Pastor Johannes (1894)

von

Oskar Panizza


Herausgegeben von Alois Payer (payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Panizza, Oskar <1853 - 1921 >: Pastor Johannes.  -- 1894. -- Fassung vom 2005-01-13. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/panizza08.htm 

Erstmals publiziert: 2005-01-13

Überarbeitungen:

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Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library


Erstmals erschienen in:

Moderner Musenalmamanach auf das Jahr 1894. -- Hamburg. -- 1894-01-12. -- S. 62 - 71

Wieder abgedruckt in:

Panizza, Oskar <1853 - 1921 >: Der Korsettenfritz : gesammelte Erzählungen / Oskar Panizza. Mit e. Beitr. von Bernd Mattheus. -- München : Matthes und Seitz, 1981. -- 390 S. ; 21 cm. -- ISBN 3-88221-323-X. -- S. 329 - 336

Da Panizzas eigenwillige Orthographie in keinerlei Erkenntnisfortschritt bringt, habe ich sie — unter Wahrung des Lautbestandes — durch die moderne Orthographie ersetzt.


Zu Oskar Panizza siehe die Einleitung zu:

Panizza, Oskar <1853 - 1921 >: Die Wallfahrt nach Andechs.  -- 1894. -- Fassung vom 2005-01-07. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/panizza01.htm 


Pastor Johannes

In Hinterpommersfelden, im Fränkischen, war der Pfarrer verstorben. Der Ort lag in der Nähe von Erzwerken, die der ganzen Gegend zu einer gewissen Wohlhabenheit verholfen hatten. Ein schnell dahineilender Fluss half ihnen teils als natürliche Kraft zu ihren Betriebs-Einrichtungen, teils gab er ihnen Gelegenheit zur Fortschaffung ihrer Produkte. Die Bewohner, fast ausschließlich Protestanten, wiesen jene geistig geweckte wenn auch etwas nüchterne Gesinnung auf, wie man sie in so abgeschlossenen Ortschaften häufig antrifft. Und eine früher hier ansässig gewesene Herrenhuter1 Gemeinde hatte genügend an geistiger Spur zurückgelassen, um die Frage der Neu-Besetzung der Pfarrers-Stelle als eine hochwichtige, wenn nicht als das allerwichtigste, auf Jahrzehnte hinaus folgenschwerste Ereignis erscheinen zu lassen. Der verstorbene Prediger, der über dreißig Jahre dem Orte angehört hatte, war die letzten Jahre immer krank gewesen, und somit außer Stande, Werktätiges unter seinen Gemeindegliedern zu schaffen. Auch hatte ihn die Gemeinde in dieser langen Zeit sozusagen auswendig gelernt. Um so gespannter war man auf den Nachfolger. Denn diese Sorte von Menschen, diese in ihrem Gottes-Spürsinn hager gewordenen einsamen Dörfler, die nicht in einigen am Altar vorgenommenen Fisimatenten2 den Schwerpunkt priesterlicher Tätigkeit erkannten, sondern in ihrem Pfarrer eine Persönlichkeit, eine geistige Potenz, ein spezifisches Ferment erwarteten, das sie in ihrem Innern von Grund aus umzugestalten fähig war, hatten alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den ihnen tüchtigst erscheinenden Mann auszufinden; und nach Allem, was darüber verlautbar geworden, hatten sie alle Ursache, mit ihren Anstrengungen zufrieden zu sein. Hinterpommersfelden, das auf Grund seiner Wohlhabenheit einen erklecklichen Beitrag zum Pfarrers-Gehalt leistete, hatte der Regierung gegenüber das Vorschlags-Recht. Und in jedem Falle noch war bisher die landesherrliche Bestätigung erfolgt. So auch diesmal.

Pastor Johannes, auf den die Wahl gefallen war, kam aus dem etwa zwölf Stunden entfernten Seltsamhausen, einem kleinen Ort in einer unfruchtbaren Gegend, dessen paar hundert Seelen sich mühselig mit dem Ertrag ihres sterilen Bodens durch's Leben schlugen. Einige Grabreden, die von ihm gedruckt waren, hatten die Leute von Hinterpommersfelden zu Gesicht bekommen. Diese, und ein paar in der ganzen Gegend bekannt gewordene Züge von seltener Mildtätigkeit, waren zuletzt die ausschlaggebenden Momente bei der Wahl gewesen.

Und so war an einem Pfingst-Sonntag in Hinterpommersfelden der Tag der Antritts-Predigt für Pastor Johannes herangekommen. Natürlich war die Kirche gedrängt voll. Aus den umliegenden kleineren Ortschaften waren ebenfalls Leute herbeigekommen. Pastor Johannes hatte sich den Text aus Matthei 26, 41 gewählt: » Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallet!« Es ging ihm ein sehr guter Ruf als Prediger voraus. Und schon der Beginn des Sermons, der eine vortreffliche Disposition brachte, ließ diesen Ruf vollauf gerechtfertigt erscheinen.

