Religionskritik

Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXXVII:

Jugend 1896 - 1940


kompiliert und herausgegeben von Alois Payer

(payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXXVII: Jugend 1896 - 1940  / kompiliert und hrsg. von Alois Payer. -- Fassung vom 2009-12-26. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/karikaturen37.htm   

Erstmals publiziert: 2005-02-10

Überarbeitungen: 2009-12-24/26 [Ergänzungen] ; 2005-02-13 [Ergänzungen]

©opyright: Abhängig vom Todesdatum der Autoren.

Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library



Abb.: Schriftzug

Jugend  : Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben. - München : Verl. d. Jugend   1.1896 - 45.1940,13; damit Erscheinen eingestellt

Die Jahrgänge 1 - 5, 1896 - 1900 sind online: http://diglit.ub.uni-heidelberg.de/diglit/jugend. -- Zugriff am 2009-12-24

"Jugend, eine 1896 von Georg Hirth (s. d.) begründete und herausgegebene, in München erscheinende, illustrierte Wochenschrift, die in modernem Geiste Fragen der Kunst und des öffentlichen Lebens in Wort und Bild behandelt, daneben aber auch von den Tagesfragen unabhängige literarische und künstlerische Beiträge ernsten und humoristisch-satirischen Inhalts veröffentlicht. Redakteure sind F. v. Ostini, S. Sinzheimer, A. Matthaei und F. Langheinrich."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


1896



Abb.: Die Tragikomödie vom Balkan. -- In: Jugend. -- Nr. 7. -- 1896

Erläuterung: Bezieht sich auf Ferdinand I. (Фердинанд I) von Bulgarien (1861 - 1948) der, um Bulgarien mit Russland zu versöhnen, den katholisch getauften Thronfolger Boris (III.) (Борис III) (1864 - 1943)  orthodox umtaufen ließ, wobei der russische Zar Nikolaus II. (Николай II; 1868 - 1918) die Taufpatenschaft übernahm. Der Papst drohte Ferdinand mit Interdikt und großem Kirchenbann, falls er zur orthodoxen Kirche überträte.



Abb.: In: Jugend. -- Nr. 13. -- 1896

Das Zentrum wünscht, dass die Regierung den Sinn für Religion unter den Soldaten nach Möglichkeit fördert - und dass an den Gymnasien freiwillige Andachtsübungen jeden Sonntag Nachmittag abgehalten werden.



Abb.: Turm des Zentrums. -- In: Jugend. -- Nr. 17. -- 1896

Die Deutschen in Bayern wollen dem Fürsten Bismarck zu Ehren an den Ufern der schönen Starnberger Sees einen Bismarckturm, errichten. Das nehmen die Römer in Bayern sehr übel. Aus ihren Kreisen sendet man uns obenstehenden Entwurf für einen "Turm des Zentrums", der sich am Starnberger See mindestens sehr dekorativ ausnehmen würde.



Abb.: Otto Seitz (1846 - 1912): Den Reinen ist alles rein, den ---- . -- In: Jugend. -- Nr. 18, S. 289. -- 1896



Abb.: Ad maiorem Dei gloriam1. -- In: Jugend. -- Nr. 19, S. 306. -- 1896

"In der höheren Klasse der Volksschule zu Kundl in Tirol verbreitete sich unlängst der Katechet und Kooperator Alois Schiestl in längerem Sermon über die Qualen der Hölle und des Fegefeuers und lud dabei die Mädchen ein, sich in sein Zimmer zu begeben, wo er ihnen diese Qualen noch besser veranschaulichen wolle. Einige Mädchen gingen wirklich mit. Der Herr Kooperator zündete eine Kerze an und hielt die Finger der Mädchen über die Flamme (!). Nun fühlte sich ein Mädchen, durch den Schmerz gezwungen, veranlasst, das "Fegefeuer", i.  e. die Flamme auszublasen. Darüber erbost, nahm der Herr Katechet das Mädchen zwischen die Knie und hielt dessen Finger so lange über das Licht, bis es Blasen und eine Entzündung bekam, so dass die Hilfe des Arztes in Anspruch genommen werden musste."

1 ad maiorem Dei gloriam (lateinisch) = zur größeren Ehre Gottes



Abb.: Bayrisch-Parlamentarisches. -- In: Jugend. -- Nr. 21. -- 1896

Einst hob die mächtige Hand die Kirche, die Bildung zu schirmen
Und seine schneidige Wahr lieh ihr der Adel dazu -

Jetzt ist es anders: vereint sind Junker und Pfaffen im Kampfe
Wider die Bildung, die kühn - Vollmar1, der Rote, beschützt.

1  Georg Heinrich von Vollmar auf Veltheim (1850 - 1922): SPD-Politiker

"Vollmar, Georg von, sozialdemokrat. Agitator, geb. 7. März 1850 in München, Sohn eines höhern Ministerialbeamten, wurde in einem Benediktinerkloster erzogen, machte als bayrischer Kavallerieoffizier 1866 den Krieg gegen Preußen mit, trat 1867 für kurze Zeit als Freiwilliger in das päpstliche Heer, besuchte dann das Polytechnikum und trat in den Dienst der Generaldirektion der bayrischen Verkehrsanstalten. Am Feldzug 1870/71 nahm er als Kriegstelegraphenbeamter teil, wurde bei Blois schwer verwundet und deshalb als Ganzinvalide pensioniert. Während seiner langwierigen Krankheit betriebene Studien führten ihn zum religiösen, politischen und sozialen Radikalismus; 1876 bekannte sich V. offen zur sozialdemokratischen Partei, wurde 1877 Leiter der Dresdener Volkszeitung, ging nach Verbüßung einer Gefängnisstrafe 1879 nach Zürich und studierte dort, seit 1880 an der École de droit in Paris Staatswissenschaften. Er lebt als Schriftsteller in Soiensaß am Walchensee. V. gehört innerhalb seiner Partei zur gemäßigten Richtung, er war 1883–89 Mitglied des sächsischen Landtags, 1881–87 des Reichstags und gehört letzterm wieder seit 1890, seit 1893 auch dem bayrischen Landtag an. Er schrieb: »Der gegenwärtige Stand der Waldschutzfrage« (Leipz. 1880); »Der isolierte soziale Staat« (Zürich 1880); »Waldverwüstung und Überschwemmung« (das. 1884)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]



Abb.: Röntgen-Blicke. -- In: Jugend. -- Nr. 23, S. 371. -- 1896



Abb.: E. v. Baumgarten. --In: Jugend. -- Nr. 24, S. 391.  -- 1896

Der französische Großvikar hat in Tours in einer Ansprache an den Präsidenten der Republik gesagt: "Gehorsam dem Papst verharrt die Geistlichkeit in Ergebenheit gegen die Republik."



Abb.: In: Jugend. -- Nr. 27, S. 439.  -- 1896

Der Klerus hat sich in der bayerischen Kammer wütend gegen die fakultative Feuerbestattung1 gewehrt. -- Das war doch früher nicht?

1 Feuerbestattung

"Eine lebhaftere Bewegung für die Einführung der Leichenverbrennung begann 1873 in Italien, England, Deutschland und der Schweiz und hatte die Errichtung von Krematorien in vielen Ländern zur Folge. Im allgemeinen aber machte die L. bis zum Schluss des 19. Jahrh. nur geringe Fortschritte, obwohl sich zahlreiche kompetente Stimmen, unter andern die medizinischen Kongresse von London 1891, Budapest 1894, Moskau 1897, sehr entschieden zugunsten der Feuerbestattung ausgesprochen haben. Vom Standpunkte der Sanitätspolizei wurde zwar zugegeben, dass irgendwelche Gründe gegen die Zulassung der L. nicht bestehen, aber man leugnete auch die Vorzüge der Feuerbestattung, da bei gutem Betrieb der Begräbnisplätze Schäden für die menschliche Gesundheit nicht oder nur mit verschwindenden und wenig sichern Ausnahmen entstehen. Die Justiz erhebt den Anspruch auf die posthume Leichenuntersuchung, hat sich aber zumeist für befriedigt erklärt, wenn von den Anhängern der Feuerbestattung die Vornahme der Leichenuntersuchung vor jeder Verbrennung als unerlässlich erklärt wurde. Niemals ist von den Regierungen der Staaten, welche die L. nicht gestatten, Einspruch dagegen erhoben worden, dass Leichen zur Verbrennung in benachbarte Staaten gebracht werden. Vor allem scheint das religiöse Bedürfnis bei einem großen Teil der Menschheit durch das Erdbegräbnis mehr befriedigt zu werden als durch die L. Jedenfalls verhält sich die Kirche der L. gegenüber bisher zumeist ablehnend. Die römische Kirche hat sie ihren Gläubigen 1886 kurzweg untersagt. Die protestantische Kirche erkennt zwar an, dass mit der L. antichristliche Tendenzen nicht ohne weiteres verbunden zu sein brauchen, doch haben auch hier die meisten Behörden und synodalen Körperschaften, die bisher der Sache nahegetreten sind, den Geistlichen die amtliche Mitwirkung bei der L. untersagt. Der evangelische Oberkirchenrat in Berlin hat entschieden, daß die Geistlichen weder berechtigt noch verpflichtet sind, bei Feierlichkeiten für solche Verstorbene, die behufs der Verbrennung aus der Gemeinde weggeführt werden, Amtshandlungen vorzunehmen. Ein auf der Generalsynode von 1903 gestellter Abänderungsantrag ist unberücksichtigt geblieben. Auch in Anhalt ist den Geistlichen 1888 jede Beteiligung verboten und eine Milderung dieser Verfügung noch kürzlich abschlägig beschieden worden. In Hannover sind dagegen bei Untersagung amtlicher Beteiligung die Geistlichen ausdrücklich an die ihnen auch im Falle der L. obliegende Pflicht erinnert worden, sich der Hinterbliebenen seelsorgerlich anzunehmen, und es ist eine im Familienkreis zu haltende Hausandacht für zulässig erklärt worden, »wenn diese in keinerlei Zusammenhang mit der Wegführung der Leiche steht, und der Geistliche weder im Chorrock auftritt noch einen liturgischen Akt vornimmt«. Noch weiter ist man in Bayern gegangen, wo die Aussegnung eines zur Verbrennung bestimmten Leichnams im Trauerhaus gestattet ist, und der badische Oberkirchenrat hat die Geistlichen sogar zur amtlichen Beteiligung bei der sogen. Feuerbestattung ermächtigt unter der Voraussetzung, »dass ihnen eine würdige Stellung dabei eingeräumt wird«. Ähnlich steht es in Württemberg und Hessen, überhaupt in allen Staaten, in denen die Feuerbestattung zugelassen ist."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


