Religionskritik

Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXV:

Kirche und Staat, Kirche und Politik

3. Ab 1900


kompiliert und herausgegeben von Alois Payer

(payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXV: Kirche und Staat, Kirche und Politik / kompiliert und hrsg. von Alois Payer. -- 3. Ab 1900.  -- Fassung vom 2006-01-31. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/karikaturen253.htm    

Erstmals publiziert: 2004-05-23

Überarbeitungen:  2006-01-31 [Ergänzungen]; 2005-04-25 [Ergänzungen]; 2005-02-09 [Ergänzungen]; 2005-01-31 [Ergänzungen]; 2005-01-24 [Ergänzungen]; 2004-12-25 [Aufteilung des Kapitels, Ergänzungen];  2004-12-23 [Ergänzungen];  2004-11-30 [Aufteilung des Kapitels, Ergänzungen]; 2004-11-29 [Ergänzungen]; 2004-07-28 [Ergänzungen]; 2004-07-08 [Ergänzungen]; 2004-07-02 [Ergänzungen]; 2004-06-25 [Ergänzungen];  2004-06-10 [Ergänzungen]; 2004-05-28 [Ergänzungen]

©opyright: Abhängig vom Todesdatum der Künstler

Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library


Gewidmet dem unseligen Angedenken an

Paul Rusch (1903 - 1986), Bischof von Innsbruck (1938 - 1981)
und seine Handlanger bei den Jesuiten und an der Universität

deren Ungeist ich während meines Theologiestudiums in Innsbruck 1962 bis 1965 erleben und erleiden musste

Eine Aussage genüge, um zu zeigen, wessen Geistes diese "Herrschaften" waren:

"Der Mann verdirbt die Jugend, den muss man zum Schweigen bringen." (Aussage des Bischofs über den großen Mathematiker Univ. Prof. Dr. Wolfgang Gröbner, der es gewagt hatte, in öffentlichen Lehrveranstaltungen zu zeigen, dass "das, was die Theologen lehren, Unsinn ist.")

Bis heute scheinen sich in Österreich diese traurigen Zustände noch nicht geändert zu haben.
(Da spricht doch der Kardinal von Wien im Parlament! Und das Kasperltheater der österreichischen Bischöfe wird im Staatsfernsehen wie etwas Wichtiges behandelt.)


Klicken Sie hier, um "God bless America" zu hören

Text und Melodie: Irving Berlin (1888-1989), 1938

While the storm clouds gather far across the sea,
Let us swear allegiance to a land that's free,
Let us all be grateful for a land so fair,
As we raise our voices in a solemn prayer:

God Bless America.
Land that I love
Stand beside her, and guide her
Thru the night with a light from above.
From the mountains, to the prairies ,
To the oceans, white with foam
God bless America
My home sweet home.

God Bless America,
Land that I love
Stand beside her,
And guide her,
Through the night
With the light from above,
From the mountains,
To the prairies,
To the ocean,
White with foam,
God bless America,
My home sweet home.
God bless America,
My home sweet home.

[Quelle der midi-Datei: http://ingeb.org/songs/godbless.html. -- Zugriff am 2005-01-20]


1900


Weiherede des evangelischen Feldprobsts bei der Fahnenweihe des Gardekorps in Berlin. -- 1900-01-01 (ernst gemeint!)

In Schwert und Schild unter dem Kruzifix, das soll unsere gute Wehr und Waffen bleiben, und des Schildes Inschrift die große Parole auch für das neue Jahrhundert:

Zu Schirm und Schutz
Zu Tat und Trutz
Zu Sieg im Streit
Von Gott geweiht

[Quelle: Lange, Annemarie: Das Wilhelminische Berlin : zwischen Jahrhundertwende u. Novemberrevolution. -- 4. Aufl.. -- Berlin : Dietz, 1984. -- 961 S. : Ill. -- S. 20]


Otto Julius Bierbaum (1865-1910): Afrikanische Distichen. -- 1900

»Wir auch wollen«, so sprach der pudelbegleitete Kanzler,
»An der Sonne den Platz, der uns Deutschen gebührt.«

Schön. Wir nahmen ihn ein. Es steckten die Assessoren,
Steckten die Leutenants ihn ab mit schneidiger Hand.
Schwarz im Gehrock und schwarz in der hochgeschlossnen Soutane
Folgten des Christentums Boten der Staatsgewalt.
Streng in zwei Lager geteilt, Konkurrenten auf Tod und Leben,
Aber im übrigen ganz himmlischer Liebesbrunst voll.

Ordnung herrschte fortan, Disziplin, Polizei und Gesittung,
Wo der Wilde bisher Greuel auf Greuel gehäuft.
Lieblich am Palmenstamm hing die kühn stilisierte Verordnung,
Jede Giraffe erhielt Halsband und Mark und Korb.
Aktenregale, vom Holz der Urwaldbäume gezimmert,
Bogen sich bald von der Last emsig beschriebenen Papiers,
Und es fungierte genau das löbliche Steuerkataster,
Jeder Knopf ward gebucht, der einer Hose entsprang.
Denn (das versteht sich von selbst) es wurde die ruchlose Blöße
Jedes Wilden fortan von der Regierung behost,
Und mit keuschem Kattun ward verhüllt, was das südliche Klima
Leider den Weibern dort allzu üppig beschert.
Emsig kauerte nun vorm Tintenfasse die Jugend,
Lernte das Abc, lernte die Wacht am Rhein,
Heil dir im Siegerkranz, Vater unser, du sollst nicht begehren
Deines Nächsten Weib, kurz, was den Menschen erhebt.
Aber, auf dass nicht bloß die Seele vom Guten erfüllt sei,
Sondern der Körper auch wisse, was sich gehört,
Drillte der Herr Sergeant mit vaterländischen Flüchen,
Tritten in das Gesäß, oder woandershin,
Streng nach dem Reglement die waffenfähige Menge
In der adligen Kunst disziplinarischen Mords.
Also geschah, was der Geist der Kultur wünscht, dass es geschehe,
Wurde des Alkohols auch mitnichten gespart,
Ebensowenig wie der trefflichen Nilpferdpeitsche,
Die die Arbeit versüßt, wenn sie sonst sauer schmeckt.
Kurz, es entwickelte sich die allerschönste Idylle,
Tränen weinte der Lust Neger und Negerin,
Tränen der Rührung aber benetzten die Brillengläser
Manchem Geheimen Rat, der in Berlin residiert.


Wie? Und jetzt? Was ist das? Das klingt ja wie Schüsse? Herr Lehmann,
Riechen Sie nichts? Das riecht brenzlig, wie mich bedünkt?
Aufruhr? Was ist denn los? Warum denn? Wieso denn? Weshalb denn?
Wie? Ein Leutenant hat seinen Schwarzen gepfählt?
Ja, und die Schufte schießen mit unseren Mausergewehren
Jetzt auf uns. Ach ja! Das ist der Lauf der Welt.

Undank! Haben wir drum sie im Christentum unterwiesen,
Dass sie als Christen tun, was sie als Heiden getan?
Sehen Sie, das ist der Lohn! Wir haben zu gut sie behandelt.
- Aber das Pfählen? - Ach Gott, daran sind sie gewöhnt.


Nein, das Pfählen ist's nicht, auch die Peitsche nicht. Recht hat Herr Lehmann;
Daran sind sie gewöhnt: Aber das Standesamt,
Aber die Hosen, der Drill, die Verordnungen und die Gebete,
Das macht sie so rabiat: preußisch wolln sie nicht sein.

Was im Sande der Mark Assessorengenerationen
Langsam nur fertig gebracht, geht doch in Afrika
Nicht in einem Jahrzehnt; die schwarzen Halunken haben
Allzulange sich nackt frei wie die Teufel gefühlt.

Und nun sollen sie flugs vor jedem Amtsschimmel Ehrfurcht
Haben, wie Piefke sie hat? Nein, Herr Assessor, das ist
So unmöglich, als wie, dass Sie von heute auf morgen
Lernten die Kunst, ein Mensch ohne Polizei zu sein.

Eines schickt sich, sagt Goethe, für alle nicht. Bester Assessor,
Entassessoren Sie sich, wenn Sie in Afrika sind,
Bloß ein ganz klein wenig, und denken Sie dran, dass Neger
Keine Piefkes sind. Dann wird es besser gehn.
Unsern Platz an der Sonne, gewiss, den wollen wir suchen,
Aber verdüstert ihn, bitte, nicht gleich mit euch.


1902



Abb.: Josef Lada (1887 - 1957): Koloniales: "Drehen Sie ihn um, damit die Bestie die unendliche Liebe des Gekreuzigten kennenlernt." -- 1902

[Bildquelle: Piltz, Georg: Geschichte der europäischen Karikatur. -- Berlin : Deutscher Verlag d. Wiss., 1976. -- 328 S. : 310 Ill. ; 28 cm. -- S. 231]



Abb.: Suffrage universel [Allgemeines Wahlrecht]. -- Calendrier du peuple [Volkskalender der belgischen Sozialisten]. -- 1902

Erläuterung:  Die Gegner des allgemeinen Wahlrechts, die klerikalen Abgeordneten, werden aus dem Parlament gefegt.

[Bildquelle: Chronik 1902 / Antonia Meiners. -- Gütersloh : Chronik-Verl., 1991. -- 240 S. : zahlr. Ill. . -- (Die Chronik-Bibliothek des 20. Jahrhunderts). -- ISBN 3-611-00154-6. -- S. 69]



Abb.: In Frankreich lässt der Staat die meisten von katholischen Orden geführten Schulen schließen: katholische Mädchenschule

[Bildquelle: Chronik 1902 / Antonia Meiners. -- Gütersloh : Chronik-Verl., 1991. -- 240 S. : zahlr. Ill. . -- (Die Chronik-Bibliothek des 20. Jahrhunderts). -- ISBN 3-611-00154-6. -- S. 125]


1907


G. M. Scaevola: Zur Stichwahlschlacht 1907: Großes reaktionäres Masseneinigungsterzett aller feindlichen Brüder. -- 1907

Junker :

Fast vier Millionen der Proletar!
Er liegt mir schwer
Im Magen;
Mir wollen nicht Austern, nicht Kaviar,
Nicht Schaumwein mehr
Behagen.
Wegküsset mir nachts nicht der Träume Qual
Die süßeste Konkubine.
Ich sehe behängt den Laternenpfahl,
Seh blitzen die Guillotine.
Ich kann nicht sterben, nicht leben vor Pein,
So kann's nicht weitergehen
Müsst man rot färben die Elbe, den Rhein,
Es muss etwas geschehen!

Pfaffe :

Ja, aber was? Ich helf bei Nacht,
Ich helf dir gern
Bei Tage;
Doch sag, welch Mittel du erdacht
Das ist der Kern
Der Frage.
Die Todesangst ist ganz verkehrt;
Wir müssen beid uns schützen,
Dein Schwert mein Kreuz, mein Kreuz dein Schwert,
Und Hand in Hand uns nützen.
Das Volk durch Hetzer ist verhext,
So kann's nicht weitergehen
Das Volk der Ketzer frisst und wächst;
Es muss etwas geschehen!

Junker :

Mit Feuer und Schwert muss zornbeseelt
Man der Bestie Brut
Sich kaufen!
Der Degen hat seinen Beruf verfehlt,
Den nicht dampfendes Blut
Darf taufen !
Noch ist es Zeit, doch die höchste Zeit
Noch schlägt man es weich wie Windel
Im fröhlichen Krieg, der uns alle befreit
Von dem skrofulösen Gesindel!
Was blitzt das Schwert, wenn's bewehrt nicht die Faust?
So kann's nicht weitergehen
Was nützt das Erz, das das Herz nicht durchsaust?
Es muss etwas geschehen!

Pfaffe :

Nicht Schwertgewalt, nicht Schergenmacht,
Nur Schlauheit schlug
Die Stärke;
Gewalt hat mich nur stark gemacht
Drum gehn wir klug
Zu Werke:
Hat man sein Weib, kriecht sein Gemahl
Zu Kreuze vor der Stola.
Lass ein die Söhne loyal
Vom heiligen Loyola1!
Wie Kletten leben Mann und Frau . . .
So kann's nicht weitergehen
Zu retten strebe man die Frau.
Es muss etwas geschehen!

Liberaler Mischmaschmann :

Man tröstet das Volk zu lange schon
Mit dem goldenen Vlies
Da drüben
Man geb ihm zuzeiten ein Stückchen zum Lohn
Vom Paradies
Schon hüben:
In Burgunder geschmort den Steiß vom Schwein
Und Hummermajonäse,
Ein Kistchen aus Kuba, ein Fläschchen Wein
Und ein Verschen der Marseillaise.
Für jeden werd das ergibt sich klar,
So kann's nicht weitergehen
Ein Eden auf Erden, der siebzig Jahr
Es muss etwas geschehen!

Junker :

Tip Top! Das hast du pfiffig erdacht,
Mein Mischmaschfürst
Und Meister!
Ich führe über die Leiber die Macht,
Du Pfaffe führst
Die Geister!
So könnt man dem Volk das rote Programm
Homöopathisch bescheren,
Dem Siebzigjährigen zum Beispiel stramm
Die freie Liebe gewähren!
Doch frommt auch nicht dieser vermittelnde Rat
So kann's nicht weitergehen
Dann komme, du Riese der „rettenden Tat";
Es muss etwas geschehen!

Erläuterungen: beziehst sich auf den Wahlkampf zu den Reichtagswahlen am 2007-01-25. Dabei erhalten die Sozialdemokraten mehr Stimmen als bei der Wahl 1903. Trotzdem büßen sie aufgrund der Wahlkreisverteilung 38 ihrer vormals 81 Sitze ein.

1 Söhne vom heiligen Loyola: Jesuiten

[Quelle: Des Morgens erste Röte : frühe sozialistische deutsche Literatur 1860 - 1918 / [hrsg. vom Zentralinst. für Literaturgeschichte d. Akad. d. Wiss. d. DDR. Auswahl: Norbert Rothe (Lyrik u. Prosa) u. Ursula Münchow (Dramatik). Nachw.: Ursula Münchow. Anm. zu d. Autoren: Hans Heinrich Klatt]. -- Leipzig : Reclam, 1982. -- 459 S. : 56 Ill. -- (Reclams Universal-Bibliothek ; Bd. 926 : Belletristik). -- S. 265ff.]


1908



Abb.: Adolphe Willette (1857 - 1926): Deutschland. -- 1908



Abb.: Jung-Polen in Nöten: "Bet' ich polnisch, haut mich Lerrer, bet'ich deitsch, haut mich Vatter, bet' ich gar nich, haut mich Probbst.". -- 1908

[Bildquelle: Chronik 1908 / Richard Miklin. -- Gütersloh : Chronik-Verl., 1992. -- 240 S. : zahlr. Ill. . -- (Die Chronik-Bibliothek des 20. Jahrhunderts). -- ISBN 3-577-14008-9. -- S. 38]



Abb.: Die Ehe ist unauflöslich. -- Postkarte des Wiener "Vereins für Eherechtsreform"

[Bildquelle: Chronik 1908 / Richard Miklin. -- Gütersloh : Chronik-Verl., 1992. -- 240 S. : zahlr. Ill. . -- (Die Chronik-Bibliothek des 20. Jahrhunderts). -- ISBN 3-577-14008-9. -- S. 63]


1910



Abb.: La jeune république Portugaise et ses heureux papas (Die junge Republik Portugal und ihre glücklichen Väter). -- In. Le Rire. -- 1910-11-19

Erläuterung: Bezieht sich auf die republikanische Revolution in Portugal am 1910-10-04, durch die der König und der Adel abgeschafft wurden, die religiösen Orden verboten und des Landes verwiesen, der Klosterbesitz säkularisiert und die Trennung von Kirche und Schule durchgeführt wurde. Auf dem Bild dargestellt sind u.a. der provisorische Ministerpräsident Teófilo Fernandes Braga (rechts), der abgesetzte König Emanuel II. (fliegt hinaus) sowie in Form einer Puppe die Mönche, die das Baby Portugal wegstoßt. Le Rire fragt: "Was wird werden, wenn sie Zähne hat?"

[Bildquelle: Chronik 1910 / Bernhard Pollmann. [Red.: Ekkehard Kroll ... Fachautoren: Frank Busch ...]. -- Gütersloh : Chronik-Verl., 1990. -- 240 S. : zahlr. Ill. . -- (Die Chronik-Bibliothek des 20. Jahrhunderts). -- ISBN 3-611-00114-7. -- S. 189]



Abb.: Armer Glaube, arme Kirche!: Verteidiger des Glaubens und Haupt der Kirche: König Georg V. von England mit Gattin in Purpursamtroben. -- 1911 (Fotomontage: A. Payer, 2004)


1912



Abb.: Heil CDU-CSU!: Christliche Leitkultur: Einzug Ferdinands I. in Mustafa Pascha, der ersten im Oktober 1912 durch die Bulgaren vom Osmanischen (Türkischen) Reich eroberten Stadt

[Bildvorlage: Chronik 1912 / [Autorin: Ingid Reuter ... ]. -- Gütersloh ; München : Chronik-Verl., 1990. -- 240 S. : zahlr. Ill.  (Die Chronik-Bibliothek des 20. Jahrhunderts). -- ISBN 3-611-00116-3 . -- S. 173]


Erich Mühsam (1878 - 1934): Der friedliche Michel. -- 1912

Sauft, Soldaten!
Dass das Blut
heißer durch die Adern rinnt.
Saufen macht zum Sterben Mut.
Sauft! Die Zeit der Heldentaten
fordert saftige Teufelsbraten.
Sauft! Der heilige Krieg beginnt.

Sauft und betet!
Gott erhört
liebevoll der Gläubigen Ruf.
Wünscht, dass er den Feind zerstört!
Wenn ihr über Leichen tretet,
dankt dem Herrn, zu dem ihr flehtet,
dass er euch zu Mördern schuf.

Feindeskissen
bettet weich.
Wo des Feindes Witwe weint,
ist des Siegers Himmelreich.
Fremde Weiber - Leckerbissen -
Schnaps, Gebet und kein Gewissen -.
Krieg ist Krieg, und Feind ist Feind!

Tapfrer Krieger,
der vergisst,
dass ein Herz im Leibe schlägt,
dass er Mensch gewesen ist,
eh er Kämpfer war und Sieger.
Edler Held, der gleich dem Tiger
blutige Beute heimwärts trägt!

Heldenscharen,
kehrt ihr heim,
fielt ihr nicht von Feindeshand.
In der Brust den Todeskeim,
Krüppel mit gebleichten Haaren,
sucht, wo eure Stätten waren,
im zerwühlten Vaterland.

Qual und Lasten
sind der Dank.
Weib und Kind in bittrer Not.
Euer Heldentum versank.
Darben lernt ihr nun und fasten.
Bettelnd mit dem Leierkasten
winselt ihr ums Gnadenbrot.


1913


Edmund Steiger: Zum Tode von August Bebel. -- 1913

Ihr Halben und Ihr Lauen, kommt heran!
In diesem Grabe ruht ein ganzer Mann.

Maulchristen betet! Dieser Atheist
Bestaunt das Wunder! — war ein echter Christ.

Erläuterung: August Bebel (1840 - 1913), 1869 gründete er zusammen mit Karl  Liebknecht gründen in Eisenach die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP), deren Programm und Statuten von Bebel auf marxistischer Grundlage entwarf.  Bebel starb 1913-08-13 im Kurort Passugg (Graubünden, Schweiz).

[Quelle: Lange, Annemarie: Das Wilhelminische Berlin : zwischen Jahrhundertwende u. Novemberrevolution. -- 4. Aufl.. -- Berlin : Dietz, 1984. -- 961 S. : Ill. -- S. 613]


1914



Abb.: "Kannst Du protestantische von katholischen Schwielen unterscheiden?". -- 1914

Erläuterung: Bezieht sich auf den seit 1900 in der katholischen Kirche Deutschlands währenden Gewerkschaftsstreits: die sog. Kölner Richtung der Bischöfe lehrt, dass katholische Arbeiter Mitglieder christlicher Gewerkschaften sein können, die sog. Berliner Richtung unter der Führung des Bischofs von Breslau, Georg Kardinal von Kopp (1837 - 1914) sieht dagegen in den christlichen Gewerkschaften die Gefahr des sozialistischen Einflusses auf katholische Arbeiter und schreibt für diese streng katholische Arbeitervereine vor.

[Bildquelle: : Chronik 1914 / [Autor: Norbert Fischer ...]. -- Gütersloh : Chronik-Verl., 1988. -- 237 S. : zahlr. Ill. -- (Die Chronik-Bibliothek des 20. Jahrhunderts). -- ISBN 3-611-00036-1. -- S. 39]



Abb.: Wahlredner im oberbayrischen Gebirge: "Hob' i recht, Leit?" — "recht host, Hochwürden!". -- Karikatur von Fritz Koch-Gotha (1877 - 1956). -- In: Koch-Gotha, Fritz <1877 - 1956>: Koch-Gotha-Album : Über 200 Zeichn. / Texte von Georg Hermann [u. a.]. -- Berlin [u.a.] : Ullstein & Eysler, 1914


Kurt Tucholsky (1890 - 1935): Das Gebet für die Luftschiffer. -- In: Vorwärts, 1914-05-10.

Der liebe Gott wird sich schön wundern. Bis jetzt hat es jeden Sonntagmorgen antelefoniert, und eine Stimme hat gesagt: »Beschütze das königliche Kriegsheer und die gesamte deutsche Kriegsmacht zu Lande und zu Wasser.« - »Ach so, Preußen!« hat dann der liebe Gott gesagt und hat abgehängt. Aber nachdem nunmehr der Generalsynodalvorstand die Dringlichkeit einer königlichen Verordnung anerkannt hat, wird der liebe Gott wieder aufhorchen. Denn nun heißt es: » . . . gesamte deutsche Kriegsmacht zu Lande und zu Wasser, insonderheit die Schiffe und die Luftfahrzeuge, welche auf der Fahrt sind.« - »Insonderheit«, wird der liebe Gott sagen, »ist kein deutsches Wort. So was schreibt man nicht einmal, geschweige denn betet man es. Aber meine lieben Preußen da unten haben so bürokratische Vorbeter, da bin ich dergleichen gewohnt.« Und wird wieder abhängen.

In der Tat: die Religion schreitet doch vorwärts. Man kann ja nicht gerade sagen, dass dieser verwaschene Protestantismus die sozialen Probleme der Gegenwart aufgegriffen und fortentwickelt habe, man kann gerade nicht behaupten, dass sich die Diener am Wort Christi mit den Armen, für die sie doch laut Bibeltext in erster Linie da sein sollen, besonders gut stehen. Das ist es eigentlich alles nicht. Aber die Religion geht doch mit der Technik mit, und das ist auch schon eine ganze Menge. Die Macht des Gebetes ist nie lächerlicher und grotesker illustriert worden als hier, da vom Sonntag den soundsovielten ab nun auch die Luftschiffer der göttlichen Gnade und des himmlischen Schutzes teilhaftig werden. Es geht ihnen bestimmt vorher genau so schlecht und so gut wie nachher, aber das macht nichts. Man konnte nunmehr die Luftschifffahrt vor dem lieben Gott nicht mehr verheimlichen, denn der hat schon längst danach gefragt, was da immer explodiert, und hat sich nur gewundert, wenns einmal kein Zeppelin war. Nunmehr hat er auch amtlich von der neuen Erfindung Kenntnis, und man kann wohl den deutschen Luftschiffern herzlich kondolieren.

Für uns betet eigentlich niemand beim lieben Gott. Und ich kann mir nicht helfen: ich habe das leise Gefühl, als obs uns gerade deshalb so gut ginge.

anonym



Abb.: Die Gemeinde der Scharfmacher: v. Heydebrand1: "Dieser Erzherzog starb uns wirklich sehr gelegen!". -- In: Vorwärts. -- 1914

Erläuterung: bezieht sich auf die Ermordung von Erzherzog Franz Ferdinand (1863 - 1914), dem österreichischen Thronfolger, in Sarajewo am 1914-06-28, was Anlass für den Ersten Weltkrieg wurde.

1 Ernst von Heydebrand und der Lasa (1851-1924): 1906-1918 Vorsitzender der deutschkonservativen Fraktion im Preußischen Abgeordnetenhaus. Im Ersten Weltkrieg plädiert er für umfangreiche Annexionen und für den uneingeschränkten U-Boot-Krieg.

[Quelle: Lange, Annemarie: Das Wilhelminische Berlin : zwischen Jahrhundertwende u. Novemberrevolution. -- 4. Aufl.. -- Berlin : Dietz, 1984. -- 961 S. : Ill. -- Nach S. 592]


1915



Abb.: "Gott mit uns" vom Ersten bis zum Zweiten Weltkrieg: Koppelschlösser deutscher Soldaten: Preußen1915-1918, Reichswehr/Wehrmacht 1925-1936, Wehrmacht 1936-1945



Abb.: Wir sollen auch unser Leben für die Brüder lassen" (1. Johannesbrief 3,15). -- Gedenkblatt für die Angehörigen gefallener deutscher Soldaten (todernst gemeint!). -- 1915


1916



Abb.: Die Kirche / von Frans Masareel (1889-1972). -- 1916

[Quelle: Wendel, Friedrich <1886 - >: Die Kirche in der Karikatur : eine Sammlung antiklerikaler Karikaturen, Volkslieder, Sprichwörter und Anekdoten. -- Berlin : Der Freidenker, 1927. -- 154 S. : Ill. -- S. 141.]


Wir kämpfen nicht für Vaterland. -- 1916

Melodie: Hinaus in die Ferne

Für Melodie "Hinaus in ..." hier drücken

[Quelle der midi-Datei: http://ingeb.org/Lieder/hinausin.html.  -- Zugriff am 2004-10-13]

 

Wir kämpfen nicht für Vaterland,
Wir kämpfen nicht für Gott,
Wir kämpfen für die Reichen,
Die Armen gehn kapott.

Variante um 1930:

Denn wir brauchen keinen Kaiser,
Und wir brauchen keinen Gott.
Denn der Krieg war nur für Reiche
Und der arme Teufel ging kaputt.

[Quelle: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten : Bd. 1 u. Bd. 2 reprinted u. zusammengebunden / Wolfgang Steinitz
Sonderausg. -- Frankfurt am Main : Zweitausendeins, 1979. --  XLIV, 630 S. : Noten ; 21 cm. --  Nebentitel: Der grosse Steinitz. -- ISBN: 3-88436-101-5. -- Bd. II, S. 341, 344.]


1917



Abb.: Die 1874 aus erbeuteten französischen Geschützen gegossene Kaiserglocke des Kölner Doms wird 1917 zerlegt, um sie für Kriegsmaterial einzuschmelzen

[Bildvorlage: Die Chronik Kölns / Kölner Stadt-Anzeiger, Kölnische Zeitung. Carl Dietmar. Übersichtsartikel und fachliche Beratung: Gérald Chaix ... -- Dortmund : Chronik-Verl., 1991. -- 600 S. : zahlr. Ill. ; 30 cm. -- ISBN 3-611-00193-7. -- S. 334]


1918


Erich Mühsam (1878 - 1934): Kriegslied. -- 1918

Sengen, brennen, schießen, stechen,
Schädel spalten, Rippen brechen,
spionieren, requirieren,
patrouillieren, exerzieren,
fluchen, bluten, hungern, frieren...
So lebt der edle Kriegerstand,
die Flinte in der linken Hand,
das Messer in der rechten Hand
mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.

Aus dem Bett von Lehm und Jauche
zur Attacke auf dem Bauche!
Trommelfeuer — Handgranaten —
Wunden — Leichen — Heldentaten —
bravo, tapfere Soldaten!
So lebt der edle Kriegerstand,
das Eisenkreuz am Preußenband,
die Tapferkeit am Bayernband,
mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.

Stillgestanden! Hoch die Beine!
Augen gradeaus, ihr Schweine!
Visitiert und schlecht befunden.
Keinen Urlaub. Angebunden.
Strafdienst extra sieben Stunden.
So lebt der edle Kriegerstand.
Jawohl, Herr Oberleutenant!
Und zu Befehl, Herr Leutenant!
Mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.

Vorwärts mit Tabak und Kümmel!
Bajonette, Schlachtgetümmel.
Vorwärts! Sterben oder Siegen
Deutscher kennt kein Unterliegen.
Knochen splittern, Fetzen fliegen.
So lebt der edle Kriegerstand.
Der Schweiß tropft in den Grabenrand,
das Blut tropft in den Straßenrand,
mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.

Angeschossen — hochgeschmissen —
Bauch und Därme aufgerissen.
Rote Häuser — blauer Äther —
Teufel! Alle heiligen Väter!...
Mutter! Mutter!! Sanitäter!!!
So stirbt der edle Kriegerstand,
in Stiefel, Maul und Ohren Sand
und auf das Grab drei Schippen Sand —
mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.


Kurt Tucholsky (1890 - 1935): Worte. -- In: Die Weltbühne. -- 1918-09-19

»So zum Beispiel diese Balten.
Deutsch der Adel, deutsch das Land.
Also lasst uns sie behalten,
Stammesbrüder, Hand in Hand.
Denn es muss an deutschem Wesen
einmal noch die Welt genesen.
Deutsch sei Eskimo und Mohr!«
Goldene Worte, Herr Pastor.

»Mann und Weib sind nur zwei Äste,
Äste von demselben Baum.
Zweiheit ist für sie das beste:
gleicher Schlaf und gleicher Traum.
Wenn sie auch zerrissen wandern,
sie zu Hause, er in Flandern
Halt ihn fest, der dich erkor!«
Goldene Worte, Herr Pastor.

»Friede! Friede sei auf Erden!
Sieh, auch drüben schießt ein Christ.
Zwar, man wird schon selig werden,
wenn man nur gehorsam ist.
Christi Worte gelten immer,
selbst in Blut und Schmerzgewimmer, gelten bis zum Himmelstor!«
Goldene Worte goldene Worte . . .
Und die Taten, Herr Pastor?

Theobald Tiger


1919



Abb.: Landsleute? darum wählt sozialistisch. -- Wahlplakat zur Nationalversammlung. -- 1919-01

[Bildquelle: Chronik 1919 / [Autor: Bernhard Pollmann ... ]. -- Gütersloh ; München : Chronik-Verl., 1988. -- 240 S. : zahlr. Ill.  (Die Chronik-Bibliothek des 20. Jahrhunderts). -- ISBN 3-611-00037-X . -- S. 32]



Abb.: Zentrum: Dunkel ist Trumpf. -- Flugblatt der Deutschen Demokratischen Partei zur Wahl der Nationalversammlung im Januar 1919 <Ausschnitt>. -- Berlin. -- 1919

[Bildquelle: Wäscher, Hermann <1887–1967>: Das deutsche illustrierte Flugblatt. - Dresden : Verl. der Kunst VEB. -- Bd. 2., Von der Zeit der Restauration bis zur Gegenwart. -- 1956. -- 41 S. : Text mit Abb. u. 119 S. Abb.  -- Abb. 77]



Abb.: Christliches Volk! Darf Spartakus deine Kirchen niederreißen? Gib Antwort am Wahltag! Bayerische Volkspartei. -- Postkarte. -- 1919


Kurt Tucholsky (1890 - 1935): Religionsunterricht. -- In: Die Weltbühne. -- 1919-01-09

Berliner Pastöre und Zentrumsherren
durchziehen die Straßen und plärren
Choräle.

Denn die revolutionären Affen
wollen die Schulreligion abschaffen.

Wer garantiert nun der gutgläubigen Jugend
die garantiert echte christliche Tugend?

Denn was da geht in ein christlich Ohr,
fürs ganze Leben hält das vor.

Wer lehrt nun die Kleinen nach diesem Krieg
die Sätze der praktischen Metaphysik?

Als da sind: Du sollst nicht töten!
Außer, wenn die Fahne in Nöten.

Diese weisen Lehren wie Paulus uralt . . .
Und was macht, nebenbei, das Pastorengehalt?

Das Pastorengehalt Herr Gott in Gnaden!
wolle doch die Sünder zur Hölle laden!

Sieh, der Bürger zieht ein Gesicht.
Gegen den Priester? Er traut sich nicht.

Er gedenkt seiner Jugend und wird wieder kindlich.
Gegen den Priester? Er ist plötzlich empfindlich.

Kluge Gesichter lächeln in Rom:
Deutschland war stets ein einziger Dom.

Die Herren von der Konkurrenzfakultät
tun mit, weils um dem Gelde geht.

Friede, ihr Fakultäten, auf Erden!
Es wird mit dem Umsturz so schlimm nicht werden.

Man kann sich ja euer gar nicht entwöhnen!
Und passt mal auf: meinen Herren Söhnen
werden im Schulunterricht wieder ertönen
Choräle!

Kaspar Hauser



Abb.: George Grosz (1893 - 1959): Der Kirchenstaat Deutschland. -- In: Jedermann sein eigner Fußball. -- 1919-02-15

[Bildquelle. John Heartfield : [eine Ausstellung der Akademie der Künste zu Berlin ...] / hrsg. von der Akademie der Künste zu Berlin ... Idee und Konzeption: Peter Pachnicke und Klaus Honnef. Mit Textbeitr. von Helen Adkins ... -- Köln : DuMont,1991. -- 438 S. : zahlr. Ill. ; 32 cm. -- ISBN: 3-7701-2588-6. -- S.  7c]



Abb.: Wählet sozialdemokratisch. -- Plakat der SPÖ von Theo Mateijko (1893 - 1946). -- Österreich. -- 1919

[Bildquelle: Portisch, Hugo <1927 - >: Österreich I : die unterschätzte Republik. Ein Buch zur gleichnamigen Fernsehdokumentation v. Hugo Portisch u. Sepp Riff. -- Wien : Kremayr & Scheriau, 1989.  -- 549 S. : Ill. -- ISBN 3-218-00485-3. -- S. 93]


1920


Kurt Tucholsky (1890 - 1935): Spengler1. -- In: Die Weltbühne. -- 1920-06-26

Der Preuße hat nicht nur Popo
(den trägt er als Gesicht) ; hingegen
kann er sich auch auf Pallas2 legen,
auf Schreibmaschine und Büro.

