Religionskritik

Antiklerikale Karikaturen und Satiren IV:

Pater Filucius (1872) / von Wilhelm Busch


herausgegeben von Alois Payer (payer@payer.de)

Zitierweise / cite as:

Antiklerikale Karikaturen und Satiren IV: Pater Filucius / von Wilhelm Busch <1832 - 1908> (1872) / hrsg. von Alois Payer. -- Fassung vom 2004-04-19. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/karikaturen4.htm   

Erstmals publiziert: 2004-04-19

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Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library


Pater Filucius / von Wilhelm Busch (1872)


"Wilhelm Busch


Abb..: Wilhelm Busch / Gemälde von Franz von Lenbach (1836 - 1904). -- 1877

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Wilhelm Busch (15. April 1832 in Wiedensahl (bei Hannover); † 9. Januar 1908 in Mechtshausen) war der Verfasser von satirischen Bildergeschichten mit Versen wie "Max und Moritz" oder "Die fromme Helene".

Als Wilhelm 9 Jahre alt war, übergaben ihn die Eltern an Pfarrer Georg Kleine, der sich der Erziehung des Jungen annahm. Beim Privatunterricht von Kleine lernte er Erich Bachmann kennen, einen Freund, den er auch im hohen Alter regelmäßig besuchte.

Mit 19 Jahren begann er auf Wunsch des Vaters mit einem Maschinenbaustudium, das er jedoch schon 1851 abbrach. Sein Interesse galt vielmehr der Malerei, weswegen er auf der Kunstakademie in Düsseldorf, in Antwerpen und zuletzt in München studierte. Allerdings hielt seine Kunst seiner eigenen und offenbar auch der öffentlichen Kritik nicht stand, weswegen er sich zum Broterweb auf die Ausführung von Karikaturen verlegte.

1854 trat er dem Kunstverein „Jung München“ bei. Die Rechte für sein berühmtestes Werk "Max und Moritz", 1865 erschienen, verkaufte er als Student für 1700 Goldmark oder 1000 Gulden an seinen Verleger Kaspar Braun, der damit ein Vermögen machte. Erst im hohen Alter erhielt Busch einen Ausgleich von 20.000 Goldmark, die er jedoch umgehend für einen wohltätigen Zweck spendete.

1864 fertigte er das Werk „Der Heilige Antonius von Padua“ an, das jedoch wegen eines Verbotes erst 6 Jahre später erschien. Nicht nur in diesem Werk, sondern auch anderswo spießte Wilhelm Busch klerikale Bigotterie und amtstheologische Verlogenheit auf, während er in seinen letzten Lebensjahren in einem evangelischen Pfarrhaus wohnte. Bis 1884 erschienen einige seiner berühmtesten Geschichten, wie beispielsweise „Fipps der Affe“ oder „Die fromme Helene“.

1872 zog Busch wieder nach Wiedensahl, von wo er häufig zu Auslandsreisen u.a. nach Italien und die Niederlande aufbrach. 1898 zog er zu seinem Neffen, der in Mechtshausen im Harz wohnte. Dort starb Wilhelm Busch im Alter von 76 Jahren.

Neben seinen bekannten Werken malte Busch auch etwas mehr als 1000 Ölbilder, die er jedoch Zeit seines Lebens zurückhielt und die erst nach seinem Tode veröffentlicht wurden. "

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Busch. -- Zugriff am 2004-04-19}


 

 

Höchst erfreulich und belehrend
Ist es doch für jedermann,
Wenn er allerlei Geschichten
Lesen oder hören kann.

So zum Beispiel die Geschichte
Von dem Gottlieb Michael,
Der bis dato sich beholfen
So lala als Junggesell.

Zwo bejahrte fromme Tanten
Lenken seinen Hausbestand;
Und Petrine und Pauline
Werden diese zwo benannt.

Außerdem, muss ich bemerken,
Ist noch eine Base da,
Hübsch gestaltet, kluggelehrig,
Nämlich die Angelika.

Wo viel zarte Hände walten -
Na, das ist so wie es ist!
Kellerschlüssel, Bodenschlüssel
Führen leicht zu Zank und Zwist.



Ebenso in Kochgeschichten
Einigt man sich öfters schwer.
Gottlieb könnte lange warten,
Wenn Angelika nicht wär.

Sie besorgt die Abendsuppe
Still und sorgsam und geschwind;
Gottlieb zwickt sie in die Backe:
»Danke sehr, mein gutes Kind!«

Grimmig schauen itzt die Tanten
Dieses liebe Mädchen an:
»Ei, was muss man da bemerken?
Das tut ja wie Frau und Mann!«

Dennoch und trotz allediesem
Geht die Wirtschaft doch so so. -
Aber aber, aber aber
Jetzt kommt der Filuzio.