Zum Abschluss des ersten Halbbandes <Auszug>

Hat uns auch an Feinden nicht gefehlt.
Was haben sie alles geklagt und geschmält,
In ihren Reden und Blättchen und Schriften!
Wir wollten das Herz der «Jugend» vergiften,
Wir hätten von idealer Kunst
Keinen blassen Schein, keinen blauen Dunst,
Und namentlich sei's ein Skandal
Bezüglich der sogenannten Moral,
Wie nackt und bloß in unseren Spalten
Gar mancherlei verruchte Gestalten
Umtrieben ganz ohne Feigenblätter.
Es krachte so manches Donnerwetter
Von hoher Kanzel auf uns her,
Wir hatten ja allen Respekt vergessen,
Manch wackeren Schwarzrock was aufgemessen,
Und manchen politischen Kampfhahn schwer
Geärgert, verhöhnt und im Bild geschildert.
Es hieß: Die «Jugend» sei falsch und schlecht,
Frivol und frech - und total verwildert
Nun, dafür machten wir's Andern recht,
Und zwar den Bessern in deutschen Landen,
Und haben die Bessern uns wohl verstanden.

In: Jugend. --Nr. 26. -- 1896



Abb.: E. v. Baumgarten: Zu den belgischen Wahlen. -- In: Jugend. -- Nr. 30.  -- 1896



Abb.: Franz Thoma: Theorie und Praxis. -- In: Jugend. -- Nr. 41.  -- 1896



Abb.: Wie den braven Tirolern der Freimaurerteufel Bitru erscheint!. -- In: Jugend. -- Nr. 42. -- 1896

Erläuterung:

"Taxil, Leo (eigentlich Gabriel Jogand), Schriftsteller, geb. 1854 in Marseille, gest. 30. März 1907 in Sceaux, war schon 1872 in radikalen Blättern in Paris als Journalist tätig und gründete zahlreiche Freidenkervereine (281 mit 17,000 Mitgliedern). Nach dem Erlass der Bulle des Papstes Leo XIII. gegen die Freimaurer vom 20. April 1884 erklärte er sich im »Univers« für einen reuigen Sünder und trat nun angeblich im Interesse der römischen Kirche gegen die Freidenker auf. Er schrieb: »Vollständige Enthüllungen über die Freimaurerei« (Par. 1885, 2 Bde.), »Drei Punkte-Brüder« (deutsch von Gruber) und andre Bücher, in denen er die Freimaurer des Teufelsdienstes und schändlicher Laster beschuldigte. Mit einem Dr. Bataille (Karl Hacks) gab er das Werk: »Der Teufel im 19. Jahrhundert« (1892-94, 2 Bde.) heraus, mit einem Italiener Margiotta »Adriano Tenani, Oberhaupt der Freimaurer«. Er erfand einen Teufel Bitru und als dessen jetzt bekehrte Dienerin eine amerikanische Miss Diana Vaughan, die in ihren Memoiren tolle Enthüllungen machte und dafür den päpstlichen Segen empfing. 1896 fand in Trient ein von 36 Bischöfen etc. besuchter Kongress statt, der T. wegen seiner Verdienste um die Kirche feierte. T. enthüllte aber 19. April 1897 in Paris selbst, dass er der römischen Geistlichkeit und Presse eine grobe Mystifikation gespielt habe. Vgl. Rieks, Leo XIII. und der Satanskult (Berl. 1897); Bräunlich, Der neueste Teufelsschwindel (Leipz. 1897)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


1897



Abb.: E. v. Baumgarten.  -- In: Jugend. -- Nr. 1, S. 17. -- 1897

Das Zentrum hat, wie kürzlich ein Reichstagsabgeordneter versicherte, stets Deutschlands Interesse im Auge. Schon rech! Nur hängt viel davon ab, wie man durch's Glas schaut.



Abb.: Arpad Schmidhammer (1857 - 1921): Wart', Bestie! Kommst Du schon wieder raus aus Deinem schwarzen Loch! -- In: Jugend. -- 1897



Abb.: Die Höllenmaschine der Miss Diana Vaughan.  -- In: Jugend. -- Nr. 20, S. 327. -- 1897

Erläuterung: Zum Teufel Bitru siehe oben!



Abb.: Das vergrößerte Feigenblatt.  -- In: Jugend. -- Nr. 21, S. 344. -- 1897

ein Vorschlag zur Güte, um auch weitgehenden Ansprüchen zu genügen.



E. v. Baumgarten.  -- In: Jugend. -- Nr. 22. -- 1897

"Wer kauft Lieber-Götter1? - Ächt römisch Fabrikat!"

1 Ernst Lieber (1838-1902), Zentrumsführer

"Lieber, Ernst Maria, deutscher Politiker, geb. 16. Nov. 1838 zu Kamberg in Nassau, gest. 31. März 1902 ebenda, Sohn des durch seine publizistische Tätigkeit bekannten katholischen Politikers Moriz L. (geb. 1790, gest. 29. Dez. 1860), studierte 1858–61 in Würzburg, München, Bonn und Heidelberg Philosophie und Rechtswissenschaft, erwarb sich den juristischen Doktorgrad und lebte als Privatmann in Kamberg. Seit 1870 Mitglied des Abgeordnetenhauses, seit 1871 des Reichstags, schloß er sich der Zentrumspartei an und gehörte zum demokratischen Flügel der Ultramontanen, an dessen Spitze er 1893 die gemäßigten Mitglieder aus Schlesien aus dem Zentrum verdrängte, übernahm nach Windthorsts Tode die Leitung der Zentrumspartei und verstand es, sie im Reiche zum ausschlaggebenden Faktor der Politik zu machen. Er hatte enge Verbindung mit den Regierungskreisen; 1901 wurde er zum päpstlichen Kämmerer di cappa e spada ernannt."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]



Abb.: Arpad Schmidhammer (1857 - 1921). -- In: Jugend. -- Nr. 24. -- 1897

Die Witwe des Dienstmannes Nr. 107: "Was meinen's denn, Hochwürden, langt's bald? Wird er noch lang im Fegfeuer schmachten müssen, mein Seliger?"

Pater Filucius: "Hm, hm; gar so heiß wird er' nimmer haben, - die Füß' werden halt grad noch drinn sein."

Witwe: "O mei, Hochwürden, i meinet doch, die lassen mer drin, des tut ihm wohl; schaun's er hat ja sei Labtag klagt über kalte Füß!"



Abb.: In einer bayerischen Diözese. -- In: Jugend. -- Nr. Nr. 35, S. 596f. -- 1897


Abb.: wurde den Geistlichen vom Bischof der Radsport untersagt. Schade! -- wir hätten uns schon so sehr auf das erste geistliche Herrenrennen gefreut.


In: Jugend. -- Nr. 38, S. 632. -- 1897

Wir Deutsche fürchten Gott und sonst Nichts in der Welt1,
Er ist es, der allein Thron und Altar erhält.
Doch Gott ist überall, drum fühlen wir ihn wohnen
Auch in der Polizei, in Flinten und Kanonen.

1 Ausspruch von Bismarck



Abb.: Wie's einer1 1897 auf der Landshuter Katholikenversammlung tat. -- In: Jugend. -- Nr. 41, S. 697. -- 1897

1 nämlich Fürst Löwenstein



Abb.: Reiterattacke. -- In: Jugend. -- Nr. 43. -- 1897



Abb.: Walther Caspari (1869 - 1913): A! E! I! O! U!1. -- In: Jugend. -- Nr. 49, S. 825. -- 1897

1 A E I O U: habsburgischer Wahlspruch, zu dem es unterschiedliche Auslegungen gibt.


1898



Abb.: Ironie der Weltgeschichte. -- In: Jugend. -- Nr. 13, S. 217. -- 1898

Frankreich im Jahre 1789 - Frankreich im Jahre 1898



Abb.: Wie sich der berühmte Geschichtsforscher Dr. Daller1 die Hexenverbrennungen vorzustellen scheint. -- In: Jugend. -- Nr. 17, S. 289. -- 1898

1 Balthasar von Daller (1835 - 1911), Prof. des Kirchenrechts und der Kirchengeschichte in Freising, ab 1871 Zentrumsabgeordneter in der bayerischen Abgeordnetenkammer.



