Religionskritik

Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXV:

Kirche und Staat, Kirche und Politik

1. Bis 1848


kompiliert und herausgegeben von Alois Payer

(payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXV: Kirche und Staat, Kirche und Politik  / kompiliert und hrsg. von Alois Payer.  -- 1. Bis 1848. -- Fassung vom 2005-02-08. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/karikaturen251.htm     

Erstmals publiziert: 2004-05-23

Überarbeitungen: 2005-02-08 [Ergänzungen]; 2005-01-20 [Ergänzungen]; 2004-12-25 [Ergänzungen]; 2004-11-30 [Aufteilung des Kapitels, Ergänzungen]; 2004-11-29 [Ergänzungen]; 2004-07-28 [Ergänzungen]; 2004-07-08 [Ergänzungen]; 2004-07-02 [Ergänzungen]; 2004-06-25 [Ergänzungen];  2004-06-10 [Ergänzungen]; 2004-05-28 [Ergänzungen]

©opyright: Abhängig vom Todesdatum der Künstler

Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library


Gewidmet dem unseligen Angedenken an

Paul Rusch (1903 - 1986), Bischof von Innsbruck (1938 - 1981)
und seine Handlanger bei den Jesuiten und an der Universität

deren Ungeist ich während meines Theologiestudiums in Innsbruck 1962 bis 1965 erleben und erleiden musste

Eine Aussage genüge, um zu zeigen, wessen Geistes diese "Herrschaften" waren:

"Der Mann verdirbt die Jugend, den muss man zum Schweigen bringen." (Aussage des Bischofs über den großen Mathematiker Univ. Prof. Dr. Wolfgang Gröbner, der es gewagt hatte, in öffentlichen Lehrveranstaltungen zu zeigen, dass "das, was die Theologen lehren, Unsinn ist.")

Bis heute scheinen sich in Österreich diese traurigen Zustände noch nicht geändert zu haben.
(Da spricht doch der Kardinal von Wien im Parlament! Und das Kasperltheater der österreichischen Bischöfe wird im Staatsfernsehen wie etwas Wichtiges behandelt.)


Klicken Sie heir, um "Gott erhalte ..." zu hören

Melodie: Joseph Haydn (1732 - 1809) [Die Melodie wurde von Deutschland für das unsägliche Deutschlandlied geklaut]
Text: Johann Gabriel Seidl, 1854 (letzte Strophe nach 1918)

Österreichisches Kaiserlied
1. Gott erhalte, Gott beschütze
Unsern Kaiser, unser Land!
Mächtig durch des Glaubens Stütze,
Führt er uns mit weiser Hand!
Lasst uns seiner Väter Krone
Schirmen wider jeden Feind!
|: Innig bleibt mit Habsburgs Throne
   Österreichs Geschick vereint! :|
 

2. Fromm und bieder, wahr und offen
Lasst für Recht und Pflicht uns stehn;
Lasst, wenns gilt, mit frohem Hoffen
Mutvoll in den Kampf uns gehn
Eingedenk der Lorbeerreiser
Die das Heer so oft sich wand
|: Gut und Blut für unsern Kaiser,
   Gut und Blut fürs Vaterland! :|
 

3. Was der Bürger Fleiß geschaffen
Schütze treu des Kaisers Kraft;
Mit des Geistes heitren Waffen
Siege Kunst und Wissenschaft!
Segen sei dem Land beschieden
Und sein Ruhm dem Segen gleich;
|: Gottes Sonne strahl' in Frieden
   Auf ein glücklich Österreich!
 

  4. Lasst uns fest zusammenhalten,
In der Eintracht liegt die Macht; :|
Mit vereinter Kräfte Walten
Wird das Schwere leicht vollbracht,
Lasst uns Eins durch Brüderbande
Gleichem Ziel entgegengehn
|: Heil dem Kaiser, Heil dem Lande,
   Österreich wird ewig stehn! :|

An des Kaisers Seite waltet,
Ihm verwandt durch Stamm und Sinn,
Reich an Reiz, der nie veraltet,
Uns're holde Kaiserin.
Was als Glück zu höchst gepriesen
Ström' auf sie der Himmel aus:
|: Heil Franz Josef, Heil Elisen,
   Segen Habsburgs ganzem Haus! :|

Heil auch Öst'reichs Kaisersohne,
Froher Zukunft Unterpfand,
Seiner Eltern Freud' und Wonne,
Rudolf tönt's im ganzen Land,
Unsern Kronprinz Gott behüte,
Segne und beglücke ihn,
|: Von der ersten Jugendblüte
   Bis in fernste Zeiten hin. :|

In Verbannung, fern den Landen
Weilst Du, Hoffnung Österreichs.
Otto, treu in festen Banden
Steh'n zu Dir wir felsengleich.
Dir, mein Kaiser, sei beschieden
Alter Ruhm und neues Glück!
|: Bring den Völkern endlich Frieden,
   Kehr zur Heimat bald zurück!:|

[Text und midi-Datei: http://ingeb.org/Lieder/gotterha.html. -- Zugriff am 2005-01-20]


1597


Dankgebet für die niederländischen Siege. -- 1597 [Keine Satire!]

Für Melodie "Wir treten ..." hier drücken

[Quelle der midi-Datei: http://ingeb.org/spiritua/wirtretz.html.  -- Zugriff am 2004-10-21]

Wir treten zum Beten
Vor Gott den Gerechten.
Er waltet
und haltet
Ein strenges Gericht.
Er lässt von den Schlechten
Die Guten nicht knechten;
Sein Name sei gelobt
Er vergisst unser nicht.

Im Streite zur Seite
Ist Gott uns gestanden,
Er wollte,
es sollte
Das Recht siegreich sein:
Da ward kaum begonnen,
Die Schlacht schon gewonnen.
Du, Gott, warst ja mit uns:
Der Sieg, er war Dein!

Wir loben
Dich oben,
Du Lenker der Schlachten,
Und flehen,
mögst stehen
uns fernerhin bei
dass deine Gemeinde
nicht Opfer der Feinde.
Dein Name sei gelobt!
O Herr, mach uns frei!

Herr, mach uns frei


1648


Friedrich von Logau (1604 - 1655): Herodes weiset und kümmt nicht.  -- 1648

Herodes weist die Weisen,
Wo sie zu Christus reisen,
Kummt aber selbsten nicht
Und bringt ihm seine Pflicht;
Wer weiß, was die wohl glauben,
Die uns zum Glauben schrauben?

Erläuterung: spielt an auf Matthäusevangelium 2, 7f:"Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre,  und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr’s findet, so sagt mir’s wieder, dass auch ich komme und es anbete. "


1691



Abb.: Cornelis Dusart (1660 - 1704): "Die Helden der Heiligen Liga oder die von Ludwig XIV. angeführte Mönchsprozession zur Bekehrung der Protestanten seines Königreichs": Der Parlamentsrat du Viger. -- 1691

Erläuterung: Am 5. März 1684 wurde durch die Vermittlung von Papst Innozenz XI. die Heilige Liga zwischen dem Heiligen Römischen Reich, Polen und Venedig (ab 1686 auch Russland) als Kampfbund gegen die Osmanen gegründet. Der größte militärische Erfolg der Liga ist der Sieg in der Schlacht bei Mohács (1687).


Abb.: Cornelis Dusart (1660 - 1704): "Die Helden der Heiligen Liga oder die von Ludwig XIV. angeführte Mönchsprozession zur Bekehrung der Protestanten seines Königreichs": Madame de Maintenon. -- 1691

Erläuterung:

"Maintenon (spr. mängt'nóng), Françoise d'Aubigné, Marquise von, heimliche Gemahlin Ludwigs XIV. von Frankreich, geb. 27. Nov. 1635 in der Zitadelle von Bordeaux, gest. 15. April 1719 in St.-Cyr, Tochter des eingekerkerten Wüstlings Constant d'Aubigné, Enkelin des tapfern Vorkämpfers der Hugenotten, Agrippa von Aubigné, ging 1639 mit ihren Eltern nach Martinique, kam 1649, nach deren Tode zum Katholizismus bekehrt, als Gesellschafterin einer adligen Dame nach Paris und verheiratete sich hier 1652 mit dem Dichter Scarron. Nach ihres Gemahls Tode 1660 geriet sie aus Armut in eine sehr bedrängte Lage, bis ihr der Hof eine Pension von 2000 Livres aussetzte. 1669 übernahm sie die Pflege und Aussicht über die beiden Kinder der Marquise von Montespan von Ludwig XIV. Als der König in der Folge diese Kinder öffentlich anerkannte und an den Hof kommen ließ, erschien auch ihre Erzieherin daselbst. Nicht mehr schön, aber vorsichtig und klug, flößte sie durch ihr würdevolles und anmutiges Benehmen und ihren Geist dem König ein ungewöhnliches Interesse ein, und es gelang ihr, die Montespan aus seiner Gunst zu verdrängen. 1674 kaufte sie die zum Marquisat erhobene Besitzung M. im Westen von Paris. Seit 1680 war sie die erklärte Freundin Ludwigs XIV., hielt ihn jedoch in Schranken und wirkte unablässig auf sein religiöses Gefühl, bis er sich nach dem Tode der Königin Maria Theresia 1685 in der Stille mit ihr trauen ließ. Bei allem Schein zurückgezogener Bescheidenheit hatte sie doch fortan auf den Gang der Staatsangelegenheiten den bedeutendsten Einfluss, den sie im Sinne einer streng klerikalen Politik im Innern Frankreichs wie nach außen gelten d machte. Nach Ludwigs Tod (1715) zog sie sich in die Abtei St.-Cyr zurück, wo sie schon 1685 eine Erziehungsanstalt für 300 Töchter armer Edelleute gestiftet hatte. Die unter ihrem Namen erschienenen »Mémoires« (Amsterd 1755, 6 Bde.) sind ein Machwerk Beaumelles; ihre Werke, unter denen ihre Briefe (von denen die M. freilich die wichtigsten, namentlich die Korrespondenz mit Ludwig XIV., vernichtet hat) durch die Eleganz des Stils bemerkenswert sind, wurden herausgegeben von Lavallée (Par. 1854-66, 10 Bde.)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


Abb.: Cornelis Dusart (1660 - 1704): "Die Helden der Heiligen Liga oder die von Ludwig XIV. angeführte Mönchsprozession zur Bekehrung der Protestanten seines Königreichs": Der Erzbischof von Paris. -- 1691


1729



Abb.: Seine Heiligkeit und sein Premierminister. -- England. --  1729


1756/1763


Gebet eines sächsischen Bauers. -- Aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges (1756 - 1763)

Aus der Tiefe rufen wir, Herr, zu dir:
treib unseren Beschützer weit von hier.
Er sagt uns viel von der Religion,
bis wir zuletzt kein Brod mehr hon.
Haber und Heu hat er uns genommen,
ach hilf, dass die Husaren und Panduren kommen.
Knecht und Pferd sind entrissen.
Ach Herr! Er hat uns recht beschissen.
Vertilge ihn samt seinen Namen
und sprich dazu den Frieden. Amen.

[Quelle: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten : Bd. 1 u. Bd. 2 reprinted u. zusammengebunden / Wolfgang Steinitz
Sonderausg. -- Frankfurt am Main : Zweitausendeins, 1979. --  XLIV, 630 S. : Noten ; 21 cm. --  Nebentitel: Der grosse Steinitz. -- ISBN: 3-88436-101-5. -- Bd. I, S. 99]


1770



Abb.: Keine Karikatur: Catalogus verschiedener Bücher, so von Churfürstlichem Büchercensurcollegio theils als religionswidrig. teils als denen guten Sitten, teils auch als denen Landesfürstlichen Gerechtsamen nachteilig verbothen worde. -- München, 1770


Gottfried August Bürger (1747-1794): Der Bauer. -- 1775

An seinen Durchlauchtigen Tyrannen

Wer bist du, Fürst, dass ohne Scheu
Zerrollen mich dein Wagenrad,
Zerschlagen darf dein Ross?

Wer bist du, Fürst, dass in mein Fleisch
Dein Freund, dein Jagdhund, ungebläut
Darf Klau' und Rachen hau'n?

Wer bist du, dass, durch Saat und Forst,
Das Hurra deiner Jagd mich treibt,
Entatmet, wie das Wild? -

Die Saat, so deine Jagd zertritt,
Was Ross, und Hund, und Du verschlingst,
Das Brot, du Fürst, ist mein.

Du Fürst hast nicht, bei Egg' und Pflug,
Hast nicht den Erntetag durchschwitzt.
Mein, mein ist Fleiß und Brot! -

Ha! du wärst Obrigkeit von Gott?
Gott spendet Segen aus; du raubst!
Du nicht von Gott, Tyrann!


1779


Heinrich Christian Boie (1744 - 1806): Die Gnade. -- 1779

Warum der Pastor oft mit tiefem Kompliment
Den Edelmann "Ihr Gnaden" nennt?
Weil er es in der Tat für hohe Gnad erkennt,
Dass ihn der Edelmann "Herr Pastor" nennt.


1785


Gottlieb Konrad Pfeffel (1736 - 1809): Die Toleranz. -- 1785             
Der Adler hielt auf der bereiften Spitze
Des Himmelhohen Kaukasus
Sein Parlament. Er legte seine Blitze
Voll Huld zu seines Thrones Fuß,
Und wog den Großen und dem Volke
Das Recht in ebnen Schalen aus.
Da fuhr, gleich einem Strahl aus einer Donnerwolke,
Ein Habicht in das Oberhaus.
Er hielt ein fremdes Tier in seinen Krallen;
Es war ein alter Kakadu,
Der Indostan verließ, um durch die Welt zu wallen.
Sir! rief dem Schach der Schnapphahn zu:
Hier ist ein arger Wicht, der dir dein Erzamt raubet,
Ein Philosoph, der den Olymp zerstört,
Der keinen Zeus und keinen Pluto glaubet,
Und nur bei seinem Brahma schwört:
Ja, was noch ärger ist, er macht sich ein Gewissen,
Die Kost, die meinen König nährt,
Das Fleisch der Tiere zu genießen,
Drum halt ich ihn des Todes wert.
»Da Zeus ihn leben lässt, so lass auch ich ihn leben,«
Versetzt der gute Schach, und winkt ihn los zu geben.
Der Inquisitor barst vor Wut;
Allein das Hofgesind, zumal die Papageien,
Der Virtuos aus Calekut,
Und die beredte Gänsebrut
Vergötterten in wilden Melodeyen
Des Königs Toleranz und Edelmut.
Schweigt, rief der Potentat, so derb zur bunten Herde,
dass ihr der kalte Schweiß entrann,
Ein Fürst, der nicht verfolgt, ist noch kein Gott der Erde,
Ist weiter nichts als ein Tyrann.

1788



Abb.: James Gillray (1757 - 1815): Die Verbeugung vor dem Thron. -- 1788

Erläuterung: Dargestellt ist George III. (1738 - 1820), von 1760 bis 1820 König von Großbritannien.


1789



Abb.: Das französische Volk zur Zeit des absolutistischen Königtums. - 1789

[Quelle: Fuchs, Eduard <1870 - 1940>:  Die Karikatur der europäischen Völker. -- München : Lange. -- Teil 1: Vom Altertum bis zum Jahre 1848. -- 4., vermehrte Aufl. -- 1921. -- 480 S. : Ill. -- Nach S. 136]


Gottfried August Bürger (1747-1794). -- 1789

Für wen, du gutes deutsches Volk
Behängt man dich mit Waffen?
Für wen lässt du von Weib und Kind
Und Herd hinweg dich raffen?
Für Fürsten- und für Adelsbrut,
Und fürs Geschmeiß der Pfaffen.

War's nicht genug, ihr Sklavenjoch
Mit stillem Sinn zu tragen?
Für sie im Schweiß des Angesichts
Mit Fronen dich zu plagen?
Für ihre Geißel sollst du nun
Auch Blut und Leben wagen?

Sie nennen's Streit fürs Vaterland,
In welchen sie dich treiben.
O Volk, wie lange wirst du blind
Beim Spiel der Gaukler bleiben?
Sie selbst sind das Vaterland,
Und wollen gern bekleiben1.

Was ging uns Frankreichs Wesen an,
Die wir in Deutschland wohnen?
Es mochte dort nun ein Bourbon2,
Ein Ohnehose3 thronen.
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
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Erläuterungen: bezieht sich auf Preußen und Österreich, deren Truppen 1792 im - von Frankreich erklärten - Krieg mit dem revolutionären Franreich stehen mit dem Kriegsziel, in Frankreich die Monarchie wiederherzustellen.

1 bekleiben = wurzeln, haften bleiben, festsitzen, fortdauern

2 Bourbon: französisches Königsgeschlecht seit 1583, dem auch Ludwig XVI. (1774-92) angehörte, der durch die französische Revolution gestürzt wurde;

3 Ohnehose = Sansculotte

'Sans-Culotte' ('Ohne-Hosen') war ursprünglich eine Bezeichnung für Kleinhändler und Wanderarbeiter, die lange Hosen trugen, wie sie heute modern sind - und nicht Kniebundhosen wie die wohlhabenden Bürger. Während der Revolution bezeichnete das Wort die politisch aktiven Bürger dieser Gesellschaftsschicht und allgemein die radikalen Vertreter der Pariser Bürger. Für Politiker wie Robespierre waren sie die Machtbasis, auf der sie ihre Forderungen nach radikalen Maßnahmen stützte "

[Quelle: http://www.republique.de/sansculotten.php. -- Zugriff am 2004-07-28]


Gottfried August Bürger (1747-1794): Straflied beim schlechten Kriegsanfange der Gallier. -- 1789
Wer nicht für Freiheit sterben kann,
Der ist der Kette wert.
Ihn peitsche Pfaff und Edelmann
Um seinen eignen Herd!

O Franzen, eure Rednerei
Ist mir ein Greuel nun.
Nicht prahlen, daß man tapfer sei,
Nein, tapfer muß man tun.

Zwar wissen wir, um Blut erkauft
Der Sieg sich immer nicht;
Doch daß ihr wie Gesindel lauft,
Drob zürnt mein Strafgedicht.

Ha, glaubt ihr, daß man feigen Sinn
Durch Tigertaten birgt?
Schmach euch, die ihr den Feldherrn hin,
Hin den Gefangnen würgt!

Wie war mein freies Herz entbrannt,
Getäuscht durch Adelschein,
Selbst gegen Hermanns Vaterland
Tyrtäus euch zu sein!

Nun wend ich meines Liedes Pfeil,
Von Unmut rasch beschwingt;
Und rufe jedem Sieg und Heil,
Der euch die Fessel bringt.

Wer nicht für Freiheit sterben kann,
Der ist der Kette wert.
Ihn peitsche Pfaff und Edelmann
Um seinen eignen Herd!


 
 

 


1790


Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832): Aus: Epigramme, Venedig 1790

Not lehrt beten, man sagt's; will einer es lernen, er gehe
Nach Italien! Not findet der Fremde gewiss.


Anonym. -- 1790

Ihr Bauern hier im Sachsenland
Erlegt das Wild mit eigner Hand,
Ihr tötet Hirsche, Reh´ und Schweine,
Ein jeder spricht: Die Jagd ist meine,
Ihr waget Leben, Gut und Blut.
Woher nehmt ihr doch solchen Mut?
Ihr sagt, man hört nicht unsre Klagen,
Wenn wir es gleich den Fürsten sagen,
Das Wild verwüstet Feld und Saat,
Wenn wir gleich wachen früh und spat.
Viel Steuern haben wir zu geben,
Kind und Gesinde wollen leben,
Drum machen wir uns selber Jagd,
Es wird niemand drum gefragt.
Gott, der des Menschen Würde kennt,
Bei Adam dort uns alle nennt:
Herrschaft über Vieh in Feld und Wald!
Ich schuf´s zu eurem Unterhalt,
Ihr mögt die Tiere schlachten und essen,
Nur sollt ihr meiner nicht vergessen!
Hier liest man nicht von Sklaverei,
Gott schuf den Menschen völlig frei.
Freiheit ist ihm von Gott gegeben,
Darüber lässt er Leib und Leben,
Wir schreiben uns von Adam her,
Wer ist, der nicht von Adam wär?
Kommt her, ihr stolzen Edelsleute!
Wir haben Gottes Wort zur Seite.

Erläuterung: Lief unter den sächsischen Bauern um, die 1790 gegen die Wildplage rebellierten (Sächsischer Bauernaufstand).


1791



Abb.: Villeneuve: Der große Missbrauch. -- 1791


1793



Abb.: James Gillray (1757 - 1815): Frankreich auf dem Höhepunkt seines Ruhms - Der Gipfel der Freiheit. -- 1793


Johann Heinrich Voß (1751-1826): Gesang der Deutschen. -- 1793

Der Geisteswildheit Nacht voll Grauen
Lag öd auf Deutschlands dumpfen Gauen;
Da wandte Gott sein Angesicht
Und rief herab: Es werde Licht!
Die Nacht verdämmert; Dämmrung schwindet:
Der Wild', ein kaum belebter Kloß,
Wird Mensch, blickt um sich und empfindet,
Was wahr und edel ist und groß.

Refrain:
Wir alle! Wir alle!
Wir heben Herz und Hand!
Es rufe Mann und Weib, das Kind am Busen lalle:
Heil, Freiheit, dir! Heil Vaterland!

Vernunft, durch Willkür erst befehdet,
Doch kühn und kühner, singt und redet
Von Menschenrecht, von Bürgerbund,
Von aller Satzung Zweck und Grund.
In Zauberschrift umhergeschwungen,
Fliegt tausendfach der weise Schall,
Hat bald des Volkes Herz durchdrungen
Und schafft Gemeinsinn überall.

Nicht herrscht durch fremder Formeln Düster
Hinfort Gerichtsherr oder Priester;
Das Volksgesetz wägt grad und gleich
Gerechtigkeit für arm und reich.
Nicht mehr verfolgt wird Lehr und Meinung,
Nicht gilt für Gottesdienst ein Brauch,
Nur Lieb ist aller Kirchen Einung,
Der Tempel und Moscheen auch.

Nur Tugend, nicht Geburt, gibt Würde;
Verteilt nach Kraft ist Amt und Bürde:
Der bauet Kunst, Gewerb und Saat;
Der schmückt den Geist, der Heer und Staat;
Der, gegen Feind und Unterdrücker,
Trägt Obermacht zu treuer Hut
Und gibt, des freien Volks Beglücker,
Ihm Rechenschaft von Hab und Blut.

Was zittert ihr, der Staaten Wächter?
Veredelt strebt das Volk, nicht schlechter!
Nur frei vom Nießbrauch wird der Thron,
Vom Wahne nur Religion!
Die Fessel strengt ihr an? Vergebens!
Zur Freiheit ruft uns unser Gott!
Dem Geist im Vollgefühl des Strebens
Ist aller Welten Macht ein Spott!


Anonym: Freiheitsgebet eines Jakobiners. -- Um 1793

Unser aller Nutz und Frommen,
Göttin Freiheit! Sei willkommen!
Steure jenen deutschen Fürsten,
Die nach Frankreichs Blute dürsten,
Weck' das Volk der Sklaverei,
Mach die ganze Menschheit frei.
Einen Freiheitsbaum, den pflanzen
Wir am Rhein, die Mainzer tanzen
Schon mit (Ja ira um ihn;
Deine Siegeskränze blühn.
Um die Brüder, deren Ketten
Dort noch klirren, bald zu retten,
Leit uns Franken Hand in Hand
An der Eintracht Rosenband.
Dass wir, raschen Trittes, gehen
Siegeprangend auszuspähen,
Wo der Aberglaube wohnt,
Pfaffendespotie noch thront.
Alles wird dir untertänig,
Göttin Freiheit, sei uns gnädig!
Horch von jenen lichten Höhn
Auf der Jakobiner Flehn.
Denn so werden deine Franken
Dir mit allen Völkern danken.

Erläuterung: entstand im französisch besetzten Rheinland, wurde aber auch in der Hamburger demokratischen Presse abgedruckt

[Quelle: Grab, Walter (1919 - 2000) ; Friesel, Uwe (1939 - ): Noch ist Deutschland nicht verloren : eine histor.-polit. Analyse unterdrückter Lyrik von der Französischen Revolution bis zur Reichsgründung. -- Ungekürzte, überarb. Aufl. -- München : Deutscher Taschenbuch-Verlag, 1973. -- 324 S. ; 18 cm. -- (dtv ; 875). -- Lizenz des Hanser-Verl, München. -- ISBN 3-446-10979-X. -- S. 30]


Anonym. -- Um 1793

Die Zeiten, Brüder, sind nicht mehr
Wo Thron und Zepter galten;
Bald sind die Königsthrone leer
Und ach! im Grab erkalten
Wird Fürstenmajestät. Ha ha! Ça ira1!

Von seiner jähen Höhe fällt
Der Adel zum Erschrecken,
Wird in der aufgeklärten Welt
Kein weitres Unheil hecken.
Die Wappenhoheit sinkt. Ha ha! Ça ira!

Auch Priestermacht, Religion
Samt Götterfurcht und Glaube
Wer achtet sie ? Mit Schimpf und Hohn
Verscharrt man sie zum Staube.
Da faulen, modern sie. Ha, ha! Ça ira!

Frei sind die Menschen von Natur,
Tand sind die Fürstenblitze!
Drum keine Krone mehr als nur
Die Jakobinermütze.
Kein Fürst, nur Sansculotten2. Ha ha! Ça ira!

Erläuterungen: freie Übertragung eines französischen Freiheitsliedes, von Schleswig-Holstein bis Steiermark verbreitet

1 Ça ira! (französisch): Es soll weitergehen! Aus dem Lied: Ça ira! Ça ira, les aristocrates à la lanterne: Weiter so! Weiter so! Die Adeligen an den Laternenpfahl!

2 Sansculotten:   (franz. Sans-culottes, spr. ßangkülott', »Ohne Culotten«): zu Anfang der Französischen Revolution Benennung der Proletarier und der radikalen Revolutionsmänner überhaupt, weil sie, aus den niederen Ständen hervorgegangen, keine Culotten (Kniehosen) wie die höhern Stände, sondern Pantalons (lange Hosen) trugen.

[Quelle: Grab, Walter (1919 - 2000) ; Friesel, Uwe (1939 - ): Noch ist Deutschland nicht verloren : eine histor.-polit. Analyse unterdrückter Lyrik von der Französischen Revolution bis zur Reichsgründung. -- Ungekürzte, überarb. Aufl. -- München : Deutscher Taschenbuch-Verlag, 1973. -- 324 S. ; 18 cm. -- (dtv ; 875). -- Lizenz des Hanser-Verl, München. -- ISBN 3-446-10979-X. -- S. 31]


Friedrich Lehne (1771 - 1836): Was heißt Freiheit. -- Um 1793

Wohl mir, ich bin ein freier Mann,
Nur den Gesetzen Untertan.
Drum tu ich keinem Menschen je
Was ich nicht will, dass mir gescheh.
Nur bin ich jedes Menschen Feind,
Der's mit der Menschheit übel meint.
Willkommen, wer es sagen kann
Wohl mir! Ich bin ein freier Mann.

Mir stört kein Fürst noch Fürstenknecht
Mein häuslich Glück, mein Menschenrecht.
Kein Pfaff, kein Schranze hudelt mich
Und tränkt von meinem Schweiße sich.
Ich bin, sei er auch noch so reich,
Ist er nur bieder, jedem gleich.

Zu oft nur tragen Übermut
Und Eigennutz den Freiheitshut;
Und mancher Bube, reif zum Rad,
Entweiht den Namen Demokrat.
Von Menschenrecht und Bürgerpflicht
Schreit mancher Aff und kennt sie nicht.
Doch wer von Freiheit schreien kann,
Ist darum noch kein freier Mann.

Wohl mir! Ich bin ein freier Mann,
Nur den Gesetzen Untertan.
Trotz jedem Schuft und jedem Tor'n
Und sei er noch so hochgebor'n
Und sei er Bischof oder Graf
Und sei er König oder Sklav.
Wohl mir! Dass ich es sagen kann,
Ich bin und bleib ein freier Mann.

[Quelle: Grab, Walter (1919 - 2000) ; Friesel, Uwe (1939 - ): Noch ist Deutschland nicht verloren : eine histor.-polit. Analyse unterdrückter Lyrik von der Französischen Revolution bis zur Reichsgründung. -- Ungekürzte, überarb. Aufl. -- München : Deutscher Taschenbuch-Verlag, 1973. -- 324 S. ; 18 cm. -- (dtv ; 875). -- Lizenz des Hanser-Verl, München. -- ISBN 3-446-10979-X. -- S. 37f.]


um 1798


Refrain aus einem Nachtwächterlied des schlesischen Riesengebirges. -- um 1798

Ein Hundsfott muss der Deutsche sein,
Der jetzt mit den Franzosen nicht stimmet ein:
Der Teufel hol Adel und Pfaffen!

[Quelle: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten : Bd. 1 u. Bd. 2 reprinted u. zusammengebunden / Wolfgang Steinitz
Sonderausg. -- Frankfurt am Main : Zweitausendeins, 1979. --  XLIV, 630 S. : Noten ; 21 cm. --  Nebentitel: Der grosse Steinitz. -- ISBN: 3-88436-101-5. -- Bd. II, S. 154.]


1800



Abb.: James Gillray (1757 - 1815): Voltaire lehrt das Kind der Revolution den Jakobinismus [reaktionäre Karikatur]. -- Um 1800

[Bildquelle: Zeichen der Freiheit : das Bild der Republik in der Kunst des 16. bis 20. Jahrhunderts : 21. Europäische Kunstausstellung unter dem Patronat des Europarates, Bernisches Historisches Museum, Kunstmuseum Bern, 1. Juni bis 15. September 1991 : [Katalog] / hrsg. von Dario Gamboni und Georg Germann ; unter Mitw. von François de Capitani. -- Bern : Stämpfli, 1991. -- XXIV, 789 S. : Ill. ; 23 cm. -- Nach S. 710]

Erläuterung: Voltaire, in den groben Holzschuhen des niederen Volikes, lehrt das affenartige Kind der Revolution, das auf der Bibel steht, auf welche es pisst.

