbachs1 Abendgebet. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 29. -- 3. Beiblatt. -- 1904-07-17

O Herr, eh deine Engelein
Sich schirmend um mein Bette reihn,
Will ich mit fromm gefaltenen Händen
Demütig bittend an dich mich wenden.
Gib Geld uns, damit es mag gelingen,
Das Mosaik zu Stande zu bringen!
Längst ist die Kirche schon überladen,
Da kann ein bisschen mehr nicht schaden.
Drum mach bei jedem, der klobig reich,
Den Beutel offen, das Herze weich.
Ob Christ er oder Jude sei,
Das ist dabei ganz einerlei.
Gern waren die Männer, die beschnitten,
Doch bei dir selber noch gelitten
Im guten Alten Testament;
Und haben sie sich jetzt auch abgetrennt
Und wollen nichts wissen von Christi Blut,
Zum Kirchenbaun sind sie noch immer gut.
Schick uns auch manche Aktiengesellschaft,
Die uns die braunen Lappen zur Stell schafft!
Ob ihre Leiter auch Gauner sind,
Die fremde Gelder verpulvern geschwind,
Das mag uns kümmern nicht die Spur,
Wir nehmen ja ihr Privatgeld nur.
Es flutscht, wenn die braunen Lappen flattern,
Drum lass uns recht viel davon ergattern!
 

Dagegen woll uns, o Herr, verschonen,
Mit dem Scherflein "gläubiger" Matronen!
Ich bettle en gros, nicht will ich betteln
Bei Mummelgreisen und pauvren Vetteln,
Die und mit Mark- und Fünfgroschenstücken
In blöder "Gläubigkeit" beglücken.
Aus schnödem Silber und aus Nickeln
Kann sich kein Mosaik entwickeln,
Auch machen solche Jammergaben
Verwirrt die Leute, die was haben,
Sodass sie - Schande sonder gleichen -
Gleich eine Null am Beitrag streichen.

Nur eins noch, Herr! Der Romeick² ist
Und auch der Schultz² ein guter Christ
Und kamen sie auch einmal zu Falle,
Je nun, wir sind ja Sünder alle,
Entreiß sie, Herr, dem Schwindeltreiben,
Dass meines Vertrauens sie würdig bleiben.
Sind aus dem Loche sie erst heraus,
So bauen wir dir ein neues Haus
Mit Mosaik, nur aus Mosaik ....
Doch horch, ich höre Himmelsmusik,
Schon kommen, äh, die Engelein ....
Gut Nacht, Herr, friedlich schlaf ich ein.

1 Ernst von Mirbach (1844 - 1925): war ein eifriger Spendensammler bei begüterten Personen für Kirchenbauten. Darum hatte er den Spitznamen "Glockenaugust". Als Gegenleistung für entsprechend hohe Spenden vermittelte v. Mirbach die Verleihung von Orden, Adelsprädiketen und Titeln an die Spender.

"Ernst Otto Karl Ludwig Freiherr von Mirbach (* 24. Dezember 1844 in Düsseldorf; † 6. April 1925 in Potsdam) war preußischer Generalleutnant und Hofbeamter.

Leben

Herkunft und Karriere

Mirbach war der älteste Sohn des preußischen Regierungsrates Otto Magnus von Mirbach und der Darmstädterin Antoinette Schenck. Wegen häufiger Versetzungen des Vaters wuchs Mirbach in Darmstadt, Trier, Posen und Berlin auf.

Nach dem Abitur diente er im Garde-Füsilier-Regiment und nahm an den Feldzügen 1864 (Deutsch-Dänischer Krieg), 1866 (Deutscher Krieg) und 1871 (Deutsch-Französischer Krieg) teil.

In Bad Godesberg lernte er seine Frau Camilla Orban aus Lüttich kennen, die er nach der Heimkehr als Verwundeter 1871 heiratete. Als Nachfolger von Leopold von Ende wurde er 1881 Kammerherr im Hofstaat Prinz Wilhelms von Preußen und diente bei dessen Frau Auguste Victoria. Nach der Thronbesteigung Wilhelms wurde er zum Oberhofmeister der Kaiserin ernannt und blieb es bis 1914.

1875, 1877 und 1884 wurden seine Söhne Magnus, Werner und Siegfried in Berlin und Potsdam geboren.

Mit seiner Tätigkeit war die Vertretung der Kaiserin in Wohltätigkeits- und Kirchenvereinen verbunden. Mirbach leitete ihr Kabinett, korrespondierte für sie mit Behörden und verwaltete ihr Vermögen sowie ihren Etat (Schatulle). Victoria Luise beschrieb ihn als „humorvollen, gütigen, alten Herrn, der es im weiblichen Hofstaat nicht immer ganz leicht hatte“.

Mirbach war erheblich in die karitativen Anliegen der Königin eingebunden und sammelte dafür beständig Geld. Infolge der Waldersee-Versammlung vom 28. November 1887, in der Wilhelm II. zum „Einsatz gegen die Verwahrlosung der Massen“ aufrief um „der drohenden Gefahr von Seiten der Sozialdemokratie und des Anarchismus entgegenzutreten“, wurde im Mai 1888 der Evangelisch-Kirchliche Hilfsverein gegründet. In ihm war, neben allen deutschen Provinzen, Mirbach für die Kaiserin vertreten. 1890 entwickelte sich unter seiner Beteiligung aus der Kirchenbau-Kommission (1888) der heute wieder tätige Evangelische Kirchenbauverein, der bis 1930 etwa 70 Kirchen neu errichtete. Mirbach erklärte gegen Bedenken wiederholt, man wolle damit die Innere Mission der Kirche nur unterstützen.

Entlassungsgesuch

1902 rief Mirbach zu einer Sammlung zwecks Auskleidung der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche mit Mosaiken anlässlich der silbernen Hochzeit des Kaiserpaares auf. Das Schreiben des Kabinetts der Kaiserin wirkte offiziell und ging über den Innenminister bis an alle Landräte der Provinzen, die sich nun aufgefordert sahen, Komitees für dieses Anliegen zu gründen. Besonders im Rheinland blieb unverständlich warum für eine Berliner Kirche gesammelt werden solle.

Mirbach wurde für die ultimative Forderung in der Presse angegriffen. Dazu kam, das er im Prozess gegen die Pommersche Hypothekenbank 325.000 Mark quittiert hatte die nicht mehr aufzufinden waren. Reichskanzler Bernhard von Bülow forderte Mirbachs Ausscheiden aus den Hofämtern und dieser reichte ein Entlassungsgesuch ein. Zwar wurde dem nicht entsprochen, aber die Kabinettsgeschäfte und der Etat der Kaiserin wurden ihm entzogen.

1902 errichtete er in Erinnerung an den Ursprungsort seiner Familie die Erlöserkirche in Mirbach, Eifel.

Mirbachs Verdienst war es, den anlässlich der Einweihung der Jerusalemer Erlöserkirche 1898 vom Prinzen auf seiner Orientreise versprochenen Kirchenneubau auf dem Ölberg maßgeblich vorangetrieben und das Geld dafür gesammelt zu haben (Kosten 2,5 Mio Mark). 1910 wurde die Himmelfahrtskirche von Eitel Friedrich von Preußen zusammen mit Rittern des Johanniterordens eingeweiht.

Im Februar 1914 wurde seinem Abschiedsgesuch aus Altersgründen vom Hof entsprochen. Er erhielt zudem den Titel Obertruchseß und den theologischen Ehrendoktor der Universität Bonn. Am 27. November 1918 verabschiedete er kurz und letztmalig Kaiserin Auguste Victoria, als diese vom Wildpark Potsdam ins Exil nach Haus Doorn aufbrach.

Mirbach starb 3 Jahre nach der Kaiserin und kurz nach seinem 80. Geburtstag 1925 in Potsdam. Er ist auf dem Friedhof in Bornstedt beigesetzt."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_von_Mirbach. -- Zugriff am 2009-12-31]

² Romeick, Schultz: Direktoren der Pommerschen Hypothekenbank, die am 1904-07-01 im sog. Pommernbankprozess wegen Unterschlagung und Betrugs verurteilt wurden. Mirbach die von ihm gesammelten Spendengelder für Kirchenbauten auf Konten bei der Pommernbank angelegt. Er hatte sich auch dafür eingesetzt, dass die Pommernbank zur "Hofbank ihrer Kaiserlichen Majestät" ernannt wurde.



