Religionskritik

Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXX:

Papst


kompiliert und herausgegeben von Alois Payer

(payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXX: Papst / kompiliert und hrsg. von Alois Payer. -- Fassung vom 2005-04-25. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/karikaturen30.htm   

Erstmals publiziert: 2004-06-14

Überarbeitungen: 2005-04-25 [Ergänzungen]; 2005-04-20 [Ergänzungen]; 2005-03-14 [Ergänzungen]; 2005-02-09 [Ergänzungen]; 2005-01-20 [Ergänzungen]; 2004-12-12 [Ergänzungen]; 2004-11-22 [Ergänzungen]; 2004-10-27 [Ergänzungen]; 2004-07-30 [Ergänzungen]

©opyright: Abhängig vom Todesdatum der Autoren

Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library



Abb.: Kardinal P. Dr. Benno Gut OSB (1897 - 1970) (kniend), vormals Abt des Klosters Einsiedeln, ein Freund meiner Familie, mit Papst Johannes XXIII.


Klicken Sie hier, um die Papsthymne zu hören

Anlässlich des Heiligen Jahres 1950 bestimmte Papst Pius XII, den Papstmarsch von Charles Gounod (1818-1893) zur offiziellen Hymne.

A Te veniamo, Angelico Pastore,
In Te vediamo il mite Redentore,
Erede Santo di vera e santa Fede;
Conforto e vanto a chi combatte e crede,
Wir kommen zu Dir, engelgleicher Hirt,
In Dir sehen wir den sanften Erlöser,
Heiliger Erbe des wahren und heiligen Glaubens,
Stärkung und Ruhm derer, die kämpfen und glauben.

[Quelle der midi-Datei und des italienischen Textes: http://www.vatican.va/news_services/press/documentazione/documents/sp_ss_scv/inno/inno_scv_testo_it.html. -- Zugriff am 2005-01-20]


um 1530



Abb.: Papst = Teufel, Umkehrbild auf Münze. -- um 1530


1600


Die zehn Gebote des irdischen Gottes. -- Niederlande, um 1600

Hört her, ihr Leute, gebet acht,
Du Volk sei jetzt bereit:
Der Papst wird sagen, wie man's macht,
Dass ihr ihm Diener seid.

Ich bin, sagt er, der Oberchrist,
Dem alles Wesen dienstbar ist,
Der Himmelsfürst auf Erden hier,
Es ist kein andrer Gott nach mir.

Ihr sollt mir Bilder machen ganz allein,
Von Gold und Silber und von Stein,
Ihr sollt anbeten im Aberglauben,
Und nicht an einen Gott mehr galueben.

Mein Namen sollt ihr ehren,
Sonst soll euch Feuer und Schwert verzehren.
Dann mögt ihr ruhig in Gottes Namen fluchen,
Das soll euch niemand als Übel buchen.

Sechs Tage braucht man nicht zu schaffen,
Drum bieten Feiertag die Pfaffen,
Ihr könnt mich in den Kirchen ehren,
Das ganze Volk wird's nicht verwehren.

Vater, Mutter sollt ihr verfluchen,
Um mein päpstliches Reich zu suchen,
Groß' Reichtum sollt ihr verzehren,
Weib und Kinder braucht ihr nicht zu ernähren.

Mord, Totschlag, Hurerei,
Falschheit und Diebstahl, was ist dabei,
Macht nichts, ich kann euch alles verzeihn,
Ihr müsst nur gut katholisch sein.

Und wenn ihr mal begehren tut,
Des Nächsten Haus, sein Weib, sein Gut:
Bringt Geld, ich sprech' euch los und frei,
Denn Geld macht eure Seelen neu.

O Mensch, du siehst wie meine Welt,
So gut und christlich sich erhält.
Und wer in Zukunft so regiert,
Der ist, wie ich, nicht angeführt.



Abb.: Untersuchung des neugewählten Papstes, ob er wirklich ein Mann und keine Frau ist. -- 1600

Erklärung: habet: "er hat" [nämlich männliche Geschlechtsorgane]


1610



Abb.: Kurze Abbildung und Vertonung von dem wunderbarklichen Krieg, der bei dieser Zeiten im Land zu Gulich, Cleff etc. geübet ward. -- Um 1610

Unter dem aufklappbaren Ornat des Papstes zeigt sich sein wahres Wesen:


Abb.: Detail, mit aufgeklapptem Ornat des Papstes

Erläuterung: Bezieht sich auf die Befreiungskriege der Niederlande gegen das ultrakatholische Spanien, die 1609-04-09 mit einem zwölfjährigen Waffenstillstand beendet wurden.

[Bildquelle:  Wäscher, Hermann <1887–1967>: Das deutsche illustrierte Flugblatt. - Dresden : Verl. der Kunst VEB. -- Bd. 1., Von den Anfängen bis zu den Befreiungskriegen. -- 1955.  -- 111 S. : mit Abb., 33 S. -- Abb.: 96/97.]


1649


Philipp von Zesen (1619-1689): Weissagung. -- 1649

Dich stürzt, o Papst, was vormals Gutenberg
Und Faust erfand: das edle Druckerwerk!


1676/1680



Abb.: Giovanni Lorenzo Bernini (1598 - 1680): Papst Innozenz XI. (1611 - 1689; Papst von 1676 bis 1689). -- 1676/1680


1782



Abb.: Antoine Borel (1743 - nach 1810): Illustration zu »Parapilla«. -- 1782


Aloys Blumauer (1755-1798): Prolog an das Publikum. Auf die Ankunft Pius VI. in Wien1. 1782.


Warum sonst Kaiser zu den Päpsten kamen,
Ist sonnenklar; allein warum,
Frägt Jedermann, kehrt jetzt der Fall sich um? -
Man frägt und denkt nicht an die Namen!
Man frage: Wer kömmt? und zu Wem?
Und sieh, gelöst ist das Problem!

Ein Pius2 kömmt, der seine Kronen
Zur Ehre Gottes und der Menschheit trägt,
Der weiß, wie gut das Wohl der Nationen
Sich mit den Rechten seines Stuhls verträgt,
Der weiß, dass Menschenrecht und Recht der Thronen
Viel älter sind, als je ein Recht der Kirche war,
Und dass er selbst - den auch ein Weib gebar -
Eh' Mensch und Untertan, als Glied der Kirche war
Der weiß, wie scharf Gott selbst - denn wer erkennte
Den Anwalt Gottes sonst an ihm? - sein Reich
Von jenem hier auf Erden trennte.
Ein Pius kömmt, der, seinem Meister gleich,
Den Mammon gern aus Gottes Kirche triebe,
Und wenn sie auch so arm, als sie gewesen, bliebe! -
Ein Mann, der das Gesetz der Liebe,
Das Gott der Kirche gab, im Herzen trägt,
Der, wenn er Menschen sieht, sie, eh' er frägt:
Seid ihr getauft und glaubt ihr? - liebet,
Und ihnen Gutes tut; der diese Göttlichste
Der Menschentugenden nicht lehrt bloß - sondern übet:
Dem Menschenglück das Heiligste
Hienieden ist, kurz, der eh' seiner Würde
Entsagte, eh' er sie zur Bürde
Der Menschheit werden ließe. So ein Mann -
So einer - denn auf einen andern kann
Gott niemals seine Kirche bauen,
Noch ihm dazu die Schlüssel anvertrauen -
So einer also kömmt - zu Joseph3, der
In einem Jahre seines Reiches mehr
Zum Wohl der Menschheit tat, als der Regenten viele,
Die man die Grossen hieß, an ihres Lebens Ziele
Wohl kaum getan, zu Joseph, der die Wand,
Die uns von unsern Brüdern trennte,
Zerriss, und Menschen - Menschenrechte gönnte;
Der eine Anzahl Mönche, weil er fand,
Dass Psalmodieren von dem Land
Nicht, wie man einst geglaubt, den Hunger wende,
Den Feind nicht schlägt, und dass der Mensch die Hände
Nicht bloß zum Essen hat, zur Mitarbeit verband;
Der's ungerecht, unmenschlich fand,
Dass Menschen, in der Sünd' empfangen,
Wie wir, dem Fluch: im Schweiß des Angesicht's ihr Brot
Zu essen, sich entzieh'n; der junger Mädchen Not
Beherzigte, die ach! lebendig tot,
In heil'gen Kerkern mit der Menschheit rangen,
Und ihre Tage da verseufzten und versangen:
Der sie anjetzo zum würdigsten Beruf
Zurückführt, weil er weiß, dass Gott sie zwar zu Bräuten,
Doch nicht zu Bräuten seines Sohnes schuf;
Zu Joseph, der sein eigen Recht zu deuten,
Und handzuhaben weiß; der vorlängst eingeseh'n,
Dass Gottes Kirche nur vom Geist der Gläubigen
Und nicht von ihrem Säckel lebet;
Und dem kein Missbrauch zu verjährt,
Zu heilig ist, den er nicht hebet,
Sobald er nur der Menschheit Recht entehrt.
Kurzum, mit dem, bei dessen Namen
Die ganze Menschheit einst sich neigen wird,
Mit diesem kömmt der Weise Roms zusammen.

Und nun warum? - Vielleicht ihn zu verdammen,
Weil er das nimmt, was ihm gebührt? -
Vielleicht ihn Kirchenzucht und Kanonsrecht zu lehren; -
Vielleicht ihn mit dem Schimmer seiner Heiligkeit
Wie einen Sünder zu bekehren,
Und auf der Bahne zur Unsterblichkeit
Ihm drohend in den Weg zu treten? -
Vielleicht wohl gar mit Amuletten
Ihn von dem Weg der Finsternis zu retten? -
Vielleicht mit einer Rede, die den Geist
An unsichtbaren Fesseln mit sich reißt,
Dem Festentschlossenen das Herz zu brechen,
Und ihn mit glatten Worten zu bestechen? -
Vielleicht auch, so ihn nichts erweicht,
Ihm dann unväterlich zu fluchen?
Vielleicht auch nur - ihn zu besuchen? -
O nein, von allen dem vielleicht
Ist kein's, das einem Mann, wie Pius, gleicht.

Er kömmt, er kömmt, um seinen besten Segen
Auf das, was Joseph für die Menschheit tat,
Und was er tun noch wird - zu legen!
Er kömmt in uns're Kaiserstadt,
Sich über das, was Joseph tat, zu freuen
Und Hand in Hand den heil'gen Bund,
In dem die Kirche stets mit ihren Schützern stund,
Mit Deutschlands Joseph zu erneuen!

Er kömmt nicht, um auf Kaisersatzungen
Sein Siegel, das in Rom nur gilt, zu drücken,
Wohl aber segnend dem die Hand zu drücken,
Der sie gemacht, und seine Gläubigen
Durch eig'nes Beispiel zu belehren,
Wie man ein Kaiserwort verehren
Und schätzen soll. Und wenn er ja
Sein Anseh'n geltend macht, so ist's gewiss nur da,
Wo kleine überschwache Seelen
Sich mit Gewissenszweifeln quälen,

Die oft, vor lauter Glauben blind,
Nicht wissen, wem es zukömmt, zu befehlen,
Und wem sie zu gehorchen schuldig sind,
Zu diesen wird er sagen: »Wisst,
Dass eu'res Fürsten Wort zu ehren,
Verdienstlicher in Gottes Augen ist,
Als wenn ihr hundertmal mir den Pantoffel küsst!
Der selbst, zu dessen heil'gen Lehren
Ihr euch bekennt, war Untertan, und sprach:
Ehrt eu'rer Fürsten Wort, und folgt mir nach!« -
Zu diesem edlen Zwecke nur
Wird er Gebrauch von jener Gabe4 machen,
Womit so überreichlich die Natur
Ihn ausgesteu'rt, - und hat er nun die Schwachen
Gestärkt, die Zweifler überführt,
Dass sein Zweck edel war, o wie zufrieden wird
Er dann - belohnt mit dem Gefühl des Weisen
Nach einer edlen Tat - nach Rom zurücke reisen!

Erläuterungen

1Ankunft Pius VI. in Wien

Papst Pius VI besuchte 1782 Wien, um die kirchlichen Reformen Kaiser Josephs II. zu  bremsen.

2 Pius = Pius VI.


Abb.: Pius VI.

