Religionskritik

Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXXII:

Kirchliche Raffsucht


kompiliert und herausgegeben von Alois Payer

(payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXXII: Kirchliche Raffsucht / kompiliert und hrsg. von Alois Payer. -- Fassung vom 2005-02-08. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/karikaturen32.htm   

Erstmals publiziert: 2004-06-14

Überarbeitungen: 2005-02-08 [Ergänzungen]; 2005-01-07 [Ergänzungen]; 2004-12-06 [Ergänzungen]; 2004-09-26 [Ergänzungen]

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Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library


1751


Johann von Loen (1694 - 1776): Die Kirchen-Gebräuche. -- 1751

Ein frommer Priester auf dem Land,
War, weil er sich des Grund-Texts nicht beflissen,
Auf ein sehr armes Dorf verwiesen.
Er lebte schlecht und unbekannt,
Und musste, leider, sich bequemen,
Mit wenig Sold vorlieb zu nehmen.
Einst, da ich zu ihm kam, beklagt er sich gar sehr,
Dass lang in seinem Dorf kein Kind erschienen war;
Auch sei in sieben Jahrenfrist,
Ihm einmal nur das Glück gelungen,
Dass man in seiner Kirch, den Morgenstern gesungen. [d.h. eine Trauung fand statt]
Zwei Gulden brächte ihm die Leichenpredigt ein;
Wenn nun kein Sterben würde sein:
So war der Sold doch gar zu schlecht.
So gern er auch zu Gottes Ehren,
Hier seine Redekunst lies hören.
Der arme Mann hat recht,
Er ist des Altars Knecht;
Und hat sonst nichts zu heben;
Von Tauf, und Beicht, und Sterben muss er leben;
So ist es einmal eingericht;
Ist dieses Christi Kirch? Dies glaub ich nicht.
Das Kind in Mutterleib muss schon die Fürbitt kaufen:
So bald sich die Geburt nur meldt;
So bringt die Taufe Geld.
Die Jugend siehet man zum Pfarrherrn laufen.
Wenn er sie konfirmiert,
Zahlt man, wie sichs gebührt,
Den Meinungs-Kram, davon sie nichts verstehet.
Wenn man darauf zum Tisch des Herren gehet:
So macht das Geld für Ablas, nach der Beicht,
Sund und Gewissen leicht.
Man freit; doch gilt der Ehstand nicht,
Wenn nicht der Priester erst den Segen drüber spricht;
Dies trägt ihm ein. Schreckt Krankheit oder Tod;
So hilft der Priester auch mit Beten aus der Not;
Doch nichts umsonst. Man scharrt die Toten ein,
Und lobet sie zuletzt, das muss bezahlet sein.
Man hat den Ablas abgeschafft:
Wie, dass man noch an solchen Dingen haft?
Fürwahr, ich kann hier nicht den frommen Tadel lassen;
Und sollte man mich drüber hassen.
Ich sag und wiederhol es frei,
Dass hier nicht Christi Kirche sei.
Die Früchte sind allein des Geistes Gaben,
Was Wunder, dass wir sie verloren haben?


1828



Abb.: William Heath (1795 - 1840): Beim Verlassen der Kirche. --  um 1828


1832


Nikolaus Lenau (1802-1850): Der geldgierige Pfaffe.  --  1832

Der Pfaffe weiß mit Dampf, Gesang und Glocken,
Mit Mummerei, Gebärd und schlauem Segen
Den Pöbel zum Guckkasten hinzulocken,
Worin sich Höll und Himmel bunt bewegen.
Derweil, entzückt, der Pöbel, und erschrocken,
Ans Wunderloch nun tut das Auge legen,
Umschleichet ihn der Pfaffe, aus den Taschen
Die schweißgetränkten Kreuzer ihm zu haschen.


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876): Das ist auch darnach!. -- 1832

A: Du hast ja woll en kleenen Jungen jekriegt?
B: Ja!
A: Wo läßten immer doofen?
B: In der Jeorjen Kirche.
A: Wat mussten da jeben?
B: Een Dahler un fünf Silbergroschens.
A: Dunnerwetter, dets ville! Da komm nach de Spittelkirche, da doofen se Dir den schönsten Jungen vor sechszehn Jroschen !
B (achselzuckend): Vor sechszehn Jroschen Doofen? Na, det wird ooch danach sind!


1848



Abb.: Nehmen ist besser als Geben. -- Lithographie von Anton Zampis (1820 - 1883). -- 1848

[Bildquelle: 1848 : Protokolle einer Revolution / eine Dokumentation von Kurt Mellach, eingeleitet von Gerhard Fritsch. -- Wien ; München : Verl. für Jugend u. Volk, 1968. -- 189 S. : Ill. ; 4°. -- S. 32]


1876


Anastasius Grün (1808-1876). -- 1876

Ein Pfennig, in den Opferstock gerückt,
Wird lauten Klangs dein Loblied singen;
Ein Goldstück, in die Bettlerhand gedrückt,
Wird nur beglücken, doch nicht klingen.