Der Schriftgelehrte sah ins Land.
Er sah das Reis vom alten Fritzen
auf lausbesäten Bäumchen sitzen:
«Hier», sprach er, «fehlt ein neuer Kant!»

Der neue Kant beginnt das Werk.
«Der liebe Gott erschuf die Erde,
damit es Licht und Preußen werde.»
Halts Maul, du Depp aus Königsberg3 —!

Marx, Buddha, Jesus, Kung-Fut-Se:
die jungen Leute sind veraltet,
ihr Schaffen dünkt uns längst erkaltet -
sie trugen ja kein Portepee4.

Hoch schwillt die Professorenbrust.
Nur der Germane ist ein Riese!
Ihr wohntet längst im Paradiese,
Ihr habt es nur noch nicht gewusst!

Begeistert liests der deutsche Schmock.
Man streut bei Stinnes5 und bei Scherlen6
gar bald die schönsten Spengler-Perlen.
Die Herde läuft stets mit dem Bock.

Hier die Gloriole Maß für Maß!
Dich sollen von den höchsten Thronen
Gott und die OHL7 belohnen -
Professor, der nach alten Traditionen
die Klugheit und den Charme vergaß.

Erläuterungen:

1 Oswald Spengler

"Oswald Spengler (* 29. Mai 1880 in Blankenburg, Harz; 8. Mai 1936 in München) war ein Geschichtsphilosoph und Kulturhistoriker.

1904 schloss Spengler seine Studien der Naturwissenschaften und Philosophie in München, Berlin und Halle mit einer Dissertation über Heraklit ab. Dabei wurde sein Denken - neben dem Pietismus und den Franckeschen Stiftungen seiner Jugend und den Naturwissenschaften seines Studiums - geprägt vom Darwinismus Ernst Haeckels, der fiktionalen Philosophie Hans Vaihingers (Philosophie des Als Ob), vor allem aber der Kulturkritik Friedrich Nietzsches mit den Stichworten Dekadenz und Wille zur Macht - ganz abgesehen von seiner Verehrung, die er lebenslang Goethe als seinem Gipfel der abendländischen Kultur entgegenbrachte.

Von 1908 bis 1911 arbeitete er als Gymnasiallehrer in Hamburg. Dann erlaubte ihm eine Erbschaft, den Schuldienst zu quittieren und als freier Schriftsteller in München zu leben. Zahlreiche seiner Entwürfe und Fragmente wurden bisher nicht veröffentlicht. 1919 lehnte er eine ihm angetragene Professur (in Göttingen) ab - ebenso im Jahr 1933 (Leipzig). Im selben Jahr wurde er zwar in den Senat der "Deutschen Akademie" gewählt, durfte aber im Rundfunk nicht mehr erwähnt werden. Seine politische Haltung war stets national-konservativ; ab 1933 trat Ernüchterung über NS-Gedankengut und -Praxis ein. Er starb zurückgezogen und vereinsamt mit knapp 56 Jahren in München.

Hauptthema aller seiner Arbeiten ist seine Sicht der Welt als Geschichte, die er in seinen dichterischen Werken verarbeitet, und die in seinem philosophischen Hauptwerk als monumental ausgearbeitete Theorie fokussiert wird. Zentrale Thesen bei Spengler sind die Unfähigkeit seiner Zeit, kreativ zu wirken, die daraus folgende Verpflichtung des Bewahrens der von früheren Generationen geschaffenen Kultur, die Bewährung angesichts der politischen Herausforderungen in Zeiten des Verfalls, bei dem der "Blick über die Kulturen hin" den Weg weisen soll.

Entsprechend dieser Sicht stammen von ihm Tragödien zur Wende von der Kultur zur Zivilisation, ein Zivilisationsroman, und der geschichtsphilosophische Solitär Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte, der in zwei Bänden erschien, 1918 der erste Band in Wien, 1922 der zweite Band in München. Mit den 8 Kulturmonaden (Kernstück seiner Philosophie), die je binnen 1000 Jahren aufblühen, reifen und welken "wie die Blumen auf dem Felde", konnte er auf Historiker kaum Eindruck machen, weil seine Darstellung der Geschichte schlicht unwissenschaftlich ist. Spengler selbst bezeichnete sein Hauptwerk als "Metaphysik". Das hinderte den britischen Historiker Arnold J. Toynbee nicht, ihn zeitlebens zu bewundern. Auch in weiten Teilen der Bildungsschicht, besonders in Deutschland (Egon Friedell, Robert Musil u.a.), kam der neue Blick auf die Weltgeschichte gut an. Robert Musil bekannte am Ende einer vernichtenden Kritik, Andere hätten nur deshalb nicht so viele Fehler gemacht, weil sie nicht die beide Ufer berührende Spannweite besäßen, um so viele (Fehler) darauf unterzubringen. Karl Popper hat seine Schrift "Das Elend des Historizismus" gegen Spengler (und Marx) geschrieben, gegen die Annahme, es gäbe unabänderliche historische Gesetzmäßigkeiten. Der Sozialist Georg Lukacs kritisierte das Werk als eine Position auf der Linie "Von Nietzsche zu Hitler". Tatsächlich kennzeichnet Spenglers Geschichtsphilosophie ein irrationales Gemisch aus Nationalismus, Militarismus, Biologismus und ethischem Relativismus.

Spenglers politische Position, die sein gesamtes Werk durchzieht, ist die eines Preußen der Wilhelminischen Epoche vor dem Hintergrund der selbstzerstörerischen Kriege Europas, mit seinem Heimatstaat als Modell für die Zukunft. Er steht für Pflicht, Ordnung und Gerechtigkeit, die Ideale einer deutschen Kultur, im Gegensatz zu Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit als Idealen einer westlichen Zivilisation - mit dem auch für ihn positiv besetzten Wort Kultur (vertreten durch Goethe) im Gegensatz zu dem für ihn negativ besetzten Wort Zivilisation, das er mit Dekadenz gleichsetzt; er präferiert gegenüber dem Marxismus und dem liberalen Parlamentarismus einen Deutschen Sozialismus, der für ihn die Synthese von Gemeinwirtschaft und Monarchie oder Konservativismus und Sozialismus darstellt. Zu seiner Streitschrift Preußentum und Sozialismus, die im November 1919 als Reaktion auf den Versailler Vertrag und die Weimarer Verfassung erschien, und in der er diese Positionen ausführt, schrieb er 1932 übertreibend, aber für ihn und seinen politischen Standpunkt charakteristisch: "Von diesem Buche hat die nationale Bewegung ihren Ausgang genommen" (Politische Schriften, 1932, Seite VII)."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Oswald_Spengler. -- Zugriff am 2004-12-12]

2 Pallas = Athene, die griechische Göttin der Weisheit

3 = Kant

4 Portepee   (franz. porte-épée): silberne oder goldene Degenquaste der Offiziere

5 Hugo Stinnes (1870 - 1924): deutscher Großindustrieller und Politiker

6 August Hugo Friedrich Scherl (1849 - 1921): deutscher Zeitungszar

7 OHL = Oberste Heeresleitung


Kurt Tucholsky (1890 - 1935): 1. August 19141. -- In: Freie Welt. -- 1920, Nr. 29

Dies ist der Tag des Herrn!2
Die Gasse heulte.
Durch hundert Bürgerblätter aufgehetzt,
verleitet, angeschmiert, gejagt, belogen
schob schreiend sich Alldeutschland durch die Straßen
und aus Millionen stieg ein Schrei:
«Die große Zeit -!»

Die Städte summten. Hexenkessel brodelten.
Bezirkskommandos schluckten Menschen. Die Fabriken dröhnten.
Jeder glaubte, nun käm's auf ihn an, er
erlebe so Großes, wie die Welt noch nicht gesehn.
'Die Woche'3 malte ab, was alle fühlten:
wie sich der Oberlehrer die Geschichte vorstellt:
die wackern Braven, sauber und in Feldgrau,
die schneidigen Offiziere, unsern Kaiser,
das deutsche Heer, die deutsche Frau, den deutschen Schutzmann —
Schmöcke4 und Huren hatten nie
so gute Zeit wie 1914 ...

Und die Zeiger rückten langsam,
die Zeiger an der Uhr der Weltgeschichte.
Sturm brach auf Sturm. Die Eisenschädel
der Generale wankten, weil sie auf Gehirne stießen.
Gehirn? Was war das? Konnte man das einziehen?
Gehirn war nicht k.v.5
Es kam der U-Boot-Krieg. Das Blut in Flandern6
floss mit der trüben Flut der Yser7 meerwärts.
Und in den Alpen, an der See, in den Karpaten
in Ackergräben lagen sie und faulten,
die fahlen Glieder noch im Tode stramm.

Die Stäbe soffen. Fette Prediger
bepredigten sich ihre Uniform
vom Christus, der kein Schwächling war —
«Nein, Kameraden, Christus hätte Preußen
und grade Preußen recht und treu geliebt...!
Drum zeichnet Kriegsanleihe —!»
Die Christusbilder, starr aus Holz, sie hingen unbeweglich
in ganz Europa an den Kreuzen. Sahen.
Litten. Schwiegen.
Die Stäbe soffen.
Und die Schmöcke4 logen.

Stumpf starben Völker. Hier und dort
hört man es knistern. Kleine Flämmchen leckten
heiß in den Höllen des Proletariats.
Und tief im Boden fraß und glomm die Glut...

Bis sie emporschlug. Bis der Kessel barst.
Wir dachten: Freiheit! Dachten: Endlich! Endlich!
Ihr wisst, wie man uns da belogen und betrogen.
Ihr wisst: wer da gewichen und gekniffen.
Ihr wisst: nicht eine Hoffnung hat sich uns erfüllt.

Denkt an den Tag, den heißen Sommertag,
da dieser Erde Schande sich vollendet.
Der Bursche Ludendorff8, lebt heiter weiter.
Karl Liebknecht9 fiel. Es lebt Herr Helfferich10.
Es leben alle jene dicken Recken,
die hinten schrieben, wenn sie vorne starben.
Und was das schlimmste ist von allem:
Es lebt ihr Geist !

Denkt an den Tag !
In eurer Hand liegt Welt und Waage.
In eurer Hand liegt Schicksal und Gewinn.
Ihr färbt die blauen und die roten Tage.
Ihr könnt ihn töten, jenen Preußensinn.
Und habt ihr Joch und Achselstück genommen —:
Denkt an den Tag !
Er soll nicht wiederkommen.

Erläuterungen:

1 Tag der deutsche Generalmobilmachung und Kriegserklärung an Russland (Beginn des 1. Weltkriegs):

"In allen kriegführenden Ländern stand die Bevölkerung dem Kriegsausbruch erstaunlich gelassen gegenüber. Man schien von der Unabwendbarkeit eines Krieges überzeugt. Vor dem Berliner Schloss versammelten sich am Nachmittag des 1. August 1914 Tausende von Menschen, um gespannt den Ablauf des deutschen Ultimatums an Russland mitzuerleben. Als um 17 Uhr ein Offizier am Schlosstor erschien und die Mobilmachung verkündete, sangen die versammelten Massen den Choral "Nun danket alle Gott". Die Ungewissheit über das weitere Schicksal war einer Form religiöser Ergriffenheit gewichen. Das "August-Erlebnis" einte die Nation, machte Klassengegensätze und soziale Spannungen vergessen.

Der Mobilmachungsbefehl initiierte die planmäßige Einberufung von zwei Millionen Menschen und deren Transport zu ihren Einsatzorten. Zugleich wurde der Krieg gegen die "demokratischen Westmächte" und das "zaristische Russland" ideologisch gerechtfertigt. Bis in die Reihen der Sozialdemokraten wurde die Auffassung vertreten, der Krieg sei dem Deutschen Reich aufgezwungen worden. Der Kampf gegen die "Feinde ringsum" wurde zum Kampf zwischen "deutscher" Kultur und "westlicher" Zivilisation, zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft stilisiert."

[Quelle: http://www.dhm.de/lemo/html/wk1/kriegsverlauf/august/index.html. -- Zugriff am 2004-12-13]

2 Jeremia 46, 10: "Denn dies ist der Tag des HERRN HERRN Zebaoth, ein Tag der Rache, dass er sich an seinen Feinden räche, da das Schwert fressen und von ihrem Blut voll und trunken werden wird."

3 Die Woche: illustrierte Zeitschrift, die sich hauptsächlich der Zeitgeschichte widmete. Sie wurde 1899 vom Verleger A. Scherl in Berlin gegründet.

4 Schmock: nach einer Figur in Gustav Freytags »Journalisten«: ein käuflicher, skrupelloser Journalist.

5 k.v. = kriegsverwendungsfähig

6 Im Ersten Weltkrieg verlief die Deutsch-Französisch/Britische Front quer durch Flandern. Durch den Stellungskrieg wurden viele Dörfer und Städte in dieser Region des eigentlich neutralen Belgien zerstört.

7 Yser (Ijzer) ist ein 76 km langer Küstenfluss, der die Grenze zwischen dem französischen und belgischen Flandern markiert.

8 Ludendorff

"Erich Ludendorff (* 9. April 1865 in Kruszewnia bei Schwersenz, Provinz Posen; 20. Dezember 1937 in Tutzing) war neben Paul von Hindenburg als Chef der Obersten Heeresleitung (OHL) der führende deutsche General des 1. Weltkriegs.

Ludendorff wurde als Sohn eines Rittergutsbesitzers und Reserveoffiziers in der Nähe von Schwersenz (Swarzedz) im heutigen Polen geboren. Der Vater kämpfte als Kavallerieoffizier in den deutschen Einigungskriegen (1866, 1870/71) und bestimmte seinen Sohn für die Offizierslaufbahn.

Als achtzehnjähriger Offizier begann er eine glänzende militärische Karriere, kam 1894 zum kaiserlichen Generalstab und leitete ab 1908 die militärische Planungsabteilung für den Angriff auf Frankreich nach den Vorgaben des Schlieffenplans. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs gelang Ludendorff als Brigadekommandeur die Einnahme der Zitadelle in der Innenstadt von Lüttich.

Am 22. August 1914 wurde er Stabschef des späteren Reichspräsidenten Paul von Hindenburg und war für dessen Siege in der später hochstilisierten Schlacht bei Tannenberg und der Masurenschlacht gegen die russischen Truppen entscheidend mitverantwortlich.

Nach der Entlassung Erich von Falkenhayns als Chef des Generalstabs am 29. August 1916 avancierte Ludendorff als 1. Generalquartiermeister neben Hindenburg zum eigentlichen Kopf der dritten OHL. Als vermeintlich einzige Garanten eines Sieges hatten beide eine nahezu unangreifbare Position und übten eine rücksichtslose, faktische Militärdiktatur aus, neben der die Stellung des Kaisers verblasste. Durch ihre Verkennung der militärischen Kräfte wurden sie zu Hauptverantwortlichen für die deutsche Niederlage.

Das von Hindenburg und Ludendorff durchgesetzte "Hilfsdienstgesetz" vom Dezember 1916 sollte Massenstreiks verhindern und die Arbeiterschaft bei der Stange halten. Ludendorff war auch Verfechter des uneingeschränkten U-Boot-Krieges. Dieser war als Antwort auf die britische Seeblockade gedacht, brachte aber letztlich die USA dazu, öffentlich auf Seiten der Alliierten in den Krieg einzutreten.

Im Osten erstrebte Ludendorff weitgehende Kriegsziele, die noch über das im Friedensvertrag von Brest- Litowsk erreichte hinausgingen. Zur Destabilisierung der russischen Regierung ließ er eine Gruppe russischer Revolutionäre, darunter Lenin, aus der Schweiz über Deutschland nach Russland schleusen.

Angesichts der steckengebliebenen Offensiven an der Westfront sprach sich Ludendorff am 29. September 1918 für ein sofortiges Waffenstillstandsangebot an US-Präsident Wilson und - aus taktischen Gründen - für eine Parlamentarisierung der Regierung aus. Zivile Politiker sollten damit die Verantwortung für die Beendigung des Krieges übernehmen. Hierin lag der Keim für die Dolchstoßlegende.

Als er Ende Oktober eine Fortsetzung des "Widerstand mit äußersten Kräften" forderte, wurde er am 26. Oktober schließlich entlassen. Zu Beginn der Novemberrevolution floh er nach Schweden.

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland spielte Ludendorff eine führende Rolle in national-reaktionären Kreisen und war sowohl am Kapp- als auch im Hitlerputsch aktiv beteiligt. In dem auf den Hitlerputsch folgenden Prozess wurde er aber trotz des schwerwiegenden Belastungsmaterials freigesprochen.

Von 1924 bis 1928 saß er als Abgeordneter für die NSDAP im Reichstag. 1925 errang er als Kandidat der NSDAP bei der Wahl zum Reichspräsidenten im 1. Wahlgang 1.1% der Stimmen und nahm am 2. Wahlgang nicht mehr teil. Nach seinem Bruch mit Hitler geriet er unter Einfluss seiner zweiten Frau Mathilde in die Isolation eines völkisch-religiösen Sektierertums. Die von ihm und seiner Frau gegründete Sekte überlebte den Zusammenbruch des Dritten Reiches und existiert auch heute noch unter dem offiziellen Namen "Bund für Gotteserkenntnis" oder der Kurzbezeichnung "Ludendorffer"."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Erich_Ludendorff. -- Zugriff am 2004-12-13]

9 Karl Liebknecht

"Karl Liebknecht (* 13. August 1871 in Leipzig; 15. Januar 1919 in Berlin) war ein sozialistischer deutscher Politiker.

Er war der Sohn von Wilhelm Liebknecht, der zu den Gründern der SPD gehörte.

Liebknecht studierte 1890 bis 1893 Rechtswissenschaften und Nationalökonomie. 1907 beteiligte sich Karl Liebknecht an der Gründung der Jugendinternationalen. 1914 stimmten er als einziger Abgeordneter des Deutschen Reichstags, in dem er für die SPD saß, gegen die Bewilligung der Kriegskredite. 1915 bildete er zusammen mit Rosa Luxemburg die Gruppe "Internationale", die später in Spartakusbund umbenannt wurde.

1918 gründete er gemeinsam mit Rosa Luxemburg die KPD und die Zeitung Die Rote Fahne.

1919 führte er einen linkssozialistischen Aufstand gegen den Rat der Volksbeauftragten in Berlin an und wurde zusammen mit Rosa Luxemburg am 15. Januar 1919 nach der Gefangennahme von Freikorpsoffizieren gefoltert und ermordet. Die Täter wurden vom Militärgericht freigesprochen, das Urteil trägt die Unterschrift des SPD-Reichswehrministers Gustav Noske. In zwei Fällen wurden zwar geringe Gefängnisstrafen verhängt, die die Verurteilten aber nicht anzutreten brauchten."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Liebknecht. -- Zugriff am 2004-12-13]

10 Helfferich

"Karl Helfferich (* 22. Juli 1872 in Neustadt (Haardt), 23. April 1924 in Bellinzona), ältester Bruder von Emil Helfferich war ein deutscher Politiker und Bankier.

Helfferich studierte Jura- und Staatswissenschaften. 1901 war er als Experte für Währungsfragen in der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes tätig. Nach Tätigkeiten als Privatdozent und Volkswirt wurde Helfferich 1908 ins Direktorium der Deutschen Bank berufen, deren Gründer Georg von Siemens später sein Schwiegervater wird. 1915 wurde er Staatssekretär im Reichsschatzamt, weitere politische Funktionen folgten, insbesondere zur Finanzierung des Ersten Weltkriegs. Er verantwortete die Kriegsfinanzierung durch Anleihen, die den Staat hoch verschuldete und somit voll auf eine Refinanzierung durch die Verlierer des Kriegs zugeschnitten war. Durch die Niederlage verloren viele deutsche -vermeintlich patriotische- Sparer somit ihr Vermögen.

Von 1916 bis 1917 war er Vizekanzler des Deutschen Reichs.

In der Weimarer Republik war Helfferich führender Politiker der rechten Deutschnationalen Volkspartei (DNVP). Durch radikale antirepublikanische Propaganda sowie Mordaufrufe gegen sog. Erfüllungspolitiker war er einer der prominentesten Vertreter der extremen Rechten. Seine Polemik stiftete zu politischen Morden an Republikanern und Linken an, prominente Opfer waren Walther Rathenau und Matthias Erzberger.

Während der Hyperinflation 1923 war Helfferich an der Einführung der Rentenmark beteiligt."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Helfferich. -- Zugriff am 2004-12-13]


1921


Boreslaw Strzelewicz (1857 - 1938): Herr von Hammerhahn und von Liebenstein.>Auszug>. -- 1921

Lieutnants a. D.
Zwei Edelste der Nation
(Gegenwartstypen)

Duett für zwei Herren.

 


Abb.: Titelblatt

Duett:

1

L.: Wir sind von stolzem Mut,
Ein echtes Adelsblut,
Und halten wirklich sehr
Auf unsre Standesehr;

H.: Denn sicher unser Stand
Der erste ist im Land,
Kein andrer kommt ihm gleich
Auf ganzem Erdenreich.

Beide. Refrain:

Drum sind wir auch die Stützen
Von Staat, Altar und Thron,
:Die Edelsten und Besten
Der ganzen Nation. :

2

L.: Bei uns, man sagen kann,
Da fängt der Mensch erst an;
Der Wuchs, 's ist kolossal,
So echt pyramidal.

H.: Der Bibelspruch hier gilt:
„Als Gottes Ebenbild
Sind wir die Herrn der Welt",
Denn wir, wir habn das Geld.

Beide:

Jawohl, wir sind die Stützen
usw.

[Quelle: Des Morgens erste Röte : frühe sozialistische deutsche Literatur 1860 - 1918 / [hrsg. vom Zentralinst. für Literaturgeschichte d. Akad. d. Wiss. d. DDR. Auswahl: Norbert Rothe (Lyrik u. Prosa) u. Ursula Münchow (Dramatik). Nachw.: Ursula Münchow. Anm. zu d. Autoren: Hans Heinrich Klatt]. -- Leipzig : Reclam, 1982. -- 459 S. : 56 Ill. -- (Reclams Universal-Bibliothek ; Bd. 926 : Belletristik). -- S. 350, 352f.]



Abb.: Die Gottespest. -- Titelblatt der kommunistischen Kulturzeitschrift "Der Gegner". -- 1921-08

Erläuterung: siehe: Most, Johann <1846 - 1906 >: Die Gottespest.  -- 1883. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/most01.htm. -- Zugriff am 2005-02-08

[Bildquelle: Chronik 1921 / Corina Jürgensen ; Sabina Piatzer ... -- 2., überarb. Aufl. -- Gütersloh : Chronik-Verl., 1991. -- 239 S. : zahlr. Ill. -- (Die Chronik-Bibliothek des 20. Jahrhunderts). -- ISBN 3-611-00067-1. -- S. 135]



Abb.: Der päpstliche Nuntius Eugenio Pacelli (der spätere Papst Pius XII.) schreitet beim Deutschen Katholikentag in Frankfurt a. M. in der Prozession der kirchlichen Würdenträger voran. -- 1921-08-30

[Bildquelle: Chronik 1921 / Corina Jürgensen ; Sabina Piatzer ... -- 2., überarb. Aufl. -- Gütersloh : Chronik-Verl., 1991. -- 239 S. : zahlr. Ill. -- (Die Chronik-Bibliothek des 20. Jahrhunderts). -- ISBN 3-611-00067-1. -- S. 141]



Abb.: Der ehemalige österreichische Kaiser und König von Ungarn, 2004 seliggesprochene Karl Habsburg (1887 - 1922) bei der Messe bei seinem zweiten Staatsstreichversuch, mit dem er in Ungarn die Königswürde (als Karl IV.) wieder an sich reißen will. -- 1921-10-21

[Bildquelle: Chronik 1921 / Corina Jürgensen ; Sabina Piatzer ... -- 2., überarb. Aufl. -- Gütersloh : Chronik-Verl., 1991. -- 239 S. : zahlr. Ill. -- (Die Chronik-Bibliothek des 20. Jahrhunderts). -- ISBN 3-611-00067-1. -- S. 169]


1923



Abb.: Erhaltet euch den bewährten Steuermann, sonst droht Schiffbruch. -- Wahlplakat der Christlichsozialen Partei zu den Nationalratswahlen in Österreich im Oktober 1923 [keine Karikatur auf einen der Totengräber Österreichs!]

Erläuterung: Als Steuermann Österreichs dargestellt ist Prälat Dr. Ignaz Seipel (1876 - 1932), österreichischer Bundeskanzler von 1922 bis 1924, und 1926 bis 1929

"SEIPEL, Ignaz. * 19.7. 1876 als Sohn eines Portiers zu Wien, + 2.8. 1932 zu Pernitz (Niederösterreich).

Seipel trat in den Benediktiner-Orden ein und absolvierte das Studium der kath. Theologie in Wien. 1899 zum Priester geweiht, war er anschließend zunächst in der Seelsorge tätig. 1903 promovierte er zum Dr. theol., 1908 habilitierte er sich für das Fach Moraltheologie. Von 1909 bis 1912 war er Professor in Salzburg, ab 1917 in Wien. Von Oktober bis November 1918 hatte er im Kabinett Lammasch das Amt des Ministers für öffentliche Arbeiten und soziale Fürsorge inne. Nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie wirkte er als christlichsozialer Abgeordneter im Nationalrat. Als unversöhnlicher Feind der Sozialdemokratie weigerte er sich, in der Koalitionsregierung von 1918/19 ein Amt zu übernehmen. Der Christlichsozialen Partei stand er von 1921 bis 1929 als Obmann vor. Von 1922 bis 1924 war er Bundeskanzler einer aus den bürgerlichen Parteien (großdeutsch-christlichsozial) gebildeten Koalitionsregierung. Während dieser Zeit gelang es ihm durch Intervention des Völkerbundes (Genfer Protokoll vom 4. 10. 1922), die durch die Inflation zerrütteten Staatsfinanzen mit Hilfe einer Anleihe von 650 Millionen Goldkronen zu sanieren. Eine Gesundung der gesamten Wirtschaft wurde dadurch jedoch nicht bewirkt, vielmehr führte sie zu schweren Belastungen für große Teile der Bevölkerung. Seipels konservative Politik trug ihm die Gegnerschaft der Sozialdemokraten ein. Durch ein am 1.6. 1924 auf ihn verübtes Attentat wurde er schwer verletzt. Im November 1924 trat er als Bundeskanzler zurück, sein Nachfolger wurde Rudolf Ramek. Als dessen Regierung infolge eines Finanzskandals stürzte (1926), wurde Seipel erneut Bundeskanzler. Sein Ziel galt der Zurückdrängung der Sozialdemokraten, was nicht zuletzt durch die Förderung der rechtsgerichteten Heimwehrbewegung erreicht werden sollte. 1929 trat Seipel als Bundeskanzler und Führer der Christlichsozialen Partei zurück, blieb aber gleichwohl einflussreich. 1930 war er für kurze Zeit Außenminister im Kabinett Vaugoin. 1931 scheiterte die Bildung einer Koalitionsregierung unter seiner Führung am Widerstand der Sozialdemokraten und der Großdeutschen Volkspartei. Das politische Ziel Seipels war auf eine Vereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich gerichtet, da allein dadurch die Zukunft Österreichs gesichert werden könne. Er verband damit eine Neuorganisation des mitteleuropäischen Raumes. "

[Quelel: Konrad Fuchs. -- http://www.bautz.de/bbkl/s/s2/seipel_i.shtml. -- Zugriff am 2004-12-16] 

[Bildquelle: Chronik 1923 / [Autorin: Hanna Vollmer ... ]. -- Gütersloh ; München : Chronik-Verl., 1987. -- 239 S. : zahlr. Ill.  -- (Die Chronik-Bibliothek des 20. Jahrhunderts). -- ISBN 3-611-00003-5. -- S. 168]



Abb.: A. Frank: Protestiert gegen die Verpfaffung der Schule!. -- Leipzig. -- Um 1923

[Bildquelle: Wäscher, Hermann <1887–1967>: Das deutsche illustrierte Flugblatt. - Dresden : Verl. der Kunst VEB. -- Bd. 2., Von der Zeit der Restauration bis zur Gegenwart. -- 1956. -- 41 S. : Text mit Abb. u. 119 S. Abb.  -- Abb. 96]


1924


Aus: Erich Weinert (1890-1953): An den deutschen Gerechtigkeitsbeamten. -- 1924

Wer gegen Thron und Kirche schreibt,
Ist immer ein Filou,
Wer nationale Dinge treibt,
Dem jauchze freudig zu!


Aus: Erich Weinert (1890-1953): Einheitsvolkslied. -- 1924

Das Wandern ist des Müllers Lust.
Was blasen die Trompeten?
Wir treten mutig Brust an Brust
Zum Beten, ja zum Beten.



Abb.: Fritz Bergen: Wahl in Oberbayern. -- In: Illustrirte Zeitung. -- 1924

[Bildquelle: : Chronik 1931 / [Autorin: Hanna Vollmer]. -- Gütersloh : Chronik-Verl., 1988. -- 240 S. : zahlr. Ill. -- (Die Chronik-Bibliothek des 20. Jahrhunderts.) -- ISBN 3-611-00038-8. -- S. 194]


Kurt Tucholsky (1890 - 1935): Gebet nach dem Schlachten. -- In: Die Weltbühne1924-08-07.

Kopf ab zum Gebet!

Herrgott! Wir alten vermoderten Knochen
sind aus den Kalkgräbern noch einmal hervorgekrochen.
Wir treten zum Beten vor dich und bleiben nicht stumm.
Und fragen dich, Gott:
Warum -?

Warum haben wir unser rotes Herzblut dahingegeben?
Bei unserm Kaiser blieben alle sechs am Leben.
Wir haben einmal geglaubt . . . Wir waren schön dumm . . . !
Uns haben sie besoffen gemacht . . .
Warum -?

Einer hat noch sechs Monate im Lazarett geschrien.
Erst das Dörrgemüse und zwei Stabsärzte erledigten ihn.
Einer wurde blind und nahm heimlich Opium.
Drei von uns haben zusammen nur einen Arm . . .
Warum -?

Wir haben Glauben, Krieg, Leben und alles verloren.
Uns trieben sie hinein wie im Kino die Gladiatoren.
Wir hatten das allerbeste Publikum.
Das starb aber nicht mit . . .
Warum -? Warum -?

Herrgott!
Wenn du wirklich der bist, als den wir dich lernten:
Steig herunter von deinem Himmel, dem besternten!
Fahr hernieder oder schick deinen Sohn!
Reiß ab die Fahnen, die Helme, die Ordensdekoration!
Verkünde den Staaten der Erde, wie wir gelitten,
wie uns Hunger, Läuse, Schrapnells und Lügen den Leib zerschnitten!
Feldprediger haben uns in deinem Namen zu Grabe getragen.
Erkläre, dass sie gelogen haben! Lässt du dir das sagen?
Jag uns zurück in unsre Gräber, aber antworte zuvor!
Soweit wir das noch können, knien wir vor dir - aber leih uns dein Ohr!
Wenn unser Sterben nicht völlig sinnlos war,
verhüte wie 1914 ein Jahr!
Sag es den Menschen! Treib sie zur Desertion!

Wir stehen vor dir: ein Totenbataillon.
Dies blieb uns: zu dir kommen und beten!

Weggetreten!

Theobald Tiger


Slang [= Fritz Hampel (1895 - 1932)]: Leipziger Querschnitte <Auszug>. -- In: Der Drache. -- 1924-10-14

Die Herbergen zur Heimat gelten seit jeher nicht nur als Übernachtungsgelegenheiten, sondern vor allem auch als Erbauungsstätten. Gerade die Handwerksburschen haben es bitter nötig, immer wieder mal an die Güte Gottes erinnert zu werden, der es regnen lässt über Gerechte und Ungerechte. Nicht minder wichtig sind die Exerzitien in Monarchismus. Es ist aus diesem Grunde zu begrüßen, dass das Vorderzimmer der Herberge am Täubchenweg mit Königs- und Kaiserbildern geschmückt ist. Wohl dem wegmüden Walzbruder, dem Herrscheraugen das Bad segnen! Treu Heil der Tippel-Schickse, der unter den Blicken derer von Gottes Gnaden keine Laus über die Leber läuft!

Nur ein« fehlt noch in dem Heim der Heimatlosen: das völkische Symbol. Lieber Herbergsvater, sei nicht bös: Aber lass die, denen das Kreuz durch vieles Danksagen krumm wie ein Haken geworden ist, endlich auch in deinem Hause zu Hakenkreuze kriechen!

[Quelle: Fritz Hampel (Slang) <1895 - 1932>: Gebet einer Potsdamer Jungfrau : Gereimtes u. Ungereimtes aus d. "goldenen" zwanziger Jahren / Slang [ausgewählt von Wolfgang U. Schütte]. -- Berlin ; Weimar : Aufbau-Verlag, 1986. -- 130 S. ; 18 cm. -- (bb ; 570). -- S. 22f.]


Slang [= Fritz Hampel (1895 - 1932)]: Nun wähle Du! : Sieben Bilder. -- 4. Bild. -- In: Das Wort. -- Halle-Merseburg. -- 1924-11-14

Als es hell wird, steht der Zentrumsmann im Zimmer. Er setzt sich an den Tisch, betet, nimmt dem Demokraten das Brot aus der Hand und isst.

Der Zentrumsmann:

Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind:
Der Menschen Worte sind eitel Wind.
Lass dir nur ja nicht den Kopf verdrehn:
Vertrau auf den Herrn, dann wirst du schon sehn.

Gott gab einem jeden nach seinem Stand.
Drum sei nicht neidisch und halte den Rand.
Auf Erden ist es nun einmal mies.
Sei gläubig, dann kommst du ins Paradies.
Gehorche der Kirche, und bist du willig,
dann wird es auch hier unten billig.
Wer hat denn Österreich wieder saniert?
Der Seipel1, vom heiligen Geist inspiriert!