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Franzl1, der Bamberger Papst. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 31. -- Beilage. -- 1904-07-31

1 Franz Xaver Schaedler (1852 - 1913)


Abb.: Dr. jur. Franz X. Schädler
[Bildquelle: Festschrift deutscher Katholikentag Mannheim 1902 / Wikipedia. -- Public domain]

"Schaedler, Franz Xaver, deutscher Politiker, geb. 5. Dez. 1852 in Oggersheim, studierte in Würzburg und Innsbruck katholische Theologie, erwarb in Rom an der Universität San Apollinare die Würde eines Doktors des kanonischen Rechts, ward 1875 Kaplan in Kaiserslautern, 1879 an der Anima in Rom, 1881 Pfarrer in Waldheim, 1892 Gymnasialprofessor und Religionslehrer in Landau, 1897 Domkapitular und Geistlicher Rat in Bamberg, 1899 Dompfarrer, 1902 Domdekan daselbst, 1902 auch apostolischer Protonotar und päpstlicher Hausprälat. Seit 1890 dem deutschen Reichstag und seit 1891 dem bayrischen Abgeordnetenhaus angehörig, ist S. einer der eifrigsten Wortführer des Zentrums und gegenwärtig zweiter Vorsitzender der Reichstagsfraktion. Er schrieb »Ludwig Windthorst« (1891)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Mirbach1, der Brandschatzmeister. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 33. -- Beilage. -- 1904-08-14

1 Ernst von Mirbach (1844 - 1925): siehe oben



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Prinz von Rom1. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 35. -- 1. Beiblatt. -- 1904-08-28

Wir machen Sie auf die Folgen aufmerksam, wenn sie etwa Contrabande einführen wollen. Jede falsche Bezeichnung wird geahndet.

1 Aus Rücksicht auf den Papst sollte verhindert werden, dass der Thronfolger Italiens (der dann am 1904-09-15 geboren wurde) den Titel "Prinz von Rom" bekommt.



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Nachwort zum Regensburger und Vorwort zum Bremer Tage.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 36. -- 1. Beiblatt. -- 1904-09-04

 Zwischen Scylla1 und Charybdis2.

Erläuterung: Bezieht sich auf den im August schließenden 51. Katholikentag in Regensburg und den im September beginnenden sozialdemokratischen Parteitag in Bremen.

1 Scylla (Skylla): ein schreckliche Seeungeheuer mit bellender Stimme, 12 Beinen und 6 langen Hälsen, an jedem ein grässliches Haupt mit drei Reihen dichter Zähne, hauste der furchtbaren Charybdis gegenüber in einer Höhle, von wo aus sie auf Bente jagte und dem vorbeifahrenden Odysseus sechs Gefährten raubte.

2 Charybdis: ein furchtbarer Meeresstrudel. Sie wird meist als eine Art Mund im Wasser, manchmal auch nur als gigantischer Wassersog dargestellt.

"Charybdis und Scylla sind die Namen, die man früher zwei Strudeln des Mittelländischen Meeres unweit des Hafens von Messina gab. Diese beiden, einander gegenüberliegenden Schlünde waren dem Seefahrer, besonders als sich die Schiffahrt noch in ihrer Kindheit befand, äusserst gefährlich. Virgil und die Geschichte des Ulysses beweisen uns hinlänglich, wie man zu jener Zeit über diese Strudel dachte, und die Vorsichtsmassregeln, die jeder Schiffer nahm, um sie zu vermeiden. Sehr häufig aber wurden die, welche mit aller Anstrengung der Charybdis entronnen waren, von der Scylla ergriffen."

[Quelle: Wander, Karl Friedrich Wilhelm <1803 - 1879>: Deutsches Sprichwörter-Lexikon. -- Berlin : Directmedia, 2001. -- 1 CD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 62). -- ISBN 3-89853-162-7. -- s.v. "Charybdis"]


Bischof Ivankovics1.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 36. -- 1. Beiblatt. -- 1904-09-04

Ivankovics, der Bischof hob
Das Glas mit Ungarweine
Und sprach: "Die Frömmigkeit, Gottlob,
Tut 's doch noch nicht alleine.

Auch nicht Brevier und Rosenkranz,
Gebet und Messesingen
Mit all dem andern Firlefanz:
Knierutschen, Rauchfassschwingen.

Wer recht will seine Zeit verstehn,
Der muss ein herz sich fassen,
Dem Leben frisch zu Leibe gehn
Und keine Freud verpassen."

Gesagt, getan. Nun lebt' er flott
Bei Austern, Wein und Braten;
Es tun das ja, du lieber Gott,
Viel Pfäfflein und Prälaten.

Und wurden ihm die Gelder rar,
Dann lacht' er wohl beim Humpen:
"Verpfändet ist mein Mobiliar,
Ich muss auf Wechsel pumpen."

Gesagt, getan. Es häuften mehr
Und mehr sich die Papiere,
Drauf er unterschrieben quer
Nach Art der Kavaliere.

Zuletzt wird leer das größte Fass,
Der dickste Geldsack schmächtig.
Die Gläub'ger knurren ohn Unterlass
Und zeigen sich niederträchtig.

Da war 's zu End. Der Gottesmann
Sitzt nun im Kloster büßend,
Sein bittres Leid, soviel er kann,
Mit Dünnbier sich versüßend.

Er übt sich in der Einsamkeit
Im Beten und Bibellesen,
Doch heimlich denkt er: "Die tolle Zeit,
Wie ist sie so schön gewesen."

1 Ján Ivankovic (1846 - 1910): 1896 - 1905 Bischof von Rožňava, Slowakei, emeritiert am 11. Dezember 1905 und zum Titularbischof von Sidyma ernannt



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Woran es liegt.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 40. -- 3. Beiblatt. -- 1904-10-02

Der Zar ist zur Einsicht gekommen, dass es beim Heere immer noch an Heiligenbildern fehlt und dass auch ihr Format zu klein ist. Künftig hat jeder Soldat immer ein Exemplar von anständiger Größe bei sich zu führen.



Abb.: Der wahre Kulturkampf.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 49. -- 2. Beiblatt. -- 1904-12-04

Das Zentralkomitee der badischen Zentrumspartei hat an alle katholischen Pfarrämter des Landes ein Rundschreiben erlassen, worin die Pfarrer aufgefordert werden, von der Kanzel herab vor der liberalen Presse zu warnen und für die katholische zu bitten.



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Die Sittlichkeit im Schutzgebiet1.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 51. -- 3. Beiblatt. -- 1904-12-18

Klein-Popo² wird auf Antrag der katholischen Mission vom 1. Januar 1905 ab Anecho genannt werden.

1 Schutzgebiet Togo (in Westafrika)


Abb.: Lage von Togo
[Bildquelle: Maksim / Wikipedia. -- GNU FDLicense]

 

² Klein-Popo / Anecho

"Klein-Popo (jetzt amtlich Anecho genannt), Bezirksort in der deutsch-westafrikan. Kolonie Togo, auf der schmalen Nehrung, die das Meer von der Lagune scheidet, 1903 bewohnt von 27 Europäern (24 Deutsche) und 5000 Farbigen, besteht aus einigen stattlichen zweistöckigen Häusern und zahlreichen Hütten, hat Zollamt, Krankenhaus, wesleyanische Mission mit Schule und Kirche, kath. Mission mit Schule, Handelskammer, Post- und Telegraphenstation, 7 Faktoreien mit 15 offenen Verkaufsstellen, 3 eingeborne Händler mit 6 Läden und großen Pflanzungen von Kaffeebäumen und Kokospalmen in der Umgebung. In der offenen Reede finden Seeschiffe 1 km vom Strande guten Ankergrund, doch steht vor der Küste stets heftige Brandung. Die Dampfer der Woermannlinie verkehren hier dreimal monatlich."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


Abb.: Lage von Klein-Popo / Anecho



Abb.: Ernst Retemeyer: Ein festlicher Moment (nach Guido Reni1).  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 52. -- 1. Beiblatt. -- 1904-12-25

In bester Stimmung ziehen Kanzler, Minister und Volksvertretung unter bewährter Führung einem neuen herrlichen Jahre entgegen.

1 Guido Reni (1575-1642): Aurora (1612-1614)


Abb.: Guido Reni (1575-1642): Aurora (1612-1614)



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Die Parlamentarische Gesellschaft nach der "Leipziger Volkszeitung"1.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 57, Nr. 52. -- 2. Beiblatt. -- 1904-12-25

1 Leipziger Volkszeitung : LVZ. - Leipzig : Leipziger Verl.- u. Dr.-Ges.  --  1894,29.Sept.[=Probenr.]; 1.1894,1.Okt. - 40.1933,2.März; 1946ff.


1905


Der neue Papst.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 4. -- S. 15. -- 1905-01-22

Nicht die Katholischen brauchen zu beneiden
Wir jetzt, denn wir auch haben unsern Papst.
Vielleicht sogar der Schwärzre ist 's von beiden,
Den du uns, heilges Konsistorium, gabst.
Steinhausen ist 's, sein Urteil hat gesprochen
Er über Fischer, den verlornen Mann.
Warum ist dieser nicht zu Kreuz gekrochen,
Eh in der neue Papst tat in den Bann!

1 vermutlich Steinhausen, Heinrich Friedrich August Christlieb (1872-?), Oberpfarrer und Konsistorialrat in Wernigerode.

² Fischer: kann ich nicht identifizieren.


Etwas über Toleranz.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 7. -- S. 27. -- 1905-02-12

Von unserem ultramontanen Mitarbeiter.