1878



Abb.: Kinder lasst die Finger weg. -- Karikatur von André Gill (1840-1885). -- In: La Lune Rousse. -- 1878

[Quelle: Fuchs, Eduard <1870 - 1940>: Die Karikatur der europäischen Völker vom Jahre 1848 bis zur Gegenwart. -- Berlin : Hofmann, 1903. -- 486 S. : Ill. -- S. ´349]


1907



Abb.: "Mein muss alles sein." -- Zeichnung von Gabriele Galantara (Rata Langa)  (1865 bis1937). -- In: Asino. -- Rom. -- 1907

[Quelle: Wendel, Friedrich <1886 - >: Die Kirche in der Karikatur : eine Sammlung antiklerikaler Karikaturen, Volkslieder, Sprichwörter und Anekdoten. -- Berlin : Der Freidenker, 1927. -- 154 S. : Ill. -- S. 128.]



Abb.: Nach der strikten Trennung von Kirche und Staat und der Streichung der staatlichen Zahlungen an den Klerus, verdienen französische Pfarrer ihren Lebensunterhalt durch Arbeit: die Photographien zeigen drei Beispiele. -- 1907

[Bildquelle: Chronik 1907 / Bernhard Pollmann . -- Gütersloh : Chronik-Verl., 1991. -- 240 S. : zahlr. Ill. . -- (Die Chronik-Bibliothek des 20. Jahrhunderts). -- ISBN 3-611-00159-7. -- S. 36]


1922



Abb.: Der Teufel von vorn


Abb.: Der Teufel von hinten

[Bildquelle: Beißwanger, Konrad: Illustrierter Pfaffenspiegel : kritisch-historisches Handbuch der Verirrungen des menschlichen Geistes und des Lasterlebens in der christlichen Kirche. -- 2. Aufl. --  Nürnberg: Beißwanger, 1922. -- 420 S. : Ill. -- S. 117f.]



Abb.: Ohne Worte

[Bildquelle: Beißwanger, Konrad: Illustrierter Pfaffenspiegel : kritisch-historisches Handbuch der Verirrungen des menschlichen Geistes und des Lasterlebens in der christlichen Kirche. -- 2. Aufl. --  Nürnberg: Beißwanger, 1922. -- 420 S. : Ill. -- S. 247]


1931


Erich Weinert (1890-1953): Devaheimliches Gebet. -- 1931

Herr Pastor Cremer, vor dem Schlafengehn,
Beliebt sich an dem Wort des Herrn zu laben,
Besonders Lukas 16, 8 bis 10
Scheint er mit Inbrunst repetiert zu haben.

Denn hier entzündet sich der Zorn des Herrn
Am ungerechten Mammon und dergleichen.
Hier predigt er, wenn auch recht unmodern,
Vom armen Lazarus und von dem Reichen.

Herr Pastor klappt das Buch der Bücher zu,
Entledigt sich des Drucks der innern Nöte,
Entkleidet sich im Dunkeln, geht zur Ruh
Und peroriert also sein Nachtgebete:

„O Herr, das Pfund, das du mir anvertraut,
Lass weiter so zum Heil der Armen wuchern!
Beschütz den Tempel, den ich mir gebaut,
Vor Kassenrevisoren und Besuchern!

Und tröste fürder auch den kleinen Sparer,
Den ich nicht ernten ließ, was er gesät,
Wenn er als abgerissener Klingelfahrer
Wie Lazarus von Tür zu Türe geht!

In meine Scheuern fuhr ich seine Ernte;
Vom schnöden Mammon hab ich ihn erlöst,
Dass er in Armut dir zu dienen lernte,
Dass ihn dereinst der Himmel nicht verstößt.

O Herr, ich tat's zum Wohl der Christenheit.
Drum segne auch die andern, die da nahmen!
Und hüte meiner Konten Heimlichkeit
Vor weltlichen Gesetzesaugen! Amen!"

Herr Pastor Cremer hat nun ausgebetet.
Der Staat, der solches Tun zuweilen stört,
Hat die Gemeinschaftskasse zugelötet,
Der Himmel hat sein Beten nicht erhört.

Nahm hier der Himmel schon gerechte Rache,
So walte mild das irdische Gericht!
Denn zweimal strafen für dieselbe Sache
Gab's schon nach alten Rechtsprinzipien nicht!

Erläuterungen:

Devaheim = Deutsch-Evangelischen Heimstättengesellschaft, eine Bausparkasse evangelischen Kirche. 1931-08-06 gerät die Devaheim in Zahlungsschwierigkeiten. Am 1931-0911 wird bekannt, dass die Devaheim nur über nur 5000,- RM freier Vermögenswerte verfügt und über 450000,- RM Hypotheken. Dem stehen 14 Mill. RM Passiva gegenüber. 1931-11-18 wird gegen die Direktoren der Devaheim eine Voruntersuchung wegen Betrug, Untreue, Urkundenfälschung und Konkursvergehen eingeleitet.

Pastor Cremer war in die Devaheim-Affäre verwickelt.