"PIUS VI., Papst * 25.12. 1717 in Cesena als Giovanni Angelo Braschi geboren, † 29.8. 1799 in Valence. - Nach klass. und jurist. Stud. in Ferrara wurde Braschi Sekretär Kardinal Antonio Ruffos, der damals päpstlicher Legat in Ferrara war. 1758 empfing er die Priesterweihe, 1766 wurde er Schatzmeister der Apost. Kammer und am 26.4. 1773 durch Klemens XIV. zum Kardinal erhoben. Nach einem schwierigen Konklave (1774/75), das 134 Tage dauerte, wurde Braschi am 15.2. 1775 als Kandidat der Zelanten zum Papst gewählt und nahm den Namen Pius VI. an (Bischofsweihe 21.2. 1775, Papstkrönung 22.2. 1775). Sein Pontifikat ist eines der längsten in der Kirchengeschichte. Trotz der Entfaltung von Glanz und Macht kann dieses Pontifikat aber als das Martyrium des Papsttums in der Neuzeit charakterisiert werden. - Schon Pius Regierungsantritt, der als Jesuitenfreund galt, war belastet durch die Jesuitenfrage. Mit seiner Zustimmung blieb der Orden in Preußen (bis 1776) und in Weißrussland weiterbestehen und es wurden Möglichkeiten zu seiner Wiederherstellung erörtert. Auf politischem Gebiet konnte sich Pius  im Abwehrkampf gegen die staatskirchlichen Ansprüche des aufgeklärten Absolutismus, die episkopalistischen und jansenistischen Strömungen der Zeit (Febronianismus, Jansenismus), gegen die Freimaurer und die Auswirkungen der Französischen Revolution nur wenig behaupten. Den staatskirchlichen Reformeifer Josephs II., der unter dem Einfluss des Febronianismus und der Aufklärung ein System (»Josephinismus«) begründete, zu dem uneingeschränkte religiöse Toleranz, die Beschneidung päpstlicher Eingriffe in die geistl. Sphäre sowie die allgemeine Unterwerfung der Kirche unter dem Staat zählte, vermochte Pius  selbst durch eine Reise nach Wien (1782) nicht zu mäßigen. 1781 ließ sich der Urheber der Febronianischen Ideen, J. N. von Hontheim (1701-90) zwar zu einem förmlichen, wenn auch inhaltsleeren, Widerruf bewegen; seine Ideen wirkten aber ungehindert in Süd- und Westdeutschland weiter. Als Pius 1786 in München eine Nuntiatur errichten wollte, erklärten ihm die deutschen Erzbischöfe in der »Emser Punktation« (25.8.) herausfordernd, dass die deutsche Kirche unter der Kontrolle ihrer Bischöfe stehe und keiner päpstlichen Einmischung bedürfe. Der Josephinismus sprang auf die Toskana über, wo Josephs Bruder, Großherzog Leopold II., die Kirche vom Papst loszulösen beabsichtigte. Die Synode von Pistoia (Sept. 1786) unter Vorsitz von Bischof Scipio de' Ricci unterstützte ihn, nahm die vier Gallikanischen Artikel von 1682 an und löste die Bischöfe aus der Autorität des Papstes. Pius bot all seine Kräfte auf, zwang de'Ricci zum Rücktritt und verdammte 85 Artikel der Synode in seiner Bulle Auctorem fidei (28.8. 1794). Mit der Französischen Revolution eröffnete sich für die römische Kirche ein weit verhängnisvolleres Kapitel. Pius  hielt sich zunächst mit einer Verurteilung der Prinzipien und der Kirchenpolitik der Revolution aus politischen Erwägungen (Aufstände in Avignon und Venaissin) und unter Rücksichten auf die gallikanischen Tendenzen des frz. Episkopats und Klerus bis zum Inkrafttreten der Verfolgungsgesetze zurück. Erst dann verurteilt er die Revolution, die Zivilverfassung und die konstitutionelle Kirche (Breven Quod aliquantum [10.3. 1791] und Caritas [13.4. 1791]). Durch den Beitritt zur Koalition gegen Frankreich und der Aufnahme zahlreicher flüchtiger Royalisten verärgerte P. die Franzosen. Spanische Vermittlungsangebote schlug Pius 1795 aus. Als Napoleon Bonaparte im Frühjahr 1796 Mailand besetzte, wies Pius die französische Forderung nach Widerruf seiner Verurteilung der Zivilkonstitution und der Revolution zurück. Daraufhin marschierte Napoleon in den Kirchenstaat ein; im Frieden von Tolentino (19.2. 1797) musste Pius Friedensbedingungen akzeptieren, die umfangreiche Reparationszahlungen, die Übergabe wertvoller Manuskripte und Kunstwerke sowie die Abtretung bedeutender Teile des Kirchenstaates (Avignon, Venaissin, Ferrara, Bologna; am 19.11. 1797 auch Ancona) umfassten. Sein Breve Pastoralis sollicitudo (5.7. 1796) erkannte zwar die Republik an und forderte die französischen Katholiken zum Gehorsam auf, doch stellte sie das Direktorium nicht zufrieden. Erneute Unruhen in Rom führten schließlich zur Besetzung und zum vorläufigen Ende des Kirchenstaates (1798). Als Gefangener wurde der 80jährige Papst zunächst nach Oberitalien, dann, trotz schwerer Erkrankung, nach Valence geschleppt, wo er am 29.8. 1799 starb. Erst im Februar 1802 durfte sein Leichnam nach Rom überführt werden. - Um Rom und den Kirchenstaat erwarb sich Pius, unter dem der Nepotismus noch einmal auflebte, beachtliche Verdienste durch sein Mäzenatentum, den Bau der Sakristei von St. Peter, die Vollendung des Museo Pio-Clementino, die Verbesserung der Straßen und die teilweise Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe. Unter seinem Pontifikat erreichte das Papsttum seinen Tiefpunkt, und es wurde vielerorts angenommen, dass die Vernichtung des Hl. Stuhls damit nun vollzogen sei. Doch Pius hatte Anweisung zur Abhaltung des nächsten Konklaves unter Notstandsbedingungen hinterlassen (13.1.1797/13.11.1798). "

[Quelle: Stefan Burghardt. -- http://www.bautz.de/bbkl/p/pius_vi.shtml. -- Zugriff am 2004-07-29]

3 Joseph = Joseph II., Kaiser von Österreich


Abb.: Joseph II.

"JOSEPH II., römischer König, deutscher Kaiser, * 13.3. 1741 Wien, † 20.2. 1790 Wien. - Sohn Maria Theresias (1717-1780) und Franz (I.) Stephans von Lothringen (1708-1765); verheiratet mit Isabella von Bourbon-Parma (1741-1763) und Maria Josepha von Bayern (1739-1767). - 1764 zum römischen König gewählt und gekrönt folgte er seinem 1765 überraschend verstorbenen Vater als Kaiser und Mitregent in den österreichischen Erblanden, in den böhmischen Ländern und im Königreich Ungarn, ehe er nach dem Tod seiner Mutter die Alleinherrschaft antrat. - Mit seinem Namen verbindet man (über die geläufige Polarisierung von Reformkatholizismus und Staatskirchentum hinausführend) ein geschlossenes Programm staatspolitischer, religionspolitischer und sozialpolitischer Regierungsmaßnahmen aufgeklärt-absolutistischen Zuschnittes: Josephinismus, der mit der Formel »Alles für den Staat - nichts durch das Volk!« auf den Begriff gebracht wurde. Unter diesem Vorzeichen gelang es jedenfalls, Österreich zu einem modernen bürokratisch-zentralistischen Staat (unter völliger Zurückdrängung des ständischen Einflusses) mit Großmachtstellung in Europa auszubauen und einen revolutionären Umsturz durch Reformen von oben zu verhindern. - Erzogen im Geiste der katholischen Aufklärung und beeinflusst von den Schriften Muratoris (s.d.) machte J. nicht nur Front gegen den Barockkatholizismus, er setzte sich auch massiv für die Toleranz gegenüber den Nichtkatholiken ein, was zu Konflikten mit seiner Mutter und Rücktrittsdrohungen führte; erst nach deren Tod realisierte er eine weiterführende Toleranzgesetzgebung (Toleranzpatente 1781, 1782) zugunsten der Evangelischen (Augsburgischer und Helvetischer Konfession), der Griechisch-Orthodoxen und Juden, die indes nicht auf der Skepsis der Lessingschen Ringparabel beruht, sondern um die ausschließliche Wahrheit der bevorrechtigten (»dominanten«) römisch-katholischen Staatsreligion als der religio vera zu wissen vermeinte. Sein Eifer zielte allerdings auf ein von allen »Äußerlichkeiten gereinigtes Christentum« mit nationalkirchlicher Zuspitzung; in diesem Sinn verstand sich die mit der Kirchenreform verfolgte Distanznahme gegenüber dem Papst, die Territorialisierung der Kirche unter Bezugnahme auf episkopalistische Kirchenverfassungsprämissen. Dem Utilitätsdenken der Aufklärung entsprach weiters die Aufhebung der kontemplativen Klöster und die Dezimierung der Bettelorden. Das dadurch freiwerdende Klostervermögen kam dem neugebildeten Religionsfonds zugute, mit dessen Hilfe ein dichteres Pfarrnetz geschaffen werden konnte. - Aus den zahlreichen Reformen ragen hervor: die Aufhebung der Leibeigenschaft, die Abschaffung der ständischen Sondergerichte, die Beseitigung von Folter und Todesstrafe. - Joseph II. ist insbesondere durch den Liberalismus im 19. Jahrhundert zu einem österreichischen Nationalheiligen stilisiert worden, die Spuren seiner Popularität sind bis in die Gegenwart sichtbar geblieben. "

[Quelle: Karl Schwarz. -- http://www.bautz.de/bbkl/j/Joseph_II.shtml. -- Zugriff am 2004-07-29] 

4 Jener Gabe = "Die Gabe der Beredsamkeit, weswegen ihn die Italiener il Persuasore nennen." (Blumauer)



Abb.: Anonym:  Illustration zu »Histoire de Gouberdom, Portier des Chartreux. Nouvelle Édition«. -- Frankreich, 1786


1791



Abb.: Der päpstliche Erlass. -- Straßburg. -- 1791

[Quelle: Fuchs, Eduard <1870 - 1940>:  Geschichte der erotischen Kunst. -- München : Langen. -- Bd. 1: Das zeitgeschichtliche Problem. -- 1908. -- 412 S. : Ill. -- S. 330]


1819


Johann Heinrich Voß (1751-1826). -- 1819

Für Melodie "Erhalt uns ..." hier drücken

[Quelle der midi-Datei: http://www.musicanet.org/robokopp/Lieder/erhaltun.html.  -- Zugriff am 2004-12-09]

Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort,
Und jage Päpst und Junker fort!

Erläuterung: nach Martin Luthers Kirchenlied von 1541:

Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort
Und steur des Papsts und Türken Mord,
Die Jesum Christum, deinen Sohn,
Wollen stürzen von deinem Thron!

1824/1827



Abb.: William Blake (1757 - 1827): Der simonistische Papst. -- 1824-1827

Erläuterung:

"Simonie (Amtserschleichung), auf Simon den Magier  zurückgehende Bezeichnung für den Erwerb eines geistlichen Gutes um weltlichen Vorteil, insbes. die Erwerbung geistlicher Ämter und Pfründen durch Bestechung. Die S. gehört zu den sogen. delicta mere ecclesiastica des katholischen Strafrechts und steht als solches unter Kirchenstrafe, die für einzelne Fälle der S., z. B. simonistische Ordination, simonistische Ämterverleihung, simonistische Veräußerung des Patronatrechts, gesetzlich fixiert ist. Auch das evangelische Kirchenrecht und einzelne Staatsgesetze knüpfen an die simonistische Ausübung des Präsentationsrechts des Patrons Rechtsnachteile. Unter die staatliche Strafgewalt fällt die S. nur, sofern sie die Tatbestandsmerkmale der Bestechung im Sinne des Reichsstrafgesetzbuches, § 331 ff., aufweist."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


1832


Adelbert von Chamisso (1781-1838): Vetter Anselmo. -- 1832

 1

Noch war zu Toledo in hohem Flor
Die heimliche Kunst, die sonst sich verlor;
Ein weiser Meister war dort bekannt,
Yglano, der Magier und Nekromant.

Wie abends er einst vor dem Stundenglas
In seinem Museum sinnend saß,
Trat ein zu ihm demütig fast
Sein Vetter Anselmo, ein seltener Gast. -

»Herr Vetter Anselmo, wie hat man das Glück?
Was führt Euch endlich zu uns zurück?
Ihr wart ja sonst auf der rechten Bahn,
Was gingen Euch da die Verwandten an?« -

»Seid grausam nicht und ungerecht,
Herr Vetter; versteht mich endlich recht.
Mich hielt von Toledos leuchtendem Stern,
Von Don Yglano nur Ehrfurcht fern.

O wüsstet Ihr, wie der Busen mir schwoll,
Wann Euer Lob mir entgegen erscholl!
Wie stolz und jubelnd ich eingestimmt:
Der ist uns allen zum Muster bestimmt!

Der eine rief, der andere schrie:
So einen sah die Welt noch nie,
Der zaubermächtig und weise zugleich
Beherrscht der Geister nächtliches Reich!

Er ist das Gold der Wissenschaft,
Und ist das Erz und ist die Kraft;
So männlich fest, so kindlich mild,
So aller Tugend vollendetes Bild!

Doch hat Euch einer zu tadeln gewusst,
Den alle so preisen zu meiner Lust,
Und dieser Tadel, dass Ihr es wisst,
Ist eben der Wurm, der das Herz mir frisst.

Er sprach: wie kommt es, wer macht mir das klar,
Dass euer Löw und Lamm und Aar
Den Biedermann, der sein Vetter doch ist,
Den guten Anselmo so schmählich vergisst?« -

»Was sagtet denn Ihr, wenn ich bitten darf,
Zu solchem Tadel, so spitz und scharf?
Ich machte die Lehre mir gerne zu Nutz;
Ihr nahmt mich, Vetter, doch wacker in Schutz?« -

»Vermocht ich es denn, der ich da stand
Dem hämischen Kläger bequem zur Hand,
Um so mich zu legen ad acta gleich,
Zerlumpt, verhungert, hager und bleich?

Ich frag Euch, o blickt doch auf mich herab,
Sah je ein Bettler als Leiche im Grab
Erbärmlicher aus? o tilgt doch die Schmach!
Sie trifft Euch zumeist, wie der Neider sprach.

Mir eine Pfründe, ein Bischofsstab!
Das macht nur bald mit dem Teufel ab,
Und ihm und Euch mit Haut und Haar
Verschreib ich mich auf immerdar.« -

»Herr Vetter, Herr Vetter! ei, ei! mit Vergunst!
Von Gott allein ist meine Kunst,
Versteht mich recht, von Gott allein;
Hab mit dem Teufel nichts gemein.« -

»Von Gott, versteht sich! sagt ich es nicht?
Es ist der Hunger, der aus mir spricht.
Mit Gott, Herr Vetter, verhelft mir zu Brod
Und rechnet auf mich auf Leben und Tod!« -

»Ihr wolltet dankbar, erkenntlich sodann
Vergelten, was Gutes ich Euch getan,
Wann einen Gönner und Schutzpatron
Ich einmal suchte für meinen Sohn?« -

»Ja, dankbar, ja! mit unendlicher Lust!
Die Dankbarkeit ist die Tugend just,
Die einz'ge vielleicht, deren, unverblümt,
Mit Fug und Recht mein Herz sich rühmt.