Es hört alles dabei auf, wenn in unserer Zeit die Zentrums-Leute und die Katholischen überhaupt von liberaler, leider sogar von nationalliberaler Seite der Unduldsamkeit geziehen werden. Man kann doch nicht duldsamer sein, als es heutzutage die katholische Kirche ist. Geht hin, wohin ihr wollt, und ihr werdet nirgendwo mehr auf verbrannte menschliche Gebeine stoßen. Kann man mehr verlangen? Das war doch ganz anders um die Zeit des Peter Arbues1, der heilig gesprochen wurde, nachdem er 50 000 Juden und Ketzern - wenn man bei der Hinrichtung durch Verbrennen sich so ausdrücken darf - das Lebenslicht ausgeblasen hatte. Und heute? Dem ärgsten Feinde, den der Heilige Stuhl je gehabt hat, dem Martin Luther, dürfen auf öffentlichen Plätzen Denkmäler gesetzt werden, und der Heilige Vater duldet das, ohne die Ortschaften, in denen das geschieht, in den aschgrauen Grund hinein zu verfluchen. Ist das noch keine Duldsamkeit?

Wenn an Luther in katholischen Schriften irgend etwas getadelt wird, sind die Protestanten gleich außer sich darüber, aber das gefällt ihnen auch heute noch, dass dem frommen Tetzel2 von einem Raubritter und Buschklepper, der dafür nicht einmal von Gerichts wegen bestraft wurde, sein Ablasskasten ausgeleert worden ist. Und dabei haben die Liberalen jetzt noch einen Ablass unter sich. Ist das Duldsamkeit, ist das Gerechtigkeit?

Von den Jesuiten will ich lieber gar nicht reden, denn die protestantischen sind viel schlimmer noch als die katholischen Jesuiten. Darüber herrscht nur eine Meinung. Bachem³, beim heiligen Windthorst4 - oder ist er noch nicht heilig gesprochen? - hat Recht: Unduldsamkeit ist die Seele des Protestantismus. Dafür aber werden die verdammten Ketzer unten in den Schmortöpfen der Hölle zu büßen haben.

Erläuterungen:

1 Pedro Arbues (1441 - 1485

"ARBUES, Pedro, spanischer Inquisitor, * 1441 in Epila bei Saragossa, † 17.9. 1485 in Saragossa. - A. studierte Philosophie in Huesca, Theologie und Kirchenrecht in Bologna, promovierte dort 1473 zum Magister und wurde 1474 regulierter Augustinerchorherr in Saragossa. Der Großinquisitor Thomas de Torquemada berief ihn 1484 zum ersten Inquisitor für Aragonien. Er wurde am 15.9. 1485 in der Frühmette am Hochaltar von zwei Adeligen überfallen und starb an den erlittenen Dolchstichen. A. wurde 1664 von Alexander VII. als Märtyrer selig- und 1867 von Pius IX. heiliggesprochen. Fest: 17. September.

[Quelle: Friedrich Wilhelm Bautz . -- http://www.bautz.de/bbkl/a/arbues_p.shtm. -- Zugriff am 2004-06-07]

² Johann Tetzel (1465 - 1519)

´"Der Dominikanermönch Johann Tetzel wurde um 1465 in Pirna geboren und ab 1504 als Ablassprediger in verschiedenen deutschen Ländern eingesetzt. 1517 ernannte ihn Erzbischof Albrecht II.= von Mainz und Magdeburg zum Subkommisar für den Ablasshandel der Kirchen-Provinz Magdeburg. Entgegen der Beichte vor einem Priester konnte der Sünder die Strafe durch Kauf eines Ablassbriefes tilgen. Kirchenraub und Meineid wurden gegen 9 Dukaten und ein Mord bereits für 8 Dukaten vergeben. Die Hälfte der Einnahmen diente dem Bau der Peterskirche in Rom, während die andere sich der Erzbischof Albrecht II. und der Ablassprediger teilten. Der Bischof benötigte die Einkünfte, um seine gegenüber den Fuggern aufgelaufenen Schulden abzuzahlen. Martin Luther prangerte diesen seiner Meinung nach schändlichen Ablasshandel an, da dieser seine Vorstellung von einem sündigen Menschen, der sich wegen schlimmer Taten ein Leben der Demut unterwirft, geradezu verhöhnte. Es war der Beginn der Reformation. "

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Tetzel. -- Zugriff am 2004-06-07]

³ Julius Bachem (1845-1918)

"Bachem, Julius, Jurist, geb. 12. Juli 1845 in Mülheim a. d. Ruhr als Sohn des Verlegers der »Kölnischen Volkszeitung«, Joseph B. (geb. 21. Okt. 1821, gest. 21. Aug. 1893), eines besonders auf dem Gebiete der katholischen Belletristik (»Bachems Novellen-Sammlung«, »Bachems Roman-Sammlung«) mit Erfolg tätigen Verlagsbuchhändlers. Er ist seit 1873 als Rechtsanwalt in Köln tätig, war 1876-91 Zentrumsmitglied des preußischen Abgeordnetenhauses und schrieb unter anderm: »Preußen und die katholische Kirche« (5. Aufl., Köln 1887), »Die bedingte Verurteilung« (2. Aufl. 1895), »Die Parität in Preußen« (anonym, 2. Aufl. 1899), mit Roeren: »Das Gesetz zur Bekämpfung des unlautern Wettbewerbs« (3. Aufl., Leipz. 1900). Als Mitbegründer der Görres- Gesellschaft brachte er nach dem Tode A. Bruders deren »Staatslexikon« zum Abschluss und gibt seit 1900 die zweite Auflage desselben heraus."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

4 Ludwig Windthorst (1812 - 1891)

"Windthorst, Ludwig. deutscher Politiker, geb. 17. Jan. 1812 in Osterkappeln bei Osnabrück, gest. 14. März 1891 in Berlin, wurde auf dem Carolinum in Osnabrück für den geistlichen Stand vorbereitet, studierte 1831-34 die Rechte, wurde Rechtsanwalt in Osnabrück, dann ritterschaftlicher Syndikus und vorsitzender Rat des katholischen Konsistoriums daselbst und 1848 Oberappellationsgerichtsrat in Celle. Seit 1849 Mitglied der hannoverschen Zweiten Kammer, im unterstützte W. die partikularistische, preußenfeindliche Politik Stüves, wurde 1851 als Führer der ministeriellen Partei Präsident der Kammer, 22. Nov. Justizminister und setzte die Errichtung des katholischen Bistums Osnabrück durch. 1853 schied er aus dem Ministerium und ward wieder Abgeordneter, 1862 in dem Ministerium Brandis-Platen Justizminister, unterstützte die Bemühungen Österreichs, Hannover an seine Politik zu ketten, und ward 21. Okt. 1865 Kronoberanwalt in Celle. Nach der Annexion von 1866 legte er sein Amt nieder und führte 1867 die Verhandlungen mit Bismarck über die Abfindung des Königs Georg, die mit dem Vertrage vom 29. Sept. 1867 endeten. Seit 1867 auch Mitglied des norddeutschen Reichstags und des preußischen Abgeordnetenhauses für Meppen (»Perle von Meppen«), hielt er sich anfangs zurück, nahm 17. Juni 1869 an dem anti-infallibilistischen Laienkonzil in Berlin teil, stellte sich aber zuerst im Reichstag im März 1871, dann auch im Abgeordnetenhaus entschieden an die Spitze der ultramontanen Partei, die er straff zusammenhielt, und mit der er die partikularistischen Elemente der Opposition (Polen und Welfen) gegen die Regierung verschmolz. Schlagfertig und witzig, in allen Künsten sophistischer Dialektik erfahren, errang W. als Führer der Opposition bedeutende rednerische Erfolge, und wenn er auch die Maigesetzgebung nicht hindern konnte, so bereitete er doch Bismarck und Falk durch seine scharfe Opposition manche Schwierigkeiten, verzögerte durch seine zahllosen Reden den Fortgang der Geschäfte und suchte jede Erstarkung der Reichsgewalt zu verhindern. Ein Staatsmann war W. nicht, aber ein ausgezeichneter Parlamentarier. Auf den jährlichen Katholikenversammlungen gab er die politische Parole für die ultramontane Partei aus. Nach seinem Tod erschienen seine »Ausgewählten Reden, gehalten in der Zeit 1851-1891« (Osnabr. 1901-02, 3 Bde.)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Der Toleranzantrag1 des Zentrums.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 7. -- 2. Beiblatt. -- 1905-02-12

In dem Porzellanladen des Herrn Sattler², wo man sich gerade über Religionsfreiheit, Aufhebung des § 166³ und konfessionelle Friedhöfe unterhielt, erschien heute nachmittag unerwarteter Besuch4.