"Voltaire (spr. woltär'), François Marie Arouet de, der vielleicht einflussreichste aller franz. Schriftsteller, geb. 21. Nov. 1694 in Paris, gest. daselbst 30. Mai 1778, war der Sohn eines Finanzbeamten, Arouet, der ihn in dem Jesuitenkollegium Louis le Grand erziehen ließ, sollte nach Beendigung der Gymnasialstudien (1711) die Rechte studieren, fand aber daran keinen Geschmack und wandte sich ausschließlich der Philosophie und den schönen Wissenschaften zu, worin ihn sein Pate, der Abbé de Châteauneuf, bestärkte, der ihn in die geistreichen und frivolen Zirkel der vornehmen Gesellschaft einführte. In diese Zeit fallen seine ersten Oden und der Entwurf zur Tragödie »OEdipe«. Um ihn auf andre Gedanken zu bringen, sandte ihn der erzürnte Vater 1713 als Pagen mit dem Marquis de Châteauneuf, der als französischer Gesandter nach Holland ging, nach dem Haag. Wegen eines Liebeshandels mit einem Fräulein Dunoyer, der Braut des Kamisardenführers Cavalier, nach Paris zurückgeschickt, wurde er Schreiber bei einem Anwalt. Bald darauf folgte er dem Marquis de Caumartin auf sein Landgut St.-Auge bei Fontainebleau; die Begeisterung seines Wirtes für Heinrich IV. und die genaue Kenntnis desselben vom Zeitalter Ludwigs XIV. gaben V. die ersten Anregungen zu zweien seiner Hauptwerke. Der Autorschaft einer nach Ludwigs XIV. Tod erschienenen Satire auf den Regenten verdächtig, musste er in die Bastille wandern (1717), wo er während seiner elfmonatigen Gefangenschaft die »Henriade« entwarf und die Tragödie »OEdipe« vollendete. Die begeisterte Aufnahme dieses Stückes bei der Ausführung (1718) söhnte ihn mit seinem Vater aus; hier signiert er auch zum erstenmal mit »V.«, dem Anagramm von Arouet l. j. (le jeune). Die unvorsichtige Teilnahme an einer Hofintrige hatte bald darauf seine Ausweisung aus Paris zur Folge. Er kam indessen 1720 zurück, um seine Tragödie »Artémire« ausführen zu lassen, die jedoch durchfiel. Nach dem Tode seines Vaters machte er eine Reise nach Holland mit Frau v. Rupelmonde, kehrte aber 1723 nach Paris zurück und ließ die »Henriade« u. d. T. »La Ligue, ou Henri le Grand« in Rouen (angeblich in Genf) drucken. Ein Streit mit dem Chevalier von Rohan-Chabot, der ihn durch seinen Bedienten prügeln ließ, und den er zum Zweikampf forderte, brachte ihn 1726 zum zweitenmal in die Bastille. Nach einigen Wochen erhielt er die Freiheit wieder, zugleich aber den gemessenen Befehl, das Königreich zu verlassen. Voltaire wählte England zu seinem Aufenthaltsort (1726-29), studierte eifrigst die Literatur, Philosophie, Geschichte und Politik des Landes und begeisterte sich für Shakespeare. Hier schrieb er das Leben Karls XII. und die Tragödie »Brutus«, den Versuch über die epische Poesie und die philosophischen oder englischen Briefe, durch die er seine Landsleute mit den neuesten Ergebnissen der englischen Forschung und philosophischen Spekulation vertraut machte. Auf Verwendung seiner Freunde kehrte er 1729 nach Paris zurück. Wegen einiger Verse auf den Tod der Schauspielerin Lecouvreur, der die Geistlichkeit ein ehrliches Begräbnis verweigerte, fand er für geraten, eine Zeitlang unter fremdem Namen in Rouen zu leben, wo er seine »Histoire de Charles XII« und die »Lettres philosophiques« heimlich drucken ließ. Die letztern wurden 1734 durch Henkershand verbrannt. Von mehreren Tragödien, »Zaïre« (1732), »Eriphyle« (1732), »Adélaïde Duguesclin« (1734), die er damals schrieb, machte nur die erste Glück; auch »Brutus« (1731) war kühl aufgenommen worden. Das Gedicht »Le temple du goût« (1733), worin der Dichter die gepriesensten Schriftsteller seiner Zeit schonungslos beurteilte, machte großen Lärm und verschloss ihm die Pforten der Akademie. Um den allenthalben losbrechenden Angriffen zu entgehen, begab sich Voltaire 1734 mit seiner gelehrten Geliebten, der Marquise du Châtelet, auf deren Landgut Cirey in Lothringen, wo er mit einigen Unterbrechungen 15 Jahre blieb. Hier entstanden die »Éléments de la philosophie de Newton« (1738); außerdem die berüchtigte »Pucelle d'Orléans«, dann die Tragödien: »Alzire« (1736), »Zulime« (1740), »Mahomet« (1741), »Mérope« (1743), das Lustspiel: »L'enfant prodigue«, die sieben »Discours sur l'homme« (nach Pope, 1738) u. a. Unterdessen war Voltaires Ruhm ein europäischer geworden. Der Kronprinz von Preußen (Friedrich II.) schrieb Voltaire die schmeichelhaftesten Briefe und lud ihn zu einer Zusammenkunft ein; ja selbst Papst Benedikt XIV. genehmigte die Dedikation des (in Frankreich nicht zur Ausführung zugelassenen) »Mahomet« und segnete den Verfasser. 1746 verschaffte ihm ein Singspiel: »La princesse de Navarre«, zur Feier der Vermählung des Dauphins, den langersehnten Sitz in der Akademie und das Amt eines Historiographen. Doch Eifersucht gegen Crébillon und Ärger über die Hofintrigen gegen ihn veranlassten ihn, mit der Marquise du Châtelet nach Cirey zurückzugehen, von wo aus er häufige Besuche an dem Hofe des Königs Stanislaus in Lunéville abstattete, und wo er seine Tragödien »Sémiramis«, »Rome sauvée« und »Oreste« (1750), bestimmt, den Ruhm seines Rivalen Crébillon zu vernichten, und sein Lustspiel »Nanine« vollendete. Nach dem Tode der du Châtelet (1749) begab sich Voltaire auf die wiederholten Einladungen Friedrichs II. 1750 nach Berlin, wo er eine Wohnung im Schloss, den Orden pour le mérite, den Kammerherrnschlüssel und 20,000 Livres Gehalt erhielt. Streitigkeiten mit Maupertuis, dem Präsidenten der Berliner Akademie, und seine eine, spottsüchtige, habgierige Natur störten jedoch bald sein gutes Verhältnis zum König; und als dieser seine Spottschrift gegen Maupertuis: »Diatribe du docteur Akakia« (1752) öffentlich verbrennen ließ, bat Voltaire um seine Entlassung, musste sich aber auf der Rückreise 1753 in Frankfurt eine ziemlich gewalttätige Untersuchung seines Gepäcks nach den Gedichten Friedrichs gefallen lassen. Diese Behandlung hat Voltaire dem König trotz ihrer Aussöhnung und des fortgesetzten Briefwechsels nie vollständig verziehen. Sein Berliner Aufenthalt war aber nicht unfruchtbar gewesen. Er hatte sein berühmtes Werk »Siècle de Louis XIV« (Berl. 1751, 2 Bde.) vollendet, seine Studien zu einer Universalgeschichte begonnen, die er nachher veröffentlichte in dem »Essay sur les moeurs et l'esprit des nations« (vollständig zuerst Genf 1756, 7 Bde.; deutsch von Wachsmuth, Leipz. 1867, 6 Bde.), und mehrere Tragödien geschrieben (»Amélie, ou le duc de Foix« u. a.), besonders aber das dem König gewidmete »Poème sur la loi naturelle« (1752, gedruckt 1756), das wiederum von dem Pariser Parlament zur Verbrennung verurteilt wurde. Da ihm der Aufenthalt in Paris noch immer verboten war, kaufte er ein Landgut bei Genf, »Les Délices«, dann die Herrschaften Tourney und Ferney in dem französischen Grenzländchen Gex. Hier verlebte der Patriarch von Ferney, wie er sich gern nennen hörte, die letzten 20 Jahre seines Lebens, umgeben von fürstlichem Luxus und im Genuss einer Rente von 140,000 Livres. Er erhob den armen Flecken nach und nach zur wohlhabenden Stadt und baute eine Kirche mit der Inschrift: »Deo erexit Voltaire«. Die bedenklichen Schwächen in seinem Charakter traten grell hervor, solange er noch danach strebte, Vermögen und Einfluss zu gewinnen. Später, wo ihm beides reichlich zu Gebote stand, stellte er seine Mittel und Geisteskräfte vorwiegend in den Dienst edler Zwecke, der Toleranz und der Aufklärung. Unerschrocken trat er als Hort und Verteidiger unschuldig Verfolgter auf und brachte es beispielsweise durch seine rastlosen Bemühungen dahin, dass der Prozess des unschuldig hingerichteten Jean Calas (s. d.) wieder aufgenommen und die unglückliche Familie der Armut und Schmach entzogen wurde. Dabei entwickelte er eine ungemeine literarische Tätigkeit. Zunächst lieferte er zahlreiche Artikel für die »Encyclopédie«. Als die wichtigsten seiner Schriften in dieser Epoche sind sodann hervorzuheben: der Roman »Candide« (1758); »Histoire de Russie sous Pierre I« (1759); »Idées republicaines« (1762); »Sur la tolérance« u. »Catéchisme de l'honnête homme« (1763); »Contes de G. Vadé«; »Commentaire sur Corneille«; das »Dictionnaire philosophique« (1764); mehrere Tragödien (darunter »Agathocle«, »Tancrède«, »Socrate«, »Irène«), Oden und eine Übersetzung des »Julius Cäsar« von Shakespeare (1764) etc. Im Februar 1778 besuchte der Vierundachtzigjährige noch einmal Paris, wo er mit Ehrenbezeigungen überhäuft wurde, aber, vielleicht infolge der dadurch veranlassten Aufregung, in eine Krankheit verfiel und starb. Die Geistlichkeit in Paris verweigerte ihm ein kirchliches Begräbnis, und sein Neffe Abbé Mignot, der ihn in der Abtei von Scellières beigesetzt hatte, ward sogar bestraft. 1791 wurden seine Gebeine auf Volksbeschluss im Panthéon beigesetzt. 1890 wurde ihm in Ferney eine Statue errichtet. Sein Bildnis s. Tafel »Klassiker der Weltliteratur II« (im 12. Bd.).

Voltaire war Philosoph, Geschichtschreiber, gelegentlich Politiker, dramatischer und Romandichter. Den Grund zu seinen philosophischen und politischen Ansichten hat er in England gelegt. Seine sogen. philosophischen Schriften bestreiten wirkliche oder vermeinte Irrtümer oder Vorurteile oft mit kaustischer, unwiderstehlicher Schärfe, oft mit witzelnder Unkunde, oder sie tragen bald mit ermüdender Breite, bald mit absprechender Kürze den Locke-Condillacschen Sensualismus und Eudämonismus mit stetem Kampf gegen das Christentum vor. Indessen tritt er mit gleicher Entschiedenheit wie den christlichen Dogmen dem Atheismus entgegen und glaubt fest an das Dasein eines persönlichen Gottes. An den religiösen Gebräuchen teilzunehmen hielt er trotz seines freien Standpunktes für gestattet. Während er anfangs an die Freiheit des Willens glaubte, hat er sie später geleugnet. Noch schwankender urteilt er über die Unsterblichkeit der Seele. Als Politiker schätzt er die englische Verfassung als die beste. Er zuerst stieß den Ruf: »Freiheit und Gleichheit!« aus, definiert aber jene als nur vom Gesetz abhängig, diese als gleiche Berechtigung aller im Staate. Den Unterschied der Stände hält er für notwendig, verwirft aber bloße Geburtsvorrechte. Alles Heil erwartet er nicht von unten her durch eine Revolution, sondern von den Reformen einer aufgeklärten Regierung. Seine historischen Darstellungen ermangeln, bei trefflicher Anordnung des Stoffes und höchst geistreicher und ansprechender Darstellung, doch der Genauigkeit. Er war bei der wundersamsten Fülle von Kenntnissen ungründlich und oberflächlich, und wo nicht seine Unkunde zu Irrtümern führte, da taten es seine lebhafte Phantasie und sein Hass gegen Christentum und Kirche. Ein Meisterstück romanhafter Geschichtschreibung ist die »Histoire de Charles XII«. Wertvoll besonders durch Reichhaltigkeit des Stoffes und anziehende Darstellung ist auch der »Précis du siècle de Louis XV« (1768). Als Dichter zeichnete sich Voltaire vor allem im Epigramm aus; sonst hat er weder in der Lyrik (am allerwenigsten in der Ode) noch in der Epik Großes geleistet. Die »Henriade« ist eine in wohllautenden Alexandrinern und mit glänzenden Deklamationen und Sentenzen reich ausgestattete, kalte historische Darstellung, die alles epischen Geistes ermangelt, und die »Pucelle« ein in sittlicher Beziehung höchst verwerfliches, auch in poetischer Hinsicht nicht bedeutendes Gedicht. Dagegen sind seine kleinen, meist satirisch gehaltenen Romane und Erzählungen (»Zadig«, »Micromégas«, »Candide«, »Jeannot et Colin«, »L'ingénu«, »La princesse de Babylone« etc.) ausgezeichnete Leistungen, eine wunderbare Mischung von Ernst und Scherz, bezaubernder Leichtigkeit und Anschaulichkeit. Trotz des großen Fleißes, den Voltaire auf seine Tragödien verwandte, und trotz seiner Produktivität hat er doch die großen klassischen Muster, Corneille und Raeine, nicht erreicht. Im Lustspiel hat er den größten Erfolg mit dem »Enfant prodigue« davongetragen. - Von den zahlreichen Ausgaben seiner Werke, von denen einen beträchtlichen Teil sein ausgedehnter, bis ins höchste Alter fortgeführter Briefwechsel ausmacht, erwähnen wir nur die von Beaumarchais, Condorcet und Decroix (Kehl 1785-89, 70 Bde.), die vortreffliche von Beuchot, dem Bibliographen Voltaires (das. 1829-1841, 72 Bde.), ferner die von Furne (1835-38, 13 Bde.), Barré (1856-59, 20 Bde.), Hachette (1859 bis 1862, 40 Bde.; neue Aufl. 1900 ff.), Didot (1859, 13 Bde.), Moland (1877-85, 52 Bde.). Die deutschen Übersetzungen von Mylius u. a. (Berl. 1783 bis 1791, 29 Bde.), Gleich, Hell u. a. (Leipz. 1825-1830, 30 Bde.) sind unvollständig und nicht besonders gelungen; eine Auswahl in 5 Bänden besorgte Ellissen (das. 1854). Voltaires Briefwechsel ist am vollständigsten in Molands Ausgabe, Bd. 33-49, herausgegeben (10,439 Briefe)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


1802


Friedrich Lehne (1771 - 1836): Provisorische Grabschrift für den Kurfürsten von Mainz

Nimm Gott ihn ja nicht in den Himmel ein!
Sonst glaubt er, auch ein Gott zu sein;
Schick ihn zur Höll, und er wird ohne Zweifel
Erzkanzler von dem Reich der Teufel

Erläuterung: Der Erzbischof von Mainz, war Kurfürst, Erzkanzler des Reiches und Primas von Deutschland, der letzte wirkliche Kurfürst war seit 1774 Friedrich Karl Joseph von Erthal (1719 -1802)


1807


Anonym: Auf das Churfürstlich-hässliche Zopfregiment. -- Kurhessen. -- 1807

Ach Gott im Himmel sieh darein
Und laß dich des erbarmen:
Wir müssen wieder zopfig sein,
Wir Hessen, ja wir Armen!

Gott woll' ausrotten alle Zöpf,
Die uns so übel stehen;
Dazu bekehren alle Köpf,
Die alles rückwärts drehen!
Er woll' uns geben, was uns not,
Nicht Hunger für Französisch Brot,
Dass uns der Tausch nicht reue!

Erläuterung: In Kurhessen (Hessen-Kassel) wurde nach der Vertreibung der Franzosen 1807 beim Militär die Zopfpflicht wieder eingeführt (bis 1821). Parodie auf Martin Luthers Kirchenlied Psalm 12 (1524) (Evangelisches Gesangbuch Nr. 274):

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[Quelle der midi-Datei: http://ingeb.org/spiritua/achgottv.html.  -- Zugriff am 2004-12-07]


1812


Ernst Moritz Arndt (1769-1860): Vaterlandslied. -- 1812. -- (ernst gemeint)

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[Quelle der midi-Datei: http://ingeb.org/Lieder/dergottd.html.  -- Zugriff am 2004-10-21]

 

Der Gott, der Eisen wachsen ließ,
Der wollte keine Knechte,
Drum gab er Säbel, Schwert und Spieß
Dem Mann in seine Rechte,
Drum gab er ihm den kühnen Mut,
Den Zorn der freien Rede,
Dass er bestände bis aufs Blut,
Bis in den Tod die Fehde.

So wollen wir, was Gott gewollt,
Mit rechter Treue halten
Und nimmer im Tyrannensold
Die Menschenschädel spalten,
Doch wer für Tand und Schande ficht,
Den hauen wir zu Scherben,
Der soll im deutschen Lande nicht
Mit deutschen Männern erben.

O Deutschland, heil'ges Vaterland!
O deutsche Lieb' und Treue!
Du hohes Land! Du schönes Land!
Dir schwören wir aufs neue:
Dem Buben und dem Knecht die Acht!
Der füttre Krähn und Raben!
So ziehn wir aus zur Hermannsschlacht
Und wollen Rache haben.

Lasst brausen, was nur brausen kann,
In hellen, lichten Flammen!
Ihr Deutschen alle Mann für Mann
Fürs Vaterland zusammen!
Und hebt die Herzen himmelan!
Und himmelan die Hände!
Und rufet alle Mann für Mann:
Die Knechtschaft hat ein Ende!

Lasst klingen, was nur klingen kann,
Die Trommeln und die Flöten!
Wir wollen heute Mann für Mann
Mit Blut das Eisen röten,
Mit Henkerblut, Franzosenblut -
O süßer Tag der Rache!
Das klinget allen Deutschen gut,
Das ist die große Sache.

Lasst wehen, was nur wehen kann,
Standarten wehn und Fahnen!
Wir wollen heut uns Mann für Mann
Zum Heldentode mahnen:
Auf! Fliege, stolzes Siegspanier
Voran dem kühnen Reihen!
Wir siegen oder sterben hier
Den süßen Tod der Freien.


1813


Ernst Moritz Arndt (1769-1860): Wer ist ein Mann?. -- 1813. (Ernst gemeint!)

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[Quelle der midi-Datei: http://www.uni-muenster.de/Markomannia/Lieder/HTML/506.html.  -- Zugriff am 2004-10-21]

Wer ist ein Mann? Wer beten kann
Und Gott dem Herrn vertraut;
Wann alles bricht, er zaget nicht:
Dem Frommen nimmer graut.

Wer ist ein Mann? Wer glauben kann
Inbrünstig, wahr und frei;
Denn diese Wehr bricht nimmermehr,
Sie bricht kein Mensch inzwei.

Wer ist ein Mann? Wer lieben kann
Von Herzen fromm und warm:
Die heil'ge Glut gibt hohen Mut
Und stärkt mit Stahl den Arm.

Dies ist der Mann, der streiten kann
Für Weib und liebes Kind;
Der kalten Brust fehlt Kraft und Lust,
Und ihre Tat wird Wind.

Dies ist der Mann, der sterben kann
Für Freiheit, Pflicht und Recht:
Dem frommen Mut deucht alles gut,
Es geht ihm nimmer schlecht.

Dies ist der Mann, der sterben kann
Für Gott und Vaterland,
Er lässt nicht ab bis an das Grab
Mit Herz und Mund und Hand.

So, deutscher Mann, so, freier Mann,
Mit Gott dem Herrn zum Krieg!
Denn Gott allein kann Helfer sein,
Von Gott kommt Glück und Sieg.


Ernst Moritz Arndt (1769-1860): Deutscher Trost. -- 1813. (Ernst gemeint!)

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Quelle der midi-Datei: http://www.markomannia.org/index.php?target=liederbuchlied&liedid=123.  -- Zugriff am 2004-12-07]

Deutsches Herz, verzage nicht,
Tu, was dein Gewissen spricht,
Dieser Strahl des Himmelslichts,
Tue recht und fürchte nichts.

Baue nicht auf bunten Schein,
Lug und Trug ist dir zu fein,
Schlecht gerät dir List und Kunst,
Feinheit wird dir eitel Dunst.

Doch die Treue ehrenfest
Und die Liebe, die nicht lässt,
Einfalt, Demut, Redlichkeit
Stehn dir wohl, o Sohn vom Teut.

Wohl steht dir das grade Wort,
Wohl der Speer, der grade bohrt,
Wohl das Schwert, das offen ficht
Und von vorn die Brust durchsticht.

Las den Welschen Meuchelei,
Du sei redlich, fromm und frei;
Las den Welschen Sklavenzier,
Schlichte Treue sei mit dir.

Deutsche Freiheit, deutscher Gott,
Deutscher Glaube ohne Spott,
Deutsches Herz und deutscher Stahl
Sind vier Helden allzumal.

Diese stehn wie Felsenburg,
Diese fechten alles durch,
Diese halten tapfer aus
In Gefahr und Todesbraus.

Deutsches Herz, verzage nicht,
Tu, was dein Gewissen spricht,
Redlich folge seiner Spur,
Redlich hält es seinen Schwur.


Max von Schenkendorf (1783-1817): Schlachtgesang. -- 1813 (Ernst gemeint!)

An Ernst Graf Kanitz.

Ob Tausend uns zur Rechten,
Zehntausend uns zur Linken,
Ob alle Brüder sinken,
Wir wollen ehrlich fechten.

Zur Rechten nicht noch Linken,
Gen Himmel ist zu schau'n,
Und mutig einzuhau'n,
Wo Feindeswaffen blinken.

Gott kann schon Hilfe senden,
Der Engel Legionen,
Die halten grüne Kronen
Und Waffen in den Händen.

Er schwor bei seinem Leben,
Er steht an unsrer Seiten,
Wenn wir im besten Streiten
Die Häupter zu ihm heben.

Das Kreuz das ist sein Zeichen!
Wer will es niederreißen,
Das tragen alle Preußen,
Die Hölle muss ihm weichen.

Erläuterung: Zur Völkerschlacht bei Leipzig geschrieben, bei der vom 16. bis 18. Oktober 1813 die Truppen Kaiser Napoleons und die verbündeten,Heere der Österreicher, Preußen, Russen und Schweden gegeneinander kämpften. Die Franzosen wurden besiegt. Max von Schenkendorf verfasstne noch viele derartige Gedichte. Das zitierte ist noch eines der erträglichsten.


Zacharias Werner (1768 - 1823):Kriegslied für die zum Heiligen Kriege verbündeten deutschen Heere <Auszug> (ernst gemeint). -- 1813

Melodie. Schillers Reiterlied "Wohlauf, Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd"

Für Melodie "Wohlauf ..." hier drücken

[Quelle der midi-Datei: http://ingeb.org/Lieder/wohlaufk.html.  -- Zugriff am 2004-10-13]

Gott mit uns, wir ziehn in den heiligen Krieg!
Gott mit uns, dann ziehn wir zum Siege!
Er hat unsern Waffen verliehen den Sieg,
Er berief uns zum heiligen Kriege,
Er hat uns geführet die blutige Bahn,
Er bat Wunder der Schlachten durch uns schon getan!...

So viele Jahrhundert' die Welt schon steht,
Sind Ströme des Blutes geflossen;
Doch seit um die Sonn sich die Erde dreht,
Gerechter wohl keins ist vergossen,
Als was wir vergießen, das treue Blut,
Zu bekämpfen den frevelnden Übermut!

Nicht um Weib und Kind nur, um Hof und Haus,
Nicht um Länder zu beuten und Kronen,
Ziehn wir in den Krieg, den gerechten, hinaus,
Denn die Beute, sie kann uns nicht lohnen;
Unser Lohn ist: die Menschheit, die Frevel zertrat,
Sie zu retten durch männliche deutsche Tat!

Drum gibt es nicht Preußen, nicht Östreicher mehr,
Noch Bayern, noch Sachsen und Hessen,
Wir alle sind nur ein deutsches Heer,
Was uns trennte, wir haben's vergessen;
Wir Deutsche, wir reichen uns Deutschen die Hand,
Nur der Deutsche soll herrschen im deutschen Land!

Die die Newa, die Themse, die Weichsel, den Sund,
Die den Tajo, den Tiber umwohnen,
Sie schlössen mit uns für die Menschheit den Bund,
Die Sieger der fernesten Zonen!
Der Jammer muss enden! Die Menschheit befrein
Oder sterben, wir wollen's im treuen Verein!

Der Rhein, nicht länger in fremder Schmach
Soll er rollen die köstlichen Fluten,
Und Rom, die der Welt einst Gesetze sprach,
Soll brechen die sklavischen Ruten.
Und frei wieder werden das göttliche Meer,
Durch Deutschlands und seiner Verbündeten Heer.
Drum Hermanns Enkel, auf, auf zur Schlacht!

Wo der Bund ward, der erste1, beschworen,
Sei der zweite Verein jetzt der Deutschen gemacht,
Das Feldgeschrei sei: Alte Zeit wird neu!
Und mit Gott, den zum Schild wir erkoren!
Und die Losung: trotz Teufel die deutsche Treu!

Erläuterungen: Zur Völkerschlacht bei Leipzig geschrieben (siehe oben).

1 Herrmann der Cherusker (Arminius) schloss 14 n. Chr. auf dem Feldberge bei Frankfurt den ersten "Deutschen" Bund germanischer Stämme gegen die Römer.


1814/1815


Friedrich Rückert (1788 - 1866): Der Dom zu Köln (ernst gemeint). -- 1814/15

Der hohe Dom zu Köln!
Ein Denkmal alter Zeit,
Der deutschen Herrlichkeit,
In Alter längst ergraut
Und noch nicht ausgebaut.
Der hohe Dom zu Köln!

Der hohe Dom zu Köln!
Der Meister, der's entwarf,
Baut' es nicht aus und starb;
Niemand mocht' sich getraun
Seitdem ihn auszubaun,
Den hohen Dom zu Köln!

Der hohe Dom zu Köln!
Die deutsche Herrlichkeit
Ging unter mit der Zeit;
Wer dacht', in solchem Grau'n,
Daran, ihn auszubaun,
Den hohen Dom zu Köln!

Der hohe Dom zu Köln!
Es lag in Finsternis
Des Meisters Plan und Riss;
Jüngst hat man aus der Nacht
Den Plan ans Licht gebracht
Vom hohen Dom zu Köln!

Der hohe Dom zu Köln!
Umsonst ward nicht entdeckt
Der Plan, der war versteckt.
Der Plan sagt es uns laut:
»Jetzt soll sein ausgebaut
Der hohe Dom zu Köln!«


1815



Abb.: Heinrich Olivier (1783 - 1848): Die Heilige Allianz. -- 1815

Erläuterung:  Heilige Allianz (Heiliger Bund), der Bund, der nach der zweiten Besiegung Frankreichs auf Anregung des Zaren Alexander I. von den drei Monarchen Russlands, Österreichs und Preußens in Paris 26. Sept. 1815 ohne amtliche Vermittelung ihrer Minister geschlossen wurde. Gedacht war ein großer Fürstenbund, in dem die Grundsätze des Christentums als das höchste Gesetz des Völkerlebens gelten sollten. Auf dem Bild schwören die drei Fürsten in einer Kirche einen Rütlischwur gegen die Freiheit.

[Bildquelle: Martin Disteli, 1802-1844 : ... und fluchend steht das Volk vor seinen Bildern / Lucien Leitess, Irma Noseda, Bernhard Wiebel.  -- Olten : Kunstmuseum, ©1977.  -- 119 S. : Ill. ; 30 cm.  -- S. 34]



Abb.: Der Mann mit den sechs Köpfen, Ritter des Ordens der Wetterfahne. -- 1815

Erläuterung: dargestellt ist Talleyrand, u.a. Bischof von Autun:

"Talleyrand-Périgord (spr. tall'rang-perigor), Charles Maurice, Prinz von T., Fürst von Benevent, berühmter Diplomat, geb. 13. Febr. 1754 in Paris, gest. 17. Mai 1838 in Valençay, wurde trotz seines Widerstrebens wegen einer Fußlähmung zum geistlichen Stand bestimmt. 1788 ward er Bischof von Autun. Als Mitglied der Nationalversammlung von 1789 trug er auf feste Besoldung der Geistlichkeit, Abschaffung der Zehnten, Verkauf der geistlichen Güter und Einführung gleichen Maßes und Gewichts in ganz Frankreich an und entwarf einen freisinnigen Unterrichtsplan. Beim Bundesfest 14. Juli 1790 hielt er auf dem Marsfeld das Hochamt am Altar des Vaterlandes und leistete als einer der ersten Bischöfe den Eid auf die Konstitution. Infolgedessen vom Papst Pius VI. 1791 mit dem Bann belegt, verzichtete er auf sein Bistum und ging als Gesandter nach England, um dieses vom Bündnis mit Österreich und Preußen fernzuhalten. 1792 des Royalismus verdächtigt, entfloh er nach Nordamerika, wo er Handelsgeschäfte trieb. Nach dem Sturz der Schreckensherrschaft kehrte er 1795 zurück. Nach dem Staatsstreich vom 18. Fructidor (1797) schloss er sich Bonaparte an, half diesem beim Staatsstreich vom 18. Brumaire (1799), übernahm das Portefeuille des Auswärtigen und war seitdem Napoleons kluger diplomatischer Ratgeber. Die Friedensunterhandlungen von Lüneville, Amiens, Pressburg, Posen und Tilsit leitete er vornehmlich; auch das Konkordat, durch das 1802 der Katholizismus in Frankreich wiederhergestellt wurde, war größtenteils sein Werk. Zum Dank dafür entband ihn Papst Pius VII. von den geistlichen Weihen und erteilte seiner Zivilehe mit Madame Grant die kirchliche Legitimation. 1804 ernannte ihn Napoleon zum Großkämmerer von Frankreich, 1806 zum souveränen Fürsten von Benevent, 1807 zum Vizegroßwahlherrn (vice-grand-électeur). Dennoch erklärte sich T. gegen die unaufhörlichen Eroberungskriege, fiel deshalb in Ungnade, verlor seinen Ministerposten und zog sich 1808 auf sein Landgut Valençay zurück. Nach der Katastrophe in Russland trat er in geheime Unterhandlungen mit den Bourbonen und betrieb nach dem Einrücken der Verbündeten in Frankreich ihre Restauration. Als Ludwig XVIII. die Regierung angetreten, wurde T. zum Fürsten, Pair, Oberkammerherrn und Minister des Auswärtigen ernannt. Die glänzendsten Triumphe diplomatischer Kunst feierte er auf dem Kongress in Wien, wo er sich durch das von ihm erfundene Prinzip der Legitimität zum Mittelpunkt aller Verhandlungen machte. Schon hatte er 5. Jan. 1815 Österreich und England für ein geheimes Bündnis mit Frankreich gegen Russland und Preußen gewonnen, als Napoleons Rückkehr diesen Umtrieben ein Ende machte. Nach der zweiten Restauration übernahm T. aufs neue das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten zugleich mit der Präsidentschaft im Ministerium, legte aber sein Amt noch vor dem zweiten Pariser Frieden nieder, da die reaktionäre Hofpartei ihn als Revolutionär verabscheute und bekämpfte. Nach Karls X. Thronbesteigung (1824) gehörte er in der Pairskammer zur Opposition. Unter dem Julikönigtum ging er als Botschafter nach London, wo er eine Verständigung über die griechische und belgische Frage zustande brachte. Die Unterzeichnung der Quadrupelallianz 1834, durch die zunächst im europäischen Westen das konstitutionelle Prinzip aufrecht erhalten werden sollte, war sein letztes diplomatisches Werk. Sein Geist und sein schlagfertiger, seiner Witz in der Unterhaltung, seine kurze, treffende Ausdrucksweise sind berühmt. Eine Menge glücklicher Wendungen werden von ihm überliefert und sind geflügelte Worte geworden. Die bekannteste (freilich nicht zuerst von T. herrührende) ist, dass dem Menschen die Sprache gegeben sei, um seine Gedanken zu verbergen. Egoist im höchsten Grade, war er, von der Sucht nach Gold abgesehen, fast ohne alle Leidenschaften, verstand es aber vortrefflich, Leidenschaften andrer für sich auszubeuten. Sein auf 18 Mill. Fr. sich belaufendes Vermögen vermachte er größtenteils seiner Nichte, der Herzogin von Dino. Seine hinterlassenen Memoiren veröffentlichte der Herzog von Broglie (Par. 1891 bis 1892, 5 Bde.; deutsche Übersetzung von Ebeling, Leipz. 1891-93, 5 Bde.), doch sind sie von Talleyrands Testamentsvollstrecker, V. Bacourt, verstümmelt und mit Zusätzen versehen worden. Pallain gab Talleyrands Briefwechsel mit dem König Ludwig XVIII. während des Wiener Kongresses (1881; deutsch von Bailleu, Leipz. 1881) und seine »Correspondance diplomatique« (Par. 1889-91, 3 Bde.), die »Lettres inédites de T. à Napoléon 1800-1809« (das. 1889) Bertrand heraus."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


1816/1817


Anonym. -- Hessen. -- 1816/1817

Die Freiheit ist gen Himmel geflogen,
Gerechtigkeit über's Meer gezogen,
Die Wahrheit muss verstummen gar,
Was die Gewalt spricht, das ist recht und wahr,
Für der Armut Flehen sind taub die Hohen,
Die Beamten mit dem Stockhaus drohen,
Patrioten finden kein Gehör,
Die fremden Gaukler Gunst und Ehr.
Sie greifen in die Gemeindekassen,
Die Mönche vom Schweiß des Landes prassen,
Die können singen und springen schön,
Wie lange wird das Reich bestehn?

[Quelle: Grab, Walter (1919 - 2000) ; Friesel, Uwe (1939 - ): Noch ist Deutschland nicht verloren : eine histor.-polit. Analyse unterdrückter Lyrik von der Französischen Revolution bis zur Reichsgründung. -- Ungekürzte, überarb. Aufl. -- München : Deutscher Taschenbuch-Verlag, 1973. -- 324 S. ; 18 cm. -- (dtv ; 875). -- Lizenz des Hanser-Verl, München. -- ISBN 3-446-10979-X. -- S. 65]


1820


Ludwig Uhland (1787-1862): Gebet eines Württembergers. -- 1820

Der du von deinem ew'gen Thron
Die Völker hütest, groß' und kleine:
Gewiss, du blickst auch auf das meine,
Du siehst das Leiden, siehst den Hohn.

Zu unsrem König, deinem Knecht,
Kann nicht des Volkes Stimme kommen;
Hätt er sie, wie er will, vernommen,
Wir hätten längst das teure Recht.

Doch dir ist offen jeglich Tor,
Dir keine Scheidwand vorgeschoben,
Dein Wort ist Donnerhall von oben:
Sprich du an unsres Königs Ohr!


1827


Karl Follen (1796 - 1840): Neujahrslied freier Christen. -- In: Großes Lied. -- 1827

Der Freiheit Neujahr erwacht, heraus
Aus der Nacht, ihr flammenden Triebe!
O Erdengnade, dein Reich ist aus,
Der Himmel allein unser Gotteshaus,
Im Frührot der Liebe.
Entwinde dich, Menschheit, dem Kerkertraum,
Wachs' auf, deutsche Eiche, zum Freiheitsbaum!

Versiegt war der Freiheit heilge Macht,
Verwelscht und verfälscht war die Wahrheit;
Doch der Christusglaube, die Hermannsschlacht1,
Wie das Nordlicht dringt durch die Islandsnacht,
Schuf neu Gottes Klarheit,
Bis mit zaubrischem Scheine die Geister umwand
Vom Petrusaltare der Höllenbrand2.

In die Kirche, in den Staat war der Teufel mit Hass
In Herrn, Pöbel, Adel gefahren.
Das Christentum starb, als das Volk sich vergaß,
Sein Leichnam, das Pfaffentum, wucherte bass
In Klauen und Haaren.
Der Pfaffe der Pfaffen trat auf und schrie:
Ich Papst bin der Hirte, du Menschheit mein Vieh.

Doch Hus3, dem die Wahrheit die Mutterbrust bot,
Nicht die welsche, die giftige Amme;
Der als Priester vermählte den Kelch mit dem Brot,
Stand frei, eine Sonne im Abendrot,
In der Märtyrer Flamme.
Der Unschuld heiliger Schnee zerfloss,
Und Martin Luther, der Frühling spross.

Das war Gottes Odem, die Frühsonnenglut
Nach der Abendglut blutiger Lohen,
Das war der Luther, das freie Blut,
Volksblut, germanischer Gottesmut,
Die Geißel der Hohen,
Der Wahrheit Flamberg4, der Taten Dolch
Auf das Pfaffengewürm, auf den römischen Molch.

Du zweiter Hermann, dem Rom sich gebeugt!
Du Schwan5, von dem jener Böhme
Als Flammenzeuge der Wahrheit gezeugt,
Dein Nest war vom heiligen Geiste gesäugt.
Wie ein Frühlingsgeströme
Felsdämme zerreißt, Blachfelder durchfleußt,
So dein Wort in dein Volk, in die Welt sich ergeußt!

Die Wahrheit umfasst er, die Flammenbraut,
Wie ein Sturm die glühende Wolke;
Der Luther, der sprach ja so lauter, so laut,
Dass den Pfaffen es graut, dass das Volk sich erbaut',
Heil, Heil unserm Volke!
Im Garten der Freiheit die herrlichste Blum',
Im Volkstum erblühte das Christentum!


Fort Zwingherrn-, Adel- und Pfaffenbrut,
Soldaten und Pöbel zur Höllenglut!
Ein Reich freier Bürger,
Ein Gott, ein Vater, ein Wille soll sein,
Doch die Menschheit im Volke nur schafft den Verein.