Die Kirche von Hinterpommersfelden war ein romanischer Holzbau, im Innern mit prächtigen Vignetten, schwarz auf gelblichem Grunde, geziert; die Kirchenbänke, der Altar mit seinem blühend-weißen Spitzentuch, die ornamentale schwere Luther-Bibel darauf, darüber vier mächtige, knisternde Kerzen; im Schiff der Kirche die schnurgeraden Querlinien mit hockenden, feierlich ernst gekleideten Menschen, und vor ihnen auf den Pulten die ehrlichen Gesangbücher mit dem kittgelben Schnitt; ringsum im Innern, die Kirchenbänke einfassend, auf schlanken Säulen emporstrebend ein herrliches, freies Emporium, wo die vorgestreckten gierigen Köpfe gerade auf der Rampe aufzusitzen schienen; im Hintergrund die Orgel, wo ein fugen-gewandter Organist die Register immer dem Inhalt der Predigt geschickt anzupassen und anzuschmelzen wusste; und zuletzt, rechts, auf der einen Seite, die gegen Mittag sich wendende Sonne, die so gegen zehn Uhr, gerade wenn der Pfarrer die Kanzel bestieg, ihre glänzenden Argumente mit den Worten des Predigers verband, um diese Werkeltags-Leute zu erfrischen und zu erquicken: dies Alles gab dem fränkischen, luthrischen Kirchlein etwas Stimmungsvolles, Heiteres. Und in der ganzen Umgegend war es eine ausgemachte Sache: In Hinterpommersfelden predigt sich's leicht.

Aber mein Gott! Gerade in dieser sonne- und stimmungsüberfluteten Kirche bereitete sich eben jetzt etwas vor, was den lauschenden Sinn dieser Dörfler zum Wahnwitz, das Herzblut der Zuhörer zum Gerinnen bringen konnte. Und das war Pastor Johannes. Kaum nämlich hatte er sich seinen Text zurechtgelegt, und war nach etwa fünf oder zehn Minuten in die Erläuterung des ersten Predigt-Teils, der »Wachet!« hieß, eingegangen, als er wie ein Gaukler, oder vielmehr wie ein Vogel, die sonderbarsten wippenden und schwingenden Bewegungen machte, und schleifende, gurgelnde »Gru-gru« und ähnliche Töne, die er mitten in die Sätze streute, ausstieß. Bald griff er mit dem rechten Arm weit hinaus, um gleich darauf mit dem Oberkörper nach rückwärts zu schnellen, und mit einer Wink-Bewegung die Zuhörer zu sich heraufzuholen. Brach mit dem Oberleib plötzlich über die Kanzel-Brüstung mit vorgestreckter Faust herab, als wollte er dem unter ihm Zunächstsitzenden Eine auf den Kopf geben; um dann mit einem »Wau!« oder belfernden Ton, oder mit gebleckten Zähnen sich aus dieser Position wieder zurückzuziehen. Wie ein Bussard, oder ein gefangener Raub-Vogel in seinem Käfig wippend, immer hin und her, stundenlang dieselben Bewegungen macht, so schwebte, wand und torquierte3 sich unser Pastor immer herüber und hinüber, von rechts nach links, und von links nach rechts; oft aber unerwartet auf der einen äußersten Seite plötzlich Halt machend, um die dort sitzende Gruppe von Zuhörern mit einem Raketenschwarm von rasselnden, gepfefferten Phrasen zu überschütten. Und dazwischen schrie er immer »Wachet!« — »Wachet!« — Oft auch andere Interjektionen benützend, wie »Phau!« — »He da!« — »Sieh!« — Links hatte er in der oberen Zahnreihe eine Lücke; dort pfiff er oft wie ein altes Weib heraus. Und auf seinem langgebauten hageren Gesicht lag während dieser ganzen Zeit der Ausdruck einer entsetzlichsten Angst. Auffallend lange oft richtete er sein wie ein Geier gebautes Auge auf das Empor, wo die Orgel stand, als wolle er dort Jemand auf's Korn nehmen, oder erwarte er von dort das Eintreten eines Ereignisses. Und dann wieder strich er mit beiden Händen, wie ein Mesmerist4 beruhigend, flach über die Versammlung hin, und stöhnte hauchend sein »Wachet!« — »Wachet!« — Johannes war eine lange, aufgeschossene, unsäglich magere Figur; und dies ließ die ruhelosen Exkursionen in dem schwarzen Chorrock noch auffallender, gespenstiger erscheinen. Die Stimme war belegt, chronisch matt, als hätte er sich in tausend früher gehaltenen Predigten ausgeschrieen. Er war aber sehr gut verständlich. Und der ausdrucksvolle, fast peinigende, flehende Ton tat das Übrige. Ihm schien dies jedoch nicht genügend. Und jedesmal wenn eine neue Wendung kam, gab er förmlich ein Zeichen, ein »Ha!« als habe er's grad gefunden, oder einen Pfiff, der einem Umspringen der Stimme entsprach, oder er warf in Seitenstellung den ganzen Körper hinüber, als wollte er sagen: Da kommt her! — Oft schien ihm aber auch dies nicht zu genügen; er spitzte den Mund, und pfiff durch die hohle Faust wie durch ein Blasrohr; ein förmliches »Täderädä« wurde hörbar; oder er trampelte mit einemmale mit den Füßen auf dem dumpfen Kanzelboden herum, als wenn der Teufel los wäre. — Und dann nach dem Allem, wenn er seinen Zweck erreicht zu haben schien, glich er die Aufregung wieder mit ausbreitenden Händen und mit einem anflehenden, fast brünstigen »Wachet!« — »Wachet!« — aus.