1 Toleranzantrag

"Toleranzantrag, offiziell »Antrag, die Freiheit der Religionsübung betreffend«, wurde zuerst von der Zentrumsfraktion des Deutschen Reichstags in der Session 1900/1901 gestellt und seitdem regelmäßig wiederholt. Der Reichstag nahm 5. Juni 1902 den Antrag an, aber der Bundesrat fasste überhaupt keinen Beschluss darüber. Der Zweck ist die Beseitigung jeder staatlichen Aussicht über die Ausübung des religiösen Bekenntnisses."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

² Karl Sattler (1850 - 1906)

"Sattler, Karl, deutscher Politiker und Geschichtsforscher, geb. 26. Jan. 1850 in Varel, Kreis Sulingen, gest. 13. Juli 1906 in Berlin, studierte in Göttingen, trat 1874 in den preußischen Archivdienst, wurde Staatsarchivar in Hannover und 1886 Geheimer Staatsarchivar in Berlin und war später zugleich zweiter Direktor der königlich preußischen Staatsarchive. 1884–88 und wieder seit 1898 gehörte S. dem Reichstag, seit 1885 dem Abgeordnetenhaus (als Mitglied in beiden der nationalliberalen Partei) an und war stellvertretender Vorsitzender der Reichstagsfraktion; besonders beschäftigte er sich mit Finanzfragen."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

³ § 166 = Gotteslästerungsparagraph

"Gotteslästerung (Blasphemie), Beschimpfung von Gegenständen religiöser Verehrung. Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch (§ 166) bedroht mit Gefängnis von einem Tage bis zu 3 Jahren denjenigen, der öffentlich in beschimpfenden Äußerungen Gott lästert und dadurch ein Ärgernis gibt, Zur Strafbarkeit der G. ist mithin erforderlich: 1) Öffentlichkeit der Äußerung, d.h. Zugänglichkeit für einen nicht geschlossenen Kreis; 2) Roheit des Ausdruckes; 3) tatsächliche Erregung eines Ärgernisses, d.h. die Verletzung des religiösen Gefühls mindestens Eines andern. Wesentlich strenger ist das österreichische Strafgesetzbuch (§ 122, Z. 1), das für strafbar erklärt: »wer durch Reden, Handlungen, in Druckwerken oder verbreiteten Schriften Gott lästert«. Die Strafe (§ 123, 124) beträgt im Mindestmaß 6 Monate Kerker und kann bis auf 10 Jahre schweren Kerker steigen."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

4 nämlich Julius Bachem (1845-1918): siehe oben!



Abb.: Aus dem kultusministeriellen Atelier.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 9. -- S. 36. -- 1905-02-26

Nachdem wir in Leipzig gehört haben, dass unsere Jugend nicht nur wissenschaftlich auf den Universitäten gebildet werden soll, ist es Zeit, neue Professuren auch für Preußen zu schaffen, damit wir in der Konkurrenz liegen.



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Der Zollwächter.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 13. -- 2. Beiblatt. -- 1905-03-26

Die Stelle des Oberlandespräsidenten in Köln ist neu zu besetzen, und die "Kölnische Volkszeitung"1 passt genau auf, dass nicht etwa ein evangelischer Beamter in die heilige Stadt eingeschwärzt wird.

1 Kölnische Volkszeitung und Handelsblatt : KV. - 1869 - 1941 

"Kölnische Volkszeitung und Handelsblatt, seit 1869 täglich zweimal in Köln erscheinende politische Zeitung, das größte und wichtigste rheinische Blatt, das den Zielen der Zentrumspartei im Reichstag und im preußischen Landtage dient. Es ist aus den 1860 gegründeten »Kölnischen Blättern« hervorgegangen und erscheint im Verlag von J. P. Bachem."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]



Abb.: Rettet eure heiligsten Güter.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 14. -- S. 56. -- 1905-04-02

Die Nachricht, dass eine Heiligkeitserklärung des Krieges1 beabsichtigt sei, verfehlt seine Wirkung auf die alsdann zu besteuernden Klöster nicht.

1 russisch-japanischer Krieg 1904/05


In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 14. -- 3. Beiblatt. -- 1905-04-02

Ein Methodistenprediger, der in Haynau1 dem Verbot des Gemeindekirchenrats zuwider bei der Beerdigung eines Methodisten auf dem protestantischen Kirchhof eine Grabrede gehalten hatte, wurde wegen Hausfriedensbruchs bestraft.

Es packt der Staatsanwalt als Rächer
Den tückischen Hausfriedensbrecher.
Wo aber ist das Strafgericht,
Das den straft, der durch Pfaffenstreit,
Durch hetzende Unduldsamkeit
Den Totenfrieden tückisch bricht?

1 heute: Chojnów, Niederschlesien, Polen



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Akademisches.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 15. -- 3. Beiblatt. -- 1905-04-09

Die katholischen Verbindungen wollen die Sonderstellung, die sie in der Studentenschaft einnehmen, bei akademischen Feierlichkeiten künftig deutlicher als bisher zum Ausdruck bringen.


Guter Rat.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 16. -- S. 63. -- 1905-04-16

Bist du Dompropst, guter Freund,
Lass nie kleine Mädchen
Zu dir kommen, denn man spricht
Bald davon im Städtchen.

Küssest du sie väterlich
Auf die frischen Wangen,
Wirst noch etwas mehr du bald
Sicherlich verlangen.

Ernst und drohend sprichst du dann
Zu dem spröden Kinde:
"Sperr dich nicht! Tust du 's mit mir,
Ist es keine Sünde."

Heulend läuft das Gänschen drauf
Zu der lieben Mutter,
Und du stehst im Sonnenbrand
Mit dem Kopf voll Butter.

Vor den Richter schleppt man dich,
Ach, das Ding wird bitter.
Bald schon sprichst du reuevoll
Hinterm Kerkergitter:

"Nie will ich mit Kindern mehr
Kleine Scherze treiben;
Bei der Köchin, wie 's sich ziemt,
Will ich immer bleiben."



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Staat und Kirche in Frankreich.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 17. -- 1. Beiblatt. -- 1905-04-23

Trennen und Teilen ist zweierlei.



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Von der landeskirchlichen Versammlung.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 20. -- 1. Beiblatt. -- 1905-05-14

Fischer1 wird aufgefordert, dem Beispiel Paul Gerhardts² folgend ins Elend zu gehen.

Hus³ auf dem Scheiterhaufen fordert den "Reichsboten"-Engel4 zur Nachfolge auf.

"Von betenden Händen geklopft, sollen die Vertreter des Oberkirchenrats die Hammerschläge an ihr Gewissen vernehmen", sagt Pastor Stuhrmann5.

Dieser Raum ist für christliche Liebe reserviert, sobald wir uns ein Bild davon nach der landeskirchlichen Versammlung machen können.

1  Fischer: kann ich nicht identifizieren.

² Paul Gerhardt

"Gerhardt, Paul, der hervorragendste geistliche Liederdichter des 17. Jahrh., geb. 12. März 1607 zu Gräfenhainichen in Sachsen, gest. 7. Juni 1676 in Lübben, wurde 1651 Propst zu Mittenwalde in der Mark und 1657 Diakonus an der Nikolaikirche zu Berlin. Als strenger Lutheraner eiferte er hier gegen die vom Kurfürsten Friedrich Wilhelm angestrebte Union zwischen Lutheranern und Reformierten. Als er sich aber weigerte, dem Edikt vom 16. Sept. 1664, das beiden Parteien die gegenseitigen Verunglimpfungen von der Kanzel herab verbot, Folge zu leisten, ward er 1666 aus dem Lande gewiesen. Der Herzog Christian von Sachsen-Merseburg ernannte ihn 1669 zum Archidiakonus in Lübben. Von seinen 120 geistlichen Liedern (darunter: »Befiehl du deine Wege«, »Nun ruhen alle Wälder«, »O Haupt voll Blut und Wunden« etc., die in alle protestantischen Gesangbücher übergegangen sind) erschien die erste Ausgabe (u. d. T.: »Geistliche Andachten«) Berlin 1666; neue Ausgaben besorgten O. Schulz (das. 1842 und öfter), Ph. Wackernagel (6. Aufl., Gütersl. 1874), Bachmann (Berl. 1866), Goedeke (Leipz. 1877), Fr. Schmidt (das., Reclam) und Gerok (5. Aufl., das. 1893). J. G. Ebeling gab »Melodien zu Gerhardts Liedern« (Berl. 1666) heraus, worunter sich auch das Lied »Befiehl du deine Wege« befindet, wonach die Sage, G. habe dasselbe, nachdem er des Landes verwiesen, gedichtet, in nichts zerfällt. Gerhardts Lieder gehören zu den schönsten Blüten der protestantischen Kirchenpoesie und zu den besten deutschen Dichtungen des 17. Jahrh. überhaupt. Sein religiöses Gefühl ist von wahrhaft ergreifender Innigkeit und Wärme, dabei ist es zu ästhetischer Heiterkeit geläutert und hält sich frei von jener dumpfen Zerknirschung, die uns oft bei den geistlichen Lyrikern des 17. Jahrh. begegnet. Zugleich hütet sich G. in der Form vor den Künsteleien seiner Zeitgenossen und erfreut durch Fülle und Wohlklang."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

³ Jan Hus, geb. um 1370; 6. Juli 1415 vom ökumenischen Konzil in Konstanz als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt

4 Heinrich Engel (1834 - 1911): Schriftleiter des "Reichsboten". Engel förderte als Schriftleiter das "evangelisch-christliche Volksleben" in scharfer Opposition zur Sozialdemokratie und zum kirchlich-theologischen Liberalismus. Unter Engels  Leitung wurde der "Reichsbote" zum führenden Organ im konservativen Mittelstand und in gläubigen Pastorenkreisen.

