Religionskritik

Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXV:

Kirche und Staat, Kirche und Politik

2. 1849 - 1899


kompiliert und herausgegeben von Alois Payer

(payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXV: Kirche und Staat, Kirche und Politik / kompiliert und hrsg. von Alois Payer. -- 2. 1849 - 1899.  -- Fassung vom 2005-02-14. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/karikaturen252.htm    

Erstmals publiziert: 2004-05-23

Überarbeitungen: 2005-02-14 [Ergänzungen];  2005-01-20 [Ergänzungen];  2004-12-24 [Aufteilung des Kapitels, Ergänzungen];  2004-12-22 [Ergänzungen];  2004-11-30 [Aufteilung des Kapitels, Ergänzungen]; 2004-11-29 [Ergänzungen]; 2004-07-28 [Ergänzungen]; 2004-07-08 [Ergänzungen]; 2004-07-02 [Ergänzungen]; 2004-06-25 [Ergänzungen];  2004-06-10 [Ergänzungen]; 2004-05-28 [Ergänzungen]

©opyright: Abhängig vom Todesdatum der Künstler

Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library


Gewidmet dem unseligen Angedenken an

Paul Rusch (1903 - 1986), Bischof von Innsbruck (1938 - 1981)
und seine Handlanger bei den Jesuiten und an der Universität

deren Ungeist ich während meines Theologiestudiums in Innsbruck 1962 bis 1965 erleben und erleiden musste

Eine Aussage genüge, um zu zeigen, wessen Geistes diese "Herrschaften" waren:

"Der Mann verdirbt die Jugend, den muss man zum Schweigen bringen." (Aussage des Bischofs über den großen Mathematiker Univ. Prof. Dr. Wolfgang Gröbner, der es gewagt hatte, in öffentlichen Lehrveranstaltungen zu zeigen, dass "das, was die Theologen lehren, Unsinn ist.")

Bis heute scheinen sich in Österreich diese traurigen Zustände noch nicht geändert zu haben.
(Da spricht doch der Kardinal von Wien im Parlament! Und das Kasperltheater der österreichischen Bischöfe wird im Staatsfernsehen wie etwas Wichtiges behandelt.)


Klicken Sie hier, um den Schweizerpsalm zu hören

Schweizerpsalm

MelodieAlbert (P. Alberich) Zwyssig, 1808-1854, 1841
Deutscher Text: Leonhard Widmer, 1808-1868
Am 12. Sepember 1961 vom Schweizer Nationalrat als Nationalhymne anerkannt.

 

Trittst im Morgenrot daher,
Seh' ich dich im Strahlenmeer,
Dich, du Hocherhabener, Herrlicher!
Wenn der Alpen Firn sich rötet,
Betet, freie Schweizer, betet.
|: Eure fromme Seele ahnt :|
Gott im hehren Vaterland!
Gott, den Herrn, im hehren Vaterland!

Kommst im Abendglühn daher,
Find' ich dich im Sternenheer,
Dich, du Menschenfreundlicher, Liebender!
In des Himmels lichten Räumen
Kann ich froh und selig träumen;
|: Denn die fromme Seele ahnt :|
Gott im hehren Vaterland!
Gott, den Herrn, im hehren Vaterland!

Ziehst im Nebelflor daher,
Such' ich dich im Wolkenmeer,
Dich, du Unergründlicher, Ewiger!
Aus dem grauen Luftgebilde
Bricht die Sonne klar und milde,
|: Und die fromme Seele ahnt :|
Gott im hehren Vaterland!
Gott, den Herrn, im hehren Vaterland!

Fährst im wilden Sturm daher,
Bist du selbst uns Hort und Wehr,
Du, allmächtig Waltender, Rettender!
In Gewitternacht und Grauen
Laßt uns kindlich ihm vertrauen!
|: Ja, die fromme Seele ahnt :|
Gott im hehren Vaterland!
Gott, den Herrn, im hehren Vaterland!
 

Rumantsch
 
1. En l'aurora la damaun
ta salida il carstgaun,
spiert etern dominatur, Tutpussent!
Cur ch'ils munts straglischan sura,
ura liber Svizzer, ura.
Mia olma senta ferm,
Mia olma senta ferm Dieu en tschiel,
il bab etern, Dieu en tschiel, il bab etern.

2. Er la saira en splendur
da las stailas en l'azur
tai chattain nus, creatur, Tutpussent!
Cur ch'il firmament sclerescha en noss cors
fidanza crescha.
Mia olma senta ferm,
Mia olma senta ferm Dieu en tschiel,
il bab etern, Dieu en tschiel, il bab etern.

3. Ti a nus es er preschent
en il stgir dal firmament,
ti inperscrutabel spiert, Tutpussent!
Tschiel e terra t'obedeschan
vents e nivels secundeschan.
Mia olma senta ferm,
Mia olma senta ferm Dieu en tschiel,
il bab etern, Dieu en tschiel, il bab etern.

4. Cur la furia da l'orcan
fa tremblar il cor uman
alur das ti a nus vigur, Tutpussent!
Ed en temporal sgarschaivel
stas ti franc a nus fidaivel.
Mia olma senta ferm,
Mia olma senta ferm Dieu en tschiel,
Il bab etern, Dieu en tschiel, il bab etern.
 

[Quelle der mp3-Datei: http://www.admin.ch/ch/d/schweiz/psalm/strophe1.mp3. -- Zugriff am 2005-01-20]


1849



Abb.: Die universelle demokratische und soziale Republik / von Frédéric Sourrieu (1807 - 1861). -- um 1849

[Bildquelle: 1848, Aufbruch zur Freiheit : eine Ausstellung des Deutschen Historischen Museums und der Schirn-Kunsthalle Frankfurt zum 150jährigen Jubiläum der Revolution von 1848/49, 18. Mai bis 18. September 1998 in der Schirn-Kunsthalle Frankfurt / hrsg. von Lothar Gall. -- Berlin : Nicolai, 1998. --  465 S. : zahlr. Ill. -- ISBN 3-87584-677-X. -- S. 112]


Louise Aston: In Potsdam. -- 1849

Vom Dome hallen Glockenklänge -
Stille Andacht überall,
Gläubig singt des Volkes Menge
Zu der Orgel hellem Schall;

Dort in einsamer Kapelle
An des Altars heilger Schwelle
Knien die Allerhöchsten Sünder,
Gottes auserwählte Kinder.

Was sie beten, was sie flehen?
Ihre bleiche Lippe spricht:
„Jetzt, da wir am Abgrund stehen,
Jetzt — nur jetzt verlass uns nicht!"
Unser Purpur will erbleichen,
Unsre Macht zerfällt in Scherben;
Lass mit Blute sondergleichen
Uns den Purpur wieder färben!

———

Mögen sie zum Himmel beten
Und mit neu gestärktem Mut
Eines Volkes Recht zertreten,
Pochend auf des Höchsten Hut:
Taub und schwach sind ihre Götter,
Taugen nur zum Spiel der Spötter;
Doch der Geist, der ewig freie,
Gibt dem Volk die Siegesweihe I

[Quelle: Die Achtundvierziger : Ein Lesebuch für unsere Zeit / Hrsg.: Bruno Kaiser. -- Weimar : Thüringer Volksverl., 1952. -- XVI, 415 S. : 9 Taf. -- (Lesebücher für unsere Zeit). -- S. 12f.]



Abb.: Reaktionäre Allegorie auf die Niederschlagung der Revolution von 1848. -- Düsseldorf. -- um 1849

[Bildquelle: 1848, Aufbruch zur Freiheit : eine Ausstellung des Deutschen Historischen Museums und der Schirn-Kunsthalle Frankfurt zum 150jährigen Jubiläum der Revolution von 1848/49, 18. Mai bis 18. September 1998 in der Schirn-Kunsthalle Frankfurt / hrsg. von Lothar Gall. -- Berlin : Nicolai, 1998. --  465 S. : zahlr. Ill. -- ISBN 3-87584-677-X. -- S. 402]


Ludwig Pfau (1821 - 1894): Lied vom Drohnenkönig. -- 1849

Es war in einem Bienenstaat
Ein edler Drohnenkönig,
Der leckte Honig früh und spat,
Hatt' Helfer gar nicht wenig.
Er nippt' herum, er tippt' herum,
Er machte nichts als Summ und Brumm -
Der König, der war gar nicht dumm,
Der feiste Drohnenkönig.

Da wurden auch die Bienen klug,
Und sprachen: "Drohnenkönig!
Du frisst zwar Honig grad genug,
Doch schaffst du viel zu wenig.
Wir summen dir auf dein Gebrumm,
Wir pfeifen auf dein Gaudium -
Wir Völker sind nicht mehr so dumm,
Du fauler Drohnenkönig!"

Die Bienen spießten kurz und gut
Den edeln Drohnenkönig,
Verzehrten ihren Zuckerhut
Und hatten nicht zu wenig.
Sie brachten all die Sippschaft um,
Da half kein Summ, da half kein Brumm -
Die hatten halt kein Christentum,
Du armer Drohnenkönig.


Rudolf von Gottschall (1823 - 1909): Die evangelische Kirchenzeitung. -- 1849


Abb.: Der Domspatz wirbt für die (katholische) Kirchenzeitung der Diözese Linz
[Bildquelle: http://www.dioezese-linz.at/kirchenzeitung/. -- Zugriff am 2004-10-13]

Zum Kampfe mit dem Drachen
Mach ich mich jetzt bereit,
Der aus dem weiten Rachen
Den gift'gen Geifer speit.

Das ist der Pietismus,
Der neue Welttyrann;
Der neueste Papismus
Mit Interdikt1 und Bann.

Wenn selbst die Majestäten
Ganz allerhöchst geruhn,
Vor ihr im Staub zu beten
Was soll das Volk dann tun?

O schwing' die Weihrauchfässer,
Chorknabenschwarm der Zeit!
Es sehn die Herrn ja besser
In Dunst und Dunkelheit.

Das sind die Pharisäer,
Voll falscher Heuchelei,
Die Häscher und die Späher
Geheimer Polizei.

Die fromme Kirchenzeitung
Ist ihnen Schild und Speer;
In Luzifers Begleitung
Erscheint der Redakteur.

Im Sumpfe der Geschichte
Singt es sein Unkenlied,
Dies giftige Gezüchte,
Das stets die Sonne flieht.

Die Nacht hat es geboren;
Der Nacht es dienen muss.
Es steht an ihren Toren
Ein treuer Cerberus2.

"O mag", so fleht es brünstig,
"Sich Wöllner's3 Zeit erneu'n!"
Die Aktien stehen günstig; —
Ihr Frommen könnt euch freu'n.

Erläuterungen:

1 Interdikt: auch kleine Exkommunikation oder Gottesdienstverbot: Verbot kirchlicher Amtshandlungen als Strafe für ein Vergehen gegen Kirchenrecht.

2 Cerberus: Höllenhund, der den Eingang zur Unterwelt bewacht

3 Wöllner

"Wöllner, Johann Christoph von, preuß. Staatsmann, geb. 19. Mai 1732 in Döbritz bei Spandau, gest. 10. Sept. 1800 in Großkietz bei Beeskow, Sohn eines Predigers, studierte seit 1749 in Halle Theologie, war Hofmeister beim General v. Itzenplitz, 1754-60 Prediger in Großbehnitz bei Berlin, pachtete die Itzenplitzschen Güter und heiratete 1768 die einzige Tochter des Generals v. Itzenplitz. Er schrieb: »Die Aufhebung der Gemeinheiten in der Mark Brandenburg« (1766) und für Nicolais »Bibliothek über landwirtschaftliche Fragen«. 1770 zum Rat bei der Domänenkammer des Prinzen Heinrich ernannt, erwarb er sich die Gunst des Thronfolgers Friedrich Wilhelm II., ward bei dessen Thronbesteigung Geheimer Finanz-, Kriegs- und Domänenrat sowie Oberhofbau-Intendant und erhielt den Adel. Seit 1788 Staats- und Justizminister und Chef des geistlichen Departements, erhielt er sich durch seine Teilnahme an vielen geheimen Ordensverbindungen in der Gunst des Königs, beeinflußte ihn stark und benutzte seine Macht, um die lutherische Orthodoxie zu fördern und die der Aufklärung zu bekämpfen; diesem Zwecke diente das berüchtigte sogen. Wöllnersche Religionsedikt vom 9. Juli 1788 (27. Dez. 1797 wieder aufgehoben), das jede Abweichung von den Lehren der symbolischen Bücher mit bürgerlichen Strafen und Amtsentsetzung bedrohte. Nach dem Tode Friedrich Wilhelms II. entlassen, lebte W. auf einem seiner Güter."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

[Quelle: Wider Pfaffen und Jesuiten, Wider Mucker und Pietisten! : Eine Anthologie aus der Blütezeit der politischen Dichtkunst in Deutschland 1830-1850 / Hrsg. von Politicus. -- Frankfurt a. M. : Neuer Frankf. Verl., 1914. -- 224 S. -- (Bibliothek der Aufklärung). -- S. 57f.]


Rudolf von Gottschall (1823 - 1909): Lehrfreiheit. -- 1849

"Demagogen, Jakobiner,
Dieses Volk wird immer kühner,
Dieses Brutnest der Titanen
Rekrutiert stets neu die Fahnen
Mit verwegnen Erdenwürmern,
Mit modernen Himmelsstürmern,
Und die jungen Hegelingen,
Die ins Herz der Weisheit dringen,
Die so frech am Heilgen makeln,
Neues in die Welt orakeln,
Und zertrümmern alle Schranken;
Diese Marats der Gedanken,
Die mit Guillotinenmessern
Die verderbte Welt verbessern:
Diese soll man reden lassen
Vor dem Volk auf allen Gassen?
Diese offnen Atheisten,
Die ein Gräuel allen Christen,
Sollen, ohne dass wir's wehren,
Unsrer Jugend Herz betören,
Bis die Jakobinermützen
Uns auf allen Köpfen sitzen?
Gab es doch noch Scheiterhaufen,
Diese Heiden umzutaufen!
Doch des Glaubens letzte Funken
Sind ja längst in Nacht versunken
Und der grause Fürst der Hölle
Trat ja längst an Gottes Stelle!
O ihr hingeschwundnen Tage!
Wie ein Märchen, eine Sage,
Tönt ihr jetzt in unsre Ohren!
Schöne Zeit, die uns verloren,
Zeit der Kirche, Zeit der Frommen,
Wirst du nimmer wiederkommen,
Aus des Grabes Leichenhülle
Auferstehn in Hoheitsfülle,
Und uns mit des Himmels Blitzen
Gegen diese Katzen schützen,
Die noch ärger als Hussiten
In der Kirche Herzblut wüten,
Frecher noch als Sanskulotten
Alles Heilige verspotten,
Und mit schamlos kecker Stirne
Die Vernunft, die kecke Dirne,
Mit verbuhltem Blick verehren,
Für den neuen Gott erklären!
Strauß und Feuerbach und Bauer!
Uns ergreift ein heilger Schauer.
An den Schandpfahl muss man stellen
Diese lockeren Gesellen.
Doch, wir sollen ihnen schmeicheln,
Mit der Hand sie freundlich streicheln,
Aufs Katheder sie verpflanzen,
Ganz nach ihrer Pfeife tanzen,
Wohl noch gar mit Gold bezahlen
Ihre Lehren! — — — —
Anathema! Fort mit ihnen!
Leute gibt's genug zum Dienen."

Nun sind's Ex-Privat-Dozenten,
Leben von des Geistes Renten.
Schadenfroh mit Hohngelächter
Jubeln jetzt die Zionswächter,
Die in ihren reichen Pfründen
Ihren Erdenhimmel finden.
Jubelt nur, ihr armen Toren,
Die ihr, taub und blind geboren,
Nicht vernehmt des Geistes Mahnen,
Nicht erblickt der Freiheit Fahnen!
Jene Kämpfer für das Wahre,
Treu dem Geiste bis zur Bahre,
Nicht belohnt von Fürstengolde,
Stehn in eines Höhern Solde,
Sind die mächtgen Weltbeweger,
Sind der Menschheit Fahnenträger;
Dürfen nicht wie Lohnlakaien,
Sich im Herrendienst kasteien,
Schneiden gläubige Gesichter,
putzen ausgebrannte Lichter,
Leuchten mit den kurzen Stumpfen;
Nein, mit andern, bessern Trumpfen
Spielen sie: mit Wahrheit, Freiheit,
Nicht mit jener Himmelsdreiheit!
Aus sind jene Wiegenlieder,
Die der kräftgen Zeit zuwider,
Und mit jenen Kindersuppen
Füttert eure Himmelspuppen!

Auf dem Tabor der Geschichte,
Mit verklärtem Angesichte,
Stehn die echten Gottgesandten,
Die Verjagten, die Verbannten,
Stehn im brünstigen Gebete,
Hingewandt zur Morgenröte,
Denn es muss die Nacht entschwinden,
Und der Tag sein Licht entzünden,
Das in ewig heitrer Klarheit
Leuchtet, ein Gestirn der Wahrheit,
Das der Träume süß Entzücken
Bannt von den befangnen Blicken,
Das uns führt in reinem Glanze,
Nicht in nächtgem Irrlichttanze,
Das uns lehrt das Leben tragen,
Wenn auch nie die Himmel tagen,
Bis wir, glücklich selbst in Schmerzen,
Gern des Himmels Glück verschmerzen,
Dieser Erde freie Söhne,
Uns erfreun an ihrer Schöne,
Und nach ihrer Gunst nur trachten,
Nimmer nach dem Jenseits schmachten.
Nur den frommen Himmelskranken
Ziemen solche Nachtgedanken,
Aus der Erde Jammertale
Nach des Himmels goldnem Strahle
Sich mit Klagen und mit Tränen
Weibisch, schwächlich hinzusehnen,
Fern der Zeiten Feuerstreben,
Nur in süßem Traum zu leben,
Mit der Bürde alter Sagen
Mühsam sich herumzutragen,
Mit dem Kram und mit dem Plunder
Wirrer Mythen, grauer Wunder
Schachernd, wie ein Krämpeljude
In der morschen Bretterbude.

Höret auf, die Zeit zu preisen!
Denn es stirbt, gleich jenen Weisen,
Immer noch der Lichtgedanke
Traurig an dem Schirlingstranke,
Und des Zynikers Laterne
Hält der Staat sich weislich ferne,
Denn er leidet im Gesichte
Keinen Widerschein vom Lichte.
Doch die Helden müssen siegen,
Die den alten Wahn bekriegen.
Ihre guten Schwerter blitzen,
Um die Freiheit stets zu schützen,
Und die lichten Banner wehen
Auf den morgenroten Höhen.
Rührt die Trommel, gebt das Zeichen!
Schlagt das Kampfschild an die Eichen,
Wie es einst in alten Tagen
Ward mit Donnerklang geschlagen!
Biedres Urvolk der Germanen,
Eile zu der Freiheit Fahnen!
Wusstest du dich vor Tartaren
Und vor Hunnen zu bewahren,
Wirst du endlich auch vor Pfaffen
Einmal Ruhe dir verschaffen.

[Quelle: Wider Pfaffen und Jesuiten, Wider Mucker und Pietisten! : Eine Anthologie aus der Blütezeit der politischen Dichtkunst in Deutschland 1830-1850 / Hrsg. von Politicus. -- Frankfurt a. M. : Neuer Frankf. Verl., 1914. -- 224 S. -- (Bibliothek der Aufklärung). -- S. 64ff.]


Georg Herwegh (1817 - 1875): Mein Deutschland, strecke die Glieder! -- 1849

Mein Deutschland, strecke die Glieder
Ins alte Bett, so warm und weich;
Die Augen fallen dir nieder,
Du schläfriges deutsches Reich.

Hast lange geschrien dich heiser -
Nun schenke dir Gott die ewige Ruh!
Dich spitzt ein deutscher Kaiser
Pyramidalisch zu.

O Freiheit, die wir meinen,
O deutscher Kaiser, sei gegrüßt!
Wir haben auch nicht einen
Zaunkönig eingebüßt.

Sie sind uns alle verblieben;
Und als wir nach dem Sturm gezählt
Die Häupter unsrer Lieben,
Kein einziges hat gefehlt.

Deutschland nimmt nur die Hüte
Den Königen ab, das genügt ihm schon;
Der Deutsche macht in Güte
Die Revolution.

Die Professoren reißen
Uns weder Thron noch Altar ein;
Auch ist der Stein der Weisen
Kein deutscher Pflasterstein.

Wir haben, was wir brauchen;
Gesegnet sei der Völkerlenz!
Wir dürfen auch ferner rauchen
In unsrer Residenz.

Wir haben Wrangels1 Säbel,
Berlin und seinen Wolkensteg;
Das Maultier sucht im Nebel
Noch immer seinen Weg.

Wie freun sich die Eunuchen!
Die bilden jetzo den ersten Stand,
Der Welcker2 frisst die Kuchen
Den Königen aus der Hand.

Du hältst dir einen Gesandten,
Deutschland, im Stillen Ozean
Und fühlest den Elefanten
In Indien auf den Zahn.

Die Fragen sind erledigt,
Die Pfaffen machen bim bam bum;
Den Armen wird gepredigt
Das Evangelium.

Wir bauen dem lieben Gotte
Den hohen Dom zu Cöllen3 aus
Und geben eine Flotte
Auf Subskription heraus.

Die schwarz-rot-goldnen Wimpel
Besorgt der Jakob Venedey4,
Als Wappen nahm er den Gimpe5l,
Sein eignes Konterfei.

Fünfhundert Narrenschellen
Zu Frankfurt spielen die Melodie:
Das Schiff streicht durch die Wellen
Der deutschen Phantasie.

Erläuterungen:

1 Friedrich Heinrich Ernst Graf von Wrangel, genannt "Papa Wrangel" bzw. "der alte Wrangel", (1784 - 1877): preußischer Offizier mit Kampfeinsätzen in den Napoleonischen Kriegen. 1848 war er Kommandeur der Truppen in Schleswig-Holstein.

2 Carl Theodor Georg Philipp Welcker (1790 - 1869): Universitätsprofessor und liberaler Politiker. Welcker war einer der führenden Vertreter des süddeutschen Liberalismus. Von 1831-1851 war er Mitglied eer ersten badischen Kammer, 1848-1849 gehörte er der Frankfurter Nationalversammlung an.

