Ausgewählte Erzählungen aus Somadeva's
Ozean der Erzählungsströme

5. Buch I, Welle 5

2. Vers 59 - 78: Die Geschichte von Śivavarman


verfasst von Somadeva

übersetzt und erläutert von Alois Payer

mailto:payer@payer.de


Zitierweise / cite as:

Somadeva <11. Jhdt. n. Chr.>: Kathāsaritsāgara : der Ozean der Erzählungsströme : ausgewählte Erzählungen / übersetzt und erläutert von Alois Payer. -- 6. Buch I, Welle 5. -- 2. Vers 59 - 78: Die Geschichte von Śivavarman. -- Fassung vom 2007-01-10. --  http://www.payer.de/somadeva/soma062.htm      

Erstmals publiziert:

pañcamas taraṅgaḥ


Überarbeitungen:

Anlass: Lehrveranstaltung WS 2006/07

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Der Sanskrit-Text folgt im Wesentlichen folgender Ausgabe:

Somadevabhaṭṭa <11. Jhdt.>: Kathāsaritsāra / ed. by Durgāprasād and Kāśīnāth Pāṇḍurāṅg Parab. -- 4. ed. / revised by Wāsudev Laxman Śāstrī Paṇśikar. -- Bombay : Nirnaya-Sagar Press, 1930, -- 597 S. -- [in Devanāgarī]


Mahākaviśrīsomadevabhaṭṭaviracitaḥ

Kathāsaritsāgaraḥ


Der von großen Dichter, dem Ehrwürdigen Gelehrten Somadeva verfasste Ozean der Erzählungsströme

Kommentar:

Zu Autor und Werk siehe:

Somadeva <11. Jhdt. n. Chr.>: Kathāsaritsāgara : der Ozean der Erzählungsströme : ausgewählte Erzählungen / übersetzt und erläutert von Alois Payer. -- 1. Einleitung. -- http://www.payer.de/somadeva/soma01.htm


pañcamas taraṅgaḥ


ādityavarmanāmātra
babhūva nṛpatiḥ purā |
śivavarmābhidhāno 'sya
mantrī cābhūn mahāmatiḥ |59|

59. Einst war hier ein gewisser Ādityavarman König. Er hatte in Śivavarman einen weisen Minister.

rājñas tasyaikadā caikā
rājñī garbham adhārayat |
tad buddhvā sa nṛpo 'pṛcchad
ity antaḥpurarakṣiṇaḥ |60|

60. Einstmals wurde eine Königin dieses Königs schwanger. Als er davon erfuhr, fragte der König die Haremswächter:

varṣadvayaṃ praviṣṭasya
vartate 'ntaḥpure ' tra me |
tad eṣā garbhasaṃbhūtiḥ
kutaḥ saṃprati kathyatām |61|

61. Es ist schon zwei Jahre her, dass ich hier in den Harem gekommen bin. Sagt!, woher kommt diese Schwangerschaft jetzt?"

athocus te praveśo 'tra
puṃso 'nyasyāsti na prabho |
śivavarmā tu te mantrī
praviśaty anivāritaḥ |62|

62. Sie antworteten: "Herr!, hier hat kein anderer Mann Zutritt. Nur Śivavarman, dein Minister, kann uneingeschränkt hereinkommen."

tac chrutvācintayad rājā
nūnaṃ drohī sa eva me |
prakāśaṃ ca hate tasminn
apavādo bhaven mama |63|

63. Da dachte der König: "Gewiss betrügt er mich. Wenn ich ihn öffentlich hinrichten ließe, gäbe es über mich einen Skandal."

ity ālocya sa taṃ yuktyā
śivavarmāṇam īśvaraḥ |
sāmantasyāntikaṃ sakhyuḥ
prāhiṇod bhogavarmaṇaḥ |64|

64. So erwog der Herrscher und sandte Śivavarman unter einem Vorwand zum benachbarten Vasallen, seinem Freund Bhogavarman.

tadvadhaṃ tasya lekhena
saṃdiśya tadanantaram |
nigūḍhaṃ sa nṛpas tatra
lekhahāraṃ vyasarjayat |65|

65. Gleich darauf sandte der König klammheimlich einen Boten dorthin mit einem Brief, in dem er die Ermordung Śivavarmans anordnete.

yāte mantriṇi saptāhe
gate bhītyā palāyitā |
sā rājñī rakṣibhir labdhā
puṃsā strīrūpiṇā saha |66|

66. Eine Woche nachdem der Minister abgereist war ist jene Königin aus Furcht geflohen. Sie wurde zusammen mit einem als Frau verkleideten Mann von den Wächtern gefasst.