Tod des Herrn wie des Knechts
Fordert der Engel des Menschengeschlechts.
Das Herz spricht zum Erze:
»Du blutige Kerze
Mach hell in der Rechten die Waage des Rechts!
Freiheitsmesser gezückt!
Hurrah! den Dolch durch die Kehle gedrückt!
Mit Purpurgewändern
Mit Kronen und Bändern,
Zum Rachealtar steht das Opfer geschmückt.«

Und die Fembrüder ziehn,
Des Schicksals gewaffnete Arme, dahin
Wie die Rächer des jüngsten Gerichts durch die Lande;
Im Wollustkerker den kriechenden Molch
Ereilet der heilige rächende Dolch,
Stürzt um die vergötterte Schande;
Von dem Throne der Fürsten,
In Flammen den Thron,
Wird im blutigen Schmerzensbrande
Aus heiligem Schöße der Gottessohn
Aus der Menschheit die Menschheit neu sich gebären,
Der Gottheit Urbild im Volk sich verklären.

Hurrah! Deutschlands Sterne flammen,
Deutschland krönt ein Heil'genglanz!
Herzen, Hände schlagt zusammen,
Zwingherrschaft fahr in die Flammen,
Freiheit aus der Flammen Kranz.

Donnerwolke, deinem Volke
Segnend nahst du, Freiheitskrieg.
Not und Tod muss uns umnachten,
Doch den Abend aller Schlachten
Macht zum Feierabend Sieg!

Der alte Hermann1 regt sich wild,
Der Freiheitsgott, im Eichengrab;
Und hoch vom Himmel winket mild,
Der uns der Seele Freiheit gab.

Am Bundesbanner wonnevoll
Kreuz, Schwert und Eiche glühen,
Auf Teutoburg1 und Rütli6 soll
Ein Eden uns erblühen!

Zu den Waffen! Stürme, türme
Berg auf Berg von Knecht und Herrn!
Riesin Deutschland, brich die Klammer,
Alter Freiheit Donnerhammer
Wettre, schmettre nah und fern!

Deutscher Hiebe Kraft zerstiebe
Schlangenlist und Tigerwut,
Schwerterblau wird Morgenröte,
Schwerterblitz fahr aus, und töte
Dich im Meere, Zwingherrnbrut!
Nieder mit den Kronen, Thronen, Fronen, Drohnen und Baronen!
Sturm!

Erläuterungen:

1 Hermannsschlacht im Teutoburger Wald im Jahre 9 nach Christi Geburt, bei der die vereinigten Germanenstämmen unter Hermann / Arminius die Römer besiegten

2 "Mit »Höllenbrand« ist Papst Gregor VII. (Hildebrand) gemeint (1073-1085), der das Papsttum im »Dictatus Papae< für befugt erklärte, als unumschränkter Leiter der Universalkirche Könige abzusetzen.  Das Wortspiel »Hildebrand - Höllenbrand« kommt schon in den Angriffsschriften Luthers und anderer Reformatoren des 16. Jahrhunderts gegen die römische Kirche vor."

3  Johann Hus (um 1369 - 1415): böhmischer Reformator, beim Konzil von Konstanz als Ketzer verbrannt

4 Flamberg (Flammenschwert): ein bis 1,8 m langes zweihändiges Schlagschwert mit gerader oder wellenförmiger Klinge und weit ausladender, abwärts gebogener Parierstange.


Abb.: Flamberg [Bildquelle: http://www.platnerstwo.pl/flamberg.html. -- Zugriff am 2004-12-07]

5 Vor seiner Hinrichtung soll Hus gesagt haben: „Heute bratet ihr eine Gans, aber aus der Asche wird ein Schwan entstehen“ (Hus bedeutet Gans). Später brachte man dies mit Luther in Zusammenhang und machte den Schwan zu dessen Symbol.

6 Rütli: Wiese am Vierwaldstättersee (Schweiz), wo der Sage nach der Geheimbund der drei ersten »Eidgenossen«, Werner Stauffacher von Schwyz, Walter Fürst von Uri und Arnold Melchthal aus Unterwalden, 1307 geschlossen wurde. Das Rütli gilt als Wiege der schweizerischen Freiheit und wurde durch Schillers Drama Wilhelm Tell (1804) zum Symbol von Freiheit schlechthin.

[Quelle: Grab, Walter (1919 - 2000) ; Friesel, Uwe (1939 - ): Noch ist Deutschland nicht verloren : eine histor.-polit. Analyse unterdrückter Lyrik von der Französischen Revolution bis zur Reichsgründung. -- Ungekürzte, überarb. Aufl. -- München : Deutscher Taschenbuch-Verlag, 1973. -- 324 S. ; 18 cm. -- (dtv ; 875). -- Lizenz des Hanser-Verl, München. -- ISBN 3-446-10979-X. -- S. 75 - 78]


1828


Adelbert von Chamisso (1781-1838): Der Stein der Mutter oder der Guahiba-Indianerin. -- 1828

Wo durch die Ebnen in der heißen Zone
In ihrem stolzen Laufe sich gesellen
Der Orinoko und der Amazone;
Und wann zur Regenzeit die Ströme schwellen,
Unwirtbar, unzugänglich, wunderbar,
Der Urwald sich erhebet aus den Wellen;
Da herrscht im Wald der grause Jaguar,
Das Krokodil auf Überflossner Flur,
Den Tag verdunkelt der Moskitos Schar.
Der Mensch ersteht, verschwindet ohne Spur,
Ein armer, unbedachter Gast der reichen,
Der riesenhaft unbändigen Natur.
Es pflanzt der Missionar des Heiles Zeichen
An Flussesufern weit hinauf, wovor
Der Wildnis freie Söhne fern entweichen.
Am Atabapo's-Ufer ragt empor
Ein Stein, der Stein der Mutter, wohlbekannt
Dem Schiffer, der den Ort zur Rast erkor.
So ward er unserm Humboldt auch genannt,
Als diesen Strom der Wildnis er befahren,
Von Wissensdurst und Tatenlust entbrannt.
»Der Stein der Mutter? Lasset mich erfahren:
Was redet dieser Stein mit stummem Munde?
Was soll für ein Gedächtnis er bewahren?«
Es schwiegen die Gefährten in der Runde.
Erst später, zu San Carlos angekommen,
Gab ihm ein Missionar die graus'ge Kunde:
»Einst ward von San Fernando unternommen
Ein Zug, um Seelen für den heil'gen Glauben,
Und Sklaven, die uns dienen, zu bekommen.
Des heil'gen Ordens Satzungen erlauben,
Gewaltsam zu der Völker Heil zu schalten,
Und Heiden galt's am Guaviar zu rauben.
Es ward, wo Rauch vom Ufer stieg, gehalten;
Im Boote blieb, ein Betender, der Pater,
Und ließ die rauhe Kraft der Seinen walten.
Sie überfielen, ohne Schutz und Rater,
Ein wehrlos Weib; mit seiner Söhne Macht
Verfolgte wohl den Jaguar der Vater, -
An Christen hatte nicht der Tor gedacht;
Und die Guahiba-Mutter ward gebunden
Mit zwei unmünd'gen Kindern eingebracht;
Sich wehrend, hätte sie den Tod gefunden,
Sie war umringt, ihr blieb zur Flucht nicht Raum;
Leicht ward sie, ob verzweifelnd, überwunden.
Es war, wie diese, schmerzenreich wohl kaum
Noch eine der Gefangnen, unverwandt
Rückschauend nach der heim'schen Wälder Saum.
Entfremdet ihrer Heimat, unbekannt
Zu San Fernando, kaum erlöst der Bande,
Hat sich die Rasende zur Flucht gewandt.
Den Fluss durchschwimmend, nach dem Vaterlande
Entführen wollte sie die kleinen beiden;
Sie ward verfolgt, erreicht am andern Strande.
Drob musste harte Züchtigung sie leiden;
Noch blut'gen Leibes hat zum andern Mal
Versucht sie, zu entkommen zu den Heiden;
Und härter traf sie noch der Geißel Qual;
Und abermals versuchet ward die Tat;
Nur Freiheit oder Tod war ihre Wahl.
Da schien dem Missionar der beste Rat,
Von ihren Kindern weit sie zu entfernen,
Wo nimmer ihr der Hoffnung Schimmer naht.
Sie sollt ihr Los am Rio Negro lernen.
Sie lag gefesselt, und es glitt das Boot
Den Fluss hinauf; sie spähte nach den Sternen.
Sie fühlte nicht die eigne bittre Not,
Sie fühlte Mutterliebe, Kern des Lebens,
Und Fesseln, und sie wünschte sich den Tod.
Die Fesseln sprengt sie plötzlich kräft'gen Strebens,
Da, wo den Stein am Ufer man entdeckt,
Und wirft sich in den Strom und schwimmt, - vergebens!
Sie ward verfolgt, ergriffen, hingestreckt
Auf jenen Stein, geheißen nach der Armen,
Mit deren Schmerzensblut er ward befleckt.
Sie ward gepeitscht, zerfleischet ohn Erbarmen,
Geworfen in das Boot zur weitern Fahrt
Mit auf dem Rücken festgeschnürten Armen.
Javita ward erreicht auf solche Art;
Die wund, gebunden, kaum sich konnte regen,
Ward dort zu Nacht im Fremdenhaus verwahrt.
Es war zur Regenzeit, das wollt erwägen,
Zur Regenzeit, wo selbst der kühnste Mann
Nicht wagt den nächsten Gang auf Landeswegen;
Wo uferlos die Flüsse waldhinan
Gestiegen sind; der Wald, der Nahrung zollte,
Dem Hunger kaum Ameisen bieten kann;
Wo, wer in Urwaldsdickicht dringen wollte,
Und würd er vor dem Jaguar nicht bleich,
Und wenn ihm durchzubrechen glücken sollte,
Versenkt sich fände in ein Schattenreich,
Vom sternenlosen Himmel ganz verlassen,
Dem führerlos verirrten Blinden gleich.
Was nicht der keckste Jäger ohn Erblassen
Nur denken mag, das hat das Weib vollbracht;
An dreißig Meilen mag die Strecke fassen.
Wie sich die Angeschlossne frei gemacht,
Das bleibt in tiefem Dunkel noch verborgen,
Sie aber war verschwunden in der Nacht;
Zu San Fernando fand der vierte Morgen
Sie händeringend um das Haus beflissen,
Das ihre Kinder barg und ihre Sorgen.« -
»O sagt's, o sprecht es aus, dass wir es wissen,
dass nicht der Mutterliebe Heldin wieder
Unmenschlich ihren Kindern ward entrissen!«
Er aber schwieg, und schlug die Augen nieder,
Und schien in sich zu beten. Red hinfort
Dem ihn Befragenden zu stehn, vermied er.
Doch, was verschwiegen blieb dem Humboldt1 dort,
Aus seinem Buche schaurig widerhallt;
Es ward berichtet ihm an andrem Ort.
Sie haben fern nach Osten mit Gewalt
Sie weggeführt, die Möglichkeit zu mindern,
dass sie erreiche, was ihr alles galt.
Sie haben sie getrennt von ihren Kindern!
Sie konnten, Hoffnung fürder noch zu hegen,
Sie konnten nicht zu sterben sie verhindern.
Und, wie verzweifelnd die Indianer pflegen,
Sie war nicht, seit der letzten Hoffnung Stunde,
dass Nahrung ein sie nehme, zu bewegen.
So ließ sie sich verhungern! Diese Kunde
Zu der Guahiba und der Christen Bildnis
Erzählet jener Stein mit stummem Munde
Am Atabapo's-Ufer in der Wildnis.

Erläuterung: 1815 - 1818 hatte Chamisso als Naturforscher auf dem Expeditionsschiff »Rurik« an der dreijährigen Weltumseglung einer russischen wissenschaftlichen Expedition teilgenommen. Dabei hatte er auch Südamerika besucht.

Guahiba: Volk in Venezuela und Kolumbien, heute ca. 20.000 Personen

1  Humboldt, Alexander von <1769-1859>: Voyage aux régions équinoxiales du nouveau continent : fait en 1799, 1800, 1801, 1802, 1803 et 1804 / par Al. de Humboldt et A. Bonpland ; rédigé par Alexandre de Humboldt ...  -- Paris : Dufour [etc.], 1814-1834. -- 3 Bdew + 2 Atlanten.


1830/1850


Karl Haltaus: Das freie Wort.

Brich deine Fesseln, Geist der Zeit,
Der Glaube ist vermodert,
Aus Trümmern der Vergangenheit
Der Freiheit Flamme lodert.
Der Heiland spricht:
Es werde Licht!
Die finstre Nacht muss weichen,
Wir wandeln nur auf Leichen!

Auf Erden sind viel tausend Jahr
Lebendig die Gedanken,
Erstürmt hat diese heilge Schar
So manche eh'rne Schranken;
Doch hat das Licht
Gesiegt noch nicht.
Es sind im Süd und Norden
Viel Brutus1 kalt geworden.

Und ob die Völker unverzagt
Ihr Blut dahingegeben,
Ein Tell2 den schwersten Schuss gewagt
Im ersten Freiheitsleben;
Noch will das Licht
Durchdringen nicht,
Die Albas3 streun Verderben
Und wollen nimmer sterben.

Es schleicht die Furcht, es schleicht der Hass
Umher mit giftgen Waffen,
Und an des Geistes Aderlass
Hilft eine Schar von Pfaffen.
O Strafgericht,
Was kommst du nicht?
Soll denn das Kreuz auf Erden
Das Schwert der Zukunft werden?

O führt mit Eisen nicht den Krieg;
Der Feind hat auch sein Eisen!
Doch eins, das führt gewiss zum Sieg,
Wird Gotteskraft beweisen:
Das freie Wort,
Das ist ein Hort,
Vor dem die Feinde zittern,
Wie Sünder vor Gewittern!

So donnre denn, du freies Wort,
An die verstockten Herzen.
Und schleudre auf sie immerfort
Den Fluch der Völkerschmerzen.
Dies Gotteslicht
Verlöschet nicht.
Vom heilgen Geist durchdrungen
Ist Feuer auf den Zungen!

1 Brutus: Lucius Junius Brutus: Roms Befreier von der Königsherrschaft und erster Konsul; bzw. Marcus Junius Brutus, der letzte Kämpfer für die römische Republik, (85 bis 42 Voltaire Chr.)-

2 Tell:

"Tell, Wilhelm, der durch Schillers Dichtung verherrlichte Held der Schweizersage, angeblich aus Bürglen im Kanton Uri, Schwiegersohn Walter Fürsts. Als er 18. Nov. 1307 dem vom Landvogt Geßler zu Altorf aufgesteckten Hute die befohlene Reverenz nicht erwies, gebot ihm der Vogt als berühmtem Armbrustschützen, einen Apfel von dem Haupte seines Söhnleins zu schießen, und zwang ihn durch die Drohung, das Kind müsse sonst mit ihm sterben, zu der unnatürlichen Tat. Als T. auf die Frage nach dem Zwecke des zweiten Pfeiles, den er zu sich gesteckt, antwortete, derselbe wäre, wenn er sein Kind getroffen, für den Vogt bestimmt gewesen, befahl dieser, ihn gefesselt auf seine Burg nach Küßnacht überzuführen. Auf dem Vierwaldstätter See brachte ein Sturm das Fahrzeug in Gefahr, und T. als starker, des Fahrens kundiger Mann ward seiner Fesseln entledigt, um es zu lenken. Geschickt wusste er das Schiff gegen das Ufer zu treiben, sprang dort vom Bord auf eine hervorragende Felsplatte, die noch jetzt die Tellsplatte heißt, und eilte über das Gebirge nach Küßnacht, wo er Geßler in der »Hohlen Gasse« erschoss. 1315 soll T. in der Schlacht am Morgarten mitgefochten und 1354 in dem Schächenbach beim Versuch der Rettung eines Kindes den Tod gefunden haben. 1895 wurde T. zu Altorf ein Denkmal von der Hand Richard Kißlings errichtet. Nachdem schon der Freiburger Guillimann 1607 und der Berner Pfarrer Freudenberger 1752 die Geschichte Tells als Fabel bezeichnet hatten, ist in neuerer Zeit durch die Forschungen Kopps (s. Kopp 1) u. a. in unzweifelhafter Weise dargetan worden, dass die ganze herkömmliche Überlieferung über die Befreiung der Waldstätte im Widerspruch mit der urkundlich beglaubigten Geschichte (s. Schweiz, S. 191) steht, und dass die Tellstat in keinen zeitgenössischen oder der Zeit näher stehenden Quellen erwähnt wird. Erst um 1470 taucht die Tellsage auf und zwar in zwei Versionen. Die eine, repräsentiert durch ein um 1477 entstandenes Volkslied, die 1482-88 geschriebene Chronik des Luzerners Melchior Ruß, ein 1511 in Uri verfasstes Volksschauspiel u. a., erblickt in dem Urner T. den Haupturheber der Befreiung und Stifter des Bundes im Rütli; die andre, die zuerst in dem um 1470 geschriebenen anonymen »Weißen Buch« zu Sarnen, dann in der 1507 gedruckten Chronik des Luzerners Etterlin erscheint, gibt Tells Geschichte nur als zufällige Episode und schreibt die Verschwörung gegen die Vögte vornehmlich dem Schwyzer Stauffacher zu. Erst Ägidius Tschudi (s. d. 1) hat die beiden Traditionen zu der stehend gewordenen Gesamtsage verknüpft und sie chronologisch festgelegt; im Laufe der Jahrhunderte bekam sie noch mancherlei Zusätze, bis sie durch J. v. Müller und Schiller Gemeingut wurde. Die Tellskapellen auf der Tellsplatte, in Bürglen, in der Hohlen Gasse stammen sämtlich erst aus dem 16. Jahrh. In Uri ließ sich keine Familie T. ermitteln; ein angebliches Erkenntnis der Urnerlandsgemeinde von 1387, das Tells Existenz bezeugen sollte, sowie die den Namen »Tello« und »Täll« enthaltenden Totenregister und Jahrzeitbücher von Schaddorf und Attinghausen sind als Erdichtungen und Fälschungen nachgewiesen. Die Sage vom Apfelschuss ist ein uralter indogermanischer Mythus, der in anderm Gewand auch in der dänischen (vgl. Toko), norwegischen und isländischen Heldensage (vgl. Egil) sowie anderwärts vorkommt, in der Schweiz eigenartig ausgebildet und im 15. Jahrh. zur Ausschmückung der Befreiungssage verwendet worden ist."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

3Alba:

"Alba, Fernando Alvarez de Toledo, Herzog von, span. Feldherr und Staatsmann, geb. 29. Okt. 1507 in Piedrahita, gest. 11. Dez. 1582 in Lissabon, stammte aus einem der vornehmsten Häuser Spaniens. Durch seinen Großvater, den Eroberer von Navarra, in die soldatische Laufbahn schon 1523 eingeführt, stieg er schnell zu den höchsten Rangstufen auf. 1533 ward er General und 1537 Oberfeldherr der kaiserlichen Heere. Als solcher wurde er durch seine Erfahrung in politischen und zumal in militärischen Dingen den spanischen Herrschern unentbehrlich, denen er, selbst ebenfalls religiös-national fanatisch, treu ergeben war. Im Kriege äußerste Um- und Vorsicht beobachtend, erreichte er in den meisten Fällen seine Ziele. Er erwarb sich bald das unbeschränkte Vertrauen Karls V. In dessen viertem Kriege gegen Frankreich (1542) verteidigte er Katalonien und Navarra. 1546 befehligte er im Schmalkaldischen Krieg unter Karl V. das kaiserliche Heer, unterwarf die protestantischen Städte Süddeutschlands, züchtigte den Herzog Ulrich von Württemberg und trug zu Karls Sieg bei Mühlberg (1547) das meiste bei. Dem Kriegsgericht, das den Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen zum Tode verurteilte, präsidierte A. und riet dem Kaiser, das Urteil sofort vollziehen zu lassen. Dagegen gelang es ihm 1552 nicht, den Franzosen Metz wieder zu entreißen. Glücklicher focht er in Italien gegen die vereinigte päpstliche und französische Armee, die er 1555 wiederholt schlug. Nach Karls V. Abdankung (1556) besetzte er, als Philipp II. mit Papst Paul IV. in Streit geriet, den Kirchenstaat, musste jedoch auf Befehl des Königs Frieden schließen und alles Eroberte zurückgeben. Als der Bildersturm in den Niederlanden den Zorn Philipps II. erregte, ward A. 1567 zum Generalkapitän der Niederlande ernannt und trat von Italien aus mit 10,000 Mann Kerntruppen den Marsch nach Brüssel an. Er hatte den Auftrag, den Aufruhr streng zu unterdrücken; dementsprechend war sein Auftreten. Zur Bestrafung der Teilnehmer an den Unruhen setzte er den »Rat der Unruhen« ein, in dem er anfangs selbst den Vorsitz führte. Tausende wurden durch jenes Gericht, von dessen Urteil keine Appellation galt, zum Tode verurteilt, unter ihnen als die vornehmsten Häupter des Adels die Grafen Egmond und Hoorn. Die Gegner Albas hatten anfangs wenig Erfolg. A. schlug das Heer Ludwigs von Nassau bei Jemmingen in Friesland (21. Juni 1568) und zwang auch im Herbst d. J. den in Brabant ein gedrungenen Wilhelm von Oranien zum Rückzug. Nun legte er dem Lande schwere Abgaben auf. Als die härteste wurde die Alkabala betrachtet,. d.h. die Forderung, dass der zehnte Teil von dem Kaufpreis aller beweglichen Güter als Steuer entrichtet werden sollte. Die Strenge, mit der die Durchführung dieser Maßregel versucht ward, wurde die Ursache für einen neuen Ausbruch des Aufstandes. Die Einnahme der holländischen Seefeste Briel durch die Wassergeusen (1. April 1572) hatte den Abfall des gesamten Nordwesten zur Folge. Wilhelm von Oranien drang in Brabant ein, während dessen Bruder Ludwig Mons und Valenciennes im S. besetzte. A. musste die neuen Abgaben widerrufen, erfocht aber sonst glänzende Erfolge. Mons wurde zurückerobert, Oranien musste sich nach dem Norden zurückziehen; auch hier si elen Zütphen, Naarden und Haarlem in die Gewalt der Spanier. Indes wollte der König den Frieden in den Niederlanden, seiner reichsten Geldquelle, wieder her stellen. Er berief deshalb A. zurück (1573) und ersetzte ihn durch den mildern Don Luis de Requesens. A. wurde vom König mit Ungnade empfangen und sogar vom Hofe verbannt. 1580 ward er aber beauftragt, Portugal, worauf Philipp II. Erbansprüche erhob, zu erobern. Auch diesen Auftrag führte er rasch und glänzend aus, starb aber zwei Jahre später. Noch im Alter von 74 Jahren besaß er die Rüstigkeit eines jungen Mannes. Sein Wuchs war groß, seine Haltung stolz, selbst dem Könige gegenüber, der Ausdruck des Gesichts hart; sein ganzes Äußeres verkündete den Fanatiker."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

[Quelle: Wider Pfaffen und Jesuiten, Wider Mucker und Pietisten! : Eine Anthologie aus der Blütezeit der politischen Dichtkunst in Deutschland 1830-1850 / Hrsg. von Politicus. -- Frankfurt a. M. : Neuer Frankf. Verl., 1914. -- 224 S. -- (Bibliothek der Aufklärung). -- S. 83f.]


Richard Morning: Staat und Kirche.

Die Elemente saßen einst zu Rate,
Legaten gleich auf  purpurroten Sitzen.
Im Streite lag die Kirche mit dem Staate:
Sie wollte glänzen, dieser nicht mehr schwitzen.

Die Sonne war der Kirche goldne Krone,
Die Erde war das sichre Staatsgebäude.
Als fleckenrein die Sonne stieg zu Throne,
War auch auf Erden Jubelruf und Freude.

Es huldigten ihr alle Kreaturen,
Und alle fanden Labung und Erquicken:
Die Perl im Meer, die Blumen auf den Fluren,
Das Menschenaug mit seinen frommen Blicken.

Und wie die Farben aus der Sonne Glanze,
So floss aus ihr die Hoffnung und der Glauben,
Demut und Liebe mit dem Rosenkranze,
Begeisterung in goldne Pickelhauben.

Doch bald entsog sie Geist den süßen Trauben,
Dem goldnen Glanze stolzen Despotismus,
Die Liebe welkt, Glauben ward Aberglauben,
Begeistrung wuchs zu wildem Fanatismus.

Die freie Erde macht sie sich zum Sklaven,
Sie mästet sich von ihrem Schweiß und Blute;
Aus ihren Strahlen werden Bann und Strafen:
Damit erzwingt sie geißelnd die Tribute.

Da hingen von der Erde welken Gliedern
Schlaff nieder fahle, abgetragne Flittern;
Kein Busen hob sich noch zu freien Liedern,
Verdammt, vor ihr, der Schrecklichen, zu zittern.

Und bebt vor ihr, bis der Entzündung Flamme
Sich tief der Erd ins Eingeweide wühlte;
Da brach empört das Blut aus seinem Damme,
Dass es den Schmerz im Bad der Rache kühlte.

Da rief die Erd empor zum stolzen Throne,
Wo sie gekniet: "Was machst du mich zum Knechte?
Auch ich bin frei! Auch ich trag eine Krone!
Und bin gewillt, zu wahren meine Rechte!

Ich sende dir die Wolken als Gesandten,
Du sende deine Gluten als Legaten;
An unsern Grenzen, halb mir schon entwandten,
Da mögen sie sich ernstlich drum beraten!"

Und so geschahs. Das Blut der heilgen Erde
Stieg auf in weißen Hermelingewändern.
In Purpurglanz und stolzer von Gebärde
Kam auch die Glut aus ihren Sonnenländern.

Wo sie sich trafen, war neutraler Boden,
Das Reich der Luft, gleich Freund und Feind für beide;
Bald blies sie heimlich in den heißen Brodem,
Bals zupfte sie die Wolk am feuchten Kreide.

Lang wurde heftig hin und her gestritten;
Doch wichen nicht die Wogen, noch die Brander.
Je mehr sie auf den Leib einander ritten,
Je weiter ging ihr Sinn stets auseinander.

Sie treiben sich einander in die Enge,
Es gärt und murrt zur Linken und zur Rechten,
Und plötzlich kommts zum wilden Handgemenge,
Wie wenn zwei Ringer klammernd sich umflechten.

Die Wolken ballen finster sich zusammen,
Gleich Schlangen, die Laokoon umringen;
Die Sonnenpriester speien blutge Flammen,
Die Erd und ihre Knechte zu verschlingen.

Die Erd erbebet, die Wolkenmassen bersten,
Doch kaum geborsten, schließen sie sich wieder.
Die zweiten fallen, stürzen wie die ersten,
Und immer neu gebären sich die Glieder.

Und endlich sind die Flammen all verspieen,
Verschleudert sind die Strahlen und die Blitze,
Die Sonnenpriester müssen scheu entfliehen
Und heimwärts ziehen in ihre alten Sitze.

Nun kehren auch der Erde Helden wieder;
Sie ziehen rauschend ein durch alle Pforten.
All Erdenkinder grüßen sie als Brüder,
Glück, Jubelruf und Jauchzen allerorten.

Die Tapfersten nur bleiben an den Grenzen,
Zu schützen das errungene Gefilde.
Die muss die Sonne selbst mit Ruhm bekränzen,
Dass sie erglänzen wie bekränzte Schilde.

Und mit der Sonne schließt man einen Frieden,
Man raubt ihr nichts von ihren alten Rechten.
O möge sie nicht neue Bolzen schmieden!
Nie aus den Strahlen Geißeln wieder flechten.

[Quelle: Wider Pfaffen und Jesuiten, Wider Mucker und Pietisten! : Eine Anthologie aus der Blütezeit der politischen Dichtkunst in Deutschland 1830-1850 / Hrsg. von Politicus. -- Frankfurt a. M. : Neuer Frankf. Verl., 1914. -- 224 S. -- (Bibliothek der Aufklärung). -- S. 169ff.]


1830


Anonym. -- 1830

Auf, auf, mein deutsches Vaterland!
Erhebe dich, es taget.
Zerreiß der Knechtschaft schmählich Band,
Womit die Willkür plaget.
Nicht länger dulde ihren Hohn,
Zu lange, leider, währt sie schon.

Der Pfaffen und Despoten Macht
Von jeher stets im Bunde
Beglückte gern mit neuer Macht
Die Völker in der Runde.
Dich, deutsches Volk! hielt sie jedoch
Vor allem gern im Sklavenjoch.

Umsonst ist deiner Kinder Blut
Im großen Kampf geflossen,
Denn dir ist nicht das kleinste Gut
Aus ihrem Sieg entsprossen.
Was Kunst und Fleiß dir auch erringt,
Ein Drohnenschwarm es gleich verschlingt.

Vom Ein- und Ausgang in die Welt
Die Pfaffen Zoll erheben,
Und keinem ohne bares Geld
Sie leicht den Himmel geben.
Drum selten auch ein armer Mann
Ins Himmelreich gelangen kann.

Die Fürsten haben Zoll gelegt
Auf groß' und kleine Dinge,
Auf alles, was die Erde trägt,
Wie auch sein Name klinge.
Die Lust allein noch zollfrei ist
Von allem, was der Mensch genießt.

Selbst der Gedanke darf nicht frei
In Wort und Schrift erscheinen,
Gestattet ist nur Schmeichelei
Und stilles Dulden, Weinen.
Wagt einer noch ein freies Wort,
Gleich muss er in den Kerker fort.

Wie lieblich klang der Herrscher Ton,
Als fremdes Joch sie drückte;
Zu groß gab's damals keinen Lohn,
Wenn ihre Sache glückte.
Verfassung ward uns zugesagt,
Allein von Jahr zu Jahr vertagt.

Doch seit vorbei die Zeit der Not,
Der Feind vom Volk vertrieben,
Regiert der Willkür Machtgebot
Beim alten ist's geblieben.
Nur neue Steuern schrieb man aus,
Auf Lebensmittel, Feld und Haus.

Nicht länger mehr darf diese Schmach
Auf euch, ihr Deutschen, lasten.
Frisch auf! Es taget werdet wach,
Ihr dürft nicht ferner rasten,
Bis eure Rechte obgesiegt,
Und euch der Feind zu Füßen liegt.

Das fremde Joch, das euch gedrückt,
Habt mutig ihr gebrochen,
Des Druckes Schmach kühn und geschickt
In Feindesland gerochen,
Und lasst im eignen Vaterland
Der Unterdrückung freie Hand?

Zerrissen ist das deutsche Reich
In achtunddreißig Fetzen.
Sein edles Volk, den Himmeln gleich,
Verteilt samt seinen Schätzen.
Ein jedes Ländchen Maut umringt,
Und seines Fleißes Frucht umschlingt.

Der Sprache schönes Band allein
Die Deutschen noch verbündet,
Vom rebenreichen Vater Rhein
Bis wo die Weichsel mündet;
Ob ihren Ausgang Tag und Nacht
Ein Späherheer auch streng bewacht.

Kaum ist der Freiheit Morgenlicht
Dem Vaterland erglühet,
So sitzt der Bund schon vor Gericht,
Und Gift und Galle sprühet.
Mit Kerker, Eisen, ja mit Tod
Er allen Freigesinnten droht.

Drum auf, ihr Deutschen, fasset Mut!
Schließt enger eure Reihen!
Es gilt der Freiheit köstlich Gut,
Vom Joch euch zu befreien!
Nur seid stets einig, stark und frei,
So stürzt ihr jede Tyrannei!

[Quelle: Grab, Walter (1919 - 2000) ; Friesel, Uwe (1939 - ): Noch ist Deutschland nicht verloren : eine histor.-polit. Analyse unterdrückter Lyrik von der Französischen Revolution bis zur Reichsgründung. -- Ungekürzte, überarb. Aufl. -- München : Deutscher Taschenbuch-Verlag, 1973. -- 324 S. ; 18 cm. -- (dtv ; 875). -- Lizenz des Hanser-Verl, München. -- ISBN 3-446-10979-X. -- S. 111 - 113]


1831



Abb.: Denis-Auguste-Marie Raffet (1804 - 1860): Patrioten aller Länder, nehmt euch in acht. -- In: La Caricature. -- 1831-06-16


Anastasius Grün (1808-1876): Dem Zensor. -- 1831

Manchen Priester kennt die Sage, der, ein Held genannt mit Fug,
Durch die Welt das Wort der Wahrheit kühn und unaufhaltsam trug,
Der im Königssaal gerufen: Pfui, ich witt're Kerkerluft!
Und es manch' besterntem Heuchler laut gesagt: Du bist ein Schuft!

Wär' ich solch ein Held der Wahrheit, mit dem Mönchkleid angetan,
Alsbald an des Zensors Wohnung trieb' es mich zu pochen an;
Und ich spräche zu dem Manne: »Erzschelm, sink' aufs Knie zur Stell'!
Denn du bist ein großer Sünder, beichte und bekenne schnell!«

»Und ich hör' es schon im Geiste, wie er drauf in Unschuld spricht:
Ihr' Ehrwürden sind im Irrtum! der Gesuchte bin ich nicht!
Ich versäume keine Messe, Amt und Pflicht verseh' ich gut!
Bin kein Hurer, Gottesläst'rer, Mörder, Dieb, ungläub'ger Jud'!

Doch aus mir dann bräche flammend der Begeist'rung Glut hervor
Wie durch Berg und Kluft der Donner, dröhnt' ihm meine Stimm' ans Ohr;
Jeder Blick entflöge tötend ihm als Pfeil ins Herz hinein,
Jedes Wort, es müsst' ein Hammer, der ihn ganz zermalme, sein:

Ja, du bist ein blinder Jude! denn du hast's noch nicht erkannt,
Dass des Geistes Freiheit glorreich als Messias uns erstand!
Ja, du bist ein blut'ger Mörder! doppelt arg und doppelt dreist!
Nur die Leiber tötet jener, doch du mordest auch den Geist!

Ja, du bist ein Dieb, ein arger, oder noch viel schlimmer, traun!
Obst vom Baum bei Nacht zu stehlen, schwingt sich jener übern Zaun;
In des Menschengeistes Garten, schadenfroh mit einem Streich,
Willst den ganzen Baum du fällen, Blüte, Laub und Frucht zugleich!