3 Bezieht sich auf den Fertigbau des Kölner Doms ab 1842

4  Jakob Venedey (1805 - 1871): deutscher Schriftsteller und Jurist, mußte wegen seiner Schrift »Über Geschwornengerichte« (Köln 1832) Preußen verlassen, ward als Beteiligter an dem Hambacher Fest im Herbst d. J. zu Mannheim verhaftet, entkam aus dem Gefängnis zu Frankenthal und lebte bis 1843 in Frankreich, sodann in England, kehrte im Februar 1848 nach Deutschland zurück, nahm am Vorparlament teil, gehörte im Fünfzigerausschuss wie in der Nationalversammlung zu den Führern der Linken und zur großdeutschen Partei. Dann lebte er in Bonn, seit Herbst 1853 in Zürich, seit 1855 in Heidelberg und zuletzt in Oberweiler bei Badenweiler.

5 Gimpel: einfältiger Mensch. Hergenommen vom gleichnamigen Vogel (»Dompfaff«) wegen seiner ungeschickten Sprünge auf der Erde (gumpen = hüpfen), auch wegen seiner Vertrauensseligkeit [Küpper: Wörterbuch der Umgangssprache]


1850


Ludwig Pfau (1821 - 1894): Lied vom Gottesgnadenfritz. -- 1850


Abb.: "Alte Professoren der alten Geschichten wollen dem jungen demokratischen Deutschland ihre verschimmelte Idee eines erblichen deutschen Kaisers aufdringen". -- Karikatur auf den Gottesgnadenfritz Friedrich Wilhelm IV. (hier als Schafskopf dargestellt). [Bildquelle: http://www.zum.de/Faecher/G/BW/Landeskunde/rhein/geschichte/1848/verfassung2.htm. -- Zugriff am 2004-11-06]

Das ist der Gottesgnadenfritz,
Von dem will ich euch melden:
Als Hahn im Korb ein schlechter Witz,
Hat er den Bauch des Helden.
Er ist der Fürsten Fürste,
Die Blunz im Kreis der Würste -
Er hat den Kopf voll Grütz, potz Blitz!
Der Gottesgnadenfritz.

Des Morgens trinkt er einen Schnaps
Und tut was oktroyieren;
Des Mittags hat er einen Taps
Und tut sich was blamieren.
Nachts beim Champagnerglase,
Da fällt er auf die Nase -
Spar Höherm deinen Hals, potz Blitz!
Du Gottesgnadenfritz.

So treibt's der Gottesgnadenfritz,
Er lebt auf allen Vieren;
Er wackelt sehr auf seinem Sitz,
Das fährt ihm in die Nieren.
»He!« ruft er, »komm und höre,
Du Volk! was ich dir schwöre!« -
Das Halten nur vergisst, potz Blitz!
Der Gottesgnadenfritz.

Komödie spielt er früh und spat,
Potent im Deklamieren;
Die Hungernden in seinem Staat,
Die lässt er füsilieren.
Denn gegen Demokraten
Gab ihm der Herr Soldaten —
Er dient ja nur dem Herrn, potz Blitz!
Der Gottesgnadenfritz.

Das ist der Gottesgnadenfritz,
Sein Mut ist immer heiter;
Denn auf dem Helme, hoch und spitz,
Trägt er den Blitzableiter:
Ja trau du nur dem Wetter,
Du aller Narren Vetter! —
Dir schlägt er doch ins Hirn, der Blitz,
O Gottesgnadenfritz!

Erläuterungen: Gottesgnadenfritz = Friedrich Wilhelm IV. König von Preußen von 1840 bis 1861

"Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen, geb. 15. Okt. 1795, gest. 2. Jan. 1861, Sohn des vorigen und der Königin Luise, entwickelte unter der Leitung seiner geist- und gemütvollen Mutter seine reiche, für das Edle und Schöne empfängliche Begabung, wurde von I. F. G. Delbrück und dann von Ancillon, der seine Hinneigung zur Romantik beförderte, in den Schulwissenschaften und der Philosophie, von Scharnhorst und Knesebeck in den Militärwissenschaften und von Niebuhr in der Finanzkunde unterrichtet und trieb Rechts- und Staatswissenschaft unter Savigny, Niebuhr und Lancizolle, während Schinkel und Rauch sein Talent für die zeichnenden Künste ausbildeten und den Kunstsinn in ihm entwickelten. Den meisten Hauptschlachten der Feldzüge von 1813 und 1814 wohnte er bei, wurde frühzeitig Militärgouverneur und Statthalter der Provinz Pommern und nahm an den Sitzungen des Staatsrats und des Staatsministeriums teil. Ein Aufenthalt in Paris und eine Reise nach Italien 1828, wo er die Protektion des damals durch E. Gerhard in Anregung gebrachten Instituts für archäologische Korrespondenz übernahm, regten seinen Kunstsinn an, aber daneben entwickelte sich immer mehr jene mittelalterlich-romantische Geistesrichtung, die sich bereits 1823 in seinem Anteil an der Provinzialständeordnung (er war Präsident der mit ihrer Ausarbeitung beauftragten Kommission) und später in seiner Begünstigung des Adels und der Majorate bekundete. Nicht nur Preußen, sondern auch Deutschland hoffte viel von F. W., als er 7. Juni 1840 den Thron bestieg. Bald erkannte er das königliche Versprechen seines Vaters, dem Land eine zeitgemäße repräsentative Verfassung zu geben, durch öffentliche Proklamation an, begnadigte eine Anzahl wegen politischer Vergehen Verurteilter, setzte Arndt in Bonn in seine Professur wieder ein, berief Boyen und I. A. F. Eichhorn zu Ministern, zog berühmte Vertreter der Literatur und Kunst, wie A. W. v. Schlegel, Tieck, Rückert, Schelling, Cornelius, Mendelssohn-Bartholdy etc., in seine Nähe und stiftete eine Friedensklasse des Ordens pour le mérite für die berühmtesten Gelehrten und Künstler Deutschlands und des Auslandes. Die provinzialständische Verfassung wurde durch die Errichtung von Ausschüssen erweitert, der Presse eine freiere Bewegung gestattet, auch die Erzbischöfe Dunin und Droste-Vischering in ihre Würden wieder eingesetzt, den Altlutheranern und andern der Union widerstrebenden Sekten freierer Spielraum gegönnt, strengere Sonntagsfeier eingeführt, mehrere freisinnige Professoren abgesetzt, alles Zeichen großer Nachgiebigkeit gegen orthodoxe und ultramontane Einflüsse. Von der Richtigkeit seiner Anschauungen überzeugt, ließ er der Kritik seiner Maßregeln anfangs freien Lauf, empfand aber ihre Schärfe oft bitter und schritt mit Polizeimaßregeln ein. Den Wunsch des Volkes, einen Landtag für den ganzen preußischen Staat zu besitzen, wies der König beharrlich zurück, da nur »die provinzial- und kreisständische Verfassung eine auf deutschem Boden ruhende geschichtliche Grundlage habe, die Grundlage ständischer Gliederung, wie diese durch die überall berücksichtigten Veränderungen der Zeit gestaltet worden«. F. W., von einer überspannten Vorstellung seiner königlichen Machtvollkommenheit beherrscht, ohne Verständnis für die Grundlagen und Aufgaben des preußischen Staates und für seine Pflichten als Oberhaupt, beschäftigte sich viel mit kirchlichen Fragen, der Mission in China und dem evangelischen Bistum in Jerusalem und vernachlässigte die beiden Grundsäulen der alten absoluten Monarchie, das Beamtentum und das Heer. Sein leidenschaftlicher Hass gegen die Revolution und den Liberalismus begründete seine Abneigung gegen den Konstitutionalismus, und als von den Provinziallandtagen der ostpreußische und der rheinische energisch Erweiterung ihrer Rechte verlangten, auch eine Anleihe notwendig wurde, entschloss er sich, durch Patent vom 3. Febr. 1847 die längst verheißenen Reichsstände zu berufen, sprach aber in der Eröffnungsrede dieses »vereinigten Landtags« (11. April) offen aus, dass er keine dauernde Einrichtung sein solle. Erst die Revolution vom März 1848 trieb den König zu Reformen. Dem blutigen Straßenkampf in Berlin (18. März), während dessen er aus Scheu vor Blutvergießen keine Energie entfaltete, folgten der Umritt des Königs mit der deutschen Fahne (21. März) und die Erklärung, welche die Sache Schleswig-Holsteins zur Angelegenheit Preußens machte. Die tumultuarischen, für ihn beleidigenden Vorgänge des Jahres 1848 ertrug der König mit Resignation, bis er mit der Verlegung der preußischen Nationalversammlung (November 1848) seine Autorität wieder herstellen konnte. Die ihm vom Frankfurter Parlament angebotene Kaiserkrone lehnte er als ein Geschenk der verhassten Revolution erst bedingt, dann unbedingt ab und suchte, von Radowitz beraten, eine deutsche Union unter Preußens Führung herzustellen. Doch wich er 1850 vor Österreichs Drohungen zurück, unterwarf sich dem alten Bundestag und gab Kurhessen und Schleswig-Holstein preis. In Preußen selbst ward die Verfassungsangelegenheit durch eine Revision des am 5. Dez. 1848 oktroyierten Entwurfs fürs erste abgeschlossen (31. Jan. 1850); indes stellte er seine persönliche Regierung wieder her, da die Minister Ausführer seines Willens waren, leitete aber den Staat seit 1848 ohne lebhafteres Interesse. Auch seine auswärtige Politik, namentlich im Krimkrieg, in dem er zu Russland hielt, fand nicht den Beifall der Nation. Neuenburgs wegen 1856 einen Krieg zu beginnen, wurde er zum Glück nach abgehalten. Tschech (26. Juli 1844) und ein abgedankter Soldat, Sefeloge (22. Mai 1850), unternahmen Attentate auf sein Leben, beide ohne politische Motive. Seit dem Spätsommer 1857 an Gehirnerweichung leidend, übertrug er im Oktober die Stellvertretung in der Regierung seinem Bruder Wilhelm, Prinzen von Preußen, provisorisch, sodann, nachdem er vergeblich in Meran Hilfe gesucht, 7. Okt. 1858 endgültig, hielt sich im Winter 1858/59 in Italien auf und starb 1861 in Sanssouci. Seine Regierung ist zwar erfüllt von wichtigen Ereignissen, sein persönlicher Anteil daran indes meist ein passiver. F. Wilhelms bedeutenden geistigen Gaben, die sich auch in seinem lebhaften Interesse für alles und seinem witzigen, an regenden Gespräch kundgaben, verdankt Preußen, namentlich Berlin und Potsdam, herrliche Kunstschöpfungen. Seine Reden, Proklamationen etc. seit 6. März 1848 bis 31. Mai 1851 erschienen zu Berlin 1851. Vermählt war er seit 29. Nov. 1823 mit der Prinzessin Elisabeth von Bayern; die Ehe blieb kinderlos Sein Denkmal in der Siegesallee zu Berlin hat Karl Beyrs entworfen; ein anderes (von Bläser) steht vor dem Orangeriegebäude bei Potsdam."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

"Gottesgnadentum

Das Gottesgnadentum ist eine Begründung für monarchische Herrschaftsansprüche. Der Begriff entwickelte sich aus dem Titelzusatz Dei Gratia ("von Gottes Gnaden").

Das Gottesgnadentum beinhaltet die Legitimation des Herrschers durch den Willen Gottes. Er ist daher weder absetzbar noch in einer anderen Weise an der Ausübung seiner Regentschaft zu hindern. Prominente Beispiele sind: Ludwig XIV. von Frankreich, Friedrich Wilhelm IV. von Preußen oder die russischen Zaren.

Das Gottesgnadentum wird aus der Bibel abgeleitet, genauer aus dem Brief des Paulus an die Römer (Römer 13, Pflichten gegenüber dem Staat). Die Grundlage bildet die Vorstellung, dass jede staatliche Gewalt von Gott verliehen ist und ein Widerstand gegen diese Gewalt ein Verstoß gegen den Willen Gottes darstellt.

Noch König Ludwig II. von Bayern griff im 19. Jahrhundert auf die Vorstellung vom Gottesgnadentum zurück, als er im Schloss Neuschwanstein den Thronsaal nach der Form einer byzantinischen Kirche errichten ließ und einen Thron an die Stelle eines Altares setzen wollte, der jedoch nie fertiggestellt wurde."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Gottesgnadentum. -- Zugriff am 2004-11-06]


Theodor Fontane (1819-1898): Berlin 1850. -- 1850?

Pfingsten ist das Fest der Freude
Das da feiern Wald und Heide
Uhland

Pfingsten war's! Nach langen Jahren
Kehrt' ich heim zur Vaterstadt,
Hatte Sehnsucht nach den Laren
Und die Fremde herzlich satt.
Tanzte schon im Kolosseum,
Rutschte schon im Tivoli,
Schlürfte Kaffee im Odeum
Und Bouillon bei Stehely.

Fröhlich kam ich hergeschlendert
Durch das Anhaltiner Tor,
Gott, wie kam mir so verändert
Alles in den Straßen vor.
Todesstille allerorten;
Nur ein Polizistenpaar
Forschte nach, ob hier und dorten
Noch ein Laden offen war.

Vor dem elterlichen Hause
Stand ich endlich im Portal,
Schellte dann mit mancher Pause
Wohl ein halbes Dutzend mal.
»Das ist ja zum Geierholen!
Aufgemacht! Potzsapperment,
Steh' hier draußen wie auf Kohlen,
Aufgemacht! Mordelement.«

Endlich kroch des Hauses Stütze,
Ein erkrankter Greis hervor,
Eine weiße Zipfelmütze
Zog er über Stirn und Ohr.
»Welch ein Fluchen! wie beschädigt,
Wie verdorben bist du Kind,
Bete, bete geh zur Predigt,
Wo die Hausbewohner sind.«

Schier verwundert ging ich weiter,
Und es war mir just im Sinn
Nicht so lustig und so heiter,
Wie ich das gewöhnlich bin.
Langeweile, Durst und Ärger
Trieben mich ins Türk'sche Zelt,
Wo ich schnell Johannisberger,
Vierunddreiß'ger, mir bestellt.

Aber ach, den toten Wänden
Sprach ich mein Verlangen aus,
Denn von dienstbeflissnen Händen
Fand ich keine dort zu Haus.
Endlich ließ im schwarzen Fracke
Sich ein Kellner vor mir sehn,
Eine furchtbar dicke Backe
Ließ ihn nicht zur Kirche gehn.

Und ich fordre heftig wieder
Meinen Vierunddreiß'ger mir;
Sieh, da sinkt der Kellner nieder
Und ohnmächtig wird er schier.
»Gott im Himmel«, ruft er kläglich,
»Geh nicht mit ihm ins Gericht,
Trinken will er feiertäglich!
Ach, er weiß nicht, was er spricht.«

Lächelnd meint' ich: »Nun, mit Biere
Will ich auch zufrieden sein,
Aber brocke mir Lektüre
In den Gerstensaft hinein.«
Er verklärte sich; die Bibel
Bracht' er freudestrahlend mir,
Ein Gesangbuch, eine Fibel,
Aber Wasser nur statt Bier.

Doch das schien mir zu vergnüglich
Und ein nicht verdientes Glück,
Ich begab mich unverzüglich
In die fromme Stadt zurück.
Dorten wurde höchst moralisch
Ganz urplötzlich mir zu Sinn,
Oder war's nur theatralisch,
Kurz, ich ging zur Kirche hin.

Wunderbar! Zur Andacht riefen
Priesterwort und Orgelton,
Aber die Berliner schliefen
Allesamt und schnarchten schon.
Mir zur Seite sprach im Traume
Eine Köchin äußerst fromm:
»Wilhelm, komm! im jrienen Baume
Ist Musik und Tanz; o, komm!«


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876): Kaspar, der Mensch <Auszug>. -- 1850

Kaspar: Hoch die Freiheit!
Jule (erschreckt): Ha, der Pilger! Alles lauscht jetzt seinem Wort!
Kaspar (hinauseilend): Reaktion! Ich wittre Pfaffen! Demokraten, folgt mir! Fort!

Verwandlung.

Letzte Szene.

Volk. Soldaten. Ein Pilger. Kaspar. Chor der Reformer. Chor der Steuerreicher. Nanuu. Wees-nich. Chor der Geheimenräte usw.

Der Pilger (auf einer Erhöhung):

Im Namen Mahommeds erhebe ich
Zu euch die Stimme. Hört mich, ich bin fromm!
Hoch preis' auch ich die Freiheit, aber ....

Kaspar (höhnisch): Aber?

Der Pilger:

Nicht Zügellosigkeit, nicht Anarchie!
Die Freiheit ist ein schöner Strom; im Bette
Der Ordnung, des Gesetzes und des Glaubens
Befruchtet er die Länder, treibt das Volk,
Das so wie er die eis'gen Fesseln sprengte,
Zu schöpferischer Tat, führt dessen Sorge
Hinaus, das Glück herein, wehrt ab den Feind,
Spiegelt den Himmel und rauscht Dankgebete
Zu Gott, zu Dem hinauf all' seiner Schiffe
Masten deuten, ja zu Gott hinauf,
Der Herr ist aller Könige und Priester
Und unter ihnen die erhabene, die wahre
Freiheit beschützt und blühen lässt. So, Freunde,
So rede ich im Namen des Propheten,
Und meine Seele jubelt ob des Siegs,
Den ihr errangt, und ich bin fromm, und nur,
Nur wo die Frommen jubeln, da ist Segen!
Denn, weh! der Strom tritt aus dem Bett des Glaubens,
Der Ordnung, des Gesetzes! Weh' mir! Weh' uns!
Die Anarchie erhebt ihr Furienhaupt;
Man achtet der Gesalbten nicht des Herrn;
Freiheit wird Frechheit; nieder reißt der Strom
Des Ufers schmucke Häuser! Höher steigt
Die Flut und Wut. Vergebens schwört der Fürst —
Und was er schwört, er hält's, denn er ist fromm
Wie ich es bin — dem Land die herrlich-breit'ste
Konstitution zu geben. Mord sinnt man,
Mord gegen ihn und seine hohen Ritter!
Man reißt der Krone, deren Glanz der Glanz
Des Landes, alle Edelsteine aus
Und wirft sie in den Schlund des wilden Stromes.
Was färbt die Flut, die unaufhaltsam Alles
Zerstört und niederreißt, plötzlich so rot?
»Wo ist mein Gatte?« ruft, die Hände ringend,
Das arme Weib. »Wo ist mein Vater hin?«
Der Sohn, die Tochter. »Wo mein blühend Kind?«
Schreit dort die unglücksel'ge Mutter, unter
Den Trümmern ihrer einst so trauten Hütte
Die zarte Knospe ihres Lebens suchend
Und ihres Glück's. Mord, teuflisch frecher Mord
Ist heilig Werk! Wer nicht das allgemeine
Verbrechen teilt, nur Der gilt als Verbrecher
Dem Räuberregiment. Gier läuft des Hungers
Heulender Wolf umher. Verwüstet durch
Die Wogen der Empörung liegt das Feld;
Die grünen Saaten sind verschlammt. Verdammt
Ist Alles rings, was gottgesegnet wäre
In wahrer Freiheit, in Gesetz und Glauben!
Drum wer, wie ich, ein frommer, schlichter Mann,
Des Herz — von Liebe für das Volk erfüllt —
Ersetzen muss die Kunst und Macht der Rede;
Wer, so wie ich, nicht Anarchie und Mord,
Wer nicht den Untergang des blüh'nden Staats,
Des Glaubens unsrer Väter, der Gesellschaft;
Wer Frechheit nicht, wer wahre Freiheit will,
Der schützt hier den Palast des angestammten
Kalifen, schützt die Tempel des Propheten,
Schützt mit der Waffe Ordnung und Gesetz,
Und durch's Gesetz sich selbst, sein Weib,
Sein Eigentum, das Leben seiner Kinder;
Der ruft mit mir: Hoch Gott und Fürst und Volk!

(Rabengekrächz in der Luft.)

Nanuu, Wees-nich, Chor der Geheimenräthe und viele Stimmen: Hoch Gott und Fürst und Volk!

Der Pilger: Dank euch, ihr Männer! Nun an unsre Pflicht!

Kaspar (ihn betrachtend): Wer, Teufel, ist das, ist er's selber nicht?

Einzelne Stimmen: Nieder mit dem Tyrannen! Es lebe der freie Volksstaat! Es lebe die Vernunft!

Eine Stimme: Hoch soll der Khalif — schweben!

Eine andre Stimme: Und seine Gattin daneben!

Eine dritte Stimme: Zum Teufel mit allen Verrätern und Unterdrückern!

Viele Stimmen: Es lebe Harun al Meyer! Gepriesen sei der Prophet! Hoch die wahre Freiheit!

Harun al Meyer (vom Balkon des Schlosses): Es lebe mein treues Volk! Es lebe die Freiheit!

Viele Stimmen (enthusiastisch): Hoch! Hoch! Hoch!

Harun al Meyer: Es lebe die Freiheit im Glauben und in der Hoffnung!

Viele Stimmen (noch enthusiastischer): Hoch Harun al Meyer!

Kaspar (der sich bis zum Pilger vordrängt):

Jetzt muss ich heraus doch schälen den Kern, der so fromm-jesuitisch bedeckt ist.
Platz, törigtes Volk! Gib Acht, welch' Schuft hier unter der Kutte versteckt ist!
Rasch ab mit dem Lappen! Da hast Du ihn, Volk, leibhaftig im höllischen Glanze!

Das Volk: Welch Wunder! Der Teufel!