Und dies dauerte eine ganze geschlagene Stunde. — Die Predigt war groß, gewaltig, erschütternd, Herzen und Nieren prüfend; ein Tränen-Rinnsal und Sturmgewitter. — Aber die Leute waren einfach paff, entsetzt, geängstigt, gemartert; nicht wissend, wem sie folgen sollten, dem Gaukel-Spiel und Prestidigitateur5-Künsten, oder dem zwingenden Gedankenstrom und niederbrechenden Pathos.

Kaum war das »Amen!« verklungen, so riss der Organist sämtliche Register heraus, und mit einem mit Mixtur6 und Bässen reichlich durchsetzten »Tutti«7 überschwemmte er Herzen und Ohren, um Alles, Eindrücke, Ängstigungen und Erinnerungen in einem brausenden Orgel-Meer untergehen zu lassen.

Die Kirche war jetzt aus. Wie ein plapperndes, näherkommendes Mühlwerk strömten die Leute aus der Kirche mit figelierenden8 Armen und knispenden9 Zähnchen ihre Meinungen austauschend. — Es war Usus10, dass einige den besseren Ständen angehörige Bewohner den Pfarrer nach der Kirche in der Nähe des Portals erwarteten, und ihm die Hand drückten. Gar einem neuen Pfarrer nach der Antritts-Predigt. Und gar nach dieser Antritts-Predigt. Der Wartenden waren diesmal fast an Hundert.

Allmählig verliefen sich die Leute, die weiter nach Hause hatten, oder nicht warten konnten. — Jetzt hörte man hinten, von der Sakristei her eine Türe zuschlagen, und nun kam Pastor Johannes, das bleiche Gesicht mit einem gelblichen Taschentuch fleißig abwischend, von rückwärts den sauberen Kiesweg her in schnellem Gang auf die Gruppe Pommersfelder zugeschritten.

Doch war die Empfindung der Scheu bei diesen Leuten stärker, als das Bedürfnis zum Vorwurf. Mit einem »Herr Pfarrer! Herr Pfarrer!« stürzten sie auf ihn zu. Einer nach dem Andern erwischte seine Hand und drückte sie. Die Leute waren doch hingerissen von ihm; nur wussten sie nicht von was. Die ganze Gestalt dieses hochaufgeschossenen, denkentkräfteten, wie von Dämonen gejagten, von Zweifeln abgemarterten Menschen mit der hohen Stirn und dem vergeistigten Antlitz hatte doch etwas Imponierendes, Scheu-Einjagendes. Die jungen Mädchen und Frauen, die sich hier ihren Vätern und Gemeinde-Mitgliedern angeschlossen hatten, starrten auf das Wunder-Bild. Dabei lag aber freilich Angst und Entsetzen auf allen Mienen. — Endlich aber nahmen aber doch einige der Älteren das Wort, und mit gefalteten und bedauernden Händen sprachen sie gegen den langen Mann im schwarzen, enggeknöpften Rock.

»Herr Pfarrer! Herr Pfarrer! Was soll das werden? Um Gotteswillen, was haben Sie gemacht? Soll das so fortgehen ? Die Leut können heute vor Angst und Erregung kaum zu Mittag essen.« — »Schade!« — fielen jetzt Andere ein — Schade, die prachtvolle Predigt. Schade! Dieser Gottesmann!« — »Bedrückt Sie Jemand? Sprach Jemand mit Ihnen? Wurden Sie gestört? Woher diese fürchterlichen Grimassen und Auftritte?« — »Ja, diese Grimassen« — fingen nun auch die Mädchen an — »diese Verzerrungen, diese Pfiffe, dieses Geräusche; es sei wie am jüngsten Tag; ob denn der Teufel losgebunden sei!« —