Der Reichsbote : deutsche Wochenzeitung für Christentum und Volkstum. -- Berlin : Der Reichsbote. --  1873 - 1936

5 Heinrich Stuhrmann (1869 - 1940): Pfarrer der Heilandsgemeinde in Berlin.


Buße. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 22. -- S. 87. -- 1905-05-28

Das ist die Zeit der Kreissynoden.
Sie tagen unverzagt und kühn,
Ach, auf dem lustdurchseuchten Boden
Der sittenlosen Stadt Berlin.
Wenn draußen hell die Vögel schlagen
Im wunderschönen Monat Mai,
Dann klingen drinnen laute Klagen
Und Rufe nach der Polizei.

Ach Gott, was sind wir für Verbrecher!
Wie waren taub wir doch und blind!
Wir wussten gar nicht, was für Schächer
Und was für Lumpenkerls wir sind.
Wie recht ist 's, wenn sie an uns mäkeln.
Sie gaben uns solch einen Klaps,
Dass wir uns vor uns selber ekeln.
Uns wird ganz schlecht - schnell einen Schnaps!

Die Presse ist die Sündenquelle,
Sie bringt uns lügenhaften Quatsch.
Man nennt da mit an erster Stelle
Den sogenannten "Kladd'radatsch."
Und überhaupt die deutschen Dichter
Mit ihren Minnepoesein!
Das ist eine schmutziges Gelichter,
Das fabriziert nur Schweinerein.

Und selbst der vielgerühmte Schiller!
Ach Gott, mit der Begeisterung,
Da wird 's doch alle Tage stiller,
Und kühler denkt schon Alt und Jung.
Es hat sich allerlei Gesindel
Am 9. Mai1 ans Licht gewagt.
Die ganze Feier war doch Schwindel
Und Mache - unter uns gesagt.

Herr Roeren² lächelt wie Mephisto,
Und schreibt an Stöcker³ selbstbewusst:
"Ave, confrater mi in Christo!4
Ich schließe Dich an meine Brust.
Mag neben mir auch alles wanken,
Ich stehe fest und fordre hier
Unser Jahrhundert in die Schranken,
Herr Bruder, Arm in Arm mit Dir!"

1 am 9. Mai 1905 wurde der hunderste Todestag von Friedrich Schiller (1759 - 1805) gefeiert

² Hermann Roeren (1844 - 1920): Zentrumspolitiker, 1893 - 1912 Abgeordneter im Reichstag

³ Adolf Stöcker (1835 - 1909)

"Stöcker, Adolf, Theolog und Sozialpolitiker, geb. 11. Dez. 1835 in Halberstadt, studierte in Halle und Berlin Theologie, wurde 1863 Pfarrer in Seggerde (Kreis Gardelegen), 1866 in Hamersleben, 1871 Divisionspfarrer in Metz und 1874 Hof- und Domprediger in Berlin. Seit 1877 trat er in öffentlichen Versammlungen gegen die Führer der Sozialdemokratie auf und suchte durch Gründung einer christlich- sozialen Partei (s. Christlich-soziale Reformbestrebungen) die Arbeiter für christliche und patriotische Anschauungen wiederzugewinnen, zugleich aber ihre Forderungen des Schutzes gegen die Ausbeutung des Kapitals und einer Verbesserung ihrer Lage zu unterstützen. Die neue Partei gewann aber nur an wenigen Orten zahlreichere Anhänger, da Stöcker durch seinen fanatischen Eifer gegen alles, was liberal hieß, besonders in kirchlicher Beziehung die Opposition der öffentlichen Meinung wach rief. Auch ging er in seinen Agitationen gegen das Judentum oft weiter, als es sich mit seiner Stellung vertrug. 1879 in das Abgeordnetenhaus, 1880 (bis 1893) und 1898 auch in den Reichstag gewählt, wo er sich der streng konservativen Partei anschloss, erhielt er 1890 seine Entlassung als Hofprediger; 1896 trat er aus der deutsch- konservativen Partei und dem Evangelisch-sozialen Kongress aus und gründete mit andern die Christlich- soziale Konferenz. Stöcker ist Vorsitzender der Berliner Stadtmission, Mitglied des Generalsynodalvorstandes und seit 1892 Herausgeber der »Deutschen evangelischen Kirchenzeitung«. Er veröffentlichte mehrere Jahrgänge »Volkspredigten« (gesammelt in 7 Bänden), »Das Leben Jesu in täglichen Andachten« (Berl. 1903, Volksausg. 1906), sowie zwei Sammlungen seiner Reden und Aufsätze: »Christlich-sozial« (das. 1885, 2. Aufl. 1895), »Wach' auf, evangelisches Volk« (das. 1893) und »Gesammelte Schriften« (das. 1896 f.). Vgl. seine Schrift »Dreizehn Jahre Hofprediger und Politiker« (Berl. 1895)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

4 Ave, confrater mi in Christo! (lateinisch) = Sei gegrüßt, mein Mitbruder in Christus!



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Aus den Metzer Tagen. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 22. -- S. 88. -- 1905-05-28

Lieber Benzler1, Ihr Bild ist ja ganz schön und kann auch an seinem Platze bleiben, nur wollen wir der besseren Dekoration wegen einen effektvollere Landschaft provisorisch darüber hängen.

1 Bischof Willibrod Benzler (1853 - 1921) von Metz hatte Anfang März 2004 katholische Beerdigungen auf dem Friedhof des Dorfes Fameck verboten, weil dort ein Protestant beerdigt worden war. Am 13. Mai 2004 musste er das Interdikt zurückziehen.

Es spricht Georg von Kopp (1837 - 1914), Fürstbischof von Breslau



Abb.: Wie man sich in katholischen Kreisen vielfach Ehrenjungfrauen mit Rosenkränzen vorstellt. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 23. -- S. 90. -- 1905-06-04



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Die protestantische Kapelle in Barcelona: Wenn er sich noch weiter so entwickelt, werden wir viel Freude an ihm erleben. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 23. -- S. 91. -- 1905-06-04

Erläuterung: In Spanien bewirkte der katholische Klerus bei König Alfons XIII. (1886 - 1941, spanischer König 1886 - 1931), dass für den Bau einer protestantischen Kirche in Barcelona keine Bauerlaubnis erteilt wurde. Alfons war 1905 19 Jahre alt.


Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Alfons XIII. --  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 28. -- 2. Beiblatt. -- 1905-07-09

Mutterns Alfönschen



Abb.: Der jüngste Feldmarschall. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 23. -- 3. Beiblatt. -- 1905-06-04

Graf Ballestrem1 (bei dem Abschiedsmahl der Zentrumsfraktionen): In der Armee habe ich es bis zum Rittmeister gebracht, im Zentrum bis zum Präsidenten des Reichstages, was man so einen Feldmarschall nennt.

1 Franz, Graf von Ballestrem (1834 - 1910)

"Ballestrem, 1) Franz, Graf von, Reichstagsabgeordneter, geb. 5. Sept. 1834 zu Plawniowitz in Oberschlesien, wurde auf geistlichen Lehranstalten, zuletzt in Namur, gebildet, besuchte 1853–55 die Universität Lüttich und wurde 1855 Offizier. Nachdem er den Krieg von 1866 als Premierleutnant mitgemacht, wurde er 1867 Rittmeister und Eskadronschef und im Kriege gegen Frankreich 1870 erster Adjutant der 2. Kavalleriedivision (Graf Stolberg). Infolge eines Sturzes invalid geworden, ließ er sich 1872 in den Reichstag wählen und schloß sich der Zentrumspartei an. Er nahm an den Kulturkampfverhandlungen lebhaften Anteil und gehörte nach deren Beendigung zum konservativen Teil des Zentrums. 1890 wurde er zum ersten Vizepräsidenten des Reichstags und 1891 auch zum Mitgliede des preußischen Abgeordnetenhauses gewählt. Er ließ sich, weil er im Gegensatze zur Zentrumsmehrheit für die Militärvorlage gestimmt hatte, nach der Auflösung des Reichstags nicht wieder als Kandidat aufstellen, blieb aber Mitglied des Abgeordnetenhauses. 1898 wieder gewählt, ist er seit 7. Dez. d. I. Präsident des deutschen Reichstages. Schon seit 1873 päpstlicher Geheimer Kämmerer di spada e cappa, ward ihm 18. Juli 1900 wegen seiner Verdienste um das Zustandebringen der Flottenvorlage der Charakter als preußischer Wirklicher Geheimer Rat zu teil."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


Das Würzburger Bächli. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 27. -- S. 106. -- 1905-07-02

Das städtische Frauenfreibad in Würzburg ist Montag, Mittwoch und Freitag für protestantische Mädchen geschlossen.

Und die Würzburger Stadtherrn sind kreuzbrave Leut,
Und die Würzburger Maidli habn empfindliche Häut.

Dort drunten das Bächli hat ein trübes Gemantsch,
Das macht, pfui Deibel, es ist protestantsch.

Die Protestantinnen haben auf der Seel viel Fleck,
Sie baden im Bächli, daher hat 's soviel Dreck.

Ein frommes katholisches Maidli das mag
Ins Bächli nicht neingehn am protestantischen Tag.