Abb.: Wahlpostkarten <Ausschnitt>. -- In: Jugend. -- Nr. 23, S. 390. -- 1898

Lieber Michel! Wähle uns in den Reichstag! Die Feinde der Kirche können keine Mauer bauen, so fest, dass wir sie dann nicht einrennen könnten. Womit? - Das wirst Du dann schon sehen! A. Hetz Kaplan



Abb.: Arpad Schmidhammer (1857 - 1921): Edel sei der Mensch, hilfreich und gut! -- In: Jugend. -- Nr. 23, S. 398. -- 1898

Junge: O je! Der Herr Pastor sind hingeschlagen! Soll ick vielleicht en bisken for Sie fluchen?



Abb.: Nach der Wahl. -- In: Jugend. -- Nr. 27, S. 461. -- 1898



Abb.: Der Pelikan1. -- In: Jugend. -- Nr. 29. -- 1898

In Feldkirch2 gibt es ein Organ,
Das führt den Namen "Pelikan",
Sein Leiter Künzle³ hat 'nen Spahn -
An Dummheit kann ihm keiner an,
Dem Pelikan.

Jedwelchem Blödsinn bricht er Bahn,
Trägt jeder Miedertracht die Fahn'
Mit Lust durch Dick und Dünn voran,
Drum freut sich jeder Hetzkaplan
Am Pelikan.

So lustig sieht kein Blatt sich an,
Es lachen alle, die es dah'n,
Ja selbst das Wirtshaus an der Lahn4
Kann nicht entfernt an ihn heran,
Den Pelikan.

Den Bitru5 und den Ahriman6
Bekämpft das Blatt mit scharfem Zahn;
Es setzt aufs Dach den roten Hahn
Der Loge7 und dem Fortschrittsmann,
Der Pelikan.

Sprecht, ist das nicht ein feiner Plan?
Da braucht's nicht Post, noch Eisenbahn,
Sankt Joseph7a sorgt für's Abonneman
Und schleift die Inserenten ran
Dem Pelikan!

Ob Künzle auch ein Charlatan,
Mit seinem großen Hintermann,
der solche Wunder wirken kann,
Wird ihm die Welt noch untertan,
Dem Pelikan!

Dann liest der Pfaff, wie der Ulan8,
Der Meier, Müller, Kohn und Cahn,
Auf Erden wie dort oben dann,
Im Mond und im Aldebaran9
Den Pelikan!

Wo endigt hier der blöde Wahn
Und wo geht die Gemeinheit an?
Mir schein beinah' der Caliban10,
Der doch zutiefst gesteckt im Tran,
Ein Philosoph und Ehrenmann
Verglichen mit dem Herrn Johann³,
Der solchen Schwindel ausersann
und solche freche Lügen spann
Im Pelikan!

1 Der Pelikan : Monatsschrift für das Volk zum Preise des allerheiligsten Altarsakramentes ; Organ der Erzbruderschaft der Ewigen Anbetung, der Ehrenwache des Heiligsten Herzens Jesu und anderer eucharistischer Vereine. - Feldkirch ; Lindau : Lutz   1.1893 - 6.1898. -- Der Pelikan-Verlag in Feldkirch (Vlbg.) wurde vom Kräuterpfarrer Johann Künzle (1857–1945) geführt.

² Feldkirch, Vorarlberg, Österreich

Abb.: Thäddäus Immler (1834 –1921): Feldkirch um 1890

³ Johann Künzle (1857–1945)

"Johann Künzle (* 3. September 1857 in St. Gallen; † 9. Januar 1945 in Zizers) war ein Schweizer, katholischer Pfarrer, Publizist und ein Wegbereiter der modernen Phytotherapie. Er ist neben Sebastian Kneipp der wohl bekannteste Kräuterpfarrer und ein Förderer der Alternativmedizin sowie der Pflanzenheilkunde.

Leben

Nach der Schulzeit in St. Gallen und im Kloster Einsiedeln studierte Johann Künzle Theologie und Philosophie an der Universität Leuven (Belgien) und erhielt die Priesterweihe am Priesterseminar St. Georgen (St. Gallen). Anschließend war er in verschiedenen Gemeinden der Ostschweiz als Pfarrer tätig. In den Zeiten des Kulturkampfes 1884 engagiert sich Künzle gegen die Aufhebung katholischer Schulen und Institutionen in der Schweiz und in Vorarlberg.

Er war Herausgeber der beliebten Volkskalender, der Monatszeitschrift "Salvia" (für "giftfreie Kräuterheilkunde"), verfasste das "Grosse Kräuterheilbuch" und viele weitere Publikationen. Auch zog er einen Kräuterhandel auf und hielt Vorträge zur Anwendung der stark umstrittenen Phytomedizin. Im Jahre 1913 förderte er in Wangs (bei Bad Ragaz) den Kur-Tourismus und gründete einen Kräutermarkt. Da es seinen Bemühungen zugeschrieben wurde, dass 1918, als die Spanische Grippe weltweit wütete, keine einzige Person der Gemeinde starb, wurde ihm das Ehrenbürgerrecht verliehen.

Aufgrund seiner zweifelhaften medizinischen Ansichten z. B. in Bezug auf die Heilung der Zuckerkrankheit wurde er durch seinen Bischof 1920 nach Zizers in Graubünden zwangsversetzt.

Dort wirkte er bis an sein Lebensende erfolgreich als Unternehmer und Publizist – immer jedoch im Dienste der katholischen Kirche stehend. Das Buch "Chrut und Uchrut" wurde millionenfach in mehrere Sprachen übersetzt und zählt heute noch für seine Anhänger zu den Standardwerken der Phytomedizin."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_K%C3%BCnzle. -- Zugriff am 2009-12-25]

4 Wirtshaus an der Lahn

Es steht ein Wirtshaus an der Lahn,
Da kehren alle Fuhrleut' an,
Frau Wirtin sitzt am Ofen,
Die Fuhrleut' um den Tisch herum,
Die Gäste sind besoffen.

Die Wirtin hat auch einen Mann,
Der spannt den Fuhrleut'n selber an.
Er hat vom allerbesten
Ullrichsteiner Fruchtbranntwein
Und setzt ihn vor den Gästen.

Es gibt dazu unzählige Varianten, teils obszönen Inhalts.

Melodie zum Wirtshaus an der Lahn

[Quelle der .mid-Datei: http://ingeb.org/Lieder/esstehtw.html. -- Zugriff am 2009-12-25]

5 Bitru

"Taxil, Leo (eigentlich Gabriel Jogand), Schriftsteller, geb. 1854 in Marseille, gest. 30. März 1907 in Sceaux, war schon 1872 in radikalen Blättern in Paris als Journalist tätig und gründete zahlreiche Freidenkervereine (281 mit 17,000 Mitgliedern). Nach dem Erlass der Bulle des Papstes Leo XIII. gegen die Freimaurer vom 20. April 1884 erklärte er sich im »Univers« für einen reuigen Sünder und trat nun angeblich im Interesse der römischen Kirche gegen die Freidenker auf. Er schrieb: »Vollständige Enthüllungen über die Freimaurerei« (Par. 1885, 2 Bde.), »Drei Punkte-Brüder« (deutsch von Gruber) und andre Bücher, in denen er die Freimaurer des Teufelsdienstes und schändlicher Laster beschuldigte. Mit einem Dr. Bataille (Karl Hacks) gab er das Werk: »Der Teufel im 19. Jahrhundert« (1892–94, 2 Bde.) heraus, mit einem Italiener Margiotta »Adriano Tenani, Oberhaupt der Freimaurer«. Er erfand einen Teufel Bitru und als dessen jetzt bekehrte Dienerin eine amerikanische Miss Diana Vaughan, die in ihren Memoiren tolle Enthüllungen machte und dafür den päpstlichen Segen empfing. 1896 fand in Trient ein von 36 Bischöfen etc. besuchter Kongress statt, der Taxil wegen seiner Verdienste um die Kirche feierte. Taxil enthüllte aber 19. April 1897 in Paris selbst, dass er der römischen Geistlichkeit und Presse eine grobe Mystifikation gespielt habe. Vgl. Rieks, Leo XIII. und der Satanskult (Berl. 1897); Bräunlich, Der neueste Teufelsschwindel (Leipz. 1897)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

In Pfarrer Künzles Pelikan-Verlag war auch erschienen: Bezieht sich wohl auf:  Michael Germanus (Hrsg.): Die Geheimnisse der Hölle oder: Miss Diana Vaughan, ihre Bekehrung und ihre Enthüllungen über die Freimaurerei, den Kultus und die Erscheinungen des Teufels in den palladistischen Triangeln. --  Feldkirch: Pelikan 1896.