»Wie — sagte Pastor Johannes, und trat einige Schritt zurück — davor wunderten sie sich. Kannten sie nicht die Kirche von Seltsamhausen? Und müsse er nicht annehmen, dass es hier ebenfalls so sei? Hätten sie nichts von Seltsamhausen gehört? Kannten sie nicht das greuliche Tier von Seltsamhausen? Das Tier in der Kirche? Das über die Bänke steige? — Vor zehn Jahren sei es zum erstenmal gewesen. Er war kurz vorher angestellt worden. Es war seine fünfte oder sechste Predigt. Die Bauern dort, lauter ärmliche, abgerackerte Leute, von der Wochenarbeit todmüde, hätten die Gewohnheit gehabt, in der Kirche zu schlafen. Er sei vielleicht zu nachsichtig gewesen. Auch ging es anfangs noch, als seine Stimme und Vortragsweise den Leuten neu war. Aber später, als an einem Sonntag die gesamte Zuhörerschaft in ihren blechernen Rockknöpfen und bebänderten Hauben, der Organist mitinbegriffen, räkelnd in den ungestrichenen Kirchenstühlen mit offenen Mäulern gelegen und geschlafen habe, sei das Entsetzliche passiert. Ob sie denn davon nichts wussten? Hinten von der Orgel her habe sich's herausgewälzt; schlürfend und tappend; ein Etwas, ein Mords-Ding, ein grandioses Tier; und sich langsam in das Schiff der Kirche hineingelegt. Ob es das Tier aus dem Jeremias gewesen sei ? — Wie ? — Nein, damit stimmte es nicht. — Oder aus Hesekiel. — Er wisse nichts darüber. — Es sei wie auf Tappen gegangen. Und auf ihn zu. Wie ein Wachsbild habe er es angestarrt. Hilflos, was zu tun. Er habe in der fürchterlichen Stille immer weiter gepredigt. Und dabei grimmassiert und gefratzt, um das Tier zu verscheuchen. Geschmatzt und gegaggert habe er: >Huit!< rief ich und >Pischperisch pisch !< Es half nichts. Wie ein langmächtiger Leviathan11 sei es näher gekrochen. Schon habe er seinen vorströmenden Hauch im Gesicht gefühlt, der wie Buchbinderkleister gerochen. In der entsetzlichen Angst habe er ihm zwei Kapitel aus der Offenbarung Johannes12 in den Rachen geschrieen. Sie gehörten gar nicht zur Predigt. Es sollte nur eine Beschwörungsformel sein; weil dort ein ähnliches Tier vorkommt. Es half aber nichts; es schien sie schon zu kennen. Inzwischen wuchs das Tier grässlich; und nahm deutlicher Form und Gestalt an. Man denke: es war, als wenn es sich bei den Schläfern rekrutierte; als wenn es Glied um Glied aus deren geöffneten Mäulern sich ergänzte; als wenn das Tier das Produkt der Seelen der hier Schlafenden sei. Der Kopf war menschlich; ein altes, faltiges Weibergesicht; im übrigen gutmütig; mit Kaffeetassen-Lippen. Rings um die gepflegten Löckchen die Umrisse einer Mords-Haube wie aus durchsichtbarem Gazestoff; quer durch diese Haube sah er noch die Orgelpfeifen blitzen. Oft schwankte der ganze Koloss wie ein Luftballon hin und her; oft schien er sich wie mit Filztappen auf die Kirchenstühle zu stützen und langsam emporzuheben. Das entsetzliche Weibergesicht kam ihm inzwischen immer näher; es hatte wässerig-blaue Augen; der Rumpf zeigte hinten walrossähnliche, braun ausladende Glieder; während der Fischschuppenschwanz hinten bei den Orgelpfeifen noch beschäftigt war. Bis dahin hatte er noch die gut memorierte Predigt mit der unerhörtesten Selbstüberwindung herausgeschrieen, in der Meinung, das Tier müsse schließlich zurückweichen. Als es aber zuletzt mit schmatzendem Maul und fauligen Zähnen direkt auf ihn losgekommen, habe er in dieser höchsten Not die Bibel gepackt, und sie ihm ins Gesicht geschleudert. Der schwere Band fiel platschend auf den weißgescheuerten Boden der Kirche. Der danebensitzende Bauer erwachte, schaut verwundert um sich, und — in diesem Augenblick war das Tier verschwunden, radikal fort, als ob es nie existiert hätte. Die Kirche wurde wieder hell und freundlich. — Nun kam er auf den Gedanken, dass es der Schlaf der in der Kirche Sitzenden sei, der das Tier erzeuge. Und in dieser Voraussetzung habe er nun den Rest der Predigt dem eben erwachten Bauern mit solcher Vehemenz ins Gesicht geplärrt, dass dieser nicht mehr einschlafen konnte. Es ging auch alles gut. Er konnte die Predigt glatt vollenden. Mit dem Schluss — »Amen!« erwacht alles; denn das war ihr Stichwort zum Aufwachen. Mit dem Gerutsch und Geräusch der Röcke und Kleider kam wieder Leben in die Kirche. Die Sonne brach durch die großen Scheiben. Der Organist, der ebenfalls erwacht, löste eine prachtvolle, jubelnde Fuge von Bach vom Manual, und schluchzend und weinend verließ er die Kanzel, und ging nach Hause, seinem Herrgott dankend, dass noch alles glücklich abgelaufen. —