Für so eine Sünde, da gibt 's keine Buß.
Ist das Herz nur sauber, sei dreckig der Fuß.

Ein katholisches Maidli hält die Ketzer für Säu.
Doch a bissele Falschheit ist alleweil dabei.

Protestantisches Wasser entweiht ihr die Haut.
Geb Gott, dass katholisch es regnet und taut!

Erläuterung: Nach "Und die Würzburger Glöckli " (1823):

1. Und die Würzburger Glöckli
Habn schönes Geläut,
Und die Würzburger Maidli
Sein kreuzbrave Leut.
Lalala lala lalala
Lalalala lala lala
Lalalala.

2. Dort unten im Tale
Gehts Bächlein so trüb,
Und i kann dir's nit hehl'n,
I hab di so lieb.
Lalala lala lalala
Lalalala lala lala
Lalalala.

3. Und wenn i dir's zehnmal sag:
I hab di so lieb,
Und du gibst mir kein Antwort,
So wird mir's ganz trüb.
Lalala lala lalala
Lalalala lala lala
Lalalala.

4. Und a bissela Lieb
Und a bissela Treu
Und a bissela Falschheit
Ist allweil dabei.
Lalala lala lalala
Lalalala lala lala
Lalalala.

5. Und vor d'Zeit, daß d'mi g'liebt hast,
Da dank i dir schön,
Und i wunsch, daß Dir's allizeit
Besser mag gehn!
Lalala lala lalala
Lalalala lala lala
Lalalala. 

Melodie von Würzburger Glöckli

[Quelel der.mid-Datei: http://ingeb.org/Lieder/unddiewu.html. -- Zugriff am 2010-01-05]



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Schwarz-Rot-Gold1 nach der Auffassung neuerer Zeit. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 30. -- S. 118. -- 1905-07-23

1 Schwarz-Rot-Gold

"Deutsche Farben. Die alte deutsche Reichssturmfahne bestand aus einem goldenen Banner mit einem schwarzen Adler im Felde, der des Kaisers Hauswappen auf der Brust trug; sie wurde an roter Stange mit silberner Spitze getragen und bestand bis zum Ausgang des Mittelalters. Als Reichsfarben galten nach ihr Schwarz und Gelb (Gold). Erst die aus der patriotischen Begeisterung der Befreiungskriege hervorgegangene deutsche Burschenschaft wählte 1815 die Trikolore »Schwarz-Rot-Gold« als Symbol des deutschen Vaterlandes zu ihrem Abzeichen. Ob bei dieser Wahl nur der zufällige Geschmack eines patriotisch begeisterten Mädchens (Amalie Nitschke), die der Studentenschaft Jenas die erste schwarz-rot-goldene Fahne verehrte, oder das alte Reichsbanner, dessen goldenes Feld häufig auch von einem roten Streifen durchzogen war, den Ausschlag gegeben, ist streitig. Die bald eintretende Verfolgung der Burschenschaften erstreckte sich auch auf ihr Abzeichen, und ein Bundesbeschluss vom 5. Juli 1832 verbot das Tragen von Bändern, Kokarden etc. in diesen Farben. Gerade die Bedeutung, die sie hierdurch erlangten, bewirkte, dass die liberalen deutschen Patrioten Schwarz-Rot-Gold als die Nationalfarben anerkannten, und verhalf ihnen in der Bewegung von 1848 zum Sieg. Am 9. März d. J. wurde durch Bundesbeschluss der zweiköpfige Reichsadler mit der Aufschrift »Deutscher Bund« als Bundeswappen angenommen und gleichzeitig damit die Farben Schwarz-Rot-Gold zu Farben des Deutschen Bundes erhoben. Jedoch mit Reaktivierung des Deutschen Bundes fand diese Glanzperiode der deutschen Farben bereits ihr Ende, und in verschiedenen Staaten verfiel ihr Tragen von neuem der polizeilichen Verfolgung. Erst bei Wiederbeginn der nationalen Bewegung wurde die »deutsche Trikolore« von neuem zum Nationalsymbol erhoben, und während des Frankfurter Fürstentages 1863 wehte sie über dem Sitz der Bundesversammlung. 1866 wurden sie dann offiziell von den Bundesregierungen, die sich gegen Preußen erklärt hatten, als gemeinsames Zeichen anerkannt, und das 8. deutsche Armeekorps, die »deutsche Reichsarmee«, trug im Kriege gegen Preußen als Feldzeichen eine schwarz-rot-goldene Armbinde. Als die preußenfeindliche Partei in Deutschland unterlag, ward bei der Gründung des Norddeutschen Bundes die Trikolore »Schwarz-Weiß-Rot«, die beiden ersten Farben mit Rücksicht auf die Landesfarben Preußens, die letzte nach der Erklärung Bismarcks mit Rücksicht auf die Farben Kurbrandenburgs (rot und weiß) zum offiziellen Banner des Bundes bestimmt und ging von ihm 1871 auf das neue Deutsche Reich über. – Schwarz-Rot-Gold (Gelb) ist Landesfarbe der preußischen Fürstentümer, Schwarz-Gold-Rot die des Königreichs Belgien. Vgl. Fürst Hohenlohe, Die deutschen Farben Schwarz-Gold-Rot (Stuttg. 1866); Hildebrandt, Wappen und Banner des Deutschen Reiches (Berl. 1870); Pallmann, Zur Geschichte der deutschen Fahne und ihrer Farben (das. 1871); »Die Kaiserfarben« (Wiesbad. 1871)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]



Abb.: Ludwig Stutz (1865-1917): Der "Potemkin"1 ist von den Russen neu geweiht worden. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 30. -- 1. Beiblatt. -- 1905-07-23

1 Knjas Potjomkin Tawritscheski (dt.: „Fürst Potjomkin von Taurien“; Князь Потёмкин Таврический): Schiff der Schwarzmeerflotte der Russischen Marine. Sein Kommandant, Kapitän Golikov, wurde von den Matrosen „der Drache“ genannt.


Schwarz-Rot1. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 30. -- 1. Beiblatt. -- 1905-07-23

Wir sind die Bayern! Kennt ihr unsre Farben?
Die Fahne schwebte und schwarzrot voran.
Dass wir gemeinsam für die Wahlen warben,
Das deuten diese Sammetfarben an.
Schwarz sind die frommen Christen,
Rot sind die Sozialisten.
Zu treuem Bunde einten sich darum
Der Rosenkranz und das Petroleum.

Zwar war es für uns Fromme hart, die Büttel
Des glaubenslosen Kirchenfeinds zu sein,
Allein was half 's? Der Zweck heiligt die Mittel
Und ein Geschäft war dieser Wahlverein,
Und zwar für uns ein gutes,
Drum sind wir frohen Mutes.
Denn winkt uns ein beträchtlicher Profit,
So nehmen wir auch so ein Bündnis mit.

Der Sozi hoffte ein Geschäft zu machen,
Und hielt sich nicht mit Vorurteilen auf.
Denn mit Empfindsamkeit und solchen Sachen,
Da kommt man nicht sehr weit beim Rindviehkauf.
Allein von seiner Seite
War das Geschäft ne Pleite.
Er kratzt sich jetzt; es ist ihm noch nicht klar,
Wer bei dem Rindviehkauf das Rindvieh war.

Wir sind zufrieden! Gott wird uns verzeihen,
Dass wir den Demokraten uns gesellt.
Im Dienst der Kirche wollen wir uns weihen
Selbst einem Bunde, der uns sonst missfällt.
verzeih uns unsre Sünden,
O Himmel! Wir verbünden
Uns mit dem Teufel selbst und seinem Stamm,
Doch ad majorem Dei gloriam!²

1 Bei der bayerischen Landtagswahl am 17. Juli 1905 stand der Wahlkampf ganz im Zeichen einer von Zentrum und SPD gemeinsam geforderten Wahlrechtsreform, die eine direkte Wahl der Abgeordneten wollte.

² ad majorem Dei gloriam (lateinisch) = "Zur größeren Ehre Gottes" (Gregorius Magnus, Dialogi 1. 2,6; Wahlspruch des Jesuitenordens)



Abb.: C. S.: Der schwarzrote Anzug.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 34. -- S. 134. -- 1905-08-20

In bayerischen Zentrumskreisen kommt eine neue Tracht auf, die sich als kleidsam und praktisch zugleich empfiehlt. Der alte schwarze Hut ist der Ballonmütze gewichen, der bürgerliche Schirm dem Knotenstock des freien Mannes. Für das Volk ist diese Errungenschaft von großem Vorteil: es sieht jetzt klar, was zusammengehört, sich miteinander verträgt und dem Staat Nutzen bringt.

Mit der neuen Tracht ist es aufgekommen, dass ein Kleriker den andern "Genosse" nennt.

Erläuterung: Bei der bayerischen Landtagswahl am 17. Juli 1905 stand der Wahlkampf ganz im Zeichen einer von Zentrum und SPD gemeinsam geforderten Wahlrechtsreform, die eine direkte Wahl der Abgeordneten wollte. Zentrum und SPD gewinnen bei dieser Wahl hinzu, währen die liberale Fortschrittspartei die Hälfte ihrer bisher 44 Mandate einbüßt.