Kaspar:

Der Teufel, ja wohl! Ja, ich halt' ihn schon hinten am Schwanze!
Nun seht den Zeloten1 der Ordnung euch an, der Ordnung, in die wir gebannt sind,
Und in der wir uns quälen und martern für Die, die mit Ihm, mit dem Teufel verwandt sind!
Nun seht den Gesalbten der Ruhe euch an, durch Mord und Kanonen verkündet,
Durch Rache geheiligt, in Ketten gewiegt, auf Eidbruch dauernd gegründet!
Nun seht den Apostel des Glaubens euch an, des Gesetzes, mit dem sie uns fesseln,
Um die Rosen des Lebens zu pflücken für sich, uns züchtend und fütternd mit Nesseln!
Schaut her auf den Ahn- und Schutz-Herrn Der von Satans und Satanasgnaden,
Der uns lehrt, dass die Früchte der Arbeit und Kraft höchst schädlich sei'n ohne die Maden!
Schaut her auf den Priester der Konservation, des Sumpfs mit dem hüpfenden Irrlicht,
Der die Freiheit hinkel- und maledei't, abwrangelt, verohmt und bepiersigt!2
Der die Demokratie — die endlich zur Tat will bringen die  Phrase der Liebe —
So verläumdet als ob in dem Staate des Volks wie im jetz'gen der Räuber es bliebe!
Der die Lehre der höheren Sitte, des Glücks und der Würde der Menschheit so schildert,
Als wäre sie wie das geritt'ne Prinzip, so im Rückwärtskoller verwildert,
So despotisch entnervt, diplomatisch verrenkt, verproffessort und doktorverschriftet,
Polizeibureaukratzt und vom Speichel des Hofs und vom Geifer der Bonzen vergiftet,
So entbasser- und dahlmannt,3 russifizirt, und so ganz manteufflisch4 besessen,
So beschmiert und beschmerlingt,5 so haynaubesau't,6 so congreßlich,7 so zweckabgefressen,
Und so windischbegräzet,8 kanonisiert, so bephilippelt,9 mettergenichelt,10
So trierberockt11 und verpetitionirt, centrumdumm12-vetter-gemichelt,
Carlsbader-barbiert13 und befranzt und bezopft, pietistisch-germanisch-bechristelt,
So vergothagagernt,14 so faitaccomplirt,15 bundstäglich verinterimistelt,16
Und zuletzt noch vererfurt-umsimsonst17 ach! und vergerlacht und niklausepistelt!18
Schau her, Du so lange betrogenes Volk auf den Knutstaats-Apologeten,19
Der die Leiden der Menschheit kuriert mit Geduld-Klistieren und warmen Gebeten,
Mit verdrehten, zusammengekneteten Fürst- und Vertreter-Pasteten-Dekreten
Und, so diese vergebens, mit Kerker, Karbatsch',20 mit Kanonen, Raketen, Musketen!
Schaut her! Und so wahr es der Teufel ist, schießt, schlagt, prügelt ihn, bis er verreckt hier!
Auf, auf, Demokraten! Was starrt ihr ihn an? Auf, Freunde! Was steht so erschreckt ihr?

Erläuterungen:

1 Zeloten = Eiferer

2 hinkel- und maledei't, abwrangelt, verohmt und bepiersigt!: bezieht sich auf den Berliner Polizeipräsidenten Carl Ludwig von Hinkeldey (1805 - 1856); auf General Friedrich Heinrich Ernst von Wrangel (1784 - 1877), der den Belagerungszustand vollstreckte; auf Joseph Ohm und Friedrich August Piersieg, zwei Denunzianten und Fälscher.

3 entbasser- und dahlmannt: bezieht sich auf Friedrich Daniel Bassermann (1811 - 1855), Unterstaatssekretär im Reichsinnenministerium; und Friedrich Christoph Dahlmann, Historiker und rechtsliberaler Abgeordneter

4 manteufflisch: bezieht  sich auuf Otto von Manteuffel (1805 - 1882), gegenrevolutionärer preußischer Innenminister.

5 beschmerlingt: bezieht sich auf Anton von Schmerling (1805 - 1893), rechtsliberaler Politiker

6 haynaubesau't: Bezieht sich auf Julius von Haynau (1786 - 1853): antirevolutionärer, brutaler österreichischer Feldzeugmeister

7 congresslich: bezieht sich auf die beiden rektionären Kongresse 1850

8 windischbegräzet: bezieht sich auf Alfred zu Windischgrätz (1787 - 1862), Oberbefehlshaber der österreichischen gegenrevolutionären Truppen

9 bephilippelt: bezieht sich auf Johann Friedrich Hector Philippi (1802 -1880), Landgerichtspräsident

10 mettergenichelt: Bezieht sich auf Klemens Wenzel Lothar von Metternich (1773 - 1859), österreichischer restaurativer Staatskanzler

11 trierberockt: bezieht sich auf die Ausstellung des Heiligen Rocks in Trier 1844

12centrumdumm: bezieht sich auf das katholische Centrum

13Carlsbader-barbiert: bezieht sich auf die Karlsbader Beschlüsse, 1819

14 vergothagagernt: bezieht sich auf die Versammlung der erbkaiserlichen Partei in Gotha 1849 , und auf Wilhelm Heinrich Augustt von gagern (1799 - 1888), Führer der Erbkaiserpartei

15 faitaccomplirt: zu fait accompli = vollendete Tatsache

16 verinterimistelt: vorläufig geregelt

17 vererfurt-umsimsonst: bezieht sich auf das Erfurter Unions-Parlament 1850 und auf Martin Eduard Sigismund von Simson (1810 - 1899), Präsident des Volkshauses des Erfurter Unions-Parlaments

18 vergerlacht und niklausepistelt

19 Knutstaats-Apologeten: Verfechter des zaristischen, mit der Knute regierten Staates

20 Karbatsch': türkische Riemenpeitsche

Quelle der Anmerkungen:

Glaßbrenner, Adolf <1810 - 1876>: Unterrichtung der Nation : ausgewählte Werke und Briefe in drei Bänden ; mit zeitgenössischen Illustrationen / Adolf Glassbrenner. Hrsg. von Horst Denkler ... -- Köln : Informationspresse Leske, 1981. -- 3 Bde. -- Bd. 3. --ISBN 3-7632-2636-2. -- S. 164ff.


1851



Abb.: Das Kriegssignal. -- Karikatur von John Leech (1817 - 1864) auf William Gladstone und seinen Kampf gegen die geplante Aufhebung der Staatskirche in Irland. -- In: Punch. -- 1851

[Quelle: Fuchs, Eduard <1870 - 1940>: Die Karikatur der europäischen Völker vom Jahre 1848 bis zur Gegenwart. -- Berlin : Hofmann, 1903. -- 486 S. : Ill. -- S. 267]


Nikolaus Lenau (1802-1850): Schade!. -- 1851 (entstanden um 1838)

Schade, dass des Kreuzes Zeichen,
Das auf Golgatha gestanden
Zur Erlösung aus den Banden,
Nun dem Zensor dient zum Streichen!

Das Symbol ward uns verkehrt,
Höhnend steht es da und lehrt,
Dass wir lange noch vom Bösen
Hoffen dürfen kein Erlösen.


1853


Rudolf Rodt [= Ludwig Eichrodt (1827 - 1892)]: Blüte politischer Poesie aus dem vorigen Dezennium. -- 1853

Erste Hälfte

Wie lang noch soll ich rufen
Euch Schläfern in das Ohr?
Taucht aus des Geistes Kufen
Noch kein Gedank empor?
Verlottert ist die Schraube
An jedem Fürstenthron,
Bald taucht empor der Glaube
Der Revolution.

Hinweg mit euren Klostern,
Hinweg mit eurem Dom!
Es kommt ein neues Ostern,
Ein Ostern ohne Rom.
Es braust durch deutsche Lande
Die Botschaft des Advent,
Euch war' es ewig Schande,
Wenn sie euch schachmatt fand'.

Der Freiheit Acker düngten
Die Ritter schon St. Jörgs1,
Die Franklin2 und Washington3,
Die Donnerer des Bergs,
Die Husse4, Spartakusse5,
Die Decius6 des Tods
Mit dem Verräterkusse
Flieht die Ischarioths7!

Ich möcht' den Tag begehen,
Da jede Glocke ruft
Mit fürchterlichem Wehen
Die Tyrannei zur Gruft;
Da's von den Türmen schallte,
Was jedes Herz bekennt:
Geschlossen ist das alte,
Der Knechtschaft Testament.

Zweite Hälfte

Ade, ihr Biedermänner,
Die Blut, ein Tropfen, schreckt!
Kein Gott hat noch im Jänner
Den Frühling auferweckt.
Es gilt ein Aderlassen,
Ein' Tummelplatz der Wut,
Es werden alle Gassen
Strombette für das Blut!

Heran die Guillotine,
Heran das Beil des Volks;
Dein Heil, damit es grüne,
Proletariat verfolg's!
Der Strahl des Völkerlenzes
Bricht in die Nacht herein,
Ha, panem et circenses8!
Nachtmahl von Brod und Wein!

Der Herrscher Vielerleiheit
Tut nun und nimmer gut;
Wohlan! die Braut heißt Freiheit;
Der Bräutigam heißt Blut.
Und Priester sind die Henker
Und Altar das Schafott,
Jahrhundert du der Denker
Begrabe deinen Gott!

Den Samen der Betrüger
Verweht das Sturmgebraus -
Ihr aber, neue Pflüger,
Streut andern Samen aus.
Ihr wühlt mit freiem Pfluge
Und mit dem Ross der Wut,
Und Euer Arnold Ruge9
Jahrbücher schreibt mit Blut.

Erläuterungen:

1 St. Jörgs: Hl. Georg, der Drachentöter

"S. Georgius, M. (23. al. 24. April). Dieser hl. Martyrer Georgius wird in den Kirchen des Morgen- und Abendlandes als einer der größten und ruhmreichsten Blutzeugen verehrt. Er führt bei den Griechen den Beinamen Megalomartyr d. i. »Erzmartyrer«, wörtlich »großer Martyrer«. Nach Butler (V. 254) standen ehemals in Konstantinopel 5 bis 6 Kirchen seines Namens; eine derselben stieß an ein zur Seite der Propontis gelegenes Kloster, und daher bekam der Hellespont oder die Meerenge der Dardanellen den Namen »Arm des hl. Georgius«. Besonders ist sein Name in Russland hoch gefeiert, wo sein Bild als Herzschild im kaiserlichen Wappen sich findet. Vom äußersten Norden bis zum tiefsten Süden im ganzen Umfange der christlichen Welt verherrlichen Kirchen, Klöster, Altäre, Statuen, Bilder und Lieder sein glorreiches Zeugnis für den Herrn; ja sogar einem ganzen Lande (Georgien) hat er den Namen gegeben. Vom Volke wird er als Helfer in aller Not angerufen, und viele Wunder, besonders Siege in Schlachten gegen die Ungläubigen, werden seiner Fürbitte zugeschrieben. Vorzüglich war dieses in den Kreuzzügen der Fall, wo er gegen die Sarazenen wohl selbst in den Lüften kämpfend gesehen wurde. Er ist Hauptpatron von Genua und Schutzpatron von England. Das im J. 1222 zu Oxford gehaltene Concilium verordnete, dass sein Fest in ganz England ein gebotener Feiertag sein solle. Unter seinem Schutz hat König Eduard III. den im J. 1330 errichteten Orden des Hosenbandes (Garter) gesetzt, und auch in Bayern steht der Orden zur Verteidigung der unbefleckten Empfängnis Mariä unter seinem Schutze.

Bei all dem ist von seinem Leben wenig Sicheres bekannt. Die sogenannten »Akten«, die wir von ihm haben, sind unecht und verdienen, weil von Arianern geschmiedet, keinen Glauben; sie wurden deswegen auch auf einem Konzil zu Rom unter Papst Gelasius II. im J. 494 verworfen. Hieraus haben Einige den voreiligen Schluss gezogen, es habe nie ein hl. Georg existiert. Diese Annahme widerspricht jedoch aller vernünftigen Forschung. Oder wie könnte auf diese Art seine allgemeine und ununterbrochene Verehrung und das große, im Laufe der Zeiten stets zunehmende Vertrauen, das in allen Teilen der christlichen Welt seit dem Kaiser Constantinus auf seine Fürbitte gesetzt wurde, erklärt werden? Muss nicht vielmehr die Aufgabe einer echt wissenschaftlichen Kritik darin bestehen, das unzweifelhaft Historische von dem Sagenhaften abzuschälen und auf diese Art der Wahrheit möglichst nahe zu kommen? Dahin sind in der Tat auch die Bemühungen aller rechtgläubigen Forscher von jeher gerichtet gewesen.

Sicher ist hienach, dass der hl. Georg unter dem Kaiser Diocletian, wahrscheinlich beim Anfange der letzten blutigen Verfolgung im Jahr 303, zu Nikomedia litt. Nach dem Metaphrastes stammte er aus einer angesehenen Familie in Kappadozien und zog dann nach dem Tode seines Vaters mit seiner Muter nach Palästina, wo diese gebürtig war und bei Lydda (zwischen Joppe und Jerusalem) viele Besitzungen hatte. Dann nahm er Kriegsdienste und wurde vom Kaiser Diocletian zu hohen Ehrenstellen erhoben, später aber, da er sich als Christen erklärte, auf Befehl desselben zuvor grausam gemartert und dann enthauptet, was, wie schon bemerkt, nach Einigen zu Nikomedia, nach Andern zu Lydda geschah.)

Einige führen die Berühmtheit seines Namens auf die Erzählung des Eusebius zurück, worin er berichtet, ein vornehmer christlicher Jüngling habe die an den öffentlichen Plätzen der Stadt angeschlagenen Verfolgungs-Edikte abgerissen und sei der Erste der christlichen Helden geworden, die für den Glauben starben. Dass er vor seiner Enthauptung verschiedene schwere Martern erduldete, ist auch dann noch sicher, wenn wir alle von ihm vorhandenen »Akten« für Dichtungen erklären; denn die Liturgien, vor allen das Sacramentarium Gregors des Großen, wovon unten, sind unumstößliche historische Beweise für sein Martyrium. Hiemit freilich müssen die Leser sich begnügen.

Berühmt ist die Sage von dem erlegten Drachen und der hiedurch erfolgten Befreiung einer königlichen Jungfrau, welche nach Einigen Aja genannt wird, von der Todesgefahr. Sie entstand vermutlich, indem man ältere vorhandene Sagen des Heidentums an seinen Namen knüpfte, um ihnen hiedurch ein christliches Gepräge zu geben. Als Schauplatz des Kampfes wird bald Lydien, bald Kappadocien, bald die Umgebung von Berytus in Syrien genannt. Vor dem 12. Jahrhundert ist die Sage ganz unbekannt, während sie im 14. bereits allgemein verbreitet war. Namentlich in Deutschland fand sie überall bereitwillige Aufnahme; denn hier war die Sage »vom gehörnten Sigfrid« ihr natürlicher Boden. Sie fand in der Legende vom hl. Georg ihre christliche Bearbeitung. Anfänglich hatten auch die Bildnisse des Heiligen den Drachen nicht bei sich. Die Künstler wollten aber den Kampf dieses christlichen Helden symbolisieren, und was lag diesem Zwecke näher als die Überwindung des Drachen? Die Frauensperson bedeutet nach der Legende die Kaiserin Alexandra, welche durch das Beispiel und die Fürbitte des Heiligen bekehrt wurde.

Dass er, wie bemerkt, um des Namens Christi willen schwere Martern erduldet habe, geht aus dem Sacramentarium des hl. Papstes Gregorius I. hervor, worin es unter Anderm hieß: »Gott, für dessen Namens ehrwürdiges Bekenntnis der selige Martyr Georgius verschiedene Peinen ertragen und durch deren Besiegung die Krone der Ewigkeit verdient hat ...« Aus diesem Grunde wurde er früh schon, wie der alte Ordo Romanus bestätigt, in Kriegsgefahr zugleich mit den hhl. Mauritius und Sebastianus angerufen.

Ebenso alt ist die Verehrung seiner Reliquien, von welchen einige bereits durch die hl. Kaiserin Helena nach Rom gekommen sind. Dass so viele Städte sich rühmen, solche zu besitzen, darf uns nicht abhalten, die Echtheit vieler von ihnen anzuerkennen; »denn,« sagt der hl. Gregorius von Nazianz, »die Gläubigen ehren mit Frömmigkeit und heiliger Gesinnung den ganzen Leib, wo nur ein auch noch so geringes Stäubchen eines Heiligen sich befindet, da es ja dieselbe Kraft besitzt, wie der ganze Leib.« Dabei kann vielleicht zugegeben werden, dass die betreffende Kirche nicht eben von diesem hl. Georg Reliquien hat, sondern, weil sie überhaupt solche von irgend einem hl. Georg besitzt, diesen Erzmartyrer in denselben verehrt.

Im röm. Brevier findet sich sein Fest sub ritu dupl. am 23. April und am nämlichen Tage auch im Mart. Rom, wo es ausdrücklich heißt, dass die Kirche Gottes sein hochberühmtes Martyrium unter den Kronen der Martyrer verehre. In manchen Gegenden wird sein Fest am 24. April gefeiert, wie z. B. in der Diözese Augsburg, wo auf den 23. April das Fest des hl. Fidelis von Sigmaringen fällt.

Auf Bildern wird er gewöhnlich als Ritter zu Pferd dargestellt, wie er einen Drachen erlegt und dadurch eine Jungfrau befreit, die dem blutgierigen Drachen vorgeworfen werden sollte, um ihn von weiteren Landesverwüstungen abzuhalten etc.

Auf die Fürbitte des hl. Georg geschahen in allen Ländern unzählige Wunder, wie solche von den Bollandisten aus den sichersten Quellen erzählt werden. (III. 100-163.) "

[Quelle: Vollständiges Heiligen-Lexikon oder Lebensgeschichten aller Heiligen, Seligen etc. aller Orte und aller Jahrhunderte, deren Andenken in der katholischen Kirche gefeiert oder sonst geehrt wird, unter Bezugnahme auf das damit in Verbindung stehende Kritische, Alterthümliche, Liturgische und Symbolische, in alphabetischer Ordnung : mit zwei Beilagen, die Attribute und den Kalender der Heiligen enthaltend / hrsg. von Joh. Evang. Stadler und Franz Joseph Heim. -- Augsburg : Schmid, 1858 - 1882. -- 5 Bde. -- Elektronische Ressource: Berlin :  Directmedia, 2005. -- 1 CD-ROM. -- ISBN 3-89853-506-1. -- s.v.]

2 Franklin

"Franklin, Benjamin, nordamerikan. Staatsmann und Schriftsteller, geb. 17. Jan. 1706 in Boston als 15. Kind eines Seifensieders, gest. 17. April 1790, trat erst in das väterliche Geschäft, wurde aber im 12. Jahr einem ältern Stiefbruder, einem Buchdrucker, in die Lehre gegeben. Hier widmete er jede freie Stunde seiner Ausbildung durch das Lesen nützlicher Bücher. Bald versuchte er sich auch als Schriftsteller. Seine ersten Versuche waren Aufsätze für eine von seinem Bruder herausgegebene Zeitung. Als dieser später wegen eines missliebigen Artikels ins Gefängnis gesetzt wurde, übernahm Franklin die Redaktion des Blattes und ließ es sodann unter seinem Namen erscheinen. Misshelligkeiten mit seinem Bruder veranlassten ihn 1723, Boston zu verlassen; er begab sich 1724 nach London, um das zur Errichtung einer eignen Druckerei Notwendige einzukaufen. Er gab jedoch diesen Plan auf und nahm in London eine Stelle in der Palmerschen Druckerei an, wo er die Bekanntschaft mit mehreren ausgezeichneten Männern machte, deren Umgang den Kreis seiner Anschauungen bedeutend erweiterte. 1726 ging er wieder nach Amerika und errichtete 1728 eine eigne Buchdruckerei, die bald zu solcher Blüte gelangte, dass er die Leitung einer Zeitung übernehmen konnte. Auch verheiratete er sich jetzt mit Miss Read, mit der er sich schon 1724 verlobt, die aber während seiner Abwesenheit in England einen andern geheiratet hatte. Bald eröffnete er eine Buch- und Papierhandlung und gründete einen Verein zur Ausbildung von Kaufleuten und Handwerkern sowie 1731 eine Bibliothek, Anstalten, die bald auch in den übrigen Kolonien Nachahmung fanden. Nebenbei betrieb er zu seiner eignen Ausbildung das Studium neuer und alter Sprachen. Seit 1736 Sekretär des Kolonialparlaments von Pennsylvanien und 1737 auch zum Oberpostmeister von Pennsylvanien ernannt, nahm er nun mehr als früher an den öffentlichen Geschäften teil und bewirkte die Errichtung einer Miliz, eines Feuerrettungsvereins, einer Akademie zur Erziehung der pennsylvanischen Jugend, die Pflasterung der Straßen und andres Gemeinnützige. Der Gouverneur und das Kolonialoberhaus begehrten seinen Rat bei allen öffentlichen Maßregeln und beauftragten ihn unter anderm 1743, den Plan einer Philosophischen Gesellschaft für Amerika zu entwerfen, deren Vorstand er bis an sein Lebensende blieb. In diese Zeit fallen auch seine elektrischen Versuche, die zu der Erfindung des Blitzableiters (s.d.) und des elektrischen Drachen führten. Nachdem Buffon seine Schrift »New experiments and observations on electricity« übersetzt und dadurch über ganz Europa verbreitet hatte, ernannte die Königliche Gesellschaft in London Franklin zu ihrem Mitglied und überschickte ihm 1753 ihre goldene Preismedaille. 1747 zum Mitglied der Kolonialversammlung von Pennsylvanien gewählt, machte er sich bald als eifriger Kämpfer der Volkspartei bemerklich, und 1753 zum Generalpostmeister aller englisch-amerikanischen Kolonien ernannt, fasste er den großen Gedanken einer Bundesverfassung, eines Kongresses und einer Zentralregierung aller nordamerikanischen Kolonien. Die Expedition des englischen Generals Braddock gegen die von Kanada aus mit einem Angriff drohenden Franzosen unterstützte er auf jede Weise, und als dieselbe unglücklich ablief, setzte er eine Bill durch, betreffend Bildung einer Miliz von Freiwilligen. Er selbst wurde beauftragt, an der von den Indianern unsicher gemachten Nordwestgrenze eine Linie von Forts zu errichten. Indes war seine militärische Laufbahn nur kurz, da ihn die pennsylvanische Landesversammlung in Angelegenheiten ihres Konflikts mit den Kolonieeigentümern, die Steuerfreiheit für sich beanspruchten, 1757 nach England sendete. Nach glücklicher Beendigung seines Geschäfts blieb Franklin als pennsylvanischer Geschäftsträger in London, auch andre Provinzen wählten ihn zu ihrem Vertreter bei der Regierung. 1762 nach Philadelphia zurückgekehrt, ging Franklin, als die verhängnisvollen Unruhen wegen der Stempelakte ausbrachen, 1766 abermals als Agent von Pennsylvanien und andern Staaten nach England und verteidigte hier sogar im Parlament (13. Febr. 1766) ebenso freimütig wie einsichtsvoll die Freiheiten der Kolonien, worauf dann auch die Stempelakte zurückgenommen wurde. Da er aber die Sache der Kolonien furchtlos vertrat, wurde er der Regierung missliebig, verlor seine Generalpostmeisterstelle und kam bei dem Ausbruch der Feindseligkeiten in Gefahr, festgenommen zu werden. Daher kehrte er im März 1775 nach Philadelphia zurück, wo er zum Kongressmitglied ernannt und an die Spitze des Sicherheitsausschusses gestellt wurde. In dieser Stellung hatte er hervorragenden Anteil an der Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776. Zur Beschaffung der Hilfsmittel für Aufrechthaltung dieses Beschlusses schlug er die Ausgabe von Papiergeld vor, wozu er aus seinem eignen Vermögen 4000 Pfd. Sterl. gab Ende 1776 begab er sich nach Frankreich, wo er mit höchster Achtung begrüßt wurde und nach Abschluss des Allianzvertrags vom 6. Febr. 1778 als bevollmächtigter Minister der 13 vereinigten Staaten Nordamerikas auftrat. Auch an den Friedensverhandlungen von 1783 war er beteiligt. Nach Amerika zurückgekehrt, wurde er dreimal durch die einstimmige Wahl seiner Mitbürger Gouverneur des Staates Pennsylvanien, als dessen erster Abgeordneter beim Kongress er zur Befestigung der jungen Freiheit mitwirkte. Alter und Steinschmerzen nötigten ihn, 1788 sich vom öffentlichen Leben zurückzuziehen. Kurz vor seinem Tod unterzeichnete er als Vorsitzender des Vereins zur Aufhebung der Sklaverei eine Denkschrift an das Repräsentantenhaus. Der Kongress verordnete zu Ehren seines größten Bürgers eine Nationaltrauer auf einen Monat. Für seinen Grabstein hatte Franklin selbst folgende Inschrift bestimmt: »Hier liegt der Leib Benjamin Franklins, eines Buchdruckers (gleich dem Deckel eines alten Buches, aus dem der Inhalt herausgenommen, und der seiner Inschrift und Vergoldung beraubt ist), eine Speise für die Würmer; doch wird das Werk selbst nicht verloren sein, sondern (wie er glaubt) dermaleinst erscheinen in einer neuen schönern Ausgabe, durchgesehen und verbessert von dem Verfasser«. Durch eifrige Förderung von Erziehungsanstalten wirkte er für die Bildung der Jugend und für die Belehrung der Handwerker, während er die moralische, geistige und politische Bildung des Volkes durch die Presse, durch Volksschriften und vorzüglich durch seine »Pennsylvanische Zeitung« und seinen vortrefflichen »Volkskalender« zu heben suchte. Berühmt ist der in Frankreich auf ihn gedichtete Vers:

Eripuit coelo fulmen, sceptrumque tyrannis.
(Er entriss dem Himmel den Blitz, den Tyrannen das Zepter.)