Und wenn du wählst, so rate ich dir:
Wähl Gott, den Herrn. Und das sind wir.
Das Zentrum. Der Bund der Gottesstreiter.
Für Einigkeit und — na, und so weiter.
Wenn du das willst (oder was anderes: 's ist einerlei):
Fünf Rentenpfennig kommt das Ei,
Wenn du wählst die: Mit Gott für König und Vaterlandspartei!

(Es wird dunkel.)

Erläuterung:

1 Seipel

"Ignaz Seipel (* 19. Juli 1876 in Wien; 2. August 1932 in Pernitz) war Politiker, Theologe, Prälat und von 1964 bis 1970 österreichischer Bundeskanzler.

Seipel studierte Theologie an der Universität Wien und wurde am 23. Juli 1899 zum Priester geweiht. 1908 habilitierte er sich an der Universität Wien. Von 1909 bis 1917 war er Professor für Moraltheologie in Salzburg, anschließend in Wien.

Kurz vor dem endgültigen Zusammenbruch der Monarchie war er Minister für öffentliche Arbeit und soziale Fürsorge im Kabinett von Heinrich Lammasch. Danach gehörte er der Konstituierenden Nationalversammlung an und war von 1921-1930 Obmann der Christlichsozialen Partei. Von 1922-1924 war er erstmals Bundeskanzler, wobei mit Hilfe einer Völkerbundanleihe die Staatsfinanzen sanierte, wobei es zur Einführung der Schillingwährung kam. Das führte aber zu einem starken Rückgang des Realeinkommens der Bevölkerung und einem starken Ansteigen der Arbeitslosenrate. Nach einem Attentat auf ihn am 1. Juni 1924 trat er zurück, blieb aber Obmann des christlichsozialen Abgeordnetenklubs.

Von 1926 bis 1929 war er aber wieder Bundeskanzler, wobei er besonders die Sozialdemokraten bekämpfte. Zu diesem Zweck schloss er die CSP mit der Großdeutschen Volkspartei und dem Landbund zu einer antimarxistischen Front zusammen. Außerdem stärkte er die Rolle der Heimwehr. Dadurch wurde er zum großen Feindbild der Sozialdemokraten, die ihn als den ""Prälat ohne Milde" bezeichneten. Dadurch geriet er unter Druck und trat wieder zurück, wobei er aber 1930 kurzzeitig Außenminister im Kabinett von Carl Vaugoin war.

Nach dem Zusammenbruch der Creditanstalt im Jahre 1931 sollte er nochmals die Regierungsgeschäfte übernehmen, blieb aber erfolglos. Während seine Politik zu Beginn vom Glauben an die Selbstständigkeit Österreichs geprägt war, vertrat er später die Ansicht, dass keine Politik ohne Deutschland möglich sei. Mit der Staatsform war er nicht zufrieden und wollte einen autoritären Staat mit sich selbst als Präsidenten schaffen. Dazu kam es aber nicht mehr, denn nach einer Reise nach Palästina erkrankte er und starb 1932."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Ignaz_Seipel. -- Zugriff am 2004-11-25]

[Quelle: Fritz Hampel (Slang) <1895 - 1932>: Panoptikum von vorgestern : Satiren, Humoresken u. Feuilletons / Fritz Hampel. Hrsg. und mit einem Nachw. von Wolfgang U. Schütte. -- 2., durchges. Aufl. -- Berlin : Verlag Tribüne, 1982. -- 274 S. ; 21 cm. -- S. 78f.]


1925


Walter Steinbach (1902 - 1947). -- In: [Proletarische] Heimstunden. -- 1925, Nr. 2

Proletarier der Welt,
Mäht das gelbe Garbenfeld!
Reif zum Schnitte sind die Ähren.
Kniet nicht nieder vor Altären!
Das Jahrhundert ist vorbei.
Macht euch frei! Macht euch frei!
Werktagsvolk, ich rufe dich,
Arbeitsvölker höret mich!
Hockt ihr auch im Kellerloch,
Licht ist doch!

[Quelle: Unterm Pulverfaß glimmt noch der Zunder : eine Auswahl aus "Das Wort" (1923-1925) und "Proletarische Heimstunden" (1923-1926) / hrsg. von Wolfgang U. Schütte. -- Berlin : Verlag Tribüne, 1979. -- 266 S. ; 21 cm. -- S. 171.]


1926


Slang [= Fritz Hampel (1895 - 1932)]: Die Vögel von Potsdam. -- 1926

Der Hofprediger D. Vogel in Potsdam hat am 27. Januar bei einem Gottesdienst geäußert: „Wer nicht königstreu ist, ist ein Lump!" Generalsuperintendent Dibelius1 nimmt seinen Amtsbruder in Schutz und behauptet: erstens habe das Vogel gar nicht gesagt, und zweitens, wenn er es wirklich gesagt habe, dann könnte es höchstens von einem Spitzel der Öffentlichkeit mitgeteilt worden sein.

Als die von Gott Gesalbten und Geschmierten
den Brand entfacht',
da waren es die Pfaffen, die zum Himmel stierten:
„Gemacht!"
Die Vögel von Potsdam,
die sagten da nicht Nein.
Sie schickten euch mit Halleluja
ins Sperrfeuer hinein.

Nur wenn die Blinden und die Gasverseuchten
vor Hunger Schrein,
Dann sieht man Pfaffenaugen königstreu sich feuchten;
„Nein!"
Die Vögel von Potsdam,
die sagen da nicht Ja.
Für November-Verbrecher
sind sie momentan nicht da.

Doch gibt's am Ersten Gotteswort-Tantiemen,
Gehalt und so —
dann weigern sie sich doch, von Lumpen Geld zu
nehmen? —
I wo!
Die Galgenvögel von Potsdam,
die sagen da nicht Nein.
Sie nehmen von allen,
nur recht ville muss es sein!

1 Otto Dibelius

"Dibelius, Otto

Otto Dibelius (* 15. Mai 1880 in Berlin, 31. Januar 1967 in Berlin) war ein evangelischer Bischof.

Ausbildung

Seit 1899 Studium in Berlin bei Adolf von Harnack, nach der 1. theologischen Prüfung besucht er zwei Jahre das Predigerseminar in Wittenberg. In Berlin Eintritt in den nationalistischen und antisemitischen Studentenbund VDSt Berlin. 1906 wurde er ordiniert und kam als Hilfsprediger nach Guben (Niederlausitz). Dibelius promovierte 1902 zum Dr. phil. und 1906 zum Lic. theol. und unternahm dann eine Reise nach Schottland.


Tätigkeit bis 1933

Er wurde 1907 Archidiakonus in Crossen (Oder), 1902 2. Pfarrer an St. Petri und Pauli in Danzig, 1911 Oberpfarrer in Lauenburg (Pommern), 1915 Pfarrer an der Gemeinde zum Heilsbronnen in Berlin, 1921 nebenamtliches Mitglied des Evangelischen Oberkirchenrates in Berlin-Charlottenburg und 1925 Generalsuperintendent der Kurmark im Brandenburger Konsistorium in Berlin.

Dibelius war Antisemit Zitat von 1928: "Ich habe mich trotz des bösen Klanges, den das Wort vielfach angenommen hat, immer als Antisemit gewusst. Man kann nicht verkennen, dass bei allen zersetzenden Erscheinungen der modernen Zivilisation das Judentum eine führende Rolle spielt. Die Pflege des Vokstums, in das uns Gott hineingestellt hat, die Stärkung des Heimatgefühls, eine neue Verwurzelung in die Scholle und eine bewusste Abkehr von der modernen Asphaltkultur, das sind die Ziele, für die sich jede evangelische Kirche einsetzen wird".

Tätigkeit von 1933 bis 1945

Als Mitglied der DNVP begrüßte er zwar den Nationalsozialistischen Machtantritt, verurteilte aber bald die Einmischungen der Nazionalsozialisten in kirchliche Angelegenheiten. Er ist Gegner der Deutschen Christen. August Jaeger, Staatskommissar für alle evangelischen Kirchen Preußens, setzte ihn 1933 ab. Dibelius ging am 1.12. 1933 als Kurprediger nach San Remo an der Riviera di Ponente, kehrte zum 1.7. 1934 nach Deutschland zurück und trat in die Arbeit des Brandenburger Bruderrats die Bekennende Kirche ein. Nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes bestritt niemand ernsthaft, dass die Kirchenwahlen vom 23.7. 1933 und die Nationalsynode in Wittenberg vom 27.9. 1933 sowie deren Beschlüsse nicht rechtsgültig waren. Somit bestanden noch die Generalsuperintendenturen, die man damals abgeschafft hatte. Von den alten Generalsuperintendenten waren zwei verstorben und ein dritter inzwischen zu alt geworden. Nach dem Rücktritt des Konsistorialpräsidenten Heinrich und des Oberkonsistorialrats Fahland wurde Dibelius nach der alten Verfassung Leiter des Berliner und Brandenburger Kirchenwesens. Da die fremden Machthaber den Titel "Generalsuperintendent" nicht verstanden, beschloss die Kirchenleitung, dass sich Dibelius "Bischof" zu nennen hätte.

Tätigkeit nach 1945

1945 Eintritt in die CDU. Als Mitglied des vorläufigen Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist er an der Formulierung des "Stuttgarter Schuldbekenntnisses" beteiligt. Im Januar 1949 fand in Bethel bei Bielefeld die erste ordentliche Synode der neuen Evangelischen Kirche in Deutschland statt. Es mussten der Rat, der Ratsvorsitzende und sein Stellvertreter durch die Synode bestimmt werden. Dibelius wurde zum Vorsitzenden und Hanns Lilje zum Stellvertreter gewählt. Sechs Jahre später, auf der Synode von Espelkamp bei Lübbecke Westfalen), bat man Dibelius, noch einmal eine Wahl auf sechs Jahre anzunehmen. Lilje blieb sein Stellvertreter.

Nach der Beschlussfassung zum Aufbau der Bundeswehr unterzeichnet Dibelius 1956 für die EKD den umstrittenen "Militärseelsorgevertrag" mit der Bundesregierung. 1958 wird Dibelius die Berliner Ehrenbürgerschaft.

Mit dem Mauerbau 1961 gerät Dibelius als Berliner Bischof zunehmend in das Spannungsfeld des Kalten Kriegs. Er vertritt die These, dass es gegenüber einer totalitären Regierung wie der der DDR keine christliche Gehorsamspflicht gebe.

Am 31. Januar 1967 stirbt Dibelius in Berlin.

Tätigkeit in der ökumenischen Bewegung

Bekannt wurde Dibelius auch durch seine Mitarbeit in der ökumenischen Bewegung. Er nahm 1925 teil an der "World Conference on Life and Work" (Weltkonferenz für Praktisches Christentum) in Stockholm und 1927 an der "World Conference on Faith and Order" (Weltkonferenz für Glaubenslehre und Kirchenverfassung in Lausanne und wurde in den Fortsetzungsausschuss gewählt.

Im August 1948 wurde in Amsterdam der "Ökumenische Rat der Kirchen" (World Council of Churches) gegründet und Dibelius in den Zentralausschuss gewählt. 1954-61 war er einer der 6 Präsidenten im Weltkirchenrat.

[Quelle: Fritz Hampel (Slang) <1895 - 1932>: Eine Auswahl. Lyrik u. Prosa / Hrsg. v. Rudolf Hoffmann ; Elisabeth Simons. -- Berlin : Verl. des Ministeriums für nationale Verteidigung, [1958]. -- 268 S. ; kl. 8°. -- (Kämpfende Kunst). -- S. 114]


Slang [= Fritz Hampel (1895 - 1932)]: Hurralleluja!. -- In: Der Atheist. -- 1926, Nr. 5

Hindenburg1 hat dem General der Heilsarmee2, Booth, zu seinem 70. Geburtstag ein Glückwunsschreiben geschickt, in dem er sich für die "zahlreichen Wohltaten der Heilsarmee an den notleidenden Schichten des deutschen Volkes" bedankt. Das Schreiben schließt mit den Worten: "Möge es Ihnen vergönnt sein, noch viele Jahre an der Spitze Ihrer Organisation zum Wohle der Menschheit zu wirken."

Am Rande des Teiches, aus dem der Storch die kleinen Kinder holt, saßen einst zwei Knaben. Sie waren zwar beide noch ungeboren, wussten aber bereits genau Bescheid, wie es in der Welt zugeht, und plauderten miteinander über ihre Wünsche und Hoffnungen. »Was für einen Beruf wollen Sie mal ergreifen?« bemerkte der eine, indem er seinen linken Fuß für einen Moment aus dem Mund nahm. »Ich werde General, wenn ich Chancen habe, sogar Generalfeldmarschall«, erwiderte der andere und fühlte sich dabei unter die Nase, da ihm jemand erzählt hatte, dass Bartwuchs und militärische Begabung fast ein und dasselbe seien. »General? Ich auch.«

Der Sprecher blickte begeistert gen Himmel. »Aber ein General der Armen und Bedrückten, ein General, der mit Gottes Hilfe und Almosen Wunden zu heilen gedenkt.«

»Das ist ja famos«, unterbrach ihn sein Kamerad, »Sie können sich vorstellen, dass es bei meinem rauhen kriegerischen Handwerk nicht ohne Tote und Verwundete abgehen wird, und dann ist es ganz nett...«

»... wenn jemand da ist, der den Witwen und Waisen, den Krüppeln und Kranken, den betrogenen Kriegsanleihezeichnern und so weiter, und so weiter — mit der Vertröstung auf ein besseres Jenseits die Augen auswischt«, ergänzte der zukünftige Wohltäter der Menschheit.

Der zukünftige Schlachtenlenker schlug ihm kräftig auf die Schulter. »Aber Sie müssen Ihr Geschäft ein wenig philosophisch aufziehen, lieber Freund. Sagen Sie Ihren Leuten: Der liebe Gott hat es nun einmal so eingerichtet, dass es den Kaisern, Königen, Generälen und den Führern von Industrie und Landwirtschaft ausgezeichnet geht, während die kleinen Leute und die Arbeiter..., na, Sie wissen schon, das steht ja alles in Ihrer Bibel.«

»Lassen Sie das nur meine Sorge sein«, bemerkte der andere ein bisschen ärgerlich. »Kümmern Sie sich um Ihre Kriege, und stellen Sie ein hübsches Hungerprogramm auf, damit die Leute für mein Halleluja-System mürbe werden.«

»Allright.« Die Säuglingsanwärter schüttelten sich die Hände und hüpften ins Wasser.

In diesem Augenblick kam der Storch, mit dem die beiden Knaben bereits öfter über ihre Pläne gesprochen hatten. Aber der Storch hatte alles wieder vergessen, packte den eigentlichen Vater der Heilsarmee an den Beinen und legte ihn in die Wiege der Familie Hindenburg. Mit dem anderen, der für sein Leben gern Russenschreck, später Retter des Vaterlandes geworden wäre, beglückte er einen Engländer namens Booth.

Aber merkwürdig: Diese Verwechslung hat den beiden in keiner Weise die Karriere verdorben. Im Gegenteil: Der Schlachtenlenker wider Willen erinnert sich in brenzligen Situationen oft und gern an seine christliche Veranlagung und macht in solchen Fällen den lieben Gott für seine Taten verantwortlich. Der unfreiwillige »Wohltäter der Menschheit« dagegen pfeift bei passender Gelegenheit auf das fünfte Gebot und führt seine Heilsarmeesoldaten in Marschkolonnen zur Schlachtbank.

Die beiden verstehen sich ausgezeichnet: Sie gratulieren einander zum Geburtstag, geben dem Kaiser, was des Volkes ist, diesem einen Fußtritt und der Firma Hugenberg3, was sie verlangt. Möge es den ritterlichen Greisen vergönnt sein, noch viele Jahre an der Spitze ihrer Organisationen zum Wohl der Menschheit zu wirken!

Zwar ist die Konjunktur augenblicklich einigermaßen ungünstig—die Massen beginnen, den Wert von Bibel und Bomben als Volksnahrungsmittel bedenklich zu unterschätzen —, aber die Erzväter haben ja beispielsweise noch viel länger an der Spitze ihrer Schafherden gestanden, bevor sie der Herr zu den Seinen versammelte.

[Quelle: Fritz Hampel (Slang) <1895 - 1932>: Panoptikum von vorgestern : Satiren, Humoresken u. Feuilletons / Fritz Hampel. Hrsg. und mit einem Nachw. von Wolfgang U. Schütte. -- 2., durchges. Aufl. -- Berlin : Verlag Tribüne, 1982. -- 274 S. ; 21 cm. -- S. 15f.]

Erläuterungen:

1 Hindenburg

"Hindenburg, Paul von

Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und von Hindenburg (* 2. Oktober 1847 in Posen, 2. August 1934 in Gut Neudeck (Kreis Rosenberg i. Westpr.) in Ostpreußen), war ein deutscher Generalfeldmarschall und zweiter Reichspräsident der Weimarer Republik.

Als der Sohn eines preußischen Offiziers wählte er ebenso eine militärische Laufbahn. Von 1859 bis 1866 besuchte er, nach einem kurzen Besuch des Gymnasiums, eine Kadettenanstalt in Wahlstatt (Kr. Liegnitz) und später in Berlin. 1866 nahm er bereits als Leutnant am Deutsch-Deutschen Krieg teil. Am Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 nahm er als Offizier teil. 1903 wurde er kommandierender General und zog sich 1911 im Alter von 64 Jahren aus der Armee zurück.

3 Jahre später, bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges, wurde er aus dem Ruhestand zurückgeholt und zum Oberbefehlshaber der 8. Armee an der Ostfront ernannt. Der Sieg über die russische Armee bei Tannenberg brachte ihm Ruhm und Ehre. Seitdem war er von dem Mythos "Sieger von Tannenberg" umgeben. Sein rücksichtsloses Vorgehen ungeachtet menschlicher Verluste wurde hierbei übersehen. Im August 1916 übernahm er mit Erich Ludendorff die Oberste Heeresleitung, die schnell an Einfluss gewann.

1918 versuchte er die Monarchie zu retten, indem er Kaiser Wilhelm II. riet, das Land zu verlassen. Durch die Zusammenarbeit mit der neuen Regierung versuchte er die Unruhen innerhalb der Bevölkerung zu bekämpfen. Mit Abschluss des Versailler Vertrages im Juli 1919 trat Hindenburg zurück. Vor dem Untersuchungsausschuss der Nationalversammlung verbreitete er die "Dolchstoßlegende", wonach das Heer im Felde unbesiegt geblieben und von den Novemberrevolutionären durch einen Waffenstillstand "von hinten erdolcht" worden sei.

Die Rechtsparteien drängten den parteilosen Hindenburg, bei der Reichspräsidentenwahl zu kandidieren. Im April 1925 wurde Hindenburg als Nachfolger Friedrich Eberts zum Reichspräsidenten gewählt (siehe: Reichspräsidentenwahl 1925). Trotz seiner monarchistischen Überzeugung und der daraus folgenden skeptischen Haltung gegenüber der Weimarer Republik, versuchte er sein Amt verfassungsgerecht auszuüben.

1930 berief Hindenburg Heinrich Brüning zum Reichskanzler, ohne das Parlament zu konsultieren. Damit begann die Zeit der Präsidialkabinette, in denen der jeweilige Kanzler ganz dem Präsidenten, nicht dem Parlament, verpflichtet war.

1932 wurde Hindenburg für weitere sieben Jahre in seinem Amt bestätigt. Dies ist jedoch nur dem Umstand zu verdanken, dass sich alle demokratischen Parteien, einschließlich der Sozialdemokraten, hinter den überzeugten Monarchisten gestellt haben, um so Hitler als Reichspräsidenten zu verhindern.

Am 30. Januar 1933 berief Präsident Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler. Immer mehr geriet er, trotz seiner Abneigung gegen diese, in den Einflussbereich der Nationalsozialisten. Er unterzeichnete die Reichstagsbrandverordnung "Zum Schutz von Volk und Staat", welche alle Grundrechte aufhob und so der Willkür freien Lauf ließ. Das am 24. März 1933 verabschiedete, so genannte "Ermächtigungsgesetz" setzte dann die Weimarer Verfassung faktisch außer Kraft und ermöglichte Hitler die totale Kontrolle.

Hindenburg starb verwirrt und vom Alter gezeichnet, so hielt er den am Vorabend seines Todes in Neudeck eingetroffenen Hitler für den Kaiser und sprach diesen mit "Majestät" an.

Nach dem Tod des Reichspräsidenten war für Hitler endgültig das letzte Hindernis für die nationalsozialistische Diktatur aus dem Weg geräumt.

Am 2. August 1934 starb Hindenburg auf Gut Neudeck, Kreis Rosenberg i. Westpr. in der Provinz Ostpreußen, wo er eigentlich auch begraben werden wollte. Hitler organisierte allerdings eine Beerdigung im Denkmal der Schlacht bei Tannenberg. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurden sein Sarg und der seiner Frau von den Amerikanern, um sie vor den anrückenden Russen zu retten, nach Marburg verbracht, wo sie in der Elisabethkirche, einem bedeutenden Bauwerk der Frühgotik, in deren Nordturmkapelle heute noch liegen. Sie werden allerdings, nach einer Entscheidung des Kirchenvorstands, nicht mehr beleuchtet.

Paul von Hindenburg ist außerdem Ehrenbürger der Städte Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg, Kassel, Karlsruhe, Lübeck, Nürnberg und Zwickau."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Paul_von_Hindenburg. -- Zugriff am 2004-11-25]

2 Heilsarmee:

"Heilsarmee

Die Heilsarmee ist eine christliche Freikirche mit ausgeprägter sozialer Tätigkeit.

Geschichte

Der methodistische Pfarrer William Booth lebte im Londoner Eastend und war erschüttert über das Elend in den dortigen Slums der Frühindustrialisierung. 1865 gründete er mit Freiwilligen aus verschiedenen Kirchen die Christliche Mission, die sich mit dem bis heute gültigen Motto "Suppe, Seife, Seelenheil" daran machte, zu helfen. Der Kampf der militia Christi gegen das Elend wurde immer straffer militärisch organisiert. 1878 wurde der bisherige Name fallen gelassen, und die Bewegung nannte sich offiziell "Die Heilsarmee". William Booth wurde ihr erster General. Es folgte die Einführung anderer Ränge, Uniformen und Symbole. Allmählich wurde auch eine militärische Organisationsform angenommen.

Die Entwicklung der Bewegung wurde wesentlich von Williams Frau Catherine Booth unterstützt. Sie war die intellektuelle Führung der Bewegung, sie vertrat ihren erkrankten Mann monatelang in der Leitung, sie organisierte Armenspeisungen, war als ausgezeichnete Predigerin bekannt und setzte sich für verbesserte Arbeitsbedingungen, besonders der Frauen, ein. Aufgrund ihrer Tätigkeit bestand die Heilsarmee schon im 19. Jahrhundert darauf, dass Frauen in allen intellektuellen und gesellschaftlichen Beziehungen Männern gleichgestellt sein sollten. Bis heute haben Frauen in der Heilsarmee den gleichen Status wie Männer.

Binnen zweier Jahren nach der Neubenennung der Bewegung breitete sie sich auch im Ausland aus. Seit 1882 ist sie in der Schweiz, seit 1886 in Deutschland tätig.

Auftrag

Die Heilsarmee ist eine internationale Bewegung und Teil der weltweiten christlichen Kirche.

Ihre Botschaft gründet auf der Bibel. Ihr Dienst ist motiviert durch die Liebe Gottes. Ihr Auftrag ist es, das Evangelium von Jesus Christus zu predigen und menschliche Not ohne Ansehen der Person zu lindern.

Organisation

Die oberste Leitung hat ein General, dem ein Beirat zur Seite steht. Das Werk ist in Territorien aufgeteilt, die jeweils ein nationales Hauptquartier haben. Das Deutsche Hauptquartier befindet sich in Köln.

Heute arbeitet die Heilsarmee in mehr als 109 Ländern. Weltweit hat sie etwa 3 Million Mitglieder (2003) in 15.000 Gemeinden. Sie betreibt weltweit etwa 1.700 Schulen und 2.500 Krankenhäuser.

Die einfachen, uniformierten Mitglieder werden als Soldaten oder Salutisten bezeichnet, die Prediger als Offiziere. Daneben gibt es eine zunehmende Zahl von vollzeitlichen Mitarbeitern, die nicht Mitglieder der Heilsarmee sind.

Seit 1985 gibt es in Basel ein Ausbildungszentrum für Heilsarmee-Offiziere aus europäischen Ländern.

Die Heilsarmee sieht sich als Teil der allgemeinen christlichen Kirche. Sie war Mitglied des Ökumenischen Rats der Kirchen, die Mitgliedschaft ruht aber seit 1978, da die Unterstützung der militanten Befreiungsbewegungen in Südafrika abgelehnt wurde. Offiziere und Soldaten der Heilsarmee arbeiten in der Evangelischen Allianz mit.

Tätigkeit

Die Heilsarmee hat drei Hauptarbeitszweige:

· Evangelisation
· Praktische soziale Tätigkeit. Diese umfasst unter anderem Obdachlosenfürsorge, Heime für Kinder, Alte, Behinderte, Pflegebedürftige und Obdachlose, einen internationalen Familiensuchdienst.
· Missionsarbeit in Drittwelt-Ländern und Entwicklungszusammenarbeit (Ernährungsprogramme, Aids- Prävention, Schulen, Spitäler, Katastrophenhilfe).

Kirchliches Leben

Neben der bekannteren sozialen und evangelistischen Tätigkeit, gibt es in der Heilsarmee auch ein kirchliches Leben mit Sonntagsgottesdienst, Seelsorgedienst, kirchlichen Handlungen, Unterweisung (Konfirmandenunterricht), Bibelstudium, und Gebetszusammenkünften. Die Heilsarmee bietet eine vielseitige Palette an Aktivitäten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene an.

Die Heilsarmee hat ein Glaubensbekenntnis auf evangelikaler Grundlage, ihre uniformierten Mitglieder, die Heilsarmee-Soldaten, verpflichten sich unter anderem dazu, nach christlichen Maßstäben zu leben, auf Alkohol, Tabak, und Pornographie zu verzichten und sich aktiv in der sozialen und evangelistischen Tätigkeit zu engagieren.

Die Heilsarmee tauft nicht und feiert auch kein Abendmahl. Die Kinder werden eingesegnet.

Ökumene

Die Heilsarmee ist Mitglied beim ÖRK, in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen und in der Evangelische Allianz."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Heilsarmee. -- Zugriff am 2004-11-25]

3 Hugenberg

"Hugenberg, Alfred

Alfred Hugenberg (* 19. Juni 1865 in Hannover, 12. März 1951 in Kükenbruch (bei Rinteln)) war ein Unternehmer und Politiker und beherrschte die Medienlandschaft der Weimarer Republik durch eine großen Zahl von Zeitungen, Verlagen und der größten Filmgesellschaft UfA, die er kontrollierte.

Hugenberg war Mitbegründer des Alldeutschen Verbandes. Ab 1894 war er in der Ansiedlungskommission in Posen in leitender Funktion beschäftigt, deren Aufgabe es war, die polnischen Einwohner zugunsten der Ansiedlung von deutschen Familien zu vertreiben. Nach weiteren Stationen seiner Karriere leitete er von 1909 bis 1918 als Vorsitzender des Direktoriums der Firma Krupp ihr Finanzwesen.

Seit 1918 war er einflussreiches Mitglied der DNVP (Deutschnationale Volkspartei), deren Ziele, die Weimarer Republik zu beseitigen und die Monarchie wiedereinzuführen, er mit seinem Medienkonzern unterstützte.

Hugenberg hatte den zweitgrößten Berliner Scherl-Verlag mit seiner deutsch-nationalen Ausrichtung übernommen.

Die rechten Zeitungen Hugenbergs entfalteten ihre Wirkung vor allem nach der Weltwirtschaftskrise, die im Jahr 1929 begann. Unterstützt wurden die Bestrebungen der DNVP außerdem durch den ehemaligen Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, der zu der Zeit Reichspräsident war und durch Notverordnungen wie ein Kaiser regierte. Die Maßnahmen von Hugenberg und Hindenburg führten in die Nationalsozialistische Diktatur.

Seine Massenmedien hatten einen direkten Einfluss auf die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933. Wie so viele der reaktionären Steigbügelhalter Hitlers spielte er im weiteren Verlauf der nationalsozialistischen Diktatur keine Rolle mehr, wohl aber die durch Hugenberg konzentrierte Presselandschaft. Der Großteil wurde von Nazi-Verlagen übernommen, so dem monopolistischen, NSDAP-nahen Amann-Verlag.

Nach dem Krieg wurde Hugenberg von den Briten interniert. 1947 endete seine Entnazifizierung in mehreren Berufungsverfahren vorläufig mit der Einstufung "Minderbelastet", wobei das Gericht im Blick auf sein fortgeschrittenes Alter davon ausging, dass von ihm keine weitere politische Betätigung mehr zu erwarten wäre.

Am 12. März 1951 starb Alfred Hugenberg in Kükenbruch bei Rinteln."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Hugenberg. -- Zugriff am 2004-11-25]-


Erich Weinert (1890-1953): Bischöfliche Sorgen. -- 1926

Bestimmte Zentrumskreise wünschen die katholische Jugend sogar vor dem „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" bewahrt zu wissen

Der Bischof von Bamberg saß ernst und stumm
Beim kärglichen Freitagsgemüse
Und haderte mit dem Säkulum,
Von wegen der geistlichen Krise.
Er sprach: „Der Glaube wird angemürbt,
"Wo Politik den Charakter verdirbt.
Wir kommen in Teufels Küche
Trotz aller Weihrauchgerüche!"

Der Bischof von Bamberg trank seinen Wein
Und knabberte an der Poularde:
„Da ist ein katholischer Jünglingsverein
Bei der republikanischen Garde."
Schon saß ihm der Bissen im Halse verquer.
„O Gott, unsre Jugend kommt in Verkehr
Mit sozialistischen Hetzern
Und anderen Heiden und Ketzern!"

Der Bischof von Bamberg schob den Salat
Und den Eierkuchen beiseite.
„Der Widersacher sät seine Saat,
Auf Dass er die Schafe verleite.
Die marschieren mit ihm in Reih und Glied."
Dem Bischof verschlug es den Appetit.
Und wie Johannes der Täufer
Geriet er in Glaubenseifer.

Der Bischof von Bamberg schrieb einen Erlass
An alle katholischen Bünde:
In den Windjacken säße der Satanas,
Und die Politik wäre Sünde.
Man meide das sozialistische Gift
Und vernehme den Geist der Heiligen Schrift
In christlichen Sonntagsanzügen!
Das wäre das wahre Vergnügen.

Der Bischof von Bamberg sprach auch noch dies:
„Die Republik ist des Teufels.
Wir brauchen wieder Tortur und Verlies
Zur Abwehr des Giftgeträufels.
Gott gebe uns das verlorene Glück,
Das himmlische Mittelalter zurück,
In Gottes und Kaisers Namen!
In alle Ewigkeit Amen!"

Erläuterung: "Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold war ein überparteiliches Bündnis in der Weimarer Zeit zum Schutz der Republik gegen ihre Feinde an den politischen Rändern.  Dem Reichsbanner gehörten neben der SPD die liberale Deutsche Demokratische Partei (DDP) und die Gewerkschaften an. Zu seinen Mitgliedern gehörten u. a. Hugo Preuß und Thomas Dehler." [Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Reichsbanner_Schwarz-Rot-Gold. -- Zugriff am 2004-05-28]


Abb.: Dies könnte nach bischöflicher Ansicht die Jugend verderben! 


1927



Abb.: 13 Jahre Hindenburg. -- In: Arbeiter-Illustrierte Zeitung. -- 1927, Nr. 39

Erläuterung: Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und von Hindenburg (1847 - 1934): deutscher Generalfeldmarschall und seit 1925 Reichspräsident der Weimarer Republik.
 


1928



Abb.: Max Schwimmer (1895 - 1960): Maifeier 1928. -- Leipzig. -- 1928

[Bildquelle: Wäscher, Hermann <1887–1967>: Das deutsche illustrierte Flugblatt. - Dresden : Verl. der Kunst VEB. -- Bd. 2., Von der Zeit der Restauration bis zur Gegenwart. -- 1956. -- 41 S. : Text mit Abb. u. 119 S. Abb.  -- Abb. 105]



Abb.: Die Waffenfunde in der Münchener Michaelis-Kirche. -- In: Arbeiter-Illustrierte Zeitung. -- 1928, Nr. 6

"St. Michael, du wirst beschuldigt, in deiner Kirche Waffen versteckt zu haben." — "Allmächtiger, womit soll ich denn sonst den Drachen töten? Und außerdem wird es schon rechtzeitig dementiert."

Erläuterung: Ich kann das Ereignis, auf das sich diese Karikatur bezieht, nicht nachweisen.



Abb.: Zensur! In letzter Zeit wurden diese Bücher beschlagnahmt und verboten: Aber "die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei . . . . " erzählt die Reichsverfassung. -- In: Arbeiter-Illustrierte Zeitung. -- 1928, Nr. 9


Fritz Hampel (Slang) (1895 - 1932): Der Anstoß. -- 1928

Der liebe Gott liest alle Zeitungen. Auch „Die Rote Fahne"1.

Die Augen eines, der berufsmäßig von Anbeginn der Welt das Treiben seiner zu Fleisch und Bein gewordenen Lehmklöße zu betrachten gezwungen ist, sind natürlich ein wenig abgestumpft. So kam es, dass sich Jehova bei der Lektüre des Artikels „Epidemie Weihnachten" der „Roten Fahne" vom 23. Dezember 1926 mehrfach die Augen wischen musste und das Blatt schließlich in das Fach „Verbotene Lektüre" legte, denn die Engel dürfen nichts vom Klassenkampf wissen.