Das sei das Tier von Seltsamhausen. Ob sie denn davon nichts gehört hätten? Ob sie denn nicht auch ein ähnliches Tier hier hätten ? — Was das für ein Tier sei? — frügen sie. — Ja, das wisse er doch nicht! Sei es vielleicht die Langeweile? — Oder das Nichts? — Ob es aus der Bibel stamme ? Oder aus einem heiligen Fluss, aus dem Ganges, heraufgestiegen sei ? Nein, nein! Nicht aus Indien komme es, es komme aus Seltsamhausen. Woher käme denn die fränkische Haube!? Und er sei fest überzeugt, dasselbe sei ihm hieher, nach Pommersfelden, nachgekrochen. Ob sie hier auch so viel Zuckerrüben bauten wie drüben bei seinen armen Bauern? Lange habe er gemeint, dass das Tier sich von dieser Frucht mäste. Denn es sei eine süße Gosche. Er habe es gleich gemerkt, dass es hier sei. Schon zu Anfang der Predigt. An der Orgel habe er den Schattenriss gesehen. Es liege immer mit dem Schwanz auf dem tiefen Contra-C. Doch hätten alle Leute so aufgepasst; da sei keine Gefahr gewesen. Wenn wir wachen, dann schlafe es. Und wenn wir zu schlafen anfangen, begänne es sich zu recken und zu dehnen. — Was es nun aber für ein Tier sei ? Vielleicht nur der geborene Schrecken, der Schrecken von ihm, dem Pfarrer, der Pfarrers-Schrecken, dass, wenn er von der Kanzel herab das Beste, was er habe, hergäbe, wenn er mit seinem Herzblut predige, diese Hundekerle da drunten, die Bauern, schliefen? Oder sei es die generelle, manifestierte Rache für diese Misshandlung des Predigers? Und warum rücke es immer dem Pastor auf den Leib ? — Doch er habe seine Dispositionen getroffen. Und habe zehn Jahre Zeit gehabt, sich einzuüben. Wenn nur Einer in der Kirche wache, käme das Tier nicht zu Stande. Und er verfüge über Vogelstimmen und Hundegebell, über Grimassen und Fisematenten2, über Verdrehungen und Torquierungen3; er mache den Nusshäher und das Käuzchen nach, den Geier und den Uhu; und für den äußersten Moment sei seine gute, brave, fünfpfundige Bibel da, um sie dem scheußlich schmatzenden Kaffee-Gesicht in den Rachen zu schmeißen.

Doch, — meinte Pastor Johannes, — und damit schaute er mit hellen Augen den Kreis der Umstehenden an, er sehe hier so viel frische, aufmerksame, nach geistigem Brot lechzende Gesichter, da sei wohl keine Gefahr; und mit Gottes Hilfe werde wohl alles gut werden. —

Jetzt aber müsse er nach Hause. Seine sechs Kleinen stünden mit hungernden Mäulern und gefalteten Händen um den Tisch herum; und auch die Frau Pfarrer nehme keinen Löffel Suppe, bis der Pfarrer da sei. — Also Gottbefohlen! —

Und damit schritt der magere, ausgemergelte Mann durch die vorgestreckten Hälse, die kreidigen Gesichter und die lechzend vorgequellten Augäpfel der Wartenden mitten hindurch. —


Erläuterungen:

1 Herrenhuter Gemeinde

"Erneuerte Brüderunität, Herrnhuter (Ev. Brüderkirche, Brüdergemeine)

1. Geschichte und Ausbreitung
2. Verfassung
3. Theologie und Frömmigkeit
4. Sozialer Aufbau, Statistik

1. Die Erweckungsbewegung des Pietismus griff auf die heimlich Evangelischen in Mähren über. Namentlich der Zimmermann Christian David trug dazu bei und führte Nachkommen der Böhmisch- Mährischen Brüderunität seit 1722 auf das Gut Berthelsdorf des Grafen Zinzendorf in der Oberlausitz. Die als Handwerkerkolonie gegründete Siedlung Herrnhut übte starke Anziehungskraft auf an anderen Orten bedrängte Pietisten verschiedener Prägung aus, weil hier christliches Gemeinschaftsleben in freiwilligem Zusammenschluss gestaltet werden konnte. Kirchenkritik, christokratische Ideen, Heiligungsstreben und konfessionelle Differenzen bereiteten ernste Schwierigkeiten und gefährdeten den Zusammenhang mit der sächsischen Landeskirche. Durch intensive Seelsorge, biblische Belehrung, Gestaltung einer neuartigen Lebensordnung, der sich alle Einwohner freiwillig unterwarfen, durch eine Erweckung, die weithin die Gemeinde ergriff, und durch die gemeinsame Erfahrung der Vergebung aus dem Kreuzestod Christi bei einer Abendmahlsfeier am 13.8.1727 wurde eine innere Einheit gegeben. Die Unterschiede der Lehre, der Konfession und der persönlichen Erfahrung erschienen unwesentlich gegenüber der Wirklichkeit und Möglichkeit der Bruderliebe aus der Versöhnung in Christus. Dass die Gemeinde Herrnhut nicht zu einer losen Verbindung in der Art der Philadelphischen Sozietät ( Philadelphia), sondern zur Urzelle einer Gemeindekirche wurde, ist auf dieses Ereignis, den starken Einfluss der Kreuzestheologie Zinzendorfs, auf die dringenden Aufgaben praktischer sozialer Gestaltung und auf den diakonischen Charakter des Gemeindelebens zurückzuführen, der sich besonders in der 1732 begonnenen Heidenmission und den Erweckungsfahrten zeigte. Hinzu kam ererbte kirchliche Tradition bei den mährischen Gliedern. Zinzendorf konnte seine Gedanken einer nur innerkirchlichen Erneuerungsbewegung gegenüber diesen Kräften nicht durchsetzen. Auch die Gemeindeordnung sprengte mit ihren neuen Ansätzen auf liturgischem Gebiet und in den Gruppen der Gemeinde (Chöre nach Alter und Geschlecht) die gegebene Kirchenordnung. Der entscheidende Anstoß zur eigenen kirchlichen Gestaltung kam nicht vom konfessionellen Gegensatz, sondern von der missionarischen Tätigkeit: für Kirchliche Handlungen war eine gültige Ordination erforderlich. In der Übertragung der altbrüderischen Bischofsweihe auf einen der ersten Missionare, den Laien David Nitschmann, wurde 1735 die Verbindung mit der Böhmisch-Mährischen Brüderunität offenkundig gemacht und ein eigener geistlicher Stand begründet. Die Ausweisung Zinzendorfs aus Sachsen 1736 führte zu Gemeindegründung in der Wetterau, die Mission zu neuen Zweigen in Übersee (s. 6). Friedrich d. Gr. ermöglichte durch Generalkonzessionen seit 1742 Siedlungen in Preußen, das englische Parlament erkannte die Brüderunität (Moravians) 1749 an, desgleichen dann auch die sächsische Regierung. Die Tolerierung als »Augsburgische Konfessionsverwandte« sicherte der Brüderunität in Deutschland Religionsschutz.