1856 wurde ihm in Boston ein Standbild errichtet."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

3 George Washington (1732 - 1799): erster Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika von 1789 bis 1797.

4 Jan Hus (auch Johannes Hus, nach seinem Geburtsort Husinec; gelegentlich 'Huss') (* um 1369/1370 - 1415 in Konstanz als Ketzer verbrannt):  christlicher Reformator.

5 Spartakus

"Spartacus, Führer im Sklaven- oder Gladiatorenkrieg, 73-71 v. Chr., Thraker von Geburt, früher ein freier Mann, wurde römischer Sklave und kam in die Gladiatorenschule zu Capua. Er entfloh 73 aus dieser mit wenigen Genossen auf den Vesuv, schlug eine gegen ihn gesandte Heeresabteilung des Prätors P. Varinius und, nachdem dieser Erfolg zahlreiche Scharen von flüchtigen Sklaven ihm zugeführt hatte, den Prätor selbst. Nun fasste Spartacus den Entschluss, sein auf 70,000 Mann angewachsenes Heer nach der Heimat, Gallien und Thrakien, zurückzuführen und brachte 72 den beiden Konsuln Cn. Lentulus und L. Gellius, die ihn aufhalten wollten, schwere Niederlagen bei, auch bei Mutina dem Prokonsul C. Cassius. So stand der Weg über die Alpen ihm frei, als seine Leute, in denen die Beutelust erwachte, ihn nötigten, nach Süden umzukehren. Seitdem verließ ihn das Glück. Es gelang 71 dem Prätor M. Licinius Crassus, Spartacus in der Südwestspitze von Italien einzuschließen, und als er sich durch seine Tapferkeit noch einmal den Weg durch die feindlichen Linien gebahnt hatte, wurde er von seinen Untergebenen wider seinen Willen zur Schlacht gezwungen, in der er unterlag und tapfer kämpfend fiel; mit ihm 60,000 Sklaven. Die Gefangenen wurden gekreuzigt; die übrigen Überlebenden wurden auf der Flucht von dem aus Spanien zurückkehrenden Pompejus am Fuße der Alpen vernichtet."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

6 Decius, vermutlich:

" Decius, C. Messius Trajanus Decius, der erste in der Reihe der durch militärische Vorzüge ausgezeichneten römischen Kaiser aus den Donauländern, regierte 249-251 n. Chr. Zu Budalia in Niederpannonien geboren, wurde er von dem Kaiser Philippus Arabs 245 mit der Kriegführung gegen die Goten in Dakien und Mösien beauftragt, aber von seinem Heer gezwungen, selbst den Purpur anzunehmen. Er besiegte seinen Vorgänger bei Verona, gewann auch über die Goten einige Vorteile, wurde dann aber von ihnen 251 bei Abrittus in Niedermösien entscheidend geschlagen und fand nebst seinem gleichnamigen Sohn, den er zum Cäsar ernannt hatte, den Tod. Er war bemüht gewesen, die Zustände des Reiches zu verbessern und in Rom die gute alte Sitte wiederherzustellen, weshalb er auch die Zensur in der alten Weise erneuern wollte; im Zusammenhang damit verfolgte er das Christentum als eine Neuerung und ließ 250 viele Christen hinrichten, was für ihn selbst die Folge hatte, dass er von den christlichen Schriftstellern im Widerspruch mit den heidnischen als grausamer Tyrann geschildert wird."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

7 Judas Ischarioth, einer der zwölf Apostel Jesu, der Jesus mit einem Kuss (Judaskuss) für die Summe von 30 Sekel verriet und sich darauf in der Verzweiflung selbst das Leben genommen haben soll.

8 panem et circenses (Iuvenalis, Saturae 10,81): Brot und (Zirkus-)Spiele (als Zugeständnisse der römischen Kaiser, um das Volk ruhig zu halten)

9 Arnold Ruge

"Ruge, Arnold, Schriftsteller, geb. 13. Sept. 1802 in Bergen auf der Insel Rügen, gest. 31. Dez. 1880 in Brighton (England), studierte in Jena und Halle 1821-24 hauptsächlich Philosophie und nahm auf beiden Universitäten lebhaften Anteil an der Burschenschaft, wofür er einjährige Hast in Köpenick und fünfjährige auf der Festung Kolberg zu bestehen hatte. Nach seiner Freilassung 1830 erhielt er eine Lehrerstelle am Pädagogium in Halle, 1832 habilitierte er sich mit der Schrift »Die Platonische Ästhetik« (Halle 1832) als Privatdozent an der dortigen Universität. 1837 begründete er mit Echtermeyer die »Halleschen Jahrbücher für Kunst und Wissenschaft«, die bald das damals bedeutendste kritische Organ wurden. Als sie wegen ihrer radikalen Richtung unter preußische Zensur gestellt werden sollten, verließ Ruge Halle und siedelte 1841 mit seiner Zeitschrift, die er nun »Deutsche Jahrbücher« nannte, nach Dresden über. Das Ministerium Falkenstein entzog jedoch der Zeitschrift alsbald die Konzession, und Ruge lebte hierauf mehrere Jahre in Paris und in der Schweiz und gründete sodann in Leipzig unter der Firma »Verlagsbureau« ein buchhändlerisches Geschäft, aus dem unter seiner Redaktion unter anderm »Politische Bilder aus der Zeit« (1848, 2 Tle.), »Poetische Bilder aus der Zeit« (1848, 2 Bde.) und »Die Akademie, ein philosophisches Taschenbuch« (1847-48), mit Beiträgen von Seeger, Gerstäcker, Freytag, Hebbel, Fröbel, Hartmann u.a. hervorgingen. Nach Ausbruch der Bewegung von 1848 gab Ruge zuerst in Leipzig, dann in Berlin eine demokratische Zeitung: »Die Reform«, heraus und wurde von Breslau in das Frankfurter Parlament gewählt, wo er seinen Platz auf der äußersten Linken nahm, sich aber bald als unpraktischen Doktrinär bekundete. Verstimmt begab er sich auf Reisen und ward infolgedessen von der Nationalversammlung als ausgeschieden erklärt. Um dieselbe Zeit (Oktober 1848) wohnte er dem Demokratenkongress in Berlin bei, um seine »Reform« zum Organ der Demokratie erheben zu lassen. Der eintretende Belagerungszustand hatte aber das Verbot dieser Zeitung zur unmittelbaren Folge, und Ruge musste 21. Jan 1849 die Stadt verlassen. Er kehrte nach Leipzig zurück, beteiligte sich dann an den Maiereignissen und musste 1850 nach England flüchten, wo er mit Mazzini, Ledru-Rollin u.a. zu einem europäisch-propagandistischen Komitee zusammentrat. Später nahm er seinen Wohnsitz in Brighton, von wo aus er sich 1866 schon vor dem Krieg in Briefen an deutsche Zeitungen für die auswärtige Politik Bismarcks erklärte. 1877 wurde ihm in Anerkennung seines literarischen Wirkens für die deutsche Einheit ein »Ehrensold« von 1000 Mk. jährlich aus Reichsmitteln bewilligt, seine Anhänger hatten 20,000 Mk. für ihn gesammelt."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


1854


Heinrich Heine (1797-1856): Erinnerung aus Krähwinkels Schreckenstagen. -- 1854

Wir, Bürgermeister und Senat,
Wir haben folgendes Mandat
Stadtväterlichst an alle Klassen
Der treuen Bürgerschaft erlassen.

»Ausländer, Fremde, sind es meist,
Die unter uns gesät den Geist
Der Rebellion. Dergleichen Sünder,
Gottlob! sind selten Landeskinder.

Auch Gottesleugner sind es meist;
Wer sich von seinem Gotte reißt,
Wird endlich auch abtrünnig werden
Von seinen irdischen Behörden.

Der Obrigkeit gehorchen, ist
Die erste Pflicht für Jud' und Christ.
Es schließe jeder seine Bude,
Sobald es dunkelt, Christ und Jude.

Wo ihrer drei beisammenstehn,
Da soll man auseinandergehn.
Des Nachts soll niemand auf den Gassen
Sich ohne Leuchte sehen lassen.

Es liefre seine Waffen aus
Ein jeder in dem Gildenhaus;
Auch Munition von jeder Sorte
Wird deponiert am selben Orte.

Wer auf der Straße räsoniert,
Wird unverzüglich füsiliert;
Das Räsonieren durch Gebärden
Soll gleichfalls hart bestrafet werden.

Vertrauet eurem Magistrat,
Der fromm und liebend schützt den Staat
Durch huldreich hochwohlweises Walten;
Euch ziemt es, stets das Maul zu halten.«


1855


Franz Grillparzer (1791-1872). -- 1855

Aufgeschobene Publikation


Das Konkordat zur Zeit noch ruht
Und wartet auf den Staatsbankrutt.
Es erfahren dann die Gläubigen,
In einem mit den Gläubigern,
Was not zu wissen jedem tut,
Auch ist ja beides ein Bankrutt.

Konkordat

Um recht tugendhaft zu leben,
Will ich meinen Diener zur Macht erheben,
Mir bei jedem sündhaften Bestreben
Eine Ohrfeige zu geben.

Eilt das Konkordat zu verkündigen,
Kastriert euch selbst, um nicht zu sündigen.

Dankbarkeit

Für Gottes Schutz im Sturm der Kanaille
Zahlt das Konkordat jetzt die Rettungstaglie.

Adoption

Der heilige Vater aller Frommen
Hat durch sein gnädges Konkordat
Den Landesvater angenommen
An Kindes Statt.

Erläuterung: Im August 1855 schloss das Kaiserreich mit dem Papst ein Konkordat, dieses wurde aber erst im November 1855 veröffentlicht. Dieses Konkordat brachte der katholischen Kirche in Österreich den Höhepunkt ihres Einflusses. Es entzog Eherecht, Schulwesen und den Klerus dem staatlichen Machtbereich und übergab den Religionsfonds der katholischen Kirche.


Franz Grillparzer (1791-1872). -- 1863

Als Christus die Verkäufer aus dem Tempel trieb
Mit Knüttelschlag und Peitschenhieb,
Da riefen die Schächer, besorgt um ihr Leben:
Das klagen wir eilig bei der Stadt,
Die hat uns zum Wucher ein Recht gegeben,
Wir haben ein Konkordat.


Wilhelm Raabe (1831 - 1910): Königseid. -- 1855

Es sprach der Priester ihm Verrat ins Ohr:
"Der Eid ist nichtig, den du hast gegeben!"
Es drängte sich der Edle dann hervor:
"Brich diesen Eid, willst du als König leben!"
Sie sprachen beide: "Schreite, schreite vor,
Wir wollen dich, ein starker Wall, umgeben!"
Er schwankte lang , doch in der bösen Stunde
Entfloh das böse Wort aus seinem Munde.
Er brach den Eid! Er war ein stolzer Sieger
In mancher Schlacht; der Welt schrieb er Gesetze;
Sein Wink bewegte hunderttausend Krieger,
Er blickte stolz auf hunderttausend Schätze.
Sein Schwert, sein Gold ihm zeigten die Betrüger,
Er brach den Eid und fiel in ihre Netze:
Sein Reich, in tausend Jahren aufgerichtet,
Es hat ein Wort, ein einzig Wort, vernichtet.

Erläuterung: Beziehst sich darauf, dass Georg V. von Hannover 1855 die Verfassung von 1848, auf die er vereidigt war, willkürlich aufhob.


1856


Franz Grillparzer (1791-1872).  -- 1856

Spanien und Österreich
Sind sich im Glauben gleich,
Aber, trotz Gottes Hulden
Auch gleich an Schulden,
Nur dort in Realen und hier in Gulden.


Franz Grillparzer (1791-1872): Ein Minister.  -- 1856

Juristen
Schlechte Christen,
Macht ihr einen zum Minister,
Wird ein guter Christ er.


Wilhelm Kopp: Der Einwanderer. -- 1856

Ihr fragt mich, was ich hier1 gefunden habe
In meiner Jugend schönem Ideal,
Wohin ich sehnend, voll von Hoffnung eilte?
Ich fand nur Sklaven hier, wie überall.

Wohl glänzte eine lichte Morgenröte,
Doch folgten schwere, dunkle Wolken nach,
Und tiefe Schatten lagern auf den Fluren,
Verfinsternd den kaum angebrochnen Tag.

Ich fand ein Volk, das in des Goldes Fesseln
Um Freundschaft feilscht, nach Gold die Liebe wägt,
Dem für das wahrhaft Schöne, Gute, Edle,
Für Menschenwert kein Herz im Busen schlägt.

Ich fand ein Volk, das in des Glaubens Blindheit,
Von heuchlerischer Pfaffenbrut verführt,
Dem lichten Geist, des Denkens freiem Forschen
Voll Fanatismus Scheiterhaufen schürt.

Ich fand ein Volk, das, stolz sich dessen rühmend,
Die Menschenrechte anerkennt - und sie
Mit Füßen tritt, indem es seinesgleichen
Zu Sklaven macht, erniedriget zum Vieh.

Ich fand ein Volk, das nach Barbarensitte
Den Fremdling mordet, der sich ihm vertraut,
Der, Freiheit suchend, die es ihm verheißen,
An seinen Ufern sich ein Haus gebaut.

Und wundert ihr euch, wenn ich jetzt nach Osten
Voll Sehnsucht wende den betrübten Blick ?
O wärst du frei, du Heimatmuttererde,
Ich kehrte freudevoll zu dir zurück.

O werde frei! Lass, Volk, dein Banner fliegen!
Wir sind bereit, wir stehn in deinen Reihn.
Ein Freiheitsruf und tausend Herzen jubeln:
Wir kehren heim wir wandern wieder ein!

Erläuterung:

1 in Iowa, USA, wohin Kopp nach 1848 geflohen war

[Quelle: Grab, Walter (1919 - 2000) ; Friesel, Uwe (1939 - ): Noch ist Deutschland nicht verloren : eine histor.-polit. Analyse unterdrückter Lyrik von der Französischen Revolution bis zur Reichsgründung. -- Ungekürzte, überarb. Aufl. -- München : Deutscher Taschenbuch-Verlag, 1973. -- 324 S. ; 18 cm. -- (dtv ; 875). -- Lizenz des Hanser-Verl, München. -- ISBN 3-446-10979-X. -- S. 280.]


1861



Abb.: Melchiore Delfico (?) (1825 - 1895): Effetti del riconoscimento del Regno Italico — Auswirkungen der Anerkennungen des Königreichs Italien. -- In: L'Arlecchino. -- 1861-06-23

[Bildquelle: Die Karikatur zwischen Republik und Zensur : Bildsatire in Frankreich 1830 bis 1880, eine Sprache des Widerstands? / Hrsg. und Red.: Raimund Rütten ... Unter Mitarb. von: Gerhard Landes ... -- Marburg : Jonas-Verl.,1991. -- 502 S. : zahlr. Ill. ; 29 cm. -- ISBN: 3-922561-97-7. -- S. 449]


1865


Franz Grillparzer (1791-1872): Epigramme: Ultramontanismus 1865

Wie enthaltsam die Kirche von Weibern sei,
Sucht sie doch wieder Schutz bei ihnen,
Und der Papst mit all seiner Klerisei
Hockt unter fürstlichen Krinolinen.

"Ultramontanismus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Ultramontanismus (von lat. ultra montes, jenseits der Berge, d.h. aus Rom) war eine Strömung in der französischen katholischen Kirche des 18. Jahrhunderts. Sie strebte an, den Vorrang des Papstes zu erhalten oder sogar zu verstärken und bekämpfte Aufklärung, Liberalismus und Protestantismus.

In Deutschland setzte der im 19. Jahrhundert erstarkende Ultramontanismus gegen den Reformkatholizismus die romkonforme Neubesetzung von Bischofsstühlen durch. Hierdurch kam als Gegenbewegung in der Zeit des Vormärz und der Märzrevolution 1848 eine Deutsch-Katholische Bewegung in Gang.

Im übertragenen Sinn wird der Begriff Ultramontanismus, beispielsweise im deutschen Kulturkampf, auf andere romfreundliche Haltungen verwandt.2

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Ultramontanismus. -- Zugriff am 2004-05-03] 


1867



Abb.: André Gill (1840 - 1885): Louis Veuillot. -- In: La Lune. -- 1867-04-21

Erläuterung:

"Veuillot (spr. wöjó), Louis, ultramontaner franz. Publizist, geb. 1813 in Boynes (Loiret), gest. 7. April 1883 in Paris, redigierte seit 1831 das ministerielle »Echo de Rouen«, seit 1837 zu Paris die »Charte de 1830«, dann »La Paix«, ward später Bureauchef im Ministerium des Innern, nahm aber nach 18 Monaten seine Entlassung, um (1843) als Mitarbeiter beim »Univers religieux« einzutreten. Seit 1848 oberster Redakteur dieses Hauptorgans des Ultramontanismus, kämpfte er mit Energie und Rücksichtslosigkeit für die Ansprüche des Papsttums, veranlasste durch seine heftige Polemik gegen Napoleons III. italienische Politik 1860 die Unterdrückung des »Univers«, der erst 1867 wieder erscheinen durfte, und wusste während des vatikanischen Konzils durch Drohungen und Denunziationen jede gallikanische Regung im französischen Episkopat niederzuhalten. Sein politischer Einfluss erreichte unter der Regierung der sogenannten moralischen Ordnung (1877) seine Höhe. Späterhin ließ sich Veuillot, seit Jahr und Tag durch Gicht an das Zimmer gefesselt, nur noch selten im »Univers« vernehmen und schlug dann einen salbungsreichen, apokalyptischen Ton an, der den geistreichen und pikanten, oft zynischen Schriftsteller, den in allen Sätteln gerechten und keine Waffen verschmähenden Polemiker von ehedem nicht wieder erkennen ließ."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

[Bildquelle: Die Karikatur zwischen Republik und Zensur : Bildsatire in Frankreich 1830 bis 1880, eine Sprache des Widerstands? / Hrsg. und Red.: Raimund Rütten ... Unter Mitarb. von: Gerhard Landes ... -- Marburg : Jonas-Verl.,1991. -- 502 S. : zahlr. Ill. ; 29 cm. -- ISBN: 3-922561-97-7. -- S. 411]



Abb.: Virginio: Inganno : Realtá — Täuschung : Wirklichkeit. -- In: Il Fischietto. -- 1867-07-13

Erläuterung: Bezieht sich auf die Weltausstellung in Paris 1867, mit der Kaiser Napoleon III. von Frankreich seine tatsächliche Haltung verbrämt: Während die Weltausstellung Concordia (Eintracht) und Fratellanza (Brüderlichkeit) vorheuchelt, fesselt Napoleon III. Italien an die Vorherrschaft des Papstes, lässt Polen von Russland verschlungen werden, fördert den Imperialismus (z.B. mit seinem Mexiko-Krieg).

Weltausstellung Paris 1867

[Bildquelle: Die Karikatur zwischen Republik und Zensur : Bildsatire in Frankreich 1830 bis 1880, eine Sprache des Widerstands? / Hrsg. und Red.: Raimund Rütten ... Unter Mitarb. von: Gerhard Landes ... -- Marburg : Jonas-Verl.,1991. -- 502 S. : zahlr. Ill. ; 29 cm. -- ISBN: 3-922561-97-7. -- S. 370]


Zur Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko. -- In: Nürnberger Kreuzerblätter. -- 1867-10-05


Abb.: Edouard Manet (1832 - 1882): Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko. -- 1868.

Neueste Mordgeschichte

Ach, es ist betrübt zu lesen,
Was man von dem Max gehört,
Der in Mexiko gewesen
Von Napoleon betört;
Wie man diesen edlen Sprossen
Ohne Gnade hat erschossen,
Als dem bösen Juarez
Er gegangen in das Netz.

Alles hatte Max besessen,
Was man so zum Leben braucht;
Schulden, Pferde, Trinken, Essen,
Auch Tabak, der selber raucht.
Alles könnt' er sich beschaffen,
Doch die übersee'schen Pfaffen
Lockten ihn mit Schmeichelton
Auf den morschen Kaiserthron.