Man hat von mir Euch Böses gesagt,
Mich manches Lasters angeklagt,
Mich angeschwärzt zu aller Stund,
Oft, leider! vielleicht nicht ohne Grund.

Ich weiß, Herr Vetter, ich habe gefehlt,
Das Gute versäumt, das Böse gewählt,
Gewatet in Sünden bis an die Knie;
Undankbar aber, das war ich nie.

O Dankbarkeit, du süße Pflicht,
Du Himmelslust, du Himmelslicht!
Wie hab ich dich mir eingeprägt,
Wie hab ich stets dich heilig gehegt!

Und Euer vortrefflicher, teurer Sohn -
Wie lieb ich den lieben Vetter doch schon!
O welch ein Glück ist Dankbarkeit!
O wär ich doch erst, Herr Vetter, so weit!« -

»Gemach, gemach! das liegt noch fern,
Und nicht das Nächste versäum ich gern.
Da kommt Frau Martha, die eben fragt,
Was mir zum Abendessen behagt.

So hört, Frau Martha; seid eben gefasst -
Nicht wahr, Herr Vetter? - auf einen Gast;
Ihr habt zwei Hühner; das zweite Huhn
Steckt erst an den Spieß, wenn ich's heiße tun.

Jetzt aber nehmt die Flasche dort,
Und dort den Humpen von seinem Ort,
Und schenkt mir langsam den edlen Wein
Von hoch, recht perlend und schäumend ein.

Ihr, Vetter, indes kommt näher zu mir,
In diesen Kreis auf dem Estrich hier;
Da, nehmt das Stundenglas in die Hand,
Und schaut nur scharf auf den rinnenden Sand.

Es ist nur so ein Experiment.
Ihr wisst den Anfang, ich weiß das End.
Sie hocus pocus, bracadabra!
Wir sind noch hier und wähnen uns da!« -

Er hatte die Worte murmelnd gebraucht,
Und heimlich zugleich ihn angehaucht;
Anselmo stand die Augen verdreht
Und starr, wie ein hölzerner Heiliger steht.

2

Die Boten sind kommen, Anselmo, du bist
Bischof geworden zu dieser Frist;
Vernimmst du's? Bischof! erschrickt dir vor Lust
Das schlagende Herz in der schwellenden Brust?

Wirf ab die schlechten Lumpen geschwind,
Die grau und zerschlitzet vor Alter sind;
Leg an das seidene Purpurgewand;
Zum Segen lerne falten die Hand.

Das Kreuz auf die Brust, das blinkende Ding,
An deinen Finger den Siegelring;
Leg an, Anselmo, den vollen Ornat,
Und zeige dich uns als stolzer Prälat.

Und wie im Palast er heimisch war,
Umglitzerten rings ihn die Wände so klar,
Er legte sich, strahlend vom Widerschein,
Ins Fenster und sah in die Straße hinein.

Da hätt er gerne die Leute gefragt:
Ihr Lumpenvolk da unten, sagt,
Wie nehm ich denn hier oben mich aus?
Steht trefflich mir nicht das prächtige Haus?

Doch ward es ihm bald zu öd und zu weit,
Ihm graute schier in der Einsamkeit;
Da kam ihm eine... Nichte nach,
Von welcher man schon zu Toledo sprach.

Hoffärtig war und launisch das Kind,
Wie solche Nichten zu Zeiten es sind;
Die trug nun auch ein seidenes Kleid
Und brauchte Perlen und andres Geschmeid.

Das Regiment, wie sich's gebührt,
Ward bald allein von ihr geführt,
Und Regen kam und Sonnenschein
In Haus und Kirche von ihr allein.

Wie wetterwendisch sie's immer trieb,
Er ärgerte sich und hatte sie lieb,
Und also kam es, bei Ärger und Spaß,
Dass ganz er Vetter Yglano vergaß.

Wie einst beim Vespern er fröhlich war,
Bedünkte es ihn fast sonderbar;
Die Tür ging auf und herein gewallt
Erschien Yglanos vergessne Gestalt.

»Gott grüß Euch, Herr Vetter; ich bin erfreut
Euch wohl zu finden; mit nichten gereut
Es mich, was immer ich für Euch getan,
Sofern Ihr seid ein zufriedener Mann.

Doch seht: die Welt ist kugelrund,
Der Supplikant, der bin ich zur Stund,
Entsinnt Euch, ich sprach Euch von meinem Sohn,
Versorgt mir ihn jetzt, das sei mein Lohn.

Die kleine Pfründe, die eben vakant
Geworden ist, wie wohl Euch bekannt,
Und die Ihr erst vergeben sollt,
Die wäre so recht, was für ihn ich gewollt.« -

»Die Pfründe«, versetzte hastig die Maid,
»Ist schon vergeben, es tut mir leid;
Mein Bruder bekommt sie; Ihr seht selbst ein,
Das nächste Recht war doch wohl sein.

Und nächstens, - künftig, - einst vielleicht
Wird Eurem Sohn das Seine gereicht;
Geht's heut nicht an, ist's unsre Schuld?
Der Vetter muss warten; Geduld! Geduld!« -

»Muss warten!« erhub in demselben Ton
Der würdige Bischof seinen Sermon;
»Ihr Bruder... mein Neffe... wir ändern es nicht;
Die Sache verhält sich so, wie sie spricht.

Ein Bistum ist kein Königreich!
Ich werde geplagt dem Besten gleich,
Von Schranken und aber Schranken beengt,
Von Supplikanten und Bettlern bedrängt.

Sie haben den Vorteil, ich habe die Qual;
Ich kann nicht helfen allen zumal,
Nicht jeden fördern nach seinem Begehr; -
Ein Kardinal, der könnte schon mehr.

Ja, Vetter, hättet Ihr mich gemacht
Zum Kardinal, und entspräche die Macht
Dem redlichen Willen des Herzens nur,
So wollt ich Euch helfen, bei meinem Schwur!«

Darauf mit großer Seelenruh
Der Vetter Yglano: »Da drückt Euch der Schuh;
Der rote Hut, der rote Hut!
Nicht wahr, das ist, was Not Euch tut?« -

Darauf erglühend im Angesicht
Der geistliche Herr: »Ich leugn' es nicht,
Und wenn Ihr den mir noch verschafft,
So wahr mir helfe des Zaubers Kraft!«...

Ihm fiel der Wundertäter ins Wort:
»Genug! kein Schwur ist hier am Ort;
Ich lasse mich den Versuch nicht reun,
Euch mag der rote Hut noch erfreun.«

Er hub die Hand bedrohlich fast,
Zog Kreis auf Kreis in die Luft mit Hast.
»Sie hocus pocus Schiboleth!
Es wird erst Tag, wann die Nacht vergeht!« -

Ihm schaute zu, und atmete kaum,
Der geistliche Herr, wie im Fiebertraum;
Das Wort war gesprochen, das Werk vollbracht;
Er rieb sich die Augen, es war noch Nacht.


3

Da kam vom Heiligen Vater der Brief,
Der unsern Prälaten nach Rom berief;
Zum Fürsten der Kirche, zum Kardinal
Erhebt ihn des Dreimalgekrönten Wahl.

Der alten Günstlinge junger Genoss
Erschien er am Hof, wo bald ihn umfloss
Der trüglichen Sonne blendendes Licht,
Das dort auf schwankendem Boden sich bricht.

Selbstsüchtig schritt, ehrgeizig hinan
Er unverdrossen die schwindliche Bahn,
Und hatte, bei üppiger Lust und Pracht,
Mit nichten noch an Yglano gedacht.

Einst saß er am offenen Fenster allein
In der scheidenden Sonne verlöschendem Schein,
Und starrte, befallen mit finsterem Mut,
Hinaus in die blutig dämmernde Glut.

Da regte Geräusch sich im Säulengang,
Hin warf er den Blick, noch schimmerte lang
Ein farbiges Spiel dem Geblendeten vor;
Yglano erschien, als der Schein sich verlor;

Und wie er ihn scharf in das Auge gefasst,
Ward eines ihm klar, er erzitterte fast:
Die Sonne sinkt, dein Stern geht auf!
Der lenkt für dich des Geschickes Lauf.

Wie kühn er den Wurf schnell überschaut,
Trat hastig er vor und grüßt' ihn vertraut,
Und sprach, als ein welterfahrener Mann,
Geflügelten Wortes zuerst ihn an:

»Du kommst mich zu mahnen an deinen Sohn,
Mich anzuspornen, das merk ich schon;
Doch solches, mein Alter, ist nicht am Ort;
Vergaß ich denn je ein gegebenes Wort?

Und was ich bin, dir schuld ich es nur,
Dein bin ich, deine Kreatur;
Ich sag es laut, ich bekenn es frei; -
Du zweifelst, ob ich erkenntlich sei?

Du hast mich erzogen und meiner gepflegt,
Hast, guter Vetter, mich liebgehegt,
Du halfest dem Liebling nach deiner Macht;
Doch eines hast nicht recht du bedacht.

Du hättest gern recht hoch mich gestellt,
Zu wirken, zu schaffen in Kirche und Welt;
Ein Kardinal! das Wort schallt recht, -
Sein Sinn ist: der Knechte niedrigster Knecht.

Mein guter Vetter, o wüsstest du doch,
Wie gespannt du mich hast in ein schmähliches Joch!
Der Neid umlagert die Pfade der Gunst;
Es gilt, sich zu drehn und zu wenden, für Kunst.

Dich lockt die Larve, du trauest ihr wohl?
So schlag an das Herz, da klingt es hohl;
Von Ränken und aber Ränken umgarnt,
Der stellt dir ein Bein, der vor Schlingen dich warnt.

Die Schuld, die heimlich im Finstern schleicht,
Die hat das Ziel am ersten erreicht;
Verworfene Dirnen, um Sünde und Geld,
Und Schächer beherrschen die christliche Welt.

Du wähnest annoch, gutherziger Mann,
Dass deinen Sohn ich befördern kann?
Ich bin, ob sündenhaft, zu rein,
Um irgend in Rom vermögend zu sein.

In meinem Bistum vermocht ich's einmal
Zu schalten, zu walten nach Einsicht und Wahl;
Das schlechteste Dorf ist ein kleines Reich,
In Rom ist der Zweite dem Letzten gleich.

Der Heilige Vater ist schwach und alt, -
Der müden Hand entsinkt die Gewalt, -
Er ist sehr krank, - er leidet viel, -
Er sehnt sich selbst nach dem letzten Ziel.

Er könnte... sterben, der alte Mann,
Er könnte! mein lieber Vetter, und dann...
Ich meine nicht... versteh mich nur:
Er könnte, es liegt im Lauf der Natur.

Sieh krampfhaft deine Knie mich umfahn!
Verbessre, vollende, was du getan,
Zieh mich empor aus dem Sündenpfuhl
Und bahne den Weg mir zum heiligen Stuhl!

Dann bricht mir an der gehoffte Tag,
Wo alles ich dir zu vergelten vermag;
Dein Sohn... Gebiete, Vetter, du bist
Mein einziger Gott, mein Heiland, mein Christ!«

Gelassen darauf Yglano: »Genug,
Zuviel gesprochen in einem Zug;
Was aber dahinter verborgen, und nicht,
Wir fördern es, mein ich, sogleich an das Licht.

Der Kardinal ist Euch zu gering,
Es dünkt Euch Pabst sein ein anderes Ding;
Wir wollen sehn, wir wollen sehn!
Euch mag nach Eurem Glauben geschehn.«

Er hub die Hand bedrohlich fast,
Zog Kreis auf Kreis in die Luft mit Hast:
»Sie hocus pocus Schiboleth!
Es wird erst Tag, wann die Nacht vergeht!« -

Ihm schaute zu, und atmete kaum,
Der Kardinal, wie im Fiebertraum;
Das Wort war gesprochen, das Werk vollbracht;
Er rieb sich die Augen, es war noch Nacht.


4

Und bald sprang auf ein verschlossenes Tor;
Der Pabst Anselmo trat hervor,
Und ward geweiht in Sankt Petri Dom;
Ihm jauchzte entgegen das heilige Rom.

Darauf von den hohen Stufen herab
Er urbi et orbi den Segen gab,
Und sah vor seiner Heiligkeit
Sich beugen die sämtliche Christenheit.

Dann eilten herbei von nah und fern
Die Abgesandten der Fürsten und Herrn,
Den Fuß in Demut zu küssen bestellt
Dem dreimalgekrönten Beherrscher der Welt.

Drauf saß er geruhig im Vatikan,
Der niedern Sorgen abgetan,
Und nicht war an Lust und Freuden karg
Der enge Raum, der ihn verbarg.

Der Tisch war gut, die Pfühle weich,
Der Kämmerling dem geübtesten gleich;
Ein Kardinal ging ihm zur Hand,
Der Lesen und Schreiben trefflich verstand.

Und was das lästige Volk betrifft,
Das nicht zufrieden noch mit der Schrift,
Redselig uns oft viel Kummer macht, -
Da hielten die Pförtner schon gute Wacht.

Die Sonne stieg am Morgen auf,
Beschloss am Abend ihren Lauf,
Es wurde Tag, es wurde Nacht,
Und alles ging, wie hergebracht.

Der Frühling kam mild, der Sommer warm,
Der Herbst kam reich, der Winter arm;
Es wurde Tag, und wurde Nacht,
Und alles ging, wie hergebracht.