Ja, du bist ein Ehebrecher! doch an Schande doppelt reich!
Jener glüht und flammt fürs Schöne, blüht's in fremdem Garten gleich;
Für die schöne, stolze Sünde ist dein Herz zu klein, zu schmal!
Und der Nacht und Nebel Dirne, die nur ist dein Ideal!

Ja, du bist ein Gottesläst'rer, oder ärger noch, bei Gott!
Tote Holz- und Marmorbilder schlägt in Trümmer frech sein Spott!
Deine Hand doch ist's, die ruchlos das lebend'ge Bild zerschlägt!
Das nach Gottes heil'gem Stempel Menschengeist hat ausgeprägt!

Ja, du bist ein großer Sünder! - Frei lässt irdisch Recht dich geh'n,
Doch in deinem Busen drinnen Rad und Galgen musst du seh'n,
An die Brust drum schlage reuig, und dein Knie, es beuge sich!
Tue Buß'! Aufs Haupt streu' Asche! Zieh' dahin, und bessre dich!«



Abb.: "Ich bin der gute Hirte, der gute Hirte gibt sein´Leben für seine Schafe." (Johannesevangelium 10, 11) / von Eugène-Modeste Le Poitevin (1806 - 1870). -- In: La caricature. -- Nr. 31, 1831-06-02

[Quelle: Fuchs, Eduard <1870 - 1940>:  Die Karikatur der europäischen Völker. -- München : Lange. -- Teil 1: Vom Altertum bis zum Jahre 1848. -- 4., vermehrte Aufl. -- 1921. -- 480 S. : Ill. -- S. 320]


Anastasius Grün (1808-1876): Warum?. -- 1831

Seht, sie haben an das Rathaus aufgeklebt ein neu Edikt,
Drauf aus den geschlungenen Lettern noch manch andre Schlinge blickt;
Ein possierlich kleines Männlein liest's und hält sich still und stumm,
Unterfängt sich nicht zu murren, leise frägt es nur: Warum?

Auf der Kanzel stöhnt, wie Eulen, wimmernd gegen Sonnenlicht,
Hier ein Mönch, an dem die Kutte wohl das einz'ge Dunkle nicht,
Dort ein Abt, an dem der Krummstab wohl nicht Alles ist, was krumm;
Stets gelassen hört's der Kleine, lispelnd leise nur: Warum?

Wenn mit Hellebard' und Spießen sie auf Spatzen rücken aus,
Wenn sie lichtscheu ohne Fenster aufgebaut ihr neues Haus,
Wenn das Schwert, das sie befreite, sie zu Fesseln schmieden um,
Sieht er's ruhig und gelassen, fragt nur still vor sich: Warum?

Wenn sie mit Kanonen schießen auf die Lerche, leichtbeschwingt,
Die, wie ein Gebet der Freiheit, singend durch die Wolken dringt,
Wenn den Dichtergaul am Markte sie beim Schwanze zäumen um,
Will er drob sogar nicht lachen, sondern seufzet nur: Warum?

Auf der Sprache garbenreichem unermessnem Erntefeld
Hat ein einz'ges goldnes Körnlein er sich liebend auserwählt;
Und aus ihrem reichen Meere, rauschend laut um ihn herum,
Fischt' er eine einz'ge Perle, nur das Männerwort: Warum?

Doch der weise Rat bescheidet streng vor sich den Mann und spricht:
»Eurer frevelhaften Frage ziemt, fürwahr, die Antwort nicht!
Unser Tun, es sei dem Volke ein Verschlossnes Heiligtum!«
Ruhig hört den Spruch das Männlein, nur bescheiden fragt's: Warum?

Wütend springen All' vom Sessel, dass der Ratstisch taumelt drein!
In Arrest bei Brot und Wasser zieh'n sie den Rebellen ein,
Lassen in den Bock ihn spannen, und in Eisen schließen krumm:
Doch er duldet's still gelassen, spricht kein Wörtlein, als: Warum?

Morgens muss er geh'n zur Beichte, dann aufs Feld im Karren fort!
Schützen steh'n in Reih' und Gliede, laden stumm die Flinten dort;
Feuer! ruft's, die Röhre krachen! Blutig sinkt der Frevler um,
Doch von bleichen Lippen schaurig stöhnt es röchelnd noch: Warum?

Über seine Leichengrube wälzen sie noch einen Stein,
Dann zum feierlichen Hochamt eilen sie zum Dom hinein,
Brünstig danken sie dem Himmel, dass der Schreier endlich stumm,
Doch bei Nacht auf seinen Grabstein schrieb ein Schalk das Wort: Warum?


Anastasius Grün (1808-1876): Zur Cholerazeit. -- 1831

Meiner Hoffnung fromme Blume, die ich heimlich nährt' und tränkt',
Hielt in stiller Todesahnung schon ihr rosig Haupt gesenkt;
Lenz und Licht umsonst erharrend, siechte sie schon lebensmatt,
Ach und seine grüne Flagge strich besiegt ihr welkes Blatt.

Dies geschah zur Zeit, als oben sprach der Herr vom Wolkenthron:
»Hast du meines Zornes Boten, Erde, so vergessen schon,
Den verkündet Bluttrabanten, dem gefolgt Brand und Entsetzen,
Dass, nachzitternd noch, du wieder opferst schon den alten Götzen?

Steige, zweiter Engel, nieder ohne Schwert und Blut und Brand!
Schwing' als richtend Schwert ein Füllhorn duft'ger Frücht' in deiner Hand,
Nimm zu Flügeln weiße Blüten, Frühlings Sonnengold zu Locken;
So, moderne Pest, nun walle säuselnd hin auf Zephirs Socken!«

Und der Engel flog vom Osten, wo der Tag wohnt und der Zar,
Stumm uns näher, immer näher, ird'schen Augen unsichtbar,
Seine luft'gen Bahnen zeigte doch auf Erden, Meil' auf Meile,
Der gefallnen Leichen stumme, unabsehbar lange Zeile.

Sommer war's, zum Herbst sich neigend, schöne, klare, sonn'ge Tage;
Sieh, das Volk, hinaus luftwandelt's nach dem Felde, nach dem Hage;
Weh, es zielt mit Sonnenstrahlen jetzt auf euer Herz der Tod!
Weh, es kühlt in Baumesschatten euch des Lebens Schweiß der Tod!

Diesen dürstet, - o wie lieblich dort die frische Quelle singt!
Seht an ihrem Born ihn liegen: Tod ist's, was sie rauscht und klingt!
Jener Knabe lechzt nach Labung, - Trauben winken wangenrot;
Heuer gibt's ein reiches Lesen, doch der Weinstock trägt nur Tod!

Schwärmerische Seele, wandle nur im süßen Mondenschein:
Aus des Lebens Jammertalen wird dir bald Erlösung sein! -
Greiser Vater, euren Segen, eh' verglüht das Abendroth!
Weh dir, guter Sohn, als Segen quillt aus Vaters Hand dir Tod!

Weiche Kissen, Tafftgardinen! Süßen Kuss auf roten Mund! -
Weh', der Kuss des Liebchens siegelt Tod auf deiner Lippen Rund! -
Reu'ger Sünder, nimm die Hostie am Altar im Kerzenstrahl!
Das Versöhnungsmal der Reue ist dein letztes Abendmahl! -

Zeit der Reu' ist's und Bekehrung; wie das Volk der Priester rennt!
Todesfeindschaft sucht Versöhnung, Ehebruch und Mord bekennt,
Alle Sünder tun jetzt Buße; - Lenker meines Volks, nun spürt
Ihr doch auch des Todes Schrecken, der euch bessert, läutert, rührt?

Siehe, meiner Hoffnung Blume fand ich wieder aufgelebt,
Ihres Blattes grüne Flagge frisch und froh emporgestrebt!
Dies geschah zur Zeit, als mitten unter uns der Engel stand,
Und ich hart an mir das Wehen seines Flügelschlags empfand.

Und es kommt ein furchtbar Sterben. Mit dem Tod wirst du vertraut,
Dass vorm eignen Spiegelbilde, ist's noch wangenrot, dir graut,
Dass du Abends bebst zu Bette, gleich als ob dein Sarg es sei,
Dass sie Graun erfasst, begegnen sich lebend'ger Wesen zwei.

Tag, was warfst du des Erwerbes Werkzeug aus der Hand so früh?
»Ach, weil Sarg und weißes Linnen sich erwirbt mit kleiner Müh!«
Nacht, hast du vergessen Lieder, Knall der Flaschen und Frohlocken?
»Meine Liebling', all entartet, lauschen nur den Sterbeglocken!« -

Haben meines Volkes Lenker nicht des Engels Hauch gespürt,
Dass am alten Thun sie haften, ungebessert, ungerührt?
Nein, sie steh'n wie Marmorbilder, kalt und starr, an einem Grab;
Ihrer Schilder alte Losung wäscht kein Sturm, kein Regen ab.

Aber als ich nach der Blume meiner Hoffnung wieder sah,
Lag zertreten sie am Boden, todeswelk und farblos da.
Dies geschah zur Zeit, als von uns sich des Engels Flug gewandt;
Wer erharrt es, bis der dritte, fürchterlichste Bot' entsandt?

Erläuterung: 1831 brach in Wien erstmals Cholera aus und suchte die Stadt bis 1873 in unregelmäßigen Abständen immer wieder heim.


1832


Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832): aus Faust II, 1. Akt. -- 1832

KANZLER.

Natur und Geist so spricht man nicht zu Christen.
Deshalb verbrennt man Atheisten,
Weil solche Reden höchst gefährlich sind.
Natur ist Sünde, Geist ist Teufel,
Sie hegen zwischen sich den Zweifel,
Ihr missgestaltet Zwitterkind.
Uns nicht so! Kaisers alten Landen
Sind zwei Geschlechter nur entstanden,
Sie stützen würdig seinen Thron:
Die Heiligen sind es und die Ritter;
Sie stehen jedem Ungewitter
Und nehmen Kirch' und Staat zum Lohn.
Dem Pöbelsinn verworrner Geister
Entwickelt sich ein Widerstand:
Die Ketzer sind's! die Hexenmeister!
Und sie verderben Stadt und Land.
Die willst du nun mit frechen Scherzen
In diese hohen Kreise schwärzen;
Ihr hegt euch an verderbtem Herzen,
Dem Narren sind sie nah verwandt.



Abb.: Die Deutsche freie Presse. -- In: Der neue Eulenspiegel. -- Nr. 1, 1832
Darstellung einer von vielen Gewichten beschwerten Druckerpresse: »Zensur, Caution, Concession, Beschlagnahme, Landesverweisung, Anklage, Verbot, Geldstrafe, Einsperrung, Staatsrücksichten, Nichts gegen den König, Nichts gegen den Staat, Nichts gegen die Religion«


Adelbert von Chamisso (1781-1838): Das Gebet der Witwe. -- 1832

Nach Martin Luther

Die Alte wacht und betet allein
In später Nacht bei der Lampe Schein:
»Lass unsern gnädigen Herrn, o Herr!
Recht lange leben, ich bitte dich sehr.
Die Not lehrt beten.«

Der gnädige Herr, der sie belauscht,
Vermeint nicht anders, sie sei berauscht;
Er tritt höchst selbst in das ärmliche Haus,
Und fragt gemütlich das Mütterchen aus:
»Wie lehrt Not beten?«

»Acht Kühe, Herr, die waren mein Gut,
Ihr Herr Großvater sog unser Blut,
Der nahm die beste der Kühe für sich
Und kümmerte sich nicht weiter um mich.
Die Not lehrt beten.

Ich flucht ihm, Herr, so war ich betört,
Bis Gott, mich zu strafen, mich doch erhört,
Er starb, zum Regimente kam
Ihr Vater, der zwei der Kühe mir nahm.
Die Not lehrt beten.

Dem flucht ich arg auch ebenfalls,
Und wie mein Fluch war, brach er den Hals;
Da kamen höchst Sie selbst an das Reich
Und nahmen vier der Kühe mir gleich.
Die Not lehrt beten.

Kommt Dero Sohn noch erst dazu,
Nimmt der gewiss mir die letzte Kuh -
Lass unsern gnädigen Herrn, o Herr!
Recht lange leben, ich bitte dich sehr.
Die Not lehrt beten.«



Abb.: Auguste Desperret  (1804 - 1865): Sie werden sich alle verbrennen!. -- In: La Caricature. -- 1832-09-27


1833



Abb.: Charles-Joseph Traviès des Villers (1804 - 1859): Es wäre leichter, die Sonne aufzuhalten. -- In: La Caricature. -- 1833-12- 20


Anonym: Tyrannen-Untergang. -- 1833/1834

Nach der Carmagnole1-Melodie

Für Melodie "Carmagnole" hier drücken

[Quelle der midi-Datei: http://www.musicanet.org/robokopp/french/madmveto.htm.  -- Zugriff am 2004-12-23]

Was will die freche Sklavenschar,
Die gegen unsre Grenze stürmt,
Und drohet unserm Bundsaltar?
Und Jedem, der die Freiheit schirmt.
Fürchtet den Helden nicht,
Der nur für Groschen ficht.
Wir wollen dich bezahlen,
Komm ins Feld, komm ins Feld!
Du wirst nicht lang mehr prahlen,
Groschenheld komm ins Feld!

Darum verflucht die Pfaffenzunft
Der Freiheit höhern Weihaltar,
Weil noch kein Opfer der Vernunft
Ein leckerhaftes Weinfass war.
Segnet nur euern Bauch!
Bald, ach! versiegt der Schlauch.
Darum rat' ich, trinket immer
Doppelt Maß, doppelt Maß;
Bald spiegelst du dich nimmer
In dem Glas, Kupfernas'.

Und ihr am Grab der Majestät,
Großmächtigste hört meinen Rath,
Macht, dass euch's nicht wie Louis geht,
Bereut was euer Wahnsinn tat.
Endet die Sklaverei!
Macht eure Völker frei!
Sonst putzt die Guillotine
Euch den Bart, euch den Bart,
Fürchtet der Kopfmaschine
Strengen Rat, Königsbart.

Drum Brüder hebt die freie Hand,
Und schwört Tyrannen Untergang;
Und schwört zu retten unser Land
Von Pfaffentrug und Sklavenzwang.
Gleich schuf uns die Natur,
Frei sein, sei unser Schwur.
Tanzt frohe Freiheitstänze,
Hand in Hand, Hand in Hand;
Nimm unsre Siegeskränze
Vaterland, Vaterland.

Erläuterungen:

1 Carmagnole: Revolutionstext aus Paris 1792, die Melodie ist nach einem Volkstanz aus Carmagnola (Italien):

1. |: Madam' Veto avait promis :|
|: De faire égorger tout Paris :|
Mais le coup a manqué
Grâce à nos canonniers.
Refrain:
Dansons la Carmagnole
Vive le son, Vive le son
Dansons la Carmagnole
Vive le son du canon.

[Quelle: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit? : die Französische Revolution im deutschen Urteil von 1789 bis 1945 / hrsg. von Wolfgang von Hippel. -- München : Dt. Taschenbuch-Verl., 1989. -- 386 S. : Ill. ; 18 cm. -- (dtv ; 2960 : dtv-Dokumente). -- ISBN 3-423-02960-9. -- S. 131f.]


1834


Adelbert von Chamisso (1781-1838): Die Predigt des guten Britten. -- 1834

(Wahre Anekdote)

Als Anno dreiundachtzig1 sich zum Krieg
Gerüstet Engeland und Niederland,
Ward beiderseits gebetet um den Sieg.
Ein ausgeschriebner Buß- und Bettag fand
In beiden Ländern statt, doch um acht Tage
Früher in Holland, als in Engeland.
Hier stand ein Prediger vom alten Schlage,
Nach kräft'ger Predigt betend am Altar,
Und führte vor dem Höchsten seine Klage:
»Du wirst dich noch erinnern, Herr, es war
Am letzten Sonntag, die Holländer brachten,
Wie heute wir, dir Bußgebete dar.
Wie Jakob einst den Bruder Esau, dachten
Sie uns um deinen Segen zu betrügen,
Wenn sie die ersten an dein Ohr sich machten.
Glaub ihnen nicht! trau nicht den Winkelzügen
Der falschen Otterbrut; ihr gutes Recht
Und frommes Tun sind eitel, eitel Lügen!
Glaub uns und mir, ich bin dein treuer Knecht,
Ich habe mit der Lüge nichts zu schaffen;
Wir Engeländer sind ein fromm Geschlecht;
Sei du mit uns und segne unsre Waffen!«

Erläuterung: bezieht sich wohl auf einen der drei englisch-niederländischen Seekriege (zwischen 1652 - 1674), von denen aber keiner "anno 83" stattgefunden hat.


Adolph Barth: Vater Unser. -- 1834/1835

Vater Unser im lichten und freien Himmel,
Über dem öden und sklavischen Weltgetümmel!
Lass uns in Kraft und Mut nicht erlahmen,
Und wir segnen Deinen heiligen Namen.
Du wolltest die Menschen vernünftig und gleich,
Schaff uns Vater, ein solches Reich.
Es sollen Knechte und Fürsten nicht werden;
Dein Wille geschehe fortan auf Erden.
Schmettre Tyrannen und Schergen tot;
Sie stehlen unser tägliches Brot.
Wir übten lange und feige Geduld,
Vergib uns, Vater, die schwere Schuld.
Wir wollen die Galgen mit ihnen zieren,
Dass sie uns nicht mehr in Versuchung führen.
Wir schlagen sie tot in Deinem Namen
Und erlösen uns von allem Übel! Amen.

[Quelle: Kowalski, Werner (1929 - ): Vorgeschichte und Entstehung des Bundes der Gerechten : Mit einem Quellenanhang. -- Berlin : Rütten & Loening, 1962. --269 S. . -- (Schriftenreihe des Instituts für Deutsche Geschichte an der Martin-Luther-Universität, Halle ; Bd. 1). -- S. 65f.]


1837



Abb.: Karikatur auf die Zensurmaßnahmen von Ernst August von Hannover (die Zensur überreicht als Muse des deutschen Bundestags Metternich ein zensiertes Exemplar der Schriften Martin Luthers). -- 1837


1840


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874): Das alte Lied

Die Verschiedenheit der christlichen Religionsparteien kann in den Ländern und Gebieten des deutschen Bundes keinen Unterschied in dem Genusse der bürgerlichen und politischen Rechte begründen.
Bundesacte vom 8. Juni 1815. Art. 16.

Das alte Lied, das alte Lied,
Das ew'ge Lied vom Unterschied:
Wer nicht des Staates Glauben hat,
An den auch glaubet nicht der Staat.

Du ewig Lied vom Unterschied,
Du altes unausstehlich Lied!
Wann beugt doch Engel, Mensch und Vieh
Vor Einem einz'gen Gott das Knie?
 


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874): Die orthodoxen Royalisten. -- 1840

Was, Erdensöhne, wollt ihr doch von Gottessohne?
Ihr setzt ihn auf und setzt ihn ab von seinem Throne.
Er lässt euch ruhig schreiben, disputiern und schrei'n,
Ihr wisset wohl, Er führt euch nicht zur Frohnfest' ein.

Und vor den Erdenherrschern kriechet ihr im Staube!
Wie unerschütterlich ist da doch euer Glaube!
Ihr macht von jedem Zweifel eure Herzen frei,
Sobald ihr wittert nur Zensur und Polizei.


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874): Die monarchischen Frommen. -- 1840

Ihr wollt, es soll nur hier auf Erden
Ein Hirt' und Eine Herde sein,
Die ganze Welt soll dienstbar werden
Dem Wort des Herrn, nur Ihm allein.

Ihr habt die Bibel in den Händen,
Das Bajonett auf dem Gewehr -
Soll so sich unser Leiden enden?
Ist das des Heiles Wiederkehr?


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874): Des Censors Klagelied nebst Chor der Laien. -- 1840

Melodie Ich lobe mir das Burschenleben.

Für Melodie "Ich lobe ..." hier drücken

[Quelle der midi-Datei: http://www.uni-muenster.de/Markomannia/Lieder/HTML/271.html. -- Zugriff am 2004-09-24]

Wer nie ein Zensor ist gewesen,
Der weiß nicht, wie es solchem geht;
Was muss er doch nicht alles lesen,
Und wenn er's auch gar nicht versteht!

Chor.
Doch kann er streichen nach Belieben,
Und wenn's der liebe Gott geschrieben.



Dann muss er wie ein Falke passen
Auf Staat und Kirche, Kirch' und Staat;
Die fix' Idee darf er nicht lassen,
Bis er die Welt verlassen hat.

Chor.
Doch sieht er auch einmal daneben,
Das kostet ihm noch nicht das Leben.


Wie wenig Lohn wird ihm gegeben!
Wie wird er oft so sehr verkannt!
Er aber opfert gern sein Leben
Für König, Gott und Vaterland.

Chor.
Doch gibt's auch Orden, Tabatièren -
Ach, wenn wir doch Zensoren wären!


1841


Georg Herwegh (1817-1875): X. für U. -- 1841

Baut Dome oder Pyramiden,
Das stellt nicht Rhein noch Nil zufrieden!
Sie dienen ja beide nur dem Tod:
Doch das Leben begehrt lebendig Brot.

Erläuterung: Bezieht sich auf den Fertigbau des Kölner Doms:

"Gerade in den Jahren, in denen der Dom entweiht worden war, wuchs die Liebe und die Begeisterung für dieses besondere Bauwerk. Viele Kräfte wirkten zusammen, damit 1842 mit dem Weiterbau des Domes begonnen werden konnte. Etwa die Hälfte des Geldes kam aus der preußischen Staatskasse, die andere Hälfte brachte der Zentral-Dombau-Verein auf, in dem viele engagierte Kölner Bürger sich zusammengeschlossen hatten. Eine intensive und effektive Bautätigkeit begann. Sie folgte zwar in den Formen genau den mittelalterlichen Plänen, bediente sich aber modernster Bautechnik. Schon 1864 waren, wie die Darstellung zeigt, die beiden Querhausfassaden und die Obergadenzone von Langhaus und Querschiff fertig. Der hölzerne Dachstuhl über dem mittelalterlichen Chor wurde durch eine eiserne Konstruktion über dem Gesamtbau ersetzt, die zu den fortschrittlichsten dieser Zeit gehörte. 1880 wurden dann auch die Türme fertig gestellt."

[Quelle: http://www.koelner-dom.de/. -- Zugriff am 2004-09-15]


August Wilhelm Schlegel (1767-1845): An die Kölner. -- 1841

Ihr Kölner wollt jetzt euren Dom vollenden:
Wie kommt euch nur so plötzlich diese Lust?
Es lag ja immerfort in euren Händen;
Ihr ließt ihn doch vierhundert Jahr' im Wust.

Drei Königsschädel liegen drin begraben,
Die Kaiser Friedrich Rothbart hergesandt.
Da brachten fromme Pilger reiche Gaben.
Aus eurem Gut ward wenig aufgewandt.

Eu'r Bischof trug des Kanzlers hohe Würde,
Des Bau's Beginn ward seiner Müh' verdankt.
Habt ihr ihm wohl erleichtert diese Bürde?
Ihr habt mit eurem Hirten stets gezankt.

Auch andre Städte haben hehre Tempel,
Die jede selbst erbaut hat und gepflegt.
Meint ihr, dass euer Chor allein den Stempel
Der Heiligkeit an seiner Stirne trägt?

Wien, Straßburg, Reims, der Marmordom in Mailand,
Viel' andre, die ich nicht zu nennen weiß;
Dann Canterbury in Britanniens Eiland,
Westminster, York, verdienen gleichen Preis.

Ihr habt wohl nie aus euren dumpfen Mauern
Auf Deutschland und Europa rings geblickt:
Wie könnte sonst der leere Stolz noch dauern
Auf solch ein Bruchstück, ärmlich ausgeflickt?

Nun lasst ihr durch die Zeitung ausposaunen:
Köln ist die heil'ge Stadt vor allen, wisst!
Deutschland! vernimm's in Demut und mit Staunen!
Wer nicht am Bau hilft, ist kein wahrer Christ! -

Geht hin zum Papst, und bittet: Heil'ger Vater,
Borgt uns doch Geld, zu bauen unsern Dom! -
Ich, wird er sagen, bin des Heils Berater;
Doch Geld zu holen gibt es keins in Rom.

Erläuterung: Bezieht sich auf den Fertigbau des Kölner Doms (siehe oben), wo auch Reliwuien der Hl. Drei Könige aufbewahrt weren.


Georg Herwegh (1817-1875): Neujahr.  -- 1841

Herr, o Herr, soll größer noch
Deine Kette werden?
Reicht sie von dem Himmel doch
Längst herab zur Erden!
Wieder, weil ein Jahr verging,
Sprudelt man Sonette,
Singt von einem neuen Ring
An der alten Kette.

Kette, o du klirrend Bild,
Schreckwort aller Zungen,
Welch ein Gott hat grausam wild
Dich ums All geschlungen?
Dass er seine Sterne wohl
Vor dem Falle rette,
Muss der Ewigkeit Symbol
Bleiben eine Kette?

Kann der Jahre Trauerschar,
Herr, dir nicht genügen?
Wirst du immer, immerdar
Ring zum Ringe fügen?
Endigt nie der Menschheit Qual?
Hebt sie nie ihr Bette?
Wächst sie nie, der Freien Zahl?
Wächst nur deine Kette?

Fragend schaut' ich manche Nacht
Auf zu deinen Hallen;
Endlich, hab' ich oft gedacht,
Muss die Kette fallen.
Ach! mein Hoffen trieb im Sturm
Auf dem letzten Brette,
Und ward, ein getretner Wurm,
Auch ein Ring der Kette.

Herr, o spare deinen Grimm
Fürder den Tyrannen,
Einmal mit dem Jahre nimm
Einen Ring von dannen!
Gib uns, was wir heiß gesucht,
Trüg's auch Dorn und Klette,
Mindre nur die schwere Wucht
Deiner goldnen Kette!

Nimm, die sie so lang umfing,
Nimm sie von der Erden;
Lass der Kette letzten Ring
Freiheitsbrautring werden!
Höre unser banges Schrein:
Herr, o Herr, errette,
Und den Teufel lass allein
Ewig an der Kette!

Ja! du wirst. Schon seh' ich, traun!
Neue Sterne ziehen,
Neue Tempel seh' ich baun,
Neue Völker knieen;
Donnerklang und Harfenton
Rufen in die Mette -
Still! die Engel opfern schon
Einen Ring der Kette.


Georg Herwegh (1817-1875): Panem, non Circenses1.  -- 1841

»Brot!« so rufet das Volk, und ihr? ihr gebet ihm Steine:
Sagt mir, Pfaffen, doch an: heißt ihr das christlich gedacht?
»Brot!« so rufet das Volk: da forschen und suchen die Weisen,
Suchen nur wieder den Stein, des uns so wenig gebricht.
»Brot!« so rufet das Volk, und die Herrschenden treten zusammen
Und rings fliegen daher wiederum Steine - zum Dom.

Erläuterung: Bezieht sich auf den Fertigbau des Kölner Doms (siehe zum vorhergehenden Epigramm)

1 "Panem, non circenses" = Brot, keine Circuspiele", Abwandlung der Redensart "panem et circenses" (Brot und Circusspiele), womit Juvenal (X,81) die Wünsche des Volkes seiner zeit zusammenfasste.


Georg Herwegh (1817-1875): Andre Zeiten, andre Sitten.  -- 1841

Wenn der Erlöser erscheint, wohl grüßen ihn wieder die Hirten:
Aber es bleiben gewiss diesmal die Könige aus!

Erläuterung: spielt auf die Anbetung des neugeborenen Jesus durch die Hirten (Lukasevengelium 2) und die Weisen (Könige) aus dem Morgenland (Matthäusevengelium 2) an


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874): Deutschland, was fehlt dir? <Auszug>. -- 1841

Handel und Wandel, und Wissen und Kunst,
Dreißig Regenten mit fürstlicher Gunst,
Adel und Pfaffen und Staatskanzeleien
Sag, warum willst du denn fröhlich nicht sein?


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874): Von Gottes Gnaden. -- 1841

Si du père éternel ils ont leur diadème, Le père éternel les peut solder lui-même.

Sie haben sich von Gottes Gnaden
Zu Herren dieser Welt gemacht -
Das könnt' uns weiter gar nicht schaden,
Wär's wahr, was sie sich ausgedacht.

Denn wären sie die Gottesholden,
So sorgte Gott für sie allein,
Gar herrlich würd' er sie besolden,
Uns aber würde wohler sein.

Wir würden dann die Erde haben,
Den Himmel aber hätten sie;
Wir können uns hienieden laben
Doch an dem Himmelreiche nie.


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874): Bauernglaube. -- 1841

Melodie Hans war des alten Hansen Sohn.

Ihr gönnt uns wohl das Himmelsheil,
Gönnt jedem daran gleichen Teil:
Das Heil der Erde ward Regal,
Uns blieb allein der Erde Qual.

Was baut ihr neue Kirchen doch!
Wir finden unsern Herrgott noch.
O baut ein einzig Haus einmal,
Drin wir vergessen unsre Qual.


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874): Türkische Liturgie. -- 1841

Melodie Wenn Tage, Wochen, Jahre schwinden, / Wir kein Glück im Wechsel finden.

Wir müssen beten für den Einen,
Und nur für Ihn und für die Seinen.
Wir taten's gern und tun es gern
Und flehn für Ihn zu Gott dem Herrn.

Es steht ja in der Schrift geschrieben:
Wir sollen unsre Feinde lieben.
Drum lasst uns beten das Gebet
Für unsers Sultans Majestät!


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874): Stille Messe. -- 1841

Denn sie suchen alle das Ihre, nicht das Christi Jesu ist.
Paulus an die Philipper 2, 21.

Ein Pfaffe bin ich nie gewesen,
Ihr aber sollt mich doch verstehn:
Ich will euch heute Messe lesen,
Für euch zu Gott dem Herren flehn.

Und steh' ich hier auf steilem Pfade,
So steh' ich doch in Gottes Hand.
Mein Messgewand ist Gottes Gnade
Und die Monstranz mein Vaterland.

Wir sind der Leib des Herren heute,
Wir leiden seine Qual und Pein,
Wir sind der frechen Willkür Beute -
O Herr vom Himmel sie darein!

Verwandt uns, Herr, uns deine Knechte
Durch dieses heil'ge Sakrament!
Gib du uns deines Sohnes Rechte,
Der uns ja deine Kinder nennt!

Mach den Bedrückern die Bedrückten,
Mach all' an Recht und Freiheit gleich!
Gib den Bedrängten und Gebückten
Hienieden schon dein Himmelreich!


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874): St. Bonifacius. -- 1841


Abb.: Der Hl. Bonifatius lässt die Donareiche bei Geismar fällen,  St.Martinskirche, Westenhofen bei Schliersee, 1737 (Beachten Sie im Hintergrund die bayerischen Alpen!)  [Bildquelle: http://www.erziehung.uni-giessen.de/studis/Robert/geismartat.html. -- Zugriff am 2004-09-25] 

Sprach der heilige Bonifacius:
Eines, Eines erst vor allen!
Eure Götzen müssen fallen,
Fallen muss des Teufels Spott! -
Unter seines Beiles Streiche
Sank des Volkes heil'ge Eiche,
Stieg empor der Glaub' an Gott.

So der heilige Bonifacius:
Eines, Eins auch uns vor allen!
Unsre Götzen müssen fallen,
Fallen muss ihr Priesterchor!
Unter welches Beiles Streiche
Fällt der Knechtschaft heil'ge Leiche,
Steigt der Freiheit Geist empor?

Erläuterung: Anspielung auf die Fällung der Donareiche bei Geismar im Jahr 724 durch den Hl. Bonifatius (672/675 - 754).


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874): Syracusaise. -- 1841

- et, quid ita hoc, aut quo suo merito faceret, interrogavit. Tum illa, certa est, inquit, ratio propositi mei. puella enim; cum gravem tyrannum haberemus, carere eo cupiebam. quo interfecto aliquanto tetrior arcem occupavit. eius quoque finiri dominationem magni aestimabam. tertium te superioribus importuniorem habere coepimus rectorem. Itaque ne, si tu fueris absumtus, deterior in locum tuum succedat, caput meum pro tua salute devoveo.
Valerius Maximus 6, 2.

In ihrer eignen Melodie.

Gott erhalte den Tyrannen,
Den Tyrannen Dionys!
Wenn er uns des Heils auch wenig,
Und des Unheils viel erwies,
Wünsch' ich doch, er lebe lange,
Flehe brünstig überdies:
Gott erhalte den Tyrannen,
Den Tyrannen Dionys!

Eine Alte sprach im Tempel
Eines Tages dies Gebet.
Der Tyrann kam just vorüber,
Wüsste gerne, was sie tät':
»Sag mir doch, du liebe Alte,
Sag was war denn dein Gebet?
Ach, ich habe nur gebetet,
Nur für Euer Majestät.

Als ich war ein junges Mädchen,
Fleht' ich oftmals himmelan:
Lieber Gott, gib einen bessern!
Und ein schlechtrer kam heran;
Und so kam ein zweiter, dritter
Immer schlechterer Tyrann;
Darum fleh' ich heute nur noch:
Gott erhalt' uns dich fortan!«


Robert Eduard Prutz (1816-1872): Die neue freie Zeit. -- 1841

Nun freuet euch, ihr Frommen,
nun ist der Tag gekommen,
den ihr so lange erharrt:
Durch Beten und durch Glauben,
nun wird man rückwärts schrauben
die schnöde Gegenwart.

Trotz Widerspruch und Schnarchen,
die Zeit der Patriarchen,
schon kehrt sie uns zurück:
Modern sind wir gewesen,
nun werden wir Chinesen
Chinesen, welch ein Glück!

O China, Reich der Sitte,
Reich der gerechten Mitte,
du Reich der Majestät:
Wo niemand braucht zu sorgen,
wo alles heut wie morgen,
in ew'gen Gleisen geht!