Napoleon, der ist erfahren,
Wenn's ans Kaiserwerden geht;
(Einst, in seinen jungen Jahren,
Saß zu Ham er als Kadett.)
»Max«, so sprach er, »geh hinüber,
Fürchte nicht das gelbe Fieber,
Stets bin ich mit Hilfe nah
Kaiser von Amerika!«

»Ach«, sprach Maximilian wieder,
»Wären nur die Gelder nicht,
Das Spital zählt viele Brüder!«
Drauf der Louis gelassen spricht:
»Wer kein Geld nicht hat, muss pumpen,
Wofür gibt es Herrschaftslumpen?
Donner auch und Doria,
Kaiser von Amerika!«

Und der Max, der dachte wieder:
Ich hab' einen reichen Schwäh'r,
Stell' mich unter dessen Fieder, -
Gebt ihr nur die Gelder her!
Hab' ich's wieder, werd' ich's zahlen,
Und ich schreib' in die Annalen:
Donner auch und Doria,
Kaiser von Amerika!

Und er fuhr mit der Charlotte
In den Golf von Mexiko,
Und die ganze schwarze Rotte
War darob unmaßen froh:
Der ist von der echten Rasse,
Füllen wird er uns die Kasse,
Habsburg hoch! Victoria!
Kaiser von Amerika!

Durch die Weltbeglückungshände
Kaiser Maxens floh das Geld;
Hier als Zeche, dort als Spende,
Schnell hinaus in alle Welt.
Und die Dollars und die Franken
Sah man nimmermehr, die blanken,
Aber Schulden und Papier
Gab's, wie in Europa schier.

Max, dem fiel zur bösen Stunde
Ein: die Pfaffen haben Geld!
Wie, wenn die vergrab'nen Pfunde
Würden an das Licht gestellt?
Hat Frau Kirche eingenommen
Erst ein Vomitiv, wird kommen
Gold und Silber an den Tag,
Das ihr lang im Magen lag.

Max, o Max, du Blindeschleiche,
Welche Torheit kommt dich an?
Greif den Pfaffen an die Bäuche,
Und es ist um dich getan.
Von dem Tag an und der Stunde
War der Kaiser auf dem Hunde
Und dazu sein Kaisertum;
Fort war Geld, Kredit und Ruhm.

Als der Franzmann roch den Lunten,
Still er sich von dannen schlich.
Aber Max, der war gebunden,
Konnte nicht entfernen sich,
Denn die Mexikaner sprachen:
»Max, das wären schofle Sachen,
Wenn, was eingebrockt du dir,
Ungegessen ließest hier!«

Ach, es ist betrübt zu lesen,
Wie es nun dem Kaiser ging,
Den ohn' vieles Federlesen
Man zu Queretaro fing.
Lopez, dieser Schandgeselle,
öffnete die Zitadelle
Nachts dem Mexikanerpack,
Das den Kaiser nahm beim Frack.

Max, der viel »begnadigt« hatte
Einst zu Pulver und zu Blei,
Sollte sterben ohne Gnade
Nun dafür, o Tyrannei!
Waren's doch nur Landeskinder,
Die erschoss der Überwinder,
Aber ein gesalbtes Haupt,
Das wiegt schwerer, als man glaubt.

Garibaldi selbst, der alte,
Sagen ließ dem Juarez:
»Sei gescheit, mein Freund, und halte
Lebend deinen Fang im Netz.
Niemand wird sich dankbar zeigen,
Wenn er lernt am Galgen schweigen,
Als der Louis Napoleon:
Lass ihn laufen, dem zum Hohn!«

Aber Juarez, der Schlimme,
Hörte nicht der Freunde Rat,
Hörte nicht der Freunde Stimme,
Die so rührend für ihn bat.
»Sagt«, sprach er, »wie wär's gegangen,
Hätte mich der Max gefangen?
So soll's ihm jetzt auf kein Haar
Anders gehen auch fürwahr!«

Am neunzehnten Juni eben
Musst' der arme Kaiser dran.
Ach, wie kommst du um dein Leben,
Guter Maximilian!
Und wir können uns nicht wehren,
Dass uns rinnen heiße Zähren,
Da ein hohes Haupt man so
Abschoss dort, in Mexiko.

»Ruh' und Frieden dem Erlösten!«
Sprach Louis Napoleon,
Geht nach Öst'reich, um zu trösten
Über den verlor'nen Sohn.
Darum, lieber Hörer, werde,
Willst du glücklich auf der Erde
Und des Lebens werden froh,
Kaiser nie von Mexiko!

Erläuterungen:

"Ferdinand Maximilian Joseph, Erzherzog von Österreich, Kaiser von Mexiko, geb. 6. Juli 1832, gest. 19. Juni 1867 in Queretaro, zweiter Sohn des Erzherzogs Franz Karl und der Erzherzogin Sophie, Bruder des Kaisers Franz Joseph, wurde frühzeitig für das Seewesen bestimmt, unternahm seit 1850 größere Reisen nach Griechenland, Kleinasien, Spanien, Algerien etc., wurde 1853 Korvettenkapitän, 1854 Marineoberkommandant und machte mit einem Geschwader von 17 Kriegsschiffen eine Fahrt nach Griechenland, Palästina und Ägypten. Am 27. Juli 1857 vermählte er sich mit der Prinzessin Charlotte von Belgien (geb. 7. Juni 1840), Tochter König Leopolds I., mit der er 1858-1859 Sizilien, Südspanien, Madeira, Brasilien etc. besuchte. Ein 4 Bände starkes, als Manuskript gedrucktes Werk: »Reiseskizzen«, bot in anziehender Darstellung die Eindrücke und Beobachtungen des Erzherzogs dar. 1857-59 war er Generalgouverneur des Lombardisch-Venezianischen Königreichs. Seitdem lebte er meist auf seinem herrlichen Schloss Miramar bei Triest.

Die französische Expedition nach Mexiko wurde die Veranlassung, dass Maximilian sich von Napoleon III. überreden ließ, die Kaiserkrone von Mexiko anzunehmen. Nachdem er durch einen Familienpakt vom 9. April 1864 allen agnatischen Rechten als Erzherzog von Österreich für sich und seine Nachkommen entsagt hatte, empfing er am folgenden Tag aus den Händen der Führer der klerikalen Partei in Mexiko, Almonte, de Estrada und Labastida, die Krone. Am 14. April verließ er Triest, kam Ende Mai in Veracruz an und zog 12. Juni feierlich in die Hauptstadt Mexiko ein. Allein unentschlossen und in der Mitte stehend zwischen Liberalen und Ultramontanen, abhängig von dem französischen General Bazaine, der seine eignen Pläne verfolgte, schließlich von Napoleon III. im Stiche gelassen, der seine Truppen aus Mexiko zurückzog, konnte er den Kampf gegen seinen Gegner, den Präsidenten Juarez, nicht durchführen, aber sich auch nicht zur Rückkehr nach Europa entschließen.

Im Februar 1867 zog er sich mit seinen Getreuen nach Queretaro zurück, fiel aber 15. Mai durch Verrat in die Gewalt des republikanischen Generals Escobedo, wurde durch ein Kriegsgericht zum Tode verurteilt und nebst den Generalen Miguel Miramon und Tomas Mejia in Queretaro erschossen.

Seine Leiche wurde durch den österreichischen Admiral Tegetthoff abgeholt und 18. Jan. 1868 in der Kaisergruft der Kapuzinerkirche zu Wien beigesetzt.

1861 erschienen von ihm, als Manuskript gedruckt, »Aphorismen«, und nach seinem Tode das Werk: »Aus meinem Leben« (Leipz. 1867, 7 Bde.; Bd. 1-4 in 2. Aufl. 1867) und »Mein erster Ausflug. Wanderungen in Griechenland« (das. 1868).

Seine in unheilbaren Wahnsinn verfallene Gemahlin (s. Charlotte 4) lebt noch auf Schloss Bouchoute bei Brüssel.

In Hietzing bei Wien, in Triest und in Pola sind Maximilian Standbilder errichtet. Dramatisch wurde das Schicksal des Kaisers von J. G. Fischer (s. d. 5) behandelt."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

"Um die notwendigen Reformen durchzuführen, ward Santa Ana 17. März 1853 zum Präsidenten [Mexikos] mit diktatorischer Gewalt erwählt. Er veröffentlichte schon 22. April d. J. seine »Grundzüge für die Verwaltung der Republik«, schuf eine zentralisierte Regierung, stellte sich einen Staatsrat zur Seite, ordnete Zoll- und Heerwesen und schränkte die Presse ein, während er die Jesuiten zuließ. Er wurde im Dezember vom Senat mit lebenslänglicher Diktatur bekleidet. Durch den Gadsden-Vertrag trat er das streitige Mecillatal im Staate Chihuahua gegen 10 Mill. Doll. an die Vereinigten Staaten ab. Obwohl Santa Ana seine Gegner durch Verbannung oder Verhaftung unschädlich zu machen suchte, so kam es doch 1854 zu Aufständen, vor denen er im August 1855 wich; der Mulatte Alvarez wurde zum Präsidenten gewählt, aber weil er die »Fueros« (Vorrechte) der Geistlichkeit und der Armee aufhob, im Dezember schon von Comonfort gestürzt, dem 36. Präsidenten innerhalb 40 Jahren, der seine Regierung mit liberalen Reformen begann. Durch das Gesetz vom 28. Juni 1856 wurde der Grundbesitz der Kirche verkauft, der Kaufpreis sollte aber der Kirche übergeben werden, bis auf 5 Proz., wobei die Regierung auf einen Gewinn von 15 Mill. Pesos rechnete. Eine neue Verfassung gewährleistete Gewissensfreiheit, verwies die Jesuiten aus dem Land und öffnete den Einwanderern die Häfen, aber als sie 11. März 1857 beschworen werden sollte, verweigerte der Erzbischof allen, die den Eid leisten würden, die Absolution. General Zuloaga stellte sich darauf an die Spitze einer Empörung, vertrieb nach siebentägigem Kampfe Comonfort aus der Hauptstadt und ward 22. Jan. 1858 zum Präsidenten erwählt. Comonforts Vizepräsident Juarez behauptete sich dagegen in Veracruz an der Spitze einer liberalen Regierung. Zuloagas Feldherr, General Miramon, wurde von den Liberalen unter Ortega 8. Aug. 1860 bei Silao und 22. Dez. bei Calentalpa besiegt, und Mitte Januar 1861 zog Juarez in die Hauptstadt ein. Nun schritt die radikale Partei sofort zur strengen Ausführung der antiklerikalen Gesetze. Aufhebung der Klöster, Einziehung der Kirchengüter und Trennung der Kirche vom Staat wurden verfügt und vollständige Religionsfreiheit verkündet. Der Erzbischof von Mexiko und die Mehrheit der Bischöfe wurden des Landes verwiesen, und der päpstliche Nuntius erhielt seinen Pass zugefertigt. Ein neugewählter Kongress bestätigte im Juni 1861 Juarez als Präsidenten und bekleidete ihn 1. Juli mit unumschränkter Diktatur. Der innere Friede war aber damit nicht hergestellt, da nun die klerikalen Anführer in den Provinzen die Fahne des Aufruhrs erhoben.

Dazu kamen nun noch Verwickelungen mit dem Ausland, die hauptsächlich durch die Geldnot des Staates veranlasst wurden. Der Erlös des Verkaufs der Kirchengüter (80 Mill. Pesos) floss nur zum Teil in die Staatskasse und war bald aufgebraucht. Am 17. Juli 1861 war die Regierung außerstande, die auswärtigen Gläubiger zu bezahlen (die inländischen erhielten bereits länger nichts). Daher schlossen Frankreich, England und Spanien, die bedeutende, teilweise allerdings anfechtbare Forderungen an Mexiko hatten, 31. Okt. 1861 die Konvention von London, »um ihre Untertanen zu schützen und die Republik zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen zu zwingen«. Da das am 24. Nov. an Mexiko gerichtete Ultimatum ohne Antwort blieb, wurde eine bewaffnete Intervention ins Werk gesetzt, zumal die Vereinigten Staaten durch den Bürgerkrieg verhindert wurden, Mexiko beizustehen. Das spanische Geschwader traf 8. Dez. vor Veracruz ein. Anfang Januar 1862 folgte das französische und englische Expeditionskorps; doch dauerte das Einverständnis zwischen den drei Mächten nicht lange, da die Verbündeten sich nicht zur Unterstützung der »exzessiven und der Belege entbehrenden« französischen Forderungen verstanden, vielmehr auf Grund der Konvention von Soledad im Februar 1862 Verhandlungen mit Mexiko begannen, infolge deren sich die spanischen und englischen Truppen wieder einschifften. Die Franzosen dagegen setzten die Expedition auf eigne Hand fort und drangen in das Innere vor, mussten aber nach einem verunglückten Sturm auf Puebla (im Mai 1862) bis zum Frühjahr 1863 auf Verstärkungen warten. Erst im Mai 1863 begannen sie unter Forey die Belagerung Pueblas, das am 27. Mai erstürmt wurde. Am 10. Juni zogen sie in die Hauptstadt ein.

Eine von Forey berufene Notabelnversammlung beschloss im Juli die Einführung der erblichen Monarchie und proklamierte den Erzherzog Maximilian von Österreich (s. Maximilian 11) zum Kaiser von Mexiko Derselbe erklärte nach längerm Schwanken 10. April 1864 in Miramar der mexikanischen Deputation die Annahme der Kaiserkrone, ließ sich in Rom vom Papste die Weihe erteilen und landete 29. Mai in Veracruz; 12. Juni erfolgte der Einzug in die Hauptstadt. Das neue Kaiserreich stand aber auf schwachen Füßen. Die klerikale Partei hatte seine Errichtung nur betrieben, um dafür belohnt zu werden. Sie forderte die Kirchengüter zurück, obwohl die neue Regierung mit der höchsten Geldnot zu kämpfen hatte und nur mit Mühe in Frankreich eine Anleihe aufbrachte. Und als Maximilian zögerte, sich ganz in die Hände der Ultramontanen zu geben, wurde er von ihnen angefeindet. Auch war er kein Staatsmann, in der Wahl seiner Ratgeber unglücklich und in seinen Entschlüssen schwankend. Dazu kam, dass der neue französische Oberbefehlshaber, Bazaine, ihn nur sehr mangelhaft unterstützte. Auf seinen Antrieb erließ Maximilian 2. und 3. Okt. 1865 Dekrete, die Juarez und seine Anhänger als Räuber in die Acht erklärten und die Mitglieder aller Guerillabanden zum Erschießen sowie alle, die sie unterstützten, zu hohen Strafen verurteilten. Allerdings waren auch kaiserlich mexikanische Truppen organisiert worden, aber sie erwiesen sich als unzulänglich, um das ganze Land in Botmäßigkeit zu halten. Juarez war 1865 nach Paso del Norte an die Nordgrenze zurückgedrängt worden, aber er setzte den Kampf für die Befreiung des Landes beharrlich fort. Aus den Vereinigten Staaten flossen ihm allmählich immer mehr Unterstützungen zu, so dass er bald den Guerillakrieg bis in die Nähe der Hauptstadt ausdehnen konnte.

Als die Amerikaner aber den Bürgerkrieg beendet hatten, nahmen sie eine so drohende Haltung ein, dass Napoleon III. sich zur Räumung Mexikos entschloss. Alle Bemühungen Maximilians und seiner Gemahlin Charlotte, diesen Beschluss rückgängig zu machen, waren vergeblich, ebenso alle Versuche der Franzosen, den Kaiser zur Abreise zu bewegen. Derselbe wollte vielmehr den Kampf bis aufs äußerste fortsetzen und zog einen ehrenvollen Untergang der Flucht vor.

Als die Franzosen im März 1867 Mexiko verlassen hatten, begab sich Maximilian nach Queretaro, wo er von Escobedo eingeschlossen wurde. Nach tapferer Verteidigung fiel die Festung und mit ihr der Kaiser durch den Verrat des Obersten Lopez in die Gewalt der Juaristen, und 19. Juni wurde er nebst den Generalen Mejia und Miramon nach kriegsrechtlicher Verurteilung erschossen. Die Stadt Mexiko öffnete 21. Juni Porfirio Diaz die Tore."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

[Quelle: Die Moritat vom Bänkelsang : wieder ans Licht geholt u. hrsg. Mit mehr oder weniger passenden An- u. Bemerkungen vers / Elsbeth Janda ; Fritz Nötzoldt. --München : Ehrenwirth,: 1976. -- 174 S. : Ill. ; 17 cm. -- (Ehrenwirth-Bibliothek). -- ISBN 3-431-01807-6. -- S. 85ff.] 


1870/1871


Adolf Lepp (1847 - 1906). -- 1870

Ihr mögt von Kriegs- und Siegesruhm
So viel ihr wollt der Welt verkünden,
Doch schweigt mit eurem Christentum,
Gepredigt  aus Kanonenschlünden!
Seid, was ihr wollt, nur seid es ganz!
Ein Beispiel nehmt an Gottes Sohne:
Christus trug keinen Lorbeerkranz
Und Cäsar keine Dornenkrone.

[Quelle: Lepp, Adolf <1847 - 1906>: Ein deutscher Chansonnier : aus d. Schaffen Adolf Lepps / hrsg. von Ursula Münchow u. Kurt Laube. -- Berlin : Akademie-Verlag,1976. -- XXXV, 224 S. ; 20 cm. -- (Textausgaben zur frühen sozialistischen Literatur in Deutschland ; Bd. 16). -- S. 128.]



Abb.: H. Nérac(alias Xiat): Das Korsett. -- 1870-1871



Abb.: Faustin Betbeder (1847 - ): Louis Veuillot (Die Männer der Kirche). --  1870-1871

"VEUILLOT, Louis, * 11. Oktober 1813 in Boynes (Dép. Loiret), + 7. März 1883 in Paris. Französischer Journalist und Publizist. Er gilt als der führende Verteidiger der ultramontanen Bewegung innerhalb der katholischen Kirche Frankreichs im 19. Jahrhundert  Veuillot  entstammte einem armen Elternhaus und war Autodidakt. Im Jahre 1831 nahm er seine journalistische Tätigkeit auf. Von 1832 bis 1836 gab er in Périgueux die Zeitung »Mémorial de la Dordogne« und von 1836 bis 1838 in Paris die »Charte de 1830« heraus. Während eines Aufenthalts in Rom im Jahre 1838, wo er eine Audienz bei Papst Gregor XVI. hatte, fasste er den Entschluss, ein aktives Leben nach dem katholischen Glauben zu leben. Im Jahre 1843 übernahm er die Leitung der Zeitung »L'Univers«, die er bis zu seinem Tode innehatte. Es handelte sich anfangs um eine unbedeutende Zeitung, doch wurde sie bald durch seine Verteidigung des Papsttums und der katholischen Kirche zu einer Autorität von internationalem Rang. Mit allem Nachdruck verteidigte  Veuillot auch die weltliche Macht des Papsttums. Er bekämpfte entschieden den Gallikanismus innerhalb des französischen Katholizismus sowie den Liberalismus. Er stritt vehement für einen größeren Einfluss der Kirche auf das französische Erziehungswesen. Die Heftigkeit seines Stils und seiner Anklagen gegen die Regierenden führten zu seiner Verhaftung im Jahre 1844. Politisch wechselte  Veuillot öfters die Fronten. Zunächst zog er die Revolution von 1848 der sog. Juli-Monarchie vor. Doch bald änderte er seine Meinung und unterstützte den Staatsstreich Louis Napoleons. Wegen dessen antikirchlicher Italienpolitik wandte er sich allerdings von diesem bald ab. Von 1860 bis 1867 konnte »L'Univers« wegen der kontinuierlichen Ablehnung der napoleonischen Österreich-Politik überhaupt nicht erscheinen;  Veuillot  ließ sich dennoch nicht entmutigen, sondern setzte in dieser Zeit seine literarische Tätigkeit durch Veröffentlichung einer Reihe von Büchern und Streitschriften fort. Versuche bestimmter Kreise, die Religion mit modernen Zeitströmungen zu versöhnen, lehnte er entschieden an. In der Frage der Dogmatisierung der päpstlichen Unfehlbarkeit neigte er zu extremen Ansichten, die ihm nicht nur die Opposition der Freidenker, sondern auch »moderater« Katholiken, z.B. J.-R.-F. Dupanloup, H.-L.Ch. Maret, Ch.F.-R. de Montalembert, eintrug. Während des ersten vatikanischen Konzils genoss er die Unterstützung Papst Pius IX., so dass »L'Univers« fast zu einem offiziellen Organ des Vatikans wurde. Während der Belagerung von Paris im Jahre 1870 entschloss sich  Veuillot , in der Stadt zu bleiben. Allgemein wurde  Veuillot  wegen seiner Aufrichtigkeit geachtet. Er hatte besonderen Einfluss auf die französische Geistlichkeit seiner Zeit. Nach seiner Pensionierung ging die Leitung von »L'Univers« auf seinen Bruder Eugène über, der eine eher gemäßigte Linie im Sinne Papst Leos XIII. verfolgte. Nach seinem Tode begründete seine Schwester Élise die Zeitschrift »La vérité française«, welche die intransingente Linie von Louis  Veuillot  fortsetzte."

[Quelle: Johannes Madey. -- http://www.bautz.de/bbkl/v/veuillot_l.shtml. -- Zugriff am 2004-05-22]


Julius Sturm (1818 - 1896): Friedenshymne (ernst gemeint)

Himmel entsprung'nen
Glorreichen Frieden
Hast du in Gnaden,
Gott, uns beschieden,
Was wir ersehnten
Du hast's vollbracht:
Dein sei die Ehre,
Dein ist die Macht!

Segne den Kaiser,
Den mit dem Lande
Innig verbinden
Heilige Bande;
Treu dir zu dienen
Ist er bedacht:
Dein sei die Ehre,
Dein ist die Macht!

Kröne die Helden,
Die mit dem Schwerte
Freiheit erkämpften
Heimischer Erde,
Segne die Opfer
Blutiger Schlacht;
Dein sei die Ehre,
Dein ist die Macht!

Heil'ger, erhalt' uns,
Was du beschieden,
Mache zur Burg uns
Dauernden Frieden!
Halte in Treue
Über uns Wacht!
Dein sei die Ehre,
Dein ist die Macht!