Da wiegte der Heilige Vater sein Haupt
Und sprach: »Ich hätte nimmer geglaubt,
Bevor ich selber die Macht erreicht,
Es sei die Welt zu regieren so leicht.«

Und wie im Traum ein Bild uns erscheint,
Das längst wir tot und verschollen gemeint,
Trat einst ein Vergessener mahnend vor ihn,
Der schier ihm unheimlich, gespenstisch erschien:

»Ich bin's, Herr Vetter; erkennt Ihr mich nicht?
Es ist Yglano, der mit Euch spricht;
Ich ließ Euch Zeit, ich hatte Geduld;
Nun komm ich einzufordern die Schuld.«

Errötend, erblassend in einem Nu,
Sprang auf der Pabst und schrie ihm zu:
»Hinweg aus meinem Angesicht!
Hinweg! entfleuch! ich kenne dich nicht.«

Yglano blieb geruhig, und trat
Zwei Schritte noch vor, dann lächelnd tat
Er auf den Mund mit leisem Hohn,
Und sprach in schaurig flüsterndem Ton:

»O Dankbarkeit, du süße Pflicht,
Du Himmelslust, du Himmelslicht!
Wie hat sich dieser dich eingeprägt?
Wie hat er stets dich heilig gehegt?

Ich zog dich, Wurm, aus deinem Staub,
Und mästete dich mit der Kirche Raub;
Du stiegest und stiegest im schwindelnden Flug
Auf meinen Flügeln, nichts galt dir genug.

Ich machte, nach deiner gierigen Wahl,
Zum Bischof dich, zum Kardinal,
Und machte dich gar am Ende zum Pabst, -
Wo blieb das Wort, das du mir gabst?«

Der Heilige Vater hub an zu schrein:
»Wer ließ mir den groben Gesellen herein?
Trabanten und Wachen herbei! wir sind
Gefährdet, ergreift den Alten geschwind!«

Da keiner erschien, fuhr Yglano fort:
»Erfülle mir, Pabst, dein gegebenes Wort;
Zum andern, zum dritten, fordr ich dich auf,
Ich, welcher noch lenkt des Geschickes Lauf.«

Und laut und lauter inzwischen erscholl
Die Stimme des Papstes, er schrie wie toll:
»Verruchter! Zauberer! Ketzer! dein Lohn,
Der Scheiterhaufen erwartet dich schon!«

Yglano darauf: »Herr Vetter, Ihr wisst
Aus Erfahrung jetzt, was des Brauches ist:
Ein jeder für sich; - was frommte mir nun
Das Allergeringste für Euch zu tun?«

Dann trat er vor ihn und gab ihm zugleich
Mit fliegender Hand einen Backenstreich;
Anselmo starrte erwachend empor;
Ihm schallten die letzten Worte im Ohr.

Er sah sich um; im Büchersaal
Yglanos stand er, wie dazumal;
Zerlumpt, das Stundenglas in der Hand,
Und unvermindert rann der Sand.

Dort stand Frau Martha und schenkte den Wein
Mit erhobener Hand in den Humpen ein,
Und wie er gefüllt bis zum Rande war,
So reichte sie ihn dem Hausherrn dar.

Yglano nahm den Humpen und trank,
Und setzte ihn weg, und sagte: »Schön Dank!«
Erbat sich sodann das Stundenglas,
Und stellte es hin zu dem Tintenfass.

Und sprach: »Wir haben uns bedacht,
Frau Martha; ein einziges Huhn zu Nacht. -
Es tut, Herr Vetter, mir herzlich leid
Dass Ihr zu fasten gesonnen seid.

So lebt denn wohl! - Frau Martha, das Licht,
Dass nicht der Vetter den Hals noch bricht;
Ihr leuchtet ihm hübsch die Treppe hinab,
Und schließt die Haustür hinter ihm ab.«


1841


Georg Herwegh (1817-1875): Gegen Rom. -- 1841

Noch einen Fluch schlepp' ich herbei:
Fluch über dich, o Petri Sohn!
Fluch über deine Klerisei!
Fluch über deinen Sündenthron!
Nur Gift und Galle war, o Papst,
Was du vom Pol bis zu den Tropen
Der Welt mit deinem Zepter gabst,
Mit deinem Zepter von Ysopen1.

Weh dir! Europas Kanaan,
Das einen Brutus einst gezeugt
Und jetzt sich vor dem Vatikan
Mit feigem Sklavengruße beugt;
Im Fleisch der Menschheit ward zum Pfahl
Die Wiege des Rienzi Cola2,
Seit Luthern traf des Bannes Strahl
Und seit loyal dort nur Loyola3.

Der Boden, der von Honig troff,
Nur Tränen bringt er noch hervor,
Seit Heinrich in des Pfaffen Hof,
Ein Knecht im Büßerhemde, fror4;
Sein Weihrauch ist ein Grabgeruch,
Das Eden wurde zur Sahara,
Und zu Italiens Leichentuch
Die farbenglühende Tiara5.

Doch spreiz' dich nicht, du stolzes Rom,
Dir ist ein baldig Ziel gesetzt;
Du bist ein längst versiegter Strom,
Der keines Kindes Mund mehr letzt;
Du bist ein tief gefallen Land,
Du bist das auferstandne Babel,
Der Trug ist deine rechte Hand,
Dein Schwert das Märchen und die Fabel.

Und ob du Diener dir erkürst
In aller Welt, du musst vergehn;
Es kann wohl ohne Kirchenfürst
Der Geist, der heilige, bestehn.
Du Autokrat im Höllenpfuhl,
Empfange noch mein letztes Zeter!
Du Herrscher auf St. Petri Stuhl,
Fürwahr! du gleichest jenem Peter -

Dem keine Glut ins Antlitz flammt,
Wenn man ob Göttern hält Gericht,
Der, wenn man sie zum Kreuz verdammt,
Noch ruft: »Ich kenn' die Menschen nicht!«
Der, wenn die Erde selbst sich härmt
Und tief in sich zusammenschaudert,
Am Feuer seine Hände wärmt
Und mit des Richters Mägden plaudert.6

Du bist kein Fels7, wie Petrus war,
Du bist nur feig und schwach, wie er;
Ein Morgenhauch bringt dir Gefahr
Und streut dein Reich wie Sand umher!
Du wirst erliegen, Lügenhirt,
Empören werden sich die Denker,
Das Brausen des Jahrhunderts wird
Zertrümmern seine letzten Henker!

Erläuterungen: An Papst Gregor XVI (1765 - 1846) gerichtet

"GREGOR XVI., Papst, * 28.9. 1765 in dem zur damaligen Republik Venedig gehörigen Städtchen Belluno als Sohn eines Juristen, † 1.6. 1846 in Rom. - Unter dem Namen Fra Mauro trat Bartolommeo Alberto Cappellari 1783 in den Orden der Kamaldulenser ein als Mönch des Klosters S. Michele auf der Laguneninsel Murano bei Venedig und wurde nach seiner Priesterweihe 1787 Lehrer der Philosophie und Theologie am Kollegium auf Murano und 1790 Lesemeister des Ordens. 1795 kam er nach Rom und wurde dort 1805 Abt des Klosters San Gregorio auf dem Monte Celio. Während der Auflösung der Orden durch Napoleon 1809-14 lebte Cappellari. als Laienlehrer auf Murano und in Padua. Er kehrte 1814 in das Kloster San Gregorio zurück und wurde 1818 Generalprokurator und 1823 General seines Ordens. 1826 ernannte ihn Leo XII. (s. d.) zum Kardinal und Präfekten der »Congregatio de Propagande Fide« (s. Gregor XV.). Am 2.2. 1830 wurde er zum Nachfolger des am 1.12. 1829 verstorbenen Pius XIII. (s. d.) gewählt und am 6.2. geweiht und gekrönt. Noch vor den Krönungsfeierlichkeiten in Rom brach in Bologna die Revolution des Geheimbundes der »Carbonari« aus, die in wenigen Tagen fast auf den ganzen Kirchenstaat übergriff. Nur mit Hilfe Österreichs konnte die Revolution 1831 und 1832 niedergeschlagen werden. Bis 1838 hielten österreichische und französische Truppen Gebiete des Kirchenstaates besetzt. Da G. die von den fünf Großmächten in einem gemeinsamen »Memorandum« vom 21.5. 1831 geforderten Verwaltungsreformen nicht durchführte und die Finanzwirtschaft im Kirchenstaat infolge zunehmender Überschuldung zerrüttete, wuchs die Unzufriedenheit der Bevölkerung und ihre Erbitterung gegen die reformfeindliche Regierung G.s, der seit 1836 von dem ihm gleichgesinnten Kardinalstaatssekretär Luigi Lambruschini (s. d.), einem schroffen Vertreter des starren Konservativismus, beraten und in seiner Politik unterstützt wurde. Während seines ganzen Pontifikats glimmte das Feuer des Aufruhrs im verborgenen fort und drohte wiederholt in helle Flammen auszuschlagen. Als der der modernen Welt fremd und feindlich gegenüberstehende, vom Geist der Reaktion beherrschte Papst verdammte G. in seiner Enzyklika »Mirari vos« vom 15.8. 1832, die sich zunächst gegen den »liberalen Katholizismus« des französischen Theologen und Politikers Hugues Félicité Robert de Lamennais (s. d.) und die neue belgische Verfassung richtete, die Forderung der Gewissensfreiheit als Wahnsinn und pestilenzialischen Irrtum, desgleichen ihre Wurzel, den »Indifferentismus«, d. h. die Meinung, auch außerhalb der römischen Kirche das Heil finden zu können, und ihre Begleiterscheinungen, die Forderung der Pressefreiheit und der Trennung von Kirche und Staat. Mit ihrer schroffen Verdammung aller modernen Ideen ist die Enzyklika die wichtigste Vorstufe für die Enzyklika seines Nachfolgers Pius IX. (s. d.) »Quanta cura« vom 8.12. 1864 mit dem »Syllabus« (= Verzeichnis), in dem 80 »Irrtümer« in Fragen der Religion, der Wissenschaft, der Politik und des Wirtschaftslebens verdammt wurden. In der Enzyldika »Singulari nos« vom 25.6. 1834 verdammte G. Lamennais' Schrift »Paroles d'un croyant«, durch das Breve »Dum acerbissimas« vom 26.9. 1835 den besonders auf den Lehrstühlen in Bonn (s. Braun, Johann Wilhelm Joseph; s. Achterfeldt, Johann Heinrich) und Breslau (s. Elvenich, Peter Josef; s. Baltzer, Johannes Baptista) vertretenen »Hermesianismus«, die Lehre und Schriften des 1831 verstorbenen Bonner Dogmatikers Georg Hermes (s. d.), und in der Enzyklika »Inter praecipuas« vom 8.5. 1844 erneut die Bibelgesellschaften. Im Kölner Kirchenstreit (1837- 40) vertrat G. in der Frage der Mischehen erfolgreich die Rechte der Kirche gegenüber dem Staatsabsolutismus: trotz scharfen Vorgehens gegen die Erzbischöfe Clemens August von Droste- Vischering (s. d.) von Köln und Martin von Dunin (s. d.) von Gnesen-Posen musste die preußische Regierung schließlich doch nachgeben. Alle bisher für die gemischten Ehen erhobenen Forderungen wurden zurückgezogen und beim preußischen Kultusministerium eine katholische Abteilung eingerichtet. So endete der Kölner Kirchenstreit mit einer völligen Niederlage Preußens. Dagegen erfolglos waren G.s Bemühungen seit 1839 zugunsten der unterdrückten römischen Katholiken in Russland. Als Zar Nikolaus I. (1825- 55) im Dezember 1845 G. in Rom besuchte, hoffte der Papst, dass Nikolaus I. als Ergebnis der persönlichen Verhandlungen der römischen Kirche gewisse Erleichterungen zusichern würde. Trotz begütigender Worte des Zaren änderte sich aber die Lage der römischen Katholiken in Russland nicht im geringsten. In den Thronstreitigkeiten in Portugal nach dem Tod Johannes' VI. (_ 1826) zwischen den Brüdern Dom Miguel und Pedro I. von Brasilien für seine unmündige Tochter Maria II. da Gloria erklärte sich G. in der Bulle »Sollicitudo ecclesiarum« vom 7.8. 1831 für Miguel, der aber vertrieben wurde. Dadurch erlitt die Kirche schwere Verluste. Pedro (_ 1834) vertrieb die Jesuiten, verwies den päpstlichen Nuntius des Landes, hob die Mönchskloster auf und verstaatlichte ihre Güter, beseitigte die geistlichen Patronate und sicherte dem Staat bei der Anstellung der Priester weitgehende Rechte. Unter Maria II. (1834-53) hielt die Verfolgung der Kirche zunächst noch an. Erst 1841 wurde die Verbindung zwischen Rom und dem Hof in Lissabon wiederhergestellt. Der Papst schickte der Königin 1842 die »Goldene Rose« und übernahm Patenstelle bei ihrem Sohn. Ähnlich ging es in Spanien. Durch die »Pragmatische Sanktion« vom 29.3. 1830 hatte Ferdinand VII. (1814-33) seiner 1830 geborenen Tochter Isabella die Nachfolge gesichert zum Nachteil seines Bruders Don Carlos, der sich 1833 als Karl V. zum König von Spanien erklärte. So brach der Bürgerkrieg aus zwischen den Carlisten und den Anhängern Isabellas II., für die zunächst die Königinmutter Christine von Neapel die Regentschaft führte. G. entschied sich für Don Carlos. Die Folge war, dass die spanische Volksvertretung (Cortes) im Juli 1835 zunächst den Jesuitenorden aufhob und seine Güter einzog, dann auch die übrigen Orden und die Klöster mit weniger als 12 Mönchen auflöste und das Vermögen dieser (901) Klöster konfiszierte und im Oktober 1835 viele Klöster schloss, obwohl sie mehr als 12 Mönche zählten. Später wurde das gesamte Kirchengut für Staatseigentum erklärt und auch das geistliche Gericht der Nuntiatur in Madrid aufgehoben. Erst nachdem der Bürgerkrieg zwischen Carlisten und Christinos 1839 durch den Vertrag von Vergara zugunsten Isabellas entschieden und die Königin 1843 für volljährig erklärt worden war, bahnte sich allmählich eine Verständigung mit der Kurie an. G. förderte die Mission, besonders in Amerika, und errichtete überall in der nichtchristlichen Welt zahlreiche Bistümer und Apostolische Vikariate. 1839 verbot er ohne Einschränkung den Negerhandel. Seine besondere Gunst, wandte G. den Orden zu. Den Jesuiten übertrug er am 2.10. 1836 die ausschließliche Leitung der »Congregatio de Propaganda Fide«. Am 29.4. 1836 bestätigte G. die Regel der »Gesellschaft Mariens« (Societas Mariae), der »Maristenpatres«, denen er zugleich die Missionierung Ozeaniens anvertraute. Am 29.5. 1839 sprach G. Alfonso Maria de Liguori (s. Liguori) heilig, den Begründer des Ordens der »Redemptoristen« (Congregatio Sanctissimi Redemptoris). 1835 bestätigte er die neuere Regel des hl. Vincentius a Paulo (s. d.) der selbständigen deutschen Mutterhäuser der Vicentinerinnen, der »Barmherzigen Schwestern« vom hl. Vincenz. Schon unter G. zeigte sich eine starke Tendenz zur Dogmatisierung der Lehre von der »Unbefleckten Empfängnis« der Maria (immaculata conceptio), die sein Nachfolger, Pius IX., am 8.12. 1854 durch die Bulle »Ineffabilis Deus« als göttlich geoffenbartes Dogma verkündigte. In seiner Schrift »Il trionfo della Santa e della Chiesa« von 1799 verteidigte G. die Souveränität und Unfehlbarkeit des Papstes. Er war ein gelehrter Theologe und Kanonist, aber auch ein Freund der Kunst und Wissenschaft. G. erweiterte die Vatikanische Bibliothek, errichtete im Vatikan das ägyptische und das etruskische Museum und legte im Lateran den Grund zum christlichen Museum. Er förderte den 1825 begonnenen Wiederaufbau der einige Jahre früher abgebrannten St. Pauluskirche. 1838 ernannte G. die beiden Gelehrten Angelo Mai (s. d.) und Giuseppe Mezzofanti aus Bologna, eins der größten Sprachgenies der neueren Zeit, zu Kardinälen."