Über die Siedlungen der Brüderunität hinaus, an denen noch heute die ursprüngliche Form erkannt werden kann, ergab sich ein weiter Wirkungsbereich durch freie Gemeinschaftsbildung an adligen Höfen, an Universitäten, in Städten in sog. Sozietäten, deren Glieder weiter ihrer Kirche angehörten. Vielerorts wurde darin der Hallesche Pietismus überwunden und die Grundlage für Erweckungen gelegt, die die Aneignung und Erhaltung eines biblisch begründeten Rechtfertigungsglaubens bewirkten. In der Frömmigkeitsgeschichte Mittel- und Nordeuropas, z. B. in Livland und Estland ( Baltische Länder, 5. 6) (s. Lit.), zeigt sich diese Wirkung der »Diaspora« der Brüderunität Da man nicht zum Übertritt warb, blieb die Verbindung mit der betr. Landeskirche gewahrt, und man hielt den eigenen zahlenmäßigen Bestand niedrig. Nur auf dem Missionsfeld kam es zu größeren Kirchenbildungen volkskirchlichen Gepräges, und in den angelsächsischen Ländern wurde der Charakter der Freikirche mehr betont. Die Konfessionsgrenzen bildeten kein Hindernis für die Verkündigung des Versöhnungstodes Christi und für freie Gemeinschaftsbildung, die, weil zentral begründet, nicht kirchenzerstörend, sondern -erhaltend wirkte. Man suchte in ökumenischer Weite das Testament des Heilands (Joh 17) in der Sammlung der zerstreuten Kinder Gottes zu befolgen (Zinzendorfs Tropenidee). Die Gegnerschaft von Joh. Albrecht Bengel und Sigmund Jakob Baumgarten trug aber zur Ablehnung Zinzendorfs und zur kirchlichen Isolierung der Brüderunität wesentlich bei.

2. Die eigene Kirchenbildung der Brüderunität erscheint von innen gesehen mehr als Hilfe für die Arbeit und nicht als grundsätzlicher Trennungsakt. Nach früheren Ansätzen wurde die Verfassung der Brüderunität bis 1775 auf 3 Synoden gestaltet und blieb in ihren Grundzügen bis heute gültig. Die Brüderunität ist eine Vereinigung von Gemeinden, die in einzelnen Ländern als Provinzen unter einheitlicher Leitung zusammengeschlossen sind. Das verleiht ihr den Charakter einer übernationalen Kirche als einer Lebens- und Arbeitsgemeinschaft, die sich auf ihren Synoden eigene Ordnungen gibt und eigene Formen des Gottesdienstes und der kirchlichen Sitte entwickelt. Die Synoden, ursprünglich Arbeitskonferenzen, werden zur rechtsgültigen Vertretung der Gemeinden (Urwahlen) und der Arbeitszweige. Die oberste Leitung wird der Unitätsdirektion übertragen, die jeweils von der Synode gewählt wird. Sie handelt als Kollegium und beruft Geistliche und andere Mitarbeiter. Die Leitung der Gemeinden liegt bei dem Ältestenrat. Die Übertragung des Generalältestenamtes auf Christus (1741) ist als Akt des Glaubens in konkreter Notlage zu verstehen und will das ganze Leben der Gemeinden seiner Herrschaft unterordnen. In der Verfassung ergab sich daraus das »Regiment des Heilands«, das durch das Mittel des Loses verwirklicht, später aber in langer Entwicklung abgebaut wurde. - Seit 1857 nahmen die einzelnen Provinzen (Europäischer Kontinent, Großbritannien, Vereinigte Staaten von Amerika) verschiedenes Gepräge an. In Amerika folgten die Gemeinden dem Zug zu stärkerer Ausbreitung durch »Home Mission« über den ganzen Kontinent einschließlich Kanada. Eine gemeinsame Oberleitung ist in Kraft geblieben und wird von der Gesamtunitätsdirektion als einer Zusammenfassung der Behörden der selbständigen Provinzen ausgeübt (Unitätskonferenzen) und besitzt in der von allen Provinzen beschickten Generalsynode (letztmalig 1931, geplant für 1957) ihre letzte Instanz. Die verwaltungsmäßig aufgeteilte, aber als gemeinsames Werk der Gesamtunität betrachtete Missionsarbeit einschließlich der Aussätzigenarbeit in Palästina verbindet die einzelnen Zweige der Brüderunität noch stärker als die gemeinsame Geschichte, Ordnungen, liturgische Bräuche und Lieder. Auch über die Wechselfälle zweier Weltkriege, nationale und rassische Spannungen hinweg blieb die Unitas Fratrum erhalten als ein Beispiel ökumenischer Zusammenarbeit im eigenen Kreis und mit anderen Kirchen an vielen Plätzen der Erde.