Aber der himmlische Vater, der gern ein Auge zudrückt, hatte seine Rechnung ohne den deutschnationalen Arbeitersekretär und Stadtverordneten Wagner aus Berlin gemacht. Dieser Herr wird von seiner Partei bezahlt, um in seinem Bezirk Tiergarten und dessen Umgebung kommunistische Steine des Anstoßes zu sammeln. Als Herr Wagner bei dem Lesen des Artikels bis zu der Stelle gekommen war: „der dreieinige Gott, der da heißt Kirche, Kapital und Knute..." wackelten ihm Herz und Bauch vor Entdeckerfreude. Er klemmte den schwarzweißroten Federhalter zwischen die knolligen Finger und schrieb an den Staatsanwalt einen Brief, in dem er versicherte, durch jenen Satz in seinen religiösen Gefühlen beleidigt zu sein.

Nach neun Monaten ging das Wagnersche Samenkorn auf: Es kam zur Verhandlung gegen den Verfasser dieses und jenes Artikels und den verantwortlichen Redakteur Begler. Aber zur größten Überraschung für jeden Kenner der deutschen Rechtspflege, zum tiefsten Schmerz des
frommen Stadtverordneten wurden die beiden Gotteslästerer freigesprochen. Das Zeugnis des ehrlichen Wagner war gewogen und zu leicht befunden worden2.

Die nationale Presse verstand diese Welt nicht mehr, in der Kommunisten straflos wagnerianische Gotteskinder kränken durften. „Ein unbegreiflicher Freispruch", hieß es, und die normalen Zeitungsleser schüttelten dermaßen ihre Durchschnittsköpfe, dass ganz Moabit wackelte und der Staatsanwalt mit einer Berufung niederkam.

Sieben Monate schwankte der gute Wagner zwischen Furcht und Hoffnung. Der „Glückstag der deutschen Nation", der Tag, an dem sich deutsche Flieger endgültig auf das kanadische Glatteis setzten, der 13. April 19283, brachte auch dem Sehnen des reinen deutschnationalen Toren Erfüllung.
Wiederum saßen die beiden roten Religionsverächter auf dem Armesünderbänkchen, wieder konnte Wagner-Parsifal vor einen hohen Gerüchtshof treten und sich zu seinem Gott bekennen, der da heißt Vater, Sohn und heiliger Geist.

Der kleine, dicke Mann mit der kugelrunden Birne tat seinen Mund auf und sprach davon, was an jenem 23. Dezember 1926 sein Bierherz erschüttert hatte. „Ich habe mir gedacht: Hier müssen die Behörden zugreifen."

Das Gericht, einschließlich eines schwerhörigen Schöffen, verschloss sein Ohr den schamlosen Lügen der Angeklagten und den lächerlichen Verteidigungsmanövern des Justizrats Dr. Fränkl, der sich erkühnte, von der durch die Verfassung garantierten Freiheit der Presse zu sprechen. Es verknackte Slang und Begier zu je drei Wochen Gefängnis.

„Eine Geldstrafe", meinte der Vorsitzende, „zieht bei Kommunisten nicht. Pressevergehen von links müssen bei Wasser und Brot gesühnt werden."

Dieses Urteil wird tausendfältige Früchte tragen: Herr Wagner und mit ihm all seine Freunde, die in Hugenbergs4 Schoße sitzen, glauben wieder an die gottgefällige Ordnung dieser Republik.

Slang und Begier dagegen werden Einkehr halten und einander in Tegel Kernsprüche aus dem Hohen Liede Salomonis vorlesen. „Die Rote Fahne" wird sich zu einer roten Kreuz-Zeitung entwickeln, um das Bibelwort zu erfüllen: Der Stein des Anstoßes ist zum Eckstein geworden5.

Hurralleluja!

Erläuterungen:

1 Die Rote Fahne: Zentralorgan der Kommunistischen Partei Deutschlands, erschien regelmäßig seit Juni 1920

2 Daniel 5, 27

3 Am 13. April 1928 endete der erste Transatlantikflug in Ost-Westrichtung: Das deutsche Flugzeug "Bremen" war am 12. April vom irischen Flughafen Baldonnel (bei Dublin) mit Ziel New York gestartet. "Irgendwann sah die Besatzung schneebedeckte Wälder unter sich, hatte aber inzwischen jede Orientierung verloren und wusste nicht, über welchem Land sie sich befand. Nach mehr als 36 Stunden Flugzeit ging der Kraftstoffvorrat zur Neige, so dass die drei Männer sich gezwungen sahen, die Landung einzuleiten und die Maschine auf einer Eisfläche neben einem Leuchtturm zu Boden zu bringen. Am Freitag, dem 13. April 1928, gegen 18.00 Uhr MEZ landete die Bremen nach 36 Stunden auf Greenly Island, einer kleinen Insel zwischen Labrador und Neufundland von Kanada. Das war zwar nicht planmäßig New York, aber der nordamerikanische Kontinent wurde erreicht - wenn auch 100 Meilen vom geplanten Zielort entfernt - und das war das eigentliche Ziel gewesen. Der Sohn des Leuchtturmwärters sah die Landung, da er kein Flugzeug kannte, meldete er seinem erstaunten Vater, dass ein großer Wal auf das Land gesprungen sei." [Quelle: http://www.radiobremen.de/online/transatlantikflug/flug1928.html. -- Zugriff am 2004-11-29]

4  Alfred Hugenberg (1865 - 1951) war ein Unternehmer und Politiker und beherrschte die Medienlandschaft der Weimarer Republik durch eine großen Zahl von Zeitungen, Verlagen und der größten Filmgesellschaft UfA, die er kontrollierte. (siehe oben!)

5 Matthäusevangelium 21,42

[Quelle: Fritz Hampel (Slang) <1895 - 1932>: Eine Auswahl. Lyrik u. Prosa / Hrsg. v. Rudolf Hoffmann ; Elisabeth Simons. -- Berlin : Verl. des Ministeriums für nationale Verteidigung, [1958]. -- 268 S. ; kl. 8°. -- (Kämpfende Kunst). -- S. 116-118.]



Abb.: "Dienst am Vaterland ist der uns zunächst anvertraute Gottesdienst." Guida Diehl. -- Postkarte. -- 1928 [ernst gemeint!]

Erläuterung:

"Ein weiblicher Stosstrupp

Protestantische Frauen auf dem Weg zum Nationalsozialismus

Noch heute treffen sich jährlich alte und ältere Damen, um einer Frau zu gedenken, die sie in ihrer Jugend zutiefst beeinflusst hat: der 1868 geborenen Frankfurter Lehrerstochter Guida Diehl, die, von Adolf Stoecker und Friedrich Naumann beeinflusst, 1916 die «Neulandbewegung» gründete und zeitweilig (1931–33) erste Kulturreferentin der NS-Frauenschaft war. Vortragsabende Diehls werden noch heute als Bekehrungserlebnisse geschildert, die dem Lebensweg der Gefolgsfrauen seine besondere Struktur gaben.

Der Austausch von Erinnerungen aus dem gemeinsamen Leben in der von Diehl initiierten und bestimmten Gemeinschaft mit ihren diversen Untergruppierungen, unter anderem dem «Deutschen Frauenkampfbund gegen die Entartung im Volksleben», dient der Identitätsvergewisserung. Wobei die enge geistige und personelle Verbindung zwischen der ehemaligen Führerin sowie ihren Getreuen und dem völkisch-rassistischen Gedankengut des Nationalsozialismus geleugnet oder zumindest ganz an den Rand der Erinnerung gedrängt und das christliche Gemeinschaftserleben in den Mittelpunkt der Erzählungen gestellt wird. «Dienst am Vaterland ist der uns zunächst anvertraute Gottesdienst» – das jedoch war der Kernsatz des spezifisch Diehlschen Protestantismus.

Ihrem Selbstverständnis nach wollten die «Neuländerinnen», häufig Lehrerinnen und somit wichtige Multiplikatorinnen in der Jugenderziehung, eine weibliche Parallelbewegung zum Nationalsozialismus darstellen. Sie trugen insofern zur nationalsozialistischen Machtergreifung bei, als sie sich schon zu einem recht frühen Zeitpunkt, 1929, dem Nationalsozialismus zuwandten und in ihrem «Neulandhaus» renommierten Nationalsozialisten ein Forum zur Selbstdarstellung boten. Stolz äußerte man, dass dieses Haus schon seit 1920 «judenrein» gewesen sei und sich öffentlich mit einem SA-Emblem geschmückt habe. Die in ihrer Zeitschrift «Neulandblatt» vorgetragene, explizit antidemokratische und kriegstreiberische Hetze machte die Anhängerinnen dieser Bewegung zu geistigen Brandstifterinnen, obwohl sie sich ursprünglich «nur» der Aufgabe der geistigen Mobilisierung der «gebildeten weiblichen Jugend» für den Ersten Weltkrieg verschrieben hatten. Die Wahrnehmung der Weimarer Republik, die den «Schandfrieden von Versailles» anerkenne, die «erotische Revolution» und den «Kulturbolschewismus» befördere, bereitete dann den Boden für diese Verschiebung der Kampffront.

Ein Konglomerat von Ideen verschiedensten Ursprungs: aus der evangelischen und der radikal-feministischen Frauenbewegung, der Jugendbewegung und der völkischen Bewegung, breitet Silvia Lange kenntnisreich vor ihren Lesern aus. Sie hat damit ein bisher sowohl in der evangelischen Kirchengeschichtsschreibung wie in der Frauen- und Geschlechtergeschichte tabuisiertes Thema aus einer neuen Perspektive aufgerollt."

[Quelle: Angelika Dörfler-Dierken: Rezension zum unten angegeben Buch von Silvia Lange. -- In: Neue Zürcher Zeitung]

[Bildquelle: Lange, Silvia: Protestantische Frauen auf dem Weg in den Nationalsozialismus : Guida Diehls Neulandbewegung 1916 - 1935. -- Stuttgart ; Weimar : Metzler. -- 1998. -- 327 S. ; 23 cm. -- (Ergebnisse der Frauenforschung ; Bd. 47). -- Zugl.: FU Berlin, Diss. -- ISBN 3-476-01596-3. -- S. 21]


Kurt Tucholsky (1890 - 1935): Gesang der englischen Chorknaben. -- In: Arbeiter Illustrierte Zeitung. -- 1928, Nr. 35


Abb.: Chorknaben der Westminster Abbey

Ehre sei Gott in der Hö-hö-he!

Wer hat die Wanzen und Flö-hö-he?
Die Armen,
die Armen
Oh, habet Erbarmen!
Die Reichen
die Reichen
die brauchen das nicht;
sie liegen auf weichen,
weichen Kissen im Licht
oder bei ihren Damen
Amen.

Ehre sei Gott in der ersten Etage!
Courage! Courage!
Macht eure Fabrik auch mal Plei-hei-te,
die Kirche, die steht euch zur Sei-hei-te
und gibt euch stets das Geleite:
sie beugt dem Proleten den Rücken krumm
und hält ihn sein ganzes Leben lang dumm,
und segnet den Staat und seine Soldaten,
die Unternehmer und Potentaten
und segnet überhaupt jede Schweinerei und ist allemal dabei.
Jeder lebe in seinem Rahmen:
unten die Arbeitsamen
und oben die mit den Börseneinnahmen
Amen.

Ehre den Gott der herrschenden Klassen!
Wir zähmen die Massen!
Wir lassen sie beten,
wenn sie getreten;
wir lassen sie singen,
wenn sie vor Hunger zerspringen;
wir lassen sie knien:
Wir wollen den Proletarier erziehn
zu einem geduldigen
unschuldigen
Arbeitstier I-A! I-A!
Hallelujah!
Oh, tut doch nimmer im Beten erlahmen!
und höret auf der Kirche Reklamen
jedes Ding, das ihr schiebt, schiebt ihr in IHREM Namen
Amen!

Theobald Tiger


Der heilige Josef von Wien

Dieser Tage musste sich vor dem Wiener Landgericht ein junger Bauernbursche verantworten. Er hatte von einem Mädchen folgenden Brief erhalten:

„Lieber Franz! Ich teile Dir mit, dass ich vorige Woche auf der Wiener Klinik einen Sohn geboren habe. Ich habe ihn gleich nach Dir, Franzel, benannt und hoffe, dass Du die kleine Summe von 30 Schilling monatlich in Alimenten regelmäßig zahlen wirst. Mit Gruß von mir und dem kleinen Franzel.
Marie"

Auf diesen Brief antwortete der Empfänger folgendermaßen:

„Liebe Marie! Wenn Du glaubst, dass ich gesonnen bin, die Rolle des heiligen Josef zu spielen und für ein Kind, an dem ich gar nicht beteiligt bin, Alimente zu zahlen, dann hast Du einen großen Irrtum. Es fällt mir gar nicht ein. Schlag Dir das aus dem Kopfe. Ich bin kein zweiter heiliger Josef und zahle auch keinen Groschen.
Gruß Franz"

Sei es durch Zufall oder auf irgendeine andere Weise - der Brief fiel in die Hände eines Gendarms. Nachdem dieser pflichtgemäß den Brief gelesen und daraus entnommen hatte, dass der Briefschreiber sich weigert, ein zweiter heiliger Josef zu sein, hielt er es für seine dienstliche Pflicht, ein wenig über die Sache nachzudenken, und kam zu folgendem Entschluss: Wenn der Mann sich weigert, als zweiter heiliger Josef angesehen zu werden, so bringt er offenbar dem ersten heiligen Josef, dem aus dem Neuen Testament nämlich, nicht die gebührende Achtung entgegen. Nun ist aber der heilige Josef I. eine wichtige Gestalt der offiziellen Staatskirche, und wer ihn nicht achtet, verachtet somit die anerkannte herrschende Kirche und macht sich eines Verbrechens gegen die Religion schuldig. Also ging der Gendarm zu seiner vorgesetzten Behörde und brachte den Fall zur Anzeige.

Daraufhin erhob die Staatsanwaltschaft der Republik Österreich gegen besagten Franz die Anklage wegen Religionsverletzung. Die Fragen, die hier den Gerichtshof beschäftigten, waren die:

  1. Ist der heilige Josef eine anerkannte heilige Figur?

  2. Und begeht man ein Verbrechen gegen die Religion, wenn man behauptet, nicht die Rolle eines zweiten heiligen Josef spielen zu wollen?

Der Staatsanwalt vertrat den Standpunkt, dass es niemandem geziemt, den heiligen Josef in irgendwelche profane Angelegenheiten hineinzuziehen. Wer das tut, begeht ein Verbrechen gegen die Staatsreligion.

Der Gerichtshof pflichtete der Ansicht des Staatsanwaltes bei und verurteilte den Angeklagten zu einer Gefängnisstrafe von drei Wochen.

Im Namen des heiligen Josef ...

Erschienen in:

Die rote Fahne : Zentralorgan der Kommunistischen Partei Deutschlands (Sektion der Kommunistischen Internationale). -- [Wechselnde Verlagsorte]. --    1923ff.. -- 1928-11-15

Wieder abgedruckt in:

Feuilleton der roten Presse 1918 - 1933 / ausgewählt und hrsg. von Konrad Schmidt. -- Berlin : Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung, 1960. -- 179 S. -- (Kämpfende Kunst). -- S. 55f.


Fritz Hampel (Slang) (1895 - 1932): Weihnacht 1928. -- In: Sächsische Arbeiter-Zeitung. -- 1928-12-17

Da muss man ergriffen den Magen falten,
wenn man ihn sieht, den biederen, alten,
überparteilichen Weihnachtsmann!
Jedem zündet er ein Lichtlein an:
Durch Herrn Braun1, der Preußens Geschicke lenkt,
hat er uns das herrliche Konkordat2 geschenkt.
Der Papst hat der SPD zugelacht:
Fein gemacht! Fein gemacht!

Aber das ist noch nicht alles. Auch dem »Hundsfott«-Groener3
wurde beschert. Das war ja noch schöner,
fand der Verantwortliche für Deutschlands Wehr
den Gabentisch unterm Tannenbaum leer!
Hier stehen die Kreuzer, glatt ausgerichtet.
Nun wohlauf, Matrosen, die Anker gelichtet!
Die Kriegshetzer haben Müllern4 zugelacht:
Fein gemacht! Fein gemacht!

Ganz Deutschland singt das Jubellied:
Das Christkindlein schwebt überm Ruhrgebiet!
Über Nacht ward er den Kumpels beschieden,
der dreimal heilige Arbeitsfrieden!
Strahlend verkündet der Weihnachtsstern:
Euch die Pfennige, die Millionen den Herrn!
Der Krupp hat dem Severing5 zugelacht:
Fein gemacht! Fein gemacht!

Das ist eure Weihnacht, deutsche Proleten!
Da hilft kein Jammern, da hilft kein Beten,
da hilft nur eins: Die Fäuste geballt
und zwischen die ganze Bescherung geknallt!
Wenn die Rote Front geschlossen marschiert,
wird keine Christmesse mehr zelebriert.
Lasst euch nicht blenden vom Kerzenschein —
diese Welt, Genossen, muss unser sein!

Erläuterungen:

1 Otto Braun, Preußischer Ministerpräsident 1920 - 1932

"Braun, Otto

Otto Braun (* 28. Januar 1872, Königsberg (heute Kaliningrad) Ostpreußen); 15. Dezember 1955, Locarno, Schweiz) war ein deutscher Politiker (SPD) in der Weimarer Republik.

Als Ministerpräsident des Freistaats Preußen war Braun maßgeblich daran beteiligt, das republikanische "Bollwerk Preußen" in der Weimarer Republik aufzubauen. Im Gegensatz zur Reichspolitik gelang es ihm in Preußen, eine weitgehend stabile Regierung zu etablieren.

In seine Amtszeit fällt unter anderem die Umgestaltung der öffentlichen Verwaltung unter demokratischen Gesichtspunkten.

Der oft als Roter Zar von Preußen titulierte Braun war sowohl überzeugter sozialer Demokrat als auch Preuße. Er betrieb eine zupackende, entschlossene Reformpolitik, die umstritten war, aber sich stets im Rahmen der Legalität bewegte. Die Grenzen dieses Ansatzes wurden ihm am Ende der Weimarer Republik vorgeführt. Nach Preußenschlag und Machtergreifung Hitlers wurde seine Reformpolitik schnell und gründlich revidiert. Die von Braun versuchten legalen Maßnahmen gegen das illegale Vorgehen blieben wirkungs- und bedeutungslos."

"Ministerpräsident

Braun war von März 1920 bis März 1921, von November 1921 bis Januar 1925 und von April 1925 bis Mai 1932 preußischer Ministerpräsident. Ironischerweise wurde er erst Ministerpräsident, weil er seinen Gegnern als Landwirtschaftsminister gefährlicher erschien und sie dementsprechend die eher rechten Koalitionsparteien beeinflussten. Er war damit mächtigster Mann im mit Abstand größten und bevölkerungsreichsten Bundesstaat der Weimarer Republik. Von kurzen Unterbrechungen abgesehen, die den instabilen politischen Verhältnissen der Weimarer Republik geschuldet waren, besetzte er dieses Amt zwölf Jahre lang bis zum Preußenschlag 1932.

Zu den zahlreichen Problemen, mit denen sich Braun befassen musste, gehörten die Auseinandersetzung mit den Großgrundbesitzern und der mit ihnen verbündeten DNVP, Spannungen mit Polen sowie mit der polnischen Minderheit in Preußen über Grenz- und Minderheitenfragen,

Ruhrbesetzung und Ruhrkampf. Erschwert wurde ihm das Amt durch einen Kleinkrieg mit dem Kölner Oberbürgermeister und Vorsitzenden der preußischen Provinzenvertretung, dem Staatsrat Konrad Adenauer, um den Status des Rheinlandes im preußischen Staat. Hinzu kam der Kleinkrieg mit der Familie der Hohenzollern über ihren Familien- beziehungsweise preußischen Staatsbesitz, der bis zu einem Volksentscheid 1926 führte. Innerhalb der Koalition war die Zentrumspartei der kritische Partner - diese hätte die meiste Zeit auch zusammen mit DNVP und DVP eine so genannte "Rechtskoalition" bilden können, wie sie es auf Reichsebene wiederholt tat.

"Demokratisches Bollwerk" Preußen

Braun betrieb in dieser Zeit eine ehrgeizige Politik inmitten eines von Spannungen durchzogenen politischen Feldes. Brauns größter Vorteil gegenüber der Reichspolitik waren zum einen die Wahlergebnisse - die Weimarer Koalition behielt stets eine knappe Mehrheit im Landtag -, zum anderen die preußische Verfassung: der Ministerpräsident wurde vom Landtag gewählt, konnte sich also anders als der Reichskanzler zumindest meist auf eine Mehrheit im Parlament verlassen.

Brauns wichtigste Verbündeten waren die beiden sozialdemokratischen Innenminister des Landes Carl Severing und Albert Grzesinski. Die Koalition, die er führte, bestand beständig aus den Parteien der Weimarer Koalition, bis 1924 noch unter Hinzuziehung der DVP. Hauptkonfliktpunkte waren zum einen die Schulpolitik, zum anderen die Auseinandersetzungen um die Besetzung der Beamtenstellen. Während die Zentrumspartei kirchlich gebundene Konfessionsschulen favorisierte, setzten SPD und DDP auf religiös unabhängige staatliche Schulen. In der Besetzung der Beamtenschaft gab es Differenzen darüber, ob diese primär unter politisch-demokratischen Gesichtspunkten erfolgen sollte oder vorrangig unter den Gesichtspunkten der fachlichen Kompetenz, die aufgrund der Rekrutierung des Beamtennachwuchses bis 1919 ein großes Übergewicht konservativer und der Republik ablehnend gegenüberstehender Beamter ergab. Schließlich kritisierten die Koalitionspartner ebenso oft die Agrarpolitik, die ihnen vor allem als "voller sozialistischer Experimente" erschien.

Aufgrund seines autoritären Regierungsstils wurde Braun als Zar von Preußen bezeichnet, Preußen selbst galt unter seiner Regierung als demokratisches Bollwerk. Die Regierungen wechselten wesentlich seltener als im Bundesstaat. Mit Braun blieb fast die gesamte Zeit ein einziger Politiker an der Macht.

Reformpolitik

In Brauns Amtszeit gelang unter anderem teilweise eine Bodenreform und eine demokratische Reform des Schulwesens. Die Besetzung des Beamten- und insbesondere Polizeiapparats mit Demokraten, gehörte zu den vorrangigsten Zielen der Regierung Braun. Insbesondere nach dem Kapp-Putsch ergriff die Regierung anders als in anderen Ländern konsequent Disziplinarmaßnahmen gegen illoyale Beamte. Innenminister Grzesinski fasste das Programm anlässlich seines Amtsantritts 1926 zusammen:

  • Kampf gegen die Feinde der Republik.
  • Festigung der Staatsmacht, insbesondere durch den Ausbau der polizeilichen Exekutive.
  • Beseitigung der reaktionären leitenden Beamten in der Staatsverwaltung und ihre Ersetzung durch überzeugte Anhänger der Verfassung von Weimar, auch aus den breiten Schichten des Volkes.
  • Beseitigung der noch bestehenden junkerlichen Vorrechte in Preußen durch Aufhebung der Gutsbezirke.
  • Inagriffnahme und Durchführung der staatlichen und kommunalen Verwaltungsreform.

Fast alle Oberpräsidenten, Regierungspräsidenten, Landräte und Polizeipräsidenten wurden von Braun und Preußens Innenminister Carl Severing ausgewechselt. Insbesondere die preußische Polizei galt als einer der wichtigsten Garanten der Weimarer Republik. Am Ende war sie etwa 50.000 Mann stark, überwiegend republikanisch gesinnt und teilweise paramilitärisch ausgebildet. Auch in der Zeit der Straßenkämpfe, die Ende der 1920er und Anfang der 1930er häufig wurden, wusste sie sich zu behaupten.

Da es jedoch kaum Anhänger der Demokratie gab, die bereits eine Beamtenausbildung oder gar längere Erfahrung im Amt hatten, konnte die Umbesetzung nur teilweise durchgeführt werden. Besonders unterhalb der direkten Leitungsebene musste die Regierung viele kaisertreue Beamte im Amt belassen. Vor allem konservative und bürgerliche Parteien lehnten eine "politische" Neubesetzung von Stellen vehement ab, obwohl sowohl DDP als auch DVP überdurchschnittlich viele Stellen in den Leitungsgremien der Verwaltung zugesprochen bekamen. Die Re-Integration der DVP in die preußische Regierung scheiterte mehrmals hauptsächlich an dieser Frage."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Braun. -- Zugriff am 2004-11-26]

2 das am 19. August 1929 ratifizierte Konkordat zwischen Preußen und dem Vatikan

"Preußen-Konkordat

Das Preußen-Konkordat (lateinisch concordatum : Vereinbarung, Vertrag) bezeichnet einen am 14. Juni 1929 zwischen dem Freistaat Preußen und dem Heiligen Stuhl geschlosssenen Vertrag, welcher in der italienischen Version Solenne convenzione genannt wird, welcher aber dem Wortsinn nach kein feierlicher Text ist.

Der Vertrag behandelt im wesentlichen die Neugliederung der Diözesen, daß neben das alte Erzbistum Köln die neuen

Erzbistümer Paderborn und Breslau treten sollen. Die innere Solennität des Dokuments resultiert aus der zeitgeschichtlichen Bedeutung. Seit 1918 war der Codex Iuris Canonici in Kraft, um dem Vatikan lag sehr daran, im Sinne dieses neuen Kirchenrechts seinen Einfluss, besonders auf das Schulwesen, auf weltlicher Seite zu verankern.

Päpstlicher Unterhändler war der Nuntius (kirchlicher Staatssekretär im Range eines Kardinals) Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius XII., der aber die konfessionelle Schule und Lehrerbildung, wie er sie 1924 mit Bayern hatte regeln können, im evangelisch dominierten Preußen nicht durchbrachte. Immerhin wurden die Diözesen eine staatliche Dotation von jährlich 2,8 Millionen Reichsmark gewährt. Dafür sicherte sich die Regierung eine Art von Mitwirkung bei der Wahl von Bischöfen.

Diese wurden vom Papst erst ernannt, wenn Berlin keine "Bedenken politischer Art" vorzubringen hatte. Zur Zeit der Deutschen Demokratischen Republik wurde dieses Konkordat nicht anerkannt, während heute wieder darauf in den neuen Bundesländern Bezug genommen wird."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Preu%C3%9Fen-Konkordat. -- Zugriff am 2004-11-26]

3  Wilhelm Groener, Reichwehrminister

"Wilhelm Groener (* 22. November 1867 in Ludwigsburg (Württemberg); 3. Mai 1939 Bornstedt bei Potsdam) war ein deutscher Militär und Politiker.

Karl Eduard Wilhelm Groener, Sohn eines Regimentszahlmeisters, trat nach dem Abitur 1884 in die württembergische Armee ein. Nach dem Offiziersexamen und dem Besuch der Kriegsakademie von 1893 bis 1896 wurde er 1899 zum Großen Generalstab abkommandiert, wo er sich in den nächsten 17 Jahren vor allem dem Feldeisenbahnwesen widmete; seit 1912 Chef der Eisenbahnabteilung war er während des Ersten Weltkrieges für den reibungslosen Ablauf des Aufmarsches und der Truppenverschiebungen verantwortlich. Ende Mai 1916 wechselte er ins Kriegsernährungsamt, am 1. November 1916 wurde er nach seiner Beförderung zum Generalleutnant zum Chef des Kriegsamtes im preußischen Kriegsministerium und stellvertretendem Kriegsminister ernannt; in dieser Funktion vertrat er die Vorlage des Hilfsdienstgesetzes vor dem Reichstag. Nachdem er in Konflikt mit der Obersten Heeresleitung geraten war, wurde er im August 1917 zu einem Frontkommando in der Ukraine versetzt. Nach dem Rücktritt Ludendorffs am 29. Oktober 1918 wurde er neuer Generalquartiermeister der deutschen Armee unter Hindenburg und leitete Rückmarsch und Demobilisierung der geschlagenen Truppen. Im November 1918 unterstützte er zur Verhinderung einer bolschewistischen Revolution in Deutschland die gemäßigte Politik des Rats der Volksbeauftragten unter Friedrich Ebert (Ebert-Groener-Pakt) und setzte sich für die Abdankung Wilhelms II. und die Unterzeichnung des Versailler Vertrages ein.

Am 30. September 1919 nahm er seinen Abschied aus der Armee, um nach kurzem Ruhestand vom 25. Juni 1920 bis zum 11. August 1923 als Parteiloser unter mehreren Reichskanzlern das Reichsverkehrsministerium zu leiten. Nach erneutem Ruhestand wurde er am 28. Januar 1928 als Nachfolger Geßlers Reichswehrminister, am 8. Oktober 1931 zusätzlich auch noch Reichsinnenminister, der ein Verbot der SA befürwortete. Er wurde im Mai 1932 von seinem Untergebenen Schleicher zum Rücktritt als Reichswehrminister gedrängt und verlor am 30. Mai 1932 durch den Sturz des Reichskanzlers Brüning auch das Amt der Innenministers, worauf er sich endgültig ins Privatleben zurückzog.

Wilhelm Groener war zweimal verheiratet: Zuerst mit Helene Geyer (1864-1926), mit der er eine Tochter, Dorothea Groener-Geyer (*1900) hatte, seit 1930 mit Ruth Naeher-Glück, mit der er einen Sohn hatte."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Groener. -- Zugriff am 2004-11-26]

4 Hermann Müller, Reichskanzler

"Müller, Hermann

Für andere Personen mit dem Namen Hermann Müller siehe Müller
Hermann Müller (* 18. Mai 1876 in Mannheim; 20. März 1931 in Berlin) war ein deutscher Politiker (SPD).

Müller besuchte ab 1882 die Schule in Mannheim und Dresden. Anschließend absolviert er eine kaufmännische Lehre in Frankfurt am Main und arbeitete danach als Handlungsgehilfe in Frankfurt und Breslau. Von 1899 bis 1906 war er dann als Redakteur bei einer sozialdemokratischen Zeitung in Görlitz tätig

Hermann Müller ist der Sohn eines Schaumwein-Fabrikanten.

Seit 1893 war Müller Mitglied der SPD. 1906 wurde er auf Vorschlag von August Bebel in den Parteivorstand gewählt. Im Januar 1919 wird er dann gemeinsam mit Otto Wels zum Parteivorsitzenden gewählt.

Von 1903 bis 1906 war er Stadtverordneter in Görlitz. Ab 1916 war er Mitglied des Reichstages. Er war außerdem Mitglied der Nationalversammlung 1919. Von 1920 bis 1928 war er Vorsitzender der SPD-Reichstagsfraktion.

Vom 21. Juni 1919 bis zum 26. März 1920 war Müller Reichsminister des Auswärtigen in der von Reichskanzler Gustav Bauer geführten Reichsregierung. In dieser Funktion unterzeichnete er auch den Versailler Vertrag.

Von 27. März bis zum 6. Juni 1920 war er dann erstmals Reichskanzler des Deutschen Reiches. Am 28. Juni 1928 wird Müller erneut zum Reichskanzler gewählt. Am 27. März 1930 tritt er von seinem Amt zurück, da er von der SPD-Reichstagsfraktion keine Zustimmung für einen Koalitionskompromiss über die Arbeitslosenversicherung erhält."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_M%C3%BCller. -- Zugriff am 2004-11-26]

5 Carl Severing, Reichsinnenminister

"Carl Severing (*1. Juni 1875 in Herford, 23. Juli 1952 in Bielefeld) war ein sozialdemokratischer Politiker und Minister.

Leben

Er entstammte dem Arbeitermilieu und trat nach einer Schlosserlehre 1893 in Herford der SPD bei. Er war erster Geschäftsführer des SPD-Vereins in Bielefeld, von 1905-1924 Stadtverordneter in Bielefeld, 1907-1911 Mitglied des Reichstages. Von 1912 bis 1919 war er Redakteur der sozialdemokratischen "Volkswacht" in Bielefeld.

In der Novemberrevolution 1918 war er Mitbegründer des Bielefelder Volks- und Soldatenrates. 1920 wurde er wieder in den Reichstag gewählt, 1921 in den preußischen Landtag. Er war zweimal preußischer Innenminister, von 1920 bis 1926 und von 1930 bis 1932. Nach 1920 war er verantwortlich für die Niederwerfung von "kommunistischen Unruhen" in Preußen. Unter Severing wurde die preußische Schutzpolizei durch geschickte Personalpolitik zu einem Hort der republikanischen Gesinnung. Sein Versuch, die NSDAP als hochverräterisch verbieten zu lassen, wurde von offenen und versteckten NSDAP-Mitgliedern im Reichsinnenministerium unterlaufen. Das Kabinett Papen drängte ihn beim so genannten Preußenschlag aus dem Amt.

Nach 1933 saß er kurz in Haft, war dann Pensionär. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte er verschiedene Funktionen bei der SPD, unter anderem als Landtagsabgeordneter in Nordrhein-Westfalen. 1946-1948 war er Redakteur der "Neuen Presse" in Bielefeld."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Severing. -- Zugriff am 2004-11-26]

[Quelle: Fritz Hampel (Slang) <1895 - 1932>: Panoptikum von vorgestern : Satiren, Humoresken u. Feuilletons / Fritz Hampel. Hrsg. und mit einem Nachw. von Wolfgang U. Schütte. -- 2., durchges. Aufl. -- Berlin : Verlag Tribüne, 1982. -- 274 S. ; 21 cm. -- S. 105f.]


1929


Erich Weinert (1890-1953): Pfaffen über Berlin!. -- 1929

Pacelli wandelt durch Berlin
Und lässt die Weihrauchschwaden ziehn.
Sie ziehn durch alle gläubigen Nasen;
Und die Gehirne treiben Blasen.

Es fasst ein stilles Gottvertraun
Den Preußenkönig Otto Braun.
Der Nuntius legt die heilige Tatze
Ihm auf die Atheistenglatze.

Und Otto haut mit frommem Sinn
Ihm einen größern Vorschuss hin.
Der ist ja leicht aus den Proleten
Durch Steuerdruck herauszukneten.

Nun ist das Konkordat komplett.
Bald wird das Preußenkabinett
Die Pilgerfahrt nach Rom antreten,
Dem Pontifex was vorzubeten.

Dann war' es Zeit, auch in Berlin
Ein Friedensfestchen aufzuziehn.
Da kann der Papst die guten, frommen
Minister mal besuchen kommen.