[Quelle: Friedrich Wilhelm Bautz. -- http://www.bautz.de/bbkl/g/gregor_xvi.shtml. -- Zugriff am 2004-09-17] 

1 Ysopen = Hyssopus officinalis L. Anspielung auf Johannesevangelium 19, 28 - 30: "Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet. Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und steckten ihn auf ein Ysoprohr und hielten es ihm an den Mund. Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht!, und neigte das Haupt und verschied."

2 Cola die Rienzi (i.e. Nicola di Lorenzo) (1313-1354), italienischer Staatsmann, sein Ziel war, Rom und Italien als Republik in alter Größe wiederauferstehen zu lassen.

3 Ignatius von Loyola (1491-1556), Gründer des Jesuitenordens

4 Gang Heinrichs IV. von Speyer nach Canossa zu Papst Gregor VII. im Februar 1077, um die Lösung des Kirchenbanns zu erbitten.

5 Tiara = Papstkrone

6 Siehe Matthäusevangelium 26, 69-75: "Petrus aber saß draußen im Hof; da trat eine Magd zu ihm und sprach: Und du warst auch mit dem Jesus aus Galiläa. Er leugnete aber vor ihnen allen und sprach: Ich weiß nicht, was du sagst. Als er aber hinausging in die Torhalle, sah ihn eine andere und sprach zu denen, die da waren: Dieser war auch mit dem Jesus von Nazareth. Und er leugnete abermals und schwor dazu: Ich kenne den Menschen nicht. Und nach einer kleinen Weile traten hinzu, die da standen, und sprachen zu Petrus: Wahrhaftig, du bist auch einer von denen, denn deine Sprache verrät dich. Da fing er an, sich zu verfluchen und zu schwören: Ich kenne den Menschen nicht. Und alsbald krähte der Hahn. Da dachte Petrus an das Wort, das Jesus zu ihm gesagt hatte: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er ging hinaus und weinte bitterlich."

7 Siehe Matthäusevangelium 16, 18: "Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen aFelsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen."


Georg Herwegh (1817-1875): An den König von Preußen <Auszug>. -- 1841

Der Fischer Petrus breitet aus
Aufs neue seine falschen Netze;
Wohlan, beginn mit ihm den Strauß,
Damit nicht einst im deutschen Haus
Noch gelten römische Gesetze!
Bei jenem großen Friedrich! nein,
Das soll doch nun und nimmer sein.
Dem Pfaffen bleibe nicht der Stein,
An dem er seine Dolche wetze.


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874): Die Gründonnerstags-Messe. -- 1841

Nos igitur vetustum et solemnem hunc morem sequentes, Excommunicamus et anathematizamus ex parte Dei Omnipotentis Patris et Filii et Spiritus Sancti, auctoritate quoque Beatorum Apostolorum Petri et Pauli ac nostra, omnes haereticos, necnon per Leonem P P. praedecessorem nostrum superioribus annis damnatam, impiam et abominabilem Martini Lutheri haeresin sequentes.
Bulla in Coena Domini 1536
v. Magnum Bullarium Roman. T.I. (Luxemb. 1727) p. 718.

Ihr Fürsten, die von Ketzern stammen,
Ihr wollt nicht hören, wollt nicht sehn -
Ihr lasst euch von dem Mann verdammen,
Mit dem ihr wollt in Freundschaft stehn?

Und kennt ihr die verfluchten Worte
Vom grünen Donnerstage nicht,
So stellt euch an St. Peters Pforte,
Hört, was der heil'ge Vater spricht!

»Wir tun nach altem Kirchenamte
In Bann die Ketzer aller Welt,
Und Luthers Lehre die verdammte,
Und Alles was sich zu ihr hält.«

So bannt euch an St. Peters Pforte
Der Papst in seiner Heiligkeit,
Ihr aber gebt ihm gute Worte,
Dass er gemischte Eh'n verzeiht.

Erläuterung: Bezieht sich auf die Bulle In coena domini [= am Gründonnerstag]

"In coena Domini (lateinisch: Beim Mahle des Herrn) sind die ersten Worte der Abendmahlsbulle, die von Papst Urban V. 1363 erlassen wurde (nach einer anderen Quelle im 13. Jahrhundert) und immer am Gründonnerstag [= Donnerstag in der Karwoche vor Ostern] vom Papst verkündet wurde. Urban VIII. gab ihr ihre endgültige Fassung.

Die Bulle ist eine Sammlung von Exkommunikationsandrohungen und -verfluchungen gegen Ketzer

:„...sowie diejenigen, welche sie aufnehmen, begünstigen und verteidigen, also alle Fürsten und Magistrate, welche Andersgläubigen Aufenthalt in ihren Ländern gestatten...“.

Daneben enthält sie auch Vorschriften über die Natur des Messweins.

1770 hob Klemens XIV. die Bulle auf.

Am 12. Oktober 1869 wurde sie durch eine neue Redaktion ersetzt, aber nicht inhaltlich abgeschafft. Sie ist heute noch in Kraft."

[Quelle: http://www.adlexikon.de/In_coena_Domini.shtml. -- Zugriff am 2004-09-25]


1853


Victor Hugo (1802 - 1885): Chanson. -- 1853

Chanson (aus Les Châtiments)

Un jour, Dieu sur sa table
Jouait avec le Diable
Du genre humain haï ;
Chacun tenait sa carte ;
L'un jouait Bonaparte,
Et l'autre Mastaï.

Un pauvre abbé bien mince !
Un méchant petit prince,
Polisson hasardeux !
Quel enjeu pitoyable !
Dieu fit tant que le diable
Les gagna tous les deux.

– Prends ! cria Dieu le père
Tu ne sauras qu'en faire ! –
Le diable dit: – erreur ! –
Et, ricanant sous cape,
Il fit de l'un un pape,
De l'autre un empereur.

Jersey, 1853
Lied (aus den Züchtigungen)

Einst machte, lasst es euch sagen,
Der Herrgott voller Behagen
Mit Satan eine Partie.
Jedweder hielt seine Karte,
Der setzte Bonaparte1,
Der andre Mastai2.

Ein armer, winziger Pfaffe!
Ein kleiner, prinzlicher Laffe!
Welch jämmerliches Spiel!
Gott machte es ohne Zweifel
Mit Absicht — dass dem Teufel
Der ganze Einsatz verfiel.

"Dein sind sie!" rief mit Lachen
Der Herr, "was wirst du machen?"
Der Teufel blickte voll Hohn,
Er packte die beiden Kleinen,
Auf Petri Stuhl3 setzt' er einen,
Den andern auf Frankreichs Thron!

(Les Châtiments, Livre cinquième:
L'autorité est sacrée)
Deutsch von Joseph Jaffé

Erläuterungen:

1 Bonaparte: Napoleon III.

"Napoleon III., Kaiser der Franzosen, gewöhnlich Louis Napoleon genannt, geb. 20. April 1808 im Palais Royal in Paris, gest. 9. Jan. 1873, dritter Sohn Ludwig Bonapartes, Königs von Holland, und der Hortense Beauharnais, Stieftochter Napoleons I., begleitete nach dem zweiten Sturz des Kaiserreichs seine Mutter in die Verbannung nach Augsburg, wo er das Gymnasium besuchte, dann nach Arenenberg im Thurgau, beteiligte sich 1831 mit seinem ältern Bruder, Napoleon Louis, der am 17. März 1831 an den Masern starb, an dem misslungenen Aufstandsversuch Menottis in der Romagna, lebte mehrere Jahre in Zurückgezogenheit auf Arenenberg und trat als Hauptmann der Artillerie in die Schweizer Miliz ein; er veröffentlichte damals: »Considérations politiques et militaires sur la Suisse« und »Manuel sur l'artillerie«. Durch den Tod des Herzogs von Reichstadt (1832) wurde er das anerkannte Haupt der Napoleonischen Dynastie und entwickelte das Ideal des kaiserlichen Regierungssystems in den »Rêveries politiques«. Bei dem Versuche, sich in Straßburg zum Staatsoberhaupt ausrufen zu lassen, ward er in der Finkmattkaserne 30. Okt. 1836 verhaftet und nach Amerika verbannt. Auf die Nachricht von der Krankheit seiner Mutter kehrte er 1837 nach Europa zurück und lebte auf Arenenberg, bis die französische Regierung von der Schweiz seine Ausweisung verlangte. Er kam ihr zuvor, indem er sich nach London begab, wo er in den »Idées Napoléoniennes« (1839) nochmals sein politisches Glaubensbekenntnis entwickelte, das aus den Taten und noch mehr aus den heuchlerischen Phrasen seines Oheims geschickt zusammengestellt ist. Als Ludwig Philipp 1840 durch die Abholung der Leiche Napoleons I. nach Frankreich dem Napoleon-Kultus selbst eine Huldigung darbrachte, glaubte Napoleon die günstige Zeit für eine neue Schilderhebung für gekommen und landete, nachdem er eine Anzahl hochgestellter Generale gewonnen, an der französischen Küste bei Boulogne und versuchte 6. Okt. 1840 in diese Stadt einzudringen, wurde aber, da sich niemand für ihn erklärte, auf der Flucht verhaftet. Die Pairskammer verurteilte ihn zu lebenslänglicher Hast in der Festung Ham; hier lebte er in Gesellschaft eines Mitschuldigen, Conneau, fünf Jahre in milder Haft. Als Maurer verkleidet (angeblich unter dem Namen Badinguet, der ihm als Spottname verblieb) entfloh er von Ham 25. Mai 1846 nach England.