Dein Beispiel soll uns lehren,
zur Einfalt zu bekehren
das sündige Geschlecht:
Nun scheren wir die Köpfe,
nun salben wir die Zöpfe,
der dickste Zopf hat recht!

Nun müsst ihr schweigend sitzen
und auf die Nasenspitzen
in stiller Andacht sehn:
So wird die Menge preisend
und mit dem Finger weisend
euch demutvoll umstehn.

Nun gegen Strauß1 und Bauer2,
nun baut man eine Mauer
rings um das Reich herum:
drauf stehn mit stolzen Mienen
die Herren Mandarinen
und nicken und sind stumm.

Das Schreiben und das Sprechen
das gilt nun als Verbrechen,
denn nur der Kaiser spricht!
Nun, mächtiger und weiser
als unser Herr, der Kaiser,
ist selbst der Herrgott nicht.

Und will das Fleisch sich regen,
und fragen wir, weswegen?
O dann dem Kaiser Preis:
Dann kriegen wir als Kinder,
bald stärker, bald gelinder,
die Rute auf den Steiß.

So bilden wir mit Ehren
als ob wir's selber wären,
den Mittelpunkt der Welt!
Was schert in unsrer Glorie,
was schert uns die Historie,
wenn's nur zusammenhält?

Drum immer frisch geschoben,
gehoben und geschroben,
nach China frisch herum!
Doch wollt ihr's recht vollenden,
o dann mit gnäd'gen Händen,
o gebt uns Opium!

Erläuterungen:

1 Strauß = David Friedrich Strauß

Strauß, David Friedrich, evang. Theologe, geb. 27.1.1808 Ludwigsburg, gest. 8.2.1874 Ludwigsburg

Der Sohn eines Kaufmanns und einer Pfarrerstochter trat mit dreizehn Jahren in das niedere Seminar Blaubeuren ein. Der später an die Theologische Fakultät Tübingen berufene Ferdinand Christian Baur zählte bereits dort zu seinen Lehrern. Strauß lernte in Blaubeuren die historisch-kritische Methode und den für sein Werk folgenreichen Begriff des "Mythus" kennen. 1825 wechselte Strauß in das Tübinger Stift und vertiefte sich in die Philosophie Schellings. Bei F. C. Baur hörte er Kirchengeschichte, Neues Testament und Dogmengeschichte und legte den Grund für seine umfassende Kenntnis des historischen Christentums. Gegen Ende des Studiums entflammte er sich für die Philosophie Hegels. Nach dem Studium durchlief Strauß das Vikariat und war ein halbes Jahr Repetent in Maulbronn. In seiner Dissertation von 1831 behandelte er die Die Lehre von der Wiederbringung aller Dinge in ihrer religionsgeschichtlichen Entwicklung. Von erheblicher Bedeutung war die Studienreise nach Berlin im Winter 1831/32. S. lernte Hegel noch persönlich kennen; zu Schleiermacher und seiner Deutung des "Lebens Jesu" entwickelte er ein kritisches Verhältnis. Von 1832 bis 1835 bekleidete er die Stelle eines Repetenten am Tübinger Stift.

1835/36 veröffentlichte Strauß sein erstes Hauptwerk Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet (2 Bde., stark verändert 1838; Neudr. 1969 und 1984). Impulse Baurs (historische Kritik, Mythusbegriff) und Hegels verarbeitend, erklärte er die Evangelien zu einem Sagenkreis unhistorischer Verherrlichungen des Mannes aus Nazareth ("Der neue Standpunkt ist ... der mythische"). Gleichzeitig forderte Strauß die Dekonstruktion des christologischen Dogmas. Die Idee der Einheit von Gott und Mensch manifestiere sich nicht in einem einzelnen historischen Individuum. Subjekt der Christologie sei die Menschheit. In seinem zweiten Hauptwerk Die Christliche Glaubenslehre in ihrer geschichtlichen Entwicklung und im Kampfe mit der modernen Wissenschaft dargestellt (2 Bde., 1840/41, Neudr. 1984) gab Strauß der Idee der Einheit des Endlichen und Unendlichen im Horizont der Menschheit ("Gattungschristologie") eine spekulative Begründung.

Das Leben Jesu machte Strauß zum umstrittensten Theologen seiner Zeit. Auf eine akademische Karriere in Deutschland konnte er nicht mehr hoffen. Strauß verlagerte seinen Wohnsitz nach Stuttgart. 1838 berief ihn der Erziehungs- und Regierungsrat von Zürich auf den Lehrstuhl für Kirchen- und Dogmengeschichte, jedoch verhinderte der Widerstand konservativer Kreise seine Lehrtätigkeit. Seine Ehe mit der Opernsängerin Agnes Schebest blieb glücklos, desgleichen seine politische Laufbahn. 1848 scheiterte Strauß bei der Wahl zum Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung, wirkte aber als Landtagsabgeordneter im Stuttgarter Parlament. Dort vertrat er einen gemäßigten politischen Liberalismus. Höchst erfolgreich war Strauß als biographischer Schriftsteller. Er verfasste Darstellungen u.a. über Christian Friedrich Daniel Schubart (2 Bde., 1849, Neudr. 1978), Ulrich von Hutten (3 Tle., 1858-60), Hermann Samuel Reimarus (1862, Neudr. 1991) und Vorträge über Voltaire (1870). Einen großen Erfolg erzielte er nochmals mit Das Leben Jesu für das deutsche Volk bearbeitet (1864). In seiner Spätschrift Der alte und der neue Glaube (1872) bekannte er sich zu einer monistischen Humanitätsreligion. Obgleich heftig bekämpft, übte Strauß auf die protestantische Theologie nachhaltige Wirkungen aus. Er schärfte das Bewußtsein für die quellenkritische Arbeit am Neuen Testament und enthüllte Fragwürdigkeiten der zeitgenössischen Theologie im Verständnis Gottes und der Religion. Sein "Linkshegelianismus" bereitete den Weg für die Religionskritik von Bruno Bauer, Ludwig Feuerbach und Karl Marx."

[Quelle: Kurt Nowak. -- In: Deutsche biographische Enzyklopädie & Deutscher biographischer Index. -- CD-ROM-Ed. -- München : Saur, 2001. -- 1 CD-ROM. -- ISBN 3-598-40360-7. -- s.v.]

2 Bauer = Bruno Bauer

"BAUER, Bruno, Theologe, Philosoph und Historiker, * 6.9. 1809 in Eisenberg (Sachsen-Altenburg) als Sohn eines Malers, † 13.4. 1882 in Rixdorf bei Berlin (= Berlin-Neukölln). - Bauer studierte seit 1828 in Berlin Theologie und Philosophie. Er schloss sich der sog. Hegelschen Rechten an (s. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich). Zu seinen theologischen Lehrern zählten u. a. Wilhelm Vatke und Philipp Konrad Marheineke. Bauer habilitierte sich 1834 in Berlin und wurde 1839 an die Universität Bonn versetzt und im März 1842 nach seinem völligen Bruch mit der Orthodoxie und wegen seiner immer radikaler werdenden Kritik an den Evangelien aus dem akademischen Lehramt entfernt. Seitdem entfaltete er auf seinem kleinen Landgut in Rixdorf eine rastlose, überwiegend historisch-politische schriftstellerische Tätigkeit und war zuletzt Bankbeamter; er wurde Atheist und entschiedener Antisemit. - Bauer ist bekannt durch seinen seinen Studiengenossen David Friedrich Strauß überbietenden Radikalismus und seine zersetzende Kritik am Neuen Testament und hasserfüllte Polemik. Die Quelle der evangelischen Geschichte ist das Selbstbewusstsein des Urevangelisten Markus, das Erzeugnis seiner schöpferischen Phantasie. »Die späteren Fortbildner« - Matthäus und Lukas - »fügten ihre neuen Anschauungen unbekümmert um Zusammenhang und Harmonie in den Urbericht ein.« Das Johannesevangelium ist ein Kunstwerk philonischer Logosspekulation. Während Strauß meint, das Bild Jesu sei durch Legendenbildung innerhalb der Urgemeinde unhistorisch übermalt, erklärte Bauer die ganze Person Jesu für einen Mythos: das Christusbild der Evangelien ist erdichtet, ungeschichtlich, das Produkt der Reflexion. Während Ferdinand Christian Baur die vier großen Paulinischen Briefe an die Galater, Korinther und Römer als echt anerkannte, verwies Bauer diese sowie die übrigen Briefe des Paulus in das 2. Jahrhundert. Die Heimat der christlichen Legende und des Christentums ist Rom und Alexandrien: Bunsen führte ihren Ursprung zurück auf die Gedankenwelt des römischen Stoikers Lucius Annaeus Seneca (1-65) und des hellenistisch-jüdischen Philosophen Philo († 40). "

[Quelle: Friedrich Wilhelm Bautz. -- http://www.bautz.de/bbkl/b/bauer_b.shtml. -- Zugriff am 2004-09-22]


1841/1849


Georg Herwegh (1817-1875). -- 1841/1849

Betet ihr Fürsten zum Kreuzt, ihr habt ihm alles zu danken,
Während das Volk nur euch leider dem Kreuze verdankt.


Georg Herwegh (1817-1875). -- 1841/1849

Das fromme Pack lässt auf Erden die Kronen gelten, weil es im Himmel selbst danach verlangt.


1842


Heinrich Heine: Erleuchtung. -- 1842

Michel! fallen dir die Schuppen
Von den Augen? Merkst du itzt,
Dass man dir die besten Suppen
Vor dem Maule wegstibitzt?

Als Ersatz ward dir versprochen
Reinverklärte Himmelsfreud'
Droben, wo die Engel kochen
Ohne Fleisch die Seligkeit!

Michel! wird dein Glaube schwächer
Oder stärker dein App'tit?
Du ergreifst den Lebensbecher,
Und du singst ein Heidenlied!

Michel! fürchte nichts und labe
Schon hienieden deinen Wanst,
Später liegen wir im Grabe,
Wo du still verdauen kannst.



Abb.: Der Leipziger Allgemeien Leiden und Tod: Karikatur auf die Zensurverfolgungen der Leipziger »Allgemeinen Zeitung« und ihres Verlegers Heinrich Brockhaus (ganz links vor seinem Geschäftshaus). -- 1842


Robert Eduard Prutz (1816-1872): Lügenmärchen. -- 1842

Jüngst stieg ich einen Berg hinan,
Was sah ich da!
Ich sah ein allerliebstes Land,
Der Wein wuchs an der Mauer,
Und dicht am Throne, rechter Hand,
Stand Bürgersmann und Bauer.
Wunder über Wunder!
Keine Barone
Neben dem Throne?
Unterdessen nimmt mich's wunder.

Und weiter stieg ich frisch hinan,
Was sah ich da!
Kein Leutnant war, kein Fähnrich dort
Und kein Rekrut zu sehen,
Man wusste nicht das kleinste Wort
Von stehenden Armeen.
Wunder über Wunder!
Keine Barone
Neben dem Throne?
Glückliche Staaten
Ohne Soldaten?
Unterdessen nimmt mich's wunder.

Und weiter frisch den Berg hinan,
Was sah ich da!
Das ganz liebe Land entlang,
Ins Bad und auf die Messe,
Man reiste frei und reiste frank
Und brauchte keine Pässe.
Wunder über Wunder!
Keine Barone
Neben dem Throne?
Glückliche Staaten
Ohne Soldaten?
Kein Passvisieren
Und Schikanieren?
Unterdessen nimmt mich's wunder.

Und wiederum ein Stück hinan,
Was sah ich da!
Ein jeder durfte laut und frei
Von Herzen räsonieren,
Man wusste nichts von Polizei
Und nichts von Denunzieren.
Wunder über Wunder!
Keine Barone
Neben dem Throne?
Glückliche Staaten
Ohne Soldaten?
Kein Passvisieren
Und Schikanieren?
Ohne Spione,
Denkt euch nur: ohne?
Unterdessen nimmt mich's wunder.

Und noch einmal den Berg hinan,
Was sah ich da!
Die Volksvertreter, Mann für Mann,
Da ging's um Kopf und Kragen:
Doch dachte kein Minister dran,
Den Urlaub zu versagen.
Wunder über Wunder!
Keine Barone
Neben dem Throne?
Glückliche Staaten
Ohne Soldaten?
Kein Passvisieren
Und Schikanieren?
Ohne Spione,
Denkt euch nur: ohne?
Ganz ungenierte
Volksdeputierte?
Unterdessen nimmt mich's wunder.

Und immer höher ging's hinan,
Was sah ich da!
Sah Poesie und Wissenschaft
Mit Lust die Schwingen breiten,
Und die Zensur war abgeschafft
In alle Ewigkeiten.
Wunder über Wunder!
Keine Barone
Neben dem Throne?
Glückliche Staaten
Ohne Soldaten?
Kein Passvisieren
Und Schikanieren?
Ohne Spione,
Denkt euch nur: ohne?
Ganz ungenierte
Volksdeputierte?
Freie Autoren
Ohne Zensoren?
Unterdessen nimmt mich's wunder.

Und weiter, weiter, frisch hinan,
Was sah ich da!
Ich sah die Weisen Hand in Hand,
Wie sie der Lüge wehrten,
Und wie für Recht und Vaterland
Mitkämpften die Gelehrten.
Wunder über Wunder!
Keine Barone
Neben dem Throne?
Glückliche Staaten
Ohne Soldaten?
Kein Passvisieren
Und Schikanieren?
Ohne Spione,
Denkt euch nur: ohne?
Ganz ungenierte
Volksdeputierte?
Freie Autoren
Ohne Zensoren?
Die Philosophen
Nicht hinterm Ofen?
Unterdessen nimmt mich's wunder.

Und immer wieder ging's hinan,
Was sah ich da!
Im ganzen Lande keine Spur
Von Muckern und von Frommen,
Und niemand kann durch Beten nur
Ins Ministerium kommen.
Wunder über Wunder!
Keine Barone
Neben dem Throne?
Glückliche Staaten
Ohne Soldaten?
Kein Passvisieren
Und Schikanieren?
Ohne Spione,
Denkt euch nur: ohne?
Ganz ungenierte
Volksdeputierte?
Freie Autoren
Ohne Zensoren?
Die Philosophen
Nicht hinterm Ofen?
Kein Pietismus
Kein Servilismus?
Unterdessen nimmt mich's wunder.

Und nun zum letzten Mal hinan,
Was sah ich da!
Ein jeder durft auf eignem Bein
Die ew'ge Wahrheit suchen,
Kein Pfaffe durfte kreuz'ge! schrein
Und von der Kanzel fluchen.
Wunder über Wunder!
Keine Barone
Neben dem Throne?
Glückliche Staaten
Ohne Soldaten?
Kein Passvisieren
Und Schikanieren?
Ohne Spione,
Denkt euch nur: ohne?
Ganz ungenierte
Volksdeputierte?
Freie Autoren
Ohne Zensoren?
Die Philosophen
Nicht hinterm Ofen?
Kein Pietismus
Kein Servilismus?
Sanfte Theologen -
Das ist gelogen!
Unterdessen nimmt mich's wunder.


Robert Eduard Prutz (1816-1872): Dem Könige von Preußen zum Kölner Dombaufest. -- den 4. Sept. 1842


Abb.: Grundsteinlegung zum Weiterbau des Kölner Doms. -- 1842

Mit Festgeläut, Standarten, Ehrenbogen,
den König grüßt der königliche Rhein,
wie glänzt der Strom, wie drängen sich die Wogen!
Wie schaun die Ufer stolz und froh darein!
Die Freude jauchzt aus tausend muntern Kehlen,
und donnernd trägt der Widerhall sie fort;
doch darf zum Guten nicht das Beste fehlen:
das ist, o Herr, ein freies Wort!

Du kommst, o Fürst, zum Kölner Dombaufeste,
mit eigner Hand den zweiten Grund zu weihn;
sie rührten dich, der Vorzeit edle Reste,
laut sprach zu dir das bröckelnde Gestein.
Ein Wink von dir -, und die Gerüste steigen,
sich widerspiegelnd in dem goldnen Strom,
und was sich auch für Wetterwolken zeigen,
fortbaun willst du den Kölner Dom.

Fortbaun, fürwahr! Da hast du es getroffen,
das ist der Klang, der unserm Ohr gefällt,
das ist es, das, was deine Völker hoffen,
das ist die Losung der verjüngten Welt!
Nicht Dome bloß, nicht Burgen und Paläste,
Bau fort, o Herr, an einem andern Haus,
bau fort, bau fort an einer andern Veste:
Den Dom der Freiheit, bau ihn aus!

Fortbaun allein, fortbauen heißt Erhalten!
Dieselbe Huld, die du dem Dom beschert,
o lass sie auch im Vaterlande walten,
auch dies, fürwahr, ist einen Grundstein wert.
Dem Dome gleich, halb fertig, halb Ruine,
erwartungsvoll steht unser teures Land:
Es schaut dich an, es fleht mit stummer Miene
Auch ihm, auch ihm ein Wink der Hand!

Warum nicht ihm? Warum nur Steine tragen,
nur Heil'ge meißeln, Wölbungen erbaun?
Kein Herz wird dir in diesen Mauern schlagen,
kein Auge wird aus diesen Säulen schaun.
Dort aber kannst du Herzen dir entzünden,
zum Tempel dort kannst du ein Volk dir weihn
O lockt's dich nicht, den Tempel auch zu gründen,
Bauherr der Freiheit auch zu sein?

Dem Krane gleich dort auf des Turmes Mauer,
der regungslos manch ein Jahrhundert stand,
so steht die Presse - steht in stummer Trauer,
weil sie noch nicht die volle Freiheit fand.
O lass auch sie, auch sie sich neu bewegen,
wie du den Kran sich neu bewegen heißt,
und wonnevoll, der ganzen Welt zum Segen,
grüßt: Protectori! dich der Geist.

Herr, zürne nicht! Wir wissen, was wir wollen,
und dass wir's frei bekennen, das ist Pflicht.
Sieh, die Geschichte drängt! Die Räder rollen!
Und wollt' es Gott, Gott selber hielt' sie nicht!
Gib frei den Weg! Denn Freiheit ist das beste,
du baust mit ihr zugleich den eignen Thron:
So sprich das Wort zum zweiten Dombaufeste,
sprich aus das Wort: Konstitution!

Das ist der Bau, zu welchem du berufen,
auf diesen Säulen gründe sich dein Ruhm!
Hier knie du mit uns auf denselben Stufen:
denn auch die Freiheit ist ein Heiligtum.
Paläste fallen, Dome können brechen,
die Freiheit nur währt ewig, ewig fort,
und ewig dann zu deinem Ruhm wir sprechen,
das heut dich grüßt, das freie Wort!

Erläuterung:

"11 Am 4. September 1842 legte Friedrich Wilhelm IV. den Grundstein zum Weiterbau des seit der Reformationszeit unvollendet gebliebenen Kölner Doms. Das Projekt fand breite Zustimmung in der Bevölkerung. Viele Liberale sahen darin ein Sinnbild der deutschen Einheit.

Es gab jedoch auch zahlreiche Kritiker, die dieses mittelalterliche Denkmal für ein Sinnbild reaktionärer Politik hielten. Heinrich Heine ging in Caput IV seines satirischen Versepos "Deutschland. Ein Wintermärchen" sogar so weit, eine Verwendung des Doms als Pferdestall vorzuschlagen. Prutz war in Begleitung seines Leipziger Verlegers Otto Wigand eigens nach Köln gereist. Am 4. September erschien an der Spitze der Festnummer der "Rheinischen Zeitung" das hier gedruckte Gedicht unter dem Titel "Unserem Könige". Die zweitletzte Strophe (mit der Konstitutionsforderung) war vom Zensor wegen angeblicher Verletzung von Grundwahrheiten der christlichen Religion gestrichen worden und dadurch, wie Prutz am 21. September 1842 an Karl Rosenkranz schrieb, "um sein bestes Teil verkürzt" (Altpreußische Monatsschrift, Bd. 54, S. 121). Fünf Tage nach dem Dombaufest ließ Wigand das ungekürzte Gedicht in Leipzig als Flugschrift verbreiten, worauf es verboten und die noch greifbaren Exemplare beschlagnahmt wurden. Dem Radikal-Demokraten Wilhelm Jordan (1819-1904) war Prutz nicht kämpferisch genug. Er richtete folgendes Gedicht an ihn:

AN R. E. PRUTZ Für sein Kölner Dombaugedicht. 1842

Dir klatscht die Menge. Das kann ich nicht,
Du bist aus der Reihe getreten,
Um das sie im offenen Kriege ficht,
Das Recht, das hast du erbeten.

Ich meine, du bücktest dich viel zu tief
Für einen vom Sängerkranze,
Erhebend den alten Bettelbrief
Auf des Liedes geheiligter Lanze.

Ein Püppchen mögen zum heiligen Christ
Sich stammelnde Kinder erbitten,
Doch nimmer sein Erbe, wer mündig ist;
Nein, lieber noch länger gelitten!

Wie steht das "O Herr" dem Sänger schlecht,
Dem Fürsten im Reich der Geister!
Du sprichst für die Freiheit und sprichst als Knecht?
Bleib stumm oder rede dreister!

Die Zeit zum Bitten ist längst vorbei,
Jetzt gilt es erklärte Fehde,
Und sollen wir immer noch reden, so sei
Voll zündender Blitze die Rede.

Wen's trifft, der zucke beim Dichterwort
Wie vor Furienfackeln zusammen;
Den andern mög es als Leuchte zum Port,
Als Freiheitsmorgenrot flammen.

Frisch auf, wer der reinen Menscheitsbraut,
Der Freiheit, Treue geschworen:
Der Morgen, der große Morgen graut,
Die Drommete ruft vor den Toren!

Frisch auf, ihr Dichter, das Flügelross
Zum heißen Kampfe bestiegen!
Doch nicht paradiert vor der Könige Schloss,
Wenn wir zur Geisterschlacht fliegen.

(Zit. nach: Morgenruf : Vormärzlyrik 1840 - 1850 / [hrsg. von Werner Feudel]. --  Leipzig : Reclam, 1974. -- 427 S. : 8 Ill.  -- Reclams Universal-Bibliothek ; Bd. 574 : Versdichtung : Lyrik). -- S. 116f.)

[Quelle: Prutz, Robert Eduard  <1816-1872>: Zwischen Vaterland und Freiheit : eine Werkauswahl / Hrsg. u. kommentiert von Hartmut Kircher. Mit e. Geleitw. von Gustav W. Heinemann. -- Köln : Informationspresse Leske, 1975. -- 439 S. : Ill. -- (Reihe iLv-Leske-Republik ; Bd. 4). -- ISBN 3-434-00263-4. -- S. 225f.]


Rudolf Gottschall (1823 - 1909): Mahnung. -- 1842


Abb.: Johannes Paul II lässt die Perlen des Rosenkranzes durch seine Finger gleiten [Bildquelle: http://cdom.org/. -- Zugriff am 2004-10-04]

Ihr haltet fromm den Rosenkranz der Zeiten,
Und lasst die Perlen durch die Finger gleiten.
Ein Paternoster murmelt ihr nach oben,
Zufrieden euern alten Gott zu loben.

Ich halte eurer Knechtschaft Eisenbande,
Und zähl die tausend Ringe eurer Schande.
Wie kann ich ruhig meine Hände falten,
Wenn über euch die bösen Götter walten?

Zwar schlaft ihr tief, verschlaft die Schmach, die Schmerzen,
Und fühlt den Alpdruck nicht auf eurem Herzen.
Allein dem Dichter ziemt's, euch zu erwecken,
Gleich Hamlets Geist, die Träumer aufzuschrecken.

Ja, Deutschland, traumbefangne Somnambule!
Lass ab von dem gespensterhaften Spiele!
Lass dich von jenen Heil'gen nicht kurieren,
Die ihren Geist dir einmagnetisieren:

Den Geist der erdensatten Himmelswehmut!
Den Geist der kriechend feigen Schafspelzdemut!
Sei stark und frei, kämpf mutig, geistesehern!
Fort mit den Seherinnen und den Sehern!

O trau nicht dem Orakelspruch der Pfaffen!
Du selber musst dir deine Zukunft schaffen,
Aus Elementen, die chaotisch gären,
Mit Schöpferkraft die neue Welt gebären.

Sei frei, so wirst du bald auch einig werden!
Sonst hilft dir nichts im Himmel und auf Erden:
Kein Frankenhass in kühnen Liederfehden,
Kein Kölner Dom und keines Königs Reden.

[Quelle: Morgenruf : Vormärzlyrik 1840 - 1850 / [hrsg. von Werner Feudel]. --  Leipzig : Reclam, 1974. -- 427 S. : 8 Ill.  -- Reclams Universal-Bibliothek ; Bd. 574 : Versdichtung : Lyrik). -- S. 121f.]


Nikolaus Lenau (1802-1850): Die Albingenser, Schlussgesang <Auszug>. -- 1842

Das Licht vom Himmel lässt sich nicht versprengen,
Noch lässt der Sonnenaufgang sich verhängen
Mit Purpurmänteln oder dunklen Kutten;
Den Albigensern1 folgen die Hussiten2
Und zahlen blutig heim, was jene litten;
Nach Huß2 und Ziska3 kommen Luther, Hutten4,
Die dreißig Jahre, die Cevennenstreiter5,
Die Stürmer der Bastille6, und so weiter.

Erläuterungen:

1 Albingenser = Katharer: Glaubensbewegung im 11. Jahrhundert bis 14. Jahrhundert, vornehmlich im Süden Frankreichs, aber auch in Italien, Spanien und Deutschland. Die Bezeichnung Albigenser kommt von der südfranzösischen Stadt Albi, die eine Hochburg der Katharer war. Die Katharer wurden durch die Inquisition als Häretiker verfolgt und vernichtet.

2 Hussiten: Bezeichnung für  verschiedene reformatorische beziehungsweise revolutionäre Bewegungen in Böhmen des 15. Jahrhunderts. Der Name Hussiten geht auf den tschechischen Theologen und Reformator Jan Hus (* um 1370) zurück. Dieser kritisierte den Reichtum der Kirche und ließ einzig die Bibel als gültig für Glaubensfragen gelten. Hus wurde auf dem Konstanzer Konzil zum Tode verurteilt und am 6. Juli 1415 verbrannt.

3 Johann Zizka (Ziska) von Trocnow (spr. schischka): Feldherr der Hussiten (um 1370 - 1424)

4  Ulrich, Ritter von Hutten (1488 - 1523): ritterlicher Vorkämpfer des Humanismus und der geistigen Freiheit

5 Cevennenstreiter = Kamisarden

"Kamisarden (franz. Camisards), Name der Hugenotten in den Cevennen; der Name Camisards bedeutet eigentlich Blusenmänner, von camise, soviel wie chemise, Hemd, Bluse. Infolge der unmenschlichen Bedrückungen, die sie als Protestanten zu erdulden hatten, erhoben sich die K. 1689 in den Cevennen und dem Vivarais zur Verteidigung ihres Glaubens. Nach Stillung der ersten Empörung entstand ein neuer allgemeiner Aufstand durch die Grausamkeit des Abbé du Chaila, der die Zufluchtsörter der K. ausspürte, sie daselbst beim Gottesdienst überfallen und z. T. hängen, z. T. einkerkern ließ. Wegen dieser Gewalttaten wurde 1702 der Abbé mit den Seinigen erschlagen. Bald schwoll die begeisterte Schar der Aufständischen zu Tausenden an, und die gebirgige Beschaffenheit des Landes mit seinen Höhen und Schlupfwinkeln erleichterte ihnen den Kampf. Bereits hatten die K. mehrere königliche Heere geschlagen und z. T. vernichtet, als der König endlich 1703 den Marschall Montrevel mit 60,000 Mann gegen sie sandte. Dieser, ein ehemaliger Hugenotte, verfuhr auf das empörendste gegen seine frühern Glaubensgenossen. Massenweise wurden sie niedergemetzelt oder hin gerichtet und das Land in eine Wüste verwandelt; 466 Dörfer waren zerstört worden. Die K. vergalten Gleiches mit Gleichem: in der Diözese Nîmes allein erwürgten sie 84 Priester und brannten gegen 200 Kirchen nieder. An ihrer Spitze stand ein 20jähriger Bäckerbursche aus Ribaute bei Anduze, Jean Cavalier. Die Kühnheit und Geistesgegenwart dieses Führers, die Schwierigkeit des Kampfes, die immer weitere Verbreitung des Aufstandes und Cavaliers Plan, sich im Dauphiné mit dem Herzog von Savoyen zu vereinigen, drohten die höchste Gefahr. Da ersetzte Ludwig XIV. im April 1704 den unfähigen Montrevel durch den Marschall Villars. Dieser verkündigte für alle, welche die Waffen niederlegen würden, Amnestie; dagegen ließ er jeden, der mit den Waffen in der Hand gefangen ward, sofort töten und organisierte bewegliche Kolonnen, die nach allen Seiten hin operierten. Infolge davon ging eine Gemeinde nach der andern auf seine Anträge ein, und Cavalier selbst schloss endlich 10. Mai 1704 zu Nîmes einen Vergleich mit Villars; er trat als Oberst in die Dienste des Königs. Die Fanatischen unter den K. setzten den Kampf allerdings fort, wurden aber wiederholt besiegt und bis Ende 1704 unterworfen. Die Gewalttaten Berwicks, der 1705 als Nachfolger Villars' den Oberbefehl erhielt, riefen einen neuen Aufstand hervor, zumal die K. von den Engländern und Holländern mit Geld und Waffen unterstützt wurden. Aber im April 1705 war auch dieser bewältigt, und die letzten Aufständischen endeten zu Nimes auf dem Scheiterhaufen. Das ganze Gebiet der Cevennen war jedoch entvölkert und verödet. Ein Teil der K. trat unter Cavalier, der Reue über seinen Abfall fühlte und den Dienst Ludwigs XIV. wieder verließ, in englische Dienste und focht auf Seiten der Verbündeten in Katalonien, wo die meisten in der Schlacht bei Almansa 25. April 1707 den Untergang fanden. Cavalier ging nach England und starb als Gouverneur von Jersey 1740."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

6 Stürmer der Bastille: Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789, Symbol für die Französische Revolution. Die Bastille war eine Festung in Paris, die zugleich als Staatsgefängnis benutzt wurde. Zum Zeitpunkt der Erstürmung saßen dort allerdings nur sieben Gefangene ein.


1843


Franz Grillparzer (1791-1872). -- 1843

Was baut ihr einen Dom am Rhein?
Habt Kirchen ja die Menge!
Und geht nur, wer ein Christ, hinein,
So gibt es kein Gedränge.

Sucht etwas Nützlichers euch aus,
Das dünkt mir viel gesünder:
Ein mittelhochdeutsch Narrenhaus
Für Bauverein und Gründer.

Erläuterung: Bezieht sich auf den 1842 gegründeten Kölner Zentral-Dombauverein

"Gerade in den Jahren, in denen der Dom entweiht worden war, wuchs die Liebe und die Begeisterung für dieses besondere Bauwerk. Viele Kräfte wirkten zusammen, damit 1842 mit dem Weiterbau des Domes begonnen werden konnte. Etwa die Hälfte des Geldes kam aus der preußischen Staatskasse, die andere Hälfte brachte der Zentral-Dombau-Verein auf, in dem viele engagierte Kölner Bürger sich zusammengeschlossen hatten. Eine intensive und effektive Bautätigkeit begann. Sie folgte zwar in den Formen genau den mittelalterlichen Plänen, bediente sich aber modernster Bautechnik. Schon 1864 waren, wie die Darstellung zeigt, die beiden Querhausfassaden und die Obergadenzone von Langhaus und Querschiff fertig. Der hölzerne Dachstuhl über dem mittelalterlichen Chor wurde durch eine eiserne Konstruktion über dem Gesamtbau ersetzt, die zu den fortschrittlichsten dieser Zeit gehörte. 1880 wurden dann auch die Türme fertig gestellt. "

[Quelle: http://www.koelner-dom.de/. -- Zugriff am 2004-06-17]


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874): Freikugel. -- 1843

Melodie Hier im ird'schen Jammertal.

Für Melodie "Hier im ..." hier drücken

[Quelle der midi-Datei: http://www.impresario.ch/text/webfre1D.htm. -- Zugriff am 2004-09-25]

Heißa, lustig will ich sein
Bei Gesang und kühlem Wein,
Darf mich niemals ängsten.
Und den Teufel scheu' ich nicht,
Und ich lach' ihm ins Gesicht,
Ehrlich währt am längsten.

Ja, ich bin ein guter Christ,
Ohne Schelmerei und List
Will ich Alles wagen,
Und ich will nach Christenpflicht
Selbst dem Teufel ins Gesicht
Auch die Wahrheit sagen.

Froher Sinn und freies Wort
Ist mein Schutz, mein Heil und Hort
Halt in allen Sachen.
Und ich bleibe froh und frei,
Und mich soll die Polizei
Niemals anders machen.

Erläuterung: Der Titel und die Melodie beziehen sich auf das Lied des Kaspar in Carl Maria von Webers (1786-1826) Oper "Der Freischütz" (1821), 1. Akt, 5. Szene


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874): Hohe Gewissensruhe. -- 1843

Melodie Heinrich schlief bei seiner Neuvermählten.

Für Melodie "Heinrich ..." hier drücken

[Quelle der midi-Datei: http://ingeb.org/Lieder/heinrich.html. -- Zugriff am 2004-09-25]


Hohe Glaubenseif'rer, welch Beginnen?
Hat euch euer Herz noch nie gequält?
Eure Töchter werden Ketzerinnen,
Wenn ein Ketzer ihnen sich vermählt.

Katholikenfürsten, o des Spottes!
Eurer Töchter Glaube gilt euch gleich,
Ihr verstoßt sie aus dem Reiche Gottes
Um ein irdisch Ketzerkönigreich.


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874): Adeliges Heidentum. -- 1843

Weil nun dieser heidnisch Adel des Fleisches vor Gott ein Greuel ist, müssen von Noth wegen diesen Adel verleugnen, ausziehen und geistlich von sich werfen alle die vor Gott recht edel sein wollen.
Sebastian Franck, Weltbuch 1534.

Mel. Fröhlich und wohlgemut.

Sprecht nicht von Christentum!
Eitel ist euer Ruhm.
Edel und arm und reich -
Christen sind alle gleich.