6 Ahriman: in der von Zoroaster gestifteten Religion des alten Iran der Name des bösen Prinzips. Ahriman ist die in den spätern persischen Religionsbüchern auftretende Namensform, der avestische Begriff ist Angra Mainyu (Aŋra Mainiuu).

7 Loge = Freimaurer

7a Pfarrer Künzle hatte mit dem Hl. Joseph einen Vertrag geschlossen; er versprach 50 Josephsbücher zu verschenken, wenn der Pelikan 2000 Abonnenten erhalte. Im selben Jahr bekam der Pelikan 2500 Abonnenten usw. bis es 1898 90.000 dank dem Hl. Joseph 90.000 Abonnenten waren

8 Ulan: mit Lanze bewaffneter Reiter

9 Aldebaran: Stern α im Stier, mit rötlichem Licht, gehört zur Gruppe der Hyaden.

10 Caliban

"Caliban (entstanden aus »Kannibal« durch Buchstabenumdrehung), in Shakespeares »Sturm« [The Tempest] das Gegenstück von Ariel (s.d.), ein unförmliches Mittelding zwischen Mensch und Meerkalb, voll niedriger Genusssucht und gefährlicher Aufruhrgedanken gegen seinen edlen Bändiger, den Zauberer Prospero."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


Ein "Jugend"-Freund

"Bereits seit längerer Zeit verfolge ich Ihr Blatt mit leb-

haftem Interesse."
In: Jugend. -- Nr. 31, S. 526. -- 1898  

Abb.: Lieber Leser, sieh Dir mal die Berliner "Germania" gegen das Licht an
 
— und Du wirst sie durchschauen.
In: Jugend. -- Nr. 31, S. 530a. -- 1898  

Erläuterung:

"Germania, am 1. Jan. 1871 begründete, täglich zweimal in Berlin erscheinende politische Zeitung ultramontaner Richtung, vertritt die Interessen der deutschen Zentrumspartei und des römischen Stuhles unter jesuitischem Einfluß. Eine hervorragende Rolle spielte sie während des Kulturkampfes unter der Leitung Paul Majunkes, der 1878 aus der Redaktion ausschied. Gegenwärtig (1904) ist Chefredakteur H. ten Brink."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]



Abb.: So muss es werden! Zukunftsbild von Ischl1. -- In: Jugend. -- Nr. 37. -- 1898

1 Ischl (heute: Bad Ischl), Oberösterreich, 1849 bis 1914 als kaiserlicher Sommerresidenz



Abb.: Der schwarze Schrecken. -- In: Jugend. -- Nr. 46. -- 1898



Abb.: Arpad Schmidhammer (1857-1921). -- In: Jugend. -- Nr. 50, S. 840. -- 1898

- Sie bekommen heuer keine Unterstützung. Dem Wohltätigkeitsausschuss sind sehr schlimme Geschichten erzählt worden über Sie.
- Ach, Herr Pastor, was werden mir alles für Geschichten erzählt über Sie - und ich mache mir nichts daraus.


1899



Abb.: Josef Rudolf Witzel (1867 - 1924): Moritzle Apostata1. -- In: Jugend. -- Nr. 9, S. 146. -- 1899

"Wo geht ihr denn hin, Moritzle?" — "Zum Herrn Paster." -- "Was tut denn ihr beim Herrn Pastor?" — "Mer lerne jetzt protestantisch."

Erläuterung:

1 Apostata (lateinisch) (von griechisch  α̉ποστάτησ): der Abtrünnige vom Glauben, der Apostat



Abb.: Rudolf Wilke (1873 - 1908): Orthodoxie.  -- In: Jugend. -- Nr. 10. -- 1899

Der Herr Pfarrer: "Aber Herr Baron, Sie hätten den armen Kerl, den Steinklopfer-Hans mit seiner Liese doch nicht sollen so plötzlich aus ihrem Pachtäusl jagen!
Der Herr Baron von Löwenthal und Freudenstein: "Die Leute lebten in wilder Ehe und ich, als Katholik, denke etwas streng in solchen Sachen."
Der Herr Pfarrer: "O mein, Herr Baron! Wenn Sie einmal so lang katholisch sind wie ich, denken Sie auch milder darüber!"



Abb.: Arpad Schmidhammer (1857-1921): Der weiße Maulwurf.  -- In: Jugend. -- Nr. 11, S. 177. -- 1899

Der weiße Maulwurf

Eine Tierfabel von Otto Julius Bierbaum [1865–1910]

Ein dickes Maulwurfsehepaar,
Das glänzend schwarz wie Sammet war,
Erfuhr Familienzuwachs. Froh
Lag die Frau Maulwurf auf dem Stroh
Und leckte jedes Junge
Mit ihrer schmalen Zunge.

Da rief sie plötzlich: »Wunderlich,
Mir scheint, ich weiß nicht, irr ich mich,
Mich dünkts: Das Eine von den Drei'n,
Das muß was ganz besondres sein.
Leck du ihm doch mal auch das Fell!
Nicht wahr: Das spürt sich an wie – hell!?«

Der Gatte brummte: »Dummes Ding!
Red doch nicht wie ein Engerling!«
Sie aber, spitzig: »Liebes Kind,
Ich bin doch wohl nicht zungenblind:
Das Dritte, kleinste da, ist – weiß!«
»Daß ich dich in die Schaufel beiß!«

Zornwatschelnd kam er aus der Ecke,
Hub an ein prüfendes Gelecke,
That »Hem« und »Hum« und knurrte dann:
»Das leckt sich wirklich helle an.
Ein Wunder, scheint mir, ist geschehn,
Ich will Grossvatern holen gehn.«

Nahm einen dicken Engerling,
Der in der Vorratskammer hing,
Fraß ihn befriedigt auf und ging.
Nach vielem Wühlen kreuz und quer,
Bracht endlich er den Ahnen her.

Der schüttelte den Rüssel sehr
Und meinte, nie, so alt er wäre,
Hab er vernommen solche Märe.
Doch, als geleckt der Maulwurfsgreis,
Sprach er: »Der Junge da ist weiß,«
Und schüttelte noch mehr
Den Rüssel hin und her.

Bald war im ganzen Land herum
Das seltsame Mirakulum;
Gevatter und Gevatterin
Trug es geschäftig her und hin,
Und schnell von Ferne und von Nah
Warn wispernd Gratulanten da.

Das weiße Fell ging fast entzwei
Von allzu vieler Leckerei,
Und Mama Maulwurf schloss das Thor,
Ließ niemand mehr zum Lecken vor.
Sie war ein wenig eitel schon
Auf diesen weißgeborenen Sohn,
Und, wie nun schon die Mütter sind,
Er wurde bald ihr Hätschelkind.

So wuchs bewundert er heran
Vom Wunderknaben zum Wundermann,
Die Augen rot, das Fell schneeweiß,
Stolz war auf ihn der ganze Kreis.

Er selber aber zeigte sich
Recht sonderbar und wunderlich:
Mocht ungern bei den andern sein,
Saß träumend gern für sich allein;
Zumal das Wühlen schien ihm sehr
Verhasst, wie wenn er kein Maulwurf wär.

Denn in den engen Winkelgängen
Blieb ihm gar viel am Felle hängen,
Das zu dem Weiße gar nicht passte.
Es schien, dass er das Erdreich hasste. 

Das machte schon viel böses Blut:
»Der Weiße dünkt sich wohl zu gut,
Für unsrer Heimat heiligen Dreck!?
Der Frevler bürstet sich ihn weg,
Statt patriotisch ihn als Zier
Im Fell zu tragen, so wie wir!
Entartung ist sein weißes Fell!
Er ist uns überhaupt zu hell.«

So hob es mit Gemurmel an,
Doch ein Geknurre wurd es dann,
Als stolz der Weiße widersprach.
Auch warf man ihm schon Klumpen nach.
Da blieb er immer mehr für sich,
Gemieden und absonderlich.

Und eines Tags, da fühlte er,
Dass er am falschen Platze wär.
Heraus! Hinauf! Zu groß der Drang!
Er baute einen eignen Gang.
Und nicht hinab und nicht quer um,
Nein: grad hinauf! Das Publikum
Stand halb entsetzt, halb höhnisch da,
Als es den steilen Aufstieg sah:

»Wart, Bürschchen, das bekommt dir schlecht,
Der Augenschmerz geschieht dir recht,
Wenn oben dich die Sonne beißt,
Du warst zum letzten Male dreist!«

Vergnüglich harrten Alle
Dass er herunter falle
Und winsle; »Ach, das Licht tut weh,
Ich steige nie mehr in die Höh!«

Er aber, wie von Freude toll,
Rief: »Brüder, kommt! So wundervoll,
Wie nie ichs träumte, ist es hier,
Kommt, kommt zum Licht, ach, kommt zu mir!