Nach der Februarrevolution ward er mehrfach zum Deputierten gewählt und erschien im September 1848 in der Nationalversammlung Er beobachtete eine kluge Zurückhaltung, ließ aber gleichzeitig die Masse des Volkes, in dessen Augen sein Name ihm einen Nimbus gab, für sich bearbeiten. So kam es, dass er bei der Präsidentenwahl 10. Dez. 1848: 51/2 Mill. Stimmen gegen 11/2 Mill. für Cavaignac erhielt; am 20. Dez. leistete er den Eid auf die Verfassung der Republik. Während die Vertreter der Nation ihre Zeit in erbittertem Parteikampf vergeudeten, füllte Napoleon Heer und Beamtenstand mit seinen Anhängern und gewann den Klerus durch die Unterstützung des Papstes gegen die römischen Republikaner (1849) sowie den Bürgerstand durch die Aussicht auf einen dauernden Frieden unter einer starken Regierung. Der Gesetzgebenden Versammlung gegenüber, mit der er bald in Konflikt geriet, trat er als der Erwählte der Nation auf, und als sie sich weigerte, seine Wiederwahl durch eine Revision der Verfassung zu ermöglichen (19. Juli 1851), die Verfügung über die Truppen beanspruchte und eine dritte Gehaltserhöhung Napoleons abschlug, setzte er in der Nacht vom 1. auf den 2. Dez. 1851 den seit langem im geheimen vorbereiteten Staatsstreich ins Werk: die Führer des Parlaments wurden verhaftet und verbannt, ein republikanischer Aufstandsversuch in den Straßen von Paris durch schonungsloses Einschreiten der Truppen im Keim erstickt. Von der Volksvertretung appellierte Napoleon an das souveräne Volk selbst, das durch die Wahl Napoleons zum Präsidenten auf zehn Jahre mit 71/2 Mill. Stimmen (20. Dez.) die Errichtung einer Militärdiktatur billigte; die neue Verfassung vom 14. Jan. 1852 gab dem Volk das Recht des Plebiszits in besondern Fällen, der Volksvertretung (Senat und Gesetzgebendem Körper) nur das der Beratung, dem Staatsoberhaupt eine sonst unumschränkte Gewalt. Am 7. Nov. 1852 erklärte der Senat die Wiederherstellung des Kaiserreichs für den Willen der Nation, die das Senatskonsult am 22. mit über 7,800,000 Stimmen bestätigte. Am 2. Dez. 1852 wurde Napoleon III. als Kaiser der Franzosen proklamiert. Von den europäischen Mächten wurde Napoleon bald anerkannt, eine Heirat mit einer Prinzessin aus fürstlichem Haus kam aber nicht zustande. Napoleon vermählte sich daher 29. Jan. 1853 mit einer Spanierin, Eugenie (s. d.), Gräfin von Teba, die ihm 16. März 1856 einen Erben, den kaiserlichen Prinzen (s. S. 421 f.), gebar.
Napoleon strebte vor allem danach, durch Kriegsruhm die französische Nation zu blenden und sich das Verdienst zu erwerben, Frankreich das Übergewicht in Europa wiederzuerringen. Hierzu diente ihm die Beteiligung am Krimkrieg; die Kämpfe vor Sebastopol befriedigten den Ehrgeiz der Armee, die Niederlage Russlands befreite das liberale Europa von dem Druck, den der despotische Zar Nikolaus ausgeübt hatte, England und Österreich waren Frankreichs Bundesgenossen, und auf dem Pariser Kongress 1856 waren die Gesandten sämtlicher Großmächte um den Kaiser versammelt, der durch Großmut auf Kosten seiner Verbündeten Russland für sich gewann. Das Attentat des Italieners Orsini (14. Jan. 1858), das ebenso wie die vorhergegangenen der Italiener Pianori (28. April 1855) und Bellamare (8. Sept. 1855) scheiterte, bezeichnete einen Wendepunkt in der kaiserlichen Politik. Seiner doktrinären Neigung folgend, erklärte Napoleon jetzt die Befreiung der unterdrückten Völker für das Ziel der französischen Politik. Nachdem er sich mit Cavour in Plombières verständigt und das Bündnis und eine Familienverbindung mit Sardinien geschlossen, zog er mit diesem 1859 gegen die österreichische Herrschaft in Italien zu Felde, siegte bei Magenta und Solferino, entzog sich weitern Verwickelungen durch den Frieden von Villafranca (11. Juli) und erwarb Savoyen und Nizza (1860). Er schien jetzt auf der Höhe seiner Macht zu stehen; die mächtigsten Reiche des Kontinents hatte er gedemütigt, und alle Welt lauschte gespannt seinen Worten. Um den Klerus zu gewinnen, musste er sich jedoch der vollständigen Einigung Italiens widersetzen und 1867 bei Mentana sogar mit den Waffen zugunsten des Papstes einschreiten, wodurch er die Dankbarkeit der Italiener verscherzte. Die Bundesgenossenschaft, die Napoleon beim Staatsstreich sich aufgeladen, die der Abenteurer und Glücksritter, deren Frivolität und zynische Geldgier ihn schon durch verschiedene Börsenschwindeleien kompromittiert hatten, verleitete ihn 1862 zu der verhängnisvollen mexikanischen Expedition, mit der er das nebelhafte Ziel einer französischen Protektion über die lateinische Rasse auch in der Neuen Welt verband. Aber seine Berechnungen erwiesen sich als trügerisch: die Eroberung Mexikos und die Errichtung eines Vasallenthrons waren nicht so leicht, wie er gedacht, und als die Vereinigten Staaten von Nordamerika nach Beendigung ihres Bürgerkrieges gegen die französische Intervention Protest erhoben, musste Napoleon Mexiko räumen und seinen Schützling, Kaiser Maximilian, preisgeben (1867), nachdem das Unternehmen an direkten Kosten der Armee und an Anleihen für das mexikanische Kaiserreich ungeheure Geldsummen verschlungen hatte und die Armeevorräte aufgebraucht worden waren. Daher musste sich Napoleon gefallen lassen, dass Russland seine Intervention zugunsten Polens, England seinen Vorschlag eines allgemeinen Kongresses in Paris ablehnte (1863), und konnte 1866 nach dem glänzenden Sieg Preußens über Österreich dem Sieger nicht Einhalt gebieten und Kompensationen am Rhein für Frankreich erzwingen, wie die öffentliche Meinung verlangte; nicht einmal Luxemburg gelang es ihm 1867 zu erwerben.

Diese Misserfolge minderten Napoleons Ansehen rasch. Seine Haltung war von da ab unsicher und schwankend, wozu auch sein schmerzhaftes Steinleiden beitrug. Einerseits schmiedete er unaufhörlich Pläne, um durch territoriale Erwerbungen die Eroberungsgier der Nation zu befriedigen, zu welchem Zweck er die Armee durch Niel reorganisieren und mit dem Chassepotgewehr ausrüsten ließ sowie einen Dreibund (mit Italien und Österreich) gegen Preußen anstrebte; anderseits machte er Zugeständnisse in der innern Politik, indem er dem Gesetzgebenden Körper 1860 das Interpellationsrecht, 1867 die Adressdebatte zurückgab und 1869 ihm Budgetrecht, Verantwortlichkeit der Minister u.a. zugestand. Das am 2. Jan. 1870 berufene Ministerium Ollivier sollte Frankreich zu einem konstitutionellen Staat umbilden. Bei dem Plebiszit, dem dieser Reformplan 8. Mai 1870 unterworfen ward, wurden 11/2 Mill. Nein abgegeben; diese verhältnismäßig hohe Zahl zeigte, dass die Zugeständnisse zu spät gekommen waren, dass man sie ebensowenig würdigte wie das Verdienst, das sich Napoleon durch den Handelsvertrag mit England (1860) erworben. Unter dem Eindruck der Missstimmung der Nation ließ sich Napoleon 1870 wider seinen Willen von dem leidenschaftlichen und beschränkten Minister des Äußern, Gramont, sowie von der Hofpartei, den Klerikalen und Reaktionären zum Krieg mit Preußen drängen (s. Deutsch-französischer Krieg). Aber sein Mangel an Vertrauen zu sich selbst und seine Krankheit raubten ihm den letzten Rest von Energie und Tatkraft in der Führung der Armee, deren Oberbefehl er schon 12. Aug. niederlegte. Der Tag von Sedan (1. Sept.) besiegelte sein Schicksal. Nachdem »es ihm nicht gelungen, den Tod zu finden«, gab er sich kriegsgefangen, wagte aber nicht die Verantwortung für Friedensverhandlungen zu übernehmen. Noch am 2. Sept. reiste er nach dem ihm angewiesenen Aufenthalt, Schloss Wilhelmshöhe, ab und begab sich nach Abschluss des Präliminarfriedens und nach seiner Absetzung durch die Nationalversammlung (1. März) zu seiner Familie nach Chislehurst in England, wo er an den Folgen einer Steinoperation starb.

Napoleon hatte in seinem Äußern wenig vom Bonaparteschen Familientypus; auch sein Phlegma, seine träumerische Apathie wiesen auf andern als korsischen Ursprung hin. Von Natur war er sanft und wohlwollend, seinen Freunden und Dienern treu und dankbar; seine geistige Begabung war nicht unbedeutend, wenn auch nicht schöpferisch. Seine Kenntnisse waren vielseitig, doch neigte er zum Doktrinarismus. Sein Verhängnis war sein Prätendententum; die Schuld des Staatsstreiches lastete schwer auf ihm, und sein Regierungssystem musste an dem unversöhnbaren Widerspruch zwischen Despotismus und Volkssouveränität scheitern. Indes Italien hat ihm ein dankbares Andenken bewahrt und 1879 in Mailand ein Standbild errichtet. In jüngster Zeit zieht auch in Frankreich sein Andenken Vorteil aus dem Wiedererwachen des Napoleon-Kultus. Napoleons Werke erschienen gesammelt als »OEuvres de Napoléon III« in 5 Bänden (Par. 1854-69; deutsch von Richard, Leipz. 1857-58, 4 Bde.). Kleinere Schriften sind: »Politique de la Franceen Algérie« (1865); »Carte de la situation militaireen Europe« (1868); »Titres de la dynastie Napoléonienne« (1868); »Progrès de la France sous le gouvernement impérial« (1869); »Forces militaires de la France« (1872). Sein Hauptwerk ist die »Histoire de Jules César« (1865-66, 2 Bde.; deutsch, Wien 1865-66), deren zweiter Band wegen der gründlichen Studien über den gallischen Krieg wertvoll ist. Nach seinem Tod erschienen: »OEuvres posthumes; autographes inédits de Napoleon IIIen exil« (1873)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

2 Mastai: Pius IX.

"Pius IX., 1846-78, vorher Giovanni Maria, Graf von Mastai-Ferretti, geb. 13. Mai 1792 in Sinigaglia, gest. 7. Febr. 1878, erzogen im Piaristenkollegium zu Volterra, studierte in Rom Theologie und begleitete 1823 den apostolischen Vikar Muzi nach Chile. Im Juli 1825 nach Rom zurückgekehrt, wurde Mastai zum Vorsteher des Michaelhospitals, 21. Mai 1827 zum Erzbischof von Spoleto, 17. Dez. 1832 zum Bischof von Imola und 1840 zum Kardinal ernannt. Als er nach Gregors XVI. Tode 16. Juni 1846 zum Papst gewählt wurde, hegten die Liberalen Italiens die kühnsten Erwartungen von ihm, da er die strengen reaktionären Maßregeln seines Vorgängers nicht gebilligt hatte. Pius erließ auch sofort eine allgemeine Amnestie und begann durchgreifende Reformen im Kirchenstaat: 1847 gab er der Stadt Rom eine neue Munizipalverfassung, dem Kirchenstaat aber eine Staatskonsulta und im März 1848 sogar eine konstitutionelle Verfassung sowie ein teilweise weltliches Ministerium. Indes gingen die Wogen der radikalen Bewegung so hoch, dass die Verbannung der Jesuiten aus Rom 29. März von Pius bewilligt werden musste, und nach der Ermordung Rossis (15. Nov.) floh der Papst nach Gaeta, von wo er erst 12. April 1850 nach Rom zurückkehrte, um unter dem Schutze französischer und österreichischer Bajonette eine rücksichtslose Reaktion durchzuführen. In dem kirchlichen System hatte Pius von Anfang an keine Änderungen beabsichtigt. Obwohl persönlich liebenswürdig und mild sowie frei von jedem Zelotismus, bekannte sich Pius doch durchaus zu den hierarchischen Grundsätzen seiner Vorgänger. Die Leitung der Welt durch die vom Nachfolger Petri geleitete römische Kirche erschien ihm als das einzige untrügliche Heilmittel gegen alle materiellen und geistigen Gebrechen der Menschheit, namentlich gegen die Pest des Liberalismus; und nach seiner Meinung unter dem besondern Schutz der Jungfrau Maria stehend, glaubte er sich berufen, die Welt durch ihre Unterwerfung unter den römischen Stuhl zum ewigen Heil zu führen. Pius errang auch überraschende Erfolge, indem er sich nach 1848 in geschickter Weise zugleich die doktrinären Prinzipien der Liberalen und die reaktionären Bestrebungen der Regierungen zunutze machte. In England und den Niederlanden wurden nach dem Grundsatz unbedingter Religionsfreiheit katholische Bistümer errichtet, dagegen mit Österreich (1855), Württemberg (1857) und Baden (1859) Konkordate abgeschlossen. Überall wurde die Zahl und Tätigkeit der Orden vermehrt. Zu größerer Ehre seiner Schutzheiligen verkündete Pius 8. Dez. 1854 in einer Versammlung von 167 Bischöfen das Dogma der unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Maria; die Jesuiten, unter deren Einfluss er so Großes errungen hatte, begünstigte er immer entschiedener. Bei den politischen Umwälzungen in Italien 1859 und 1860, in denen ihm Napoleon III. gern eine einflussreiche Stellung an der Spitze eines italienischen Staatenbundes verschafft hätte, lehnte er alle Zugeständnisse ab, so dass der Verlust der Legationen und der Marken an das neue Königreich Italien nicht abzuwenden war. Pius bezeichnete ihn zwar als einen schändlichen Kirchenraub, belegte die »subalpinische« Regierung mit dem Bann und erklärte den weltlichen Besitz für notwendig für den Bestand und das Heil der Kirche; sein Hilferuf an die katholischen Mächte war aber erfolglos. Um so leidenschaftlicher wandte er sich mit geistlichen Waffen gegen den kirchenfeindlichen Zeitgeist. Am 8. Dez. 1864 erließ er eine Enzyklika, worin er die freien Ansichten der Neuzeit über Religion und bürgerliche Gesellschaft verdammte. Dann schloss sich der »Syllabus complectens praecipuos nostrae aetatis errores« (s. Syllabus) an, ein Verzeichnis von 80 auf die Religion, die Wissenschaft und das bürgerliche Leben bezüglichen Irrlehren, worin sich der Papst ganz auf den mittelalterlichen Standpunkt stellte, indem er Unterordnung der Wissenschaft und des Staates unter die päpstliche Autorität verlangte. Am 8. Dez. 1869 eröffnete er das vatikanische Konzil, das trotz des Widerspruchs vieler angesehener Bischöfe aus den bedeutendsten Kulturländern unter dem persönlichen Einfluss des Papstes 18. Juli 1870 das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit annahm und den Absolutismus der römischen Hierarchie vollendete. Als nach dem Abmarsch der französischen Besatzung die Italiener 20. Sept. 1870 in Rom einrückten, schloss Pius sich im Vatikan ein, wies das Garantiegesetz vom 13. Mai 1871 zurück und griff die italienische Regierung bei jeder Gelegenheit mit den heftigsten Worten an. Auch mit dem deutschen Kaiserreich, dessen Gründung und Politik die jesuitischen Pläne unerwartet durchkreuzte, nahm er den Kampf auf. Er richtete 7. Aug. 1873 einen anmaßenden Brief an Kaiser Wilhelm I. und erklärte in der Enzyklika vom 5. Febr. 1875 die preußischen Maigesetze für ungültig. Mit unverwüstlicher Siegesgewissheit verfolgte er seine überspannten Ziele, und ungebrochen an Hoffnung und Selbstvertrauen feierte er 1877 sein 50jähriges Bischofsjubiläum. Ungeachtet des Verlustes der weltlichen Herrscherstellung hatten Einfluss und Bedeutung des Papsttums unter Pius IX. sich ungemein gesteigert, und kaum ein Papst vor ihm hat eine so unbedingte Herrschaft über die Kirche ausgeübt."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