In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 35. -- S. 138. -- 1905-08-27

Auf dem Katholikentag in Straßburg1 wurde ein Lied verteilt, das "Katholiken, vor die Front!" betitelt und nach der Melodie der "Wacht am Rhein"² zu singen ist. Zu den Strophen dieses Liedes, die von den Blättern mitgeteilt sind, könnte vielleicht noch folgende hinzugefügt werden:

Auf Katholiken, an die Front!
Schwarz flamm es auf am Horizont!
Kein Evangelscher jemals werd
Beerdigt in katholscher Erd!
Wird 's doch gewagt, dann läutet Sturm!
Fest steht und treu der Zentrumsturm.

1 52. Deutscher Katholikentag vom 20. bis 24. August 1905 in Straßburg

2 Die Wacht am Rhein / von Max Schneckenburger, 1840

1. Es braust ein Ruf wie Donnerhall,
Wie Schwertgeklirr und Wogenprall:
Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein,
Wer will des Stromes Hüter sein?
|: Lieb' Vaterland, magst ruhig sein, :|
|: Fest steht und treu die Wacht am Rhein! :|

Melodie zur Wacht am Rhein

[Quelle der .mid-Datei: http://ingeb.org/Lieder/esbraust.html . -- Zugriff am 2009-12-27]


St. V. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 35. -- S. 139. -- 1905-08-27

In orthodoxen Kreisen hat sich eine "Stille Vereinigung" gebildet, die gegen das ärgerniserregende Treiben der "grundstürzenden" modernen Theologen mit "heiliger Rücksichtslosigkeit" vorgehen will.

Wenn zwei einander begegnen
Und flüstern St. V.,
Verklärten Blickes sich segnen,
Dann ist die Losung: Trau, schau!

Sie wandeln auf weichen Sohlen
Umher in geschäftiger Hast,
Mit dem Sammeln feuriger Kohlen
Haben sie stets sich befasst.

Und wo sie raten und taten,
Erhebt sich ein lieblicher Duft:
Der Rauch von Ketzerbraten
Durchwirbelt alsbald die Luft.

Sie haben sich still vereinigt,
In Stille wirken sie,
Bis dass sie Deutschland gereinigt
Zum Heil der Orthodoxie.



Abb.: Der unglückliche Reichskanzler1. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 35. -- S. 140. -- 1905-08-27

Mit dem Trotha² ist nicht gut Kirschen essen. Der allmächtige Pod³ verweigert ihm, dem Nichtzuständigen, kurzweg die Erhöhung des russischen Schweinekontingents. Aber der gute, liebe Papst4 wird als Mitregent Deutschlands schon den bösen Zentrumsbengeln, wenn sie Schutztruppen und Schiffchen verweigern, die katholische Untertanentreue beibringen.

1 Fürst Bernhard von Bülow (1849–1929): Reichskanzler 1900 - 1909

² Lothar von Trotha (1848 - 1920): preußischer General

³ Viktor von Podbielski (1844 - 1916): Landwirtschaftsminister 1901 - 1906

4 Papst Pius X. (1835 - 1914)



Abb.: Gustav Brandt (1861 - 1919): Professor Dr. Dr. Adolf Harnack, Generaldirektor der Kgl. Bibliothek zu Berlin.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 35. -- 2. Beiblatt. -- 1905-08-27

Adolf, der weltkundige Gottesmann

1 Adolf [von] Harnack (1851 - 1930)

"Harnack, Adolf, protest. Theolog, Sohn des vorigen, geb. 7. Mai 1851 in Dorpat, studierte daselbst, wurde 1874 Privatdozent in Leipzig, hier 1876 außerordentlicher, 1879 ordentlicher Professor in Gießen, 1886 in Marburg, 1889 in Berlin, wo er 1890 zum Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften ernannt wurde. H. ist der Führer derjenigen Gruppe unter den modernen Theologen, die, ausgehend von Albrecht ð Ritschl (s. d.) und gestützt auf kritische Durchforschung und Verarbeitung der Geschichte, eine Versöhnung des Christentums mit dem Bewußtsein der Gebildeten anstrebt. Außer zahlreichen Abhandlungen in den von ihm in Gemeinschaft mit O. v. Gebhardt herausgegebenen »Texten und Untersuchungen zur altchristlichen Literatur« (Leipz. 1882 ff.; bisher 26 Bde.), in den Sitzungsberichten der Berliner Akademie und vielen wissenschaftlichen Zeitschriften, sowie einer größern Anzahl von Reden und Vorträgen (gesammelt u. d. T.: »Reden und Aufsätze«, Gieß. 1904, 2 Bde.) veröffentlichte H.: »Zur Quellenkritik der Geschichte des Gnostizismus« (Leipz. 1873); »De Apellis gnosi monarchica« (das. 1874); »Die Zeit des Ignatius und die Chronologie der antiochenischen Bischöfe« (das. 1878); »Das Mönchtum, seine Geschichte und seine Ideale« (6. Aufl., Gieß. 1903); »Martin Luther in seiner Bedeutung für die Geschichte der Wissenschaft und der Bildung« (3. Aufl., das. 1901); »Lehrbuch der Dogmengeschichte« (Freiburg 1886–90, 3 Bde.; 3. Aufl. 1894–97); »Grundriß der Dogmengeschichte« (3. Aufl., das. 1898); »Augustins Konfessionen« (3. Aufl., Gieß. 1903); »Geschichte der altchristlichen Literatur bis Eusebius« (bisher 2 Tle. in 3 Bdn., Leipz. 1893–1904); »Geschichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin« (Berl. 1900, 3 Bde.; Ausgabe in 1 Bd. 1901); »Das Wesen des Christentums« (Leipz. 1900,50. Tausend 1903; übersetzt ins Dänische, Englische, Französische, Japanische, Italienische); »Die Aufgabe der theologischen Fakultäten und die allgemeine Religionsgeschichte« (Gieß. 1901); »Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten« (Leipz. 1902). Mit O. v. Gebhardt und Th. ð Zahn (s. d.) gab er die »Patrum apostolicorum opera« (Leipz. 1876–78, 3 Tle.; Ausgabe in 1 Bd., 3. Aufl. 1900) heraus; seit 1881 ist er Mitherausgeber der von ð Schürer (s. d.) 1876 begründeten »Theologischen Literaturzeitung«. Die preußische Orthodoxie hatte schon seiner Berufung nach Berlin heftigsten Widerstand entgegengesetzt und nahm später von Harnacks Schrift über »Das Apostolische Glaubensbekenntnis« (Berl. 1892, 27. Aufl. 1896; abgedruckt in den »Reden«) Anlaß zu erneutem Kampfe gegen seine akademische Tätigkeit, der durch die Veröffentlichung des »Wesens des Christentums« zu höchster Erbitterung gesteigert worden ist."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]



Abb.: Der Schulkompromiss1.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 48. -- 3. Beiblatt. -- 1905-11-26

Hm, hm, im Frühjahr schmeckte er doch ganz anders.

1 preußischer Schulkompromiss

"Nachdem die drei maßgebenden Parteien: Zentrum, Konservative, Nationalliberale sich im viel angefochtenen sogen. Schulkompromiss über die wichtigsten Grundlagen dieses Gesetzes mit der Regierung geeinigt hatten, legte der Kultusminister v. Studt im Dezember 1905 den verlangten Entwurf dem Landtage vor. Nach langen Verhandlungen wurde dann zunächst durch Gesetz vom 10. Juli 1906 Artikel 26 der Verfassung dahin geändert, dass er nicht mehr ein das gesamte Unterrichtswesen regelndes Gesetz, sondern nur gesetzliche Regelung des Schul- und Unterrichtswesens überhaupt verlangt, und Artikel 112 ganz aufgehoben. Erst hierauf erschien 28. Juli 1906 das Gesetz, betreffend die Unterhaltung der öffentlichen Volksschulen, selbst. Es besteht aus sechs Abschnitten: I. § 1–6: Träger der Schullast (grundsätzlich die bürgerliche Gemeinde; Vorschriften für die in besondern Ausnahmefällen gebotene Bildung von Schulverbänden); II. § 7–23: Verteilung der Volksschullasten, Schulhaushalt, Baufonds, Staatsleistungen; III. § 24–32: Schulvermögen, Leistungen Dritter; IV. § 33–42: Konfessionelle Verhältnisse (Konfessionalität der Volksschulen gilt als Regel; die konfessionellen Minderheiten werden sorgsam geschützt; paritätische Schulen nicht unbedingt ausgeschlossen, aber sehr erschwert); V. § 43–62: Verwaltung der Volksschulangelegenheiten und Lehrerausteilung; VI. § 63–71: Schluss- und Übergangsbestimmungen. Von einer Wirkung des vielumstrittenen Gesetzes, das die extremen Parteien keineswegs befriedigt, aber doch zweifellos viel Gutes enthält und bei aller (übrigens der Verfassung entsprechenden) Rücksicht auf die konfessionellen Verhältnisse doch die Hoheit des Staates durchaus wahrt, kann noch nicht die Rede sein. Ergänzt soll es noch werden durch eine Revision des Lehrerbesoldungsgesetzes vom 3. März 1897. Auf den Geist der Ausführung wird alles ankommen. Vgl. Lezius, Das Gesetz, betreffend die Unterhaltung der öffentlichen Volksschulen vom 28. Juli 1906 etc. (Berl. 1906); v. Rohrscheidt, Preußisches Schulunerhaltungsgesetz (das. 1906)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v. Schullasten]


Das Zentrum als Paukenschläger.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 50. -- 1. Beiblatt. -- 1905-12-10

In Durmersheim bei Karlsruhe schlug der hochwürdige Herr Kurat1 nach einer Wahlversammlung bei der Feuerwehrmusik die große Pauke. (Lipp. Neueste Nachrichten)

In Durmersheim zur Wahl, da macht
Der Herr Kurat Musike.
Er schlägt die Pauke, dass es kracht;
Die ganze Nachbarschaft erwacht
Und fragt: "Was will der Dicke?"