Nämlich dieser Jesuiter
Merkt schon längst mit Geldbegier
Auf den Gottlieb sein Vermögen,
Denkend: »Ach, wo krieg ich dir?«

Allererst pirscht er sich leise
Hinter die Angelika,
Die er Äpfelmus bereitend
An dem Herde stehen sah.

Und er spricht mit Vaterstimme:
»Meine Tochter, Gott zum Gruß!«
Schlapp! da hat er im Gesichte
Einen Schleef voll Appelmus.

 

Dieses plötzliche Ereignis
Tut ihm in der Seele leid. -
Ach, man will auch hier schon wieder
Nicht so wie die Geistlichkeit!! -

 Doch die gute Tante Trine
Sehnt sich ja so lange schon
Nach dem Troste einer frommen,
Klerikalen Mannsperson. -

Da ist eher was zu machen. -
Luzi macht sich lieb und wert,
Weil er ihr als Angebinde
Schrupp, den kleinen Hund, beschert.
 

 

Schrupp ist wirklich auch possierlich.
Er gehorchet auf das Wort,
Holt herbei, was ihm befohlen,
Wenn es heißet: »Schrupp, apport!«

Heißt es: »Liebes Schrupperl, singe!«
Fängt er schön zu singen an;


Spielt man etwas auf der Flöte,
Hupft er, was er hupfen kann.

Wenn es heißet: »Wo ist 's Ketzerl?«
Wird er wie ein Borstentier;
Und vor seinem Knurren eilet
Tante Line aus der Tür.
Spricht man aber diese Worte:
»Schrupp, was tun die schönen Herrn?«
Gleich küsst er die Tante Trine,

Und sie lacht und hat es gern.


Eines nur erzeugt Bedenken.
Schrupp entwickelt letzterzeit
Mit dem Hinterfuße eine
Merkliche Geschäftigkeit.



Mancher hat in diesen Dingen
Eine glückliche Natur.
Tante Trine, zum Exempel,
Fühlt von allem keine Spur,


Wohingegen Tante Line
Keine rechte Ruh genießt,

Wenn sie abends, wie gewöhnlich,
In der Hauspostille liest.

Und auch Gottlieb muss verspüren,
Ganz besonders in der Nacht,

Dass es hier

und da

und dorten
Immer kribbelkrabbel macht.


Prickeln ist zwar auch zuwider,
Doch zumeist die Jagderei;
Und mit Recht soll man bedenken,
Wie dies zu verhindern sei.

Mancher liebt das Exmittieren;
Und die Sache geht ja auch.
Aber sicher und am besten -
Knacks! - ist doch der alte Brauch.


 

Freilich ist hier gar kein Ende.
Man gelanget nicht zum Ziel.
Jeder ruft: »Wie ist es möglich?«
Bis man auf den Schrupp verfiel.



Zwar die Tante und Filuzi
Rufen beide tief gekränkt:
»Engelrein ist sein Gefieder!« -
Aber Schrupp wird eingezwängt.


In ein Fass voll Tobakslauge
Tunkt man ihn mit Haut und Haar,

Ob er gleich sich heftig sträubte
Und durchaus dagegen war.

Drauf so wird in einem Stalle
Er mit Vorsicht interniert,
Bis, was man zu tadeln findet,
So allmählich sich verliert.

Anderseits bemerkt man dieses
Unter großem Herzeleid.
Ach, man will auch hier schon wieder
Nicht so wie die Geistlichkeit!!
Jetzt wär alles gut gewesen,
Wäre Schrupp kein Bösewicht. -
Er gewöhnt sich an das Kauen,
Und das lässt und lässt er nicht.

Hat er Gottlieb seine Stiefel
Nicht zur Hälfte aufgezehrt?

Tante Linens Hauspostille,
Hat er die nicht auch zerstört?


Zwar die Tante und Filuzi
Blicken mitleidsvoll empor:
»Armes gutes Schruppuppupperl!
Immer haben sie was vor!!«

Ja, es ließe sich ertragen,
Täte Schrupp nur dieses bloß;
Würde Schrupp nicht augenscheinlich
Scham- und ruch- und rücksichtslos.

Und so muss er denn empfinden,
Dass zuletzt die böse Tat
Für den Übeltäter selber
Unbequeme Folgen hat.

Anderseits bemerkt man dieses
Nur mit tiefem Herzeleid.
Ach, man will auch hier schon wieder
Nicht so wie die Geistlichkeit!


Leichter schmiegt sich Seel an Seele
In der schmerzensreichen Stund,
Und man schwört in der Bergère
Sich den ew'gen Freundschaftsbund.

Aber wie sie da so sitzen,
Öffnet plötzlich sich die Tür.
Gottlieb ruft mit rauher Stimme:
»Ei ei ei, was macht man hier?«

Freilich hüllen sich die beiden
Schnell in fromme Lieder ein;
Doch nur kurze Zeit erschallen
Diese schönen Melodein.