Er stellt am Brandenburger Tor
Den neugebackenen Bischof vor.
Die Reichswehr steht mit Mann und Rössern
Und lässt sich päpstlich weihbewässern.

Herr Hörsing blitzt auf steiler Höh'
Als Marschall der Frei-Heils-Armee.
Die singt Choral und macht Sperenzchen
Mit schwarzrotgoldnen Rosenkränzchen.

Und wer dann keine Arbeit hat,
Der wird vielleicht vom Weihrauch satt;
Auch kann er sich, statt Brot und Kohlen,
Vom Papst die letzte Ölung holen.

Erläuterungen:

"Im Jahre 1920 wurde durch Übereinkunft mit dem Deutschen Reich in Berlin eine Apostolische Nuntiatur eingerichtet und Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius XII., seit 1917 Nuntius in München, zum ersten Nuntius ernannt. Da es in Berlin noch kein Nuntiaturgebäude gab, blieb Pacelli auch nach seiner Ernennung zum Apostolischen Nuntius bei der Reichsregierung in Berlin im Jahre 1920 bis zum Bezug des dann erworbenen Nuntiaturgebäudes in der Rauchstraße in Berlin im Jahre 1925 in München, wo er auch weiterhin bis zum Abschluss des Konkordats mit Bayern (Ratifizierung am 24. 1. 1925) als päpstlicher Vertreter bei der bayerischen Regierung tätig war. In Berlin war er von 1925 bis 1929 in Personalunion mit seiner Funktion beim Deutschen Reich auch Apostolischer Nuntius in Preußen (Das Preußenkonkordat wurde am 19. August 1929 ratifiziert)." [Quelle: http://www.nuntiatur.de/Nuntiatur_Geschichte.html. -- Zugriff am 2004-05-28]

 Otto Braun (1872 - 1955), SPD, preußischer Ministerpräsident von 1920 bis 1932

"Hörsing, Friedrich Otto, * 18.7.1874 Groß-Schillingken (Ostpreußen), † 23.8.1937 Berlin, Metallarbeiter, Politiker. Er arbeitete als Metallarbeiter bei Borsig in Berlin. Hörsing war Mitglied der SPD und kandidierte 1919 erfolgreich für die Nationalversammlung, ab 1920 für den Reichstag. Von Juni 1919 bis Januar 1920 hatte er das Amt des Staatskommissars für Schlesien und Posen inne. Ab 26.2.1920 war er Oberpräsident der Provinz Sachsen. Im Jahre 1924 gehörte er zu den Mitbegründern des Reichsbanners "Schwarz-Rot-Gold" und war dessen Vorsitzender. Von 1924 bis 1932 war Hörsing Mitglied des Preußischen Landtages. 1932 wurde er wegen der Gründung einer extrem-nationalistischen Sozialrepublikanischen Partei aus der SPD ausgeschlossen. Bis dahin war Hörsing Bezirksvorsitzender der SPD für den Bezirk Oppeln in Beuthen (Oberschlesien) gewesen. " [Quelle: http://www.luise-berlin.de/strassen/Bez14a/H723.htm. -- Zugriff am 2004-05-28]



Abb.: Der Sinn des Systems. -- Karikatur von Rudolf Herrmann. -- In: Die rote Fahne. -- 1929-02-19

Erläuterung: Bezieht sich auf das am 19. August 1929 ratifizierte Konkordat zwischen Preußen und dem Vatikan (siehe oben!).

[Bildquelle: Sozialistische deutsche Karikatur : von den Anfängen bis zur Gegenwart ; 1848 - 1978 / hrsg. von Harald Olbrich in Zusammenarbeit mit Klaus Haese ... --  Berlin : Eulenspiegel-Verlag, 1979. -- 375 S. -- S. 206


Fritz Hampel (Slang) (1895 - 1932): Der rote Faden : Deutsche Religion. -- In: Eulenspiegel 1929, Nr. 9

»Was sagt ihr zu dem Verhalten Josephs, der den Verlockungen der Frau Potiphar1 keine Folge leistete?«
»Gut.«
»Ganzer Satz!«
»Joseph hatte sich gut verhalten.«
»Richtig! Was hatte dagegen die Frau Potiphar im Sinne?«
»Sünde.«
»Satz!«
»Frau Potiphar hatte Sünde im Sinne.«
»Gut! Wir kommen jetzt zur Anwendung dieser Geschichte. Seht, Kinder, auch ihr seid öfter den verschiedensten Verlockungen ausgesetzt. Da kommen Leute, die wollen euch gegen das Vaterland, gegen die Kirche, gegen alles, was uns heilig und teuer ist, aufhetzen. Was haben auch diese Leute im Sinne?«
»Sünde.«
»Und wovor muss sich ein jeder deutsche Junge, ein jedes deutsche Mädchen hüten?«
»Vor Sünde.«
»Was dürft ihr also diesen Hetzern nicht tun?«
»Wir dürfen ihnen nicht folgen.«
»Gut. Wer weiß einen schönen Spruch dazu? Jedermann ...«
»Jedermann sei Untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat.2«
»Gut. Setz dich eine Bank 'rauf!«

Erläuterungen:

1 Genesis 39

2 Römerbrief 13,1

[Quelle: Fritz Hampel (Slang) <1895 - 1932>: Panoptikum von vorgestern : Satiren, Humoresken u. Feuilletons / Fritz Hampel. Hrsg. und mit einem Nachw. von Wolfgang U. Schütte. -- 2., durchges. Aufl. -- Berlin : Verlag Tribüne, 1982. -- 274 S. ; 21 cm. -- S. 90f.]



Abb.: Zwei Sterne, die die Menschheit in die Finsternis geführt haben

Erich Weinert (1890-1953): Der neue Stern. -- 1929

Der Bürger frisst bei Kerzenlicht
Und macht sich's recht bequem.
Der Pfarrer in der Kirche spricht
Vom Stern zu Bethlehem.
Heut kennt der Bürger keinen (Troll,
Nach altem Christenbrauch.
Er ist von Menschenliebe voll
und singt mit vollem Bauch:
Stille Nacht, heilige Nacht!

Der brave Bürger sitzt und döst
Und dankt dem lieben Gott,
Dass er die ganze Welt erlöst,
Und löffelt sein Kompott ...
Und hört er Weihnachtsglockenklang,
Der wärmt ihm sein Gemüt.
Er quäkt mit Inbrunst stundenlang
Sein seelenvolles Lied:
O du fröhliche, o du selige ...

Der Bürger sitzt beim Kerzenschein,
Heut ist er so gerührt,
Und denkt ans arme Christkindlein,
Wie es im Stalle friert.
Denn heute schwitzt er Christentum
Aus allen Poren aus.
Es singt zu Gottes Ehr und Ruhm
Das ganze Vorderhaus:
Es ist ein Ros' entsprungen.

Doch hinten im Hof ist alles dunkel,
Da hinten ist alles stumm.
Kein Jubel und kein Kerzengefunkel;
Da geht der Hunger um!
Da wird in der heiligen Weihenacht
Ein armes Kind zur Welt gebracht.

Es liegt wie das Christkind auf kaltem Stroh.
Doch keine Maria betrachtet es froh.
Keine drei Könige kommen gegangen,
Den neuen Erlöser zu empfangen.
Sie packen nicht Gold und Tücher aus;
Die bringen sie lieber ins Vorderhaus.
Es singen keine Hirten im Held,
Und trübe schimmert das Licht der Welt!

Im Vorderhaus brennen die Kerzen.
Im Hinterhaus liegt eine Mutter stumm,
Ihr kleines, wimmerndes Kind am Herzen,
Das Vorderhaus kümmert sich nicht drum.
Das sieht nur das himmlische Diadem,
Den Stern von Bethlehem!

Doch über dem Hof, in der eisigen Nacht,
Ist still und sacht
Ein neuer leuchtender Stern erwacht.
Er steht über dem Fenster des armen Manns
Im blutroten Glanz.
Und fünf Zacken strahlen weit
In Elend, Hunger und Dunkelheit.

Die Armen sehen das Himmelslicht,
Die Reichen sind blind, sie sehen es nicht.
Es leuchtet überall auf Erden,
Wo arme Kinder geboren werden.
Denn nicht ein Erlöser ist uns erstanden,
Millionen Erlöser in allen Landen.

Denn einmal treten sie aus dem Schatten.
Der rote Stern geht vor ihnen her.
Dann gibt es keine Reichen, Satten
Und keine Hungernden mehr!
Dann ist es mit dem frommen Betrug
Für alle Zeiten zu Ende.
Dann braust der Choral von Hammer und Pflug,
Das Lied der Zeit- und Sonnenwende:

Brüder, zur Sonne, zur Freiheit,
Brüder, zum Licht empor!
Hell aus dem dunkeln Vergangnen
Leuchtet die Zukunft hervor!

Erläuterung:

Mit dem neuen Stern ist der rote Sowjetstern gemeint, an den verblendet und verbohrt zu glauben Weinert bis zu seinem Tod nicht aufhörte.


Kurt Tucholsky (1890 - 1935): Die Gefängnisschule. -- In: Deutschland, Deutschland über alles. -- 1929


Abb.: Gefängnisschule (Auf der Tafel steht: "Pater noster Vaterunser")

Wenn ein Neger hinfällt, fällt er auf den Popo. Wenn ein Europäer hinfällt, fällt er auf die Religion.

Das Volk muss der Religion erhalten bleiben, und wenn die Rechtsvollzieher den Rechtsbrecher in die Finger bekommen, dann muss er heran, da hilft kein Gott . . . hätte ich beinah gesagt. Diesen weiblichen Strafgefangenen, die aus Not, Vererbung und sozialen Bitternissen heraus ein Recht gebrochen haben, um dessen Anerkennung sie niemand befragt hat, wird zum Beispiel beigebracht, dass es noch eine Instanz im Himmel gibt, an die allfallsige Eingaben auch mündlich — allerdings ohne Gewähr — gemacht werden können. Das tröstet sie gewiss sehr. Amen.


Kurt Tucholsky (1890 - 1935): Statistik <Auszug>. -- In: Deutschland, Deutschland über alles. -- 1929

Wir sind ein armes Land. Ich, der gelernte Arbeiter mit Frau und drei Kindern arbeite 50 Tage im Jahre nicht für mich

Einen halben Tag muss ich für die Kirche arbeiten, der ich gar nicht mehr angehöre, ...

Wir sind ein armes Land!
Wir haben 28 807 988 Mark allein in Preußen für Pferdezucht übrig und wenig zu essen, aber 230 990 Mark für die Seelsorge in der Reichswehr ...


Kurt Tucholsky (1890 - 1935): "Fest sei der Bund!"1 -- In: Deutschland, Deutschland über alles. -- 1929

Gewehre rechts — Gewehre links — das Christkind in der Mitten . . . Gibt es einen greulicheren Anblick? Es gibt keinen.

Soweit man die Inschrift auf dem Altar dieser Veranstaltung lesen kann, steht da irgend etwas wie „Richtet euch immer nach Jesum Christum!" Der immerhin gesagt hat: „Du sollst nicht töten" — und wenn ein verkleideter Mordhetzer mir erzählen will, jener habe auch gesagt: „Seid Untertan der Obrigkeit,"2 so kann doch nach tausend und aber tausend Bibelstellen kein Zweifel sein, auf welcher Seite einer der mutigsten Revolutionäre gestanden hat: auf der Seite derer, die da töten, oder auf der Seite der Opfer.

Was für Gedanken unter protestantischem Himmel diese Gemeinde durchwehen mögen, was sie an diesem feierlich gebürsteten Sommersonntagvormittag wohl für „Weihe" halten — ich weiß es nicht. Es ist unergründlich. Es wird wohl eine vage Mischung von verblasener Metaphysik und der Freude sein, einen Zylinder zu tragen, etwas von Verdauungsstimmung zwischen Frühstück und Hunger nach dem Mittagessen. Fest sei der Bund.
Und ob der Bund fest ist —!

Erläuterung:

1 Fest sei der Bund! = Refrain der 5. Strophe des Preußenlieds (1830):

Für Melodie "Preußenlied" hier drücken

[Quelle der midi-Datei: http://ingeb.org/Lieder/preussen.html.  -- Zugriff am 2004-12-14]

5. Wo Lieb' und Treu' sich so den König weihen,
Wo Fürst und Volk sich reichen so die Hand,
Da muss des Volkes wahres Glück gedeihen,
Da blüht und wächst das schöne Vaterland.
So schwören wir auf's neue
Dem König Lieb' und Treue!
|: Fest sei der Bund! Ja schlaget mutig ein!
   Wir sind ja Preußen, lasst uns Preußen sein. :|

2 Römerbrief 13, 1f.:  "Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet. Wer sich nun der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Ordnung; die aber widerstreben, werden über sich ein Urteil empfangen."


1930



Abb.: Inserat für: Maslowski, Peter <1893 - 1983>: Gotteslästerung : Religion und Strafrecht ; Zu den Religionsdelikten (§ 181-183) im Entwurf zum neuen Strafgesetzbuch. -- (Völlig umgearb. u. verb. 2. Aufl.). -- Berlin : Mopr, 1930. -- 48 S.  -- Preis: 0,40 RM

[Bildquelle: Maslowski, Peter <1893 - 1983>: Klerikalismus und Proletariat : "Zur Religionsfrage" und andere frühe Schriften / Peter Maslowski. Hrsg. von Christoph Kopke. -- Aschaffenburg : Alibri, ©2003. -- 174 S. : Ill. ; 21 cm. -- (Klassiker der Religionskritik ; 7). -- ISBN 3-932710-57-6. -- S. 104]


Erich Weinert (1890-1953): In Gottes Namen durch!. -- 1930

Von Pfarrer Lic. D. Schettler

Hurra, Soldat, die Klinge saust!
Gott hat sie dir verliehen.
Das kalte Eisen in der Faust,
Sollst du vor Gott hinknien!

Den liebt der HERR, der mit Gebet
Auf rote Teufel pirschet!
Dein Gottesdienst, wenn's Bajonett
In ihre Rippen knirschet!

Die Handgranate ins Geweid
Den roten Tempelschändern!
Des freuet sich die Christenheit
In allen Gottesländern.

So wird Europas Volk im Zorn
Sich neues Land erschließen.
Dann soll uns der Petroleumborn
Als Gottesgabe fließen.

Erläuterung: Pfarrer Lic. D. Schettler =  Lic. Adolph Schettler, Divisionspfarrer und "schneidiger" Kriegstheologe. Originalzitat Schettler:

"Dem Soldaten ist das kalte Eisen in die Faust gegeben und er soll es führen ohne Schwächlichkeit und Weichlichkeit. Der Soldat soll totschießen, soll dem Feind das Bajonett in die Rippen bohren, soll die sausende Klinge auf den Gegner schmettern, das ist seine heilige Pflicht, ja, das ist sein Gottesdienst."



Abb.: John Heartfield (1891 - 1968): Mit Gott für Hitler und Kapital. -- In Arbeiter-Illustrierte Zeitung. -- 1930-10-04

Erläuterung: Die Reichstagswahl vom 1930-09-14 ergeben:


Abb.: Ergebnisse der Reichstagswahl 1930


Erich Weinert (1890-1953): Nazipastor Münchmeyer. -- 1930

Das ist der richtige Rufer im Streit,
Wo Nazis versammelt sind.
Der riecht nach dem Schweiß der Tugendlichkeit
Zehn Meilen gegen den Wind.

Er wirkte einst als Pionier
In der Borkumer Seelsorgerei,
Verteilte den „Völkischen Kurier"
Und machte die Juden zu Brei.

Er sorgte für Zucht und Sittlichkeit
Am Borkumer Badestrand
Und war auf der Insel weit und breit
Als Reinheitsapostel bekannt.

Dann hat er als milder Tröster fungiert.
Da hat er täglich einmal
Die jungen Mädchen seelisch kuriert
Im Borkumer Frauenspital.

Wo eine da eine Narbe hat,
Da hat er ins Deckbett geschaut,
Ob sie auch eine gesunde Farbe hat,
Und legte die Hand auf die Haut.

Doch der gute Pastor wurde verkannt.
Er wurde nur seelisch intim.
Und was war der Dank vom Vaterland?
Seine Firma kündigte ihm.

Da haben die Nazis aufgeschrien:
Hier sind nur die Juden schuld!
Sie nahmen den Pastor und stellten ihn
Ans Wahlkandidatenpult.

Da steht er wie eine feste Burg!
Zwar ist er schon reichlich senil,
Doch immerhin, er ist ein Chirurg
Mit Fingerspitzengefühl.

Der bald mit Donner und Doria
Den Kulturbolschewismus zerkeilt
Und der kranken Germania
Die klaffende Wunde heilt.

Erläuterung: Nazipastor Münchmeyer = Ludwig Münchmeyer, Pastor auf Borkum:

"Auch in der Weimarer Republik nahm die Insel Borkum eine Vorreiterrolle in punkto Antisemitismus ein. Dabei erregte das Treiben des evangelischen Pastors Ludwig Münchmeyer reichsweites Aufsehen. Er wachte Schulter an Schulter mit dem Kurgäste-Zusammenschluss „Bund zur Wahrung deutscher Interessen auf Borkum“ über die „Judenfreiheit“ des Eilandes, die größte der ostfriesischen Inseln. Münchmeyer avancierte später zum „Reichsredner“ der NSDAP und zum Reichstagsabgeordneten. Und er tat sich mit Büchern hervor wie „Borkum, die deutsche Insel“ oder „Marxisten als Mörder des deutschen Volkes im Solde des Feindes“. Energisch setzte sich Pastor Münchmeyer unter anderem für das Spielen des judenfeindlichen „Borkum-Liedes“ ein. Die Begeisterung, mit der dieses Lied mit ausdrücklicher Zustimmung der Kurverwaltung und des Gemeinderates auf der Insel zelebriert wurde, blieb immerhin nicht ohne Gegenwehr. Emdens Landrat und der Auricher Regierungspräsident setzten 1924 gegen das Intonieren durch die Kurkapelle sogar Polizisten ein, wurden jedoch später durch einen Gerichtsbeschluss gestoppt. " [Quelle: http://www.gnn-archiv.staticip.de/archiv/Antifa/2003/An19_03.pdf. -- Zugriff am 2004-05-28]
"Gegen seine [Münchmeyers] öffentlichen Verleumdungen und Angriffe traten 1926 neben dem Borkumer Journalisten und Theologen Dr. Völklein der Schlachter Lazarus Pels sowie der Syndikus des CV für Ostfriesland, Dr. Julius Charig, mit einer satirischen Kampfschrift auf. Zwar wurden Dr. Charig, der von 1925 bis 1927 die Geschäftsstelle des CV in Emden unterhielt, sowie Lazarus Pels wegen Beleidigung zu Geldstrafen verurteilt, aber durch ihre Bemühungen hatten sie erreicht, dass Münchmeyer von seinem Amt als Pastor zurücktrat. " [Quelle: http://www.unics.uni-hannover.de/hdb-synagogen-nds/Emden_Weimar.htm. -- Zugriff am 2004-05-28]

Fritz Hampel (Slang) (1895 - 1932): Eine glückliche Familie. -- In: Eulenspiegel. -- 1930, Nr. 12

Vom Verein Berliner Metall-Industrieller und vom Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund1 für proletarische Weihnachtsveranstaltungen dringend empfohlen

Weihnachtsabend in einer Berliner Wohnschlafküche. Mutter mit zwei Kindern. Später der Vater.

Mutter: Eia! Bald wird der Vater heimkommen. Vielleicht bringt er uns einen Christbaum mit.

Erstes Kind: Und einen Sack voll Kohlen, gelt Mutterli?

Mutter: Wenn du fleißig zum Christkindlein betest, ja!

Zweites Kind: Unser Lehrer hat gesagt, wem der Weihnachtsstern im Herzen aufgegangen ist, der braucht keinen geheizten Ofen.

Mutter: Du gutes Kind! Ich werde nächste Woche noch einmal mit dem Herrn Pastor sprechen, vielleicht bekommst du doch noch die Stelle als Laufjunge bei der Inneren Mission2.

Zweites Kind faltet vor Freude die Hände: O Mutter! Dann darf ich doch den „Heilsboten"3 austragen, wo vorn das liebe Christkindlein drauf ist?

Mutter: Ja, und außerdem bekommst du für jedes Tausend fünfzig Pfennig.

Zweites Kind: Was machen wir dann mit dem vielen Geld? Bestimmt werde ich es nicht vernaschen, sondern armen Menschen damit eine Freude machen.

Mutter: Damit kaufen wir für dein kleines Schwesterlein, das so schwer lungenkrank ist, einen Krankenschein.

Erstes Kind: O Mutter! Warum hast du mir das nicht erst zur Bescherung gesagt? Jetzt hast du mir meine ganze Erwartungsfreude verdorben!

Zweites Kind: Sei nicht undankbar, Lieschen! Mutter hat es gewiss nicht bös gemeint. Du musst dir eben ganz fest einbilden, dass du noch gar nichts davon weißt, dass du einen Krankenschein bekommen sollst.

Erstes Kind: Eia, Brüderlein, das werde ich tun. Gott lohn's!

Mutter sinnend, für sich: Es geht doch nichts über artige fromme Kinder! O wie dankbar bin ich der göttlichen Vorsehung, dass sie ihnen Not und Entbehrung in die Wiege gelegt hat! Etwas lauter: Herr, lass uns hungern dann und wann . . .

Kinder einfallend: — — —satt sein macht stumpf und träge — so geht der schöne Vers doch weiter, liebes Mütterlein?

Mutter umarmt beide Kinder. Stumme Rührszene.

Dabei überrascht sie der Vater, mit tränenfeuchten Augen an der Tür stehend: Ein braves Weib, ein herzig Kind, das ist mein Himmel auf der Erde! Ein fröhliches Christfest wünsch ich euch!

Mutter und Kinder: Danke, gleichfalls!

Vater: Einen Christbaum konnte ich euch leider nicht mitbringen.

Mutter: Tut nichts, lieber Mann! Sie kratzt die Eisblumen von der Fensterscheibe und zeigt triumphierend hinaus: Uns allen ist heute ein Lichterbaum angezündet: Das funkelnde Sternenzelt!

Vater: O wie recht hast du immer wieder einmal, geliebtes Weib! Da kann ich dir auch gleich die zweite Neuigkeit mitteilen: Mein Lohn ist um acht Prozent gekürzt worden.

Mutter stolz: Auch wir dürfen also unser Scherflein für Deutschlands wirtschaftlichen Wiederaufstieg beitragen!

Erstes Kind jubelnd: Nun werden alle Preise gesenkt werden!

Vater: Der deutsche Hausfrauenverein ist schon in Erwägungen eingetreten.

Zweites Kind: Hurra! Die Margarine wird billiger!

Erstes Kind: Die Sektsteuer wird ermäßigt!

Zweites Kind: Austern — ein Volksnahrungsmittel!

Erstes Kind: Wir können wieder am Weltmarkt konkurrieren!

Zweites Kind: Da wird sich England ärgern!

Mutter: Die Arbeitslosigkeit wird verschwinden, denn wenn wir so billig produzieren, wird es Bestellungen regnen!

Ungeheurer Jubel. Der Vater packt eine feuchte, schwärzliche Masse aus und legt sie auf den Tisch. Die Mutter nimmt ein Messer und gibt jedem ein Stück.

Erstes Kind: Brot!

Zweites Kind: Au fein! Was da alles drin ist! Reiner deutscher Roggen und . . .

Erstes Kind: deutsches Salz und...

Zweites Kind: deutscher Mais und . . .

Erstes Kind: deutsche Rüben und. . .

Zweites Kind: deutsche Kartoffeln!

Gemeinsamer Gesang. Melodie: „O Tannenbaum"

Für Melodie "O Tannenbaum ..." hier drücken

[Quelle der midi-Datei: http://ingeb.org/Lieder/OTannenb.html.  -- Zugriff am 2004-11-30]

 

Kartoffelbrot — Kartoffelbrot,
Dich lieben wir vor allem!
Du schmeckst nicht nur in Kriegeszeit —
Du Sinnbild deutscher Sparsamkeit:
Kartoffelbrot — Kartoffelbrot,
Uns hebt's — die Preise fallen!

Erläuterungen:

1 Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund: 1918-1933, Zusammenschluss von 52 deutschen Gewerkschaften. Stand politisch auf Seiten der SPD (und damit gegen Slangs KPD)

2 Innere Mission: auf Johann Hinrich Wichern zurückgehende kirchliche Antwort auf die Soziale Frage im 19. Jahrhundert.

3 Eine solche Zeitschrift ist bibliographisch nicht nachweisbar

[Quelle: Slang [d.i. Hampel, Fritz] <1895 -1932>: Das amtliche Knie : Humoresken, Gedichte, Fuilletons / Slang. [Hrsg. u. mit e. Nachw. von Wolfgang U. Schütte. Ill. von Peter Muzeniek]. -- Berlin : Eulenspiegel-Verlag, 1977.  -- 231 S. : Ill. ; 17 cm. -- S. 157 -160]


1931


Erich Kästner (1899 - 1974): aus: Die andere Möglichkeit. -- 1931

Wenn wir den Krieg gewonnen hätten,
mit Wogenprall und Sturmgebraus,
dann wäre Deutschland nicht zu retten
und gliche einem Irrenhaus

...

Wenn wir den Krieg gewonnen hätten,
dann wär der Himmel national.
Die Pfarrer trügen Epauletten.
Und Gott wär deutscher General.

....



Abb.: John Heartfield (1891 - 1968): Umschlag zu "Die heiligsten Güter". -- 1931


Slang [= Fritz Hampel (1895 - 1932)]: Nach dem Begräbnis. -- In: Die Rote Fahne. -- 1931-03-01

»Ist es nicht roh, wenn man in den Kirchen Sozialdemokraten und freien Gewerkschaftern nur um ihrer politischen Überzeugung willen die Tröstungen der Religion selbst am Grabe verweigert?« (Sollmann1, M. d. R., M. d. SPD, Mitglied des Bundes religiöser Sozialisten, im Haushaltausschuss des Reichstages am 21. Februar 1931.)

»Kommse mit, Genosse Müller? Na, Sie wissen schon, ein bisschen aufwärmen. Ich gehe heute erst gar nicht wieder ins Büro, mein Laden läuft von alleine. Streiks haben wir jetzt nicht, und wenn einer ist, geht er uns als Verband nischt an. Das ist Sache des Schlichters. Nehm' wir 'ne Taxe? Da drüben steh'n welche. Chauffeur, fahrnse uns mal wohin, wo was los ist. Wo man was Anständiges zu essen und zu trinken vorgesetzt kriegt. Und wo ein bisschen Betrieb ist. Gottseidank, endlich kommt man wieder mal zum Sitzen! Der Pastor hat ganz schön gesprochen, bloß ein bisschen lange. Ich habe ganz kalte Füße gekriegt. Hat die Frau geweint! Dabei ist alles gar nicht so schlimm, sie kriegt ja ihre Pension. So was hätte es nu früher nich gegeben. Wenn man bedenkt, ein Sozialdemokrat vom reinsten Wasser wie unser seliger Verstorbener, und am Grabe spricht ein richtiger Pastor! Er soll sogar Oberpfarrer sein. Die Rede unseres Genossen Sollmann im Ausschuss hat doch gezogen. Am Abend vor seinem Tode hat unser seliger Genosse noch das heilige Abendmahl gekriegt, und am nächsten Sonntag wird er in der Kirche von der Kanzel aus namentlich erwähnt und in das Gebet der Gemeinde eingeschlossen. — Wie? Danke, ich habe selbst Streichhölzer. Wir müssen mit der Kirche Hand in Hand gehen, sonst kommen wir nicht vorwärts. Sonst verlieren wir noch die letzten Errungenschaften der Revolution. Genosse Scheidewitz, der in Thüringen Schulrat ist, ist jetzt auch abgebaut worden. Die letzte Säule. Ich verstehe nicht, warum der Mann nicht wieder in die Kirche eintreten wollte. Die paar Mark Kirchensteuer hätte er bei seinem Gehalt auch noch aufgebracht. Und wie er endlich wieder eingetreten ist, hat ihn Frick schon hinausgefeuert. Chauffeur, fahrnse langsam! Sehnse denn nich, dass uns ein Leichenwagen entgegenkommt? Ja, so geht es uns allen mal, lieber Müller: Erst die Letzte Ölung, dann liegen wir still zwischen unseren vier Brettern — ausgekämpft! Am Grabe eine Delegation des ADGB2, eine Delegation der Partei, der Männerchor singt: "Bis hierher hat mich Gott gebrachte"3 und: "Das Banner mag stehn, wenn der Mann auch fällt!"4, ein paar tröstliche Worte des Geistlichen, ein paar Schaufeln voll Erde, und schließlich ein schlichtes Kreuz mit der Aufschrift...« (Stimme aus dem Publikum):

»Hier ruht in Gott ein Reformist,
still, wie er im Leben gewesen ist.
Gegen das Kapital sagte er keinen Ton.
Er glaubte an alles, nur nicht an die Revolution.«

Erläuterungen:

1Wilhelm Sollmann (1881 -1951), Politiker (SPD), Reichsinnenminister (1923)

2 ADGB: Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund, existierte von 1918-1933. Er war ein Zusammenschluss von 52 deutschen Gewerkschaften und war durch Kooperationsverträge mit dem Allgemeinen freien Angestelltenbund (AfA) und dem Allgemeinen Deutschen Beamtenbund (ADB) verbunden.

3 Kirchenlied

4 "Das Banner bleibt stehen, wenn der Mann auch fällt": sozialistisches Arbeiterlied

[Quelle: Fritz Hampel (Slang) <1895 - 1932>: Panoptikum von vorgestern : Satiren, Humoresken u. Feuilletons / Fritz Hampel. Hrsg. und mit einem Nachw. von Wolfgang U. Schütte. -- 2., durchges. Aufl. -- Berlin : Verlag Tribüne, 1982. -- 274 S. ; 21 cm. -- S. 119f.]



Abb.: Wer isst an deinem Tisch mit?. -- In: Arbeiter-Illustrierte Zeitung. -- 1931, Nr. 20


Slang [= Fritz Hampel (1895 - 1932)]: Herr Lehrer, Herr Lehrer! -- In: Arbeiter-Illustrierte Zeitung (AIZ). -- 1931, Nr. 51

»Herr Lehrer, wir haben zu Hause kein Licht,
und da konnte ich meinen Aufsatz nicht schreiben.
Und Vom Himmel hoch kann ich auch noch nicht.«
— »Ruhig Kinder! Schön sitzen bleiben!« —

»Herr Lehrer, und wir haben zu Hause kein Brot,
nicht mal das allerkleinste Ende.
Wer gar nichts isst, geht der dann tot?«
— »Frag nicht so viel! Faltet die Hände!« —

»Herr Lehrer, mein Vater ist arbeitslos,
und auch meine zwei großen Schwestern.
Und, Herr Lehrer, die sagen, das käme bloß ...«
— »Das gehört nicht hierher! Wovon sprachen wir gestern?«

»Herr Lehrer, warum geht es den Arbeitern so schlecht,
und warum sitzen so viele im Kittchen?
Meine Mutter sagt, ging es gerecht,
dann säßen ganz andre ...«
— »Wir lesen: Schneewittchen.« —

»Herr Lehrer, Herr Lehrer, ich weiß noch was!
Unser Max sagt, wir wären alle Proleten.
Und auf die Reichen, da wäre gar kein Verlass,
wir müssten uns selber ...«
— »Steht auf! Lasst uns beten.«

[Quelle: Fritz Hampel (Slang) <1895 - 1932>: Panoptikum von vorgestern : Satiren, Humoresken u. Feuilletons / Fritz Hampel. Hrsg. und mit einem Nachw. von Wolfgang U. Schütte. -- 2., durchges. Aufl. -- Berlin : Verlag Tribüne, 1982. -- 274 S. ; 21 cm. -- S. 90.]



Abb.: Christus am Kreuz: "Bilden Sie sich ein, Christus in Ihrem Sinne umgekrempelt zu haben?" — "Ja, ja, ja!". -- Karikatur von Faustin. -- In Vorwärts. -- 1931-11-06

[Bildquelle: Hintergrund : mit den Unzüchtigkeits- und Gotteslästerungsparagraphen des Strafgesetzbuches gegen Kunst und Künstler ; 1900 - 1933 / hrsg. und kommentiert von Wolfgang Hütt. -- Berlin : Henschelverl.,1990. --  411 S. : Ill. ; 25 cm. -- ISBN 3-362-00384-2. -- S. 333]


1932


Erich Weinert (1890-1953): Gottgewollte Ordnung. -- 1932

Wenn Adel, Generale, Hochfinanzler
Ihr „Recht" bedroht sehn, Massen auszubeuten,
Dann pflegen sie, nebst ernstem Glockenläuten,
Auf ihren lieben Herrgott hinzudeuten.

Die Regelung der Dinge, sprach der Kanzler,
Wird vorgenommen, wie sie Gott befiehlt.
Ihr Herrn, auf einem Sechstel dieser Erde
Hat Gottes Allmacht leider ausgespielt.
Dort hat man seine Feste umgewühlt,
Dass eine menschgewollte Ordnung werde!

Erläuterung:

Sechstel dieser Erde: Weinert meint die Sowjetunion (da hat er sich leider fürchterlich getäuscht  - es herrschte 1932 schon finsterster Stalinismus! - und ist diesem Irrtum bis zu seinem Tode treu geblieben).


Erich Weinert (1890-1953): "Im Namen des Teufels". -- 1932

Sie hatten Gift und Galle gespuckt
Auf die Freidenkerorganisationen;
Sie sahen im Gottlosen ein Produkt
Des Teufels und seiner Dämonen.
Drum haben der römische Oberhirt
Und die Konsistorien gewettert,
Dass Gottlosigkeit verboten wird,
Beziehungsweise zerschmettert.

Sie erfanden ein ganzes Lexikon
Von unanständigen Sachen,
Und machten reichlich Gebrauch davon,
Vor den Gottlosen bange zu machen.
Man hüte sich vor dem Tollwutbiss
Von atheistischen Teufeln,
Die Kinderschändung und Syphilis
Dem Volk in die Seele träufeln.