"Berlin, 12. August 1931: Der Zusammenbruch des Devaheim-Konzens zieht jetzt den Zusammenbrach zahlreicher kleiner Geschäftsleute und vieler Bauunternehmer nach sich. Viele Bausparer hatten nämlich für August eine Zuteilung auf ihre Bauspargelder zu erwarten, die Gelder waren ihnen von der Devaheim versprochen worden.

Bauten müssen jetzt stillgelegt werden, nachdem die Devaheim in Konkurs gegangen ist. Die Sparer sind nicht nur ihre Spargroschen los, sondern sie haben auch noch Regressansprüche von den Bauunter nehmen zu erwarten, auch die Bauunternehmer selbst sind in größten Schwierigkeiten.

Unter diesen Umständen muss man erwarten, dass in der ersten Versammlung der Bausparer und -Gläubiger der Devaheimfirmen, die am  onnerstagabend im Kriegervereinshaus stattfindet, erregte Auseinandersetzungen erfolgen werden.

Bei dieser Gelegenheit werden die Bausparer auch erfahren, dass das Reich es abgelehnt hat, die Devaheim zu sanieren. Die Bausparer wollen nun versuchen, an das Privat-Vermögen der Aufsichtsratsvorsitzenden heranzukommen, die durch ihre Leichtfertigkeit und mangelnde Aussicht verschuldet haben, dass Kredite in Höhe von zehn Millionen unkontrolliert an die Baugenossenschaft des evangelischen Volksbundes geflossen und dort verloren gegangen sind."

[Quelle: http://bz.berlin1.de/pdf/archiv/020812_pdf/21.pdf. -- Zugriff am 2004-05-28]

Lukas 16,8-10: "Und der Herr lobte die Klugheit des unehrlichen Verwalters und sagte: Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes. .Ich sage euch: Macht euch Freunde mit Hilfe des ungerechten Mammons, damit ihr in die ewigen Wohnungen aufgenommen werdet, wenn es (mit euch) zu Ende geht. Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen, und wer bei den kleinsten Dingen Unrecht tut, der tut es auch bei den großen."


Abb.: John Heartfield (1891 - 1968):  Praktisches Christentum : zum Devaheim-Prozess. -- In: Arbeiter Illustrierte Zeitung. -- 1932, Nr. 28

Pastor Cremer: "Lasset die Kindlein zum mir kommen . . ." [Matthäusevangelium 19, 14]

Erläuterungen: siehe oben (1931)


Nicht datiert


LEIBSPRUCH

Ich will fürthin gut Päpstisch sein,
Des Luthers Lehr verachten,
Nach guten Tagen will ich mir
Und guten Pfründen trachten!
Nach Zins und Rent
Steht mein Intent,
Wenn ich die hätt,
So könnt ich stet
In Lust und Freuden leben.
Wonach sollt ich sonst streben?

[Quelle: Wendel, Friedrich <1886 - >: Die Kirche in der Karikatur : eine Sammlung antiklerikaler Karikaturen, Volkslieder, Sprichwörter und Anekdoten. -- Berlin : Der Freidenker, 1927. -- 154 S. : Ill. -- S. 45.]


Robert Herrick (1591 - 1674): Der Peterpfennig (übersetzt von Ferdinand Freiligrath (1810-1876))

Frische Blumen streut
Auf mein Grab zur Zeit,
Dass mein Pfühl sei wohlduftumwehter;
Einen Stab dann presst
In die Hand mir fest,
Und 'nen Pfennig, zu zahlen Sankt Peter!

Wer nicht hat, dass er blecht,
Dem bekommt es schlecht,
Keinen Schritt darf er vorwärts sich wagen;
Denn er an der Tür
Sagt: Her die Gebühr,
Sonst muss ich den Eintritt versagen!

Wer, geht Not an den Mann,
Nicht verehren kann
Ein Bratschwein dem Pfaffen ins Kloster,
Hört den Mesner schrein,
Bei Ja und Nein:
Kein Pfennig, kein Paternoster!


Friedrich von Logau (1604 - 1655): Fröhlicher Tod

Es ist ein fröhlich Ding um eines Menschen Sterben:
Es freuen sich darauf die gerne reichen Erben;
Die Priester freuen sich, das Opfer zu genießen;
Die Würmer freuen sich an einem guten Bissen;
Die Engel freuen sich, die Seele naufzuführen;
Der Teufel freuet sich, wenn sie will ihm gebühren.


Gottlieb Konrad Pfeffel (1736 - 1809): Die tote Hand

Die alte Praxis nennt das, was der Priesterstand
Im Jammertal besitzt, das Gut der Toten Hand.
Die Praxis sollte sich bei meiner Treue schämen.
Wo ist wohl eine Hand lebendiger zum Nehmen?

Erläuterung:

"Tote Hand (Manus mortua), Bezeichnung der Kirche rücksichtlich des Besitzes unbeweglicher Güter, die regelmäßig nicht wieder veräußert werden dürfen und somit für den öffentlichen Verkehr gewissermaßen abgestorben sind"

[Meyers Lexikon, 1888]


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