Hättet ihr Christensinn
Auch nur so obenhin,
Würdet ihr Eins nicht sein:
Gnädige Junkerlein.

Junker in Hof und Staat,
Junker in Wort und Tat,
Junker in Angst und Not,
Junker bis in den Tod.

Freiheit und Vaterland
Ist euch nur dummer Tand.
Mehr noch als Junker sein,
Fällt euch doch niemals ein.


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874):  Der christliche Staat. -- 1843

Seht, wie schwer die Ähren schaukeln,
Wie am Baum die Äpfel gaukeln!
's wächst so viel auf Gottes Erde,
Doch für unsereinen nicht.

Vieh auf Weiden, Wild in Wäldern.
Korn und Futter auf den Feldern
's wächst so viel auf Gottes Erde,
Doch für unsereinen nicht.

Reben an der Berge Rücken,
Gerst' und Hopfen zum Entzücken.
's wächst so viel auf Gottes Erde,
Doch für unsereinen nicht.

Fisch' in Teichen, Vögel in Lüften,
Gold und Silber in den Klüften.
's wächst so viel auf Gottes Erde,
Doch für unsereinen nicht.

Wenigen gehört das Beste
Ach, wir andern sind nur Gäste.
's wächst so viel auf Gottes Erde,
Doch für unsereinen nicht.

Nicht ein Halm, nicht eine Blume
Ward uns hier zum Eigentume.
's wächst so viel auf Gottes Erde,
Doch für unsereinen nicht.

Wird denn unser Tag nicht nahen,
Wo wir unser Teil empfahen?
's wächst so viel auf Gottes Erde,
Doch für unsereinen nicht.

Sind die Hohen und die Reichen,
Sind nicht alle unsersgleichen?
's wächst so viel auf Gottes Erde,
Doch für unsereinen nicht.

Sollen Gottes Güter werden
Nie gemeinsam hier auf Erden?
's wächst so viel auf Gottes Erde,
Doch für unsereinen nicht.


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874):  Das Hohelied vom Zensor. -- 1843

Man hat besungen die ganze Welt,
Warum den Zensor noch nicht?
Er streicht ja, weil es ihm nicht gefällt,
Auf ihn ein jedes Gedicht.
Mir wurde die Pressfreiheit:
Ich singe bei aller Zensur und den Strafen
der Polizei
Ganz frank und frei
Von nun an bis in Ewigkeit.

Und ist der Zensor Geheimerat
Und steht er hoch oben an,
Er ist und bleibet in Kirch' und Staat
Der allergefährlichste Mann.
Ihr wisst nicht, was Zensor heißt!
Das heißt ein Gedanken-Verderber und Mörder
und Schinderknecht
Der widers Recht
Tot quält den lebendigen Geist.

Und wäre gewesen auf Erden schon
Zu Christi Zeiten Zensur,
Wir hätten alle von Gottes Sohn
Nicht eine einzige Spur.
Es hätte ganz sicherlich
Der Zensor gestrichen Gott Vater und Sohn
und den Heil'gen Geist,
Was christlich heißt,
Gestrichen mit einem Strich.

Und wäre auf Erden schon
Zu Luthers Zeiten Zensur,
Wir hätten von der Reformation
Nicht eine einzige Spur,
Es hätte zu guter Letzt
Ein päpstlicher Zensor gestrichen nicht nur das
was Luthrisch war,
Die Bibel sogar,
Weil Luther sie übersetzt.


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874): Ein neues Lied.  --1843-11-09

Ihr lieben Christen, schweiget still
und hört was ich euch sagen will.
Der Teufel war ein Diplomat:
Er wollte wissen akkurat,
Was man wohl in der Christen Welt
anjetzt noch von dem Teufel hält.

Da schickt er seine Teufel aus
und spricht: Ihr kommt nicht mehr nach Haus,
bis ihr erstattet mir Bericht,
was jetzt auf der Welt anjetzt geschicht,
ob man noch ehrt mein Regiment
und mich als Oberherrn erkennt.

So sind die Teufel fortgesandt
in jede Stadt, in jedes Land;
sie spioniern an jedem Ort
und lauschen dort auf jedes Wort:
Wenn einer schlecht vom Teufel spricht,
so machen sie sofort Bericht.

Die Teufelskerl' berichten nun
dem Teufel, was die Menschen tun,
wie' s um sein Reich auf Erden steht,
wie' s seinen Stellvertretern geht,
ob jeder gute deutsche Christ
dem Teufel untertänig ist.

Wie sehen sie aus? So fraget ihr.
Die Teufel sehen aus wie wir:
Gar mancher ist ein Offiziant
und trägt ein buntes Ordensband,
hat einen Titel insgemein
und heißt Spion noch obendrein.

Ihr Christen, betet drum und wacht,
nehmt vor Spionen euch in acht!
Denn sprecht ihr von dem Teufel schlecht,
macht er Gebrauch von seinem Recht,
Bei Gott! Das ist gewisslich war
und holet euch mit Haut und Haar.


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876): Berliner Guckkasten <Auszug>. -- 1843

»Hür, meine Herrschaften, erblicken Sie die berüchtigte chinesche Bande Pi-this-thee, welche den janzen ausjeschlagnen Tag uf de Knieen rumrutscht un de Welt weiß machen will, det der schöne Mensch in de schöne Natur blos zum Entbehren da is. Diese Je-schöpfe haben von de chinesche Pollezei die Erlaubniß je-kriegt, fromm zu dhun, um des Volk in seiner Dummheit zu erhalten ... Viele lassen sich doch blos in diese Bande ufnehmen, um Stellen zu kriechen, wollt' ick sagen: kriejen.«


Robert Eduard Prutz (1816-1872): Der Minister. -- 1843

Alles um des Volkes willen!
seht, ich lache selbst im stillen
dieser Bibeln und Postillen
und dass man so gläubig ist:
Ich, für mich, bin Atheist!
Doch das Volk, das Volk muss glauben!
Glauben heißt der Talisman,
dem die Erde untertan:
Wir die Adler, sie die Tauben!
Und das Volk, das Volk muss glauben,
glauben - oder doch so tun.

Täglich in die Kirche laufen,
himmlische Traktätchen kaufen
und mit Jordanwasser taufen,
samt dem christlichen Verein -
Nun, für mich sind's Faselein.
Doch das Volk, das Volk muss beten!
Denkt, o denkt nur den Skandal,
wenn die Bürger auch einmal
gottlos, wie der Adel täten!
Nein, das Volk, das Volk muss beten,
beten - oder doch so tun.

Ja, wenn ich es recht ermesse,
kann vielleicht sogar die Presse
für Beamte und Noblesse
schon ein wenig freier sein.
Aber für die andern? Nein!
Nein fürwahr, das Volk muss schweigen.
Wer gehorchen will, sei stumm;
schweigend wird das Publikum
stets sich am loyalsten zeigen:
Drum das Volk, das Volk muss schweigen,
schweigen - oder doch so tun.


Wilhelm Jordan (1819-1904): Losung. -- 1843

Ich stehe auf dem Gedankenturm
Der die Feste des Wahns bedräut,
Ein Glöckner der Freiheit ruf ich zum Sturm
Mit dröhnendem Liedergeläut.
Zum Sturm, zum Sturme, die Zeit ist um,
Die Zeit zum halben Versöhnen:
Wer ließe noch länger dumm und stumm
Sich mit Friedensphrasen verhöhnen?

Zum Sturm, zum Sturme, die alte Welt
Ist verwest und muss ins Grab,
Das Kreuz ist morsch, die Kirche zerfällt,
Gott stürzt vom Himmel herab.
Die Puppe des Glaubens endlich zerriss,
Die Märchen der Kindheit verklingen,
Aus der tausendjährigen Finsternis
Steigt der Geist auf strahlenden Schwingen.

Ein Sklavenkreuz ist der Erdenrund,
An das sich die Menschheit schlug,
Ein Fels, auf welchem sie ewig wund,
Erträgt den Prometheusfluch,
Solang sie die irdische Lust versteint
Mit des Aberglaubens Medusen
Und bittend empor zum Himmel weint
Nach dem Recht, das sie trägt im Busen.

Es steht nicht droben in Sternenschrift,
O Mensch, wie du leben musst;
Die himmlischen Regeln sind heimliches Gift,
Drum lies in der eigenen Brust.
Da stehn sie deutlich und sonnenklar
Als glühende Triebe geschrieben.
O lernet nur wieder menschlich wahr
Mit Schönheit zu leben und lieben!

Das Leben ist ein blühendes Weib
Das innig umarmen du kannst,
Sobald du nur von dem üppigen Leib
Die modernden Lappen verbannst,
Er ist dreifach schön natürlich und nackt,
Befreit vom Schnürleib der Satzung,
In den ihn die heilige Innung packt
Zu verdienen die tägliche Atzung.

Der Mensch soll kein himmelnder Engel sein,
Kein Mönch, der fastet und büßt;
Des Elends Krön ist der Heiligenschein
Und ein Narr, wer nicht genießt.
So brause dahin mein stürmender Sang
Und hilf die Herzen erretten,
Dass durch der Natur gewaltigen Drang
Zerspringen die heiligen Ketten.

[Quelle: Morgenruf : Vormärzlyrik 1840 - 1850 / [hrsg. von Werner Feudel]. --  Leipzig : Reclam, 1974. -- 427 S. : 8 Ill.  -- Reclams Universal-Bibliothek ; Bd. 574 : Versdichtung : Lyrik). -- S. 124ff.]



Abb.: R. Sabatky: Der deutsche Michel. -- Um 1843

Erläuterung: Der deutsche Michel steckt in einer Zwangsjacke von 38 souveränen reaktionären Ländern, der russische Zar zieht ihm das Hemd aus, die Diplomaten schröpfen ihn, Frankreich reißt ihm den Rock weg, die englische Bulldogge raubt sein Geld, der Papst droht mit dem Bann. Im Hintergrund exerziert das Bundesheer, statt einzugreifen.

" Michel, Abkürzung von Michael, als Kose- und Spottname gebraucht mit der Nebenbedeutung des Schwerfällig-Gutmütigen, Einfältigen; daher deutscher Michel, etwa seit dem Befreiungskriege gebrauchte Benennung der deutschen Nation, die deren politische Unreife und Indolenz andeuten sollte. Ähnlich bezeichnet John Bull den Engländer, Paddy den Irländer, Jonathan den Nordamerikaner etc."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]



Abb.: R. Sabatky: Der befreite Michel. -- Um 1843


1844


Adolf Glaßbrennern (1810-1876): Armes Bayern! (Verbotene Lieder / von einem norddeutschen Poeten. --  Bern : Jenni, 1844) (Auszug):

....
Aus dem Fett der Mönche lodert
Nicht die Flamme Deines Ruhms,
Und Dein Christentum vermodert
In dem Sumpf des Pfaffentums;
Aller Lichtesfeinde Größter
Baute die verfluchten Klöster,
Dass sich Deinem Fluge bleiern
Anhängt der Jesuiten-Heer!
Armes Bayern, armes Bayern,
Du hast keinen Dichter mehr!
....



Abb.: Robert: Zeitgeschichtliches Rätsel. -- 1844

Erläuterung: Via Guillotine versuchen Mönche und Nonnen den stürzenden Papstthron gegen die Angriffe Robert Blums (1807 - 1848) und Johannes Ronges (1813 - 1887) zu schützen. Das Gedicht an den Siten (von Ludwig Ehrenburg) ist gegen Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (1795 - 1861) gerichtet.

"Blum, Robert, deutscher Demokrat, geb. 10. Nov. 1807 in Köln, gest. 9. Nov. 1848, ward Handwerkslehrling, dann Kommis und kam 1830 mit dem Theaterdirektor Ringelhardt aus Köln als Theatersekretär und Kassierer (1831) nach Leipzig. Hier fand er Gelegenheit zu Fortbildung und literarischer Tätigkeit. Außer vielen Beiträgen für Zeitschriften schrieb er das Schauspiel: »Die Befreiung von Kandia« (Leipz. 1836), redigierte mit Herloßsohn und Marggraff das »Theaterlexikon« (Altenb. u. Leipz. 1839-42, 7 Bde.), mit Steger den »Verfassungsfreund« und das Taschenbuch »Vorwärts« und war Hauptmitarbeiter an den »Sächsischen Vaterlandsblättern«. 1847 begründete er eine Buchhandlung, in der seine Werke: »Ein Weihnachtsbaum«, Lebensbeschreibungen freisinniger Deutschen enthaltend, und ein »Staatslexikon für das deutsche Volk« erschienen. In den Februar- und Märztagen 1848 wurde er Hauptführer der sächsischen Demokratie und gründete den »Deutschen Vereinen« der gemäßigten Partei gegenüber die »Vaterlandsvereine«. Im Vorparlament einer der Vizepräsidenten, gehörte er zum Fünfzigerausschuss und wurde im Frankfurter Parlament Vertreter Leipzigs und Führer der Linken. Als Redner gewandt, entbehrte er doch tieferer staatsmännischer Begabung, so dass sein Einfluss schwand. Mit Julius Fröbel von der Linken des Parlaments mit einer Adresse an das aufständische Wien entsandt, dort aufs ehrenvollste 17. Okt. empfangen, ließ sich Blum 26. Okt. zum Kampf auf der Barrikade verleiten. Nach der Erstürmung Wiens ward er 4. Nov. mit Fröbel verhaftet und, obwohl er sich auf seine Unverletzlichkeit als Parlamentsmitglied berief, 8. Nov., weil er die Waffen gegen die kaiserlichen Truppen geführt, vom Kriegsgericht zum Strang verurteilt. Das Urteil ward in Tod durch Pulver und Blei verwandelt und 9. Nov. morgens in der Brigittenau vollstreckt. Dieser Ausgang Blums erregte in ganz Deutschland, namentlich aber in Leipzig, die lebhafteste Teilnahme. In der Reichsversammlung erhob sich 14. Nov. ein großer Sturm. Die für Blums Hinterbliebene eröffnete Nationalsubskription ergab 120,000 Mk."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

"Ronge, Johannes, Urheber der deutsch-katholischen Bewegung (s. Deutschkatholiken), geb. 16. Okt. 1813 zu Bischofswalde in Schlesien, gest. 26. Okt. 1887 at Wien, wurde 1840 Kaplan in Grottkau. Wegen eines in den »Sächsischen Vaterlandsblättern« erschienenen Artikels (»Rom und das Breslauer Domkapitel«) im Januar 1843 suspendiert, übernahm er zu Laurahütte in Oberschlesien den Unterricht der Kinder dortiger Beamter. Die Ausstellung des heiligen Rockes zu Trier im Oktober 1844 veranlaßte ihn, einen vom 1. Okt. 1844 datierten »Offenen Brief« an den Bischof Arnoldi zu Trier in den »Sächsischen Vaterlandsblättern« (15. Okt.) zu veröffentlichen, der ungemeines Aufsehen machte. Hierauf wurde R. 4. Dez. förmlich degradiert und exkommuniziert. Seit 1845 Pfarrer der deutsch-katholischen Gemeinde in Breslau, wirkte er fortan in Schriften und auf Rundreisen für den Deutschkatholizismus, nahm an den politischen Kämpfen teil, war Mitglied des Vorparlaments, flüchtete aber, infolge eines offenen Briefes an Friedrich Wilhelm IV. steckbrieflich verfolgt, 1849 nach London. Nach der Amnestie kehrte er 1861 nach Breslau zurück, gründete im Oktober 1863 in Frankfurt a. M. den Religiösen Reformverein und lebte seit 1873 in Darmstadt, wo er die »Neue religiöse Reform« herausgab, später in Wien."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

[Bildquelle: Wäscher, Hermann <1887–1967>: Das deutsche illustrierte Flugblatt. - Dresden : Verl. der Kunst VEB. -- Bd. 2., Von der Zeit der Restauration bis zur Gegenwart. -- 1956. -- 41 S. : Text mit Abb. u. 119 S. Abb.  -- Abb. 30]


Franz Grillparzer (1791-1872): Der geniale König. -- 1844

Er hat erweckt den Sophokles,
Erweckt den Euripides,
Und möchte jetzt, zu aller Schrecken,
Den Herren Christus auch erwecken.

Erklärung: Bezieht sich auf Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (1795 - 1861), der immer mehr zur protestantischen Orthodoxie neigte, Missionare nach China sandte und ein evangelisches Bistum in Jerusalem errichtete.


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874): Neujahrslied aller Deutschen für 1875. -- 1874-10-18

Für Melodie "Freut euch ..." hier drücken

[Quelle der midi-Datei: http://www.herbert-fritz.de/volksliedertext/freut_euch_des_lebens.html.  -- Zugriff am 2004-10-13]

Refrain:
Freut euch des Lebens,
weil noch das Lämpchen glüht!
Pflücket die Rose,
eh sie verblüht!1

Wir wollen lieben Gottes Wort,
Weib, Kind und Eltern immerfort,
mag auch die märkische Ritterschaft
mehr lieben ihren König.

Refrain: Freut euch des Lebens...

Wir wollen glauben mit Vernunft
und nicht den Zwang der Pfaffenzunft;
die fahre nach Jerusalem
mit ihrem Ritter Bunsen2.

Refrain: Freut euch des Lebens...

Wir wollen das, was Christus lehrt,
was Recht und Licht auf Erden mehrt.
Bewundere Pfaff und Schneiderzunft
den heiligen Rock zu Trier3.

Refrain: Freut euch des Lebens...

Wir wollen für die Weber Brot,
für keinen Deutschen Durst und Not,
dann mag von dem was übrig bleibt,
der Rothschild4 Austern schlürfen.

Refrain: Freut euch des Lebens,

Wir wollen, dass ein jeder frei
und schon hienieden glücklich sei,
und gönnen ewige Seligkeit
schon hier Berliner Muckern5.

Refrain: Freut euch des Lebens,

Wir wollen nicht Spionierei,
noch auch geheime Polizei,
dass sich nicht setzt in unseren
Pelz ein Polizeirat Dunker.

Refrain: Freut euch des Lebens,

Wir wollen unser deutsches Recht,
das römische finden wir gar schlecht;
wir wollen nicht den Savigny6
auch mit dem neuesten Kodex.

Refrain: Freut euch des Lebens,

Wir wollen deutsche Wissenschaft,
die für das Volk was Gutes schafft,
und die lateinischen Klassiker,
die lassen wir dem Tauchnitz7.

Refrain: Freut euch des Lebens,!

Wir wollen endlich Pressfreiheit,
so wie sie kommt zu unserer Zeit:
"Es ist die mildeste Zensur"
nach Dahlmann8 selbst "ein Übel".

Refrain: Freut euch des Lebens,

Wir wollen, frei soll Elb' und Rhein,
der deutsche Markt soll sicher sein,
damit John Bull9 und auch Mynheer10
uns länger nicht nasführen.

Refrain: Freut euch des Lebens,

O halt den Nacken nicht so krumm,
halt, Michel, dich nicht selbst für dumm!
Sprich, Michel, keck: Ihr anderen habt
das Pulver nicht erfunden.

Refrain: Freut euch des Lebens,!

Gott sei uns gnädig immerdar!
Gott schenk' ein frohes neues Jahr
auch dem, der für das Vaterland
in Bann und Kerker schmachtet.

Refrain: Freut euch des Lebens,..

Erläuterungen:

1 Der Refrain ist der eines bekannten Lieds von Johann Martin Usteri (1763-1827)

Freut euch des Lebens,
Weil noch das Lämpchen glüht;
Pflücket die Rose,
Eh' sie verblüht!
2 Bunsen

"Bunsen, Christian Karl Josias, Freiherr von, deutscher Staatsmann und Gelehrter, geb. 25. Aug. 1791 zu Korbach im Waldeckischen, gest. 28. Nov. 1860 in Bonn, studierte 1808-13 Theologie, dann Philologie und machte sich durch eine gekrönte Preisschrift: »De jure Atheniensium hereditario« (Göttingen 1813), in der gelehrten Welt bekannt. Dann begab er sich seiner Sprachstudien wegen nach Wien, an den Rhein und nach Holland, 1813 nach Kopenhagen (Isländisch) und lernte Ende 1815 in Berlin Niebuhr kennen. Im April 1816 ging er nach Paris, um Persisch und Arabisch zu treiben, und wandte sich Ende 1816 nach Rom. Hier verheiratete er sich 1. Juli 1817 mit einer reichen Engländerin, Fanny Waddington (geb. 4. März 1791), und wurde auf Niebuhrs Empfehlung 1818 Gesandtschaftssekretär. Für seine weitere Laufbahn wurde der Besuch König Friedrich Wilhelms III. in Rom entscheidend, wo Bunsen dem König seine Ansichten über Agende und Liturgie darlegte. 1823 zum Legationsrat ernannt, übernahm er im Frühjahr 1824 die Geschäfte der Gesandtschaft, ward 1827 preußischer Ministerresident beim päpstlichen Stuhl, erhielt den Auftrag, die Unterhandlungen über die gemischten Ehen zu führen, und erwirkte von Pius VIII. das unklar gefasste Breve vom 25. März 1830, das Gregor XVI. später zu Ungunsten Preußens auslegte. Bunsen förderte wissenschaftliche Bestrebungen (Lepsius); unter seiner Mitwirkung erfolgte 1829 die Gründung des vom damaligen Kronprinzen, nachherigen König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, in Anregung gebrachten Archäologischen Instituts. Auch gründete Bunsen auf dem tarpejischen Felsen ein protestantisches Hospital. Daneben beteiligte er sich an der »Beschreibung der Stadt Rom« (1830-13, 3 Bde.); eine Frucht dieser Studien war auch das Prachtwerk »Die Basiliken des christlichen Rom« (mit 50 Kupfertafeln von Gutensohn u. Knapp, Münch. 1843; neue Ausg. 1864; franz. Ausg. von Ramée, Par. 1872). Nachdem er 1834 die Regierung zur Annahme des Breves Pius' VIII. und zur Übereinkunft mit den westdeutschen Bischöfen vom 19. Juni bestimmt hatte, veranlasste das schroffe Verhalten des Kölner Erzbischofs Droste zu Vischering (s.d.) 1837 doch den Streit zwischen der Kurie und Preußen. B., wieder nach Berlin berufen, rechtfertigte die Verhaftung des Erzbischofs in der »Denkschrift über die katholischen Angelegenheiten in den westlichen Provinzen Preußens vom 25. August«, wurde aber, 1838 nach Rom zurückgekehrt, vom Papst nicht empfangen und erhielt daher längern Urlaub, den er in München und England verbrachte. Ende 1839 erhielt er den Gesandtschaftsposten bei der Eidgenossenschaft in Bern, ward von da 1841 nach Berlin zurückberufen und von dem ihm befreundeten König Friedrich Wilhelm IV. mit einer außerordentlichen Mission zur Errichtung eines evangelischen Bistums in Jerusalem (vgl. Bunsens Schrift »Das evangelische Bistum zu Jerusalem«, Berl. 1842) nach London betraut, worauf 1842 seine Ernennung zum preußischen Gesandten daselbst erfolgte. Gegen den Verdacht, als befürworte er die Einführung anglikanischer Formen in der protestantischen Kirche, verteidigte er sich in dem Werk »Die Verfassung der Kirche der Zukunft« (Hamb. 1845). In den Verfassungsfragen 1844 vom König zu Rate gezogen, arbeitete er den Entwurf zu einer der englischen nachgebildeten preußischen Verfassung aus. 1848 von den Schleswigern in das deutsche Parlament gewählt, in das er aber nicht eintreten konnte, überreichte er 8. April 1848 Lord Palmerston sein »Memoir on the constitutional rights of the duchies of Schleswig and Holstein«, fand aber kein Verständnis für seine Pläne und ging deshalb 1848 und 1849 auf längere Zeit nach Deutschland. Trotz der österreichischen Ränke hielt ihn der König auf seinem Posten, und Bunsen unterzeichnete, obwohl er 1850 die Beteiligung an den Londoner Konferenzen über Schleswig-Holstein abgelehnt hatte, doch das Londoner Protokoll vom 8. Mai 1852. Im übrigen genoss Bunsen die Freundschaft der Königin, des Prinzen Albert und Peels, war seinen deutschen Landsleuten stets ein treuer Berater und rief das deutsche Hospital zu Dalston bei London ins Leben. Beim Ausbruch des orientalischen Krieges befürwortete er ein Bündnis Preußens mit den Westmächten; doch der am Berliner Hofe mächtigere russische Einfluss bewirkte im Juni 1854 seine Abberufung. Bunsen siedelte nach Heidelberg über, wo er gegen ultramontane und unionsfeindliche Ränke unter anderm »Die Zeichen der Zeit, Briefe an Freunde über die Gewissensfreiheit und das Recht der christlichen Gemeinde« (Leipz. 1855, 2 Bde; 3. Aufl. 1856) schrieb. Bei seiner Erhebung in den erblichen Freiherrenstand 1857 ward er Mitglied des Herrenhauses; wegen eines Leidens verbrachte er zwei Winter in Cannes und kaufte sich 1860 in Bonn an. Neben seiner diplomatischen Wirksamkeit und seiner ausgedehnten Korrespondenz über politische und kirchliche Angelegenheiten war Bunsen unausgesetzt literarisch tätig. Sein bedeutendstes archäologisches Werk ist: »Ägyptens Stelle in der Weltgeschichte« (Hamb. u. Gotha 1845-57, 5 Bde.); den Mittelpunkt seiner Bestrebungen aber bildeten biblische, kirchengeschichtliche und liturgische Studien."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

3 Heiliger Rock, eine von den angeblichen Reliquien Christi (Joh. 19,23), wird in mehreren Exemplaren, z. B. in Argenteuil, in der Laterankirche zu Rom u. a. O., aufbewahrt. Am bekanntesten ist der im Dom zu Trier aufbewahrte, zuerst auf Bitten Kaiser Maximilians 1512 zur Verehrung der Gläubigen ausgestellte heilige Rock geworden, der bald von Helena, der Mutter Konstantins, aus dem Heiligen Lande gebracht und ihrer Vaterstadt Trier geschenkt, bald von Orendel, dem Sohne des Königs Eygel in Trier, der auf dem Zug nach Palästina Schiffbruch gelitten, nach Trier gebracht worden sein soll. Die vom Bischof Arnoldi 1844 verfügte Ausstellung rief die Bewegung des Deutschkatholizismus (s. Deutsch-katholiken) hervor.

4  Rothschild: internationales Bankhaus, begründet von Mayer Anselm Rothschild (1743 - 1812) Hier: Anselm Mayer Rothschild (1773 - 1855, wurde 1813 als Chef des Rothschildschen Stammhauses zum preußischen Geheimen Kommerzienrat ernannt, war seit 1820 bayrischer Konsul und Hofbankier.

5 Mucker: Frömmler, Sektierer, Scheinheiliger. Im frühen 18. Jh. aufgekommen, anfangs als Spottwort auf die Pietisten.

6 Friedrich Karl von Savigny (1779 - 1861): wichtiger Rechtslehrer. Vertreter der historischen Rechtsschule.

7 Christian Bernhard, Freiherr von Tauchnitz (1816 - 1895), gründete 1837 die Verlagshandlung Bernhard Tauchnitz, gab u.a. kritischen Ausgaben der Bibel und der griechischen und römischen Klassiker heraus


8  Friedrich Christoph Dahlmann (1785 - 1860): Professor der deutschen Geschichte und Staatswissenschft, Staatsmann

9 John Bull: die humoristische Personifikation des englischen Nationalcharakters, von Swift oder von John Arbuthnot  zuerst gebraucht

10 Mynheer (holl., spr. mein-): mein Herr; auch (scherzhafte) Bezeichnung eines Holländers.



Abb.: Hier ist zu schaun die Historia fein vom Pastor und vom Schulmeisterlein. -- 1844

[Bildquelle: 450 Jahre Kirche und Schule in Württemberg : Ausstellung zur 450-Jahrfeier der Evangelischen Landeskirche, erstmals vom 13. - 30. September 1984 im Landespavillon in Stuttgart ; Bilder, Dokumente u. Texte / im Auftrag des Evangelischen Oberkirchenrats hrsg. vom Pädagogisch-Theologischen Zentrum, Stuttgart. -- Stuttgart : Calwer Verlag, 1984. -- 384 S. : Ill. ; 23 cm. -- (450  Jahre Evangelische Landeskirche in Württemberg ; Teil 3). -- ISBN 3-7668-0756-0. -- S. 236]


Gottfried Kinkel (1815 - 1882): Des Untertanen Glaubensbekenntnis. -- 1844

Stets nur treu und stets loyal
Und vor allem stets zufrieden,
So hat Gott es mir beschieden,
Folglich bleibt mir keine Wahl.
Ob des Staates alten Karren
Weise ziehen oder Narren,
Dieses geht mich gar nichts an,
Denn ich bin ein Untertan.

Jeder Untertan und Christ
Weiß den Dienst und dass daneben
Mit dem Staat sich abzugeben
Keineswegs ersprießlich ist.
Wer nicht herrscht, hört zu den Dummen,
Aber warum sollt ich brummen?
Dieses geht mich gar nichts an,
Denn ich bin ein Untertan.

Ob ich aller Völker Hohn,
Weil auf Deutschlands beiden Küsten
Sich nur fremde Flaggen brüsten,
Christlich schweig ich still davon.
Denn zuerst geziemt dem Throne,
Dass die Frommen er belohne;
Folglich geht mich das nichts an,
Denn ich bin ein Untertan.

Ob mein Nachbar Bauersmann,
Dem Kartoffeln nur noch blieben,
Wird von Haus und Hof getrieben,
Weil er nicht mehr leisten kann,
Was für ihre Heldentaten
Haben müssen die Soldaten,
Dieses geht mich gar nichts an,
Denn ich bin ein Untertan.

Trotz der Arbeit Tag und Nacht
Kann ich nicht mein Leben fristen,
Weil man Konduitenlisten1
Hinter meinem Rücken macht.
Aber ob ich kann bestehen,
Oder muss ich betteln gehen,
Dieses geht mich gar nichts an,
Denn ich bin ein Untertan.

Red ich wohl ein bisschen frei,
Und wer tut das nicht beim Weine?
Bringen sie es rasch ins reine,
Denn sie stecken gleich mich bei.
Ob die Kinder schrein nach Brote,
Ob mein Weib sich grämt zu Tode,
Dieses geht mich gar nichts an,
Denn ich bin ein Untertan.

Wenn nun endlich kommt der Russ'
Mit dem großen Ländersäckel,
Zieh ich höflich meinen Deckel
Ohne Grollen und Verdruss;
Denn fürwahr, das muss ich sagen,
Ich denk ihn nicht fortzujagen -
Alles das geht mich nichts an,
Denn ich bin ein Untertan.

Erläuterung:

1 Konduitenliste = Stasi-Berichte (Konduite = Betragen)

[Quelle: Morgenruf : Vormärzlyrik 1840 - 1850 / [hrsg. von Werner Feudel]. --  Leipzig : Reclam, 1974. -- 427 S. : 8 Ill.  -- Reclams Universal-Bibliothek ; Bd. 574 : Versdichtung : Lyrik). -- S. 163f.]


Anonym: Protest Herrmann des Cheruskers. -- Um 1844


Abb.: Gruß vom Hermannsdenkmal. -- 1887

Ihr wollt mir bauen eine Säule,
Ein Denkmal, das mich nennt und ehrt?
Oh, führt ich meine alte Keule,
Mit einem Schlag war es zerstört!

Wie kannst du, Gegenwart, es wagen,
Du Volk, das sich das deutsche nennt,
Mir, der die Römer einst geschlagen,
Zu setzen jetzt ein Monument?

Mir, der die Römer einst geschlagen,
Die wieder jetzt mit frecher Hand
Dich, deutsches Volk, in Ketten schlagen
Und dir vernageln den Verstand!

Ihr sollt kein Monument mir setzen,
Die Mühe sei euch gern geschenkt,
Solang des heil'gen Rockes Fetzen
In einem deutschen Tempel hängt!

Kein Denkmal mir im deutschen Land,
Ich müsste nur vor Scham erglühn,
Solang ein deutscher Protestant
Muss vor dem römschen Priester knien!

Ich will von keinem Denkmal wissen,
Solange noch im deutschen Land
Der Mann wird von der Frau gerissen
Durch Roms erbarmungslose Hand!

Ein Denkmal, dass es mich ergötze,
Und war es nur ein Haufen Sand,
Baut, wenn nicht mehr durch Roms Gesetze
Geknechtet wird das deutsche Land!

Erläuterung: bezieht sich auf das damals geplante Hermannsdenkmal (für Arminus = Hermann, dem Chruskerfürst) in Hiddesen bei Detmold zum Gedenken an Schlacht im Teutoburger Wald im Jahre 9 n. Chr.

"Auf der altgermanischen Wallburg, dem großen Hünenring, liegt eine 500 m lange und 400 m breite Hochfläche. Der Plan, dem Cheruskerfürsten an dieser Stelle ein weithin sichtbares Denkmal zu setzen, geht zurück auf Ernst von Bandel, geboren am 17.05.1800 als Sohn eines preußischen Regierungsinspektors in Ansbach, gestorben am 25.09.1876. Bandel, der lange Jahre in Hannover und Berlin als Bildhauer und Architekt tätig war, hat unter Opferung seines gesamten Privatvermögens an seinem Lebensziel, der Errichtung des Armindenkmals, festgehalten. Unbeirrbar hat er die vielfachen Widerstände, die sich seinem Werk immer wieder entgegenstellten, überwunden. Bandel hatte mit den Bauarbeiten auf dem von ihm ausgewählten Berg 1838 begonnen, aber erst 37 Jahre später, im Sommer 1875, sah er das Denkmal seiner Vollendung entgegengehen. Der Künstler wohnte in den letzten Jahren der Bauarbeiten ständig auf "seinem Berge", in einem einfachen Blockhaus, der "Bandelhütte".