Sie sagen, die gottlose Agitation
Sei säuisches Brüllen und Toben.
O nein, meine Herren, den Sauherdenton
Oberlassen wir euch (siehe oben!).
Ihr habt euch dem Fra Diavolo
Aus dem braunen Hause verschrieben;
Da ist wohl von seinem geist'gen Niveau
Ein bisschen hängengeblieben.

Der Teufel des Ungeists hat euch geimpft
Mit einer reichlichen Dosis,
Dass ihr in heidnischer Weise beschimpft
Sogar euren alten Gott Mosis.
Wenn ihr jetzt den Propheten zum Götzen erhebt,
Nun denn, in drei Teufels Namen!
Der Rest, den ihr euch jetzt selber gebt,
Ist für die Gottlosen. Amen!

Hintergrund:

"1929 rief die KPD ihre Mitglieder zu Gründung eines "Verbandes proletarischer Freidenker Deutschlands" auf. Er wurde im Mai 1932, nunmehr 170000 Mitglieder zählend, von der Reichsregierung Brüning verboten, da er "Religion und Sittlichkeit abschaffen" wolle." [Quelle: http://www.dfv-nord.de/geschichte.html. -- Zugriff am 2004-05-28]


Slang [= Fritz Hampel (1895 - 1932)]: Schirm-Parade. -- In: Arbeiter-Illustrierte Zeitung (AIZ). -- 1932, Nr. 8

Im Februar 1932 brachte die AIZ folgendes Bild: ein langer Zug von Nonnen unter Regenschirmen, besser: eine Demonstration von Regenschirmen.

Um Himmelswillen! Was kommt hier an?
Wer trotzt hier Sturm und Regenwetter?
Ist's ein Bittgang zum heiligen Schirmian
um einen neuen Schirmer und Retter? —

Die klugen Jungfrauen ziehen fürbass.
Unnahbar. Wandelnde Glaubensstürme.
Was kümmert sie das kalte Nass! —
Gott gibt Regen, gibt auch Schirme.

Hier hört ihr nicht »Brot und Arbeit!« schrein
wie bei euren wüsten Hunger-Paraden.
Hier greift auch keine Polente ein,
und die Mus spritzen sind sämtlich ungeladen.

Was habt ihr Ketzer zu räsonieren? —
Nur lauter Segen käme von oben?
Wenn Ja, wozu dann beschirmt demonstrieren?
Wozu dann Stahlhelme und Gasmasken-Proben?

Schweigt und verdaut, was ihr hier seht.
Ihr sollt verstehen, nicht gleich richten.
Auch wer unterm Schirm des Höchsten steht,
kann nicht aufs Paraplüh verzichten.

[Quelle: Fritz Hampel (Slang) <1895 - 1932>: Panoptikum von vorgestern : Satiren, Humoresken u. Feuilletons / Fritz Hampel. Hrsg. und mit einem Nachw. von Wolfgang U. Schütte. -- 2., durchges. Aufl. -- Berlin : Verlag Tribüne, 1982. -- 274 S. ; 21 cm. -- S. 33f.]


1933



Abb.: John Heartfield (1891 - 1968): Gotteslästerer. -- In Arbeiter-Illustrierte Zeitung. -- 1933-01-20

Die Rüstungsindustrie betet:
"Je mehr Chinesen
ihr Leben verhauchen,
um so kräftiger
unsere Schlote rauchen:
1000 tote Chinesen
decken schon unsre Spesen.
100 000 tote Chinesen
könnten uns von der Krise erlösen.
Oh, Herr! Steh bei
uns Herrn  der Erde,
dass das Feuer im Osten
größer werde!"

Erläuterung: Im Jahre 1931 hatten die Japaner die Mandschurei besetzt, und den Satellitenstaat Mandschukuo installiert.



Abb.. Nicht zum Lachen!: Evangelium im Dritten Reich. -- 1933-02-05

Klicken Sie hier, um "Nun danket ..." zu hören

[Quelle der midi-Datei: http://ingeb.org/spiritua/nundanke.html. -- Zugriff am 2005-02-08]

[Bildquelle: Evangelische Kirche zwischen Kreuz und Hakenkreuz : Bilder und Texte einer Ausstellung ; [Dokumentation und Kommentar zu einer im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland für den Reichstag in Berlin erstellten Ausstellung] / zsgest. und kommentiert von Eberhard Röhm und Jörg Thierfelder für die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte im Auftrag des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Mit einer Einf. von Klaus Scholder. --  Stuttgart : Calwer, 1981. -- 60 S. : zahlr. Ill. ; 24 cm. -- ISBN 3-7668-0688-2. -- S. 24]


*
Abb.: John Heartfield (1891 - 1968): Zur Gründung der Staatskirche: Das Kreuz war noch nicht schwer genug. -- 1933

Erläuterung: bezieht sich auf die Deutschen Christen:


Abb.: Die Nationalkirche: "Christus der Todfeind des Judentums!"

"Aus einer lokalen, um 1930 in Thüringen entstandenen Gruppierung ging im Jahr 1932 die "Glaubensbewegung Deutsche Christen" hervor. Die streng nach dem Führerprinzip organisierte Bewegung bezeichnete sich als "SA Jesu Christi" und bekannte sich zu einem "positiven Christentum", wie es in Artikel 24 des Parteiprogramms der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) propagiert wurde. Die Deutschen Christen forderten "Rassenreinheit" als Bedingung für eine Kirchenmitgliedschaft und die Loslösung der evangelischen Kirche von jüdischen Wurzeln. Bei den Kirchenwahlen in der Altpreußischen Union, der größten der weitgehend selbständigen deutschen Landeskirchen, erhielten die Deutschen Christen im November 1932 fast ein Drittel der Stimmen.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 änderte sich die Situation der Kirchen in Deutschland nachhaltig. Als offensichtlich wurde, dass Adolf Hitler seine kirchenpolitischen Ziele, Gleichschaltung und Ausrichtung der Kirchen auf die nationalsozialistische Weltanschauung, mit Unterstützung der Deutschen Christen erreichen wollte, hatten diese zunächst einen Massenzulauf. Bei den Synodalwahlen in allen Landeskirchen nach der Schaffung einer Evangelischen Reichskirche am 23. Juli 1933 erlangten die Deutschen Christen die Zweidrittelmehrheit. Sie besetzten nun die meisten wichtigen Ämter. Ende September 1933 wurde der Deutsche Christ und Hitlers bisherige "Bevollmächtigte für die Angelegenheiten der Evangelischen Kirche", Ludwig Müller (1883-1945), als Reichsbischof höchster protestantischer Würdenträger im Deutschen Reich.

Als die von Deutschen Christen geleitete Altpreußische Synode am 6. und 7. September 1933 den für Beamte geltenden "Arierparagraph" auch für Kirchenämter einführte, rief der Dahlemer Pfarrer Martin Niemöller den Pfarrernotbund ins Leben, aus dem wenig später die Bekennende Kirche hervorging. Ihre Gehorsamsaufkündigung gegenüber der Reichskirche verhinderte maßgeblich die Gleichschaltung der evangelischen Kirche. Forderungen von Deutschen Christen nach Übernahme des "Arierparagraphen" für die Reichskirche und nach Verwerfung des als jüdisch angesehenen Alten Testaments führten im November 1933 zu Massenaustritten und zur Spaltung der Deutschen Christen. Nachfolger der "Glaubensbewegung Deutsche Christen" waren die "Kirchenbewegung Deutsche Christen" und die "Reichsbewegung Deutsche Christen". Pläne, die nicht deutschchristlichen Landeskirchen Württemberg und Bayern in die Reichskirche einzugliedern, scheiterten Ende 1934 am Widerstand der Kirchenmitglieder. Die Versuche, den Einfluss der Deutschen Christen in den Gemeinden zu vergrößern, blieben in den nächsten Jahren erfolglos, auch wenn die Mehrzahl der Landeskirchen bis 1945 in der Hand der Deutschen Christen war. Den rund 7.000 Pfarrern der Bekennenden Kirche standen lediglich etwa 2.000 Deutsche Christen gegenüber."

[Quelle: http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/christen/. -- Zugriff am 2004-10-06]



Abb.: Entwurf für das Amtskreuz des Landesbischofs von Braunschweig der Deutschen Christen

[Bildquelle: Evangelische Kirche zwischen Kreuz und Hakenkreuz : Bilder und Texte einer Ausstellung ; [Dokumentation und Kommentar zu einer im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland für den Reichstag in Berlin erstellten Ausstellung] / zsgest. und kommentiert von Eberhard Röhm und Jörg Thierfelder für die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte im Auftrag des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Mit einer Einf. von Klaus Scholder. --  Stuttgart : Calwer, 1981. -- 60 S. : zahlr. Ill. ; 24 cm. -- ISBN 3-7668-0688-2. -- S. 35.]



Abb.: Tysk Statskirke [Deutsche Staatskirche]: — "Javel, herr president, jeg tilhører den katolske kirke, men den protestantiske kirke skal tilhøre mig!" [Jawohl, Herr Präsident, ich gehöre zur katholischen Kirche, aber die protestantische Kirche gehört mir!"]. -- Karikatur von Ragnvald  Blix (1882 - 1958). -- In: Dagbladet. -- Oslo. -- 1933-06

[Bildquelle: Evangelische Kirche zwischen Kreuz und Hakenkreuz : Bilder und Texte einer Ausstellung ; [Dokumentation und Kommentar zu einer im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland für den Reichstag in Berlin erstellten Ausstellung] / zsgest. und kommentiert von Eberhard Röhm und Jörg Thierfelder für die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte im Auftrag des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Mit einer Einf. von Klaus Scholder. --  Stuttgart : Calwer, 1981. -- 60 S. : zahlr. Ill. ; 24 cm. -- ISBN 3-7668-0688-2. -- S. 38.]



Abb.: Die brennende Sorge der katholischen Kirche angesichts des Machtantritts der NSDAP: der Heiliger Rock wird in Trier ausgestellt. -- 1933-07-23

Erläuterung:

"Heiliger Rock, eine von den angeblichen Reliquien Christi (Joh. 19,23), wird in mehreren Exemplaren, z. B. in Argenteuil, in der Laterankirche zu Rom u. a. O., aufbewahrt. Am bekanntesten ist der im Dom zu Trier aufbewahrte, zuerst auf Bitten Kaiser Maximilians 1512 zur Verehrung der Gläubigen ausgestellte heilige Rock geworden, der bald von Helena, der Mutter Konstantins, aus dem Heiligen Lande gebracht und ihrer Vaterstadt Trier geschenkt, bald von Orendel, dem Sohne des Königs Eygel in Trier, der auf dem Zug nach Palästina Schiffbruch gelitten, nach Trier gebracht worden sein soll. Die vom Bischof Arnoldi 1844 verfügte Ausstellung rief die Bewegung des Deutschkatholizismus (s. Deutschkatholiken) hervor. 1891 ließ Bischof Korum die Reliquie von neuem ausstellen; 1,925,130 Pilger zogen nach Trier, von denen nach dem Zeugnis des Bischofs 11 geheilt, 27 mit »Gnadenerweisen« bedacht wurden. Vgl. Korum, Wunder und göttliche Gnadenerweise bei Ausstellung des heiligen Rockes zu Trier im Jahre 1891. Aktenmäßig dargestellt (Trier 1894); Gildemeister und v. Sybel, Der heilige Rock zu Trier u. die 20 andern heiligen ungenähten Röcke (3. Aufl., Düsseld. 1845). Gegnerischerseits schrieben unter andern Beyschlag, Thümmel, Rieks, H. Kurtz."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

[Bildvorlage: Chronik 1933 / Ernst Christian Schütt. -- 2., überarb. Aufl. -- Gütersloh : Chronik-Verl., 1993. -- 240 S. : zahlr. Ill. . -- (Die Chronik-Bibliothek des 20. Jahrhunderts). -- ISBN 3-611-00073-6. -- S. 136]



Abb.: "Und es wird gepredigt werden das Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zu einem Zeugnis über alle Völker, und dann wird das Ende kommen." ( Matthäusevangelium 24, 14): "Das Evangelium bewegt ein Volk". -- Aus einer deutschchristlichen Wochenzeitung. -- 1933

[Bildquelle: Evangelische Kirche zwischen Kreuz und Hakenkreuz : Bilder und Texte einer Ausstellung ; [Dokumentation und Kommentar zu einer im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland für den Reichstag in Berlin erstellten Ausstellung] / zsgest. und kommentiert von Eberhard Röhm und Jörg Thierfelder für die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte im Auftrag des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Mit einer Einf. von Klaus Scholder. --  Stuttgart : Calwer, 1981. -- 60 S. : zahlr. Ill. ; 24 cm. -- ISBN 3-7668-0688-2. -- S. 26f.]



Abb.: Keine Karikatur!: Ein feierlicher Augenblick von der Grundsteinlegung zum Haus der deutschen Kunst.Der päpstliche Nuntius Vasallo di Torregrossa spricht eben zum Führer: "Ich habe Sie lange nicht verstanden. Ich habe mich aber darum bemüht. Heute versteh' ich sie." Auch jeder deutsche Katholik versteht heute Adolf Hitler und stimmt am 12. November mit "Ja"! -- Plakat der NSDAP. -- 1933

[Bildquelle: Chronik 1933 / Ernst Christian Schütt. -- 2., überarb. Aufl. -- Gütersloh : Chronik-Verl., 1993. -- 240 S. : zahlr. Ill. . -- (Die Chronik-Bibliothek des 20. Jahrhunderts). -- ISBN 3-611-00073-6. -- S. 175]


1934


Erich Weinert (1890-1953): An einen katholischen Kameraden. -- Forbach (Frankreich), 1934

Papst Pius XI. hat den österreichischen Arbeitermördern Glückwunsch und apostolischen Segen erteilt.

Du siehst: es lockern sich die mächtgen Schrauben
Der alten Welt, und magst dich nicht getraun.
Den Widersprüchen ins Gesicht zu schaun.
Komm, lass uns einmal denken, nicht nur glauben!

Du bist ein Christ, und weißt warum du's bist.
Du willst Gerechtigkeit, und Dass die Erde
Den Leidenden und Ausgeraubten werde.
Wie es verhieß dein Lehrer Jesus Christ.

Du siehst entsetzt im Dritten Reich der Reichen
Den Ausgeraubten schleppen aufs Schafott.
Sie sagen, ihre Ordnung sei von Gott.
Es war dein armer Bruder, deinesgleichen!

Du hörst von Priestern, die für Kommunisten.
Die hingerichtet werden, Messen lesen.
Du bist auf diese Priester stolz gewesen.
Mit Recht. Denn diese waren echte Christen.

Du sahst in Österreich der Reichen Rache,
Wie man auch dort den armen Mann erschlug.
Der für Gerechtigkeit die Fahne trug.
Du hast gebetet für des Armen Sache.

Und hast erwartet, Dass der höchste Christ.
Dass Christi Stellvertreter auf sich recke
Und diese Brut der Reichen niederstrecke.
Weil er nach Christ der Armen Anwalt ist.

Der Heilige Vater hat sich nicht empört.
Du fragst, warum? — Es wird bei höh'ren Frommen
Der Arme nur in Gnaden aufgenommen,
Der nicht des Reichen Raubgenüsse stört.

Denn es gibt reiche Christen, welche rauben,
Und arme Christen, welche man beraubt.
Hat man dir auch zu denken nie erlaubt:
Hier sprengt die Wirklichkeit den frömmsten Glauben.

Was Jesus Christ verheißen, Kamerad,
Des Armen Recht, in Rom wird's nicht geboren.
Erst wenn der Armen Klasse sich verschworen,
Sprengt sie den Räuberbund der Diktatoren.
Und da hilft kein Gebet, da hilft die Tat!

Erläuterung:

Bezieht sich auf den Februaraufstand 1934:

"Der österreichische Februaraufstand begann am 12. Februar 1934 und bezeichnet den Bürgerkrieg zwischen Christlich-Sozialen und Sozialdemokraten bzw. deren Milizorganisationen Heimwehr und Republikanischer Schutzbund.

Im März 1933 hatte Bundeskanzler Engelbert Dollfuß eine Abstimmungspanne im Parlament (alle drei Präsidenten waren zurückgetreten, um mit ihren Fraktionen stimmen zu können) für einen Staatsstreich genützt und die "Selbstausschaltung des Parlaments" proklamiert. Wenig später wurde der Schutzbund verboten (Austrofaschismus).

Die Kämpfe brachen aus, als Schutzbündler unter Richard Bernaschek einer Waffensuchaktion der Heimwehr (als Hilfspolizei) im Parteiheim der Sozialdemokraten, dem "Hotel Schiff" in Linz bewaffneten Widerstand leisteten. Die Kämpfe weiteten sich auf Wien und andere Industriestädte (Steyr, St. Pölten, Weiz, Eggenberg b. Graz, Kapfenberg, Bruck a. d. Mur, Wörgl) aus. Zentren des Widerstands waren in Wien Arbeiterheime und Gemeindebauten (Karl-Marx-Hof, Goethe-, Sandleiten-, Reumannhof, Schlingerhof). Die Kämpfe wurden durch den massiven Artillerieeinsatz des österreichischen Bundesheeres entschieden.

Die unorganisierte Aufstandsbewegung scheiterte maßgeblich auch daran, dass der von der Sozialdemokratischen Partei ausgerufene Generalstreik nicht befolgt wurde. Die Kämpfe endeten am 15. Februar 1934 und kosteten die Schutzbündler fast 200 Tote und mehr als 300 Verwundete, die Exekutive 128 Tote und 409 Verwundete. Zahlreiche Führer des Aufstands wurden hingerichtet. Als Folge des Aufstands wurde die Sozialdemokratische Partei, die Gewerkschaften und alle sozialdemokratischen Arbeiterorganisationen verboten."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Februaraufstand_%28%D6sterreich%29. -- Zugriff am 2004-05-28]



Abb.: John Heartfield (1891 - 1968): In Wien wurde der Doppeladler wieder eingeführt: Die alte Welt hat ihre Pleitegeier, Österreich hat einen mit zwei Köpfen. -- In Arbeiter-Illustrierte Zeitung. -- 1934-03-01

Erläuterung: Der Doppeladler war 1804-1918 Reichswappen des Kaisertums Österreich, 1934-38 Wappen des Ständestaates:


Abb.: Wappen des Ständestaates Österreich 1934


Abb.: Wappen der Republik Österreich 1919

In Heartfields Fotomontage sind die beiden Köpfe des Doppeladlers Engelbert Dollfuß (1892 - 1934), der Diktator des austrofaschistischen Ständestaates, und Emil Fey Fey (1886 - 1938), der österreichische Sicherheitsminister und Heimwehrführer, der für das Massaker an Sozialdemokraten im Februaraufstand 1934 verantwortlich war. Auf der Brust trägt der Adler ein christliches Kreuz und das faschistische Krückenkreuz der Heimwehr.



Abb.: "Sein [= Schuschniggs1] Wille ist uns Befehl, sein Ziel unser Sieg. -- Österreichisches Freiwilliges Schutzkorps (FS) unter dem Bild des "Führers" Kurt Schuschnigg". -- (zwischen 1934 und 1938)

Erläuterung:

1 Schuschnigg

"Kurt Schuschnigg (* 14. Dezember 1897 in Riva del Garda (damals Südtirol); † 18. November 1977 in Mutters bei Innsbruck) war während der Zeit des Ständestaates österreichischer Bundeskanzler.

[Besuchte das Jesuitengymnasium Stella Matutina in Feldkirch (Vorarlberg)] Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau und Innsbruck eröffnete er 1924 eine Rechtsanwaltskanzlei. 1926 heiratete er seine erste Frau Herma Masera, mit der einen Sohn hatte (sie verstarb 1935). Gleichzeitig engagierte er sich auch in der Christlichsozialen Partei. Ab 1927 war er der jüngste Abgeordnete im Nationalrat. Da er der Heimwehr misstraute, gründete er 1930 einen eigenen Kampfverband, die betont katholischen Ostmärkischen Sturmscharen.

1932 wurde er Justizminister im Kabinett von Bundeskanzler Karl Buresch, 1933 zusätzlich Unterrichtsminister. Nach dem Februaraufstand von 1934 weigerte er sich in seiner Eigenschaft als Justizminister, dem Bundespräsidenten Gnadengesuche von Februarkämpfern vorzulegen.

Nach der Ermordung von Engelbert Dollfuß folgte er diesem im Amt nach und versuchte, den Ständestaat [siehe unten] nach seinen Vorstellungen zu formen, was ihm aber nicht ganz gelang. Er versuchte, einen "besseren deutschen Staat" als es das Dritte Reich war, zu verwirklichen. Zu diesem Zweck begab er sich in eine Abhängigkeit von Benito Mussolini, wodurch Italien sozusagen als Schutzmacht auftrat. Nach der Besetzung Äthiopiens brauchte Mussolini aber Hitlers Rückendeckung, wodurch Österreich unter immer stärkeren Druck des deutschen Reichs kam. 1936 kam es daher zum so genannten Juliabkommen, in dem Hitler zwar die Souveränität Österreichs anerkannte und die Tausend-Mark-Sperre aufhob, dafür aber verlangte, dass die österreichische Außenpolitik der deutschen entspreche. Zusätzlich wurde der Nationalsozialist Edmund Glaise-Horstenau Minister. Schwierigkeiten hatte Schuschnigg auch mit den Vertretern der Heimwehr in der Regierung. Der Druck Hitlers wurde inzwischen immer größer und im Berchtesgadener Abkommen vom 12. Februar 1938 zwang Hitler Schuschnigg Arthur Seyß-Inquart als Innenminister auf. Schuschnigg versuchte noch eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Österreichs auszurichten, was ihm aber nicht mehr gelang. Am 11. März 1938 trat er zurück, wobei er seine berühmte Rundfunkrede mit den Worten "Gott schütze Österreich" hielt."

Kurz darauf heiratete er seine zweite Frau Vera Fugger, mit der er eine Tochter hatte. Den Zweiten Weltkrieg musste er in verschiedenen Konzentrationslagern verbringen, ein geplanter Schauprozess fand aber nicht statt. 1948 ging er in die USA und wurde Professor für Staatsrecht an der Universität von Saint Louis, Missouri, wobei er auch die amerikanische Staatsbürgerschaft erwarb. Trotzdem kehrte er 1968 nach Österreich zurück, betätigte sich aber nicht mehr politisch."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Schuschnigg. -- Zugriff am 2005-02-09]

Ständestaat ist die offizielle Bezeichnung der Regierungsform in Österreich von 1933 (von Gegnern auch Austrofaschismus genannt) bis zum Anschluss an das vom Österreicher Hitler geführte Deutsche Reich 1938.

Bundeskanzler Engelbert Dollfuß löste 1933 den Nationalrat auf und konnte seine Diktatur in den Februarkämpfen 1934 festigen. Am 1. Mai 1934 wurde die Maiverfassung erlassen, die vor allem von Otto Ender ausgearbeitet worden war. Es wurde ein "christlich-deutscher" "Ständestaat" proklamiert, bei der die Staatsgewalt von berufständisch organisierten Kammern ausgehen sollte, die Parlament und Parteien zu ersetzen gehabt hätten.

Die Idee eines nach Berufsgruppen organisierten Staates (altertümelnd eben "Stände" genannt) geht in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück und wurde schon von Papst Pius XI. in seiner Enzyklika Quadragesimo Anno vertreten. In Österreich wurde diese Idee von Karl von Vogelsang, einem der Ideengeber der Christlichsozialen Partei vertreten. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war es vor allem Othmar Spann, der solche Ideen propagierte.

Eine starke Stoßrichtung hatte diese Idee gegen die organisierte Arbeiterbewegung: Arbeitgeber und Arbeitnehmer wären sich innerhalb der "Berufsstände" gegenüber gesessen, wodurch eine selbstständige und ständeübergreifende Gewerkschaftsbewegung verunmöglicht hätte werden sollen. Die Überwindung des Klassenkampfes war also ein vordringliches Ziel der Ständestaats-Idee.

In der politischen Wirklichkeit war diese Staatsordnung ein Torso und diente hauptsächlich dazu, den autoritären Charakter des Regimes zu verbrämen. Von den vorgesehenen sieben Kammern wurden mit der Landwirtschaftskammer und der Kammer für den Öffentlichen Dienst nur zwei tatsächlich eingerichtet. Die tatsächliche Macht wurde von der Vaterländischen Front ausgeübt. Dem Regime standen sowohl Sozialdemokraten als auch Nationalsozialisten feindlich gegenüber, so dass es von Anfang an eine schmale Basis hatte. Nach Dollfuß' Ermordung im Juli 1934 im Zuge eines nationalsozialistischen Putschversuchs wurde Kurt Schuschnigg Bundeskanzler, bis dieser 1938 unter dem Eindruck des militärischen Einmarsches der Deutschen Wehrmacht seinen Rücktritt erklären musste."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/St%C3%A4ndestaat. -- Zugriff am 2005-02-09]

[Bildvorlage: Portisch, Hugo <1927 - >: Österreich I : die unterschätzte Republik. Ein Buch zur gleichnamigen Fernsehdokumentation v. Hugo Portisch u. Sepp Riff. -- Wien : Kremayr & Scheriau, 1989.  -- 549 S. : Ill. -- ISBN 3-218-00485-3. -- S. 495]



Abb.: Simplicus: Die Marksteine der deutschen Justiz. -- In: Arbeiter-Illustrierte Zeitung. -- 1934, Nr. 10



Abb.: John Heartfield (1891 - 1968): Der Reichsbischof richtet das Christentum aus: "He, der Mann da, das Kruzifix etwas weiter nach rechts!". -- 1934

Erläuterung: "Der Reichsbischof (damals oft auch als 'Reibi' bezeichnet) war nach der Kirchenverfassung vom 11. Juli 1933 das höchste Organ der Deutschen Evangelischen Kirche. Erster Reichsbischof war bis zum 24. Juni 1933 Friedrich von Bodelschwingh, danach wurde am 27. September 1933 Ludwig Müller [1883 - 1945] zum Reichsbischof ernannt (bis 1945)." [Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Reichsbischof. -- Zugriff am 2004-10-06]



Abb.: Werbeplakat für die Oberammergauer Passionsspiele 1934 (ernst gemeint!). -- 1934

[Bildquelle: Das Oberammergauer Passionsspiel : eine Chronik in Bildern / Norbert Jaron und Bärbel Rudin. Dortmund : Harenberg, 1984. -- 216 S. : Überwiegend Ill. -- (Die bibliophilen Taschenbücher ; Nr. 433). -- ISBN 3-88379-433-3. -- S. 139]


1935


Wieland Herzfelde [=John Heartfield (1891 - 1968)]: Lied der Heil-Armee : auf dem Nürnberger Trichter zu blasen nach der Melodie: "O Manna"

Der Mensch lebt nicht allein vom Brot — Heil Hitler!
Wer Deutschland liebt, schlägt Juden tot
— Heil Hitler!
Bei uns gibt's keine Roten mehr
— Heil Hitler!
Deswegen fürchten wir sie sehr
— Heil Hitler!
Wir strafen streng jedweden Spott
— Heil Hitler!
Und fürchten nichts als unsern Gott
— Heil Hitler!
Wir beten Wotan an und Thor
— Heil Hitler!
Und bleiben Christen wie zuvor
— Heil Hitler!
Doch Christus ist recht unbeliebt
— Heil Hitler!
Weil es nur einen Führer gibt
— Heil Hitler!
....
Bitte weiter dichten!


1936



Abb.: Hakir: An die Stelle der Konfessionsschule tritt jetzt auch in Württemberg die Gemeinschaftsschule — damit die Jugend ihr Deutschtum vor das Glaubensbekenntnis stellen lerne und damit die unselige Zwietracht endgültig verschwinde aus dem deutschen Volk, die deutsche Kaiser vor Päpsten zu knien zwang, im Dreißigjährigen Krieg Deutschland entvölkerte, die Deutschen Bruderkriege führen ließ und schwere innerpolitische Kämpfe, die Deutschland der Einheit und damit der Freiheit beraubten und dem Separatismus Tür und Tor öffneten. Zuerst wollen wir Deutsche sein — und sonst nichts!. -- 1936

[Bildquelle: 450 Jahre Kirche und Schule in Württemberg : Ausstellung zur 450-Jahrfeier der Evangelischen Landeskirche, erstmals vom 13. - 30. September 1984 im Landespavillon in Stuttgart ; Bilder, Dokumente u. Texte / im Auftrag des Evangelischen Oberkirchenrats hrsg. vom Pädagogisch-Theologischen Zentrum, Stuttgart. -- Stuttgart : Calwer Verlag, 1984. -- 384 S. : Ill. ; 23 cm. -- (450  Jahre Evangelische Landeskirche in Württemberg ; Teil 3). -- ISBN 3-7668-0756-0. -- S. 256]



Abb.: Schulaborte, getrennt nach Konfessionen. -- Weil der Stadt (Württemberg). -- 1936. -- In: Flammenzeichen. -- 1936

[Bildquelle: 450 Jahre Kirche und Schule in Württemberg : Ausstellung zur 450-Jahrfeier der Evangelischen Landeskirche, erstmals vom 13. - 30. September 1984 im Landespavillon in Stuttgart ; Bilder, Dokumente u. Texte / im Auftrag des Evangelischen Oberkirchenrats hrsg. vom Pädagogisch-Theologischen Zentrum, Stuttgart. -- Stuttgart : Calwer Verlag, 1984. -- 384 S. : Ill. ; 23 cm. -- (450  Jahre Evangelische Landeskirche in Württemberg ; Teil 3). -- ISBN 3-7668-0756-0. -- S. 225]



Abb.: John Heartfield (1891 - 1968): Aus: Programm der Olympiade Berlin 1936: Speerwerfen. -- In Arbeiter-Illustrierte Zeitung. -- 1936-06-24


1937


Tapia, Luis de (1871 - 1937): Der Ruf der Passionaria. -- Deutsche Nachdichtung von  Erich Weinert (1890-1953): . -- 1937

Aus dem Spanischen

Der Spruch soll flammend stehn und werben:
Kein Mann soll sich ergeben!
„Wir wollen lieber stehend sterben,
Als auf den Knien leben!"

Denn leben unter schmutzgen Bütteln
Und vor den Herren beben,
Geduckt vor Säbeln und vor Knütteln
Heißt: auf den Knien leben!

Gebückt vor heiligen Tonsuren,
Von falschem Glanz umgeben,
Und leben nur als Kreaturen 
Heißt: auf den Knien leben!

Und nur noch hören auf Befehle,
Den Granden untergeben,
Und ausgeliefert Leib und Seele 
Heißt: auf den Knien leben!

Und jeden Tag die Mühle treten,
Und kaum den Kopf mehr heben,
Den Tag für ein bis zwei Peseten
Heißt: auf den Knien leben!

Doch hört der Pasionaria Stimme!
Ihr Wort geht um auf Erden,
Dass unser Herz in Glut ergrimme:
„Die Welt muss anders werden!"

Sie ruft: „Wer will die Zukunft erben,
Der schwankt nicht mehr ergeben!
Wir wollen lieber stehend sterben,
Als auf den Knien leben!"

Mein Volk, lass uns den Ruf erheben,
Der soviel Kraft verliehn!
Jawohl, wir wollen stehend leben,
Und nicht als Sklaven knien!

Erläuterung:

La Pasionaria = Dolores Ibárruri (1895 - 1989): Kommunistische Kämpferin im Spanischen Bürgerkrieg.. Bergarbeitertochter, engagierte sich früh in der Arbeiterbewegung und schrieb 1918 ihren ersten Zeitungsartikel unter dem Pseudonym "La Pasionaria". Sie trat 1920 in die neu gegründete Kommunistische Partei Spaniens ein und wurde 1930 als erste Frau Mitglied des Zentralkomitees und des Politbüros. 1936 hatte sie einen Sitz im Republikanischen Parlament. Im Spanischen Bürgerkrieg prägte die "Große Mutter in Schwarz" den berühmten Schlachtruf "No pasarán!" ("Sie werden nicht durchkommen!"). Nach Francos Sieg floh sie in die Sowjetunion. Erst 18 Monate nach dem Tod des Diktators wurde ihr die Rückkehr durch die Legalisierung der Kommunistischen Partei möglich. [Quelle: http://www.kalenderblatt.de/index.php?lang=de&what=ged&sdt=20040513. -- Zugriff am 2004-05-28]


1938



Abb.: Mander, s'isch Zeit. -- Nazi-Propagandapostkarte anlässlich des Einmarschs in Österreich. -- 1938

Erläuterung: "Mander, s'isch Zeit" war der Schlachtruf der Tiroler Freiheitskämpfers Andreas Hofer (1767 - 1810) in den Befreiungskriegen 1809.  Zur Zeit des Anschlusses Österreichs am 13. März 1938 war Österreich ein klerikal-faschistischer Ständestaat unter dem Jesuitenschüler (Stella Matutina, Feldkirch) Kurt Schuschnigg (1897 - 1977) (im Bild in der Mitte).



Abb.: Keine Karikatur, sondern Äußerung der vom Hl. Geist geleiteten Bischöfe Österreichs zur Abstimmung über den Anschluss Österreichs an Nazideutschland: Wahlplakat der NSDAP 1938. Was lernen wir daraus?: Folge immer den weisen Ratschlägen Deiner Bischöfe, dann kommst Du gewiss ins Unheil!


Abb.: "und Heil Hitler! †Th. Kard. Innitzer": Theodor Kardinal Innitzer (1875 - 1955), Erzbischof von Wien (seit 1932). -- Postkarte des "Katholischen Schulverein für Österreich". -- 1932/1938 [Bildquelle: http://www.aeiou.at/aeiou.history.docs/41033.htm. -- Zugriff am 2005-01-31]


Abb.: Begleitschreiben Seiner Eminenz, des hochwürdigsten Erzbischofs Theodor Kardinal Innitzer (später wird das natürlich alles harmlos geredet!). -- 1938-03-18


1945



Abb.: Mein Vorschlag für den vatikanischen  Heilig- und Seligsprechungskonzern: Ein Apostel christlicher Nächstenliebe: Bischof Dr. Alois Hudal, der Retter unzähliger Naziverbrecher.