Ich hab das Glück, das Glück gefunden,
Und ihr lebt in der Hölle unten!
Mir nach, mir nach, mir nach zum Licht!
Kommt alle, kommt und zaudert nicht!«

Wie das der schwarze Schwarm vernahm,
Jachheiße Wut ihn überkam:
»Herunter mit dem Galgenstrick!
Herunter! Brecht ihm das Genick!«
»Kommt, kommt zum Licht! Oh, kommt zu mir!«
»Ja, warte nur! Wir kommen dir!«

Und während er begeistert schrie,
Da gruben sie und wühlten sie
Viel krumme Gänge zu ihm hin
Und packten ihn und zerrten ihn –
Hinab. Und haben sein Fell zerfetzt
Und totgebissen ihn zuletzt.

Da lag der Weiße still im Dreck,
Befriedigt trollten die Schwarzen weg
Und fraßen viele Engerlinge
Und waren zufrieden und guter Dinge.

Doch, dass die Nachwelt einst erfahr,
Dass mal ein weißer Maulwurf war,
Und zum Beweis das Fell erseh,
Bildeten sie ein Komitee:
»Zu des weißen Vließes Konservierung.«

Das erfand eine praktische Balsamierung,
Und des Maulwurfreiches weißer Sohn
Ward beigesetzt im Pantheon.



Abb.: Die beiden frommen alten Damen.  -- In: Jugend. -- Nr. 12, S. 199. -- 1899

Und es rief die Jungfer Paasche1
Auf einmal in frommer Rage:
"Wackeln tun des Reiches Stützen,
Weil das Beten abgenommen,
Denn dem Lande wirklich nützen
Können nur die Wahrhaft frommen!
Wer den Pfarrer nicht verehrt,
Ist bloß einen Mühlstein2 wert!"

Schwester Gröber³, die's vernahm,
Ärgerte das ganz infam,
Denn auch sie stand weit und breit
Im Geruch der Heiligkeit.
Und sie rief: "Was die da spricht,
Stimmt, doch imponiert mir's nicht.
Fromm sein mag die Jungfrau, doch
Ich bin zehnmal frömmer noch!
Und sie lade überhaupt,
Wenn sie alles jenes glaubt,
Erst den Don Filucius4,
Der so vieles leiden muss,
Weil er gar so fromm und rein,
Sich als lieben Hausfreund ein!
Erst wenn Pater Luci hier ist,
Glaub' ich, dass was an ihr ist!"

Also sprach die Schwester Gröber
Frei von ihrer schwarzen Leber.
Und die fromme Schwester Paasche
Spürte so was wie Blamage,
denn gerad' von dieser Seite
Hatte sich die Bußbereite
Anerkennung still erhofft!
Siehst Du wohl, so geht es oft:
Wer sich gar zu willig gibt,
Macht sich dennoch nicht beliebt!

Bob.

1 Prof. Herrman Paasche (1851 - 1921), seit 1881 nationalliberaler Abgeordneter im Reichstag

² Mühlstein: Matthäusevangelium 18,6: "Wer aber ärgert dieser Geringsten einen, die an mich glauben, dem wäre es besser, dass ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er ersäuft werde im Meer, da es am tiefsten ist."

³ Gröber

"Gröber, Adolf, ultramontaner Politiker, geb. 11. Febr. 1854 in Riedlingen, studierte die Rechte, trat 1878 in den württembergischen Justizdienst, wurde Staatsanwalt in Rottweil und Ravensburg, Landrichter in Hall und darauf Landgerichtsrat in Heilbronn. 1887 ward er in den Reichstag und 1889 in die württembergische Zweite Kammer gewählt, schloß sich in beiden dem Zentrum an und gehört zu dessen demokratisch gesinnten Mitgliedern."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

4 Don Filucius = Jesuit, nach Wilhelm Busch (1832 - 1908): Pater Filucius (1873)


Abb.: Wilhelm Busch <1832 - 1908>: Pater Filucius (1873), Titelblatt



Abb.: M. H.: Der Zentrums-Apolla und die neuen Musen.  -- In: Jugend. -- Nr. 14, S. 226. -- 1899



Abb.: Rudolf Wilke (1873 - 1908): Der Übereifrige.  -- In: Jugend. -- Nr. 20, S. 321. -- 1899

"Wie geht's denn, Hochwürden, Sie sein ja krank g'wesen?"
"O mir is schlacht gangen, Frau Posthalterin, i hab an Indischestion [Indigestion] g'habt! Wissen's, i ess die Forell'n scho gar so viel gern und da hab i mi halt in der Charwoch' a Bissl überfast't."



Abb.: Die immer "schwärzer" werdende Seiltänzerin.  -- In: Jugend. -- Nr. 20, S. 327. -- 1899



Abb.: Die Kapuziner in Untermais1.  -- In: Jugend. -- Nr. 24. -- 1899


Post coenam [nach dem Mahl]: "Contenti estote - Begnügt euch mit eurem Komissbrote!"

1 Bezieht sich auf ein völlerisches Mahl zu Primiz eines Kapuziners in Untermais, Meran, Südtirol.


1900



Abb.: Zur lex Heinze. --  In: Jugend. -- 1900

Erläuterung:

"Lex Heinze heißt die auf Anregung des Kaisers aus Anlass der Berliner Gerichtsverhandlung gegen den Zuhälter Heinze und dessen der Prostitution ergebenen Ehefrau entstandene Novelle vom 25. Juni 1900 zum deutschen Strafgesetzbuch, welche die Strafvorschriften über Sittlichkeitsverbrechen (s. d.), insbes. Kuppelei (s. d.) und Zuhältertum (s. d.), erweitert und ergänzt. Der erste Entwurf vom 29. Febr. 1892 kam im Reichstag nicht einmal zur ersten Lesung. Im Winter 1892/93 ging der Entwurf dem Reichstag in gleicher Gestalt wieder zu. Er wurde von einer Kommission eingehend beraten. Mit 15 gegen 6 Stimmen lehnte sie den Teil des Entwurfs ab, der die Prostitution kasernieren, also die Wiederzulassung öffentlicher Häuser ermöglichen sollte. Dagegen fügte sie außer andern Zusätzen und Verschärfungen den sogen. Arbeitgeberparagraphen ein, der die Arbeitgeber oder Dienstherren mit Strafe bedrohte, die unter Missbrauch des Arbeits- oder Dienstverhältnisses ihre Arbeiterinnen zur Duldung oder Verübung unsittlicher Handlungen bestimmen, ferner einen Paragraphen, der Ansteckung durch Geschlechtskrankheit mit Strafe bedroht. Indes kam der Entwurf über die Kommissionsberatung nicht hinaus. In den folgenden Sitzungsperioden brachte das Zentrum den Kommissionsentwurf als eignen Antrag ein. In der Session 1899/1900 kam auch die Regierung wieder mit einem neuen Entwurf vor den Reichstag. Eine Kommission verband ihn mit dem Zentrumsantrag. Über die auf Kuppelei und Zuhältertum bezüglichen Bestimmungen herrschte Einverständnis. Die Regierung erklärte aber den Arbeitgeberparagraphen für unannehmbar, da er zu unbegründeten Strafanträgen seitens eines eifer- und rachsüchtigen Personals führen könnte, ebenso für unannehmbar, dass die Altersgrenze für die strafbare Verführung eines unbescholtenen Mädchens von 16 auf 18 Jahre hinausgesetzt werde. Anderseits wurde der Antrag der Regierung abgelehnt, wonach die Vorschriften über Kuppelei und Zuhältertum keine Anwendung finden sollen auf die Vermietung von Wohnungen an Frauenspersonen, die gewerbsmäßig Unzucht treiben, sofern damit nicht eine Ausbeutung des unsittlichen Erwerbes der Mieterin verbunden ist. Ende Februar 1900 erhob sich eine lebhafte öffentliche Bewegung gegen die sogen. Kunst- und den Theaterparagraphen, auf die sich Regierung und Reichstagskommission geeinigt hatten. Der eine Paragraph verbietet, Schriften und Darstellungen, die, ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich verletzen, zu geschäftlichen Zwecken in Ärgernis erregender Weise öffentlich (z. B. in Schaufenstern) auszustellen oder anzuschlagen. Der andre Paragraph wendet sich gegen öffentliche Aufführungen, die durch gröbliche Verletzung des Scham- und Sittlichkeitsgefühls Ärgernis zu erregen geeignet sind. Die Agitation, an deren Spitze sich der Goethe- Bund (s. d.) stellte, hatte Erfolg. Die aus Zentrum und Konservativen gebildete Reichstagsmajorität verzichtete auf beide Paragraphen. Als Rest blieb nur eine Bestimmung, die unter Strafe verbietet, Schriften, Abbildungen oder Darstellungen, die, ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich verletzen, Personen unter 16 Jahren gegen Entgelt zu überlassen oder anzubieten (Strafgesetzbuch, § 184 a). In einem neuen Paragraphen, dem sogen. Gerichtsberichtparagraphen (§ 184 b), wird bei Strafe verboten, aus Gerichtsverhandlungen, für die wegen Gefährdung der Sittlichkeit die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, öffentliche Mitteilungen zu machen, die geeignet sind, Ärgernis zu erregen."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

[Bildquelle: Chronik 1900 / [Autor: Bernhard Pollmann] . -- Gütersloh : Chronik-Verl., 1987. -- 240 S. : zahlr. Ill. . -- (Die Chronik-Bibliothek des 20. Jahrhunderts). -- ISBN 3-88379-090-7. -- S. 40]




Abb.: Willkommen in München! -- In. Jugend. -- 1900-03-14

Erläuterung: Bezieht sich auf die Lex Heinze (siehe oben!)