ādityavarmā tad buddhvā
sānutāpo 'bhavat tadā |
kiṃ mayā tādṛśo mantrī
ghātito 'kāraṇād iti |67|

67. Als Ādityavarman davon erfuhr, überkam ihn Reue: "Warum habe einen solchen Minister grundlos umringen lassen?!"

atrāntare sa ca prāpa
nikaṭaṃ bhogavarmaṇaḥ |
śivavarmā sa copāgāl
lekham ādāya puruṣaḥ |68|

68. Inzwischen hatte Śivavarman die Wohnstatt Bhogavarmans erreicht. Auch der Mann mit dem Brief war angekommen.

vācayitvā ca taṃ lekham
ekānte śivavarmaṇe |
śaśaṃsa vadhanirdeśaṃ
bhogavarmā vidher vaśāt |69|

69. Bhogavarman ließ sich den Brief vorlesen und teilte dank des Schicksals unter vier Augen dem Bhogavarman sden Befehl zu seiner Ermordung mit.

śivavarmāpy avocat taṃ
sāmantaṃ mantrisattamaḥ |
tvaṃ vyāpādaya māṃ no cen
nihanmy ātmānam ātmanā |70|

70. Śivavarman aber, dieser beste Minister, antwortete dem Vasallen: "Töte mich! Wenn du es nicht tust, töte ich mich selbst."

tac chrutvā vismayāviṣṭo
bhogavarmā jagāda tam |
kim etad brūhi me vipra
śāpito 'si na vakṣi cet |71|

71. Bei diesen Worten erfüllte Erstaunen den Bhogavarman, und er sprach: "Brahmane!, sag, was soll das bedeuten? Wenn du es mir nicht sagst, verfluche ich dich."

atha vakti sma taṃ mantrī
hanyeya yatra bhūpate |
tatra dvādaśa varṣāṇi
deśe devo na varṣati |72|

72. Da antwortete ihm der Minister: "König!, in dem Land, in dem ich getötet werde, wird es zehn Jahre lang nicht regnen."

tac chrutvā mantribhiḥ sārdhaṃ
bhogavarmā vyacintayat |
duṣṭaḥ sa rājā deśasya
nāśam asmākam icchati |73|

73. Darauf überlegte Bhogavarman zusammen mit seinen Ministern: "Dieser verdorbene König wünscht, dass unser Land vernichtet werde.

kiṃ hi tatra na santy eva
vadhakā guptagāminaḥ |
tasmān mantrī na vadhyo 'sau
rakṣyaḥ svātamvadhād api |74|au

75. Nach dieser Beratung gab Bhogavarman dem Śivavarman Wächter und verwies ihn unverzüglich des Landes.

evaṃ pratyāyayau jīvan
sa mantrī prajñayā svayā |
śuddhiś cāsyānyato jātā
na hi dharmo 'nyathā bhavet |76|

76. So kehrte der Minister dank seiner eigenen Klugheit lebend zurück. Seine Unschuld wurde wegen des anderen Liebhabers erwiesen. Recht kann nicht anders sein.

itthaṃ tavāpi śuddhiḥ syāt
tiṣṭha tāvad gṛhe mama |
kātyāyana nṛpo 'py eṣa
sānutāpo bhaviṣyati |77|

77. So wird sich auch Deine Unschuld erweisen. Kātyāyana, bleibe so lange in meinem Haus! Auch dieser König wird Reue empfinden."

ity uktaḥ śakaṭālena
channo 'haṃ tasya veśmani |
pratīkṣamāṇo 'vasaraṃ
tāny ahāny atyavāhayam |78|

78. So erzählte Śakaṭāla. Ich blieb in seinem Haus versteckt und verbrachte die Tage in seinem Haus, auf meine Gelegenheit wartend.