Zu Vorgeschichte:

Erste Skizzen Ernst von Bandels stammten bereits aus dem Jahre 1819, als die Erinnerung an die Befreiungskriege noch lebendig war. Die Völkerschlacht bei Leipzig 1813, die das Ende Napoleons besiegelte, wurde nicht nur für ihn zum Symbol einer wiederzuerlangenden nationalen Einheit. Bandel widmete sein ganzes Leben und künstlerisches Wirken, der Idee, mit seinem Denkmal ein allgemeingültiges Nationalsymbol zu schaffen, das das Bekenntnis einer freiheitlichen Ordnung nationalen Zuschnitts zum Ausdruck bringen sollte. Monumente wie das Hermannsdenkmal sollten dazu beitragen, eine demokratische Legitimation zu stiften. ...

Trotz großer Schwierigkeiten wurde 1838 der Grundstein für das Denkmal gelegt und der Sockel auf der Grotenburg errichtet."

[Quelle: http://www.hermannsdenkmal.de/errichtung.htm. -- Zugriff am 2004-10-05]

[Quelle: Morgenruf : Vormärzlyrik 1840 - 1850 / [hrsg. von Werner Feudel]. --  Leipzig : Reclam, 1974. -- 427 S. : 8 Ill.  -- Reclams Universal-Bibliothek ; Bd. 574 : Versdichtung : Lyrik). -- S. 153f.]


1845


Franz Grillparzer (1791-1872). -- 1845

Der Staat stützt sich auf Adel und Kirche,
Die beide sich wieder nur stützen auf ihn.
Das gleicht dem Versuch des Baron Münchhausen,
Sich am eigenen Zopf aus dem Sumpfe zu ziehn.


Abb.: Die Augen auf!!!. -- 1845

Nicht Adel, nicht Pfaff soll uns mehr bedrücken,
Zu lange beugten sie des Volkes Rücken


Hermann Püttmann (1811 - 1894): Der Winter (Aus dem Balladenzyklus "Schlesien"). -- 1845

Eiszacken blitzend hangen
Im dunkelgrünen Tann,
Gebirg und Täler ruhen
Unter des Winters Bann.
Das Blut erschlagner Weber
Ist tief im Schnee versteckt,
Ein weißes Leichenhemde
Ganz Schlesien bedeckt.

Juchhei! Die Fabrikanten
Sind wieder obenauf.
Die Furcht hat sie verlassen,
Sie prassen drauf und drauf,
's ist wieder wie beim alten:
Die Herren säckeln ein,
Die armen Sklaven darben
Und müssen zufrieden sein.

In Hütten kaltes Elend,
Im Palast glühnde Lust,
Dort bittere Verzweiflung,
Hier Hohn in jeder Brust.
Die blutige Erneute
Wird allgemein verlacht,
Der Schaden für die Reichen
Ist bald ja eingebracht.

Die preußischen Soldaten
Sind allzeit consigniert;
Die preußischen Spione
Haben sich einquartiert;
Der Polizeidirektor
Ist doppelt klug und schlau;
Ja selbst der Herr Minister
Hält eine Armenschau.

Der Pfaff von Langenbielau1
Donnert sich zornesrot,
Nach ihm sind alle Armen
Selbst schuld an ihrer Not;
Geduldig stets beim Schinden,
Das sei ja Christenpflicht,
Und wer seine Schwäger hasse,
Ererb den Himmel nicht.

Das hilft die armen Teufel
Ducken sich wiederum,
Sie lungern und sie hungern,
Sind wie das Vieh so stumm.
Das hilft fast ohne Klage
Bricht ihnen still das Herz,
Und dumpfe Racheschwüre
Retten sich himmelwärts.

Das hilft nur hin und wieder
Wagt's einer frei und frank,
Sich heimlich zu - erhängen.
Wohl ihm, wenn es gelang!
Und ob auch je zuweilen
Ein Menschenkind erfriert
Die Ruhe und der Frieden
Des Staats sind garantiert.

Juchhei! Die Fabrikanten
Sitzen am warmen Herd
Und reiben sich die Hände
Und schauen sich an verklärt:
„Das wäre überstanden
Wir halten das Geld im Sack,
Die preußischen Kugeln zwangen
Das lumpige Weberpack!"

1 Bielawa/Langenbielau, Weberstadt am Fuße des Eulengebirges, ehemals Schlesien, heute Polen

[Quelle: Morgenruf : Vormärzlyrik 1840 - 1850 / [hrsg. von Werner Feudel]. --  Leipzig : Reclam, 1974. -- 427 S. : 8 Ill.  -- Reclams Universal-Bibliothek ; Bd. 574 : Versdichtung : Lyrik). -- S. 229f.]


Alfred Meissner (1822 - 1885): Neue Sklaven. -- 1845

Der ist ein Sklave wohl,
Der in dem Frühlingsgarten
Der Erde keine Frucht
Darf hoffen und erwarten,

Der nichts sein eigen nennt
An seinem kalten Herde
Und, ein Enterbter, steht
Auf dieser reichen Erde.

Der ist ein Sklave wohl,
Der selbst im Schlaf vergebens
Die Feierstunde sucht
Des krankgefronten Lebens,

Der in dem Kind, das ihm
Sein blasses Weib gebäret,
Die Bürde hassen muss,
Die seine Sorgen mehret.

Der ist ein Sklave auch,
Der, unter Söldnerscharen,
Gezwungen wird, ein Recht,
Das er nicht kennt, zu wahren.

Der, wenn das Volk sich hebt,
Zu richten, die es kränken,
Auf seine Brüder muss
Die Todeskugel lenken.

Voll Sklaven steckt die Welt -
Wer zählt sie, die misshandelt,
Enterbt und freudelos
Durch diese Welt gewandelt!

Voll Sklaven steckt die Welt -
Wer zählt sie, Menschenwogen,
Die um ihr Menschentum
Sich heut noch sehn betrogen?

Und dennoch war's o Hohn!
Die Liebe, die bis heute
Die Welt geteilt in Herrn
Und Knechte: Herrenbeute!

Und dennoch war's o Hohn!
Die Lieb, in deren Namen
Der Menschheit Dränger all
Dies Gut zu rauben kamen!

O Liebe, schöner Laut,
Um Völker zu betören!
Von Priestern erst gelehrt,
Entstellt von Pfaffenchören.

Du bleibst nicht lange mehr
Das Zauberwort auf Erden,
Das Recht, das heil'ge Recht
Muss Menschenlosung werden.

Dann steht ein neues Licht
Versöhnend ob den Landen,
Und von der Sklavenhand
Abfallen Kett und Banden!

[Quelle: Morgenruf : Vormärzlyrik 1840 - 1850 / [hrsg. von Werner Feudel]. --  Leipzig : Reclam, 1974. -- 427 S. : 8 Ill.  -- Reclams Universal-Bibliothek ; Bd. 574 : Versdichtung : Lyrik). -- S. 237f.]


Anonym: Deutsche Zufriedenheit. -- 1845

Mitbürger, ach! seid doch zufrieden
Und schickt euch in die böse Welt;
Das Los, das euch von Gott beschieden,
Trag jeder als ein Christ, ein Held.
Wer nur den lieben Gott lässt walten,
Der lässt auch alles hübsch beim alten:
Es gibt auf Erden weit und breit
Nichts Schönres als — Zufriedenheit!

Wenn sie ins Wanderbuch euch schreiben,
Viel Schand und Schimpf und Schimpf und Schand
Wenn sie euch mit Gendarmen treiben
Gleich Vagabunden aus dem Land,
So lasst euch dieses nicht verdrießen,
Ein Wort kann alles ja versüßen:
Es gibt auf Erden weit und breit
Nichts Schönres als — Zufriedenheit!

Wenn ihr als arme Schlucker lungert,
Wenn's Hemd euch durch die Hosen blickt,
Wenn ihr vorm Haus des Reichen hungert,
Und wenn der Frost euch kneipt und zwickt,
Bedenkt: es kann ja hier auf Erden
Doch nicht ein jeder glücklich werden.
Den Großen Glück und Herrlichkeit,
Dem Volke — die Zufriedenheit!

Von Gottes Gnaden ist der König;
Wir sind nur seinetwegen da,
Und murren wir einmal ein wenig —
Man schießt uns tot — halleluja!
So tat man's allerorten treiben,
So ist's, so sei's, so muss es bleiben:
Drum, liebes Volk, sei doch gescheit,
Bewahre die — Zufriedenheit!

Und habt ihr alles auch verloren,
Und wird es euch so schwer und bang,
Und zieht man 's Fell euch über die Ohren —
Bedenkt — 's ist nur ein Übergang.
Lasst schinden, quälen euch und treten,
Ihr dürft ja — singen noch und beten,
Ihr habt — wie glücklich ihr doch seid!
Ja immer noch — Zufriedenheit!

Zufriedenheit sei meine Freude,
Zufriedenheit sei meine Lust,
In meinem abgeschabten Kleide
Herrsch dies Gefühl in meiner Brust!
Und bin ich gleich verlumpt, verdorben,
Vor Hunger endlich gar gestorben,
So schreibt aufs Grab mir groß und breit:
Der Kerl starb an — Zufriedenheit!!

Amen.

[Quelle: Die Achtundvierziger : Ein Lesebuch für unsere Zeit / Hrsg.: Bruno Kaiser. -- Weimar : Thüringer Volksverl., 1952. -- XVI, 415 S. : 9 Taf. -- (Lesebücher für unsere Zeit). -- S. 371f.]


1846


Hermann von Gilm (1812 - 1864): Aus: Sonette an eine Roveretanerin. -- 1846

Ich will euch helfen, schreibt ein Wiener Koch,
Weh uns, wenn wir nicht selber sind imstande;
Wir wissen wohl, aus welchem freien Lande
Das Schlangenpaar in unsern Busen kroch.

So gänzlich arm sind wir nicht an Verstande,
Zu glauben, dass die Wiener uns das Joch
Des Pfaffentums vom Nacken nähmen, doch:
Das dumme Tier sei stolz auf seine Schande!

Geh' nur,  kochst umsonst in deiner Schale
Josephische Gedankenfreiheit mit
Der abgeblasnen Milch der Bonhomie.

Wir wollen ganz frei werden oder nie,
Und besser ist ein schwarzer Jesuit,
Als du, ein grauer Wiener Liberale.


Ernst Dronke (1822 - 1891): Das Glück der armen Leute. - 1846

Sie gaben uns des Himmels Trost,
Sie speisten uns mit Gottesbrocken,
Derweil wir hungern ohne Kost,
Derweil wir nackt bei Sturm und Frost
Im Kot des Erdenelends hocken.
Sie sitzen warm, sie sitzen weich
In ihres Glückes Himmelreich,
Und predgen sie die Armut gleich,
Sie wird das Jenseits nimmer locken!

Ihr Vaterland, das ist der Preis,
Dem unser Blut wir opfern sollen:
Und unser Blut und unsern Schweiß,
Und unsrer Habe letztes Reis,
Wir sehn's in seine Kasten rollen.
Wir sän und mahn mit banger Hand,
Die Ernte nimmt das Vaterland,
Und nur der Heller in dem Sand
Ist all sein Lohn und Dankeszollen.

Sie wollen mit der Freiheit Licht
Die öden Herzen uns entzücken,
Sie mahnen, gen der Nacht Gezücht
Und wider ihrer Zwingherrn Pflicht
Für ihre Freiheit auszurücken.
Doch was uns drückt und an uns nagt,
Und was uns bannt in Sündennacht,
Die Tyrannei der Goldesmacht
Die will die Freiheit nicht erdrücken!

Ihr ist der Trost, ihr ist der Glanz,
Der unser Leid uns soll bezahlen!
Ihr Gold - das ist des Himmels Kranz,
Ihr Gold der Glanz des Vaterlands,
Ihr Gold ihr stolzes Freiheitsstrahlen.
Bei ihrem Glanz, bei ihrem Trost,
Wir sitzen hungernd ohne Kost,
Wir sitzen nackt bei Sturm und Frost
Und schleppen ihres Fluches Qualen.

Will heben nur sein Haupt ein Knecht,
Wie treten sie in Staub den Schacher,
Und ist doch er ein Mensch auch echt
Und hat er doch ein Menschenrecht
Auf einen vollen Lebensbecher.
Umsonst! Nicht Recht, nicht Bruderhand
Dem Armen an des Elends Rand,
Und wenn er sinkt in Schmach und Schand,
So kreuzgen ihn die eignen Rächer.

Umsonst, umsonst! In Not und Graun
Fest schmiedet uns die Sklavenkette,
Und wie wir ringen, wie wir baun,
Und wie wir hoffen und vertraun,
Kein Heiland, keiner, der uns rette!
Und bei der höchsten Qual Gebot,
Wenn unsre Rache blutig loht:
Wir kehren doch ins Joch der Not,
Denn das ist unsres Glückes Stätte!

[Quelle: Morgenruf : Vormärzlyrik 1840 - 1850 / [hrsg. von Werner Feudel]. --  Leipzig : Reclam, 1974. -- 427 S. : 8 Ill.  -- Reclams Universal-Bibliothek ; Bd. 574 : Versdichtung : Lyrik). -- S. 242f.]


Franz Grillparzer (1791-1872: Gebet.. -- 1846

O Gott! lass dich herbei
Und mach die Deutschen frei,
Dass endlich das Geschrei
Darnach zu Ende sei.



Abb.: Wir sind ja alle in Gottes Hand: erster Gottesdienst Ihrer Majestät, der Königin Elisabeth von Preußen an der Seite Seiner Majestät, des Königs seit Ihrer erfreulichen Wiedergenesung. -- Bilderbogen. -- Gustav Kühn. -- Neuruppin, um 1846 [keine Karikatur, sondern ernst gemeint]

Unter dem Bild ist das Kirchenlied "Ich bin ja, o Herr, in Deiner Macht" abgedruckt, das von Johann Sebastian Bach vertont wurde (BWV 465)

[Bildquelle: Neuruppiner Bilderbogen  / Katalogbearbeitung von Theodor Kohlmann. -- Berlin : Museum für Deutsche Volkskunde [u.a.], 1981. -- 180 S. : überwiegend Ill. -- (Schriften des Museums für Deutsche Volkskunde Berlin ; Bd. 7). -- ISBN 3-88609-053-1. -- S. 32]


Georg Herwegh (1817-1875): Ordonnanzen!. -- April 1846

Ordonnanzen! Ordonnanzen!1
Meine Völker müssen tanzen,
Wie ich ihnen aufgespielt!
Eins - zwei - drei - und Runde! Runde!
Tanzet, ihr getreuen Hunde,
|: Wenn der König es befiehlt. :|

Lernt des Lebens Lust begreifen,
Euer König wird euch pfeifen -
Und ihr werdet ihn verstehn.
Nur im Kreise, nur im Kreise,
Nach dem Takt der Russenweise,
|: Nur um mich sollt ihr euch drehn. :|

Ich bin euer Kopf und Magen,
Antwort Ich auf alle Fragen,
Aller Rede letzter Sinn;
Ihr der Abglanz nur des Fürsten -
Und wer wagte noch zu dürsten,
|: Wenn ich selber trunken bin? :|

Volksvertreten? Volksvertreten?
Beten sollt ihr, ruf ich, beten!
Ich bin Solon2 und Lykurg3!
Brecht mir nicht des Schweigens Siegel,
Denn ich habe Schloss und Riegel;
|: Gott ist eine feste Burg! :|

Ordonnanzen! Ordonnanzen!
Meine Völker müssen tanzen,
Wie ich ihnen aufgespielt!
Tanzt, o Polen - tanzt, o Deutsche,
Alle nach derselben Peitsche,
|: Wenn der König es befiehlt! :|

Ich bin König, meine Gründe
Donnern durch Kanonenschlünde
In des Pöbels taubes Ohr;
Rasselt irgendwo die Kette,
Hunderttausend Bajonette
|: Schaffen Ruhe wie zuvor. :|

Wer sich rühret, wird geschlossen
Und wo möglich schon erschossen,
Eh man ihm das Urteil fällt.
Die Justiz - geheim und schnelle,
Fördert noch vor Tageshelle
|: Jeden Meutrer aus der Welt. :|

Freiheit - welch ein toll Begehren!
Ja, der Henker soll sie lehren
Euch zum Schrecken und zum Graus;
Wird der Vorrat hier zu mager,
Hilft ja gern mein lieber Schwager
|: Mir mit seinen Galgen aus. :|

Ordonnanzen! Ordonnanzen!
Meine Völker müssen tanzen,
Wie ich ihnen aufgespielt!
Tanzt, ihr Deutschen - tanzt, ihr Polen,
Wie der Zar es mir befohlen,
|: Wie's der König euch befiehlt! :|

Jeder Flügel sei beschnitten,
Auch dem Amor - der die Sitten
Unsres Reichs kompromittiert.
Und von nun an sei bewußtes
Bett von weiland Herrn Prokrustes4
|: Als Reichsehbett eingeführt. :|

Nur ein Vorurteil ist Liebe;
Unsre ungestümen Triebe
Zügl ich durch ein christlich Joch.
Ich bin Herr von allen Sachen,
Und allein das - Kindermachen
|: Lass ich euch in Gnaden noch. :|

Ich verbiete, ich erlaube,
Ich nur denke, ich nur glaube,
Und ihr alle seid bekehrt.
Jeden Zweifel löst die Knute:
Hat man denn das Absolute
|: In Berlin umsonst gelehrt? :|

Seid ihr denn nicht meine Knechte?
Und ihr fragt nach einem Rechte,
Wenn der König was befiehlt?
Ordonnanzen! Ordonnanzen!
Meine Völker müssen tanzen,
Wie ich ihnen aufgespielt!

Erläuterungen: bezieht sich auf König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (1795 - 1861).

1 Ordonanz = Anordnung, Befehl

2 Solon = Solon (* um 640 v. Chr., † 559 v. Chr.), berühmter Gesetzgeber Athens, unter den sieben Weisen Griechenlands der bedeutendste.

3 Lykurg = legendärer Gesetzgeber von Sparta

4 Prokrustes-Bett wird das Bett genant, an das Prokrustes Wanderer und Reisende fesselte, die er zuvor überfiel. Er passte danach ihre Körpergröße gewaltsam an die Bettlänge an. Prokrustes ist eine Gestalt der griechischen Mythologie.


August Wilhelm Schlegel (1767-1845): Hirtenbrief an die Kölner. -- 1846

Das Karnaval kommt.
Wozu es euch frommt,
Ihr Tausendsasa's?
Zum plattesten Spaß,
Zum Fressen und Saufen,
Nach Huren zu laufen. -
Ihr knickrigen Kerle!
Gebt Geld für den Dom:
Der ist ja Kölns Perle.
Sonst schreib' ich nach Rom,
Ich müsse hier streuen
Die Perlen den Säuen.

Erläuterung: Bezieht sich auf den Fertigbau des Kölner Doms (siehe oben).


1847



Abb.: Die Hamburger Zensoren. -- Karikatur von Theodor Hosemann (1807 - 1875). -- In: Hamburg im Berliner Guckkasten : frei nach der Natur / von Prof. Nante [d.i.Adolf Glassbrenner] . Mit einem color. Titelkupfer von Th. Hosemann. -- Leipzig : Jackowitz, 1847



Abb.: Friedrich Engels (1820 - 1895): "Ich und mein Haus, Wir wollen dem Herrn dienen". -- In: Extra-Beilage zur Deutschen Brüsseler Zeitung. -- 1847-05-06

Erläuterung: Spottblatt auf den von Friedrich Wilhelm IV. von Preußen einberufenen Vereinigten Landtag. Die Thronrede war voller Bibelsprüche. Der König lehnte eine Verfassung ab: "Kein Stück papier soll sich zwischen den Herrn Gott im Himmel und dieses Land drängen wie eine zweite Vorsehung."

[Bildquelle: Wäscher, Hermann <1887–1967>: Das deutsche illustrierte Flugblatt. - Dresden : Verl. der Kunst VEB. -- Bd. 2., Von der Zeit der Restauration bis zur Gegenwart. -- 1956. -- 41 S. : Text mit Abb. u. 119 S. Abb.  -- S. 13]


1848



Anonym: Februar 1848
. -- 1848

Erläuterung: Man beachte den Priester, der in Italien den Doppeladler mit Weihwasser zu vertreiben versucht: "Weihwasser tut's freilich nicht!"

[Bildquelle: Zeichen der Freiheit : das Bild der Republik in der Kunst des 16. bis 20. Jahrhunderts : 21. Europäische Kunstausstellung unter dem Patronat des Europarates, Bernisches Historisches Museum, Kunstmuseum Bern, 1. Juni bis 15. September 1991 : [Katalog] / hrsg. von Dario Gamboni und Georg Germann ; unter Mitw. von François de Capitani. -- Bern : Stämpfli, 1991. -- XXIV, 789 S. : Ill. ; 23 cm. -- S. 710]



Abb.: "Mein Schäfchen, fasse Vertrauen zu deinem Hirten!" -- Karte aus: Revolutions-Tarock / von Joseph Cajetan. -- Wien. -- 1848

[Bildquelle: 1848, Aufbruch zur Freiheit : eine Ausstellung des Deutschen Historischen Museums und der Schirn-Kunsthalle Frankfurt zum 150jährigen Jubiläum der Revolution von 1848/49, 18. Mai bis 18. September 1998 in der Schirn-Kunsthalle Frankfurt / hrsg. von Lothar Gall. -- Berlin : Nicolai, 1998. --  465 S. : zahlr. Ill. -- ISBN 3-87584-677-X. -- S. 366]


Nachtwächterlied aus den Papieren eines reaktionären Obernachtwächters. -- 1848

Für Melodie "Nachtwächterlied" hier drücken

[Quelle der midi-Datei: http://ingeb.org/Lieder/Hohrtihr.html.  -- Zugriff am 2004-10-21]

Ihr Deutschen, hört und lasst euch sagen:
Wollt ihr die Freiheit noch länger ertragen?
Ihr habt sie lang genug doch besessen,
Und könnt sie endlich mit Freuden vergessen.
Tutu!

Schaut um euch nur zu dieser Stunde!
Geht das Geschäft nicht ganz zu Grunde,
Seit Pressfreiheit die Volksversammelten
Erzwungen von unsern Angestammelten?
Tutu!

Wie taten wir uns früher gütlich:
Wie war der Zensor so gemütlich.
Wenn er alleruntertänigst sich sputete
Und Schriftsteller und Verleger knutete!
Tutu!

O schöne Zeit in vergangenen Jahren.
Wo wir rasiert und bezopft noch waren,
Und jeder glaubte in unsern Landen
Nur was in der "Allgemeinen" gestanden!
Tutu!

Da ging der Bürger mit seiner Familie
Des Sonntags im Felde durch Ros; und Lilie
Und freute sich, bis zu Tränen gerührt,
Dass Gott die Welt so schön ausstaffiert.
Tutu!

Auch hatt er noch andere glückliche Zeiten
Bei fürstlichen Taufen und Lustbarkeiten,
Bei Kirchenparaden und so weiter,
Und der Zopf war immer sein treuer Begleiter.
Tutu!

Jetzt aber ist Alles anders geworden,
Auf den Straßen nichts als Banditenhorden,
Heckerianer mit Turnern im Arme,
Und Alles ohne Zopf — dass sich Gott erbarme!
Tutu!

Wie soll das enden, ihr Treuen und Frommen?
Schon seh' ich der Schrecken schrecklichstes kommen,
Den Adel abgeschafft, Alle gleich,
Und die Jesuiten verjagt aus dem Reich!
Tutu!

Der Tag vertreibt die finstre Nacht,
Ihr Krebse und Reaktionäre, habt Acht,
Habt Acht und lasst verbrüdert uns halten
An unserer Parole: "'s bleibt Alles beim Alten!"
Tutu!

[Quelle: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten : Bd. 1 u. Bd. 2 reprinted u. zusammengebunden / Wolfgang Steinitz
Sonderausg. -- Frankfurt am Main : Zweitausendeins, 1979. --  XLIV, 630 S. : Noten ; 21 cm. --  Nebentitel: Der grosse Steinitz. -- ISBN: 3-88436-101-5. -- Bd. II, S. 155ff.]


Lumpensammlerlied. -- 1848

 

Für Melodie "Lumpensammlerlied" hier drücken

[Quelle der midi-Datei: http://www.notenseiten.de/LiederIndex.php?sel=5&cat=5.  -- Zugriff am 2004-10-21]

 

Hat mich Gott verdammt auf Erden,
Just ein Lumpenkerl zu werden;
Darum ruf ich ungescheut:
Lumpen, Lumpen! weit und breit.

2. Lumpen, Lumpen! bringt mir Lumpen!
Ungewaschen, ungekrumpen;
Königskleider, goldgestickt,
Bettlerkittel, buntgeflickt.

Ordensbänder, Bischofsmützen,
Bunte Lappen, blanke Litzen;
Alles muss in meinen Sack,
Alles muss ins Lumpenpack!

Tuch von zahm und wilden Böcken,
Schwarz' und weißen Pfaffenröcken,
Jüngst von Weihrauch noch umdampft,
Morgen wird es eingestampft!

Eure großen Welten wunder
Sind nur wohlgeborner Plunder!
Hadern, Lappen, Fetzen, Fleck,
's ist doch alles Lumpendreck!

Fort mit Samt und Seidenlappen,
Fort mit Prunk und Narrenkappen!
Fort mit Weihrauch, Wust und Dampf,
Vorwärts in den Lumpenstampf!

Eure faulen Staatspapiere;
Wechsel und Prozessgeschmiere,
Eure Wische, alt und neu,
Vorwärts in den Lumpenbrei!

Eure Rechte von Halunken
Eingestampft mit Stiel und Strunken!
Eingestampft mit Lump und Laus,
Wird ja doch nichts Bessres draus!

[Quelle: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten : Bd. 1 u. Bd. 2 reprinted u. zusammengebunden / Wolfgang Steinitz
Sonderausg. -- Frankfurt am Main : Zweitausendeins, 1979. --  XLIV, 630 S. : Noten ; 21 cm. --  Nebentitel: Der grosse Steinitz. -- ISBN: 3-88436-101-5. -- Bd. II, S. 264f.]



Abb.: Aujust Buddelmeyer [=Dr. med. Adalbert Cohnfeld]: Reaktion verzieh Dir! Du bist schief jewickelt!. -- Berlin. -- 1848

[Bildquelle: Wäscher, Hermann <1887–1967>: Das deutsche illustrierte Flugblatt. - Dresden : Verl. der Kunst VEB. -- Bd. 2., Von der Zeit der Restauration bis zur Gegenwart. -- 1956. -- 41 S. : Text mit Abb. u. 119 S. Abb.  -- Abb. 54]


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876): Rede des deutschen Reichsnarren an das vereinigte Deutschland <Auszug>. -- 1848


Abb.: Der deutsche Reichsnarr

So, zum Beispiel, wollt Ihr auch die Polizei vom Gericht, den Staat von der Kirche und die Kirche von der Schule getrennt haben. Lauter Trennungen, und dabei ein einiges Deutschland: ist das möglich? Könnt Ihr Euch ein einiges Deutschland träumen lassen, wenn Ihr mehr als ein Viertel desselben, die Polizei, von dem allgemeinen deutschen Vaterlande losreißt? Wenn Ihr die arme Kirche allein, von Gott und der Welt verlassen, ohne Staat stehen lasst? Warum wollt Ihr sie trennen? Sie werden sich nicht beißen. Der Staat und die Kirche können sich sehr gut vertragen, sich gegenseitig unterstützen. Es sind, so zu sagen, Eure Eltern, und wenn auch der Papa ein wenig unter dem Pantoffel steht, oder ein Mal schilt, wenn die Frau die Kleinen zu viel mit dem Licht spielen lässt, was geht das die Kinder an? Doch ich will nicht weiter davon reden, denn von dem Lebenswandel mancher Frau sagt man nicht viel Gutes und es steht einem Hagestolz, wie mir, sehr schlecht, sich in Familienangelegenheiten zu mischen. Aber von der Schule will ich sprechen. Wie, Ihr wollt sie von der Kirche unabhängig machen? Ist die Kirche nicht die eigentliche Schule der Menschheit? Hat ihr nicht die Menschheit das Schulgeld bezahlen müssen? Seht unsre ganze Geschichte näher an: sie ist von den Pfaffen gemacht. Alles, was wir bisher genossen haben, verdanken wir den Pfaffen. Und zum Lohn dafür, und zu unserm, zu unsrer Fürsten Unheil, wollen wir ihnen die Schule nehmen? Wisst Ihr, was Das heißt? Das heißt, wenn auch nicht die Religion – denn die nimmt uns kein Gott! – die ganze Theo- oder Pfaffologie aus der Weit bringen! Das heißt, alle die heiligen Männer, welche Eure Kinder für Einen Taler Acht Groschen taufen, und Eure Liebe für Zwei Taler Sechszehn Groschen im Namen des Herrn segnen, nach und nach um allen Einfluss, an den Bettelstab oder zu einem nützlichen Handwerk bringen! Seid gescheit, wenn Ihr auf einen Narren hören wollt, und tut es nicht. Der Kaiser, unser allerhöchster Herr, lässt Euch darüber noch Nichts Gewisses sagen. Er wird sich die Sache noch mit seinem Beichtvater überlegen. Seid überzeugt, er wird das Rechte wählen, denn der Beichtvater ist einer von den Heiligen und weiß Bescheid, und der Kaiser ist ein Mann, der in seinem kleinen Finger mehr Verstand hat als sonst wo.


Abb.: Kirche und Staat


Hermann Rollett (1819 - 1904): Wiener Märzlied. -- 1848

In Tyrannei und Pfaffentrug
War lang das Volk gelegen;
Da kam in brausend lichtem Flug
Der Geist der Freiheit, und er trug
Dem Volk ein Schwert entgegen.
Und was mit Frühlingszittern
Nun alles Volk durchweht,
Das wird den Stamm zersplittern
Der morsch auf Habsburg steht!

Ihr strittet kühn, ihr fochtet gut,
Habt treu das Schwert getragen,
Und habt in heller Kampfesglut
Umblüht von Röslein, rot wie Blut
Den bösen Feind geschlagen.
Doch seht! Noch blinkt am Haupte
Der Krone sündig Gold
Und wer an Kronen glaubte
Ist nicht der Freiheit hold!

Noch habt ihr euch nicht frei gemacht
Vom Fluch, der euch beladen,
Denn nimmer will des Volkes Macht
Die Macht, die euch in Nacht gebracht
Die Macht von „Gottes Gnaden".
Doch was mit Frühlingszittern
Des Volkes Herz durchweht,
Wird bald den Stamm zersplittern
Der morsch auf Habsburg steht!

[Quelle: Morgenruf : Vormärzlyrik 1840 - 1850 / [hrsg. von Werner Feudel]. --  Leipzig : Reclam, 1974. -- 427 S. : 8 Ill.  -- Reclams Universal-Bibliothek ; Bd. 574 : Versdichtung : Lyrik). -- S. 276]



Abb.: Schreckliches Unglück eines Konservativen. -- Deutschland. -- um 1848

„Ach, Herr Geheimsekretär, ach, das Unglück!"
„Mein Gott, was gibt's denn?"
„Ach, Herr Geheimsekretär, der Junge, den die Frau Gemahlin geboren, ist ein roter Republikaner."
„Was, ist Sie verrückt?"
„Ja, ja, es ist kein Zweifel! Sehen denn der Herr Geheimsekretär nicht, dass sich in dem Gesicht des Kindes alle Leidenschaften abspiegeln?"
„Bei Gott, Sie hat recht! Mein Herz bricht, aber ich muss das Kind sofort in Anklagestand versetzen. Armes Würmchen, sechs Jahre Festung — aber es muss sein — mit Gott für König und Vaterland!"

[Quelle: Seine Feinde zu beissen ... Karikaturen aus der deutschen bürgerlichen Revolution 1848 - 49 / [Alfred Gessler ; Karl-Heinz Grahl]. -- Berlin : Der Morgen, [1963]. --173 S. : vorwiegend Ill. -- S. 35]


Anonym: Nachtwächterlied aus den Papieren eines reaktionären Obernachtwächters. -- 1848

Für Melodie "Nachtwächterlied" hier drücken

[Quelle der midi-Datei: http://ingeb.org/Lieder/Hohrtihr.html.  -- Zugriff am 2004-10-21]

 

1. Ihr Deutschen hört und lasst euch sagen:
Wollt ihr die Freiheit noch länger ertragen?
Ihr habt sie lang genug doch besessen,
Und könnt sie endlich mit Freuden vergessen.
Tu tu!

2. Schaut um euch nur zu dieser Stunde!
Geht das Geschäft nicht ganz zu Grunde,
Seit Pressfreiheit die Volksversammelten
Erzwungen von unsern Angestammelten?
Tu tu!

3. Wie taten wir uns früher gütlich:
Wie war der Zensor so gemütlich,
Wenn er alleruntertänigst sich sputete
Und Schriftsteller und Verleger knutete!
Tu tu!

4. O schöne Zeit in vergangnen Jahren,
Wo wir rasiert und bezopft noch waren,
Und jeder glaubte in unsern Landen
Nur was in der „Allgemeinen" gestanden!
Tu tu!

5. Da ging der Bürger mit seiner Familie
Des Sonntags im Felde durch Ros' und Lilie
Und freute sich, bis zu Tränen gerührt,
Dass Gott die Welt so schön ausstaffiert.
Tu tu!

6. Auch hatt er noch andere glückliche Zeiten
Bei fürstlichen Taufen und Lustbarkeiten,
Bei Kirchenparaden und so weiter,
Und der Zopf war immer sein treuer Begleiter.
Tu tu!

7. Jetzt aber ist Alles anders geworden,
Auf den Straßen nichts als Banditenhorden.
Heckerianer mit Turnern im Arme,
Und Alles ohne Zopf- dass sich Gott erbarme!
Tu tu!

8. Wie soll das enden, ihr Treuen und Frommen?
Schon seh' ich der Schrecken schrecklichstes kommen,
Den Adel abgeschafft, Alle gleich,
Und die Jesuiten verjagt aus dem Reich.
Tu tu!

9. Der Tag vertreibt die finstre Nacht,
Ihr Krebse und Reaktionäre, habt Acht,
Habt Acht und lasst verbrüdert uns halten
An unsrer Parole: „'s bleibt Alles beim Alten!"
Tu tu!