3 Petri Stuhl: Papstthron


1862



Abb.: Vorlage: Vision des Hl. Don Bosco. -- Basilica Maria Ausilatrice, Torino-Valdocco

Erläuterung:

Im Mai 1862 hat der Hl. Don Bosco (1815 - 1888) folgende Vision :

"Stellt euch vor, wir befinden uns an der Küste des Meeres oder besser noch auf einer einsamen Klippe und sehen kein Land außer dem Boden unter unseren Füssen. Auf dem weiten Meer erkennen wir eine unzählbare Menge von Schiffen, die sich für eine Seeschlacht geordnet haben. Sie verfügen über eiserne Schiffsschnäbel und sind mit Kanonen, Gewehren, sonstigen Waffen jeglicher Art und Brandsätzen ausgerüstet. Sie nähern sich einem Schiff, das viel größer ist als das ihrige und versuchen, dieses mit ihren spitzigen Schnäbeln zu beschädigen, es anzuzünden und ihm jeden nur möglichen Schaden zuzufügen. Das große Schiff wird von vielen kleinen Booten begleitet, die von ihm Befehle empfangen und das majestätische Schiff gegen die feindliche Flotte verteidigen. Sie haben starken Gegenwind und das aufgewühlte Meer scheint die Angreifer zu begünstigen.

Mitten im weiten Meer stehen in geringem Abstand voneinander zwei mächtige Säulen. Die eine wird von einer Statue der Immaculata gekrönt, zu deren Füssen steht: "Auxilium christianorum" (Helferin der Christen), auf der zweiten, viel höheren und mächtigeren Säule sehen wir eine übergroße Hostie, darunter auf einem Schild die Worte: "Salus credentium" (Heil der Gläubigen).

Der Papst als Kommandant des großen Schiffes erkennt die Wut der Feinde und damit die Gefahr, in der sich seine Getreuen befinden. Er ruft deshalb die Steuermänner der Begleitboote zur Beratung auf sein Schiff. Der Sturm wird immer heftiger; die Kommandanten müssen auf ihre Boote zurückkehren. Nach Beruhigung der See ruft der Papst die Kommandeure ein zweites Mal zu sich. Plötzlich bricht der Sturm von Neuem los. Der Papst steht am Steuer und versucht mit aller Kraft sein Schiff zwischen die beiden Säulen zu lenken, an denen viele Anker und große Haken angebracht sind. Die feindlichen Schiffe beginnen nun mit dem Angriff und wollen das päpstliche Schiff versenken. Immer wieder versuchen sie Brandmaterial an Bord des großen Schiffes zu schleudern und feuern mit ihren Bordgeschützen aus allen Rohren. Trotz des leidenschaftlichen Kampfes der feindlichen Schiffe und des Einsatzes aller Waffen scheitert jedoch der Angriff, und das päpstliche Schiff durchpflügt, obwohl auf beiden Seiten bereits schwer angeschlagen, frei und sicher das Meer, denn kaum getroffen, schließt ein sanfter Wind, der von den beiden Säulen ausgeht, sofort jedes Leck.

Auf den Schiffen der Angreifer platzen jetzt die Kanonenrohre, die Schiffsschnäbel zerbrechen, viele Schiffe bersten auseinander und versinken im Meer. Plötzlich wird jedoch der Papst von einer feindlichen Kugel getroffen. Seine Helfer stützen ihn und richten ihn wieder auf, wenig später trifft ihn erneut ein feindliches Geschoss, und er sinkt tot zu Boden.

Bei der feindlichen Flotte erhebt sich ein Freuden- und Siegesgeschrei. Die auf dem päpstlichen Schiff versammelten Kommandeure wählen in solcher Eile einen neuen Papst, dass die Nachricht vom Tod des Steuermanns zugleich mit der Nachricht von der Wahl des Nachfolgers bei den Feinden ankommt. Jetzt verlieren diese plötzlich allen Mut, das päpstliche Schiff aber überwindet alle Hindernisse und fährt sicher zwischen die beiden Säulen, wo es vor Anker geht. Die Feinde flüchten, rammen sich gegenseitig und gehen zugrunde. Die kleinen Begleitboote des päpstlichen Schiffes rudern mit voller Kraft ebenfalls zu den beiden Säulen und machen dort fest. Auf dem Meer tritt eine große Stille ein."

An dieser Stelle fragte Don Bosco seinen späteren Nachfolger als Generaloberer, Don Michael Rua: "Was hältst Du von dieser Erzählung?" Don Rua antwortete: "Mir scheint, das Schiff des Papstes ist die Kirche, deren Oberhaupt er ist. Die andern Schiffe sind die Menschen, das Meer ist die Welt. Jene, die das große Schiff verteidigen, sind die treuen Anhänger des Papstes, die anderen seine Feinde, die mit allen Mitteln die Kirche zu vernichten suchen. Die beiden Säulen bedeuten, wie mir scheint, die Verehrung Mariens und der hl. Eucharistie."

Don Bosco sagte: "Du hast gut gesprochen. Nur ein Ausdruck muss richtig gestellt werden: Die feindlichen Schiffe bedeuten die Verfolgungen der Kirche. Sie bereiten schwerste Qualen für die Kirche vor. Das, was bisher war, ist beinahe nichts im Vergleich zu dem, was noch kommen wird. Die Schiffe symbolisieren die Feinde der Kirche, die das Hauptschiff zu versenken versuchen, wenn es ihnen gelänge. Nur zwei Mittel verbleiben uns zur Rettung in dieser Verwirrung: Die Verehrung der Gottesmutter und die häufige hl. Kommunion."


1871


"Wenn man schon neunundneunzig Pfund glaubt, warum nicht gleich den ganzen Zentner?"

Ludwig Anzengruber (1839-1889) zur Unfehlbarkeitserklärung des Papstes (1871)


Franz Grillparzer (1791-1872): Päpste.  -- 1871

Zu Petrus sprach wohl Christus voll Vertrauen:
Auf dich will ich meine Kirche bauen,
Bezeichnend ihn als seiner Lehre Hort,
Von seinen Nachfolgern sprach er kein Wort.


1879


Dranmor [= Schmid, Ludwig Ferdinand] (1823-1888): An Pio Nono [= Papst Pius IX.]. -- 1879

 »Die Pfaffen haben sein Gehirn verriegelt;
Sie haben ihm den Gottesgnadentraum
Mit albernem Gewäsche vorgespiegelt.«
(S. Heller.)

1.

Vergänglich ist die Menschheit und, dem Staube
Mühsam entwachsen, unrettbar verfallen
Dem grauen Chaos. Keinen von uns allen
Befreit vom Erdenlos sein Himmelsglaube.

Arm ist die Menschheit; jeder lebt vom Raube
Und von Geschenken aus des Todes Krallen;
Und was beherrscht Despoten wie Vasallen?
Die liebe Sünde nur, die blinde, taube.

Des Fleisches Wut, des Denkens finstre Macht,
O Papst! verbrüdern Sklaven mit Cäsaren
Im Schlamme, der auch dir entgegenlacht,
Wo mir, dem Sünder in der Sünder Scharen,
Graut vor der Lüge, die dein Stolz erdacht,
Und graut vor dir, dem einzig Unfehlbaren.

2.

Wenn über uns, jenseits der Himmelslichter,
Ein Schöpfer thront, der Zeit und Raum ersonnen,
Mit unlösbaren Rätseln uns umsponnen,
Der ist Jehovah, der ist unser Richter!
Nicht du mit all den irdischen Gebrechen.
Was ist dein priesterlicher Strahlenkranz?
Theaterschmuck; - dein Pomp? - ein Mummenschanz;
Dein Gotteswort? - ein nichtiges Versprechen.

Erläuterung:

"Pius IX., 1846-78, vorher Giovanni Maria, Graf von Mastai-Ferretti, geb. 13. Mai 1792 in Sinigaglia, gest. 7. Febr. 1878, erzogen im Piaristenkollegium zu Volterra, studierte in Rom Theologie und begleitete 1823 den apostolischen Vikar Muzi nach Chile. Im Juli 1825 nach Rom zurückgekehrt, wurde Mastai zum Vorsteher des Michaelhospitals, 21. Mai 1827 zum Erzbischof von Spoleto, 17. Dez. 1832 zum Bischof von Imola und 1840 zum Kardinal ernannt. Als er nach Gregors XVI. Tode 16. Juni 1846 zum Papst gewählt wurde, hegten die Liberalen Italiens die kühnsten Erwartungen von ihm, da er die strengen reaktionären Maßregeln seines Vorgängers nicht gebilligt hatte. P. erließ auch sofort eine allgemeine Amnestie und begann durchgreifende Reformen im Kirchenstaat: 1847 gab er der Stadt Rom eine neue Munizipalverfassung, dem Kirchenstaat aber eine Staatskonsulta und im März 1848 sogar eine konstitutionelle Verfassung sowie ein teilweise weltliches Ministerium. Indes gingen die Wogen der radikalen Bewegung so hoch, dass die Verbannung der Jesuiten aus Rom 29. März von P. bewilligt werden musste, und nach der Ermordung Rossis (15. Nov.) floh der Papst nach Gaeta, von wo er erst 12. April 1850 nach Rom zurückkehrte, um unter dem Schutze französischer und österreichischer Bajonette eine rücksichtslose Reaktion durchzuführen. In dem kirchlichen System hatte P. von Anfang an keine Änderungen beabsichtigt. Obwohl persönlich liebenswürdig und mild sowie frei von jedem Zelotismus, bekannte sich P. doch durchaus zu den hierarchischen Grundsätzen seiner Vorgänger. Die Leitung der Welt durch die vom Nachfolger Petri geleitete römische Kirche erschien ihm als das einzige untrügliche Heilmittel gegen alle materiellen und geistigen Gebrechen der Menschheit, namentlich gegen die Pest des Liberalismus; und nach seiner Meinung unter dem besondern Schutz der Jungfrau Maria stehend, glaubte er sich berufen, die Welt durch ihre Unterwerfung unter den römischen Stuhl zum ewigen Heil zu führen. P. errang auch überraschende Erfolge, indem er sich nach 1848 in geschickter Weise zugleich die doktrinären Prinzipien der Liberalen und die reaktionären Bestrebungen der Regierungen zunutze machte. In England und den Niederlanden wurden nach dem Grundsatz unbedingter Religionsfreiheit katholische Bistümer errichtet, dagegen mit Österreich (1855), Württemberg (1857) und Baden (1859) Konkordate abgeschlossen. Überall wurde die Zahl und Tätigkeit der Orden vermehrt. Zu größerer Ehre seiner Schutzheiligen verkündete P. 8. Dez. 1854 in einer Versammlung von 167 Bischöfen das Dogma der unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Maria; die Jesuiten, unter deren Einfluss er so Großes errungen hatte, begünstigte er immer entschiedener. Bei den politischen Umwälzungen in Italien 1859 und 1860, in denen ihm Napoleon III. gern eine einflussreiche Stellung an der Spitze eines italienischen Staatenbundes verschafft hätte, lehnte er alle Zugeständnisse ab, so dass der Verlust der Legationen und der Marken an das neue Königreich Italien nicht abzuwenden war. P. bezeichnete ihn zwar als einen schändlichen Kirchenraub, belegte die »subalpinische« Regierung mit dem Bann und erklärte den weltlichen Besitz für notwendig für den Bestand und das Heil der Kirche; sein Hilferuf an die katholischen Mächte war aber erfolglos. Um so leidenschaftlicher wandte er sich mit geistlichen Waffen gegen den kirchenfeindlichen Zeitgeist. Am 8. Dez. 1864 erließ er eine Enzyklika, worin er die freien Ansichten der Neuzeit über Religion und bürgerliche Gesellschaft verdammte. Dann schloss sich der »Syllabus complectens praecipuos nostrae aetatis errores« (s. Syllabus) an, ein Verzeichnis von 80 auf die Religion, die Wissenschaft und das bürgerliche Leben bezüglichen Irrlehren, worin sich der Papst ganz auf den mittelalterlichen Standpunkt stellte, indem er Unterordnung der Wissenschaft und des Staates unter die päpstliche Autorität verlangte. Am 8. Dez. 1869 eröffnete er das vatikanische Konzil, das trotz des Widerspruchs vieler angesehener Bischöfe aus den bedeutendsten Kulturländern unter dem persönlichen Einfluss des Papstes 18. Juli 1870 das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit annahm und den Absolutismus der römischen Hierarchie vollendete. Als nach dem Abmarsch der französischen Besatzung die Italiener 20. Sept. 1870 in Rom einrückten, schloss P. sich im Vatikan ein, wies das Garantiegesetz vom 13. Mai 1871 zurück und griff die italienische Regierung bei jeder Gelegenheit mit den heftigsten Worten an. Auch mit dem deutschen Kaiserreich, dessen Gründung und Politik die jesuitischen Pläne unerwartet durchkreuzte, nahm er den Kampf auf. Er richtete 7. Aug. 1873 einen anmaßenden Brief an Kaiser Wilhelm I. und erklärte in der Enzyklika vom 5. Febr. 1875 die preußischen Maigesetze für ungültig. Mit unverwüstlicher Siegesgewissheit verfolgte er seine überspannten Ziele, und ungebrochen an Hoffnung und Selbstvertrauen feierte er 1877 sein 50jähriges Bischofsjubiläum. Ungeachtet des Verlustes der weltlichen Herrscherstellung hatten Einfluss und Bedeutung des Papsttums unter P. IX. sich ungemein gesteigert, und kaum ein Papst vor ihm hat eine so unbedingte Herrschaft über die Kirche ausgeübt. "

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


1882


Conrad Ferdinand Meyer <1825 - 1898>: Alte Schweizer. -- 1882

Sie kommen mit dröhnenden Schritten entlang
Den von Raffaels Fresken verherrlichten Gang
In der puffigen alten geschichtlichen Tracht,
Als riefe das Horn sie zur Murtener Schlacht:

»Herr Heiliger Vater, der Gläubigen Hort,
So kann es nicht gehn und so geht es nicht fort!
Du sparst an den Kohlen, du knickerst am Licht -
An deinen Helvetiern knausre du nicht!