Dieser österreichische Bischof schreibt in seinen Lebenserinnerungen über die 1945 beginnende für so viele Nazigrößen segensreiche Tätigkeit:

"Alle diese Erfahrungen haben mich schließlich veranlasst, nach 1945 meine ganze karitative Arbeit in erster Linie den früheren Angehörigen des NS und Faschismus, besonders den sogenannten "Kriegsverbrechern" zu weihen, die von Kommunisten und "christlichen" Demokraten verfolgt wurden, oft mit Mitteln, deren Methoden sich nur wenig von manchen ihrer Gegner von gestern unterschieden haben; obwohl diese Angeklagten vielfach persönlich ganz schuldlos, nur die ausführenden Organe der Befehle ihnen übergeordneter Stellen und so das Sühneopfer für große Fehlentwicklungen des Systems waren. Hier zu helfen, manchen zu retten, ohne opportunistische und berechnende Rücksichten, selbstlos und tapfer, war in diesen Zeiten die selbstverständliche Forderung eines wahren Christentums, das keinen Talmudhass, sondern nur Liebe, Güte und Verzeihung kennt und Schlussurteile über die Handlungen der eigentlichen Menschen nicht politischen Parteien, sondern einem ewigen Richter überlässt, der allein die Herzen, Beweggründe und letzten Absichten überprüfen kann.(..) Ich danke aber dem Herrgott, dass Er mir meine Augen geöffnet hat und auch die unverdiente Gabe geschenkt hat, viele Opfer der Nachkriegszeit in Kerkern und Konzentrationslagern besucht und getröstet und nicht wenige mit falschen Ausweispapieren ihren Peinigern durch die Flucht in glücklichere Länder entrissen haben."

"Wer waren nun diese armen, unschuldigen Verfolgten, die Hudal vor ihren Peinigern gerettet hat? Z.B. Adolf Eichmann, Leiter des Judenreferates im Sicherheitshauptamt, Hans Heffelmann, Angeklagter im Euthanasieprozess in Limburg 1964, Ante Pavelic, "Führer" des faschistischen Kroaten-Staates, der Eichmann-Mitarbeiter Erich Rajakowitsch, Walter Rauff, der "Erfinder" der fahrbaren Gaskammer, Franz Stangl, KZ-Kommandant von Treblinka und Sobibor. Immer wieder genannt wird auch, dass Gestapo-Chef Heinrich Müller unter den Geflüchteten gewesen sein könnte, doch ist dies (im Gegensatz zu den oben angeführten Beispielen) nicht nachweisbar, Müller gilt jedoch seit 1945 als verschollen.

Die "Rettung" dieser und vieler anderer Kriegsverbrecher und schwer belasteter Nazis bewältigte Hudal nicht allein, sondern konnte sich auf Vertrauensleute in vielen Klöstern stützen, die Hudals Schützlinge über die "Klosterroute" in Sicherheit brachten und sie mit Geld und falschen Papieren versorgten. Dazu standen als Quellen zur Verfügung: Flüchtlingspässe des Roten Kreuzes und der Caritas, argentinische Blankopässe, Pässe des Vatikans und des vatikanischen Flüchtlingsbüros, gefälschte Papiere aus Nazibeständen. An Geldmitteln konnten die Erlöse aus dem "Unternehmen Bernhard" (Geldfälschungsaktion der Nazis, falsche englische Pfund) verwendet werden, ebenso Mittel aus dem Bestand des Reichssicherheitshauptamtes (SS-Schatz), geringe Zuschüsse leistete auch die Kurie. insgesamt dürften ungefähr 50.000 Menschen auf diese Art zu einer "neuen Identität" gekommen sein, viele davon setzten sich nach Südamerika ab." [Quelle: http://www.freidenker.at/archiv/hudal.htm. -- Zugriff am 2004-12-25]

"HUDAL, Alois C., österreichischer Bischof, Bibelwissenschaftler, Dr. theol. et rer. bibl. * 31. Mai 1885 in Graz, † 13. Mai 1963 in Rom. Von 1896 bis 1904 Besuch des Fürstbischöflichen Gymnasiums in Graz, anschl. absolviert er von 1904-1908 ein Theologiestudium in Graz. Die Priesterweihe erfolgt am 19. Juli 1908 mit einem darauffolgenden Einsatz als Kaplan in Kindberg (1908-1911). Am 11. Januar 1911 Promotion zum Dr. theol. in Graz. 1911-1913 zum Studium in Rom. Dort wohnhaft im dt. Priesterkolleg S. Maria dell'Anima. 1913 erfolgt die zweite Promotion in Rom am päpstl. Bibel-Institut zum Thema: Die religiösen und sittlichen Ideen des Spruchbuches (1914 im Druck erschienen). 1914 habilitiert sich Hudal in Graz in den alttestamentlichen Bibelwissenschaften und wirkt als Privatdozent in diesem Fach. Von 1913-1916 als Subdirektor im Grazer Priesterseminar, gegen Ende des Ersten Weltkrieges als Feldkurat tätig. In dieser Zeit beschäftigt sich Hudal intensiv mit den Ostkirchen. Ergebnis ist das Werk über die "Serbisch-orthodoxe Nationalkirche" (1922). Ursprünglich sollte Hudal in Wien einen Lehrstuhl zu Liturgie, Leben und Verfassung der griechisch-slawischen Kirchen übernehmen. Dieser Lehrstuhl wurde jedoch nie eingerichtet. 1919 wird er deswegen außerordentlicher Professor für Altes Testament in Graz, ab 1923 daselbst ordentlicher Professor. In dieser Zeit Gründer der Leo-Gesellschaft in Graz, in deren Mittelpunkt eine christliche Kulturarbeit stand. Ebenfalls von Hudal ins Leben gerufen und durchgeführt wurden die Katholikentage in der Steiermark, zuletzt 1923 von ihm geleitet. Als Professor in Graz Mitherausgeber der "Beiträge zur Erforschung der orthodoxen Kirchen". Im Februar 1923 wird Hudal Vizerektor des deutschsprachigen Kollegs S. Maria dell'Anima in Rom, im gleichen Jahr noch wird er als Rektor berufen. Er ist bestrebt, das Kolleg zu einem geistigen Zentrum der Deutschen in Rom auszubauen, organisiert Vorträge und kulturelle Veranstaltungen und gründet einen deutschen Kirchenchor. 1933 wird Hudal zum Titular-Bischof von Ela ernannt und im selben Jahr durch den vatikanischen Staatssekretär Eugenio Cardinal Pacelli, dem späteren Papst Pius XII., zum Bischof geweiht. Später wird er zusätzlich mit dem Ehrentitel "Päpstlicher Thronassistent" belegt. 1937 erscheint in Wien seine Abhandlung Die Grundlagen des Nationalsozialismus. Das Buch erregt in Kirchenkreisen ebenso Anstoß wie auf Seiten der Nationalsozialisten, wiewohl Hudal gerade beide Seiten durch die Publikation einander näher bringen wollte. Das Buch verhindert letztlich Hudal weitere Karriere in der kirchl. Hierachie und führt schließlich 1952 zum Amtsverzicht auf das Rektorat des deutschen Priesterkollegs. Das Werk erscheint in Deutschland mit ausdrücklicher Genehmigung Hitlers, dem Hudal sogar eine persönliche Widmung als dem "Siegfried deutscher Größe" (Klee, 33) verfasst obwohl weite Kreise des Regimes die Gedanken Hudal für gefährlich halten. Das Werk steht in konsequenter Weiterführung der Überlegungen, die vom Verf. bereits in Rom, Christentum und deutsches Volk (1935) und Deutsches Volk und christliches Abendland (1935) niedergelegt wurden. Hudal sieht den Nationalsozialismus in einem historischen Zusammenhang mit dem "Heiligen Römischen Reich deutscher Nation". Dabei wehrt er sich gegen Radikalisierungen in der gesellschaftlichen Entwicklung, die den Katholizismus in seiner Substanz gefährden könnten. So müsse z.B. die Erziehung der Jugend den Konfessionen vorbehalten bleiben. Hudal strebt in seinen Ausführungen einen "wesenhaft christlichen Nationalsozialismus" (Grundlagen, 250) an, bei klarer Trennung der Politik (als Sache des Nationalsozialismus) und der Weltanschauung (als Aufgabe der Religion). Hudal beruft sich auf den Abschluss des Konkordates zwischen Deutschland und dem Vatikan, der in seiner Sicht einen solchen Ansatz legitimiert. Den Eintritt in den weltanschaulichen Bereich will er dem Nationalsozialismus verwehren, Übergriffe in diesen Bereich lehnt er ab. Solange der Nationalsozialismus allein politisch sozial motiviert bleibt, ruft Hudal zur Beteiligung auf. Sieht sich die nationalsozialistische Ideologie jedoch als Weltanschauung oder gar als Religionsersatz, dann habe die Kirche sie zurückzuweisen. Hudal spricht sich damit für eine bestimmte Ausformung des Nationalsozialismus aus. Er differenziert stark in der Einschätzung der Vertreter der NSDAP, wobei er sich insbesondere auf diejenigen stützen möchte, die ihrerseits einen Ausgleich mit den Kirchen suchen. Hudal sieht dabei jedoch die Grenzen kirchlicher Unterstützung dort, wo deren eigener Anspruch gefährdet wird. Ein wesentlicher gemeinsamer Sinn liegt für ihn in der Abwehr des "Ostbolschewismus" (Römische Tagebücher, 17). Für Hudal gibt es hier eine direkte Verbindung zwischen den Juden und dem Marxismus (Grundlagen 86, 92). - Er bedient damit die gängigen antisemitischen Ressentiments, indem er von der "Vormacht der Juden in akademischen Berufen" (Grundlagen, 87) spricht. Gegen Gesetze, "die das eigene Volkstum" aus Notwehr "gegen eine Überflutung fremder Elemente" (Grundlagen, 88) schützt, habe er nichts einzuwenden. Das Buch erfährt unterschiedliche Rezeptionen, wird aber letztlich sowohl von kirchlichen Vertretern als auch von nationalsozialistischen Stellen abgelehnt. Das NS-Regime vermutet in den Ausführungen Hudal eine gefährlich Unterwanderung. Die katholische Kirche verweist u.a. darauf, dass das Werk ohne kirchliches Imprimatur erschienen ist Hudal Mitgliedschaft im "Heiligen Offizium" in Rom und die Rücksicht auf die politische Situation in Deutschland verhindern jedoch eine öffentliche Indizierung des Werkes durch den Vatikan. Hudal scheitert so mit seinem Versuch, einen "modus vivendi zwischen N[ational]S[ozialismus] und den beiden christlichen Bekenntnissen im Reich vorzubereiten" (Römische Tagebücher, 116). Papst Pius XI. verweigert sich in mehreren Gesprächen Hudal Bestrebungen eines Brückenschlages zwischen Kirche und Nationalsozialismus und bricht den Dialog schließlich ab. 1945 verliert Hudal seine Professur in Graz aus politischen Gründen, erhält diese jedoch nach Auseinandersetzungen 1947 pro forma zurück. Nach 1945 beteiligt sich Hudal als Fluchthelfer auf der sogenannten "Rattenlinie" (engl. "rat-line"), auch "Klosterroute" genannt, auf der flüchtige Funktionäre des nationalsozialistischen Regimes durch Italien in "sichere" Drittländer geschleust wurden. Hier knüpft er Kontakte zu Führungsfiguren der NS-Zeit. Für den Bischof ist dies eine "karitative Arbeit" (Römische Tagebücher, 21) für diejenigen, die - in seinen Augen - "schuldlos [...] Sühneopfer für große Fehlentwicklungen des Systems waren" (ebd.). Er besorgt die notwendigen Ausweiskarten ("Carta di riconoscimento"), die die flüchtigen Funktionäre des nationalsozialistischen Regimes benötigten, um vorzugsweise nach Südamerika und Arabien zu gelangen. Ausgestellt wurden diese "Karten" vom "Österreichischen Bureau" in Rom, einer quasi-konsularischen Vertretung. Ebenso wurde die Flucht von kroatischen Faschisten unterstützt. 1952 schließlich verzichtet Hudal durch Zwang auf das Rektorat der Anima, und zieht sich in seine private Villa nach Grottaferrata bei Rom zurück. 1958 feiert er in Graz sein goldenes Priesterjubiläum. Damit verbunden ist sein letzter Aufenthalt in der Steiermark. Die Verleihung eines Goldenen Doktordiploms 1961 in Graz unterbleibt nach einer Pressekampagne gegen ihn. Hudal stirbt am 13. Mai 1963 in Rom. Er findet sein Grab auf dem deutschen Friedhof "Campo Santo Teutonico" neben der Peterskirche. Seine Memoiren, "Römische Tagebücher" genannt, erscheinen, wie von ihm selbst verfügt, posthum 1976 in Graz. In dieser Schrift versucht Hudal seine Gedanken und seinen Einsatz zu rechtfertigen - wiewohl er den Begriff der Rechtfertigung dezidiert ablehnt (Ebd. 14) - und beschreibt seine Auseinandersetzungen mit staatl. und kirchl. Stellen. In der Rückschau lehnt er den Nationalsozialismus in seiner konkreten Ausformung ab, bleibt jedoch seiner ursprüngliche Idee einer Verbindung von Christentum, Nationalismus und Sozialismus verhaftet "

[Quelle: Martin Lätzel. -- http://www.bautz.de/bbkl/h/hudal_a_c.shtml. -- Zugriff am 2004-12-25] 


1949



Abb.: Werner Klemke (1917 - ): Die Versuchung des heiligen Dibelius: "Ich widersage Dir ich widersage Dir ich widersage Dir und allen Seinen Werken!". -- DDR. -- 1949

Erläuterung:

"Dibelius, Otto
geb. 15.5.1880 Berlin; gest. 31.1.1967 Berlin
Vors. des Rates der EKD [Evangelische Kirche in Deutschland]

Dibelius wurde als Sohn eines Beamten geboren. Er studierte 1899 bis 1904 Theologie in Berlin. Er promovierte zum Dr. phil. und Lic. theol. und erhielt 1906 seine Ordination. 1907 bis 1925 wirkte er als Pfarrer u.a. in Danzig und Berlin-Schöneberg. 1918/19 war er als Geschäftsführer des Vertrauensrates beim preußischen Ev. Oberkirchenrat. Ab 1919 betätigte er sich politisch. Er trat der DNVP bei. Als Generalsuperintendent der Kurmark von 1925 bis 1933 hielt er die Festpredigt am 21.3.1933 (Tag von Potsdam), wenige Monate später vom NS-Kirchenkommissar beurlaubt, wurde er im Okt. 1933 in den Ruhestand versetzt. Danach arbeitete er ab 1934 im Bruderrat der Bekennenden Kirche mit. Mehrmals erhielt Dibelius Redeverbot und wurde wiederholt inhaftiert. 1945 übernahm er den Vorsitz im Brandenburgischen und altpreußischen Kirchenleitungsgremium. Er war Mitgl. des vorläufigen Rates der EKD und Mitverfasser des »Stuttgarter Schuldbekenntnisses« vom Okt. 1945. 1945 bis 1966 war er erster ev. Bischof von Berlin-Brandenburg, dessen Predigtstätte die Marienkirche in Ostberlin war. Dibelius war Vors. der Ostkirchenkonferenz, 1949 bis 1961 Vors. des Rates der EKD und 1954 bis 1961 einer der Präsidenten des Weltrats der Kirchen. Er war Mitgl. der CDU Westberlin. Er hielt die Festpredigt am 7.9.1949 anlässlich der Bundestagseröffnung in Bonn. Dibelius war entschiedener Kritiker und zugleich bis 1956 Verhandlungspartner der DDR-Regierung. Nach der Unterzeichnung des Militärseelsorgevertrags EKD-BRD 1957 erhielt er Einreiseverbot für die DDR-Bez. In seiner Schrift »Obrigkeit?« von 1959 stellte er die Legitimität von DDR-Staatsorganen in Frage und löste eine kontroverse kirchliche Debatte aus. Ab 1961 war sein Wirken faktisch auf Westberlin beschränkt. 1966 trat er in den Ruhestand."

[Quelle: Enzyklopädie der DDR : Personen, Institutionen und Strukturen in Politik, Wirtschaft, Justiz, Wissenschaft und Kultur ; mit zahlreichen Statistiken, Strukturplänen, Graphiken und Karten / Mathias Bertram (Projektleitung) ... -- Berlin : Directmedia Publ., 2000. -- 1 CD-ROM. --(Digitale Bibliothek ; Bd. 32). -- ISBN: 3-932544-44-7. -- s.v.]

[Bildquelle: Piltz, Georg: Geschichte der europäischen Karikatur. -- Berlin : Deutscher Verlag d. Wiss., 1976. -- 328 S. : 310 Ill. ; 28 cm. -- S. 300]


1950



Abb.: Victor Kuron-Gogol (1896 - 1952): Er zieht das Rheinland dem "unzivilisierten" Preußen vor — Deutschland muss sich zur christlichen Religion des Westens bekennen — Er hat eine tiefe Abneigung gegen den Sozialismus (So berichtet die amerikanische Zeitschrift "Time" über Adenauer). -- In: Ulenspiegel : Zeitschrift für Literatur, Kunst und Staire. -- Berlin. -- 1950-03-02

[Bildquelle: Ulenspiegel : Zeitschrift für Literatur, Kunst u. Satire 1945 - 1950 / ausgew. u. hrsg. von Herbert Sandberg u. Günter Kunert. -- Berlin : Eulenspiegel-Verlag, 1978. -- 251 S. : zahlr. Ill. ; 30 cm. -- S. ]


1966



Abb.: Bucheinband / von Paul Flora (1922 - ). -- 1966


2000



Abb.: Weltethiker, Irakkriegshetzer und Menschenrechtsverletzer, Katholik Tony Blair mit seinem Kumpanen George W. Busch, allerchristlichster Herrscher von Gottes eigener Nation [Bildquelle: http://www.almostaproverb.com/saddam.html. -- Zugriff am 2004-12-25; Fotomontage. Alois Payer, 2004]

Juni 2000-06-30:  Der englische Premiereminister Tony Blair hält in Tübingen die Erste Weltethos-Rede zum Thema Global Politics and Global Ethic.


2002


Juli 2002:


Abb.: Gegen-Militärbischof

"Gegen-Militärbischof geweiht  

Durch die maritime Priesterinnenweihe, die vergangene Woche auf der Donau stattfand [Bezieht sich auf die Priesterinnenweihe auf einem Donauschiff am 2002-06-29], fühlte sich der Arbeitslose Rudolf Renegatinger 34 angeregt, ebenfalls ein kirchliches Amt anzustreben. Er wurde in einer feierlichen Zeremonie, von einer anonym bleibenwollenden Priesterschaft zum Gegen-Militärbischof von Österreich geweiht.

Der sympathische Neo-Kleriker, auf unserem Foto mit seinem Messdiener "Samstag", gab an, lediglich Granatäpfel, Schwedenbomben, Panzerschränke und Erdgeschosse zu segnen.

Ein Beispiel das sich auch der offizielle "noch" Militärbischof Msgr. Christian Werner sehr zu Herzen nehmen sollte.

Seine einzige Stellungnahme gegenüber dem Most Anzeiger zeigt überdeutlich wie hilflos die verbohrten Dogmatiker mit solchen Situationen umgehen: "Ich bitt' Sie, das geht doch nicht!""

[Quelle: http://www.mostanzeiger.at/html/archiv/gegenbischof.htm. -- Zugriff am 2004-06-20]


2003



Abb.: ¿Religión en la escuela? No, gracias. (Religion in der Schule? Nein, danke.). -- Spanien. -- 2003 [Bildquelle: http://www.profesionalespcm.org/_php/CargaIndice.php?idSeccion=32. -- Zugriff am 2004-12-27]


2004



Abb.: Leider keine Karikatur, sondern heutige Wirklichkeit; "Helm ab zum Gebet" bei der deutschen Bundeswehr [Bildquelle: http://www.streitkraeftebasis.de/C1256C290043532F/vwContentFrame/612E7C72ED5C77AFC1256E05004CDD76. -- Zugriff am 2004-06-20]

Religion und Militär:  Auch im Jahr 2004 wird beim großen Zapfenstreich der Bundeswehr in unserem angeblich säkularen Staat "Helm ab zum Gebet" und dann "Ich bete an die Macht der Liebe" gespielt. Dies ist eine Realsatire, die die Staatskirchen natürlich mögen, denen eine Trennung von Staat und Kirche sowieso nicht passt.

"Im Laufe der Zeit wurde es üblich, das Zeichen zur Nachtruhe auch in musikalischer Form zu geben. Bei der Kavallerie geschah dies durch Trompetensignale (die „Retraite“), bei der Infanterie durch besondere Spielstücke für Flöte und Trommel. Das heute übliche Zeremoniell des Großen Zapfenstreichs geht auf die Befreiungskriege (1813 - 1815) zurück. Aus dieser Zeit stammt der Brauch, dem Zapfenstreich ein kurzes Abendlied folgen zu lassen. König Friedrich Wilhelm III befahl unter dem Eindruck eines Brauches in der Russischen Armee im August 1813 auch bei seinen Truppen nach dem Zapfenstreich ein Gebet. Auf dieser Grundlinie (Locken – Zapfenstreich – Gebet) stellte Friedrich Wilhelm Wieprecht, der legendäre Wegbereiter deutscher Blas- und Militärmusik, die noch heute gültige Form des Großen Zapfenstreiches zusammen. Er erklang auf diese Weise mit 1200 Mitwirkenden erstmalig am 12. Mai 1838 in Berlin als Abschluss eines Großkonzertes zu Ehren des russischen Zaren. Die damals erklungene Spielfolge umriss bereits ein Konzept, das bis zum Jahre 1918 zwar vielerorts variiert wurde, sich aber wie ein roter Faden bis zum heute verbindlichen Ablauf durchzieht:
  • Locken zum Zapfenstreich (Spielleute)
  • Zapfenstreichmarsch (Spielleute und Musikkorps)
  • Retraite (die 3 Posten des traditionellen Zapfenstreiches der berittenen Truppen, Musikkorps)
  • Zeichen zum Gebet (Spielleute)
  • Gebet (Spielleute und Musikkorps)
  • Abschlagen nach dem Gebet (Spielleute)
  • Ruf nach dem Gebet (Musikkorps)
  • Seit 1922 endet der Große Zapfenstreich mit der
    Nationalhymne."

[Aus einer offiziellen Broschüre der Bundeswehr: http://www.bundeswehr.de/misc/pdf/broschueren/zapfenstreich.pdf. -- Zugriff am 2004-06-20]

Text: Gerhard Tersteegen 1697-1769
Melodie: Dmytri Bortniansky, 1822 (1751-1825) 

Für Melodie "Ich bete an ..." hier drücken

[Quelle der midi-Datei: http://ingeb.org/spiritua/ichbetea.html.  -- Zugriff am 2004-10-21]

Ich bete an die Macht der Liebe,
Die sich in Jesu offenbart;
Ich geb' mich hin dem freien Triebe,
Wodurch ich Wurm geliebet ward;
Ich will, anstatt an mich zu denken,
Ins Meer der Liebe mich versenken.

2. Für Dich sei ganz mein Herz und Leben,
Mein süßer Gott, und all mein Gut!
Für Dich hast Du mir's nur gegeben;
In Dir es nur und selig ruht.
Hersteller meines schweren Falles,
Für Dich sei ewig Herz und alles!

3. Ich liebt und lebte recht im Zwange,
Wie ich mir lebte ohne Dich;
Ich wollte Dich nicht, ach so lange,
Doch liebest Du und suchtest mich,
Mich böses Kind aus bösem Samen,
Im hohen, holden Jesusnamen.

4. Des Vaterherzens tiefste Triebe
In diesem Namen öffnen sich;
Ein Brunn der Freude, Fried und Liebe
Quillt nun so nah, so mildiglich.
Mein Gott, wenns doch der Sünder wüsste!
- sein Herz alsbald Dich lieben müsste.

5. Wie bist Du mir so zart gewogen,
Wie verlangt Dein Herz nach mir!
Durch Liebe sanft und tief gezogen,
Neigt sich mein Alles auch zu Dir.
Du traute Liebe, gutes Wesen,
Du hast mich und ich Dich erlesen.

6. Ich fühls, Du bist's, Dich muss ich haben,
Ich fühls, ich muss für Dich nur sein;
Nicht im Geschöpf, nicht in den Gaben,
Mein Ruhplatz ist in Dir allein.
Hier ist die Ruh, hier ist Vergnügen;
Drum folg ich Deinen selgen Zügen.

7. Ehr sei dem hohen Jesusnamen,
In dem der Liebe Quell entspringt,
Von dem hier alle Bächlein kamen,
Aus dem der Selgen Schar dort trinkt.
Wie beugen sie sich ohne Ende!
Wie falten sie die frohen Hände!

8. O Jesu, dass Dein Name bliebe
Im Grunde tief gedrücket ein!
Möcht Deine süße Jesusliebe
In Herz und Sinn gepräget sein!
Im Wort, im Werk, in allem Wesen
Sei Jesus und sonst nichts zu lesen


Am 2004-10-03 wird Seine kaiserliche Majestät Karl I. von Österreich von seiner Heiligkeit Papst Johannes Paul II. seliggesprochen. Diese Tat ist eine solche Verhöhnung ungezählter unter seinem militärischem Oberkommando gefallener, getöteter, vergaster und verwundeter Menschen, dass eine Satire nicht möglich ist. Pfui Teufel dem Papst und seinen reaktionärem Anhang! (Ich weiß, wovon ich spreche: Mein Vater (geboren 1884) hat noch diesem Kaiser treu als Leibgardist gedient):


Abb.: Heiligenbildchen



Abb.: Warum Alois Payer empfiehlt, CDU zu wählen: CDU-(Ex)-Parteisekretär und Obermoralist der Nation Laurenz Meyer. -- 2004-12-23

[Fotovorlage für die Bildmontage: http://www.laurenz-meyer.de/download/wahlkreis069.jpg. -- Zugriff am 2004-12-23]


2005


2005-01-19


Abb.: "auf Basis des christlichen Menschenbildes" gerichtlich beanstandetes Buch

Europäisch-christliche Leitkultur (tolerant wie schon immer): Der oberösterreichische Karikaturist und Zeichner Gerhard Haderer ist am Mittwoch in Griechenland in Abwesenheit für sein Buch "Das Leben des Jesus" wegen Verletzung des öffentlichen Anstandes und religiöser Gefühle zu sechs Monaten Haft verurteilt worden. Ersatzweise ist aber auch eine Tilgung durch eine Geldstrafe möglich. Die Höhe war vorerst nicht bekannt.

Zum Vergleich: Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Berliner Landesbischof Wolfgang Huber kann sich einen EU- Beitritt der Türkei zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorstellen. „Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass sich eine EU mit der Türkei als Mitglied zu einer Freihandelszone entwickelt", sagte Huber dem Berliner "Tagesspiegel am Sonntag". Angestrebt sei aber eine Vertiefung der Europäischen Union. Dafür müsse die kulturelle Zusammengehörigkeit und Identität gestärkt werden auf Basis des christlichen Menschenbildes, das sich mit dem europäischen Verfassungsvertrag verbinde. Die Türkei könne dafür kein Baustein sein. Huber lehnt einen Beitritt der EU auch deshalb ab, weil die „Liste der Defizite in der Türkei im Bereich der Religionsfreiheit, der Gleichstellung von Mann und Frau oder der Minderheitenrechte beachtlich ist". (2005-01-15)


2005-01-20


Abb.: Bush wurde von Gott angerufen

[Fotovorlage für die Montage: http://radio-canada.ca/nouvelles/actualite/attentat/jour3.html. -- Zugriff am 2005-01-21]

Gotteskämpfer Georg W. Bush wird zum zweiten Mal als Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt. Er sagte zuvor: "Wir haben einen Ruf von der anderen Seite der Sterne, uns für die Freiheit einzusetzen. Amerika wird diesem Prinzip immer treu bleiben." Auch eine meiner Tanten hatte regelmäßig Rufe von der anderen Seite der Sterne. Sie galt allerdings als geisteskrank.


2005-01-22


Abb.: Karl Kardinal Lehmann

[Bildvorlagen für die Montage: http://home.t-online.de/home/karl-heinzbecker/diakon5.htm. -- Zugriff am 2005-01-24; http://www.wdr.de/themen/freizeit/brauchtum/karneval_2005/session/_themen/orden_wider_tierischen_ernst/index.jhtml?rubrikenstyle=karneval_2005. -- Zugriff am 2005-01-24] 

Der Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann erhält den närrischen "Orden wider den tierischen Ernst" 2005 erhalten. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz wird damit der 55. Ritter des Aachener Karnevalsvereins.

Neue Hymne der Deutschen Bischofskonferenz


2005-04-22

Die Berliner Senatspläne zur Einführung von Werteunterricht als Pflichtfach haben erneut heftigen Widerspruch in der evangelischen Kirche hervorgerufen. Der richtige und zugleich mehrheitsfähige Weg sei die Einführung von Bekenntnisunterricht als ordentliches Lehrfach, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland und Berliner Bischof Wolfgang Huber vor der Synode der Landeskirche am 22. April in der Bundeshauptstadt.

Ein Vorschlag zur Einigung:


Abb.: Wochen-Lektionsplan für eine 4-klassige Kommunal-Armenschule in Berlin im Jahre 1827

"Lehrplan der „Communal-Armenschule" 1827:
  1. Religionslehre (Bibelkunde und Katechismuslehre) streng nach den positiven Wahrheiten des Christentums ertheilt.
  2. Deutsche Sprache:
    1. in Hinsicht auf Bildung des Sprach- und Denk-Vermögens;
    2. in Bezug auf deutliches und verständiges Lesen und Rechtschreiben;
    3. in Rücksicht auf die allgemeinsten Regeln der Sprache und auf eine angemessene Fertigkeit im mündlichen und schriftlichen Ausdrucke.
  3. Die Zahlenlehre, und hierauf gegründet das praktische Rechnen (die Lehre von den Brüchen und die Lehre von dem Dreisatz mit eingeschlossen.)
  4. Das Schönschreiben.
  5. Die Gesanglehre, vornehmlich zur mehrstimmigen Einübung der Kirchenmelodien.

Zu diesen unerläßlichen Lehrgegenständen sollen hinzutreten.

  1. Für die obern Knabenklassen.
    1. die allgemeinsten Anfangsgründe der Naturkunde, der Geographie und der Geschichte in besonderer Beziehung auf den preußischen Staat.
    2. die Anfangsgründe der Form- und Maaßverhältnißlehre, in Verbindung mit Uebungen im Zeichnen zur Bildung des Sinnes für die Raumverhältnisse.
  2. Für die Mädchenschulen.

    Unterweisungen in den einfachsten Handarbeiten. (Stricken, Stopfen, Nähen, Wäsche zeichnen).

Aus: Genehmigter Plan für die Einrichtung des städtischen Armenschulwesens in Berlin, S. 183 f.

[Quelle: Ein Bilder-Lese-Buch über Schule und Alltag : Berliner Arbeiterkinder, von d. Armenschule zur Gesamtschule, 1827 bis heute ; [Ausstellung vom 13. September - 13. Dezember 1981 in Räumen d. Schule Klixstr. 6 - 7, Berlin (Schöneberg)] / hrsg. von d. Arbeitsgruppe Pädag. Museum durch Georg Rückriem ... Bildred. u. Gestaltung Gesine Asmus. [Buch zur Ausstellung, Red. u. Bildkommentare: Georg M. Rückriem ...]. -- Berlin West : Elefanten Press, 1981. -- 304 S. : zahlr. Ill., graph. Darst., Kt. ; 28 cm. -- (EP ; 65). -- ISBN 3-88520-065-1. -- S. 30, 47]


2005-04-20


Abb.: "Wir sind Papst". Mein Lebenstraum ist in Erfüllung gegangen, laut Bildzeitung bin ich, Alois Payer, Papst!


2006


2006-01-27


Abb.: Seine Exzellenz Bischof Dr. Gebhard Fürst (Geboren 1948), Spezialist für salbungsvolle Reden über christliche Vergebung
(Bildvorlage: Pressefoto Diözese Rottenburg-Stuttgart)

Der Baden-Württembergische Sozialminister Andreas Renner muss wegen Gotteslästerung (oder war es Majestätsbeleidigung) zurücktreten. Im Streit mit führenden Kirchenvertretern über seine Schirmherrschaft für die Schwulenparade "Christopher Street Day" vor einem halben Jahr soll Renner zum Rottenburg-Stuttgarter Bischof Dr. Gebhard Fürst gesagt haben: "Halten Sie sich da raus. Fangen Sie doch erst einmal damit an, Kinder zu zeugen." Der Minister bestätigte den Disput, erklärte aber, er habe lediglich gesagt: "Dann lassen Sie erst mal zu, dass Priester Kinder zeugen."

Wir warten gespannt auf die nächsten salbungsvollen Worte von seiner Exzellenz Dr. Fürst zu christlicher Nächstenliebe, Vergebung und Verzeihen.


Abb.: Gotteslästerer und Schwulenfreund Andreas Renner (geb. 1959)
(Bildvorlage: Pressefoto Regierung Baden-Württemberg)


Nicht genau Datiertes (Todesdatum der Autoren ab 1900)


Friedrich Wilhelm Fritzsche (1825 - 1905): Reißt die Götter von dem Throne

Um echten Ruhm dir zu erringen,
Der von der Selbstsucht Schlacke frei,
Musst du mit jenem Riesen ringen,
Den großgesäugt die Tyrannei.
Die Gottheit kämpft mit ihm vergebens,
Weil er in ihren Diensten steht
Und mit dem Ende seines Lebens
Ihr Himmelreich in Trümmer geht.