Abb.: Josef Lancedelli d. J. (1807 - 1879): Der Traum eines Schwarzgelben [Habsburgtreuen]: Äußerst wirksames Mittel, die Ruhe, Ordnung und Sicherheit total herzustellen. -- Österreich. -- 1848



Abb.: "Gott erhalte alle Fürsten!" — "Ja, und stelle uns recht bald eine Quittung aus, dass er sie alle erhalten hat." -- Deutschland. -- um 1848

[Bildquelle: Seine Feinde zu beissen ... Karikaturen aus der deutschen bürgerlichen Revolution 1848 - 49 / [Alfred Gessler ; Karl-Heinz Grahl]. -- Berlin : Der Morgen, [1963]. --173 S. : vorwiegend Ill. -- S. 128]


Anonym: Ludwig und Lola. -- 1848

Ich sing' mein Lied jetzt, und wie Uhlands Sänger
Getobt ob eines Königs Raserei,
So zähm' auch ich die heiße Brust nicht länger,
Und meinen Sängerfluch, ich ruf ihn frei.

Zwar schleud'r ich meines Herzens Trauer,
Die Harfe nicht, wie jener, an den Stein,
Doch stünden nicht Spione auf der Lauer,
Wurf ich der Hure Fenster damit ein.

Was einzig dasteht in der Weltgeschichte,
Fand stets ein Mann noch des Besingens wert,
So ist auch mir zu meinem Lobgedichte,
Dem Henker Dank, ein saub'rer Stoff beschert.

Nicht Schlachten sing' ich, die sind ausgeschlagen,
Auch sing' ich nicht von Liebe und Natur,
Ich sing', ihr Leutchen, mit Permiss zu sagen,
Von einem König und von seiner Hur.

Sie ist die Elster, die aus Spaniens Zone
Geflogen kam in unser edles Tal,
Und dem Monarchen nun aus seiner Krone,
Gott sei's geklagt, die schönsten Perlen stahl.

Des Auslands Achtung, seines Volkes Herzen
Verscherzt sein Blödsinn für der Dirne Kuss,
Vergisst, o Schmach, bei ihren feilen Scherzen,
Dass jetzt sein Bayern ihn verachten muss.

Ist das der Deutsche, der zu unsrer Ehre
Dem frechen Dänen kühn die Stirne wies,
Das der Poet, den man im Schmeichlerheere
Voll Höflichkeit den Dichterkönig hieß?

O Schleswig-Holstein, dich hat er vergessen,
Bleibt hübsch zuhaus und scherzt und küsst dabei.
Flickt Verse für die frechste der Maitressen
In schwärmerischer Liebesleierei.

Ist das der Fürst, der hohe, salbungsvolle,
Auf dessen Schild: »Beharrlich und gerecht!«,
Der, dass ihm nicht sein schändlich Liebchen schmolle,
Mit seinem Bürger spielt, als wär's sein Knecht?

Ist das der Edle, der auf Monumenten
Gern Biedersinn und deutsche Tugend preist,
Doch, um für sie nur blindlings zu verschwenden,
Den Darbenden von seiner Türe weist ?

Ist das der Große, der die Tempelhallen
Hochragend aufgetürmt zum Firmament,
Der, jetzt des Lasters finst'rer Macht verfallen,
Die fremde Metze seine Gottheit nennt?

Ich sage Dir, Du großer und gerechter,
Beharrlicher und deutscher Bayernfürst,
Dass Du im Munde künftiger Geschlechter
Als blöder Abenteurer gelten wirst.

Trotz aller Dome, die Du malen ließest,
Trotz aller Säulen, die Dein Wort erbaut,
Trotz dem, dass Du Dich den Gerechten heißest,
Und trotz der Halle, die die Donau schaut.

Die Fachwelt wird kein Schmeichler mehr betören:
"Er liebte Gott einst, Kunst und Pracht gar sehr!"
So wird der Enkel Deines Enkels hören:
"Allein des Lasters Auswurf galt ihm mehr!"

Erläuterung: bezieht sich auf Ludwig I. von Bayern und Lola Montez:

"Ludwig I. Karl August, König von Bayern, ältester Sohn des Königs Maximilian Joseph aus dessen erster Ehe mit Auguste von Hessen- Darmstadt, geb. 25. Aug. 1786 in Straßburg, wo sein Vater als Oberst des französischen Regiments d'Alsace stand, gest. 29. Febr. 1868 in Nizza. Er ward in Mannheim, wohin seine Eltern 1789 vor der Revolution flüchteten, und in Rohrbach an der Bergstraße einfach und streng erzogen und genoss den Unterricht vortrefflicher Lehrer. Als sein Vater 1799 Kurfürst von Bayern wurde, siedelte er mit seinen Eltern nach München über und studierte seit 1803 in Landshut, dann in Göttingen Staatsrecht, Philosophie und Geschichte. Damals versuchte er sich zuerst in Gedichten, die zwar barock in Wort- und Satzbau und voll Verstöße gegen die Metrik sind, aber von dem Geist und Gemüt des Verfassers zeugen; eine hohe Begeisterung für das Vaterland, den Genius des deutschen Volkes erfüllte ihn. Seine erste Reise nach Italien 1804 förderte seinen lebhaften Kunstsinn. 1806 begleitete er Napoleon nach Paris und befehligte 1807 im französischen Heer die bayrische Division, ebenso im Kriege von 1809 eine Division des bayrischen Korps unter Lefebvre, obwohl er Napoleon hasste. Um so schmerzlicher war es ihm, an dem Kriege gegen Frankreich 1813-14 nicht teilnehmen zu dürfen. In der Friedenszeit widmete er sich besonders der Kunst, namentlich in Rom, wo er sich zweimal, 1817-18 und 1820-21, länger aufhielt, und begann den Bau der Glyptothek, für deren Sammlung er schon 1804 die Ankäufe begonnen hatte. An der Politik nahm er wenig Anteil; nur den Sturz Montgelas' (s. d.) 1817, dessen bureaukratischer Rationalismus seinen romantischen Anschauungen zuwiderlief, und die Einführung der Verfassung beförderte er. Seine liberalen Grundsätze betätigte er auch in den ersten Jahren nach seiner Thronbesteigung (12. Okt. 1825): das Zensuredikt wurde aufgehoben, der Kirche größere Freiheit gelassen, und seine erste Thronrede 17. Nov. 1827 verkündete noch weitere Reformen. Die arg zerrütteten Finanzen wurden durch bedeutende Ersparungen in Ordnung gebracht, die Universität Landshut wurde reorganisiert und 1826 nach der Hauptstadt verlegt, sowie die großartigen Kunstbauten und Sammlungen begonnen, wofür er seine Privatmittel aufwandte. Cornelius, Schnorr, Kaulbach u.a. wurden nach München berufen, um es mit Fresken und Gemälden zu schmücken; Schwanthaler schuf zahlreiche Bildwerke, die Glasmalerei und Gießkunst wurden neu belebt. 1826 wurde der Grundstein zur Pinakothek, 1830 zur Walhalla gelegt. Lebhaft hatte L. der Freiheitskampf der Hellenen beschäftigt; als König lieh er ihnen seine materielle und moralische Unterstützung und brachte der Einsetzung seines Sohnes Otto als König von Griechenland 1832 bedeutende Opfer aus seinem Privatvermögen (über 2 Mill. Gulden), bereiste auch 1835-1836 selbst Griechenland. Allmählich aber besann sich L. auf seine königlichen Rechte und seine Pflicht, das monarchische Prinzip zu wahren, zumal als die Stände ihm öfters opponierten oder ungeduldig Forderungen stellten, und seitdem der liberale Minister Fürst Wallerstein 1837 zurückgetreten war. Mit der Ernennung Abels (s. d. 3) zu seinem Nachfolger wuchs auch die Macht der ultramontanen Partei, der L. selbst durch seine romantische Vorliebe für die katholische Kirche und ihre mittelalterlichen Einrichtungen Vorschub leistete. Zahlreiche Klöster erstanden wieder, Klagen über Beeinträchtigung der Protestanten wurden laut, die Zensur lebte von neuem auf, Unterricht und Wissenschaft wurden vernachlässigt. Die klerikalen Anmaßungen wurden endlich L. selbst unerträglich; aber der äußere Anlass, der L. zum Sturz des wenig beliebten Ministeriums Abel bewog, raubte diesem Schritt seine Popularität: erst als das Ministerium 11. Febr. 1847 sich weigerte, die Indigenatsverleihung an die Freundin Ludwigs, die abenteuerliche Tänzerin Lola Montez (s. Montez), gegenzuzeichnen, erhielt es seine Entlassung, und der freisinnige Staatsrat v. Maurer trat an die Spitze der Regierung, dem jedoch bald Fürst Wallerstein folgte. Die Opposition der ultramontanen Professoren und Studenten in München reizte L. so, dass er mit scharfen Polizeimaßregeln einschritt und im Februar 1848 sogar die Universität schloss. Als dies, verbunden mit der Erregung der Februarrevolution, zu Unruhen in München Anlass gab, legte er 20. März 1848 die Krone nieder; ihm folgte sein ältester Sohn, Kronprinz Maximilian. L. war zu wenig Staatsmann, um bestimmte Ziele mit Konsequenz zu verfolgen. Nur in der auswärtigen Politik hielt ihn seine echt deutsche Vaterlandsliebe ab (von seinen Bestrebungen zur Wiedererwerbung der badischen Pfalz abgesehen), mit fremden Mächten zu intrigieren; er wünschte lebhaft die Einigung Gesamtdeutschlands. Von bedeutendem Einfluss war L. durch seine Beförderung der Kunst auf die geistige Entwickelung Bayerns und Deutschlands; gerade seine Vielseitigkeit war hier von Vorteil. Auch nach seiner Abdankung verwendete er große Mittel aus seinem Privatvermögen auf Kunstwerke, Sammlungen und Bauten: die Münchener Kirchen, die Neue Pinakothek, die Befreiungshalle in Kelheim, die Propyläen wurden vollendet. Im ganzen verwendete L. 213/4 Mill. Gulden für Bauten und Kunst. Bis zum höchsten Alter war er körperlich und geistig frisch. Er war von stattlicher Figur, seine Haltung aber nicht straff, auch infolge seiner Schwerhörigkeit. In seinem Äußern höchst einfach, liebte er den Verkehr mit den verschiedensten Volksschichten; wegen seiner leutseligen, witzigen Unterhaltungsgabe war er sehr beliebt, vor allem bei den Künstlern. Seine Leiche wurde in der Bonifatiuskirche zu München beigesetzt, 1860 in München seine Reiterstatue, 1897 in Brückenau ein Denkmal errichtet. Er war seit 12. Okt. 1810 mit der Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen (geb. 8. Juli 1792, gest. 26. Okt. 1854) vermählt, die ihm vier Söhne, Maximilian, seinen Thronfolger (gest. 1864), Otto, Exkönig von Griechenland (gest. 1867), Luitpold (s. d.) und Adalbert (gest. 1875), und vier Töchter, Mathilde, Gemahlin des Großherzogs Ludwig von Hessen (gest. 1862), Adelgunde, vermählt mit dem Herzog Franz von Modena (Witwe seit 1875), Hildegard, Gemahlin des Erzherzogs Albrecht von Österreich (gest. 1864), und Alexandra (gest. 1875), gebar."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

[Quelle: Warum weinst du, holde Gärtnersfrau ... : Alte Bänkellieder wieder ans Licht geholt / Elsbeth Janda ; Fritz Nötzoldt. -- München : Dt. Taschenbuch Verl., 1965. -- 163 S. ; kl. 8. -- (dtv ; 275) . -- Originaltitel: Die Moritat vom Bänkelsang oder Das Lied der Strasse <Teilausgabe>. -- S. ]


Anonym: Á la lanterne! <Auszug>. -- 1848-11

Sie lernen nichts, die Gottes Wort
Noch wähnen uns zu künden:
Dass Pfaffentrug und Geistesmord
Die größte aller Sünden!

Dass einer neuen Sonne Licht
Des alten Irrwahns Fesseln bricht,
Dass man zur Gottheit bete
Nur an der Freiheit Stätte.

Das wird in blinder Glaubenswut
Kein Pfaffe jemals lernen,
Drum hängt die Pfaffen kurz und gut
Hoch, hoch an die Laternen!

[Quelle: Morgenruf : Vormärzlyrik 1840 - 1850 / [hrsg. von Werner Feudel]. --  Leipzig : Reclam, 1974. -- 427 S. : 8 Ill.  -- Reclams Universal-Bibliothek ; Bd. 574 : Versdichtung : Lyrik). -- S. 343]


Ferdinand Freiligrath (1810-1876): Wien. -- 1848-11-03

Wenn wir noch knien könnten, wir lägen auf den Knien;
Wenn wir noch beten könnten, wir beteten für Wien!
Doch lange schon verlernten wir Kniefall und Gebet
Der man ist uns die liebste, die Schwert und Lanze schwingt!
Der Mund ist uns der frommste, der Schlachtgesänge singt!
Wozu noch bittend winseln? Ihr Männer, ins Gewehr
Heut ballt man nur die Hände, man faltet sie nicht mehr!
Es ist das Händefalten ein abgenutzt Geschäft
Die Linke an die Scheide, die rechte Hand ans Heft!
Die Linke an die Gurgel dem Sklaven und dem Schuft,
Die Rechte mit der Klinge ausholend in der Luft!
Ein riesig Schilderheben, ein Ringen wild und kühn
Das ist zur Weltgeschichte das rechte Flehn für Wien!

Ja, Deutschland, ein Erheben! ja, Deutschland, eine Tat!
Nicht, wo im roten Dolman1 einhersprengt der Kroat,
Nicht, wo vom Huf der Rosse das Donauufer bebt,
Nicht, wo aus Sklavenmörsern die Brandraketen sprühn
Nicht dorthin, ernster Norden, gewaffnet sollst du ziehn!
Nicht dorthin sollst du pilgern zur Hilfe, zum Entsatz
Allwärts, um Wien zu retten, stehst du an deinem Platz!
Räum' auf im eignen Hause! Räum' auf und halte Stich
Den Jellachich2 zu jagen, wirf deinen Jellachich!
Ein dreister Schlag im Norden ist auch im Süd ein Schlag;
Mach' fallen unser Olmütz, und Olmütz rasselt nach!

Der Herbst ist angebrochen, der kalte Winter naht
O Deutschland, ein Erheben! O Deutschland, eine Tat!
Die Eisenbahnen pfeifen, es zuckt der Telegraph
Du aber bleibst gelassen, du aber bleibst im Schlaf!
Beim Todeskampf der Riesin dastehst du wie von Stein
Alles, wozu du dich ermannst, ein kläglich Bravoschrein!

Köln, 3. November 1848.

Erläuterungen: bezieht sich auf die Märzrevolution von 1848 in Wien

"Märzrevolution, die erste Erhebung in der österreichischen Revolution 1848. Spontane Auflehnung gegen das drückende Metternichsche System des Vormärz in Wien. In den ersten Märztagen reichte der Niederösterreichische Gewerbeverein eine Bittschrift an die kaiserliche Regierung mit demokratischer Tendenz ein. Petitionen der Wiener Buchdrucker, des Juridisch-politischen Lesevereins, der Bürgerschaft und am 12. 3. 1848 der Studenten folgten. Sie forderten Teilnahme des Volks an der Regierung, Öffentlichkeit der Gerichtsverfahren, Geschwornengerichte, Selbstverwaltung der Gemeinden, Aufhebung des Untertanenverhältnisses der Bauern, Festlegung derbürgerlichen Grundrechte, Beseitigung der Zensur, Presse-, Lehr- und Lernfreiheit, Ausweisung der Jesuiten und Gleichstellung der Konfessionen. Da die Bittschriften nicht beantwortet wurden, beschlossen dieUniversitätsprofessoren und Studenten für den 13. März, anlässlich einer Sitzung der Ständevertretung, eine Demonstration. Die Studenten drangen in dasNiederösterreichische Landhaus ein, der Arzt A. Fischhof hielt eine Ansprache und verhandelte mit den ständischen Vertretern. Zu den Studenten gesellten sich Arbeiter aus den Vorstädten. Am Nachmittag setzte der Kommandierende General von Wien,Erzherzog Albrecht, Militär gegen die Volksmenge ein, und es gab Todesopfer ("Märzgefallene"). Die Bürger bewaffneten sich und errichteten Barrikaden, in den Vorstädten wurden Fabriken angezündet und Maschinen zerstört. Der Kaiserhof brachte der Volksstimmung ein Opfer: Metternich musste zurücktreten und floh verkleidet ins Ausland. Am nächsten Tag stellte dieWiener Bürgerschaft eine Nationalgarde auf, die Studenten gründeten die Akademische Legion; Vertreter von beiden stellten ein "Zentralkomitee", das in der Folgezeit die revolutionäre demokratische Gewalt repräsentierte. Der Kaiser hob die Zensur auf, erließ ein freiheitliches Pressegesetz und versprach eine freiheitliche Verfassung; Polizeiminister J. Sedlnitzky und der Wiener Bürgermeister I. Czapka wurden entlassen, die Gefallenen des 13. März in allen Ehren bestattet (Trauerrede von Feldkaplan A. Füster; Denkmal auf dem Wiener Zentralfriedhof). Der Wiener Märzrevolution folgten Aufstände in Venedig (17. 3.) und Mailand (18. 3.) und der Sardinische Krieg, während die Märzrevolution im eigentlichen Österreich bis auf kleinere Aktionen in Graz isoliert blieb."

[Quelle: http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.m/m280254.htm. -- Zugriff am 2004-10-13]

1 Dolman: Uniformjacke der Husaren

2  Josip grof Jelačić Bužimski (Joseph Jellachich de Buzim) (1801-1859)1801-59, österreichischer kroatischer General, Gouverneur von Kroatien, führte Armee gegen die ungarischen Aufständischen 1848.


Georg Herwegh (1817-1875): Die Kommunisten. -- 1848

Spottet des Völkleins nicht! es hat ja den römischen Adler
Eine geringere Zahl solcher Apostel gestürzt.



Abb.: Die Auferstehung oder Reaktionsfrühling im Herbst 1848. -- Deutschland. -- um 1848

[Bildquelle: Seine Feinde zu beissen ... Karikaturen aus der deutschen bürgerlichen Revolution 1848 - 49 / [Alfred Gessler ; Karl-Heinz Grahl]. -- Berlin : Der Morgen, [1963]. --173 S. : vorwiegend Ill. -- S. 151]


Franz Grillparzer (1791-1872: Lola Montez.. -- 1848

Was trennte denn die Eintracht ganz
Von sonst so gleichen Interessen?
Die uralt heilge Allianz
Von Pfaffen und Mätressen.

Erläuterung:

"1846 trat im Nationaltheater die Tänzerin Maria de los Dolores Porris y Montez [1821 - 1861] auf. Dieser Auftritt mit der folgenden Audienz beim König blieb für die bayerische Geschichte nicht ohne Folgen. Da die Dame Lola Montez auch noch versuchte politischen Einfluß zu nehmen, prallte sie auf großen Widerstand.

Man warnte den König, mahnte ihn, beschwor ihn; dazu legte man ihm jeden Tag einen Stoß anonymer Briefe auf den Tisch. Doch der König wollte nicht von seiner geliebten Lola lassen, im Gegenteil er erhob sie sogar zur Gräfin Landsfeld.

Karl von Abel, einer seiner engsten Berater, glänzender Jurist und Minister, drohte bei der Erhebung zur Gräfin seinen Rücktritt an. Der König blieb eisern, sofort ließ er Abel die Entlassung zustellen. Zweimal mußten bei Ausschreitungen gegen Lola Montez die Polizei massiv einschreiten bevor sie im Februar 1848 bei Straßenkrawallen gerade noch in die Theatinerkirche flüchten konnte. Darauf lenkte der König ein und verfügte die sofortige Ausweisung der "Gräfin Landsfeld". "

[Quelle: http://www.shopping-kl.de/Aktuell/Geschichten/Revolution1948-49/Lola-Montez.html. -- Zugriff am 2004-06-22]



Abb.: Preußische Staatswaage. -- Deutschland. -- um 1848

[Bildquelle: Seine Feinde zu beissen ... Karikaturen aus der deutschen bürgerlichen Revolution 1848 - 49 / [Alfred Gessler ; Karl-Heinz Grahl]. -- Berlin : Der Morgen, [1963]. --173 S. : vorwiegend Ill. -- S. 50]


Nicht genau Datiertes (Todesdatum der Autoren bis 1848)


Gottlieb Konrad Pfeffel (1736 - 1809): Der Primas

Die Königin von Siam lag
Mit einem erben in den Wochen,
Da kam an einem schönen Tag
Der ganze Hof herbeigekrochen,
Um des Monarchen Majestät
Zum ersten Sohn zu gratulieren.
Der Redner war der Hofpoet;
Er zappelte mit allen Vieren,
Und sprach zum Säugling als Prophet:
"Ich sehe dich den Erdball zieren,
Die Taten des Papa kopieren,
Mit eigner Hand das Ruder führen,
Des Reichs Gebrechen reformieren,
Und kurz, als Philosoph regieren."
"Was!" fiel der Primas, der auch dort
Ein großes Tier ist, ihm in's Wort:
"Als Philosoph! Bist du von Sinnen?
Der würde schönes Zeug beginnen!
Er werde was er will und kann,
Ein Schuft, ein Prasser, ein Tyrann;
Bekennt er nur den reinen Glauben,
So hat es keine Not. Allein
Die Sünde, Philosoph zu sein,
Kann ihm die Kirche nicht erlauben."


Gottlieb Konrad Pfeffel (1736 - 1809): Parallele

Hört auf, des Muselmanns Barmherzigkeit,
Der ein Spital für Hunde baut, zu preisen.
Ein Christenfürst tut mehr: er lässt sie jederzeit
Weit besser noch als seine Krieger speisen.


Johann Heinrich Voß (1751-1826): Der Kauz und der Adler

Keine Fabel1


Abb.: Der fromme Uhu [Bildquelle: http://www-i1.informatik.rwth-aachen.de/quax/contact.html. -- Zugriff am 2004-12-09]

Ein Kauz, in düstern Synagogen
Des Ober-Uhus auferzogen,
Kam früh in grauer Dämmerung
Zum König Adler angeflogen.

„Treu", krächzt' er, „treu der Huldigung,
Rüg ich den gellenden Trompeter
Der unglückschwangern Aufklärung,
Den Hahn, dir König, als Verräter.
Wann sanft dein wohlbeherrschter Staat
Noch schläft und träumet und verdauet
Und unser Lied, was wacht, erbauet;
Schnell kräht uns der Illuminat2
Die Sonn empor, um aufzuklären
Und Ruh und Andacht uns zu stören.
Fink, Lerche, Schwalb und Meis empören
Gefild und Wald in freien Chören;
Man kann sein eigen Wort nicht hören.
Die tolle Rotte singt gar Hohn
Der mystischen Religion,
Die wir in heil'gem Dunkel lehren;
Und, König, strafst du nicht, so dröhn
Aufruhr und Hochverrat dem Thron! -
Herr König, lass dir doch gefallen,
Wir Kauz' und Eulen flehn gesamt:
Dem Hahn und seinen Schreiern allen
Zum Bändiger, im Zensoramt,
Den frommen Uhu zu bestallen!"

Der Adler tat, als hört' er nicht
Und sah ins junge Morgenlicht.

Erläuterungen:

1 Keine Fabel: Diese Gedicht ist eine Antwort auf:

Mathias Claudius (1740 - 1815): Eine Fabel. -- 1850.

Vor etwa achtzig, neunzig Jahren,
Vielleicht sind's hundert oder mehr,
Als alle Tiere hin und her
Noch hochgelahrt und aufgekläret waren,
Wie jetzt die Menschen ohngefähr;
- Sie schrieben und lektürten sehr,
Die Widder waren die Skribenten,
Die andern: Leser und Studenten,
Und Zensor war: der Brummelbär. -

Da kam man supplicando ein:
»Es sei unschicklich und sei klein,
Um seine Worte und Gedanken
Erst mit dem Brummelbär zu zanken,
Gedanken müssten zollfrei sein!«
Der Löwe sperrt den Bären ein,
Und tat den Spruch: »Die edle Schreiberei
Sei künftig völlig frank und frei!«

Der schöne Spruch war kaum gesprochen,
So war auch Deich und Damm gebrochen.
Die klügern Widder schwiegen still,
Laut aber wurden Frosch und Krokodil,
Seekälber, Skorpione, Füchse,
Kreuzspinnen, Paviane, Lüchse,
Kauz, Natter, Fledermaus und Star,
Und Esel mit dem langen Ohr etc. etc.
Die schrieben alle nun, und lieferten Traktate:
Vom Zipperlein und von dem Staate,
Vom Luftballon und vom Altar,
Und wussten's alles auf ein Haar,
Bewiesen's alles sonnenklar,
Und rührten durcheinander gar,
Dass es ein Brei und Greuel war.

Der Löwe ging mit sich zu Rate
Und schüttelte den Kopf und sprach:
»Die besseren Gedanken kommen nach;
Ich rechnete, aus angestammtem Triebe,
Auf Edelsinn und Wahrheitliebe -
Sie waren es nicht wert die Sudler, klein und groß;

Macht doch den Bären wieder los!«
Claudius

2  Illuminaten: siehe unten


Johann Heinrich Voß (1751-1826): Die Anschwärzer

Was Lärmes, was Geschwirres
Von Aufruhrschniflfelei?
Was will der Schniffler wirres
Und heiseres Geschrei?
Wer nicht mit vollem Munde
Einstimmt in ihren Rat,
Der steht im schwarzen Bunde
Und heißt Illuminat1!

Du warnst vor stolzer Bassen2
Willkür und Ungesetz?
Stracks scheinen Fürst und Sassen3
Bedroht durch Mordgehetz!
Du schirmst vor dumpfem Schimmel
Des Lichts Religion?
Dann sprichst du Gott im Himmel
Und Gottes Dienern Hohn!

Ihr Finsterling', im Herzen
Eiskalt, im Kopfe warm!
Zu dunkeln und zu schwärzen,
Drum macht ihr selber Schwarm!
Bekämpft sei, was ihr trachtet,
Papsttum und Barbarei!
Kein Volk, wo Dummheit nachtet,
Bleibt Gott und Fürsten treu!

Erläuterungen:

1 Illuminat

"Illuminaten (lat., »Erleuchtete«), Schwärmer, die sich einer höhern Erkenntnis Gottes und eines engen Verkehrs mit der Geisterwelt rühmten und vielfach Vereine bildeten. Dergleichen waren die Alombrados in Spanien, die Guérients in Frankreich, die 1623 auftauchten, aber schon 1635 wieder unterdrückt wurden, ferner ein Verein von Mystikern in Belgien in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. Zu großer Bedeutung und belangreicher Ausbreitung, zunächst in Bayern, dann aber von Süddeutschland aus auch im mittlern und nördlichen Deutschland gelangte der am 1. Mai 1776 in Ingolstadt gegründete Illuminatenorden, dessen Mitglieder sich zunächst den Namen Perfektibilisten beilegten. Der Stifter dieses Ordens war Adam Weishaupt (1748 - 1830), Professor der Rechte in Ingolstadt, der einer freiern Geistesrichtung huldigte und ein heftiger Gegner der Jesuiten war. Der Orden sollte durch Beförderung religiöser Aufklärung der Vernunft zur Herrschaft verhelfen, der Propaganda weltbürgerlicher Gesinnung dienen und das monarchische Prinzip bekämpfen. Dabei nahm sich der ehemalige Jesuitenzögling die Verfassung und geschmeidige Glätte der Jesuiten zum Vorbild und machte den Mitgliedern der Gesellschaft unbedingten Gehorsam gegen die Obern, besonders den Ordensgeneral, eifriges Bemühen, einflussreiche Männer für den Orden zu gewinnen, regelmäßige Berichte über ihre Fortschritte und gegenseitige Überwachung zur Pflicht. Zur praktischen Anwendung scheinen im Orden nur die drei niedern Grade gelangt zu sein, während die höhern Stufen nur theoretisch ausgesonnen waren. Die Mitglieder führten fremde, mit Vorliebe klassische Namen. Der Orden war ein über das Freimaurertum hinausgehender Geheimbund; jeder Illuminat war Freimaurer, während die für höhere Erleuchtung nicht tauglich Befundenen im Freimaurerbunde zurückgehalten wurden. Eine Neubelebung und starke Ausbreitung in protestantischen Gegenden erfuhr der Orden durch die Tätigkeit des Freiherrn v. Knigge (s. d.). Als Mitglieder sind nachgewiesen Herzog Ernst II. von Gotha und sein Bruder August, Herzog Ferdinand von Braunschweig, Karl Theodor von Dalberg, Karl August von Hardenberg und der nachmalige bayrische Minister von Montgelas; nach Perthes (»Das deutsche Staatsleben vor der Revolution«, S. 262) sollen auch Goethe und Herder Mitglieder gewesen sein. Wie mit andern Ordensmitgliedern geriet Weishaupt auch mit Knigge in persönliche Differenzen, und letzterer schied wenige Tage, nachdem in Bayern eine kurfürstliche Verordnung alle geheimen Gesellschaften verboten hatte, durch Vertrag aus dem Orden aus. Kurfürst Karl Theodor ließ der Verordnung vom 22. Juni 1784 einen verschärften Erlass vom 2. März 1785 und andre mehr folgen. Nach mehrfachen vergeblichen Versuchen hat sich der Orden in der Neuzeit reorganisiert; sein Sitz ist in Dresden, er besitzt Rechtsfähigkeit und wird durch ein Kustosamt vertreten."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

2 Bassa (In Franken = Pascha): türkischer Beamtentitel

3 Sasse = Grundbesitzer


August von Platen (1796-1835): Epigramm

Unglückseliges Land, wo stets militärjesuitisch
Söldner und Pfaffen zugleich saugten am Marke des Volkes.


Jacob Schmidt: Nord-Amerika, das Land meiner Wünsche

Für Melodie "Kennst ..." hier drücken

[Quelle der midi-Datei: http://ingeb.org/Lieder/kennstdd.html.  -- Zugriff am 2004-12-10]

Kennt ihr das Land, wo frei die Meinung ist,
Kein Zensor je der Kühnheit Worte misst,
Das Urteil frei von Mund zu Munde geht
Und unverletzt der Freiheit Tempel steht?
Kennt ihr es wohl?
Dahin, dahin
Möcht ich mit euch, o meine Freunde, ziehn!

Wisst ihr, wo man nach eignem Herzensdrang
Den Herrn verehrt, im eignen Lobgesang,
Kein Glaubenszwang zu Heuchelei verführt
Und Duldung stets den freien Glauben ziert?
Wisst ihr es wohl?
Dahin, dahin . . .

Kennt ihr das Land, wo gleich sich alle sind?
Wo's keine Junker gibt, kein Fürstenkind,
Den Besten selbst der Name 'Bürger' schmückt,
Kein Kastengeist Gemeinsinn unterdrückt?
Kennt ihr es wohl ?
Dahin, dahin . . .

Kennt ihr das Land, wo das Gesetz regiert,
Und kein Despot? Wo freie Wahl erkürt
Den besten Mann, des Staates Haupt zu sein,
Kein Titel gilt, nur das Talent allein?
Kennt ihr es wohl?
Dahin, dahin . . .

Kennt ihr das Land, wo kein Beamtenheer,
Am Herrenpflug gespannt, des Thrones Wehr,
Im goldgebrämten Rock, mit Ordensband,
Durch Sold und Steuern peinigt Stadt und Land?
Kennt ihr es wohl?
Dahin, dahin . . .

Kennt ihr das Land, das stark durch Bürgers Arm
Und Vaterlandeslieb der Söldner Schwärm
Entbehren kann ? Wo Zwinger man nicht kennt
Und Männer-Brust die einz'ge Feste nennt?
Kennt ihr es wohl?
Dahin, dahin
Möcht ich mit euch, o meine Freunde, ziehn!

Erläuterung: Vorbild ist Goethes "Mignon":

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,
Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht?
Kennst du es wohl? Dahin!
Dahin möcht' ich mit dir,
O mein Geliebter, ziehn.

[Quelle: Grab, Walter (1919 - 2000) ; Friesel, Uwe (1939 - ): Noch ist Deutschland nicht verloren : eine histor.-polit. Analyse unterdrückter Lyrik von der Französischen Revolution bis zur Reichsgründung. -- Ungekürzte, überarb. Aufl. -- München : Deutscher Taschenbuch-Verlag, 1973. -- 324 S. ; 18 cm. -- (dtv ; 875). -- Lizenz des Hanser-Verl, München. -- ISBN 3-446-10979-X. -- S. 130f.]


Johann Wilhelm Sauerwein (1803 - 1847):

Wie wir dich beklagen,
Deutsches Vaterland!
Schon sahn wir den Morgen tagen,
Wo die Brüder all das Joch zerbrachen;
Freiheitsrosenblüten
Schon am Himmel glühten,
Und der Knechtschaft arge Nacht verschwand.

Ach wir sind betrogen
Wieder ist es Nacht,
Und die freche Rotte
Unserer Dränger lacht!
Denn wo Fürst und Pfaffen
Finstre Werke schaffen,
Taget nie der Freiheit Sonnenpracht.

Brüder, wollt ihr schauen
Euer liebstes Gut;
Taucht zuvor die Schwerter
In der Frechen Blut.
Tilgt den Ottersamen,
Stürzt der Drachen Haus,
Löscht den Tigernamen
Aus dem Volke aus.

Ihr Geschlecht vergehe,
Selbst ihr Staub verwehe;
Dann erglänzet rein der Freiheit Tag!

[Quelle: Grab, Walter (1919 - 2000) ; Friesel, Uwe (1939 - ): Noch ist Deutschland nicht verloren : eine histor.-polit. Analyse unterdrückter Lyrik von der Französischen Revolution bis zur Reichsgründung. -- Ungekürzte, überarb. Aufl. -- München : Deutscher Taschenbuch-Verlag, 1973. -- 324 S. ; 18 cm. -- (dtv ; 875). -- Lizenz des Hanser-Verl, München. -- ISBN 3-446-10979-X. -- S. 134.]


Zu: Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXV.2: Kirche und Staat, Kirche und Politik. -- 2. 1849 - 1899

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