Ach, die weltlichen Gewalten! -
Durch des Armes Muskelkraft
Wird der fromme Pater Luzi
Wirbelartig fortgeschafft.


Dieses plötzliche Ereignis
Tut ihm in der Seele leid.
Ach, man will auch hier schon wieder
Nicht so wie die Geistlichkeit!!

Schlimm ist's Schrupp dabei ergangen,
Weil er sich hineingemengt;
Mit dem Fuße unvermutet
Fühlt er sich zurückgedrängt.


Pater Luzi aber schleichet
Heimlich lauschend um das Haus.
Ein pechschwarzes Ei der Rache
Brütet seine Seele aus.

Gottlieb seine Abendsuppe
Stehet am gewohnten Ort. -
Husch! da steigt wer durch das Fenster;
Husch! jetzt ist er wieder fort.

Gottlieb, der im Nebenzimmer
Eben seine Hände wusch,
Sieht's zum Glück und Dass der Täter
Lauschend sitzt im Fliederbusch.


Jetzt hebt Gottlieb, friedlich lächelnd,
Von dem Tisch den Suppentopf.

Bratsch! - Die Brühe samt der Schale
Kommt Filuzi auf den Kopf.

Diese eklige Geschichte
Tut ihm in der Seele leid.
Ach, man will auch hier schon wieder
Nicht so wie die Geistlichkeit!

Schrupp, der nur ein wenig leckte,
Zieht es alle Glieder krumm;
Denn ein namenloser Jammer
Wühlt in seinem Leib herum.


Pater Luzi, finster blickend,
Heimlich schleichend um das Haus,
Wählt zu neuem Rachezwecke
Zwo verwogne Lumpen aus. -

Einer heißt der Inter-Nazi
Und der zweite Jean Lecaq,
Alle beide wohl zu brauchen,
Denn es mangelt Geld im Sack.

Eben wandelt in der stillen
Abendkühle der Natur
Base Gelika im Garten -
Horch! Da tönt der Racheschwur!

Tieferschrocken, angstbeflügelt
Eilet sie ins Haus geschwind.
Gottlieb küsst sie auf die Backe:
»Danke sehr, mein gutes Kind!«


Schleunig sucht er seine Freunde,
Glücklich trifft er sie zu Haus.
Wächter Hiebel ist der erste,
Freudig ruft er: »Sabel raus!«

Meister Fibel, als der zweite,
Vielerprobt im Amt der Lehr,
Greift in die bekannte Ecke
Mit den Worten: »Knüppel her!«

Bullerstiebel ist der dritte. -
Kaum vernimmt er so und so,
Fasst er auch schon nach der Gabel
Mit dem Rufe: »Nu man to!«

Nun hat Schrupp, dieweil er leidend,
Sich in Gottliebs Bett gelegt,
Wie er, wenn man nicht zugegen,
Auch wohl sonst zu tuen pflegt.


Zwölfe dröhnt es auf dem Turme. -
Leise macht man: Pistpistpist!
Drei Gestalten huschen näher
An das Bett voll Hinterlist.

Weh, jetzt trifft der Dolch, der spitze,
Und der Knüppel, dick und rauh,
Und die Taschenmitraljöse -
Aber Schrupp macht: »Auwauwau!«

In demselbigten Momente
Donnert es von hinten: »Drauf!!«
Und ein blasser Todesschrecken
Hindert jeden Weiterlauf.

Pater Luzi ganz besonders
Macht sich ahnungsvoll bereit.
Ach, man will auch hier schon wieder
Nicht so wie die Geistlichkeit!!


Hei! Wie Fibels Waffe sauset!

Heißa! Wie der Sabel blitzt! -


Zwiefach ist der Stich der Gabel,
Weil sie zwiefach zugespitzt. -

Motten fliegen, Haare sausen;
Das gibt Leben in das Haus.


Hulterpulter! Durch das Fenster
Springt man in die Nacht hinaus.


Klacks! da stecken sie im Drecke.
Ängstlich zappelt noch der Fuß. -
Eine Stimme hört man klagen:
»Oh, Filu - Filucius!!« -



»Kinder, das hat gut gegangen!«
Rufet Gottlieb hocherfreut;
»Wein herbei! Denn zu vermelden
Hab ich eine Neuigkeit.

Länger will ich nicht mehr hausen
Wie seither als Junggesell.
Hier Angelika, die gute,
Werde Madam Michael.«

Drauf ergreift das Wort Herr Fibel,
Und er spricht: »Eiei! Sieh da!
Ich erlaube mir zu singen:
Vivat Hoch! Halleluja!!!«


Zu: Antiklerikale Karikaturen und Satiren V: Simplicissimus (1896 - 1944)

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