[Bildquelle: Hintergrund : mit den Unzüchtigkeits- und Gotteslästerungsparagraphen des Strafgesetzbuches gegen Kunst und Künstler ; 1900 - 1933 / hrsg. und kommentiert von Wolfgang Hütt. -- Berlin : Henschelverl., 1990. --  411 S. : Ill. ; 25 cm. -- ISBN 3-362-00384-2. -- S. 281]



Abb.: Edgar Steiger (1858 - 1919): Der letzte Christ (Zierrahmen von Paul Haustein (1880 - 1944)). -- In. Jugend. -- 1901, Nr. 27

"Läutet nur die Kirchenglocken!
Schwinget Fahn' und Weihrauchfass!
Euer liebeheuchelnd Locken
Klingt mir wie geheimer Hass.

Seinen Namen auf der Lippe
Und im Mund sein heilig Wort,
Dienet Ihr und Eure Sippe
Nur dem Mammon fort und fort.

Statt im Kämmerlein zu beten,
Wo Euch niemand sieht als er,
Müsst ihr auf die Gasse treten
Wortereich und liebeleer.

Selbst sein brünstig Vaterunser,
Seines Herzens stiller Schrei,
Wird in Euren Rosenkränzen
Eitle Zauberlitanei.

Statt im Geist den Geist zu ehren,
Baut ihr eifrig Dom auf Dom,
Und wie Jud und Samariter
Streiten Moskau sich und Rom.

'Kindlein, Kindlein, liebt einander!'
Horch, wie's lustig pufft und knallt,
Wie vom Christensterberöcheln
Erd' und Himmel widerhallt!

Sieh, wie sich die Brüder quälen
Von Geschlechte zu Geschlecht,
Wie sie morden, sengen, stehlen —
Alles nach Gesetz und Recht!

Wie die schweren Ketten klirren
Durch Sibiriens Steppengras,
Und von Tränen jedes Auge
Und von Blut die Erde nass!"

Also sprach der greise Seher1,
Dem die Seele überrann;
Und das Haupt der Pharisäer
Tat in gleich in Acht und Bann.

Und der Weise hob den Finger:
"Meint der Pope wohl, mich reut's?
Wie der Meister, so der Jünger!
Jeder trage still sein Kreuz!

Ei! Was gafft Ihr so verwundert?
Priester gibt's wie Sand am Meer,
Kirchen hundert über hundert,
Aber Christen keine mehr!"

Erläuterung:

1 es spricht Graf Lew Nikolajewitsch Tolstoj (Leo Tolstoi) (1828 - 1910), der 1901 wegen seines Romans "Auferstehung" vom Heiligen Synod exkommuniziert wurde.

[Quelle: Jugend : 1896 - 1940, Zeitschrift einer Epoche ; Aspekte einer Wochenschrift "Für Kunst und Leben" / Heinz Spielmann. -- Dortmund : Harenberg, 1988. -- 224 S. : überwiegend Ill. ; 18 cm. -- (Die bibliophilen Taschenbücher ; Nr. 545). -- ISBN 3-88379-545-3. -- S. 145]



Abb.: Die chinesischen Wirren1 in Schüttelreimen.  -- In: Jugend. -- Nr. 28, S. 478. -- 1900

1 chinesische Wirren

"Boxeraufstand, die fremdenfeindliche Bewegung in China, die, in ihren Anfängen mehrere Jahre zurückreichend, 20. Juni 1900 zur Ermordung des deutschen Gesandten in Peking und damit zur bewaffneten Intervention der Großmächte unter deutscher Leitung führte."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]



Abb.: All Heil!  -- In: Jugend. -- Nr. 28, S. 479. -- 1900

Der bayerischen Geistlichkeit macht die "Frankfurter Zeitung" den Vorschlag, Damenräder zu benützen, um das Ordinariat, welches wahrscheinlich bloß aus Toiletterücksichten das Radeln verbiete, umzustimmen. --
Nun steht wohl auch dem Tandemfahren in Gesellschaft mit der Köchin bald nichts mehr im Wege!



Abb.: Schüttelreime <Ausschnitt>.  -- In: Jugend. -- Nr. 30, S. 508. -- 1900

Die Reaktion ist Trumpf im Reich,
Die Kröte hebt den Rumpf im Teich.

Erläuterung: semper retrorsum! (lateinisch) = immer zurück!



Abb.: Zukunftsbild in Bayern: "Kultusministerium Daller1".  -- In: Jugend. -- Nr. 33. -- 1900

1 Balthasar von Daller (1835 - 1911): Prof. des Kirchenrechts und der Kirchengeschichte in Freising, seit 1871 Mitglied der bayerischen Abgeordnetenkammer.



Abb.: Max Slevogt (1868 - 1932): Zwei Welten. -- In: Jugend. -- Nr. 34, S. 578. -- 1900

Erläuterung: Bezieht sich auf den Boxeraufstand in China,  einer fremdenfeindlichen Bewegung, die, in ihren Anfängen mehrere Jahre zurückreichend, am 20. Juni 1900 zur Ermordung des deutschen Gesandten in Peking und damit zur bewaffneten Intervention der Großmächte unter deutscher Leitung führte.



Abb.: Gott will es! -- In: Jugend. -- Nr. 41, S. 694. -- 1900



Abb. -- In: Jugend. -- Nr. 42, S. 710. -- 1900

Es geht ein finstres Wesen um,
Das nennt sich Jesuit;
Es redet nicht, ist still und stumm,
Und schleichend ist sein Tritt.

Es trägt ein langes Trau'rgewand
Und kurzgeschornes Haar
Und bringt die Nacht zurück ins Land,
Wo schon die Dämm'rung war.

(Aus "Jesuitenlieder" von Hermann v. Gilm (1812 - 1864))



Abb.: Von wegen Parität. -- In: Jugend. -- Nr. 44. -- 1900



Abb.: Jesuitenzug. -- In: Jugend. -- Nr. 51, S. 860. -- 1900

Gottfried Keller (1819-1890): Jesuitenzug (auch: Jesuitenlied) 1843

Hussa! hussa! die Hatz geht los!
Es kommt geritten klein und groß,
Das springt und purzelt gar behend,
Das kreischt und zetert ohne End:
Sie kommen, die Jesuiten!

Da reiten sie auf Schlängelein
Und hintendrein auf Drach und Schwein;
Was das für muntre Bursche sind!
Wohl graut im Mutterleib dem Kind:
Sie kommen, die Jesuiten!

Hu, wie das krabbelt, kneipt und kriecht,
Pfui, wie's so infernalisch riecht!
Jetzt fahre hin, du gute Ruh!
Geh, Grete, mach das Fenster zu:
Sie kommen, die Jesuiten!

»Gewissen, Ehr und Treue nehmt
Dem Mann und macht ihn ausverschämt,
Und seines Weibes Unterrock
Hängt ihm als Fahne an den Stock:
Wir kommen, die Jesuiten!«

Von Kreuz und Fahne angeführt,
Den Giftsack hinten aufgeschnürt,
Der Fanatismus ist Profoss,
Die Dummheit folgt als Betteltross:
Sie kommen, die Jesuiten!

»Wir nisten uns im Niederleib
Wie Maden ein bei Mann und Weib,
Und was ein Schwein erfinden kann,
Das bringen wir an Weib und Mann:
Wir kommen, die Jesuiten!«

O gutes Land, du schöne Braut,
Du wirst dem Teufel angetraut!
Ja, weine nur, du armes Kind!
Vom Gotthard weht ein schlimmer Wind:
Sie kommen, die Jesuiten!



Abb.: Arpad Schmidhammer (1857-1921): Die goldene Gans1. -- In: Jugend. -- Nr. 52, S. 865. -- 1900

1 Die goldene Gans: Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm Nr. 64


1902


Abb.: Albert Weisgerber (1878 - 1915): Begräbnis erster Güte. -- In: Jugend. -- 1902, Nr. 23 Abb.: Albert Weisgerber (1878 - 1915): Begräbnis dritter Güte. -- In: Jugend. -- 1902, Nr. 23

[Bildquelle: Jugend : 1896 - 1940, Zeitschrift einer Epoche ; Aspekte einer Wochenschrift "Für Kunst und Leben" / Heinz Spielmann. -- Dortmund : Harenberg, 1988. -- 224 S. : überwiegend Ill. ; 18 cm. -- (Die bibliophilen Taschenbücher ; Nr. 545). -- ISBN 3-88379-545-3. -- S. 76f.]


1904



Abb.: Missionar. -- Karikatur von Paul Rieth (1871 - 1925). -- In: Jugend. -- Nr. 52 (1904-12-15)

[Quelle: Facsimile Querschnitt durch die Jugend / Eingeleitet von Friedrich Ahlers-Hestermann. Hrsg. von Eva Zahn. -- München [u.a.] : Scherz, 1966. -- 207 S. : Ill. -- S. 101]


1907



Abb.: Bittgang des bayrischen Zentrums für einen guten Ausgang der Landtagswahlen. -- Karikatur von Erich Wilke <1879 - 1936>. -- In: Jugend. -- 1907

Erläuterung: Der Parteitag des bayerischen Zentrums erklärte am 1907-03-05, dass bei den Landtagswahlen der gefährlichste Gegenr nicht die Sozialdemokraten sondern die Nationalliberale Partei sei.