1871


Eugène Pottier (1816-1887): L'Internationale. -- 1871

1888 vertont von Pierre Chrétien de Geyter (1848-1932)

Für Melodie "Internationale" hier drücken

[Quelle der midi-Datei: http://www.blueplane.de/DDRLieder/Lieder/Internationale.htm.  -- Zugriff am 2004-11-17]

1. Debout! les damnés de la terre!
Debout! les forçats de la faim!
La raison tonne en son cratère,
C'est l'éruption de la fin.
Du passé faisons table rase,
Foule esclave, debout! debout!
Le monde va changer de base:
Nous ne sommes rien, soyons tout!
1. Wacht auf! Verdammte dieser Erde
Die stets man noch zum Hungern zwingt.
Das Recht, wie Glut im Kraterherde,
Nun mit Macht zum Durchbruch dringt!
Reinen Tisch macht mit dem Bedränger,
Heer der Sklaven wache auf!
Ein Nichts zu sein, tragt es nicht länger!
Alles zu werden strömt zu Hauf!
Chorus:
Fiers compagnons, c'est la lutte finale;
En liberté, groupons-nous et demain,
N'ayons qu'un but: l'Internationale
Pour affranchir, enfin, le genre humain.
Refrain:
|: Völker hört die Signale!
Auf zum letzten Gefecht!
Die Internationale
Erkämpft das Menschenrecht! :|
2. Il n'est pas de sauveurs suprêmes:
Ni Dieu, ni César, ni tribun,
Producteurs, sauvons-nous nous-mêmes!
Décrétons le salut commun!
Pour que le voleur rende gorge,
Pour tirer l'esprit du cachot,
Soufflons nous-memes notre forge,
Battons le fer quand il est chaud!
Chorus:
2. Es rettet uns kein höh'res Wesen,
Kein Gott, kein Kaiser noch Tribun.
Uns aus dem Elend zu erlösen,
Können wir nur selber tun!
Leeres Wort, des Armen Rechte!
Leeres Wort, des Reichen Pflicht!
Unmündig nennt man Euch und Knechte!
Duldet die Schmach nun länger nicht!
Refrain:
3. L'État comprime et la loi triche;
L'Impôt saigne le malheureux;
Nul devoir ne s'impose au riche;
Le droit du pauvre est un mot creux.
C'est assez languir en tutelle,
L'Égalité veut d'autres lois;
"Pas de droits sans devoirs," dit-elle,
"Égaux, pas de devoirs sans droits!"
Chorus:
3. Gewölbe fest und stark bewehret,
Die bergen, was man Euch entzog.
Dort liegt das Gut das Dir gehöret
Und um das man Dich betrog!
Ausgebeutet bist Du 'worden,
Ausgesogen bis auf's Mark!
Auf Erden rings, in Süd und Norden:
Das Recht ist schwach, die Willkür stark!
Refrain:
4. Hideux dans leur apothéose,
Les rois de la mine et du rail
Ont-ils jamais fait autre chose
Que dévaliser le travail:
Dans les coffres-forts de la bande
Ce qu'il a créé s'est fondu.
En décrétant qu'on le lui rende
Le peuple ne veut que son dû.
Chorus:
4. In Stadt und Land, ihr Arbeitsleute,
Wir sind die stärkste der Parteien!
Die Müßiggänger schiebt beiseite,
Diese Welt soll unser sein!
Unser Blut sei nicht der Raben
Und der mächt'gen Geier Fraß!
Erst wenn wir sie vertrieben haben,
Dann scheint die Sonn' ohn' Unterlass!
Refrain:
5. Les rois nous soûlaient de fumées,
Paix entre nous, guerre aux tyrans!
Appliquons la grève aux armées,
Crosse en l'air et rompons les rangs!
S'ils s'obstinet, ces cannibales,
A faire de nous des héros,
Ils sauront bientôt que nos balles
Sont pour nos propres généraux.
Chorus:
 
6. Ouvriers, paysans, nous sommes
Le grand parti des travailleurs;
La terre n'appartient qu'aux hommes,
L'oisif ira loger ailleurs.
Combien de nos chairs se repaissent!
Mais, si les corbeaux, les vautours,
Un de ces matins, disparaissent,
Le soleil brillera toujours!
Chorus:
 
  Deutsch von Emil Luckhardt. -- 1910

 


Karl Gerok (1815 - 1890): Des deutschen Knaben Tischgebet. -- 1871

Das war einmal ein Jubeltag!
Bei Sedan1 fiel der große Schlag:
Mac Mahon war ins Garn gegangen,
Der Kaiser und sein Heer gefangen,
Und blitzschnell flog die Siegespost
Am Draht nach Süd und Nord und Ost.
Da gab's ein Jubeln ohne Maßen,
Von Flaggen wogten alle Straßen,
Vieltausendstimmig scholl Hurra,
Und waren noch Kanonen da,
So schoss man auch Viktoria.
Doch jedenfalls die Wacht am Rhein2
Ward angestimmt von Groß und Klein,
Denn auch durch der Unmünd'gen Mund
Wird Gottes Lob von Alters kund.

Und einer von den kleinsten Jungen,
Der hat am laut'sten mitgesungen:
Die bunte Mütze auf dem Ohr,
Die Höslein flott im Stiefelrohr,
Marschiert er wacker mit dem Chor,

Beteiligt sich den Morgen lang
An jedem Schrei und jedem Sang;
So wichtig nahm's der kleine Wicht,
Als ging's ohn' ihn entschieden nicht,
War so mit Leib und Seel' dabei,
Als ob er selbst die Rheinwacht sei.
Hat drum den Glockenschlag vergessen,
Und kam zu spät zum Mittagessen.

Mit heißen Wangen, rotem Kopf,
Mit off'ner Brust, verwehtem Schopf
Erscheint er endlich siegesmatt
Die andern waren halb schon satt —
Grüßt obenhin, setzt sich zu Tisch
Und greift zu seinem Löffel frisch.

Jedoch der bied're Vater spricht:
"Fritz, ungebetet isst man nicht!"
Worauf mein Fritz vom Stuhl ersteht,
Die Hände faltet zum Gebet,
Und weil sein Kopf noch stark zerstreut,
Gibt's, wie der Geist ihm just gebeut,
Spricht:
"Lieber Gott, magst ruhig sein,
Fest steht und treu die Wacht am Rhein.
Amen!"

Erläuterungen:

1 Sedan

"Die Schlacht von Sedan fand am 1. September 1870 im Deutsch-Französischen Krieg statt. Mit der Kapitulation der französischen Truppen und der Gefangennahme des französischen Kaisers am 2. September war sie vorentscheidend für den Ausgang des Krieges.

Sedan ist der Name einer Stadt und Festung in Frankreich. Sie liegt an der Meuse nahe der belgisch-französischen Grenze.

Die Schlacht fand zwischen den deutschen Truppen (III. und IV. Armee)und der von ihnen eingeschlossenen französischen (Mac-Mahonschen-) Armee statt. Die französische Armee, zu Beginn der Schlacht unter dem Kommando des Marschalls Marie Edme Graf von Mac-Mahon (1808 – 1893), später unter General von Wimpffen, kapitulierte abends. Napoleon III. übergab seinen Degen dem preußischen König Wilhelm, und begab sich (am 2. früh) in deutsche Kriegsgefangenschaft.

Am Abend des 3. September drang die Kunde von der Niederlage und der Gefangennahme des Kaisers nach Paris. Am 4. September wurde die Deputiertenkammer von Volksmassen gestürmt, kurz danach wurde die Absetzung des Kaisers verkündet und die Republik ausgerufen. Noch in der gleichen Nacht verliess die Kaiserin Paris und floh nach England. In Paris wurde eine Regierung der nationalen Verteidigung gebildet, der u.a. Jules Favre und Gambetta angehörten.

Im Deutschen Reich wurde der 2. September als „Sedantag“ ein patriotischer Feiertag, der die Funktion des nicht existierenden Nationalfeiertages übernahm. "

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_von_Sedan. -- Zugriff am 2004-06-24]

2 Wacht am Rhein:  1840 von Max Schneckenburger (1819-1849) gedichtetes patriotische Lied:

Die Wacht am Rhein

Für Melodie "Die Wacht" hier drücken

[Quelle der midi-Datei: http://ingeb.org/Lieder/esbraust.html.  -- Zugriff am 2004-10-21]

Es braust ein Ruf wie Donnerhall
wie Schwertgeklirr und Bogenprall
zum Rhein, zum Rhein zum deutschen Rhein
Wer will des Stromes Hüter sein?

Refrain nach jeder Strophe:

Lieb Vaterland magst ruhig sein;
fest steht und treu die Wacht
die Wacht am Rhein


Durch hunderttausend zuckt es schnell,
und aller Augen blitzen hell;
der deutsche Jüngling, fromm und stark,
beschirmt die heil'ge Landesmark.

Er blickt hinauf in Himmels Au'n
da Heldenväter niederschau'n
und schwört mit stolzer Kampfeslust
du Rhein bleibst deutsch wie meine Brust!

Solang ein Tropfen Blut noch glüht,
noch eine Faust den Degen zieht
und noch ein Arm die Büchse spannt,
betritt kein Feind hier deinen Strand!

Und ob mein Herz im Tode bricht,
wirst du noch drum ein Welscher nicht.
Reich, wie an Wasser deine Flut
ist Deutschland ja an Heldenblut!

Der Schwur erschallt, die Woge rinnt
die Fahnen flattern hoch im Wind
am Rhein, am Rhein, am deutschen Rhein,
wir alle wollen Hüter sein.

So führe uns, du bist bewährt;
In Gottvertrau'n greif' zu dem Schwert,
Hoch Wilhelm! Nieder mit der Brut!
Und tilg' die Schmach mit Feindesblut!


Johann Baptist  Sigl (1839 - 1902): Das Lied vom König Ehrenmann. -- In: Bayrisches Vaterland. -- 1871-06-03

Melodie: Ich bin der Doktor Eisenbart

Für Melodie "Dr. Eisenbart" hier drücken

[Quelle der midi-Datei: http://web.utanet.at/toscherf/Student/Studenttxt/Dr_Eisenbart.htm.  -- Zugriff am 2004-12-23]

Ich bin der »König-Ehrenmann«1,
Ich nehme, was ich nehmen kann;
Am Rauben hab' ich meine Lust,
Und nähr' den Trieb in meiner Brust.
Victoria, Italia!

Ich kam auf Rom mit starker Macht,
Mich reizt' sein Gold und seine Pracht;
Ich schob sie gleich in meinen Sack,
Regier' mit meinem Lumpenpack.

Und dass der Papst2 auch leben kann,
Besorg' ich treu als »Ehrenmann«,
Zwar sein Gut lasse ich ihm nicht,
Zu nähren ihn sei Andrer Pflicht.

Der Papst soll mein Gefang'ner sein,
Um seiner Näh' mich stets zu freu'n;
Und als der »Kirche treu'ster Sohn«
Besetz' ich jetzt den röm'schen Thron.

Ich bin der »König-Ehrenmann«,
Manch' Schelmenstück hab' ich getan,
Manch' Stücklein hab' ich noch im Kopf
Nimmt mich der Teufel nicht beim Schopf.

Der italien'sche Ehren-Rex,
Das ist ein sauberes Gewächs;
Fürwahr, es gibt zu dieser Stund!
Wohl keinen größ'ren — Tugendbund!

Erläuterungen:

1 Viktor Emanuel II., König von Italien, genannt Re Galantuomo (König Ehrenmann), der 1870 Rom und die Reste des Kirchenstaates okkupiert hatte.

"Viktor Emmanuel II. (* 14. März 1820 in Turin; 9. Januar 1878 in Rom) war König von Sardinien und Italien.

Viktor Emmanuel wurde am 14. März 1820 in Turin geboren. Nach dem Wiener Kongress war Piemont von Frankreich abgetreten und Teil des Königreiches Sardinien geworden, mit Turin als dessen Hauptstadt. Er war der älteste Sohn Königs Carlo Alberto I. von Sardinien und dessen Gemahlin Maria Theresia von Österreich, der 1849 nach der Niederlage gegen die Österreicher bei der Schlacht von Novara abdankte und den Thron an Viktor Emmanuel übergab. Schon Viktor Emmanuels Vater hatte am 3. März 1848, als Reaktion auf die Märzrevolution in den italienischen Fürstentümern und vielen anderen Staaten Europas, im Königreich Sardinien eine konstitutionelle Monarchie mit einem parlamentarischen Regierungssystem eingeführt. Viktor Emmanuel, der zwar zunächst nach dem ersten sardinischen Krieg mit Österreich Frieden schloss, setzte später die Politik seines Vaters fort, mit der er Sardinien zunehmend an die Spitze der italienischen Einigungsbewegung, des Risorgimento, setzte. Hauptberater in dieser Angelegenheit war sein langjähriger Ministerpräsident Camillo Benso Graf von Cavour.

Die Armee wurde organisiert, die Finanzen geregelt, der Handel gefördert. 1855/56 stand Sardinien-Piemont auf der Seite von Frankreich und Großbritannien im Krimkrieg. Viktor Emmanuel wollte ein vereinigtes Italien, dem die österreichischen Interessen, die im größten Teil Oberitaliens die Vorherrschaft hatten, im Wege standen. Mit französischer Hilfe wurden die Österreicher, die nach politisch-militärischer Provokation Sardiniens in Piemont eingefallen waren, besiegt und die Lombardei erobert. Weil Viktor Emmanuel die Vereinigung Italiens wollte, nahmen ihn die mittelitalienischen Staaten als König an. Die ursprünglich starken republikanisch-demokratischen Bewegungen des Risorgimento waren durch die gescheiterten Revolutionen von 1848/49 stark geschwächt worden, so dass sich das konstitutionell- monarchistische Prinzip in Italien durchsetzen konnte.

Nachdem Giuseppe Garibaldi mit seinen Freischaren 1860/61 Sizilien und Neapel (das Königreich beider Sizilien) von den Bourbonen befreit hatte, sprach sich auch dort die Bevölkerung in einem Plebiszit für die Vereinigung mit Italien aus. Garibaldi, im Grunde eher Demokrat und Republikaner, trat daraufhin von seinen Machtansprüchen zurück. Zur Einheit ganz Italiens fehlten nur noch das vorerst weiterhin unter habsburgischer Herrschaft stehende Venetien und der Kirchenstaat unter dem Pontifikat von Papst Pius IX., der unter dem Schutz Frankreichs stand. Am 17. März 1861 wurde Viktor Emmanuel II. offiziell zum König von Italien proklamiert. Er trat Savoyen und Nizza als Gegenleistung für die französische Unterstützung bei der Einigung Italiens an Frankreich ab. Venetien gewann er 1866 beim Eingreifen auf preußischer Seite im Preußisch-Österreichischen Krieg. Der Kirchenstaat wurde 1870 von italienischen Truppen eingenommen, nachdem dort die französischen Schutztruppen in Folge des Ausbruchs des preußisch-französischen Krieges abgezogen waren. Viktor Emmanuel II. starb am 9. Januar 1878 in Rom."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Viktor_Emanuel_II.. -- Zugriff am 2004-12-16]

2 Pius IX.

[Quelle: Dr. Sigl, ein Leben für das Bayerische Vaterland / hrsg. von Rupert Sigl. -- Rosenheim : Rosenheimer, 1977. -- 327 S. : Ill. ; 21 cm. -- (Rosenheimer Raritäten). --  ISBN 3-475-52201-2. -- S. 156f.]



Abb.: Preußische Kulturkämpfer in Aktivität. 23 Monate Kampf um Kolportege. -- Katholische Karikatur. -- Bayer 1871

Erläuterung: das katholische projesuitische, antisemitische und antifreimaurerische Hetzblatt "Das Bayrische Vaterland" war in 23 Monaten 100 mal konfisziert worden. Die Schlüssel Petri am Gebäude deuten an, dass dieses Blatt ganz papsttreu ist.

Das bayrische Vaterland. -- München : Bayr. Vaterland. --  [1.]1869,23.März[Probenr.] u.1(1.Apr.)-230(31.Dez.); 2.1870 - 4.1872,109(2.Mai); 4.1872,110(3.Mai) - 67.1934,222(26.Sept.)[?]; [N.F.] 1.1962 - 8.1969[?]. -- Hrsg. u. Red.: Johann Baptist Sigl. -- Periodizität: 6x wöchentl.

[Bildquelle: Dr. Sigl, ein Leben für das Bayerische Vaterland / hrsg. von Rupert Sigl. -- Rosenheim : Rosenheimer, 1977. -- 327 S. : Ill. ; 21 cm. -- (Rosenheimer Raritäten). --  ISBN 3-475-52201-2. -- S. 213]


1872


Georg Herwegh (1817-1875): Dilemma. -- Juni 1872

Soll ich vor dem Papste knien
Oder vor Barbarossa?
Wohin soll ich? nach Berlin?
Oder nach Canossa?

Ist's die geistliche Miliz
Oder die profane,
Die mein Untertanenwitz
Schreibt auf seine Fahne?

Ist's die Jesuitenzucht
Oder die Kaserne
Dunkelarrest? (die Siegesfrucht!)
Wo sind Deutschlands Sterne?

Wo erglänzt ein Hoffnungsstrahl?
Ist's der Köhlerglaube?
Oder ist's der Kruppsche Stahl
Und die Pickelhaube?

Bismarck oder Escobar1
Welchen soll ich wählen?
Sind es nicht am Ende gar
Zwei verwandte Seelen?

Erläuterung:

1 Escobar

"ESCOBAR Y MENDOZA, Antonio de, Jesuit, Moralist, * 1589 in Valladolid, † daselbst 4.7. 1669. - Escobar trat 1605 in die Gesellschaft Jesu ein und wurde Rektor des Jesuitenkollegs in Valladolid. Er war ein eifriger Prediger und Seelsorger und fruchtbarer Schriftsteller auf dem Gebiet der biblischen Exegese und der Moraltheologie. Escobar vertrat den sog. einfachen Probabilismus: eine sittliche Vorschrift ist dann nicht als verbindlich zu erachten, wenn für ihre Unverbindlichkeit das Zeugnis eines anerkannten Sittenlehrers als »wahrscheinliche« Meinung (opinio probabilis) angeführt werden kann, selbst wenn die andere Auffassung als die sichere (probabilior) zu nehmen ist. Bekannt ist E. durch seinen »Liber theologiae moralis XXIV societatis Jesu doctoribus reseratus« (1644), das verbreitetste seiner moraltheologischen Werke. Darin stellte er die Ergebnisse der Lehrmeinungen von 24 Kasuisten seines Ordens zusammen. Es ist die Hauptquelle der jesuitischen Probabilitätslehre. Die Parlamente von Paris, Bordeaux, Rennes und Rouen haben das Buch öffentlich verbrennen lassen. Wegen der maßlos laxen Doktrinen dieses Werkes wurde Escobar heftig angegriffen, besonders von Blaise Pascal in seinen »Lettres écrites à un provincial par un de ses amis« (1656). Der moderne Jesuitismus billigt Escobars Sittenlehre nicht mehr. Man lobt zwar seine persönliche Unbescholtenheit und asketische Sittenstrenge, gibt aber zu, dass er als Morallehrer saepe justo benignior gewesen sei, und gesteht, er gehe in der Anwendung seiner Sittenlehre »manchmal zu weit, so dass er den Weg zum Himmel allzu leicht und zu bequem zu machen scheine«. Ein älteres katholisches Sprichwort sagt: »Escobar kaufte den Himmel für sich teuer, gab ihn aber anderen billig.«

[Quelle: Friedrich Wilhelm Bautz. -- http://www.bautz.de/bbkl/e/escobar_y_m_a.shtml. -- Zugriff am 2005-09-15]


1873



Abb.: Golgatha: Kreuzigung Jesu zwischen den beiden Schächern. -- Passionsspiele Thiersee [Bildquelle: http://passionsspiele.thiersee.at/download.htm. -- Zugriff am 2004-09-15]

Georg Herwegh (1817-1875): Golgatha. -- Januar 1873

An dem einen Kreuz die Liebe,
Ihr zur Seiten in Gestalt
Zweier Mörder oder Diebe
Kleiner Diebe — die Gewalt!

Wenn ich so in unsern Tagen
Mir betrachte dieses Bild,
Muss ich mich im Stillen fragen,
Wem der Menschen Innbrust gilt.

Ob nicht manchmal sich beim Beten
Unsrer Frommen Blick verirrt,
Und ein Strolch statt des Propheten
Gegenstand der Andacht wird.

Auf der Höhe thront im Leben
Und erringt sich Rum und Preis,
Wer das Kreuz des Schächers neben
Christi Kreuz zu ehren weiß;

Wer vor einem gnadenreichen
Heiland niederkniet im Staub,
Aber Leichen türmt auf leichen,
Um zu sichern seinen Raub.

Schade, dass ich nie begriffen,
Schwarz und weiß zugleich zu sein!
Hat mich drum auch ausgepfiffen
Mancher Preuße, groß und klein.



Abb.: Kirchenverfolgung durch Teufel und Bismarck im Kulturkampf. -- Katholische Karikatur. -- Bayern. -- Nach 1873

[Bildquelle: Dr. Sigl, ein Leben für das Bayerische Vaterland / hrsg. von Rupert Sigl. -- Rosenheim : Rosenheimer, 1977. -- 327 S. : Ill. ; 21 cm. -- (Rosenheimer Raritäten). --  ISBN 3-475-52201-2. -- S. 23]



Abb.: Nix zu handeln. -- Katholische Karikatur. -- Bayern. -- Nach 1873

[Bildquelle: Dr. Sigl, ein Leben für das Bayerische Vaterland / hrsg. von Rupert Sigl. -- Rosenheim : Rosenheimer, 1977. -- 327 S. : Ill. ; 21 cm. -- (Rosenheimer Raritäten). --  ISBN 3-475-52201-2. -- S. 151]



Abb.: Eintritt ins Deutsche Reich (Gefängnis. Hundehalsketten mit den Aufschriften: Liberal, Kulturkampf, Kirchengesetz). -- Katholische Karikatur. -- Bayern. -- Nach 1873

[Bildquelle: Dr. Sigl, ein Leben für das Bayerische Vaterland / hrsg. von Rupert Sigl. -- Rosenheim : Rosenheimer, 1977. -- 327 S. : Ill. ; 21 cm. -- (Rosenheimer Raritäten). --  ISBN 3-475-52201-2. -- S. 234]


1874



Abb.: Vergebliche Mühe: Römlinge benutzen Gladstone als Rammbock gegen die Hofkirche. -- In: Judy. -- 1874

[Quelle: Fuchs, Eduard <1870 - 1940>: Die Karikatur der europäischen Völker vom Jahre 1848 bis zur Gegenwart. -- Berlin : Hofmann, 1903. -- 486 S. : Ill. -- S. 277]

"William Ewart Gladstone

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William Ewart Gladstone (December 29, 1809 - May 19, 1898) was a British liberal politician and Prime Minister (1868-1874, 1880-1885, 1886 and 1892-1894). He was the main political rival of Benjamin Disraeli and famously at odds with Queen Victoria for much of his career.