3. Die Brüderunität hat keine Sonderlehre entwickelt. Die hl. Schrift ist oberste Richtschnur für Glauben und Leben, das Apostolikum und das Augsburger Bekenntnis werden besonders hervorgehoben. Daraus ergab sich nicht Gleichgültigkeit in der Lehre, doch wurde von Anfang an auf die Bezeugung der offenbarten Wahrheiten des Evangeliums Nachdruck gelegt und auf persönliche Glaubensverbindung mit Jesus Christus, dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn der Gemeinde und jedes einzelnen (Wort vom Kreuz). Aktuelles Bekennen zeigen die Lehraussagen der Kirchenordnung. Abspaltungen wegen Sonderlehren blieben der Brüderunität erspart, nicht aber theologische Kämpfe in der eigenen Mitte. Die sog. »Sichtungszeit« (1740 ff.) mit ihrer Übersteigerung der z. T. erotischen Bildersprache für die Realität der Versöhnung und mit der Verwendung bildlicher Darstellung z. Brüderunität der Seitenwunde wurde in kurzer Zeit überwunden. Originelle Ansätze der Theologie Zinzendorfs machten unter seinem Nachfolger A. G. Spangenberg († 1792) in der »Idea fidei fratrum« biblischer und stärker zurückhaltender Ausdrucksweise Platz. Auseinandersetzungen mit der Romantik und der idealistischen Philosophie führten z. T. zum Abgang ( Schleiermacher), z. T. zum »Idealherrnhutianismus«. Wie die Brüderunität die Erweckungsbewegung befruchtete, so wirkten umgekehrt Joh. Tobias Beck, Albrecht Ritschl, in neuester Zeit Karl Barth, Emil Brunner u. a. auf sie ein. In der Auseinandersetzung mit den theologischen Zeitströmungen wurde meistens die christozentrische Glaubenshaltung bewahrt, die bis heute dem Gemeindeleben und der persönlichen Frömmigkeit das Gepräge gibt. In der gegenwärtigen Neubesinnung auf Zinzendorf werden hervorgehoben seine Kreuzestheologie (auch als Methode), die Absage an die mystische Direktheit zu Gott, der Widerspruch gegen natürliche Theologie und rationale Beweisführung, der Hinweis auf die Begegnung mit Gott in Christus allein. - Das überaus reichhaltige Gesangbuch (1927) ist in besonderem Maß Bekenntnisbuch. Die wöchentliche »Singstunde« (eine Art Liederpredigt), die Liedverse in den Losungen, die Liturgien als Gottesdienste der Anbetung, die Bezeichnung der Zusammenkünfte als »Versammlungen« und die Gemeindezucht betonen den Gemeinschaftscharakter ebenso wie die Form der Abendmahlsfeier (als eucharistische Gemeindefeier, Dank für die geschehene Versöhnung, Erwartung des kommenden Herrn, Bezeugung der Realpräsenz). Im Gemeindelied, im persönlichen Gebetsumgang mit dem erhöhten Herrn, in der Feier der Karwoche mit dem Lesen der Leidensgeschichte und des Ostermorgens an den Gräbern auf dem »Gottesacker«, in der Gemeindefeier der Taufe gibt die Gemeinde der dankbaren Freude über die Erlösung und den Christenstand Ausdruck. Jegliche Tätigkeit ist in der Gemeinde gleich wertgeachtet, Wirtschaftsleben und Erziehungsaufgaben sind einbezogen in ihren Dienst. Die sozialen Probleme der aus Handwerkern, Adligen und zahlreichen »Gemeindienern« bestehenden Gemeinden wurden auf engem Raum für ihre Zeit vorbildlich gelöst.