Es ist der Unverstand der Massen,
Des Aberglaubens Riesensohn,
Willst du ihm nach dem Leben fassen,
Dann reiß die Götter erst vom Thron,
Die du im Herz bisher geborgen,
Befrei dich von des Glaubens Druck;
Musst dich um Hass und Schimpf nicht sorgen,
Sie sind des Ruhmes schönster Schmuck.


Ernst Ziel (1841 - 1921): Erbärmlich Geschlecht

Es soll mit der Zeit die Schule gehn,
mit ihr, der vorwärts winkenden,
am Born des Lichtes trinkenden.
Sie soll der Zeit die Spule drehn,
der werdenden, nicht der sinkenden.

Ein Saatfeld soll sie, breit gepflegt,
für dieser Tage Samen sein,
solls in der Zukunft Namen sein.
Und dass sie zu Bürgern der Zeit uns prägt,
das soll ihr tägliches Amen! sein.

Ihr aber, Kathederzöpfe dumpf,
ihn ganz in Scholastik Verlorenen
und drum von den Schwarzen Erkorenen,
ihr macht die schärfsten Köpfe stumpf,
die zu was Besserm geborenen.

Die Bibel ist wohl ein gutes Buch,
doch wie sie noch immer zünftig ist
wir wollen nicht, dass sies künftig ist!
Es zieht uns mächtig des Blutes Zug:
zu glauben, was vernünftig ist.

Zuviel ist in Griechisch, Latein geschehn;
gebt uns statt Totem Lebendiges,
gebt uns Modernes, Verständiges,
und wollt euch endlich eingestehn:
im Leben regiert Notwendiges!

Drum tut vor allem die Pfaffen ab
im Lehramt hoch und niederig,
die Paffen glatt und widerig!
Tut ab, tut die Schlaraffen ab,
die Spinnen tausendgliederig!

Ihr seid fürwahr ein erbärmlich Geschlecht,
ihr ewig lateinisch Leimenden,
ihr credo mit cedo1 Reimenden!
Ihr knetet die Geister ärmlich zurecht
und mordet den Geist, den keimenden.

Der Same, den ihr in die Massen streut,
erzieht uns den kriechenden Kämmerling,
den ganz verkirchlichten Dämmerling.
Schon reichen sich auf den Gassen heut
die Hände nur Schwächling und Jämmerling.

Und meint ihr, es solle so weiter gehn?
Uns lebt ein freiheitsforderndes,
ein heißes Jahrhundert, ein loderndes.
In Flammen wird bald die Scheiter stehn,
die Faules verzehrt und Moderndes.

Nicht steht, was geistig, hienieden still,
und jocht ihrs mit Priestern und Gnädigen,
so wird es die Faust erledigen.
Und dies soll, wer da Frieden will,
auf allen Märkten predigen.

Erläuterungen:

1 credo (lateinisch): ich glaube, cedo (lateinisch): ich weiche



Abb.: "Sag, Marianne [= Frankreich], für wen willst du dich entscheiden?" — "Für dich alten Schmutzian sicher nie mehr!". -- Karikatur von Léon-Adolphe Willette (1857 - 1926)

[Quelle: Fuchs, Eduard <1870 - 1940>: Die Karikatur der europäischen Völker vom Jahre 1848 bis zur Gegenwart. -- Berlin : Hofmann, 1903. -- 486 S. : Ill. -- S. 376]


Ernst Klaar (1861 - 1920): Oben und Unten

Die Fürstin von Karfunkelstein
Soll nächstens in die Wochen kommen,
Drum beten rings im ganzen Land
Andächtig alle wahren Frommen.

Und dass ihr nicht die Niederkunft
Etwa mach allzuviel zu schaffen,
Wird Sonntags von den Kanzeln gar
Gebetet von feisten Pfaffen.

Wenn eine Fürstin abortiert,
Wir außer Pfaff und Mediziner
Der Herrgott selbst mobil gemacht,
Als der Durchlaucht ergebner Diener.

Doch kommt ein Proletar zur Welt,
Und liegt ein armes Weib in Wehen,
Da schweigt der Mucker und der Pfaff,
Da pflegt kein Hahn darnach zu krähen.

Und wenn am Straßenrain verdirbt
Die Mutter im zerlumpten Kleide,
Da schimpft man auf das "Bettelweib"
Und geht verächtlich auf die Seite.


Karl Henckell (1864 - 1929): Te Deum1

Der edlen Bekämpferin des Massenmordes, Bertha von Suttner2, gewidmet.

Glutsommer Siebzig3. Spichrer4 Höhen dampften,
Kanonen heulten. Schwerschwadronen stampften.
Die Leiber zuckten in den Ackergrund,
Entsetzen atmete der Erde Mund.
Blut floss, als sei schon Rotwein-Kelterzeit:
Ha, Herrscherhochzeit! Purpurfeierkleid!
Und Zug auf Zug, branntweinbefeuert, stürmt.
Hurra und Vorwärts! Leichen aufgetürmt!
Zehntausend Nummern wenger oder mehr.
Hurra! du preußisches, du tapfres Heer!

Genommen! Sieg! Der Abend fällt hernieder
Und küsst mitleidig die erstarrten Glieder.
Halbtote lechzen in die laue Luft,
In ihre Nase wittert Leichenduft,
Die roten Kreuze bahren auf, verbinden
Und hören Sterbeseufzer sich entwinden.
"Mein Weib, mein armes, o mein armes — ah!"
Der Rumpf schlägt hin. Hurra Germania!

Te Deum! Trommeln thronen den Altar.
Die Bibel offen. Feldprobst im Talar.
Die schwachen Bataillone rund rangiert.
"Helm in die Hand!" Der Hauptmann kommandiert.
Der Feldprobst räuspert sich: "O du da droben,
Lass deinen unerforschten Ratschluss loben!
Der heilgen Sache hast du Sieg gewährt
Und deinen Willen wunderbar erklärt.

Wir danken dir, du höchster Herr der Welt,
Dass du des Erbfeinds Höllenplan zerschellt.
Sei fürder mit uns! Segne du den Kaiser
Und alle angestammten Fürstenhäuser!
Lass deine Gnade aufgehn über Allen,
Insonderheit für die, so heut gefallen!
Für dich sind sie geboren in den Tod.
Gott sei und gnädig! Hilf aus aller Not!"  — —
Die Mannschaft sing: "Herr Gott, dich loben wir!"
— "Helm auf!" — Die Leute rücken ins Quartier.

Jenseits im Tale ward zur selben Zeit
Dem Gott Napoleons der Dienst geweiht.
Matt, knielahm stehn sie mit gesunknem Blick
Und denken an ihr trauriges Geschick.
Im Stillen ballt und krampft sich manche Faust,
Indes der düstere Choral erbraust.
Le prètre5 aber faltet seine Hände:
"Mon Dieu!6 gib, dass sich morgen Alles wende!
Fleuch du dem kaiserlichen Aar voraus
Und stoß das Geiertier in Nacht und Graus!
Gott segne, segne unser Herrscherhaus!
Ich weiß, du wolltest uns gewiss erst prüfen.
Nun leih uns Sieg! wir schrein aus Herzenstiefen."
Mit opferdumpfer Todergebung ziehn
In ihr Gelass die dünnen Kompanien.
— — — — —

Erläuterungen:

1 Te Deum (lateinisch): Herr Gott, dich loben wir

2 Bertha von Suttner

"Suttner, Berta von, Schriftstellerin, geb. 9. Juni 1843 in Prag als Tochter des österreich. Feldmarschalleutnants Franz Grafen Kinsky, verheiratete sich 1876 mit dem Freiherrn Artur Gundaccar von Suttner (geb. 21. Febr. 1850 in Wien, auch Schriftsteller, gest. 10. Dez. 1902 auf Schloss Harmansdorf in Niederösterreich), verbrachte mit ihm nahezu zehn Jahre in Tiflis und lebt in Wien als Vizepräsidentin des Internationalen Friedensbureaus. Von ihren zahlreichen Erzählungen nennen wir: »Ein Manuskript« (Leipz. 1885), »High Life« (Münch. 1886), »Erzählte Lustspiele« (Dresd. 1889) und insbes.: »Die Waffen nieder. Eine Lebensgeschichte« (das. 1889, 2 Bde.; 38. Aufl. 1907; Volksausg. 1902). Mit diesem stellenweise sehr packend, im ganzen zu breit geschriebenen Roman suchte Suttner die von England und Amerika aus verbreitete Friedensidee auch in Deutschland und Österreich in Fluss zu bringen und begründete damit ihren literarischen Ruf. Sie trat an die Spitze des Wiener Vereins der Friedensfreunde und gab 1892-1899 (8 Bde.) in Dresden eine Monatsschrift »Die Waffen nieder!« (Organ des internationalen Friedensbureaus in Bern) zur Verbreitung seiner Tendenzen heraus. Erwähnenswert sind noch ihre Schriften »Das Maschinenalter« (3. Aufl., Zürich 1899), in der sie einen Staatsroman nach modern-materialistischer Anschauung entwirft, »Die Haager Friedenskonferenz«, Tagebuchblätter (Dresd. 1900, 2. Aufl. 1902), der Roman »Marthas Kinder« (eine Fortsetzung zu »Die Waffen nieder!«, das. 1903; Volksausg. 1906), »Der Krieg und seine Bekämpfung« (Berl. 1904), »Randglossen zur Zeitgeschichte« (Kattowitz 1906); »Stimmen und Gestalten« (Leipz. 1907). Ihre »Gesammelten Schriften« erscheinen in Dresden (1906 ff., 12 Bde.)."

[B. von Suttner starb 1914]

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

3 1870, d.h. im Deutsch-französischen Krieg

4 Der Sturm auf die Spicherer Höhen (bei Saarbrücken an der Grenze zu Frankreich) am 6.8.1870: die Truppen der ersten und zweiten deutschen Armee erstürmen die Spicherer Höhen und schlagen das Korps Frossard. Heute befindet sich dort der Deutsch-Französiche Kultur- und Naturpark Spicheren


Abb.: Spicherer Höhen. -- (Die Geschichte vom tapferen Hans). -- Stollwerck-Schokolade-Sammelbilder

[Bildquelle: Gross, Claus-Peter:  ... verliebt ... verlobt ... verheiratet ... : 1871 - 1918 ; unter Adlers Fittichen ; [Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung in Berlin u. Bielefeld]. -- Berlin : Arenhövel,1986. -- 411 S. : zahlr. Ill. (z.T. farb.) ; 26 cm. -- ISBN 3-922912-17-6. -- S. 366]

5 Le prètre (französisch): Der Priester

6 Mon Dieu  (französisch): Mein Gott



Abb.: Mariannes Spiel mit der Puppe

[Bildquelle: Kind, Alfred <1876-1927>: Die Weiberherrschaft in der Geschichte der Menschheit. -- München : Langen [1913]. -- 3 Bde. -- Bd.1. -- S. 210]



Abb.: Mariannes Fußtritt. -- Karikatur von Jean Veber

[Bildquelle: Kind, Alfred <1876-1927>: Die Weiberherrschaft in der Geschichte der Menschheit. -- München : Langen [1913]. -- 3 Bde. -- Bd.1. -- S. 176]


Karl Kaiser (1868 - ): Sultan Mahmud

In dem heilgen Hain von Sumnat1,
In dem Tempel der Brahminen2,
Glotzt das Götzenbild verwundert
Mit den Augen von Rubinen.

Lanzen blitzen in der Halle,
Schwerter klirren auf den Steinen;
Vor dem Götzen steht als Sieger
Sultan Mahmud3 mit den Seinen.

Die Brahminen sind geflohen
Mit dem Heer von Bajaderen4;
Grimmig lehnt der tapfre Sultan
Auf der Streitaxt, auf der schweren.

Und er lacht und streicht den Bart sich;
"Bei dem Barte des Propheten!
"Schone unsren Gott!" so haben
Die Brahminen mich gebeten!

Riesge Schätze boten sie mir,
Für den Kerl dort mit dem Bauche.
Streitaxt, zeige! dass ich keine
Götzendienerschätze brauche!"

Allsogleich den Bauch des Götzen
Spaltet er mit einem Schlage
"Allah!" schrien erstaunt die Krieger,
"Welches Wunder tritt zu Tage!"

Aus der Wunde blitzend springen
Perlen, Schmuck und Edelsteine,
Märchenhafter Reichtum flutet
Funkelnd um die Türkenbeine,

— Wieder lacht und streicht den Bart sich
Der Besieger der Brahminen:
"Ha! bei dem alleinigen Gotte,
Welchem alle Geister dienen!

Nicht umsonst war dieser Holzklotz
Dem Brahminenpack so wichtig,
Dieser Dickbauch, dem zweitausend
Indierdörfer steuerpflichtig!

Nicht umsonst warn sie von seinem —
Innern Wert so tief durchdrungen!"
Auf, ihr Krieger, packt die Bissen,
Die der Götze hat verschlungen!"

— Mahmud riefs — und seine Krieger
Stürzten jauchzend auf die Beute;
Geld kam damals reichlich unter
Die bedürftgen Türkenleute! — . . . .

Mahmud war ein braver Sultan:
Für das Volk riss er die toten
Schätze aus dem Bauch des Götzen,
Plünderte er die Pagoden.

In dem Jahr Eintausend-dreißig5
Schied Held Mahmud aus dem Leben,
Heute noch nennt Indiens Klerus
Seinen Namen nur mit Beben.

Mahmud war ein großer Sultan —
Und noch größrer Pfaffenfresser,
Doch das Säkularisieren5,
Das verstanden andre besser.

Denket nur an jene deutschen
Fürsten, jene Glaubenshelden,
Die sich in den Dienst der reinen
Reformierten Lehren stellten.

Nach der Kirche Bauch zwar sah man
Gleichfalls sie zum Schlag ausholen,
Doch den Inhalt weislich haben
Sie dann stets für sich — säkularisiert!

Erläuterungen:

1 Sumnath: Somnath: Der große Tempel von Somnath an der indischen Westküste wurde von Mahmud von Ghazni nach einem denkwürdigen Gewaltmarsch durch die Wüsten Rajputanas geplündert. Mahmuds Chronisten berauschen sich an dem Bild, wie er in Somnath und anderswo die Ungläubigen hinstreckt »wie einen Teppich auf den Boden, als Speise für wilde Tiere und Vögel«.

2 Brahminen = Brahmanen: Angehörige des geistlichen Standes der Inder

3 Mahmud: Mahmud von Ghazni (998 bis 1030): muslimischer Eroberer Nordwestindiens, schuf ein riesiges Reich, das sich vom Kaspischen Meer bis ins Panjab erstreckte.

4 Bajaderen: indische Tempeltänzerinnen, die zugleich Prostitution treiben. Das Wort »Bajadere« stammt aus dem Portugiesischen, und zwar aus »bailadeira« (tanzen). In Indien selbst werden sie "Nautsch" genannt.

5 1030: Todesjahr von Mahmud von Ghazni

6 Säkularisation

"Säkularisation (lat., »Verweltlichung«; über die Wortbedeutung vgl. Säkulum), die vom Staat einseitig vorgenommene Umwandlung geistlicher Länder, Güter und Rechte in weltliche. Das Recht hierzu suchte man wohl zuweilen aus dem sogen. Dominium eminens, d.h. dem Obereigentum des Staates, herzuleiten, das ihm das Recht gab, in Fällen höchster Not ohne Entschädigung sich Privateigentum zuzueignen. Richtiger ist es, die Säkularisation als einen durch politische Verhältnisse gebotenen Not- und Zwangsakt des Staates aufzufassen. So fand in Deutschland zur Entschädigung weltlicher Fürsten eine Säkularisation infolge des Westfälischen Friedensschlusses 1648 statt, auf Grund dessen die geistlichen Stifter Magdeburg, Halberstadt, Bremen, Minden, Schwerin etc. in weltliche Länder und Besitzungen verwandelt wurden. Die zweite war das Ergebnis des Lüneviller Friedens vom 9. Febr. 1801, in dessen Ausführung der Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Febr. 1803 ergangen ist. Mit wenigen Ausnahmen wurden sämtliche reichsunmittelbare Güter der katholischen Kirche in Deutschland (23 Bistümer: Brixen, Trient, Salzburg, Eichstätt, Würzburg, Bamberg. Freising, Augsburg, Passau, Hildesheim, Paderborn, Osnabrück, Lübeck, Fulda, Korvei, Konstanz, Speyer, Basel, Straßburg, Mainz, Worms, Trier und Köln) säkularisiert, und die in den Territorien gelegenen mittelbaren Kirchengüter der Disposition der Landesherren überwiesen. In Frankreich hatte 1789 die Nationalversammlung sämtliche Kirchengüter für Nationaleigentum erklärt. Das neueste Beispiel der Säkularisation bietet die Annexion des Kirchenstaates 1870 dar, nachdem schon zuvor, 1860, ein Teil des letztern und die meisten Klöster nebst deren Gütern in den damals von Italien annektierten Landesteilen säkularisiert worden waren."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


Karl Kaiser (1868 - ): Das moderne Raubnest

Holla! Torwacht! Feind im Nacken!
Rasseln lässt der Pfaff die Brück
und der Junker mit der Beute
zieht sich hinter "Gott" zurück!  —


Karl Kaiser (1868 - ): Die Epigonen1


Abb.: Kein Epigone, sondern ein neuer Bernhard von Clairvaux und Kreuzritter

: George W. Bush [Bildquelle: http://www.forever-love.net/bildergalerie_antibush_2.html. -- Zugriff am 2004-11-23]

Sie fühlten das Bedürfnis,
Ich glaub es ihnen gern,
Die Religion zu schirmen,
Die frommen, schwarzen Herrn.
Sie möchten einen Kreuzzug
Für "Sitte, Religion!"
Sie hetzen auf die Ketzer
Wie einst ihr Schutzpatron:
Bernhard2, Abt von Clairvaux!

— Ein Lachen überkommt mich,
Seh ich die Knirpse an,
Die Ganshirnschwadroneure
In ihrem Größenwahn;
Es juckt mir in den Finger,
Mit meinem Zauberstab
Ihr Vorbild zu beschwören,
Heraus aus deinem Grab:
Bernhard, Abt von Clairvaux!

Steig auf! du Pfaffenriese
Im Glauben und Gebet
So stark wie im Verdammen,
Weißhaariger Asket,
Stahlfels des Fanatismus,
Genie der Glaubensglut
Betrachte deine Erben,
Die allerjüngste Brut, —
Bernhard, Abt von Clairvaux!

Betracht die runden Bäuchlein
Der Herrn, geschniegelt fein!
Sieh! Diese Räusperer wollen
Des "Kreuzzugs" Führer sein!
Dein Rat galt dem Befehl gleich
Einst manchem Herrscherhaus,
Sieh! diese, sie katzbuckeln
Sich fast den Rücken aus —
Bernhard, Abt von Clairvaux!

Das sind die "Gottesstreiter",
Ihr Schutzpatron bist du?
O Mönch, ich bin barmherzig:
Geh wieder ein zur Ruh!
Doch auch kein Scharlatan:
Tortur für dich wär`s, sähst du
Dir diesen "Kreuzzug" an,
Bernhard, Abt von Clairvaux!

Erläuterungen:

1 Epigonen:  diejenigen, die sich aus Mangel an eigenen schöpferischen Fähigkeiten darauf beschränken, die Ideen ihrer epochemachenden Vorgänger weiter zu verbreiten und zu verarbeiten.

2 Bernhard von Clairvaux

"Bernhard von Clairvaux (spr. klärwo), der Heilige, der bedeutendste unter den romanischen Mystikern des Mittelalters, geb. 1090 in Fontaines bei Dijon, trat mit 30 Gefährten in das Kloster Citeaux und wurde 1115 erster Abt des neugestifteten Klosters Clairvaux. Seine Sittenstrenge, die tiefe Frömmigkeit, die Glut seiner Beredsamkeit machten ihn zum Gegenstande der Bewunderung und ermöglichten ihm in den Kämpfen jener Zeit eine weitgreifende Wirksamkeit. Seinen Bemühungen verdankte es Papst Innozenz II., dass er seines Gegenpapstes Anaklet II. Herr wurde. Den höchsten Gipfel seines Einflusses erreichte B., als Papst Eugen III., sein Schüler, vor Arnold von Brescia flüchtend, sich ihm in die Arme warf. Seine Beredsamkeit und seine Wundertätigkeit entflammte in französischen und deutschen Landen die Begeisterung zum zweiten Kreuzzug, dessen unglücklicher Ausgang ihn tief betrübte. Nicht ohne gerechten Tadel bleibt sein Verhalten gegen Abälard (s. d.), dessen Verurteilung auf der Synode zu Sens er durchsetzte. Auch die religionsphilosophischen Lehren des Bischofs Gilbert von Poitiers ließ er 1148 verdammen, und nicht minder eifrig wirkte er gegen die ketzerischen Sekten im Süden Frankreichs, wiewohl er sich allen äußern Gewaltmaßregeln abgeneigt zeigte. B. starb 20. Aug. 1153 in Clairvaux und ward von Papst Alexander III. 1173 heilig gesprochen. Seine Schriften (Abhandlungen, Predigten, Hymnen) sind herausgegeben von Mabillon (Par. 1667; 3. Ausg. 1719, 2 Bde.; wiederholt in Mignes »Patrologie«). Unter seinen Schriften sind die bedeutendsten: »De consideratione libri V«, an Papst Eugen III. gerichtet (hrsg. von Schneider, Berl. 1850), und die »Sermones de cantico canticorum« (in Auswahl hrsg. von Baltzer, Freib. 1893). "

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]



Abb.: Fürchte dich nicht, ich beschütze dich! -- 19. Jhdt.

[Bildquelle: Mänicke, Fritz-Rolf: Der Kampf des fortschrittlichen Bürgertums gegen den politischen Klerikalismus / Fritz-Rolf Mänicke. Hrsg. vom Sekretariat d. Zentralvorst. d. LDPD. -- Berlin : Buchverl. Der Morgen,1963. -- 216 S. : Ill. ; 8°: -- (Humanistische und revolutionär-demokratische Traditionen des Bürgertums ; Bd. 11). -- S. 111]


Anonym: Das Gebet des englischen Lords

's ist Sonntag: zum Betsaal ergießen
Sich Mister, Missis und Miss,
Sie falten die Finger und schließen
Mit Gott einen Kompromiss!

O Gott, gib jeglichen Hafen
In unsere Fäuste nur!
Gib uns von allen Schafen
Auf Erden die erste Schur!

Lass unsere Gäule die besten
Bei jedem Rennen sein,
Lass unsere Hämmel sich mästen
Und gib unsern Hühnern Gedeihn!

Schreib alle Maklerspesen
Auf unser Konto um,
Lass Indier und Chinesen
Vertieren im Opium!1

Von jedem Erdengenusse
Gib uns den Hauptgewinn,
Und dann erhalte zum Schlusse,
O Gott, die Königin!

1 Anspielung auf den Opiumkrieg

"Opiumkrieg

Der Opiumkrieg zwischen China und Großbritannien beruhte auf den Gegensätzen Chinas, den Handel mit und Konsum von Opium im eigenen Land zu unterbinden und Englands, den freien Handel, vorwiegend für seine eigenen Händler, zu sichern.

Mit der Übernahme des Opiummonopols in Indien, beharrte England auf einen freien Handel, weil es dadurch verdiente. In den 1830er Jahren betrugen die Einahmen aus dem Opiumhandel durch Steuern immerhin mehrere Millionen Pfund Sterling. Als China den Opiumhandel in seinem Land unterbinden wollte, zum Schutz der eigenen Bevölkerung, sah Großbritannien in diesem Moment seine Rolle als Schutzfunktion seiner Bürger gefragt, als auch seiner Staatseinnahmen gefährdet. Des Weiteren spielten Kolonialisierungs- und Handelsinteressen in China eine wesentliche Rolle.

1839 vernichtete China eine große Ladung geschmuggelten Opiums aus Indien. Dies war 1840 Anlass für die Briten, einen Krieg mit China zu beginnen, den sie 1842 auch gewannen. Folgen für China waren die Öffnung von Häfen für den öffentlichen Handel sowie die Abtretung des Gebietes von Hong Kong, welches daraufhin eine Kolonie Englands wurde."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Opiumkrieg. -- Zugriff am 2004-11-20]


Scävola: Das Lied vom 19. und 20. Jahrhundert

Frau XIX ächzt und stöhnt und weint
und windet sich in Wehen,
die "Edlen der Nation" vereint
ihr Wochenbett umstehen;
sie sieht nicht weit die Wiege bereit
fürs Kind, für sich die Bahre,
da reißt das Kleid sie auf und schreit:
"Das Kind kriegt rote Haare!"

Entsetzen packt den Heuchlerbund
der Junker und der Pfaffen,
das Blaublut greift zur Reitpeitsch und
zu andern "geistgen Waffen",
der pechentstammte Pfaff entflammt
die Schäfchen am Altare:
Jetzt seid verdammt ihr allesamt,
das Kind kriegt rote Haare!

Umsonst!! — Die Majestät Natur
führt selbst das Volk zum Glücke!
Kein Pfaff kann an der Weltenuhr
den Zeiger drehn zurücke —
nicht einen Zoll! — Das Maß war voll
schon viele, viele Jahre!
Nun kommts so toll, wies kommen soll,
das Kind kriegt rote Haare!

Der Knechtung graue Kerkerzeit —
nichts könnt ihr davon retten;
der Arbeit Volk, es wirft befreit
ins Antlitz euch die Ketten!
Dem Wort "mehr Lohn!" spracht ihr nur Hohn,
der Mensch war euch nur Ware,
recht billge schon; drum euch zum Lohn
das Kind kriegt rote Haare!

Sucht ihr in jedem Eichenwald
Galläpfel wie besessen,
und presst draus Tinte mit Gewalt,
und kratzt aus allen Essen
den schwarzen Ruß, aus jedem Fluss
den schmutzgen Schlamm der Jahre —
es kommt, wies muss — wies kommen muss;
das Kind kriegt rote Haare!

Ja, rot wirds Kind der grauen Frau,
sie selber muss dran sterben;
und ihr? — Kann einer schwarz und grau
die Morgenröte färben? —
O blöder Tropf! Dein Farbentopf
nützt nichts dir! Gott bewahre!
Prinz XX's Kopf kriegt roten Schopf,
das Kind kriegt rote Haare!

In eure Nacht sinkt unsre Not,
der Tag ist nicht mehr ferne;
auf geht schon unser Morgenrot
und unter eure Sterne;
schon tönt das Lied, das Frührotlied,
der Lerchen und der Stare!
Der Junker zieht! Der Pfaffe flieht!
Das  Kind kriegt rote Haare!

Wir frei und gleich geboren sind,
wir kennen keine Knechte!
Hurra! Du Proletarierkind!
Du gibst uns gleiche Rechte!
Der Bauer — rot! Der Bürger — rot!
O Welt, du wandelbare! —
Die Not ist tot! Das Volk hat Brot!
Das Kind hat rote Haare!



Abb: Trennung von Kirche und Staat: "Nun wohl, verehrte Damen, Sie werden nun bald beginnen müssen, Ihre Opfer in Geld darzubringen." . -- Von Hermann Paul <1874 - 1940>

[Bildquelle: Kahn, Gustave <1859-1936 >: Das Weib in der Karikatur Frankreichs. -- Stuttgart : Schmidts, 1907. -- 472 S. : Ill. -- S. 162]


Karl Kraus (1874 - 1936): Mit Gott


Abb.: Mit Gott gegen All

Vor solchem Saldo, solchem Siege
Bleibt keine Allmacht ungerührt.
Geschäftsbücher und Kriege
Werden mit Gott geführt.


Heinrich Bartel (1874 - ): Christliche Predigt

Hört! ihr Leute, hier auf Erden
Soll es wieder dunkel werden,
Frisch gewagt ist halb getan,
Darum vorwärts, frisch voran.
Nehmt dem Volk die Schule.

Hat die Schule man in Händen,
O dann wird sich alles wenden,
Alles tanzt dann, eins, zwei, drei,
Nach dem Wunsch der Klerisei,
Und gehorcht den Pfaffen.

Alle Redner, Journalisten,
Und die roten Sozialisten
Werden dann in einer Nacht
Alle heimlich umgebracht,
dann wird Ruhe werden.

Lesen, Rechnen und auch Schreiben
Wird man künftig nicht betreiben,
In der Schul, wie sichs gehört,
Wird nur Religion gelehrt,
Denn die ist sehr wichtig.

Scheiterhaufen, Fehmgerichte,
Stehn uns trefflich zu Gesichte,
Und die Folterkammer auch
Sind uns ein sehr lieber Brauch;
Hoch das Mittelalter.

Alle Länder hier auf Erden
Müssen dann ein Staat nur werden,
Und die Schwarzen ganz allein
Werden tonangebend sein
Mit dem Papst als König.

Alles tanzt nach unsren Noten;
Denken, das wird streng verboten,
Nur die Dummheit soll allein
Alsdann noch geduldet sein,
Die kann uns nicht schaden.

Darum merket was ich sage:
Predigt fleißig alle Tage
Nur die Dummheit weit und breit,
Damit unser Werk gedeiht,
Seid gesegnet! Amen.


Ferdinand Bernt (1876 - ): Die Autoritäten

Nicht, nicht hierher, dort nehmet Platz!
Hier ist der Herrschaftstisch.
Der Sitz der vier weltweisen
Hochlöblichen Gemeindehäupter,
Der vier Ordnungsstützen,
Fundamentalpfeiler bestehender Staatsmacht.
Auf ihre kahlen, schwitzenden Häupter
Schaut Priamos1 und lächelt wehmütig.
Hätten die für ihn wohlweisen Rat gepflogen,
Troja wäre nicht gefallen,
Trotz aller Schlauheit des Ulysses2
Und Achillens3 göttlicher Herkunft!
Es stünde heute noch. —

Seid still meine Freunde! sprecht
Nicht von den Sozialisten.
's ist eine jüdische Erfindung
Der Sozialismus;
Der Pfarrer hat es längst bewiesen
Mit unwiderlegbaren Gründen. —

Ah, also Antisemit der Pfarrer?
Gewiss von echter Farbe,
Waschecht und ungebraucht
Wie das Hemd der kastilischen Isabella4. —
Doch hört ihn selber.

Der Pfarrer nimmt eine Prise,
Bedächtig, ernst, als stünd er auf der Kanzel:
"Ich hab es längst vorausgesagt
Wie's kommen wird. —
Man ließ den Roten zuviel Spielraum.
Systematisch verhetzten sie das Volk,
Trugen Brand in die friedlichen Hütten
Und Aufruhr in das Land;
Das Ende ist — Revolution. — — —"

Der Förster nickt eifrig mit dem Kopfe,
Der Lehrer schneuzt sich,
Der Bürgermeister hält sich den Bauch und seufzt.

"Schlimmer wie anno Achtundvierzig5",
Fährt der Pfarrer fort, "wird's diesmal werden.
Man wird das Kind im Mutterleib nicht schonen;
Denn unter uns gesagt:
Die Roten sind ärger wie die Teufel". —

Gewiss, gewiss, nickt jetzt des Försters Kopf;
Der Lehrer räuspert sich,
Der Bürgermeister ächzt und stöhnt. —

"Das Niederträchtigste aber ist:
Dass aus dem Rummel nur der Jude
Den Nutzen zieht. —
Der ganze Rummel, glaubt, geliebte Christen,
Kommt vom Juden — —"
Und leise schaudernd blickt der Pfarrer nach oben. —
— — — — — — —

"Das ist nicht wahr!" erschallts aus einer Ecke,
"Ihr lügt!" — — —

Der Pfarrer neigt mitleidig lächelnd sein Haupt,
Und, auf den Areopag6 der Vier
Legt sich ein düstres Schweigen. — — —

Erläuterungen:

1 Priamos: letzter König von Troja. Er fiel bei Trojas Einnahme.

2 Ulysses: Odysseus (lat. Ulixes oder Ulysses): Held der griechischen Mythologie, dessen Reisen und Irrfahrten von Homer in der Odyssee geschildert werden.

3 Achill: Achilleus (dt. Achill, auch bekannt mit der lateinischen Form seines Namens: Achilles): Gestalt der griechischen Mythologie. Stärkster Kämpfer im Trojanischen Krieg.

4 Isabella I. von Kastilien (1451- 1504; genannt auch Isabella die Katholische): Königin von Kastilien. Soll das Gelübde getan haben, nicht eher ihr Hemd zu wechseln, als bis Granada gefallen sei.

5 Achtundvierzig: bürgerliche Revolution von 1848

6 Areopag: (griechisch: »Hügel des Ares«): ein nordwestlich der Akropolis gelegener, 115 Meter hoher Hügel mitten in Athen. In der Antike tagte hier der oberste Rat, der gleichfalls "Areopag" genannt wurde.


Alfred Lichtenstein (1889-1915): Gebet vor der Schlacht

Inbrünstig singt die Mannschaft, jeder für sich:
Gott, behüte mich vor Unglück,
Vater, Sohn und heil'ger Geist,
Dass mich nicht Granaten treffen,
Dass die Luder, unsre Feinde,
Mich nicht fangen, nicht erschießen,
Dass ich nicht wie'n Hund verrecke
Für das teure Vaterland.

Sieh, ich möchte gern noch leben,
Kühe melken, Mädchen stopfen
Und den Schuft, den Sepp, verprügeln,
Mich noch manches Mal besaufen
Bis zu meinem selgen Ende.
Sich, ich bete gut und gerne
Täglich sieben Rosenkränze,
Wenn du, Gott, in deiner Gnade
Meinen Freund, den Huber oder
Meier, tötest, mich verschonst.

Aber muss ich doch dran glauben,
Lass mich nicht zu schwer verwunden.
Schick mir einen leichten Beinschuss,
Eine kleine Armverletzung,
Dass ich als ein Held zurückkehr,
Der etwas erzählen kann.

[Quelle: Hell und schnell : 555 komische Gedichte aus 5 Jahrhunderten / hrsg. von Robert Gernhardt und Klaus Cäsar Zehrer. --  Frankfurt am Main : S. Fischer, 2004. -- 621 S. -- ISBN 3-10-025505-4. -- S. 144.]


Zu: Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXVI: Moralapostel und Heuchelei

Zurück zu Religionskritik