William Ewart Gladstone was the fourth son of merchant Sir John Gladstones (the final "s" was dropped from the family name to make it easier to pronounce). Born in Liverpool, William was educated at Eton College and 1828 went to Christ Church College, Oxford where he studied classics and mathematics. At first he intended to become a priest. At the Oxford Union debating society Gladstone developed a reputation as a fine orator, a reputation that followed him into the House of Commons. At university Gladstone was a Tory and denounced Whig proposals for parliamentary reform.

He was first elected to Parliament in 1832 as Conservative MP for Newark. Initially he was extremely reactionary (High Toryism), opposing the abolition of slavery and factory legislation. In 1838 he published a book The State in its Relations with the Church. In 1839 he married Catherine Glynne.

In 1840 Gladstone began his rescue and rehabiliation of London prostitutes. He would walk the London streets and try to convince prostitutes to change their ways.

Gladstone was re-elected in 1841. In the second ministry of Robert Peel he served as President of the Board of Trade (1843-44). He resigned in 1845 on a matter of conscience - the Maynooth Seminary issue - but returned to a position of Colonial Secretary in December.

As Chancellor he pushed to extend the free trade liberalisations in the 1840s and worked to reduce public expenditure. He also took his moral and religious ideals into politics (he was a Nonconformist), but in a progressive manner later called Gladstonian Liberalism. He was re-elected for the University of Oxford in 1847 and became a constant critic of Lord Palmerston.

In 1848 he also founded the Church Penitentiary Association for the Reclamation of Fallen Women. In May 1849 he began his most active "rescue work" with "fallen women" and met prostitutes late at night either on street, in his house or their house. He wrote their names in his notebook. He aided the House of Mercy at Clewer, by Windsor in London (with extreme in-house discipline) and spent much time to arrange employment for ex-prostitutes. His wife was aware of these activities. There is no evidence he ever actually used their services, although shortly afterwards his diary would sometimes be marked with the small drawing of a whip. It is believed this means he felt tempted, and he is known to have actually whipped himself as a means of repentance.

During his visit to Naples in 1850 he began to support Neapolitans. In 1852, when Lord Aberdeen became premier, at the head of a coalition of Whigs and Peelites, Gladstone became Chancellor of the Exchequer till 1855 and tried unsuccessfully to abolish the income tax. Instead he ended up rising it because of the Crimean War. Lord Stanley became prime minister in 1858 but Gladstone declined a position in his government because he did not want to work with Benjamin Disraeli, then chancellor and leader of the House of Commons. Palmerston's next mixed government with Radicals added in 1859 Gladstone joined again as a Chancellor of the Exchequer, left the Conservatives and joined the Liberal party. In 1864 he begun to support a Bill to lower the franchise qualification and angered both Lord Palmerston and Queen Victoria. Because of this, in the general election of 1865 he lost his seat for Oxford, but was narrowly elected for South Lancashire.

Lord Russell retired in 1867 and Gladstone became a leader of the Liberal party. In the next general election in 1868 he was defeated in Lancashire but elected as MP for Greenwich. He became prime minister for the first time until 1874.

Gladstonian Liberalism was characterised, in the 1860s and 70s, by a number of policies intended to improve individual liberty and loosen political and economic restraints. First was the minimization of public expenditure, on the basis that the economy and society were best helped by allowing people to spend as they saw fit. Secondly, a foreign policy aimed at promoting peace helped reduced expenditure and taxation as well as help trade. Thirdly, there was the reform of government institutions or laws that prevented people from acting freely to improve themselves.

Gladstone's first premiership instituted reforms in the Army, Civil Service and local government to cut restrictions on individual advancement. He instituted the abolition of the sale of commissions in the army and court reorganization. In foreign affairs his over-riding aim was peace and understanding, characterized by his settlement of the Alabama Claims in 1872 in favour of the Americans.

He transformed the Liberal party during his first premiership (following the enlarged electorate created by the Reform Act of 1867). The 1867 Reform Act gave the vote to every male adult householder living in a borough constituency. Male lodgers paying £10 for (unfurnished) rooms also received the vote. This gave the vote to about 1,500,000 men. The Reform Act also changed the electoral map; constituencies and boroughs with less than 10,000 inhabitants lost one of their MPs. The forty-five seats left available through the re-organization were distributed by: (1) giving fifteen to towns which had never had an MP; (2) giving one extra seat to some larger towns - Liverpool, Manchester, Birmingham and Leeds; (3) creating a seat for the University of London; (4) giving twenty-five seats to counties whose population had increased since 1832. The later 1884 Reform Act gave the counties the same franchise as the boroughs - adult male householders and £10 lodgers - and added about six million to the total number who could vote in parliamentary elections.

In 1869 he arranged the dis-establishment of the Church of Ireland in an attempt to bring peace. That meant that Irish catholics did not need to pay their tithes to the Anglican Church of England. He also instituted Cardwell's Army reform that made peacetime flogging illegal in 1869 and the Irish Land Act and Forester's Education Act in 1870. In 1871 he instituted University Test Act. In 1872 he instituted the Ballot Act for secret voting ballots. In 1873 he passed laws restructuring the High Courts. He failed to prevent Franco-German War.

In 1874 the Liberals lost the election. After the success of Benjamin Disraeli he temporarily retired from the political scene and the leadership of the Liberal party, although he retained his seat in the House. In 1876 he published a pamphlet, Bulgarian Horrors and the Questions of the East where he attacked the Disraeli government for its indifference to the violent repression of the Bulgarian rebellion in Ottoman Empire. During his election campaign (called Midlothian campaign) in 1879 he spoke against Disraeli's foreign policies during the ongoing Anglo-Afghan War in Afghanistan. (See Great Game). He saw the war as "great dishonor." He also criticised British conduct in the Zulu War.

In 1880 the Liberals won again and the new Liberal leader Lord Hartington retired in Gladstone's favour. Gladstone's two sons were also elected as MPs. Queen Victoria asked Lord Hartington to form a ministry but he persuaded her to send for Gladstone. His second administration – both for PM and again as Chancellor of the Exchequer till 1882 – lasted from June 1880 to June 1885. He saw the end of Anglo-Afghan War, first Boer War and British war against Mahdi in Sudan. He also extended the franchise to agricultural labourers and others. In 1881 he also established the Irish Coercion Act that let he Viceroy detain people for as "long as was thought necessary." Parliamentary reform continued and in 1884 Gladstone instituted The Redistribution of Seats Act.

The fall of General Gordon's troops in Khartoum in 1885 decreased the popularity of Gladstone. He resigned in 1885 and declined Victoria's offer of Earldom. In 1886 his party was allied with Irish Nationalists to defeat Lord Salisbury's government; Gladstone regained his position as PM and combined the office with that of Lord Privy Seal.

In 1886 he introduced his Home Rule Bill for Ireland for the first time. The issue split the Liberal Party and the bill was thrown out on the second reading. The result was the end of his government after a few months and another government headed by Lord Salisbury.

In 1892 Gladstone was re-elected a prime minister for the fourth time. In February 1893 he re-introduced a Home Rule Bill. It was essentially to form a parliament for Ireland, or in modern terminology, a regional assembly of the type Northern Ireland gained from the Good Friday Agreement. The Home Rule Bill did not offer Ireland independence, something which was in any case was not the demand of the Irish Parliamentary Party. It was passed by the House Of Commons and then rejected by the House Of Lords, on the grounds that it went too far. In March 1 1894 in his last speech in the House of Commons he requested his allies to destroy the veto of the House of Lords. He resigned two days later although he again retained his seat in the Commons until 1895.

In 1896 he appeared to speak in public in Liverpool to denounce Armenian massacres by Ottomans.

Gladstone died of cancer at Hawarden in 1898 and was buried in Westminster Abbey."

[Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/William_Ewart_Gladstone. -- Zugriff am 2004-04-28]


1877



Abb.: Titelleiste von Neue Tiroler Stimmen

"Für Gott, Kaiser und Vaterland"

"Am 24. Februar 1877 präsentierten die „Neuen Tiroler Stimmen" Dekan Mayr einen Katalog von Forderungen, die er im Landesschulrat durchzusetzen hätte, wenn er schon seinen Rücktritt nicht einreichen wolle (leider ernst gemeint!):

  1. In Tirol dürfen nur katholische Männer und Jungfrauen als Lehrer angestellt werden. Lehrer, denen die katholische Gesinnung abgeht, sind aus dem Schuldienst zu entfernen. Im Zweifelsfalle entscheidet das Ordinariat.

  2. Erziehung und Unterricht müssen in Theorie und Praxis durch und durch katholisch sein.

  3. Alle konfessionslosen oder nur allgemein christlichen Lesebücher müssen aus der Schule entfernt und durch echt katholische Lesebücher ersetzt werden.

  4. Die Biblische Geschichte muss wieder als Mitlesebuch eingeführt werden.

  5. Die regelmäßige Schulpflicht muss auf sechs Jahre herabgesetzt, die Schulstunden müssen verringert und der Unterricht muss von den „unnotwendigen Fächern" entlastet werden.

Das galt für die Volksschulen. Die „Neuen Tiroler Stimmen" hatten aber auch ein Programm für die Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalten parat:

  1. Als Lehrer oder Professoren dürfen nur Männer von entschieden katholischer Gesinnung angestellt werden. Im Zweifelsfalle entscheidet das Ordinariat.

  2. Erziehung und Unterricht müssen durch und durch katholisch sein.

  3. Alle konfessionslosen, protestantischen und bloß allgemein christlichen Lehrbücher müssen entfernt und durch echt katholische ersetzt werden.

  4.  Die Gegenstände der Mathematik, Physik, Naturgeschichte und Geographie müssen auf die Hälfte reduziert werden .

Nach dem Diktat der „Neuen Tiroler Stimmen" waren diese Vorstellungen nicht etwa nach und nach, sondern auf das Schuljahr 1877/78 hin zu verwirklichen."

[Quelle für Bild und Text: Fontana, Josef <1937 - >: Der Kulturkampf in Tirol. -- Bozen : Verlagsanstalt Athesia, 1978. -- 528 S. : Ill. ; 19 cm. -- (Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstitutes ; Bd. 6). -- ISBN 88-7014-049-0. -- S. 291, 293]



Abb.: Aufruf zur Erneuerung Des Bundes Tirols mit dem Herzen Jesu. -- 1876 (ernst gemeint)

[Bildquelle: Fontana, Josef <1937 - >: Der Kulturkampf in Tirol. -- Bozen : Verlagsanstalt Athesia, 1978. -- 528 S. : Ill. ; 19 cm. -- (Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstitutes ; Bd. 6). -- ISBN 88-7014-049-0. -- S. 280]


1879


Friedrich Stoltze (1816 - 1891): Michel. -- 1879

Michel1, o Michel, der über die Ohren,
Über die Augen die Pelzkapp gezogen,
Kann man dich denken als Denker geboren,
Welchem zugleich auch Apollo2 gewogen?

Wer kann dir helfen und wer kann dir raten?
Wer kann dich warnen, wer wahren vor Kummer?
Andere werden doch klüger durch Schaden,
Du wirst durch Schaden nur dummer und dummer.

Offenen Maules und selig im Glauben
Und im Bewusstsein des Christen und Weisen
Harrst du und hoffst auf gebratene Tauben,
Welche dir Pfarrer und Amtmann verheißen.

Zieht über den Schädel man glatt auch das Fell dir
Gleichwie der Metzger das Vließ3 eines Bockes,
Lächelst du pfiffig, als wär ein Pedell4 dir
Dienstreich behülflich beim Anziehn des Rockes.

Saget dir Einer. "Je mehr als du zahlest,
Um so viel reicher dann musst du auch werden,"
Nickst du und freust dich und lächelst und strahlest,
O du unseligster Esel auf Erden!

Je dich zu bessern, was wäre vergebens;
Eine Methode, wer kann sie erklügeln?
Wie du ein Denker gewesen zeitlebens,
Wirst du als Engel ein Strohwisch mit Flügeln.


Abb.: Der deutsche Michel als Strohwisch mit Flügeln

Michel als Seele, als himmlisch verklärte!
Michel mit Schwingen, o Michel als Flieger!
Michel, der Heros germanischer Erde
Neben Sankt Michel5, dem Drachenbesieger!

Lasst uns doch hoffen, er ändert sich plötzlich
Und tritt dann stolz auf und wild auf und frei auf;
Wenn er in Wut kommt, ist Michel entsetzlich, —
Statt einer Pelzkapp setzt er dann zwei auf.

Erläuterungen:

1 Michel: Abkürzung von Michael, als Kose- und Spottname gebraucht mit der Nebenbedeutung des Schwerfällig-Gutmütigen, Einfältigen; daher deutscher M., etwa seit dem Befreiungskriege gebrauchte Benennung der deutschen Nation, die deren politische Unreife und Verschlafenheit andeuten sollte.

2 Apollo: Gott des Lichtes

3 Vließ:  Vlies, Schaffell mit der Wolle, auch die abgeschorene, aber noch im natürlichen Zusammenhang befindliche Wolle

4 Pedell:  Diener öffentlicher Behörden

5 Sankt Michel: Michael (hebr., »wer ist wie Gott?«), einer der sieben Erzengel, Häufig zum Schutzpatron für Kirchen in Deutschland; wird meist als Besieger des Teufels (in Gestalt eines Drachen), mit der Lanze ihn durchbohrend, ihn niedertretend und in den Abgrund stürzend dargestellt


1882


Balthasar Hunold (1828 - 1884): Pädagogium. -- In: Tiroler Schulfreund. -- 1882-02-01

Als der Genius von Innsbruck
Überflog die alten Grenzen,
Sah er stolz am Alpenhimmel
Namen hell wie Sterne glänzen.

Und die Stadt, sie schmückt sich, ehren
Des Tiroler Volks Befreier,
Mag sie nun die Gassen taufen
Anich1 oder Fallmerayer2.

Jener hat das Land gemessen,
Dieser aber hat's gewogen;
Und er fand zu schwer die Bonzen,
Die die Schale niederzogen.

Seither warfen Jung-Tiroler
Geistesschwerter in die Waage!
Wer am Ende bleibt der Sieger?
Müßig scheint mir diese Frage.

Eingeweiht an dieser Stelle
Hat die Welt ein Werk zu loben:
Eine feste Burg der Bildung
Hat sich aus dem Schutt erhoben!

Mit dem Licht der Wissenschaften
Leuchte sie der Jugend Wegen!
Mögen niemals finstre Mächte
Diese Burg in Trümmer legen!

Erläuterungen:

1 Anich: Peter Anich (1723 - 1766). In Innsbruck gibt es eine Anichstraße (dort ist heute das Medizinzentrum Anichstraße)

"Anich, Peter, der erste Kartenzeichner von Tirol, geb. 22. Febr. 1723 in Oberperfuß bei Innsbruck, gest. 1. Sept. 1766, trieb bis in sein 28. Jahr Landwirtschaft und Drechslerei, ging aber 1751 zu den Jesuiten nach Innsbruck, wo er Mathematik und Mechanik studierte und sich zu einem geschickten Kartenzeichner und Mechaniker ausbildete. 1756 vollendete er eine Himmelskugel von 3 Fuß Durchmesser und 1759 einen gleichgroßen Erdglobus, die allgemeine Bewunderung erregten und sich jetzt im Ferdinandeum zu Innsbruck befinden. Darauf vom Wiener Hof mit der Herstellung einer Karte von Tirol beauftragt, begann er die Vermessungsarbeiten 1760 und hatte 1763 schon mehr als zwei Drittel von Nordtirol kartiert. Kränklichkeit nötigte ihn, 1765 in dem gleichfalls aus Oberperfuß stammenden Bauernsohn Blasius Hueber (geb. 1735, gest. 1814) sich einen Gehilfen heranzubilden, der nach Anichs Tode das gemeinsame Werk zu Ende führte. Es erschien 1774 in 20 Blättern."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

2 Fallmerayer: Jakob Philipp Fallmerayer (1790 - 1861). In Innsbruck gibt es eine Falmmerayerstraße

"Fallmerayer wurde in Tschötsch bei Brixen geboren und starb in München. Als Geschichtsforscher und Reisender schilderte er in stilistisch feinen "Fragmenten" den Orient, den er 1831, 1840-42 und 1847-48 bereiste.
 
In seinen wissenschaftlichen Arbeiten vertrat Fallmerayer die heute widerlegte Ansicht, dass das alte Hellenentum im Mittelalter ausgerottet wurde und die Neugriechen meist slawisch-albanischer Abstammung seien. Er wurde 1835 Akademiemitglied, aber erst 1848 Professor in München; 1849 verlor er wegen seiner Zugehörigkeit zur Frankfurter Nationalversammlung sein Lehramt. Trotz seines theologischen Studiums und seiner Offizierslaufbahn war er zu liberalen Überzeugungen gelangt.
 
In der wissenschaftlichen Welt hatte sich Fallmerayer bereits mit seiner "Geschichte des Kaisertums Trapezunt" und der "Geschichte der Halbinsel Morea" einen Namen gemacht.

1845 veröffentlichte er die "Fragmente aus dem Orient"."

[Quelle: http://www.uibk.ac.at/c/c6/c616/fallmer.html. -- Zugriff am 2004-11-08] 

[Quelle: Fontana, Josef <1937 - >: Der Kulturkampf in Tirol. -- Bozen : Verlagsanstalt Athesia, 1978. -- 528 S. : Ill. ; 19 cm. -- (Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstitutes ; Bd. 6). -- ISBN 88-7014-049-0. -- S. 346]


1890


Max Kegel (1850 - 1902): Stöckers1 Hintritt. -- 1890

Nicht das Schöne bloß ist sterblich,
Auch das Hässliche vergeht,
Stöcker mit dem Priestermantel
Nicht mehr betend vor uns steht.
Der so göttlich konnte fluchen,
Der geschwollen so von Hass,
Braucht sein Licht nicht mehr zu stellen
Unters fromme Weihrauchfass.


Abb.: Adolf Stöcker [Bildquelle: http://www.flholocaustmuseum.org/history_wing/antisemitism/19c_antisemitism.cfm. -- Zugriff am 2004-12-15]

Ach, wie frei hat seine Seele
Sich erhoben und enthüllt,
Wenn die Schar der Judenhetzer
Ihm Applaus hat zugebrüllt,
Wenn er im Versammlungssaale
Hetzen konnte, wutentflammt. .
Oh, wie war ihm das Erholung
Von dem bittern Sorgenamt!

Und von dieser schweren Bürde
Ist er endlich nun befreit,
Abgelegt hat er den Mantel
Einer falschen Frömmigkeit,
Nur der Hetzer ist geblieben,
Hasserfüllt und lästernd froh!
Ohne Maske nun o Stöcker!
Du gefällst uns besser so!

Erläuterungen:

1 Adolf Stöcker (1835 - 1909)

"Stöcker, Adolf, Theolog und Sozialpolitiker, geb. 11. Dez. 1835 in Halberstadt, studierte in Halle und Berlin Theologie, wurde 1863 Pfarrer in Seggerde (Kreis Gardelegen), 1866 in Hamersleben, 1871 Divisionspfarrer in Metz und 1874 Hof- und Domprediger in Berlin. Seit 1877 trat er in öffentlichen Versammlungen gegen die Führer der Sozialdemokratie auf und suchte durch Gründung einer christlich- sozialen Partei (s. Christlich-soziale Reformbestrebungen) die Arbeiter für christliche und patriotische Anschauungen wiederzugewinnen, zugleich aber ihre Forderungen des Schutzes gegen die Ausbeutung des Kapitals und einer Verbesserung ihrer Lage zu unterstützen. Die neue Partei gewann aber nur an wenigen Orten zahlreichere Anhänger, da Stöcker durch seinen fanatischen Eifer gegen alles, was liberal hieß, besonders in kirchlicher Beziehung die Opposition der öffentlichen Meinung wach rief. Auch ging er in seinen Agitationen gegen das Judentum oft weiter, als es sich mit seiner Stellung vertrug. 1879 in das Abgeordnetenhaus, 1880 (bis 1893) und 1898 auch in den Reichstag gewählt, wo er sich der streng konservativen Partei anschloss, erhielt er 1890 seine Entlassung als Hofprediger; 1896 trat er aus der deutsch- konservativen Partei und dem Evangelisch-sozialen Kongress aus und gründete mit andern die Christlich- soziale Konferenz. Stöcker ist Vorsitzender der Berliner Stadtmission, Mitglied des Generalsynodalvorstandes und seit 1892 Herausgeber der »Deutschen evangelischen Kirchenzeitung«. Er veröffentlichte mehrere Jahrgänge »Volkspredigten« (gesammelt in 7 Bänden), »Das Leben Jesu in täglichen Andachten« (Berl. 1903, Volksausg. 1906), sowie zwei Sammlungen seiner Reden und Aufsätze: »Christlich-sozial« (das. 1885, 2. Aufl. 1895), »Wach' auf, evangelisches Volk« (das. 1893) und »Gesammelte Schriften« (das. 1896 f.). Vgl. seine Schrift »Dreizehn Jahre Hofprediger und Politiker« (Berl. 1895)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


1892


Maximilian Harden (1861 - 1927): Die Rede des Grafen Caprivi1 <Auszug>. -- In: Die Zukunft. -- 1892-12-05

Es grenzt an Gotteslästerung, wenn man uns glauben machen will, eine göttliche Macht habe die komödiantische Bestialität in Nero2, die konträre Sexualempfindung in Ludwig3 und den stumpfen Blödsinn in Otto von Bayern4 auf den Thron gesetzt, und es ist mindestens geschmacklos, wenn die Allerhöchsten Herrschaften sich mit einem Geheimratsverhältnis zum Höchsten Herrn spreizen. Der König ist der Vertrauensmann der Nation; er kann nicht arbeitsam, nicht selbstlos und namentlich nicht demütig genug sein, um sich dieses Vertrauens würdig zu zeigen (...)