Wann den Himmel ein Heiliger Vater gewann,
Ergibt es elf Taler für jeglichen Mann!
So galt's und so gilt's von Geschlecht zu Geschlecht,
Wir pochen auf unser historisches Recht!

Herr Heiliger Vater, du weißt, wer wir sind!
Bescheidene Leute von Ahne zu Kind!
Doch werden wir an den Moneten gekürzt,
Wir kommen wie brüllende Löwen gestürzt!

Herr Heiliger Vater, die Taler heraus!
Sonst räumen wir Kisten und Kasten im Haus...
Potz Donner und Hagel und höllischer Pfuhl!
Wir versteigern dir den apostolischen Stuhl!«

Der Heilige Vater bekreuzt sich entsetzt
Und zaudert und langt in die Tasche zuletzt -
Da werden die Löwen zu Lämmern im Nu:
»Herr Heiliger Vater, jetzt segne uns du!«

Anmerkung C. F. Meyers:  Bei der Thronbesteigung Leos XIII. brach im Vatikan eine kleine Palastrevolte aus, weil der sparsame Papst den Schweizern das übliche Donativ zurückhielt.


1883



Abb.: Friedrich August von Kaulbach (1850 - 1920): Lenbach porträtiert Papst Leo XIII. --  1883


1886


Arno Holz (1863-1929): Weltzeitungs-Inserat. -- 1886

Gesucht wird für sofort ein tüchtger Mäher.
Adressen sub Bureau zum großen Pan.
Denn dreigekrönt sitzt noch ein Pharisäer
Auf seinem Sündenstuhl im Vatikan.


1893



Abb.: Aubrey Beardsley (1872 - 1898): Jubiläum Papst Leo XIII. Der Pilger alten Stils. -- In: The Pall Mall Budget. -- 1893



Abb.:

Aubrey Beardsley (1872 - 1898): Jubiläum Papst Leo XIII. Der Pilger neuen Stils. -- In: The Pall Mall Budget. -- 1893


1905



Abb.: Filiberto Scarpelli (1870 - 1933): Papst Leo XIII. und der kleine Bepi [Papst Pius X.]. -- 1905

[Bildquelle: Piltz, Georg: Geschichte der europäischen Karikatur. -- Berlin : Deutscher Verlag d. Wiss., 1976. -- 328 S. : 310 Ill. ; 28 cm. -- S. 186]


1922



Abb.: Ohne Worte

[Bildquelle: Beißwanger, Konrad: Illustrierter Pfaffenspiegel : kritisch-historisches Handbuch der Verirrungen des menschlichen Geistes und des Lasterlebens in der christlichen Kirche. -- 2. Aufl. --  Nürnberg: Beißwanger, 1922. -- 420 S. : Ill. -- S. 193]


1925


Kurt Tucholsky (1890 - 1935): Die freien Deutschen. -- In: Die Weltbühne1925-06-16.

Wenn der Papst abends durch seine Gemächer geht,
leise, vorsichtig wandelnd, es ist schon spät,
bleibt er am Bücherbord ein bisschen stehn,
lässt den Blick über mattschimmernde Titel gehn . . .
Herders Werke - ist da zu lesen . . .
»Ah - Deutschland -« denkt er, »ein gutes Land.
Das ist uns sicher. Das haben wir fest in der Hand.
Da ist nichts zu fürchten . . . Übrigens ist das sein  Glück -!«
Und dann geht er ein Stück
und zieht sich gänzlich in seine Gemächer zurück.

Wenn ein Bankdirektor am Adriatischen Meer
badet - frischen Wind bringt die Luft von Süden her,
die Wellen glitzern . . . draußen treibt ein Boot . . .
Der Bankmann frottiert sich mit seinem Bademantel, der ist weiß und rot . . .
»Übrigens«, sagt er zu seinem Schwager, der neben ihm sitzt
und dumpfbrütend schwitzt,
»diesmal bin ich direkt ruhig auf Urlaub gefahren.
Alles ist still. Im Reichstag liegen se sich in den Haaren.
Lass se liegen. Kein Bolschewismus. Kein Experiment.
Unberufen . . . Bei so einem Präsident -!«
Und der Schwager schwitzt und hockt kalbsdämlich da.
Schöner Sonnenfriede liegt über der Adria.

Gutsbesitzer. Militärs. Stahlhelmkommis. Richter. Polizei.
Eine himmlische Ruhe und Gewissheit ist in ihnen. Die Revolution ist endgültig vorbei.
Aber im ganzen Lande - das hätte ich beinah vergessen -
klappen sich auf die gewaltigsten Schnurrbartfressen:
»Ein freies Deutschland! Anschluss an Österreich!
Frei von dem welschen Joch! Frei wolln wir sein! Aber gleich -!«
Innerlich stramm stehn. Versklavt von tausend Gewalten.
Im übrigen: »Weg mit Wersalch!« Gott liebt es, sowas zu erhalten.

Theobald Tiger


1928


Erich Weinert (1890-1953): Der katholische Nordpol. -- 1928

Du lieber Gott da hinten hinterm Äther,
Du wirst uns hoffentlich nicht böse sein,
Wenn wir heut deinem Generalvertreter
Auf Erden einmal unsre Strophen weihn.

Wir wissen, Dass du deinen Hohenpriestern
Nur selten große Geistesfunzeln gabst.
Doch heute hebt sich strahlend aus dem Düstern
Ein geniales Kirchenlicht, dein Papst.

Er hatte zwar das Pulver nicht erfunden
Und auch nicht das Perpetuum mobile.
Doch hat er jetzt den Nordpol überwunden
Mit Hilfe des Ballons von Nobile.

Ein Riesenkreuz von zirka einem Zentner
Hat er Herrn Nobile mit eingepackt.
Dazu kam noch ein schöner pergamentner
Erlass, den Mussolini hingehackt.

Rom wird modern, der Nordpol wird katholisch;
Denn dort steht nun das Kreuz vom Pontifex.
Da freuen sich die Eisbären diabolisch
Und lassen vor Begeistrung einen Klecks.

Das Kreuz soll fürderhin am Nordpol stehen.
Im kindschen Spiel liegt oft ein tiefer Sinn.
Es hat sich alles um das Kreuz zu drehen!
Da kann sogar die Erde nicht umhin.

Die Geistverkleisterungszentralbehörde
Hat wieder einen Teil der Welt besiegt.
Wenn nur die Achse unsrer armen Erde
Sich bei der Last der Dummheit nicht verbiegt!

Erklärung:

"Umberto Nobile (* 21. Januar 1885 in Lauro bei Neapel, † 30. Juli 1978 in Rom) war ein italienischer Luftschiffpionier. Er überflog 1926 im Luftschiff "Norge" gemeinsam mit Roald Amundsen und dem amerikanischen Millionär Lincoln Ellsworth den Nordpol. Damit wurden sie im Rennen um die erste Nordpolüberquerung aber nur zweite, da der Amerikaner Richard Byrd drei Tage vorher mit einem Flugzeug über den Pol geflogen war. Zu einem zweiten Flug zum Nordpol, diesmal ohne Amundsen, startete er am 23. Mai 1928 mit dem Luftschiff "Italia" von Spitzbergen aus, den er auch am 24. Mai überflog. Am 25. Mai stürzte Nobile mit dem Luftschiff auf dem Rückflug vom Nordpol in der Nähe von Spitzbergen ab, wobei neun Expeditionsmitglieder sowie Nobile auf eine Eisscholle geschleudert wurden. Das geleichterte Luftschiff stieg mit sechs an Bord verbliebenen Mann wieder auf und wurde nicht wiedergefunden. Roald Amundsen startete im Rahmen einer internationalen Rettungsaktion und ist seither verschollen. Der durch Knochenbrüche bewegungsunfähige Nobile wurde von einem schwedischen Piloten in Sicherheit gebracht, die anderen Überlebenden am 12. Juli von dem sowjetischen Eisbrecher "Krassin" geborgen. "

[Quelle: http://www.net-lexikon.de/Umberto-Nobile.html. -- Zugriff am 2004-05-28]


1929



Abb.: Unterzeichnung der Lateranverträge1 durch den Duce [Führer] Mussolini und Kardinalstaatssekretär Gasparri im Lateranpalast am 11. Februar 1929

Erläuterung:

1 Lateranverträge

"Die Lateranverträge vom 11. Februar 1929, abgeschlossen zwischen dem Heiligen Stuhl (vertreten durch Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri) und dem damaligen Königreich Italien (vertreten durch den faschistischen Ministerpräsidenten Benito Mussolini), regelte endgültig die so genannte Römische Frage. Der Name der Verträge leitet sich vom Ort der Unterzeichnung, dem Lateranpalast, ab.

Das Vertragswerk besteht aus drei Teilen:

  1. Versöhnungsvertrag - Schaffung des unabhängigen Staates der Vatikanstadt als souveränen Staat. Außerdem garantiert der italienische Staat in diesen Vertragsteil die Unabhängigkeit und Souveränität des Heiligen Stuhls als nichtstaatliches Völkerrechtssubjekt.
  2. Konkordat - regelt die Beziehung des italienischen Staates mit der italienischen Kirche in religiösen und zivilrechtlichen Angelegenheiten.
  3. Finanzkonvention - regelt Entschädigungsleistungen des italienischen Staates gegenüber dem Heiligen Stuhl bezüglich der Eigentumsverluste des Jahres 1870. Unter anderem wird dem Heiligen Stuhl eine Entschädigung in der Höhe von 1,75 Milliarden Lire zugesprochen."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Lateranvertr%C3%A4ge. -- Zugriff am 2005-02-07]

[Bildvorlage: Chronik 1929 / [Autor: Brigitte Beier]. -- Gütersloh : Chronik-Verl., 1988. -- 240 S. : zahlr. Ill. . -- (Die Chronik-Bibliothek des 20. Jahrhunderts). -- ISBN 3-611-00039-6. -- S. 27.]


1980



Abb.: Aus einer Ansprache Papst Johannes Paul VI. vor Wissenschaftlern und Studenten im Kölner Dom. -- 1980-11-15 (Bildmontage von A. Payer, Bildvorlage: Herkunft verloren gegangen)

Es kann für den Papst natürlich keinen Konflikt zwischen Kirchenglauben und Wissenschaft geben, weil im Zweifelsfall immer die Kirche, besonders der jeweilige Inhaber des größenwahnsinnigen Papstamts "recht" hat.

Der volle Text der Ansprache: http://www.vatican.va/holy_father/john_paul_ii/speeches/1980/november/documents/hf_jp_ii_spe_19801115_scienziati-studenti-colonia_ge.html. -- Zugriff am 2005-02-08


2005


2005-04-19 Habemus Papam - "Wir" haben einen Papst


Abb.: Eine neue Definition von Bescheidenheit

Obwohl wir nicht "Viva il Papa" ("Es lebe der Papst") rufen können, da das Papsttum wirklich nicht zu den lobenswerten Errungenschaften des Menschen gehört, wollen wir doch wenigstens "Viva la Papa" ("Es lebe die Kartoffel") rufen und damit einer wirklichen Kulturleistung der Menschen huldigen. Darum aus vollem Herzen:


Abb.: Viva la Papa!
[Bildquelle: http://www.uslarer-land.de/start/service.html. -- Zugriff am 2005-04-20]


Abb.: Hartz IV zeigt erste Wirkung! Deutscher übernimmt Polenjob!
[Quelle: Der Spiegel. -- 2005-04-25. -- S. 192]


2005-04-24

Amteinführung des Heiligen Vaters (dass er nicht "heilig" ist, sieht man, ob er Vater ist, weiß ich nicht).


Abb.: Grüße aus Tübingen 1968 an den schon damals langweiligen Schwätzer und jetzigen Papa-Ratzi


Nicht datiert



Abb.: Papst und Narr im Umdreh-Bild / von Sean George

[Bildquelle: Henel, Hans Otto  <1888 - >: Thron und Altar ohne Schminke : vergessene Historien und Histörchen. -- Leipzig-Lindenau : Freidenker-Verlag, ©1926. -- S. 105]


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876): Der tote Papst

Im Vatikan, in dunkler Trauerkammer,
Lag hingestreckt die Kirchenmajestät;
Da schlug man ihr mit einem Hammer
Stark auf den Kopf — ach, viel zu spät!


Zu Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXXI: Beichte