[Bildquelle: Chronik 1907 / Bernhard Pollmann . -- Gütersloh : Chronik-Verl., 1991. -- 240 S. : zahlr. Ill. . -- (Die Chronik-Bibliothek des 20. Jahrhunderts). -- ISBN 3-611-00159-7. -- S. 91]


1908



Abb.: David Friedrich Strauß. -- Karikatur von Albert Weisgerber (1878 - 1915). -- In: Jugend. -- 1908

[Quelle: Facsimile Querschnitt durch die Jugend / Eingeleitet von Friedrich Ahlers-Hestermann. Hrsg. von Eva Zahn. -- München [u.a.] : Scherz, 1966. -- 207 S. : Ill. -- S. 117]

"David Friedrich Strauß

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David Friedrich Strauß (* 27. Januar 1808 in Ludwigsburg; † 8. Februar 1874 in Ludwigsburg) war ein berühmter Schriftsteller, Philosoph und Theologe.

David Friedrich Strauß wurde am 27. Januar 1808 zu Ludwigsburg in Württemberg geboren. Er studierte Theologie am Evangelischen Stift zu Tübingen. 1830 wurde er Vikar und 1831 Professoratsverweser am Seminar zu Maulbronn; er ging aber noch ein halbes Jahr nach Berlin, um Hegel und Schleiermacher zu hören. 1832 wurde er Repetent am Tübinger Stift und hielt zugleich philosophische Vorlesungen an der Universität.

Damals erregte er durch seine Schrift "Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet" (Tübingen. 1835, 2 Bde.; 4. Aufl. 1840) ein fast beispielloses Aufsehen. Strauß wandte in demselben das auf dem Gebiet der Altertumswissenschaften begründete und bereits zur Erklärung alttestamentlicher und einzelner neutestamentlicher Erzählungen benutzte Prinzip des Mythus auch auf den gesamten Inhalt der evangelischen Geschichte an, in welcher er ein Produkt des unbewusst nach Maßgabe des alttestamentlich jüdischen Messiasbildes dichtenden urchristlichen Gemeingeistes erkannte. Die Gegenschriften gegen dieses Werk bilden eine eigne Literatur, in der kaum ein theologischer und philosophischer Name von Bedeutung fehlt. Seine Antworten auf dieselben erschienen als "Streitschriften" (Tübingen. 1837). Für die persönlichen Verhältnisse des Verfassers hatte die Offenheit seines Auftretens die von ihm stets schmerzlich empfundene Folge, dass er noch 1835 von seiner Repetentenstelle entfernt und als Professoratsverweser nach Ludwigsburg versetzt wurde, welche Stelle von ihm jedoch schon im folgenden Jahr mit dem Privatstand vertauscht wurde.

Früchte dieser ersten (Stuttgarter) Muße waren die "Charakteristiken und Kritiken" (Leipzig. 1839, 2. Aufl. 184) und die Abhandlung "Über Vergängliches und Bleibendes im Christentum" (Altona 1839). Von einer versöhnlichen Stimmung sind auch die in der 3. Auflage des "Lebens Jesu" (1838) der positiven Theologie gemachten Zugeständnisse eingegeben, aber schon die 4. Auflage nahm sie sämtlich zurück. 1839 erhielt Strauß einen Ruf als Professor der Dogmatik und Kirchengeschichte nach Zürich; doch erregte diese Berufung im Kanton so lebhaften Widerspruch, dass er noch vor Antritt seiner Stelle mit 1000 Franken Pension in den Ruhestand versetzt ward. 1841 verheiratete sich Strauß mit der Sängerin A. Schebest (s. d.), doch wurde die Ehe nach einigen Jahren getrennt. Sein zweites Hauptwerk ist: "Die christliche Glaubenslehre, in ihrer geschichtlichen Entwickelung und im Kampf mit der modernen Wissenschaft dargestellt" (Tübingen. 1840 1841, 2 Bde.), worin eine scharfe Kritik der einzelnen Dogmen in Form einer geschichtlichen Erörterung des Entstehungs- und Auflösungsprozesses derselben gegeben wird. Auf einige kleine ästhetische und biographische Artikel in den "Jahrbüchern der Gegenwart" folgte das Schriftchen "Der Romantiker auf dem Thron der Cäsaren, oder Julian der Abtrünnige" (Mannheim. 1847), eine ironische Parallele zwischen der Restauration des Heidentums durch Julian und der Restauration der protestantischen Orthodoxie durch den König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen.

1848 von seiner Vaterstadt als Kandidat für das deutsche Parlament aufgestellt, unterlag Strauß dem Misstrauen, welches die pietistische Partei unter dem Landvolk des Bezirks gegen ihn wachrief. Die Reden, welche er teils bei dieser Gelegenheit, teils vorher in verschiedenen Wahlversammlungen gehalten hatte, erschienen unter dem Titel: "Sechs theologisch-politische Volksreden" (Stuttgart. 1848). Zum Abgeordneten der Stadt Ludwigsburg für den württembergischen Landtag gewählt, zeigte Strauß wider Erwarten eine konservative politische Haltung, die ihm von seinen Wählern sogar ein Misstrauensvotum zuzog, in dessen Folge er im Dezember 1848 sein Mandat niederlegte.

Seiner späteren, teils in Heidelberg, München und Darmstadt, teils in Heilbronn und Ludwigsburg verbrachten Muße entstammten die durch Gediegenheit der Forschung und schöne Darstellung ausgezeichneten biographischen Arbeiten: "Schubarts Leben in seinen Briefen" (Berlin. 1849, 2 Bde.); "Christian Märklin, ein Lebens- und Charakterbild aus der Gegenwart" (Mannheim. 1851); "Leben und Schriften des Nikodemus Frischlin" (Frankfurt. 1855); "Ulrich von Hutten (Leipzig. 1858; 4. Aufl., Bonn 1878), nebst der Übersetzung von dessen "Gesprächen" (Leipzig. 1860); "Herm. Samuel Reimarus" (das. 1862); "Voltaire, sechs Vorträge" (das. 1870; 4. Aufl., Bonn 1877); ferner "Kleine Schriften biographischen, litteratur- und kunstgeschichtlichen Inhalts" (Leipzig. 1862; neue Folge, Berlin. 1866), woraus "Klopstocks Jugendgeschichte etc." (Bonn 1878) und der Vortrag "Lessings Nathan der Weise" (3. Aufl., das. 1877) besonders erschienen. Eine neue, "für das Volk bearbeitete" Ausgabe seines "Lebens Jesu" (Leipzig. 1864; 5. Aufl., Bonn 1889) ward in mehrere europäische Sprachen übersetzt. Einen Teil der hierauf gegen ihn erneuten Angriffe wies er in der gegen Schenkel und Hengstenberg gerichteten Schrift zurück: "Die Halben und die Ganzen" (Berl.1865), wozu noch gehört: "Der Christus des Glaubens und der Jesus der Geschichte, eine Kritik des Schleiermacherschen Lebens Jesu" (das. 1865).

Noch einmal, kurz vor seinem am 8. Februar 1874 zu Ludwigsburg erfolgten Tod, erregte Strauß allgemeines Aufsehen durch seine Schrift "Der alte und der neue Glaube, ein Bekenntnis" (Leipzig. 1872; 11.Aufl., Bonn 1881), in welcher er mit dem Christentum definitiv brach, alle gemachten Zugeständnisse zurücknahm und einen positiven Aufbau der Weltanschauung auf Grundlage der neuesten, materialistisch und monistisch gerichteten Naturforschung unternahm. Strauß' "Gesammelte Schriften" hat Zeller herausgegeben (Bonn 1876-78, 11 Bde.; dazu als Bd. 12: "Poetisches Gedenkbuch", Gedichte).

[Dieser Artikel basiert auf dem Artikel aus Meyers Konversationslexikon von 1888-90.] "

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/David_Friedrich_Strau%DF. -- Zugriff am 2003-04-16]


1909



Abb.: Der deutsche Reichstag. -- In: Jugend. -- 1909

Erläuterung: Im Reichstag stellt die klerikale Zentrumspartei die größte Fraktion.