Im nächsten Jahrhundert, wenn die fraktionellen Nuancen verschwunden sind, wird es auch in Deutschland nur noch zwei große Parteien geben. Die Verteidiger und die Gegner des Bestehenden werden einander gegenüberstehen, und der ungeheure Umweg durch eine Revolution mit darauf notwendig folgender Säbelherrschaft wird nicht zu vermeiden sein, wenn die konservative Partei sich nicht auf ihre Aufgabe besinnt: unter möglichster Schonung des wohltätig Bestehenden eine organische Reform durchzuführen, gegen den Pöbel, gegen die Hierarchie und, wenn es sein muss, auch gegen einen unerfahrenen oder von mystischen Vorstellungen beherrschten Monarchen.

[Quelle: Harden, Maximilian <1861 - 1927>: Kaiserpanorama : literarische und politische Publizistik / Maximilian Harden. Hrsg. und mit e. Nachw. von Ruth Greuner. -- Berlin : Buchverlag Der Morgen, 1983. -- 382 S. : Ill. ; 21 cm. -- S. 222]

Erläuterungen:

1 Georg Leo, Graf von Caprivi (1831 - 1899): deutscher Reichskanzler (1890 - 1894)

2 Nero:  römischer Kaiser von 54-68 n. Chr., besonders blutrünstiger Herrscher


Abb.: Nero, von Gottes Gnaden Kaiser von Rom, ermordet seine Mutter / von Honoré Daumier (1808 - 1879). -- In: Le Charivari. -- 1834-04-09

3 Ludwig II. von Bayern (1845 - 1886), König von Bayern (1864 - 1886): wurde von harden wegen seiner homosexuellen Neigungen attackiert.


Abb.: Ludwig II., von Gottes Gnaden König von Bayern, musste entmündigt werden

4 Otto I.  (1848  - 1916), König von Bayern (1886 - 1913). War wegen seiner Geisteskrankheit regierungsunfähig (Prinzregent Luitpold nahm seine Aufgaben wahr).


Abb.: Otto I., von Gottes Gnaden König von Bayern, war absolut regierungsunfähig


Abb.: Franz Josef Strauß (1915 - 1988), von Gottes und des Volkes Gnaden Ministerpräsident von Bayern (1978 - 1988), Kommentar überflüssig


Abb.: Edmund Stoiber (1941 - ), von Gottes und des Volkes Gnaden Ministerpräsident von Bayern (seit 1993), "Großer Gott wir loben dich"

Die Bayern müssen Gott danken, dass ER ihnen solche Herrscher geschenkt hat,
Und angesichts ihrer großen Sündenschuld haben die Bayern auch nichts Besseres verdient.

[Vorbild: Gebetsaufruf des Pfarrers von Hechingen (katholisch Hohenzollern-Sigmaringen) als 1849 das Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen von Preußen (evangelisch Hohenzollern) übernommen wurde:

"Auf allerhöchsten Befehl müssen wir heute Gott danken, dass wir preußisch geworden sind,
Und angesichts unserer großen Sündenschuld haben wir nichts Besseres verdient."]


1893


Adolph Lepp (1847 - 1906): Grober Unfug. -- 1893

Wir armen Sozialisten
Haben manches versehen,
Worunter Polizisten
Groben Unfug verstehen.
Der Kirchturm, er wackelt,
Wir haben dran gerackelt!
Dass es hagelt und kracht,
Ja, wir haben's gemacht.

Man nennt es groben Unfug,
Eins zur Arbeit zu pfeifen!
Und man verbietet uns unklug
Rote Bänder und Schleifen;
Doch die Herzen, die roten,
Die hat noch niemand verboten,
Und sie pochen so laut,
Dass es manchen davor graut.

Auch nennet der Herr Pastor
Unfug unsre Sache,
Und herab auf unsre Laster
Ruft er Gottes Rache.
Ei, so lasset ihn pred'gen!
Es wird uns doch nicht schädigen,
Denn die Arbeit wird frei,
Und er hilft uns dabei.


Abb.: "Ei, so lasset ihn predgen! Es wird uns doch nicht schädigen": "Sie sitzen an Ihrer Predigtvorbereitung?
Ihnen fehlt noch ein zündender Gedanke? Sie würden jetzt gerne wissen, was andere zu diesem Bibeltext geschrieben haben?" Für nur €29,95 [Quelle: http://www.predigt-cd-rom.de/start.html. -- Zugriff am 2004-12-159  


1894


Eduard Fuchs (1870 - 1937): Dichter da ist dein Platz!. -- 1894

Der modernen Dichtergeneration zugeeignet

Wo bei dem Schein von Gaslaternen
Mit Grüßen, Schreien, Hutgerück
Entleeren sich die Mietskasernen
Und hungernd Volk geht zur Fabrik -

Wo mächtig tost die Dampfmaschine,
Der Eisenräder dumpfer Schall,
Und himmelstrebende Kamine
Ausspein der Dämpfe giftgen Schwall

Wo abends müd und abgerackert
Der Arbeitstross beim Flackerlicht,
Nachdem für heut er ausgebaggert,
Sich dann für kurze Rast verkriecht

Wo auf der Großstadt Asphaltpflaster
Sich hinwälzt der brutale Sinn,
Wo Gummirad und Lumpenlaster
Gierkeuchend sucht nach Goldgewinn

Wo taumelnd schwelgen Lusthyänen,
Der Wahnsinn in den Köpfen kreist
Und wo mit frommen Heuchlertränen
Der Pfaffe Lüg an Lüge schweißt

Wo man aus christlichem Erbarmen
Die Not steckt in ein Arbeitshaus,
Wo gegen Rote tönt das Carmen,
Mit dem Refrain: „Soldaten raus!"

Wo Bürger, Pfaffe, Büttel, Richter ,
Im Chorus schrein: Dei gloriam!1
Dort musst du sein als wahrer Dichter,
Dort ist dein Platz im Weltstadtschlamm.

Du singst nicht mehr von Nachtigallen,
Von Frühlingslust, von Schmerz und Leid,
Von eines blauen Himmels Hallen,
Dem Thronsaal Gottes Herrlichkeit.

Du dichtest nicht mehr veilchenduftig,
Wenn dir ein Qualm zur Nase steigt
Von Menschenleibern moderluftig,
Wo schrill das Miserere geigt.

Dir gelten dann die Fieberrosen
Im Blick der Proletarierin
Mehr als ein minnigliches Kosen
Der sittsam-frömmsten Buhlerin.

Verrauschet sind für dich die Klänge,
Wobei man patriotisch schmaust,
Du singst dem Volk der Zukunft Sänge,
Durch die der Freiheit Herzblut braust.

Es zieht in anderen Geleisen
Toll wirbelnd jetzt die Weltgeschicht,
Um andre Pole muss sie kreisen,
Und kampfdurchwühlt ist ihr Gesicht.

Die wonnefachenden Poeten,
Der Kritikaster schweres Leid,
Mit ihrem lyrikösen Beten
Verschlingt erbarmungslos die Zeit.

Wo schwirrend ziehn die Transmissionen
Um blinkend Erz- und Stahlgeäst,
Dort gellt der Kampf der Nationen,
Dort feiern sie ihr Sieges fest.

Erläuterung:

1 Dei gloriam! = Gottes Lob.

[Quelle: Des Morgens erste Röte : frühe sozialistische deutsche Literatur 1860 - 1918 / [hrsg. vom Zentralinst. für Literaturgeschichte d. Akad. d. Wiss. d. DDR. Auswahl: Norbert Rothe (Lyrik u. Prosa) u. Ursula Münchow (Dramatik). Nachw.: Ursula Münchow. Anm. zu d. Autoren: Hans Heinrich Klatt]. -- Leipzig : Reclam, 1982. -- 459 S. : 56 Ill. -- (Reclams Universal-Bibliothek ; Bd. 926 : Belletristik). -- S. 175ff.]


1896


Herz-Jesu-Bundeslied der Tiroler.  -- Text: Josef Seeber (1856–1919); Melodie Ignaz Mitterer (1850 - 1924): -- 1896 [keine Satire, sondern ernst gemeint und jedes Jahr am Herz-Jesu-Sonntag in allen Kirchen Tirols geplärrt]

Für Melodie "Auf zum ..." hier drücken

[Quelle der mp3-Datei: http://schuetzen-groeden.com/deu/musik.htm.  -- Zugriff am 2004-10-13]

Auf zum Schwur, Tiroler Land,
heb zum Himmel Herz und Hand!
Was die Väter einst gelobt,
da der Kriegssturm sie umtobt:

Das geloben wir aufs neue:
Jesu Herz, dir ew´ge Treue!
Das geloben wir aufs neue:
Jesu Herz, dir ew´ge Treue!

Fest und stark zu unserm Gott
stehen wir trotz Hohn und Spott;
fest am Glauben halten wir,
unsres Landes schönster Zier.

Drum geloben wir aufs neue:
Jesu Herz, dir ew´ge Treue!
Drum geloben wir aufs neue:
Jesu Herz, dir ew´ge Treue!

Auf dem weiten Erdenrund
gibt es keinen schönern Bund.
Lästern uns die Feinde auch,
Treue ist Tiroler Brauch.

Drum geloben wir aufs neue:
Jesu Herz, dir ew´ge Treue!
Drum geloben wir aufs neue:
Jesu Herz, dir ew´ge Treue!


Nicht genau Datiertes (Todesdatum der Autoren 1849 - 1899)


Eduard von Bauernfeld (1802 - 1890): Sprachgebrauch

Herrschende Religion! Das klingt bedenklich.
Man sagt auch:
"Herrschende Dynastie", "herrschender Typhus" und so.


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876): Der Messias

Hofft den Messias ihr noch! Nicht kommt er
Vom Himmel! Ihr Völker,
Reicht euch zum Kampfe die Hand und — der Messias
Ist da.


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876)

Also in de Paulskirche sitzen unsre deutschen Vertreter! Na, wenn die unsre Freiheit zuweje bringen, det wäre das erste Jute, was aus de Kirche hervorjejangen is.

Erläuterung: Anspielung die erste frei gewählte deutsche Nationalversammlung, die mm 18. Mai 1848 in der Paulskirche (Frankfurt a. M.) zusammengetreten ist.


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876)

Leute, hört, ich will erzählen,
Wie oft Fürsten Völker quälen;
Wie sie keene Herzen haben,
Sich an Blut und Tränen laben,
Und sich nenn'n im frechen Spott
Jejen unsern lieben Gott:
Wirr von Jottes Gnaden!


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876):  Der Prophet im Schnapsladen

„Wisst ihr denn", sagte neulich ein phantasiereicher Schuhmacher inmitten eines politischen Gesprächs zu mehreren Mittrinkern, „wisst ihr denn, wohin des noch alles kommen wird? Seht mal, wenn Rothschild erst allens Jeld haben wird, wat jar nich mehr lange dauern kann, so is die Erde sein, und der liebe Jott muss sie ihm abkoofen, um wieder neue Könije einzusetzen. Denn die Könije sind alle von Jottes Jnaden, un nich von Rothschilds Jnaden, det werd't ihr oft gelesen haben. Also muss er ihm die Welt abkoofen. Wahrscheinlich hat aber nu der liebe Jott bei die schlechten Zeiten nich so viel bares Jeld disponibel un muss daher uf Zinsen schuldig bleiben. Det jeht nu wieder so fort un läppert sich wieder so 'ran wie bei uns in Europa, un ehe dausend Jahre verjehen, is das Haus Rothschild Mitbesitzer des Himmels un sämtlicher Welten. Ob denn beide des Jeschäft unter de Firma Jott und Rothschild oder Rothschild und Co. fortsetzen werden, weeß ich nich, nur so viel weeß ich, det der Mond und de Sonne nich mehr umsonst scheinen werden un det denn keener mehr ohne viele Jroschens selig werden kann!"


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876): Die Tartüffs

Alles mit Gott! Eidbrechen, Betrügen und Stehlen und Morden,
Schwelgen im Schweiße des Volkes; alles das, alles mit Gott!

Erläuterung: Tartüff (Tartuffe), nach Molières Le Tartuffe, ou L'Imposteur (1664), Bezeichnung für einen Heuchler.


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876)

Der Gott, der Eisen wachsen ließ,
Gab jedem Wächter seinen Spieß.


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876): An unseren Kriegsminister

Wir machen dir den Vorschlag, den äußerst, äußerst billigen:
Wir wollen Regimenter, vier neue, die bewilligen,
Wogegen du zwei alte nur endlich ab sollst schaffen:
Das Regiment der Junker und's Regiment der Pfaffen.


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876): Fibelverse für die reifere Jugend <Auszug>

Ohn' Pfaff', Philister, Professor'n
Ist jeder Potentat verlor'n


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876)

Wenn die Fürsten so viele Millionen für Reisen, Bauten, Kirchen, Bilder und Konzerte ausgeben, so sollte man gar nicht glauben, dass noch so furchtbare Armut in ihren Ländern existiert.


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876): Weltweisheit <Auszug>

Ein Jahr verbracht in frommen Wahn
Ist keine Stunde wohlgetan.

Ein Jahr im Staats- und Pfaffenjoch,
War keine Stunde Leben noch!


Hermann von Gilm (1812 - 1864): Die Freiheit

Die Freiheit sei kein Wetterschlag,
Mit dem Gewitter zücken,
Sie sei ein junger Frühlingstag
Mit himmelblauen Blicken.

Wir wollen nicht das Gotteswort
Und seine Tempel schänden,
Wir wollen nur die Heuchler fort
Aus unsern Tälern senden.

Wir fordern klares Sonnenlicht,
Nicht Rauch aus tausend Kerzen,
Und lassen unsre Freude nicht
Mit trüben Farben schwärzen.

Wir wollen alle Brüder sein,
An Deutschlands Brust uns schmiegen,
An Inn und Eider, Donau, Rhein
Uns in den Armen liegen.

Frisch auf Tirol, und wag' es, frei
Dem Licht ins Aug' zu schauen!
Frisch auf, Tirol, und hilf aufs neu'
Am deutschen Dome bauen!


Aus: Pottier, Eugène (1816 - 1887): Die herrschenden Klassen. -- Nachdichtung von Erich Weinert (1890-1953)

Nicht handeln mehr die Staatsbrigantcn
Mit Ehre, Gott und Vaterland,
Die Diplomaten und Gesandten
Mit Ordensblech und Atlasband.
Die Völker reinigen mit Flammen
Die Stickluft, die nach Weihrauch roch,
Verbrüdern sich in Telegrammen.
Die Erde, sie bewegt sich doch!

...

Kein Pfaff mehr, keine ewige Lampe,
Kein Bischof und kein Ministrant!
Man sieht nicht mehr die Wollustschlampe
Im heuchlerischen Bußgewand.
Der Vatikan mit seinen Orden
Sich angstvoll vor der Welt verkroch.
Denn die Vernunft ist Gott geworden.
Die Erde, sie bewegt sich doch!

[Quelle: Eugène Pottier und seine Lieder / Erich Weinert. -- Berlin : Volk u. Welt, 1951. -- 164 S.  -- S. 119]

Eugène Pottier ist auch der Textdichter der "Internationale"


Georg Herwegh (1817-1875)

Sooft das Blut wie Wasser floss,
Sprachst du ein fromm Gebet
Und riefest: Gott ist groß
Und Krupp ist ein Prophet.


Friedrich Bodenstedt (1819 - 1892): Krieg und Christentum

Ihr mögt von Kriegs- und Heldenruhm
So viel und wie ihr wollt verkünden,
Nur schweigt von eurem Christentum,
Gepredigt aus Kanonenschlünden!
Bedürft ihr Proben eures Muts,
So schlagt euch wie die Heiden weiland,
Vergießt so viel ihr müsst des Bluts,
Nur redet nicht dabei vom Heiland.
Noch gläubig schlägt das Türkenheer
Die Schlacht zum Ruhme seines Allah,
Wir haben keinen Odin1 mehr,
Tot sind die Götter der Walhalla2.
Seid was ihr wollt, doch ganz und frei,
Auf dieser Seite wie auf jener,
Verhasst ist mir die Heuchelei
Der kriegerischen Nazarener.

Erläuterungen:

1 Odin = Wotan (Wodan), germanischer Gott

2 Walhalla: (altnordisch Walholl: "Halle der Erschlagenen"): in der nordischen Mythologie der Aufenthaltsort für die in der Schlacht Gefallenen.


Georg Weerth (1822 - 1856): Kaiser Karl

Herr Kaiser Karl, der fromme Mann,
Ließ viele Menschen zu Tode schlahn;
Er schlug sie tot um das Christentum:
Das brachte ihm ungeheuren Ruhm.

Und saß zu Aachen in seiner Pracht,
Im Wams aus Otternfell gemacht;
Und alle Völker nah und fern,
Die beugten sich dem gewalt'gen Herrn

Und brachten Geschenke aus aller Welt,
Viel Gold und Seiden und Gezelt;
Ihm bracht der Kalif aus Morgenland
Eine Uhr und einen Elefant.

Doch Kaiser Karl, der fromme Held,
Er sprach: »Was nutzt mir Gold und Geld,
Was soll der fremde Elefant? -
Hab schönre Dinge im eignen Land!«

Und zog hinauf den grünen Rhein,
Und pflanzte die Rebe zu Ingelheim;
Und pflegte sie mit derselben Hand,
Die hundert Völker überwand,

Ja pflegte sie mit der blutroten Hand,
Die hundert Völker überwand -
Und dies ist der Grund, dass zu Ingelheim
Noch heute wächst der blutrote Wein.

Erläuterung: Bezieht sich auf Karl I., den Großen, König der Franken und römischer Kaiser (742 - 814)


Heinrich Leuthold (1827 - 1879): Partikularisten und Ultramontane

Eins haben sie vor euch voraus:
den Vorteil des weiten Horizontes;
ihr seht nicht über den Kirchturm hinaus,
sie aber schauen ultra montes.

Erläuterung:

"Der Ultramontanismus (von lat. ultra montes, jenseits der Berge, also aus Rom) war eine Strömung in der französischen katholischen Kirche des 18. Jahrhunderts. Sie strebte an, den Vorrang des Papstes zu erhalten oder sogar zu verstärken und bekämpfte Aufklärung, Liberalismus und Protestantismus.

In Deutschland setzte der im 19. Jahrhundert erstarkende Ultramontanismus gegen den Reformkatholizismus die romkonforme Neubesetzung von Bischofsstühlen durch. Hierdurch kam als Gegenbewegung in der Zeit des Vormärz und der Märzrevolution 1848 eine Deutsch-katholische Bewegung in Gang."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Ultramontanismus. -- Zugriff am 2004-07-08]


Friedrich Karl Prinz von Preußen (1828 - 1885)

Wer Gott vertraut,
frisch um sich haut,
der wird wohl hier auf Erden
niemals zuschanden werden



Abb.: Jan Holswilder (1850 - 1890): Der  Tempelritter Kreuzzug gegen die freie Schule.

[Bildquelle: Piltz, Georg: Geschichte der europäischen Karikatur. -- Berlin : Deutscher Verlag d. Wiss., 1976. -- 328 S. : 310 Ill. ; 28 cm. -- S. 192]


Anton Jansen: Traurige Berliner Geschichte

In Berlin, der preuß'schen Residenze,
Wo es sehr viel schlechte Menschen gibt,
Ward aus demokratischer Tendenze
Neulich eine grause Tat verübt!

Dieser Mann war Kutscher und hieß Neumann,
Dieser Name sagt genug wohl schon -
Außerdem bezog noch dieser Neumann
Eine königliche Pension.

Seine Gattin, 'ne geborne Lerche,
War ein braves, gutes Biederweib,
Ging des Tages zweimal in die Kerche:
Teils aus Frömmig-, teils aus Zeitvertreib.

Aber dieses tat sie nicht alleine;
Auch als Mitglied aller hiesigen
Frommen und wohltätigen Vereine
Hat die Lerche sich bewiesigen!

Jetzo wird sie aber täglich frummer
Durch Lektüre in das Gotteswort!
Neumann aber macht dies keinen Kummer:
Seinen Kutscherkümmel trinkt er fort.

Lerche, eingedenk des guten Werkes,
Sagt nun plötzlich eines Tags: »Neumann!
Demokrat: Elender! jetzo merk es,
Was ein schwaches Weib vermögen kann!«

Eigenhändig geht sie zur Behörde,
Zeuget an, dass Neumann gottlos seu!
Außerdem noch lautet die Beschwörde:
Auf versuchte Demokratereu!

Dieser aber denkt nichts Arges, Böses,
Was von seiner Gattin ihm geschüht,
Geht wie sonst um zehn Uhr früh zu Möwes,
Zu verrichten dort sein Morgenlüd.

Unterwegs aber kommt der Bote
Der Behörde ihm entgegen schon,
Überreicht ihm eine schwere Note:
Der p. Neumann hat nicht mehr Pension!

Neumann, ein geborner Kannibale,
Kehrt von dieser Stund' nicht mehr nach Haus!
Aus dem neuen Schiffahrtsbaukanale
Zog als Leuche gänzlich man ihn 'raus!

Seine Gattin, wie es sich gebührte,
Sie verful in fromme Raserei!
Dieses ist in diesem Jahr das vierte
Opfer religiöser Schwärmerei.

Diese Tat und ihre bösen Träume,
In der Kreuz-Zeitung1 sie neulich stund.
Und gebracht hat sie in schöne Räume:
Anton Jansen, Sänger des Treubund.

Erläuterung:

1 Kreuzzeitung

"Neue Preußische () Zeitung (gewöhnlich nach dem Eisernen Kreuz am Kopfe des Blattes Kreuzzeitung genannt), zweimal täglich in Berlin erscheinende politische Zeitung, das Organ der evangelischen Hochkonservativen. Sie wurde 1848 gegründet und bis 1853 von dem spätern Geheimen Oberregierungsrat Herm. Wagener redigiert, dem Beutner (bis 1872), Ph. v. Nathusius-Ludom (bis 1876), Oberregierungsrat v. Niebelschütz (bis 1881), Freiherr v. Hammerstein (s. d. 2), nach dessen Suspension im Juli 1895 Professor Kropatscheck (s. d.) und 1906 J. Hermes folgten. Seit 1899 gehört sie einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Geschäftsführer der Rittergutsbesitzer Otto v. Rohr in Dannenwalde ist."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

[Quelle: Die Moritat vom Bänkelsang : wieder ans Licht geholt u. hrsg. Mit mehr oder weniger passenden An- u. Bemerkungen vers / Elsbeth Janda ; Fritz Nötzoldt. -- München : Ehrenwirth,: 1976. -- 174 S. : Ill. ; 17 cm. -- (Ehrenwirth-Bibliothek). -- ISBN 3-431-01807-6. -- S. 109ff.] 


Zu: Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXV.3: Kirche und Staat, Kirche und Politik. -- 3.  Ab 1900

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