4. Diese Geschlossenheit ließ sich aus den Siedlungen nicht auf andere Verhältnisse übertragen. Im Werden der industriellen Gesellschaft gelang nur an wenigen Stellen die Umbildung der Handwerksbetriebe in Fabriken. Mit der aufkommenden Freizügigkeit wanderten viele jüngere Gemeindeglieder aus den Ortsgemeinden in die Städte ab. Die Gründung von Stadtgemeinden (um die Wende des 20. Jh.s) führte zur Bildung von Personalgemeinden mit größerem Freundeskreis. Die Zahl der sog. »auswärtigen« Glieder hat im Westen Deutschlands die Hälfte überschritten. Durch die beiden Weltkriege traten große Veränderungen ein: Die schlesischen Gemeinden wurden ausgesiedelt, die Diasporagemeinschaften im Osten Deutschlands und in Polen und - schon früher - die Brüdergemeinschaften in Livland und Estland fielen fort, zahlreiche Schulen und Internate (Pädagogium in Niesky) - z. T. schon nach 1933 -, Landbesitz und wirtschaftliche Unternehmungen in Ost-Deutschland gingen verloren. Durch die Teilung Deutschlands wurden zwei Distrikte notwendig. Der Strom der Flüchtlinge wurde nur z. T. in bestehenden Gemeinden im Westen und in der neuen Siedlung Neugnadenfeld (1946) im Emsmoor aufgefangen. Auch wurde mit der Erziehungsarbeit (s. 5) neu begonnen. Das theologische Seminar in Herrnhut konnte noch nicht wieder eröffnet werden. - Dagegen verstärkte sich die Verbindung der Brüderunität mit der Ev. Kirche in Deutschland, der sie durch eine Vereinbarung 1948 angeschlossen wurde. Die Losungen fanden starke Verbreitung. Die »auswärtigen« Glieder der Brüderunität machen meist von ihrer Doppelmitgliedschaft Gebrauch und arbeiten vielfach in den betr. Kirchengemeinden mit. Die Brüderunität trat der »Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland« bei, ihre einzelnen Provinzen gehören dem ökumenischen Rat der Kirchen an. Innerhalb der Brüderunität selbst sind Austausch und Zusammenarbeit (Mission) zwischen den einzelnen Provinzen im Steigen begriffen.
Der soziale Aufbau ist gegenüber der Anfangszeit wenig verändert. Die intensive, direkte und indirekte Erziehung durch die Gemeinde hat eine Fülle von individuellen Begabungen unter Handwerkern, Bauern, Juristen, adligen Standesherren, Geschäftsleuten und Theologen entbunden. Dies kam dem Dienst der Gemeinde zugute. Von geringen Ausnahmen abgesehen, gelang es im 19. Jh. nicht, in der Arbeiterschaft Fuß zu fassen. Der große, aber nur in geringem Maß organisatorisch gestaltete Freundeskreis der Brüderunität heute umfasst viele Gruppen der Bevölkerung. Aus ihm werden der Brüderunität auch neue Mitarbeiter zugeführt, da die eigenen Kräfte nicht ausreichen würden, die vielfachen Aufgaben zu erfüllen. Dieser Zuwachs, der Austausch mit dem kirchlichen Leben der Länder, in denen Brüdergemeinen vorhanden sind, die Arbeitsverbindungen mit anderen Kirchen (Missionsarbeit, ökumenische Ausschüsse) tragen ebenso zur Durchführung der Arbeit wie zur Erneuerung der Kräfte bei.
Statistik: a) Die Europäisch-Festländische Brüderunität zählt 11295 Glieder in 20 Gemeinden in Deutschland, Dänemark, Holland, Schweden, der Schweiz mit 2 Distrikten; Direktionen: Herrnhut (Ost) und Bad Boll (West). - b) Die Britische Brüderunität zählt 3255 Glieder in verschiedenen Bezirken Englands und Irlands, Sitz der Direktion in London. - c) Die Brüderunität in Nordamerika (USA und Kanada) gliedert sich in die nördliche Provinz mit 36104 Gliedern, Direktion in Bethlehem, Pa., und in die südliche mit 19599 Gliedern, Direktion in Winston-Salem, N. C. - d) Werdende Unitätsprovinzen mit graduell verschiedener Selbständigkeit: in der Tschechoslowakischen Republik mit 10081 Gliedern ( Brüderunität: I und Lit. dort), auf den östlichen westindischen Inseln, auf Jamaika, in Surinam (Südamerika), Nikaragua, Kap-Provinz (Südafrika). Gesamtzahl a) bis c) (mit Brüderunität in der Tschechoslowakei): 80334, Missionsgebiete: 212458 (Stand vom 31.12.1955).

[Quelle: Heinz Renkewitz (1902 - ). -- In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG3). -- Bd. 1. -- 1956. --  Sp. 1439ff.]

2 Fisimatenten: Ausflüchte, leere Redensarten; Umständlichkeiten

3 torquieren: krümmend drehen

4 Mesmerist: Heilmagnetiseur: Der Mesmerismus ist eine auf den Arzt Anton Mesmer (1734 - 1815) zurückgehende Lehre, dass es einen "tierischen Magnetismus" im Menschen gebe, mit dem und durch den Heilungen von Krankheiten erfolgen können.

5 Prestidigitateur 8französich): Taschenspieler

6 Mixtur: die gebräuchlichste aller gemischten Stimmen (Register) der Orgel, der Regel nach nur aus Oktaven und Quinten bestehend, manchmal aber auch eine Terz oder gar Septime enthaltend.

7 Tutti: alle Stimmen, alle Register

8 figelierenden: ??

9 knispenden: ??

10 Usus (lateinisch): Brauch

11 Leviathan (hebräisch: "der sich Windende"): der biblische Name für ein mythologisches Ungeheuer.

12 Offenbarung des Johannes = Apokalypse: letztes Buch des Neuen Testaments, beschäftigt sich mit den Schrecken der Endzeit


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