[Bildquelle: Chronik 1909 / Thomas Flemming/Axel Steinhage. -- Gütersloh : Chronik-Verl., 1999. -- 240 S. : zahlr. Ill. . -- (Die Chronik-Bibliothek des 20. Jahrhunderts). -- ISBN 3-611-00161-9. -- S. 136]


1910



Abb.: Encyclica latrina. -- Karikatur von Albert Weisgerber (1878 - 1915). -- In: Jugend. -- 1910

Erläuterung: Papst Pius X. gießt mit der Enzyklika Editae saepe (sog. Borromäus-Enzyklika) Jauche über die Gläubigen.  In dieser Enzyklika greift der Papst die Reformation und die Reformatoren auf das Heftigste an:

"Inmitten dieser Übel entstanden hochmütige und rebellische Männer, Feinde des Kreuzes Christi, Männer irdischen Sinnes, deren Gott der Bauch ist. Diese suchten nicht die Sitten zu verbessern, sondern leugneten die Dogmen, vermehrten die Unordnung und lockerten zu ihrem und anderer Nutzen die Zügel der Freiheit. Sie verachteten, indem sie den Leidenschaften der am meisten korrumpierten Fürsten und Völker folgten, die Autorität und Führung der Kirche und zerstörten fast tyrannisch ihre Lehre, Verfassung und Disziplin. Alsdann ahmten sie jene Bösen nach, denen die Drohung gilt: Wehe euch, die ihr das Böse gut nennt und das Gute Böse! Diesen Tumult der Rebellion und diese Perversion des Glaubens nannten sie Reformation und sich die Reformatoren, aber in Wahrheit waren sie Verderber, entnervt durch Uneinigkeit und Krieg. Sie bereiteten die Rebellion und Apostasie moderner Zeit vor und entfachten die dreifache Verfolgung, gegen welche die Kirche bisher einzeln siegreich zu kämpfen hatte, nämlich erstens die blutige Verfolgung der ersten Jahrhunderte, zweitens die häusliche endemische Pest der Häresien und drittens unter dem Namen evangelische Freiheit jene Korruption der Laster und Perversion der Disziplin, die das Mittelalter so nicht kannte."

[Aus der Enzyklika Editae saepe; voller Text der Enzyklika (in englischer Übersetzung): http://www.vatican.va/holy_father/pius_x/encyclicals/documents/hf_p-x_enc_26051910_editae-saepe_en.html. -- Zugriff am 2004-12-16]



Abb.: "Wie denken Sie über das neue Motuproprio, lieber Amtsbruder?" — "Ich denke überhaupt nicht, ich bin doch kein Modernist!" -- In: Jugend. -- 1910

Erläuterung: Bezieht sich auf das am 1. September 1910 von Papst Pius X. erlassene Motu proprio "Sacrorum antistites", in dem der Papst für alle Priester, Bischöfe und Theologieprofessoren den Antimodernisteneid vorschreibt. Bis 1967 mussten diesen alle Angehörigen der genannten Gruppen ablegen.

Siehe:

Pius <Papa, X.> <1835 - 1914>: Iusiurandum contra errores modernismi = Antimodernisteneid (1910-09-01). -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/antimodernisteneid.htm. -- Zugriff am 2004-12-16


Aus Tschenstochow

erhalten wir von dem Pater Ferkeljeff Lumpoff Halunkewitsch folgenden Brief mit der Bitte um Weitergabe: Liebes Jugend!

Du wirst schon gelesen haben, dass russische Freimaurer uns, die guten und frommen Patres von Tschenstochow haben vertrieben wegen ganz winzige Kleinigkeiten, bissel Giftmord und Totschlag und Kirchenraub aus schöne lieben Kloster. Lieber Gott wird schon strafen Unmenschen, die haben gemacht obdachlos edle Priester und ein Dutzend nette junge Mädel, was waren angestellt zum Nachtdienst im Kloster.

Jetzt sind wir ohne Dach und Brot und Champagner und Maitressen und Equipagen und Lakaien und was sonst gehört zu Gelübde von Armut und Keuschheit und gottgefällige Leben. Haben uns auch genommen zwanzig Zellen voll Apparate für sekrete Vergnüglichkeiten, wo doch die Mensch haben muss bissel Zerstreuung. Alles haben genommen und jagen uns aus Kloster salva venia nackt und bloß wie Herde Schweine. Gott wird schon strafen!

Nun haben kleine Bitte, weil haben mit große Freude gehört, dass in Bayern lebt großmächtige reiche Edelmann, wo ist sich großer Merkwirdigkeit als einzige römisch-katholische Protestant in Europa und große geistige Autorität als einzige Mann, wo hat erkannt, dass wir Mönche sind höchste Blite von Menschlichkeit und wo ist Liebhaber und Importeur von Mönche in Bayern. Wissen aber nicht Namen und Adresse.

Bitte geben Brief weiter an hochwürdige Herr Edelmann. Vielleicht hat Lust und baut schene Kloster mit einträgliche Wallfahrtsort für arme vertriebene Blite von Menschlichkeit aus Tschenstochow. Der Zeichnungen für Einrichtung von vergnügliche Zellen und Dutzend saubere junge Mädel bringen selber mit, aber Equipagen muss gitigst anschaffen der Herr Baron, nehmen aber auch Automobile. Gott wird schon belohnen!

Beste Dank fir gitige Besorgung von ihre ergebene Diener und hoffentlich baldingen Landsmann Ferkeljeff Lumpoff Halunkewitsch

In: Jugend. -- 1910-10-18

[Quelle: Scherz beiseite : die Anthologie der deutschsprachigen Prosa-Satire von 1900 bis zur Gegenwart / hrsg. von G. H. Herzog u. Erhardt Heinold. -- München [u.a.] : Scherz, [1966]. -- 575 S. -- S. 79f.]

Hintergrund:

Das Marienheiligtum Jasna Góra von Tschenstochau (Czestochowa, Polen) gehört dem Paulinerordens (Ordo Sancti Pauli Primi Eremitae). "1864 ließ Zar Alexander II. die Studienstätten, die Klosterdruckerei und die Apotheke schließen. Das Kloster wurde aller seiner Grundstücke enteignet, die Klausur aufgehoben und die Spitzel des Zaren bedrängten die Mönche. So konnten in der Nacht vom 22. auf den 23. September 1909 die zwei goldenen, päpstlichen Kronen und das Perlengewand des Gnadenbildes gestohlen werden. Auf die Nachricht über dieses Verbrechen schenkte Papst Pius X. sofort neue Kronen für das Gnadenbild von Jasna Góra. Die neuerliche Krönung fand am 22. Mai 1910 statt. " [Quelle: http://www.jasnagora.pl/deutsch/ . -- Zugriff am 2004-06-07]


1913



Abb.: "Bayerns Universitäten: 'Er darf nicht als Professor berufen werden! Die Großmutter seiner Frau hat ihr Bier bei einem protestantischen Wirt geholt!'". -- Karikatur von Arpad Schmidhammer (1857-1921). -- In: Jugend. -- 1913

[Quelle: Facsimile Querschnitt durch die Jugend / Eingeleitet von Friedrich Ahlers-Hestermann. Hrsg. von Eva Zahn. -- München [u.a.] : Scherz, 1966. -- 207 S. : Ill. -- S. 143]


1914


A.D.N.: Der christliche Staat

Wir sind in der Lage, den Wortlaut der Rede mitzuteilen, die Se. Exzellenz Herr Staatsminister v. Soden jüngst über dieses Thema gehalten hat:

«M. H.! Bayern ist ein christlicher Staat. Unter christlich verstehe ich katholisch, und unter katholisch verstehe ich so katholisch wie ich selber bin, und sonst verstehe ich nichts. Einen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass Bayern ein christlicher Staat ist, kann ich selbstverständlich nicht führen, aber das ist auch gar nicht nötig. Ich erblicke den Beweis einfach darin, dass ich hier Minister werden konnte, denn ich bin ein positiv christliches, von den höchsten kirchlichen Behörden approbiertes königlich bayerisches Staatsministerium. Meine Auffassung vom Staate Bayern stützt sich voll und ganz auf den Katechismus meines seligen Religionslehrers, des hochw. Herrn Pfarrers Hinterhuber von Frauenhofen, bei welchem ich die ersten Grundlagen der Schulbildung und meines heutigen Wissens empfing. Diese Grundlagen sind es, nach denen Bayern regiert werden muss. Es soll Leute geben, die es be-

zweifeln, ob so etwas verfassungsmäßig sei, allein ich bin nicht in der Verfassung, dies zu entscheiden. Ich brauche ja gottlob kein Rechtspraktikanten-Examen darüber zu machen, weil ich als Minister nur zu tun brauche, was mir meine Religion vorschreibt. Im übrigen vertraue ich dem heiligen Görres und meinem Schutzengel Seraphius von Passau, die das alles viel besser los haben als ich. Übrigens erkläre ich, dass ich nichts anderes gesagt haben will über den christlichen Staat, als was der liberale Herr Korreferent ebenfalls gesagt hat, nämlich genau das Gegenteil von dem, was ich zuerst ausgeführt habe, und damit schließe ich meine lichtvolle Darlegung. Ich bitte jedoch, mir künftig keine so schweren Fragen mehr vorzulegen, da einen dies nur unnötig im Regieren aufhält, und die Dinge doch so gemacht werden, wie meine verehrten Parteifreunde es wünschen.»

In: Jugend. -- 1914-06-08

[Quelle: Scherz beiseite : die Anthologie der deutschsprachigen Prosa-Satire von 1900 bis zur Gegenwart / hrsg. von G. H. Herzog u. Erhardt Heinold. -- München [u.a.] : Scherz, [1966]. -- 575 S. -- S. 137f.]

Erläuterung:

Max Freiherr von Soden-Frauenhofen (Zentrumspartei), bayerischer Innenminister


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