Ihr lieben Leute merkt es euch:
So geht 's heut überall im Reich.
Wo dreie musizieren,
Da trommelt auch der Pfaff den Takt,
Und wie er seinen Schlegel packt,
So müssen wir marschieren!

1 Kurat

"Kurātgeistliche (Kuratklerus, Curati), in der katholischen Kirche die Priester, denen die Seelsorge über einen bestimmten Sprengel obliegt; speziell Kapläne, welche die Seelsorge unter Aufsicht eines Bischofs oder Pfarrers üben."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


Die schamhaften Frauen von Topeka1 : eine wahre Geschichte aus Kansas.  -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 50. -- 1. Beiblatt. -- 1905-12-10

Im Bibliothekssaal zu Topeka
Versammeln sich die Frauen;
Doch an der Wand - was sehen sie da?
Es packt sie Schrecken und Grauen!

Ganz nackige Männer - o Schimpf und Schand! -
In Marmor ausgehauen!
Man kann schon durch die gespreizte Hand
Die schmutzigsten Dinge schauen.

Und Weiber stehen daneben auch -
So liegt man nicht mal im Bette!
Kein Hemdchen raschelt um Hüft und Bauch
Es fehlen sogar die Korsette!

Doch die keuschen Frauen von Topeka -
Wie gereicht es ihnen zum Lobe! -
Sie pumpen den marmornen Schweinen da
Ihre eigene Garderobe.

Man sieht sie mit Mantel und Tunika
Auf all die Gräuel stürzen.
Und wo man noch eben was anderes sah,
Da flattern jetzt nur Schürzen.

In Topeka so ist  die Moral
Von Frauen gebracht zu Ehren.
O könnten aus Deutschland auch einmal
Wir so Erbauliches hören!

1 Topeka, Hauptstadt von Kansas, USA


Die Schule. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 51. -- S. 203. -- 1905-12-17

Qui proficit in litteris et deficit in moribus, plus deficit quam proficit.1

Weshalb schickt man Kinder in die Schule?
Um sie aus dem eklen Sündenpfuhle
Dieser Welt, wenn möglich, rauszuziehn,
Dass sie an der Hand des Katechismus
Hassen lernen den Naturalismus,
Ganz besonders in der Stadt Berlin.

Dieserhalb erscheint es und vonnöten,
Dass die lieben kleinen Kinder beten
Streng gesondert nach der Konfession.
Denn katholische mit protestantschen
Kinderbitten mang und mang zu mantschen,
Ist gefährlich für Altar und Thron.

Zweitens dürfen Städte nur bezahlen.
Herr und Meister in den Schullokalen
Ist und bleibt die hohe Polizei,
Dass nicht etwa mal ein Bürgermeister
Dort lässt Sonntags beten freie Geister,
Denn dann wär 's mit der Moral vorbei.

Drittens muss der würdge Pastor loci²
Schulinspektor sein, weil sonst der Sozi
Unfehlbar die Kinderschar verführt.
Durch Hochwürden wird verscheucht der Sünder,
Wovon nicht nur die Moral der Kinder,
Nein, auch die der Lehrer profitiert.

Dass die Kinder Lesen, Rechnen, Schreiben
Und noch andre Wissenschaften treiben,
Ist gewiss erfreulich, wenn es geht.
Der Gesetzentwurf Studt³ und Genossen
Hat auch diesen Zweck nicht ausgeschlossen,
Wenn er auch in zweiter Linie steht.

1 Qui proficit in litteris et deficit in moribus, plus deficit quam proficit. (lateinisch) = Wer wissenschaftlich Fortschritte macht, aber moralisch Rückschritte, geht mehr rückwärts als vorwärts.

² Pastor loci = Ortsgeistliche

³ Konrad Heinrich Gustav von Studt (1838 - 1921): preußischer Kultusminister. Es geht um den Schulkompromiss (siehe oben!)


Der heilige Rock von Trier oder Die Sühneprozession in München? -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 51. -- 3. Beiblatt. -- 1905-12-17

In München dröhnen die Glocken - bum! -
Und Fahnen im Winde wehn.
Dem heiligen Rock1 von Trier - schrum! -
Ist bitteres Leid geschehn.

Ein Zeitungsschreiber meinte frech,
Es sei ein Falsifikat,
Und das Münchner Schwurgericht - o Pech! -
Sprach frei den Herostrat².

Dazu ein deutscher Geschichtsprofessor - o Schreck! -
Und dazu ein Katholik,
Bezeugte, es gäb der heiligen Röck
Wohl an die zwanzig Stück.

Und da zwanzig Städte sagten: "Dies
Ist Christi Gewand, sonst keins!"
So passe der heilige Rock - wie mies -
Nicht in das Einmaleins!

Du dummer Professor! Jetzt ist erbracht
Der Beweis der Echtheit ja;
Denn ein Rock, der sich verzwanzigfacht,
Muss heilig sein - Hurrah!

Drum dröhnen in München die Glocken - bum! -
Und Fahnen im Winde wehn.
Dem heiligen Rock von Trier - schrum! -
Ist großes Heil geschehn!

1 Heiliger Rock

"Heiliger Rock, eine von den angeblichen Reliquien Christi (Joh. 19,23), wird in mehreren Exemplaren, z. B. in Argenteuil, in der Laterankirche zu Rom u. a. O., aufbewahrt. Am bekanntesten ist der im Dom zu Trier aufbewahrte, zuerst auf Bitten Kaiser Maximilians 1512 zur Verehrung der Gläubigen ausgestellte heilige Rock geworden, der bald von Helena, der Mutter Konstantins, aus dem Heiligen Lande gebracht und ihrer Vaterstadt Trier geschenkt, bald von Orendel, dem Sohne des Königs Eygel in Trier, der auf dem Zug nach Palästina Schiffbruch gelitten, nach Trier gebracht worden sein soll. Die vom Bischof Arnoldi 1844 verfügte Ausstellung rief die Bewegung des Deutschkatholizismus (s. ð Deutsch-katholiken) hervor. 1891 ließ Bischof Korum die Reliquie von neuem ausstellen; 1,925,130 Pilger zogen nach Trier, von denen nach dem Zeugnis des Bischofs 11 geheilt, 27 mit »Gnadenerweisen« bedacht wurden. Vgl. Korum, Wunder und göttliche Gnadenerweise bei Ausstellung des heiligen Rockes zu Trier im Jahre 1891. Aktenmäßig dargestellt (Trier 1894); Gildemeister und v. Sybel, Der heilige Rock zu Trier u. die 20 andern heiligen ungenähten Röcke (3. Aufl., Düsseld. 1845). Gegnerischerseits schrieben unter andern Beyschlag, Thümmel, Rieks, H. Kurtz."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

² Herostrat (Ἡρόστρατος)

"Herostrătos, ein Ephesier, steckte 356 v. Chr. den berühmten Tempel der Artemis bei seiner Vaterstadt in Brand, um, wie er auf der Folter aussagte, seinen Namen auf die Nachwelt zu bringen. Dies ist ihm geglückt, obwohl die Ephesier beschlossen, ihn der Vergessenheit zu übergeben."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]



Abb.: Die jüngste vatikanische Allokution1. -- In: Kladderadatsch. -- Jg. 58, Nr. 52. -- S. 208. -- 1905-12-24

Große Sorge befällt uns beim Anblick der ältesten Tochter der Kirche², die ihr mütterliches Erbteil in schlechter Gesellschaft verschleudert, das Konkordat aufgegeben hat und ein lockeres Verhältnis eingegangen ist.

1 Allokution: Gegen französische Gesetz zur Trennung von Staat und Kirche vom 8. Dez. 1905 legte Pius X. in derer Allokution vom 15. Dez. 1905 Verwahrung ein.

"Allokution (lat., »Ansprache«), im röm. Kurialstil der Vortrag des Papstes im Kardinalkollegium über irgend eine wichtige kirchliche oder politische Angelegenheit. Eine solche A. soll in der Regel ein Prinzip oder ein Recht wahren. Die Allokutionen werden durch Anschlag an die Pforten der Peterskirche veröffentlicht."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

² älteste Tochter der Kirche = Frankreich


Zu: Kladderadatsch 1906 - 1909

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